Pressetext - Vorarlberg Museum

ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren
close to heart – Touching stories from everyday life
Vernissage Fr, 18. März, 17.00 Uhr
»ganznah« ist nach »Sein & Mein« die zweite Ausstellung im Format SICHTEN. Dieses
Ausstellungsformat, das mit Wiedereröffnung des Hauses im Jahr 2013 startete, hat
Vorarlberg als Rahmen und Bezugsraum. Ziel ist es, einen anderen Blick auf das Land zu
werfen, unerwartete Geschichten zu Tage zu befördern und Potenziale (Sammlungs-,
Erzähl- und Erinnerungsressourcen) offen zu legen. 2016 steht das Thema »Berührung«
dabei im Fokus des Interesses.
Visuelle „Berührungstagebücher“ bieten einen leichtfüßigen Einstieg in die Ausstellung.
Dabei handelt es sich um Fotografien von dem, was Vorarlberger im Laufe eines Tages
berührt haben. Diese Tagebücher werden während der gesamten Laufzeit stetig erweitert.
Erstmals öffentlich zu sehen ist das von Karl Zauser entwickelte Doppelreck. Mit dem
Feldkircher Artisten wird Halt finden und Halt verlieren thematisiert. Er war Flieger und
Fänger am Trapez. Fand hier Berührung nicht statt, konnte das tödlich enden.
Dinge, die unserem Körper ganz nah sind und zu seinem Wohlbefinden beitragen, stehen in
dieser Zusammenschau unterschiedlicher Privatsammlungen einander gegenüber. Gezeigt
werden zudem verschiedenste Objekte, die Teil von Berührungsritualen sind. Von den
Taufhäubchen über die Schäppel unverheirateter Frauen bis zu Ölfässchen, in denen das
Chrisam für die letzte Ölung aufbewahrt wird.
Die Videoperformance „folta“ der Tänzerin Veronika Larsen mit dem Musiker Philipp
Lingg bildet den visuell-akustischen Rahmen des Ausstellungsbereichs „Heidenspaß und
Höllentanz.“ Im Tanz kommen sich die Menschen nahe. Einer jener Orte, an denen
ausgiebig getanzt und gefeiert wurde, war der Gasthof Sonne, der in den späten 1950er
Jahren Mellau den Beinamen „sündiges Dorf“ einbrachte.
Bilder aus Beständen des Museums und eigens für die Ausstellung entstandene Arbeiten,
etwa von Dietmar Walser und Petra Rainer, werden verwebt mit Erfahrungen Jugendlicher,
die in Workshops mit der Autorin Daniela Egger entstanden sind. Neben einer Videoarbeit
von Hans-Joachim Gögl und Mark Riklin, in der Paare von ihren Liebesanfängen berichten,
erzählt eine Audioinstallation von der Sehnsucht nach Nähe.
Ein Aufruf in Kooperation mit dem Bregenzerwald Archiv ermöglichte das Zeigen einer
Vielzahl an Liebesbriefen aus beinahe zwei Jahrhunderten. Daraus formte der SoundKünstler Nik Hummer zusammen mit den jungen Schauspielern Michaela Bilgeri und
Stefan Pohl ein intimes akustisches Bekenntnis zwischen Sehn- und Eifersucht, einsamem
Schmerz und dem Bedürfnis nach Berührung. Den Abschluss der Ausstellung bilden
Videointerviews mit Professionistinnen und Professionisten der Berührung. Eine
Krankenschwester, ein Imam, eine Kickbox-Weltmeisterin, eine Sexualbegleiterin, ein
Tanzlehrer, eine Körpertherapeutin, ein Tätowierer, eine Psychotherapeutin und eine
„Strömerin“ sprechen über ihre Erfahrungen und die spezielle Bedeutung, die Berührungen
in ihrer Arbeit haben.
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Die Ausstellungskapitel
Tagaus tagein berühren
Vorarlbergerinnen und Vorarlberger schickten Fotografien von dem, was sie im Laufe eines
Tages berührt haben. In der Schau entsteht eine Vielfalt visueller „Berührungstagebücher“,
die einen leichtfüßigen und alltäglichen Einstieg in die Ausstellung anbieten und während
ihrer Laufzeit anwachsen werden. Richard Schwarz arbeitete mittels eines eigens
geschriebenen Programms gemeinsame Strukturen in den Berührungsmilieus heraus: von
jung bis alt, zwischen Mann und Frau.
Halt finden und verlieren
Der Feldkircher Artist Karl Zauser trat in den 1930er Jahren weltweit im berühmten Zirkus
Sarrasani auf. Er war Flieger und Fänger am Trapez. Fand hier Berührung nicht statt,
konnte das tödlich enden. Sein Leben nahm nach dem 2. Weltkrieg eine tragische
Wendung. Erstmals öffentlich zu sehen ist das von Zauser entwickelte Doppelreck und
Teile des Familiennachlasses, die vom Sammler Reinhard Häfele gesichert wurden.
Schützen, schmücken, schonen
Religiosität, Volks- und Aberglaube – sie alle bedienen sich Objekten, die Menschen nahe
am Körper tragen, um sich zu schmücken und schützen, wie z.B. Berührreliquien,
Skapuliere, Medaillons, Rosenkränze. Von den Taufhäubchen über die Schäppel
unverheirateter junger Frauen bis zu Ölfässchen, in denen das Chrisam für die letzte Ölung
aufbewahrt wird, begleiten uns ein Leben lang Objekte, die Teil von Berührungsritualen
sind. Tätowierungen zur Abwehr des Bösen spannen den Bogen schließlich auch ins
Profane zu Cremes und Pasten, die zum Schutz aufgetragen werden.
Wollig, wohlig, warm
Dinge, die unserem Körper ganz nah sind und zu seinem Wohlbefinden beitragen, stehen in
diesem Kapitel mit unterschiedlichen Privatsammlungen einander gegenüber. Eine Auswahl
von Reformkleidung aus der Sammlung von der Firma Huber zeigt, dass bereits zu Beginn
des vorigen Jahrhunderts „natürliches Wohlbefinden“ auf großes Interesse stieß. Die von
Gustav Jäger erfundene, wollene „Normalkleidung“ erfreute sich über Jahrzehnte großer
Beliebtheit. Aus der Sammlung, die Maria Hagleitner in der Krankenpflegeschule Bregenz
über viele Jahre zusammengetragen hat, ist neben allerlei wärmendem Gerät auch ein
besonderes, in Vorarlberg hergestelltes, Objekt zu sehen: eine Körpersauna aus den 1960er
Jahren.
Heidenspaß und Höllentanz
Im Tanz kommen sich die Menschen nahe. Die Obrigkeit, sei es Kirche oder Staat, wollte
diese Ausschweifungen immer schon regulieren, kontrollieren und oft auch untersagen. In
der Tanzlaube ist eine Auswahl von Verboten durch die Zeiten zu sehen: Predigten aus dem
19. Jahrhundert, das Swing- und Twistverbot im 20. Jahrhundert oder das Tanzkursgesetz in
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jüngster Vergangenheit. Aber: Mit den Verboten einher ging immer auch die Auflehnung,
der Widerstand gegen sie. Einer jener Orte, an denen ausgiebig getanzt und gefeiert wurde,
war der Gasthof Sonne, der in den späten 1950er Jahren Mellau den Beinamen „sündiges
Dorf“ einbrachte. Die Videoperformance „folta“ der Tänzerin Veronika Larsen mit dem
Musiker Philipp Lingg bildet schließlich den visuell-akustischen Rahmen dieses
Ausstellungsbereiches.
Sehnsüchte
Ein assoziativer Bilderreigen lässt eintauchen in ein Panorama der Nähe, ausgehend von der
Ursehnsucht nach mütterlicher Geborgenheit über Ängste vor zu großer Nähe bis hin zu
Ausbeutung und dem tabuisierten Thema der in Vorarlberg illegalen Prostitution. Bilder aus
Beständen des Museums und eigens für die Ausstellung entstandene Arbeiten, etwa von
Dietmar Walser und Petra Rainer, werden verwebt mit Erfahrungen Jugendlicher, die in
Workshops mit der Autorin Daniela Egger entstanden sind.
In Liebe, für immer
Neben einer Videoarbeit von Hans-Joachim Gögl und Mark Riklin, in der Paare von ihren
Liebesanfängen berichten, erzählt eine Audioinstallation von der Sehnsucht nach Nähe,
wenn diese am größten ist: dann, wenn die geliebten Person weit entfernt ist. Ein Aufruf in
Kooperation mit dem Bregenzerwald Archiv führte zur Zusendung einer Vielzahl an
Liebesbriefen aus beinahe zwei Jahrhunderten, die die Besitzerinnen und Besitzer dem
Museum zur Verfügung stellten. Daraus formte der Sound-Künstler Nik Hummer
zusammen mit den jungen Schauspielern Michaela Bilgeri und Stefan Pohl ein intimes
akustisches Bekenntnis zwischen Sehn- und Eifersucht, einsamem Schmerz und dem
Bedürfnis nach Berührung.
Lebenslang berühren
Den Abschluss der Ausstellung bildet eine Reflexionszone aus Videointerviews mit
Professionistinnen und Professionisten der Berührung. Eine Krankenschwester, spezialisiert
auf kultursensible Altenpflege, ein Imam, der rituelle Totenwaschungen vornimmt, eine
Kickbox-Weltmeisterin, eine Sexualbegleiterin, ein Tanzlehrer, eine Körpertherapeutin, die
mit Babys arbeitet, ein Tätowierer, eine Psychotherapeutin, die Kindern hilft, die Opfer von
sexuellem Missbrauch wurden und eine „Strömerin“ sprechen über ihre Erfahrungen und
die spezielle Bedeutung, die Berührungen in ihrer Arbeit haben.
SICHTEN – Ein Ausstellungsformat sucht neue Dialogformen mit dem Land
Das Format sichtet regionale Potenziale und Partner, thematisiert Sichtweisen, zeichnet
überraschende und unvermutete Bilder von Vorarlberg. Damit steht SICHTEN für ein
neues Verständnis des vorarlberg museums. Es versteht sich als aktives Suchen und
Freilegen von materiellen und personellen Ressourcen im gesamten Land. Dies können
Erinnerungen und Erzählungen ebenso sein wie Sammlungen und interessante
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Projektpartner.
SICHTEN bezeichnet aber auch ein Darstellen unterschiedlicher Sichtweisen. Das Format
inkludiert eine permanente Selbstbefragung, was uns definiert, was wir gern wären, und wie
wir uns selbst darstellen. Die „Deutungshoheit“ kann dabei breit gelagert sein. Und es liegt
in der Natur solcher Intentionen, dass sich das Museum damit auch pluralen Sichtweisen
und aktuellen Fragestellungen widmet.
SICHTEN ist nicht nur Format, es ist auch ein Prinzip des Hauses, gewissermaßen mit dem
Charakter einer Versuchsanordnung. Dies hat sich bereits in zahlreichen Projekten des
Museums manifestiert.
Partner
Die Ausstellung verdankt sich vieler Personen und Institutionen im Land, die als Leihgeber,
Interviewpartner, Wissens- und Erfahrungsexperten oder als Gestalter und Künstler
mitgearbeitet haben. Besonders erwähnt seien das Bregenzerwald Archiv, die Sammler
Reinhard Häfele und Maria Hagleitner sowie die vielen privaten und institutionellen
Leihgeber. Im Rahmen der Umsetzung der Ausstellung entstanden Arbeiten unter
Einbeziehung unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen in Zusammenarbeit mit
Künstlerinnen und Künstlern, wie etwa Brigitta Soraperra, Daniela Egger, Nik Hummer,
Richard Schwarz und Petra Rainer.
Projektleitung
Theresia Anwander
Kuratorische Leitung
Robert Gander
Kurator
Bruno Winkler
Gestaltung
Julia Landsiedl
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Bildnachweis
Diese und weitere Fotografien stehen zum Download auf unsere Website bereit:
http://www.vorarlbergmuseum.at/museum/presse.html
Sollten Sie weitere Informationen wünschen, wenden Sie sich bitte an:
Sarah Frei, +43 5574 46050-516, [email protected]
Ausstellungsansicht vorarlberg museum
„ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren“
Foto: Fatih Özcelik
Ausstellungsansicht vorarlberg museum
„ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren“
Foto: Fatih Özcelik
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Ausstellungsansicht vorarlberg museum
„ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren“
Foto: Fatih Özcelik
Ausstellungsansicht vorarlberg museum
„ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren“
Foto: Fatih Özcelik
Ausstellungsansicht vorarlberg museum
„ganznah. Landläufige Geschichten vom Berühren“
Foto: Fatih Özcelik
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Muhammet Ali und Eșim, Dornbirn, November 2015, aus der Serie „Zu zweit“
Foto: Petra Rainer
Flieger und Fänger
© Bianca Tschaikner
Punks vor dem Jugendhaus „Graf Hugo“ in Feldkirch, frühe 1980er Jahre
Fotografie: Nikolaus Walter
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„Orte käuflicher Berührung“, Tabledance-Club „Harem“ in Hohenems,
2015, Foto: Dietmar Walser
Liebes-Postkarte in Notenschrift von Josef Fröwis an seine spätere Frau
Theresia Metzler, 1898 bis 1900, Privatbesitz Wilhelm Hollenstein
Foto: Wilhelm Hollenstein
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Trainingshandschuhe von Kickbox-Weltmeisterin Bianca AmmannLoretz. In der Ausstellung erzählt sie von ihrer Leidenschaft für diesen
Kampfsport, in dem neben Kraft und Disziplin auch die Erotik
zunehmend wichtig ist. Foto: Markus Tretter
Spulmaschine zum Tätowieren. Der Tattoo-Artist Andy Haller erzählt in
der Ausstellung, wie er zum Tätowieren kam und welche Wünsche
Kunden an ihn herantragen. Foto: Markus Tretter
Ruth Rüdisser verwendet dieses Spielbrett in der Prozessbegleitung von
Missbrauchsopfern. Das Spiel stellt die Situation im Gericht dar. Die
Psychotherapeutin berichtet in der Ausstellung über den Umgang mit
sexuellem Missbrauch in Vorarlberg. Foto: Markus Tretter
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Die Silberkapseln wurden als Medaillons nah am Körper getragen. Sie
beinhalten eine Reliquie samt Echtheitszertifikat. 19. und frühes 20.
Jahrhundert, Archiv der Diözese Feldkirch, Foto: Markus Tretter
Chrisambehälter und -transportkistchen. Chrisam ist eine Mischung aus
Olivenöl und Balsam. Der Priester salbt damit den Täufling. Archiv der
Diözese Feldkirch, Foto: Markus Tretter
Karl Zauser am von ihm selbst entwickelten Doppelreck. Das Leben des
einst gefeierten Trapezkünstlers nahm nach dem Zweiten Weltkrieg eine
tragische Wendung. Postkarte, 1930er, Sammlung Reinhard Häfele,
Reprografie: Markus Tretter
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Direktion
Andreas Rudigier
Projektleitung
Theresia Anwander
Kuratoren
Robert Gander & Bruno Winkler, Rath & Winkler. Projekte für Museum und Bildung
Gestaltung
Julia Landsiedl, jeplus
Grafik
Klaus Lürzer, Lürzer Graphik
Projektberatung
Annemarie Hürlimann, Werner Matt
Inhaltliche Beratung
Vedat Coskun, Elke Gaugele, Reinhard Häfele, Maria Hagleitner, Elizabeth Hintner,
Johannes Inama, Claudia Mäser, Sandra Mühlenberend, Katrin Netter, Fatih Özcelik
Recherche
Vanessa Hämmerle
Lichtgestaltung
Silvi Hoidis, Daniel Zerlang, atelier deLuxe
Registratur und Leihverkehr
Johanna Kreis
Konservierung – Restaurierung – Objektmontage
Franziska Bergmann, Julia Witter, Regina Höllinger, Beatrice Pfeifer
Aufbau und Technik
Markus Unterkircher, Neven Baric, Matthias Bär, Wolfgang Prenner, Gerhard Fessler,
Mathias Garnitschnig, Sarah Goldmann, Gerald Nicolussi, Lukas Piskernik,
Claudius Rhomberg, Roland Sonderegger, Stefan Vonier, Rainer Wilde,
Team Aufsichten Kulturhäuser
Ausstellungsmanagement
Theresia Anwander, Susanne Vonach
Veranstaltungen und Kommunikation
Manfred Welte, Sarah Frei, Fabienne Rüf, Angelika Wöß
Kulturvermittlung
Heike Vogel, Anja Rhomberg, Fatih Özcelik
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Publikationsmanagement und Lektorat
Eva Fichtner
Teamleitung Besucherservice
Isolde Troy, Simone Mangold
Sekretariat
Margit Stabodin
Rückfragehinweis für die Redaktionen:
Sarah Frei
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