Gesprächskreisvotum Dr. Wolfgang Dannhorn zum Arbeitsrechtsregelungsgesetz Sehr geehrter Herr Landesbischof, hohe Synode! Einem Außenstehenden erschließt sich das Arbeitsrecht der Evangelischen Landeskirche nicht leicht: Es gibt keine Gewerkschaften, aber eine – starke – Mitarbeitervertretung. Es gibt keinen Arbeitgeberverband, aber ein Diakonisches Werk, in dem die Dienstgeber vertreten sind. Es gibt auch keine Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, vielmehr sprechen wir von Dienstnehmern und Dienstgebern und der kirchlichen Dienstgemeinschaft. Diese gestalten das Arbeitsrecht unserer Landeskirche in einer paritätisch besetzten Kommission, der arbeitsrechtlichen Kommission. Wir bezeichnen diese Konstellation als ‚Dritten Weg‘. Die Lebendige Gemeinde steht voll und ganz hinter diesem Dritten Weg. Der Dritte Weg hat in der Vergangenheit zu guten und sehr guten Ergebnissen für die im Bereich von Kirche und Diakonie beschäftigten Mitarbeiter geführt und entspricht unserem kirchlichen Selbstverständnis. Mit seinem Urteil vom 20. November 2012 hat das Bundesarbeitsgericht den Dritten Weg im Grundsatz bestätigt. Es hat allerdings darauf hingewiesen, dass Gewerkschaften angemessen an der Ausgestaltung der arbeitsrechtlichen Regelungen beteiligt werden müssen. Daraufhin ist zunächst die EKD mit dem ARGG tätig geworden. In der Folge hat der Oberkirchenrat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Lebendige Gemeinde begrüßt ausdrücklich, dass mit dem vorliegenden Entwurf nicht etwa das ARGG der EKD übernommen wurde. Es ist gut und richtig, das kirchliche Arbeitsrecht weiterhin von Württemberg aus zu regeln. Die Lebendige Gemeinde bedankt sich bei allen Beteiligten für den großen Aufwand, der im Rahmen der Erarbeitung des vorliegenden Entwurfes betrieben wurde. Das betrifft insbesondere auch den Versuch, alle Beteiligten, von den Dienstgebern bis hin zu den Dienstnehmervertretern, in die Gesetzgebung einzubinden. Die Lebendige Gemeinde begrüßt auch, dass nunmehr Rechtssicherheit im Hinblick auf die Beteiligung der Gewerkschaften herrscht. Damit kommt der kirchliche Gesetzgeber den Anforderungen der Rechtsprechung nach. Die Lebendige Gemeinde geht ebenfalls damit konform, dass künftig keine Möglichkeit mehr besteht, über Dienstvereinbarungen ein anderes Tarifrecht zu vereinbaren. Die Wirksamkeit derartiger Regelungen ist zwar auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nicht klar. Dennoch scheinen in der Wissenschaft die kritischen Stimmen im Hinblick auf solche Regelungen zu überwiegen. Als problematisch erachtet die Lebendige Gemeinde allerdings, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hinter den klaren Beschluss der Synode von 2007 zurückgegangen wird. Im Jahr 2007 hat die Synode – auch mit Stimmen prominenter Vertreter der Offenen Kirche – beschlossen, dass künftig auch eine Möglichkeit zur Anwendung der EKD-Arbeitsrechtsregelungen bestehen solle. In der Folge wurden die AVR-DD angewendet und gleichzeit eine Vielzahl von Ausgründungen bei diakonischen Trägern rückgängig gemacht. Die AVR-DD haben sich in der Zwischenzeit sehr gut entwickelt. Im Jahr 2007 waren die AVR-DD in mancher Hinsicht noch ein ‚Billigtarif‘. Dies hat sich jedoch grundlegend geändert: Die AVR-DD sind mittlerweile ebenso ein Hochlohn-Tarif wie der TVÖD, jedoch mit anderen Akzenten: Junge Fachkräfte mit Familien werden besonders gefördert, hingegen gibt es kein starkes Ansteigen der Entlohnung mit dem Alter, auch ist die Entlohnung im Bereich der Hilfskräfte geringer und entspricht mehr den sonst in diesen Bereichen üblichen Tarifen. Die Arbeitsrechtliche Kommission der EKD hat damit sehr flexibel auf den immer schwieriger werdenden Arbeitsmarkt im Bereich der Pflege reagiert. Als Folge können Einrichtungen, die diesen Tarif anwenden, zum einen leichter qualifizierte Fachkräfte gewinnen. Zum anderen ist es diesen Einrichtungen auch möglich, ohne Ausgründungen in Nebenbereichen wirtschaftlich erfolgreich tätig zu werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden wir jedoch als Synode den Beschluss von 2007, der all dies ermöglicht hat, Makulatur werden lassen. Wir würden wieder in den Zustand vor 2007 zurückfallen. Damit ist klar: Der vorliegende Gesetzentwurf ist zwar eine gute Grundlage, verschiebt jedoch die Regelungsbalance de facto deutlich Richtung TVÖD. Ein Ergebnis, das die Rechtsprechung des BAG gerade nicht vorgibt und das auch so nicht Ziel dieser Novellierung sein kann. Konkret beinhaltet der Gesetzentwurf folgende Verschiebungen im Hinblick auf die bei uns angewendeten Tarife: Für Einrichtungen, die die AVR-DD rechtmäßig anwenden, ist im vorliegenden Gesetzentwurf eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2021 vorgesehen, danach ist die AK Württemberg für diese Einrichtungen zuständig. Es ist nicht abzusehen, ob und inwieweit die AVR-DD auch nach der Übergangsfrist noch für diese Einrichtungen gelten. • Ein Wechsel hin zur Anwendung der AVR-DD ist nach der momentanen Situation in der AK Württemberg faktisch ausgeschlossen. Der TVÖD wird zementiert, ein Tarif, der von Bürgermeistern und ver.di gemacht wird und auf unsere diakonischen Verhältnisse nicht passt. • Die Lebendige Gemeinde fordert daher mit großer Mehrheit, an dieser Stelle den vorliegenden Gesetzentwurf zu ergänzen, um den Beschluss der Synode von 2007 fortzuführen: • • Einrichtungen, die die AVR-DD rechtmäßig anwenden, benötigen Rechtssicherheit. Sie müssen sich auf die Beschlüsse der Synode verlassen können. Diese Rechtssicherheit können wir ihnen nur dann geben, wenn die AVR-DD auch künftig Richtschnur bleiben. Rechtlich ist dies so möglich, dass künftig für diese Einrichtungen die Arbeitsrechtliche Kommission der EKD zuständig ist. Jedenfalls für Neugründungen muss es künftig möglich sein, auch die AVR-DD anzuwenden. Nur so vermeiden wir eine Zementierung im Hinblick auf den TVÖD-Tarif, der im Grunde kein kirchlicher Tarif ist. Andere Landeskirchen erlauben es neugegründeten Einrichtungen, die AVR-DD anzuwenden. Ich verweise an dieser Stelle nur auf die beiden uns benachbarten Kirchen der Landeskirche Pfalz und der Landeskirche Baden, wo jeweils gesetzlich eine Möglichkeit zur Anwendung der AVR-DD eingeräumt wird. Eben dies fordern wir auch für Württemberg. Mit diesen beiden Ergänzungen möchten wir unserem Recht wieder eine angemessene tarifliche Flexibilität geben. Und nur so wird es uns gelingen, unsere Diakonie zukunftsfähig und attraktiv zu halten, für Dienstnehmer und Dienstgeber. Dafür stehen wir als Gesprächskreis Lebendige Gemeinde. Vielen Dank.
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