Kreuz & Quer Der Podcast aus dem Bistum Trier Wolfgang Drießen 19. März 2016 altfried g. rempe Servicekirche Ich bin Wolfgang Drießen von der Rundfunkarbeit im Bistum Trier. Wir haben das früher manchmal „Taxifahrerpastoral“ genannt: Wenn es hieß, wir sollten die Leute „da abholen, wo sie stehen“. Für uns junge Theologen hieß das damals wie heute: „Vom Menschen her denken“. Was kann er, was will er, was interessiert ihn, was braucht er? Zusammengefasst in Neudeutsch zuerst zu fragen: Wie tickst du eigentlich? Und dann erst: Was kann ich sinnvoll mit dir zusammen tun? Dieser Anspruch, mich selbst erst mal hintenan zu stellen und zu überlegen, was denn mein Gegenüber so denkt, durchzieht mein ganzes hauptberufliches Arbeiten im Bistum Trier seit über dreißig Jahren. Und damit stehe ich nicht alleine da. Eigentlich ist das sogar Allgemeingut, zumindest theoretisch. Und findet sich auch in den Ergebnissen der sechsten Vollversammlung der Synode im Bistum Trier. Da lese ich: „An den Lebensformen der einzelnen Menschen anzuknüpfen ist wichtiger als bei Angeboten eigenen Ideen zu folgen. Leitend ist die Frage Jesu: Was willst Du, dass ich Dir tun soll? (Mk 10,51)“ (S.14) Ich habe die Bibelstelle im Markusevangelium einmal nachgelesen. Da heißt die Antwort des blinden Mannes auf diese Frage Jesu: „‚Ich möchte wieder sehen können.’ Da sagte Jesus zu ihm: ‚Geh! Dein Glaube hat dir geholfen.’ Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg.“ Klingt ganz einfach. Ist es aber nicht. Denn wir leben heute unter anderen Bedingungen. Zunächst einmal habe ich dezent verschwiegen, dass der Blinde ganz dezidiert etwas von Jesus wollte. Er hat massiv auf sich aufmerksam gemacht. Erst dann fragte ihn Jesus: „Was kann ich für dich tun?“ Heute ist das nur noch sehr selten der Fall. Viele erwarten von uns Christen eigentlich nichts mehr. Immer mehr wollen gar nicht abgeholt werden. Erst recht nicht, um dorthin geführt zu werden, wo wir sie haben wollen. Andersherum erlebe ich in der Praxis immer wieder, wie schwer es Otto Normalbürger hat, jemanden von der Kirche zu finden, wenn er ihn doch einmal haben möchte. Oft werde ich von Bekannten oder deren Bekannten angesprochen: „Du bist doch von der Kirche. Mit wem muss ich denn reden, wenn…“ Klar, auch mit mir kann man ja reden und ich helfe gern, wenn ich kann. Aber ich merke dann auch, in welcher Servicewüste wir in oft unserem Bistum leben. Manchmal wünsche ich mir geradezu ein professionelles Callcenter: „Katholische Kirche im Bistum Trier. Was kann ich für Sie tun?“ Gerade, damit nicht noch mehr Menschen auf die Idee kommen, gar nichts mehr zu erwarten. Denn ob wir es wollen oder nicht: Genau so ticken die Leute heute. Sie sind es gewöhnt. Irgendwo gibt es immer und für alles eine Hotline. Guter Service ist gefragt, zumal, wenn ich in Form von Kirchensteuer sogar einen Mitgliedsbeitrag bezahle. Vergleiche hinken, das weiß ich ja. Aber ich tue es trotzdem und vergleiche unsere Kirche mal mit dem ADAC. Der Erfolg des ADAC beruht einzig und allein auf seinem Pannendienst. Wenn ich mit meinem Wagen liegen bleibe, weiß ich, dass der „gelbe Engel“ – man achte auf die Bezeichnung – in einer überschaubaren Zeit kommt und mir hilft. Alle anderen „Kreuz & Quer“ – 19.03.2016 – Seite 2 Leistungen und Tätigkeiten des Clubs interessieren mich –wenn überhaupt- nur am Rande. Das Mitgliedermagazin werfe ich sofort in die Tonne. Und selbst ein Riesenskandal hat mich nicht zum Austritt veranlasst. Den Menschen da abholen, wo er steht, nämlich in einer Notlage auf dem Seitenstreifen der Autobahn - das ist der Service, der zählt. Und für die wenigen Male, die ich ihn bisher gebraucht habe, zahle ich verdammt viel Mitgliedsbeitrag. Ganz vielen Taufscheinchristen geht es, glaube ich, genau so mit ihrer Kirche. Da gibt es nichts schön zu reden. Und wir bieten ihnen noch nicht einmal das kleine Plastikkärtchen mit der zentralen Notrufnummer fürs Portemonnaie. „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Da wo es im Leben irgendwie hakt, wo es tatsächlich richtig wichtig für mich wird, da sind wir irgendwie noch gefragt. Paradebeispiele sind Hochzeit und Beerdigung. An diesen Stellen müssen wir dann auch da sein. Ich weiß, wie schwierig das ist. In den Pfarreien arbeiten sie längst am Anschlag. Ich weiß auch, mit welch abstrusen Vorstellungen da manche ankommen. Und dass das manchmal zum Verzweifeln ist, wenn man zum dritten Mal hintereinander anstatt dem passenden Lied aus dem Gotteslob „I did it my way“ von Frank Sinatra hören muss. Aber wie sagt noch mal die Synodenvorlage: „An den Lebensformen der einzelnen Menschen anzuknüpfen ist wichtiger als bei Angeboten eigenen Ideen zu folgen." Und diese einzelnen Menschen ticken weiß Gott oft ganz anders als ich. Und sie danken einem auch den besten Service nicht unbedingt. Wer nachlesen will: Auch Jesus hat da seine Erfahrungen und trotzdem weiter gemacht. Wer will, kann ja mal Lukas 17,17 nachschlagen. Ja so ticken die Leute, schon damals und heute erst recht. Wie viel Service können und wollen wir uns in einem Bistum Trier nach der Synode leisten? Wie weit gehe ich und wo holen wir die ab, die nach uns fragen? Übrigens: Im Englischen bedeutet Gottesdienst einfach: Service. Ein intelligenterer Schlusssatz fällt mir heute für den Podcast nicht ein. Denn fertig werden wir wohl mit diesem Thema so schnell nicht.
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