SZ vom 17.März 2016 Seite 33 Deutschland (GSID=3202946)

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REISE 33
DEFGH Nr. 64, Donnerstag, 17. März 2016
ENDE DER REISE
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Geniestreich
So trüb ist es in Kopaonik selten:
Der Ort, der in einem Nationalpark
liegt, wirbt mit 200 Sonnentagen pro
Jahr und Jet-Set-Ambiente.
FOTO: KOCA SULEJMANOVIC / AFP
Am Grat der wilden Ziegen
Serbien hat sein eigenes Skigebiet: Kopaonik wurde in den letzten Jahren modernisiert, es gibt jetzt Lifte mit
Wlan-Empfang und Hotels mit Spa. Nach sanftem Wintertourismus muss man allerdings suchen
Es muss, soviel ist klar, ein lustiger
Abend gewesen sein, als sie sich vor einiger Zeit wegen des neuen Slogans im
Salzburger Land trafen. Saalbach, Hinterglemm, Leogang und Fieberbrunn
hatten ja endlich den Zusammenschluss
zum Skigebiet Österreichs mit den meisten Pistenkilometern geschafft, aber ein
vernünftiges Motto musste noch her.
Deshalb waren sie alle gekommen, der
findige Sepp von den renovierten Almchalets, der Schorsch von den Bergbahnen, der Tourismusdirektor, und die
zwei Damen von der Agentur aus der
Stadt waren auch dabei.
Der international denkende Tourismusdirektor hat wohl gesagt: „Wie wäre
es mit ,Big but beautiful?‘“, und die zwei
Agenturdamen haben genickt, weil es
der Tourismusdirektor war, der das
gesagt hatte, und weil sie wussten, dass
man Menschen motivieren muss, auch
wenn die Idee unreif wirkt. Der Sepp hat
aber gleich gemeint: „Wie wär’s mit so
was wie ,Mia san lässig?‘“ Die Damen haben noch eifriger genickt, denn der
Seppi ist nicht nur ein Quertreiber,
sondern auch der kreativste Querdenker
zwischen Saalbach und Hinterglemm.
In dem Moment ist der Helmut von
der Skischule zur Tür reingekommen.
Den Helmut nennen eigentlich alle nur
Heli, und zwar nicht deshalb, weil es die
Kurzform von Helmut wäre, sondern
weil er seit vielen Jahren als Skiführer
nach Kanada zum Heli-Skifahren fliegt.
Der Heli streut immer so ein paar englische Wörter ein – weil er eben häufig in
Kanada mit Kunden redet – und außerdem – weil er eben zu spät kam – hat er
vom Seppi seiner Idee nur „lässig“
verstanden. „Home of lässig finde ich super“, hat der Heli dann gemeint, und der
Seppi hat gegrinst, und der Tourismusdirektor hat gegrinst, und die Damen
von der Agentur haben genickt. Der
Schorsch, der weder Kanada kennt und
auch keine tollen Ideen hat, aber dessen
Vater Bürgermeister ist, hat dann noch
eine Runde Schnaps bestellt und gemeint: „Home of lässig. Geilomat.“
Ja, genau so oder so ähnlich muss es
gewesen sein, weshalb das Riesenskigebiet in Österreich „Home of Lässig“
heißt.
dominik prantl
verantwortlich: jochen temsch
von florian sanktjohanser
E
s ist unmöglich, sich im Speisesaal des Grand Hotel in Kopaonik
auf sein Essen oder seinen Gesprächspartner zu konzentrieren.
Ein Defilee von auffallend schönen und
eleganten Frauen umkreist den Buffettisch und zieht alle Blicke auf sich. Aber
dafür reist die Schickeria Belgrads ja jeden
Winter an, genauso wie die Ungarn, Rumänen, Griechen und immer mehr Russen:
zum Sehen und Gesehenwerden. Und
natürlich auch zum Skifahren.
St. Moritz Serbiens nennt sich Kopaonik, das ist albern, trifft die Sache aber
ganz gut. Wer es sich leisten kann, fährt
ins älteste und größte Skigebiet ganz im
Süden des Landes, an der Grenze zum
Kosovo. Novak Djokovic, derzeit der wahrscheinlich berühmteste Serbe, schaut
regelmäßig vorbei, ebenso wie andere
Prominente. Djokovic’ Eltern hatten in
Kopaonik ein Restaurant, die Nummer
eins der Tenniswelt lernte hier als Kind
das Skifahren.
Auch Danilo Borovčanin kommt jedes
Jahr. Seit 1956. Boris, wie er sich vorstellt,
ist Skilehrer. Die Sonne hat Flecken auf
seinen fast kahlen Schädel gebrannt, aber
der graue Schnurrbart verleiht seinem
faltigen Gesicht die Würde eines Grandseigneurs. Boris ist 79 Jahre alt, „aber ich
fühle mich wie 60“, sagt er. Fünf bis sechs
Stunden pro Tag Kurse zu geben, sei kein
Problem. „Ich mache das aus Liebe.“
Als Boris zum ersten Mal nach Kopaonik kam, gab es hier nichts. Keine Hotels,
keine Lifte, keine Pisten. Um ein paar Sekunden abzufahren, musste er mühselig
aufsteigen. „Aber wir waren Enthusiasten“, sagt Boris. Er und die anderen ein,
zwei Dutzend Verrückten, die mit dem Zug
von Belgrad nach Rudnica fuhren, ihre Ski
auf Pferde zurrten und die restlichen 18 Kilometer zu Fuß gingen. Übernachten durften sie in den Hütten des Militärstützpunkts, Boris kannte einen der Offiziere.
Das Skifahren brachten sich die Pioniere selbst bei. Sie schauten sich Skirennen
im Fernsehen an und ahmten die Bewegungen nach. Die ersten Pisten planierten
sie selbst, indem sie seitlich aufstiegen.
Irgendwann bauten die Soldaten einen
Lift für ihre Vorräte, den die Skifahrer
benutzen durften. Und 1962 lief der erste
richtige Skilift an. Vielleicht 100 Besucher
kamen nun an den Wochenenden mit dem
Bus aus Belgrad, erzählt Boris.
Heute geht es in Kopaonik zu wie in den
Alpen. Moderne Sessellifte aus Österreich
und Südtirol – zwei sogar mit beheizten
Sitzen und Wlan – schaufeln Zehntausende Wintersportler auf die Berge, Schneekanonen decken fast die gesamten 55 Kilometer Piste mit künstlichem Weiß ein. An
den Talstationen drängen sich Schlangen
von Skifahrern. Und aus Lautsprechern an
den Masten der Lifte quäkt Dauerschleifen-Pop – der Preis dafür, dass ein Radiosender das Skigebiet sponsert.
Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für
diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von
Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.
Die staatlichen Betreiber haben in den
vergangenen zehn Jahren gut 54 Millionen Euro in das Skigebiet gesteckt. Mit Sölden, Trois Vallées oder dem echten St. Moritz kann sich Kopaonik dennoch nicht
messen. Der höchste Berg, der Pančićev
vrh, misst 2017 Meter. Wenn man auf dem
Gipfel, unterhalb der militärischen Sperrzone mit der weißen Radarkugel, aus dem
Lift steigt, überblickt man sanfte Bergkämme, wie abgeschmirgelt und mit
einem Waldteppich überzogen. Das Kopaonik-Massiv hat den Charakter eines Mittelgebirges. Und so sind auch die Skipisten.
Belgrad
SERBIEN
BOSNIEN UND
HERZEGOWINA
Kopaonik
MONTENEGRO
KOSOVO
50 km
SZ-Karte
Anreise: Mit dem Flugzeug nach Belgrad, von
dort fahren Busse in rund vier Stunden nach
Kopaonik, 40 Euro hin und zurück, z. B.
www.geatours.rs
Skifahren: Ein Tagespass kostet für Erwachsene
rund 24 Euro, Kinder bezahlen 17,50 Euro. Eine
komplette Leihausrüstung kostet für sieben Tage rund 74 Euro. Die Skisaison dauert bis Anfang
Mai, die Auswahl an Unterkünften ist groß.
Weitere Auskünfte: Tourismus Organisation
Serbiens, Tel.: 00381 / 11 / 655 71 34, [email protected], Ski Resorts of Serbia, Tel.:
00381 / 11 / 222 39 86, Kopaonik National Park
Tel.: 00381 / 36 / 47 10 11, [email protected], www.skijalistasrbije.rs/en, www.kopaonik.rs/kopaonik-mountain-resort
Es gibt schöne, lange Abfahrten und
wunderbare Sonnenhänge. Drei Pisten
qualifizierten sich sogar für FIS-Rennen
im Slalom und Riesenslalom. Aber was
hier rot markiert ist, wäre in den Alpen
eher blau, und die wenigen schwarzen Pisten sind nur zum Fürchten, wenn sie eisig
sind. Boris stört das nicht. Er ist die Berge
in Österreich, Italien und Frankreich hinabgewedelt, weil er sehen wollte, wo das
Skifahren herkommt. Und er hatte Angebote, in den Alpen zu arbeiten. Doch Boris
blieb. „Kopaonik ist nahe an meinem Herzen“, sagt er und fasst sich an die Brust.
„Der Wald ist wunderschön, man kennt
sich hier, und es gibt viele Sonnentage.“
Die meisten Serben sehen das offenbar
genauso. „Sogar im Krieg war es hier voll“,
erzählt Boris. Als 1999 Nato-Bomben auf
das Land fielen, liefen die Lifte weiter.
Zwar kamen wegen der Sanktionen keine
ausländischen Gäste mehr. Aber die Hotels waren ausgebucht.
Das gilt heute natürlich umso mehr, da
aus dem ganzen Balkan Skitouristen nach
Kopaonik fahren. Und so wird emsig gebaut. Die riesigen Resorts aus den 1980erund 1990er-Jahren mit ihren Fachwerkfassaden und Schindeldächern haben ihre
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Jegliche
Zimmer aufgemöbelt und sich schicke
Spas zugelegt, zum Teil sogar mit heißem
Außenpool. Ein neues Hotel mit zwei
Türmen wurde erst im vergangenen Jahr
eröffnet. Und das Fundament des nächsten Resorts ist bereits ausgehoben, die
Grundstücke für weitere Projekte sind
abgesteckt. Ein Investor aus Dubai plant
gerade das erste 5-Sterne-Hotel.
Boris sieht den Bauboom kritisch. Die
Lifte und Pisten könnten schon jetzt nicht
mehr all die Touristen aufnehmen, die in
den Hotels wohnen. „Man sollte den Bau
neuer Hotels stoppen“, sagt Boris. „Oder
neue Pisten anlegen.“ Das dürfte allerdings schwierig werden, es müssten weitere Schneisen in den Bergwald geschlagen
werden. Das Kopaonik-Massiv aber ist
seit 1981 als Nationalpark geschützt.
Eine Alternative wäre sanfter Wintertourismus. Marko Nikolić versucht, ihn seinen Landsleuten näher zu bringen. Bisher
mit mäßigem Erfolg. „Nur Deutsche und
Briten buchen meine Schneeschuhtouren“, sagt der 37-jährige Bergführer. Und
das nur ein bis zwei Mal pro Monat. Zumindest Skitouren nähmen zu, wenn auch von
sehr niedrigem Niveau aus. Nikolić hat
Sport studiert, abgebrochen, und leitet
nun Touren überall auf dem Balkan. Eine
seiner Lieblingsrouten in Kopaonik ist ein
Kammweg, der im Sommer viel begangen
wird. „Aber im Winter ist hier niemand“,
sagt er, als er nach einer halben Stunde
Fahrt an der Straße parkt. Der Bergführer
steigt voran über eine zugeschneite Forststraße, bald zeigt er auf eine Spur im
Schnee: „ein Wolf“. Nach einer Stunde
biegt er auf einen Bergkamm mit herrlicher Aussicht: rechts die bewaldeten Hänge des Nationalparks, links Reihen von Hügelketten wie Wellen im Meer. „Die Doppelspitze in der Ferne, das ist das Durmitor-Massiv in Montengro“, erklärt Nikolić.
Und die Berge hinter dem Skigebiet lägen
bereits im Kosovo, den die meisten Serben
freilich weiter als Teil ihres Landes sehen.
Das Panorama wird noch besser, als die
Schneeschuhwanderer auf dem Gipfel des
Kukavica ankommen. Von hier, aus 1726
Metern Höhe, überblickt man fast den gesamten Nationalpark. Nun erst beginnt
der fordernde Abschnitt der Tour. Es geht
auf und ab, Stiefel rutschen aus den Halterungen der Schneeschuhe, man hört
Schimpfen und Murren. Nur noch zehn Minuten, sagt Nikolić, das Ziel sei die Mühsal
wert. Er behält recht. Der „Grat der wilden
Ziegen“ ist bildschön, direkt neben ihm
rauscht die Samokovska in ihrer Schlucht.
„Im Herbst siehst du im Wald jeden Farbton“, sagt Nikolić. Auf der anderen Seite
des Flusses wachse die Serbische Fichte,
die zu Ehren ihres Entdeckers Pančić-Fichte genannt wird. Sie ist eine der endemischen Pflanzen, zu deren Schutz der Nationalpark gegründet wurde.
Auf dem Weg zurück meckert keiner, zu
grandios ist das Naturschauspiel. Die
Abendsonne lässt den Horizont brennen
wie den Himmel über Mordor. Es ist noch
klarer geworden, deutlich sieht man das
Skigebiet mit seinen Liftmasten. Die
lärmenden Lautsprecher sind weit weg,
Winterstille liegt über den Bergen. Fast so
wie damals, als der alte Boris hier das Skifahren gelernt hat.
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