SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript Autor: Gesprächspartner: Redaktion: Sendung: Stephan Ueberbach Thomas Strobl, baden-württembergische CDU-Landesvorsitzender Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin Samstag,26.03.2016, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR SWR Interview der Woche vom 26.03.2016 SWR: Herr Strobl, Sie haben mit den Grünen jetzt ein erstes Sondierungsgespräch geführt, am Dienstag soll es ein zweites geben – wie würden Sie die Chancen bewerten, dass am Ende der Sondierungen echte Koalitionsverhandlungen stehen – 50/50 oder besser? Thomas Strobl: Stand heute würde ich sagen, die Chancen sind ganz gut, dass wir jetzt nicht zu einem abrupten Ende kommen. Aber ich möchte jetzt auch nicht die Entscheidung der Gremien vorwegnehmen. Es ist ja ganz wichtig, dass diese Gespräche auch in der CDU Baden-Württemberg von einer breiten Mehrheit getragen werden. Wir haben eine sehr schwere Niederlage erlitten bei der Landtagswahl. Minus 12 Prozent im Vergleich zu 2011. Und viele bei uns in der Partei sind nicht glücklich bei dem Gedanken an eine Juniorpartnerschaft mit den Grünen, und diese Zweifel kann ich auch nachvollziehen. Auf der anderen Seite haben wir eine Verantwortung für dieses große Bundesland mit über 10 Millionen Einwohnern, und ein solches Land braucht ja auch eine Regierung. SWR: Guido Wolf hat ja vor der Wahl Grünschwarz anders als Sie ausgeschlossen. Kann er jetzt glaubwürdig mit verhandeln? Thomas Strobl: Guido Wolf verhandelt ja mit, er ist ja Mitglied der Verhandlungsdelegationen, und ich habe ja von Anfang an gesagt, dass wir offen sind für Gespräche mit allen Parteien. Und es ist ganz klar, nachdem SPD und FDP signalisiert haben, dass sie für eine Dreierkonstellation nicht zur Verfügung stehen, bleibt ja im Augenblick wenn man eine Regierung in Baden-Württemberg haben möchte nur die Möglichkeit, eine grün-schwarze zu bilden. Und deswegen ist es ganz richtig und sinnvoll, dass wir das jetzt sorgfältig aber auch mit der nötigen Sensibilität ausloten. SWR: Muss der Fraktionsvorstand neu gewählt werden wenn es die Koalitionsverhandlungen gehen sollte? Willi Stächele, der ehemalige Finanzminister, hat sich ja entsprechend positioniert … Thomas Strobl: Die Landtagsfraktion hat ja ihren Vorsitzenden im Amt bestätigt, und schauen Sie: Ich bin der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, und es gibt die Landtagsfraktion. Und wir sind klug beraten, so miteinander umzugehen, dass wir gemeinsam die Dinge tun, die gemeinsam zu tun sind. Aber wie die Fraktion bestimmte Abläufe gestaltet, wann wer gewählt wird, da ist es immer klug für den Parteivorsitzenden, sich eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen, und das will ich auch tun. Interview der Woche : 2 SWR: Es gibt ja Rücktrittsforderungen an Guido Wolf – wie lange wird er dem Druck standhalten können? Oder finden Sie, dass er bleiben soll? Thomas Strobl: Nun, schauen Sie, dass ist ja ein schwieriges Ergebnis für die CDU in BadenWürttemberg gewesen. Und da ist es auch ganz normal, dass es solche Diskussionen gibt. Man wird für ein schlechtes Wahlergebnis natürlich nicht gelobt. Aber bei aller Kritik möchte ich zu bedenken geben, dass Guido Wolf seinen Wahlkampf unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen zu führen hatte. Denken Sie an die Flüchtlingskrise, denken Sie an den Streit, den wir in den Unionsparteien hatten. Das war ja auch von den Rahmenbedingungen her wirklich nicht einfach gewesen. SWR: Als sich die Grünen mit der SPD zusammengetan hatten war vom rot-grünen-Projekt die Rede. Wird Grünschwarz auch ein Projekt – oder soll es sine Episode bleiben? Thomas Strobl: Das heute zu beantworten ist viel zu früh. Wir stellen im Augenblick miteinander dar, was ist uns wichtig für das Land Baden-Württemberg, wie bringen wir das Land Baden-Württemberg voran, wie machen wir Baden-Württemberg wettbewerbsfähig. Liegen wir da parallel, identifizieren wir die gleichen Themen, und gibt es bei den Wegen, das Ziel zu erreichen, Parallelen und gibt es Unterschiede. Weiter sind wir im Augenblick noch nicht. Es gibt das grün-schwarze Projekt noch nicht, und deswegen kann es auch noch keine Überschrift geben. Ich will aber hinzufügen: Von unserer Seite her führen wir diese Gespräche mit den Grünen schon in dem Bewusstsein, dass es zu einer grünschwarzen Koalition kommen könnte. SWR: Was glauben Sie – wird Winfried Kretschmann die gesamte Legislaturperiode im Amt bleiben? Wird er die fünf Jahre voll machen? Thomas Strobl: Das müssen Sie natürlich den Ministerpräsidenten Kretschmann fragen. Aber er ist ja angetreten als Ministerpräsidentenkandidat für eine ganze Wahlperiode. Und gehen wir jetzt mal alle davon aus, dass er auch die Wahlperiode im Amt bleiben wird. SWR: Die Junge Union hatte ja im Wahlkampf plakatiert: Wer Kretschmann wählt kriegt Özdemir … Thomas Strobl: Ja, das war eine Zuspitzung im Wahlkampf. Und schauen Sie, wenn man Verantwortung hat, dann ist zwischen dem Wahlsonntag 17:59 Uhr und 18:01 Uhr einfach ein Unterschied. Man hat eine Verantwortung für das Land, man muss seinen Beitrag leisten, dass ein so großes Land eine möglichst gute Regierung bekommt, und dann muss man den Wahlkampf sehr schnell hinter sich lassen. Man muss selber ein Bewusstsein entwickeln, dass aus dem politischen Gegner des Wahlkampfs möglicherweise ein Regierungspartner wird. SWR: Kann es sich der baden-württembergische CDU-Vorsitzende leisten, in Berlin zu bleiben wenn in der Heimat eine nicht ganz unkomplizierte Koalition auf Kurs gehalten werden muss? Interview der Woche : 3 Thomas Strobl: Es gilt der Satz von Erwin Teufel: Erst das Land, dann die Partei, und erst ganz zum Schluss kommen die Personen. Es steht jetzt ganz vorne die Sache, und nicht die persönlichen Interessen von Einzelnen. SWR: Das SWR-Interview der Woche, heute mit Thomas Strobl, Landeschef der CDU in BadenWürttemberg, als Fraktionsvize der Union im Deutschen Bundestag kümmert er sich unter anderem um die Innere Sicherheit. Herr Strobl, nach den Anschlägen von Brüssel wird auch in Deutschland über mögliche Konsequenzen diskutiert. Inzwischen weiß man, dass einer der mutmaßlichen Topterroristen, dass der Belgier Abdeslam, kreuz und quer durch Europa gereist ist, dass er gelegentlich von der Polizei kontrolliert wurde, dass er sogar mal in Ulm war - und keiner hat was gemerkt. Was können, was müssen Sicherheitspolitiker daraus lernen? Thomas Strobl: Nun, mit diesen schrecklichen und bestialischen Anschlägen von Brüssel hat sich erneut bewahrheitet, dass die größte Herausforderung eine Terrorlage ist. Das gilt nicht nur für Deutschland, das gilt für ganz Europa. Und wir müssen auf diese europäische Herausforderung eine europäische Antwort geben. Deswegen muss Europol gestärkt werden, und ganz wichtig ist natürlich, dass wir zu einem besseren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa kommen. Da liegt manches im Argen. Endlich und schnell brauchen wir ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum in Europa nach deutschem Vorbild. Daran arbeiten wir schon sehr, sehr lange, und ich hoffe, dass das Tempo nun etwas zunimmt und dass alle begreifen, dass das einfach notwendig ist im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. SWR: Muss der Datenschutz zurückstehen, wenn es um die Sicherheit geht? Thomas Strobl: Schauen Sie, dieser Gegensatz „Freiheit und Sicherheit“ - das ist etwas, was ich noch nie so richtig nachvollziehen konnte. Wenn die Sicherheit in Deutschland nicht gewährleistet ist, dann ist doch ein freies Leben gar nicht mehr möglich. Wir brauchen Sicherheit von Daten, wir brauchen auch das, was man landläufig unter Datenschutz versteht. Wir brauchen aber auch einen bestmöglichen Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden. Wir müssen einfach die Möglichkeit haben, gefährliche Täter zu identifizieren, Terroristen zu identifizieren, ihre Reisebewegungen nachzuvollziehen, und ich möchte einmal sagen: Das sind Dinge, die doch den normalen Bürger in gar keiner Art und Weise tangieren oder gar belasten. SWR: Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime hat in dieser Woche sehr deutlich und sehr klar wie ich finde bekräftigt, dass die Muslime in Deutschland den Terror verurteilen. Wie sehen Sie das Engagement deutscher Muslime in dieser Frage? Thomas Strobl: Sehr zu begrüßen ist es, wenn es seitens der Muslime klare Stellungnahmen gibt, in denen solche Terrorakte verurteilt werden. Und ich möchte Ihnen sagen: Ich erwarte das auch. Das ist ja auch im Interesse der Millionen Muslime, die in Deutschland friedlich leben, die jeden Tag ihrer Arbeit nachgehen, die Steuern bezahlen, die Sozialversicherung bezahlen, die ihre Kinder ordentlich erziehen und die hier vor allem eines tun, nämlich ganz in Frieden leben und selber in Frieden leben wollen. Und deswegen ist es wichtig dass sich auch die Muslime, die friedlich in Deutschland leben, klar distanzieren und sagen: Damit haben wir nichts zu tun, das verurteilen, ja, das verabscheuen wir. Und deswegen ist diese Stellungnahme sehr in Ordnung und sehr richtig.
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