Broschüre Via sicura 2016 - Institut für Rechtsmedizin

Institut für Rechtsmedizin
«Via sicura
definiert genauer
als bisher…
…wer für den Strassenverkehr fit ist und wer
nicht. Die Ärzteschaft steht in der Pflicht, die
Fahreignung konsequent zu überprüfen.
Michael Thali
Editorial
Verkehrsunfälle vermeiden. Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM-UZH)
nimmt in der Schweiz im Bereich Verkehrsmedizin eine Vorreiterrolle ein. Diese geht auf einen
meiner Vorgänger zurück, Prof. Hanspeter Hartmann, der dem Institut von 1968 bis 1988 vorstand. Er gilt als Pionier der Verkehrsmedizin in der Schweiz. Auf seine rechtsmedizinischen
Erkenntnisse und die daraus resultierenden präventivmedizinischen Empfehlungen geht unter
anderem das Tragen von Sicherheitsgurten zurück. Hanspeter Hartmanns zentrales Anliegen
war es, schwere Verkehrsunfälle zu vermeiden. Die Unfallprävention ist auch das Hauptziel
des bundesrätlichen Verkehrssicherheitsprogramms Via sicura.
Via sicura definiert genauer als bisher, wer für den Strassenverkehr fit ist und wer nicht.
Die Ärzteschaft steht in der Pflicht, die Fahreignung konsequent zu überprüfen. Die Medizin,
und damit auch die Rechtsmedizin, ist also gefragt und gefordert. Mit der Einführung aller
Massnahmenpakete von Via sicura steigt auch die Anzahl der verkehrsmedizinischen Untersuchungen. Um die Untersuchungskapazitäten zu erhöhen, haben wir unseren Standort Verkehrsmedizin an der Kurvenstrasse in Zürich erweitert und führen Aussenstellen in Winterthur und Luzern. Wir geben konkretes Fachwissen weiter, publizieren Guidelines und bieten
Fortbildungsgänge an.
Auch diese Broschüre versteht sich als Informationsangebot. Sie fasst das Wichtigste zum
­Thema Via sicura zusammen – damit wir alle für die neuen rechtlichen Rahmen­bedingungen
gerüstet sind.
Prof. Dr. med. Michael Thali, Executive MBA HSG
Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM-UZH)
Institut für Rechtsmedizin
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Interview
Das Verkehrssicherheitsprogramm Via sicura
Was ändert sich?
Dr. med. Bruno Liniger, Facharzt für
Rechtsmedizin, Verkehrsmediziner SGRM
Leiter Bereich Sucht und psychische
Erkrankungen, Verkehrsmedizin, IRM-UZH
Präsident der Sektion Verkehrsmedizin SGRM
Dr. phil. Jacqueline Bächli-Biétry,
Fachpsychologin für Verkehrspsychologie FSP
Leitende Verkehrspsychologin,
Verkehrsmedizin, IRM-UZH
Dr. med. Rolf Seeger, Facharzt für Allgemein­
medizin FMH, Verkehrsmediziner SGRM
Leiter Bereich somatische Erkrankungen,
Verkehrsmedizin, IRM-UZH
Dr. med. Munira Haag-Dawoud, Fachärztin für
Rechtsmedizin, Verkehrsmedizinerin SGRM
Abteilungsleiterin Verkehrsmedizin am IRM-UZH
Institut für Rechtsmedizin
Der Bundesrat will mit dem
Programm Via sicura die Sicherheit
im Strassenverkehr erhöhen. Das
Parlament stimmte dem angepassten
Strassenverkehrsgesetz am 15. Juni
2012 zu. Die Massnahmenpakete
von Via sicura treten schrittweise
in Kraft und bringen Änderungen
mit sich. Welche? Bruno Liniger,
Jacqueline Bächli-Biétry, Rolf Seeger
und Munira Haag im Gespräch.
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Interview
Ein Standort der Abteilung Verkehrsmedizin an der Kurvenstrasse in Zürich. 2016 werden die letzten für die
­ erkehrsmedizin wichtigen Mass­
V
nahmen von Via sicura umgesetzt.
Die Schweizerische Gesellschaft
für Rechtsmedizin (SGRM) spielt
dabei eine wichtige Rolle, wie kam
es dazu?
Munira Haag Zwischen der SGRM und
dem Bundesamt für Strassen (ASTRA)
besteht seit vielen Jahren eine beratende Zusammenarbeit. Die SGRM verfügt über verkehrsmedizinisches Fachwissen und umfassende Erfahrung
im Erstellen von Gutachten, deshalb
war sie für das ASTRA auch bei der Erarbeitung von Via sicura eine wich­tige
Ansprechpartnerin.
Die SGRM gründete im Jahr 2010
eine eigene Sektion Verkehrsmedizin.
War Via sicura der Auslöser für
die Neugründung?
Munira Haag Nein. Die Verkehrsmedizin
hat in den letzten Jahren allgemein an
Bedeutung gewonnen und gilt heute
Institut für Rechtsmedizin
Institut für Rechtsmedizin
zu Recht als eigenständiges Fachgebiet
innerhalb der Rechtsmedizin – neben
Forensischer Medizin, Genetik und
Toxikologie. Die Arbeitsschwerpunkte
der neuen SGRM-Sektion lagen bisher
bei der Qualitätssicherung und der
Einführung einheitlicher Untersuchungsstandards. Wichtig war auch
die Ausarbeitung des Schulungs­
konzeptes für Haus- und Vertrauensärztinnen und -ärzte, das schon von
­einigen Kantonen übernommen
wurde. Sämtliche Aspekte kommen
in Via s­ icura stark zum Tragen.
Werfen wir einen Blick auf die
neue Gesetzgebung. Welche Änderungen bringt Via sicura für die
Verkehrsmedizin?
Bruno Liniger Im Jahr 2014 trat die neue
Regelung in Kraft, nach der sich alkohol­
auffällige Verkehrsteilnehme­rinnen
und Verkehrsteilnehmer bereits ab
­einer Alkoholisierung von 1,6 Promille
einer verkehrsmedizinischen Fahr­
eignungsabklärung zu ­unterziehen
­ aben, um den Verdacht auf eine
h
­allenfalls be­stehende Alkoholproblematik zu überprüfen. Zudem dürfen
nur noch entsprechend qualifizierte
Ärztinnen und Ärzte verkehrsmedizinische Fahreignungsbeurtei­lungen
durchführen. Hierfür gibt es verschiedene Qualifi­kationsstufen und ent­
sprechende Qualitätssicherungsmassnahmen.
Klingt nach mehr Arbeit für die
­ erkehrsmedizin! Wie sieht das für
V
Ihre Partnerorganisationen aus, zum
Beispiel die Strassenverkehrsämter?
Rolf Seeger Auch sie dürfen mit Mehraufwand rechnen, einerseits personell,
andererseits in Bezug auf das verkehrsmedizinische Fachwissen. Wobei zu
sagen ist, dass unser Institut gemeinsam mit der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (ASA) bereits seit einigen Jahren eine verkehrsmedizinische
Schulung für Mitarbeitende anbietet.
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Interview
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Welche Konsequenzen hat Via sicura
für die Verkehrspsychologie?
Jacqueline Bächli-Biétry Ihre Bedeutung
wird zunehmen, sowohl im Bereich der
Fahreignungsdiagnostik als auch in
jenem der obligatorischen Nachschulungsmassnahmen. Einige Beispiele: Es
ist klar definiert, was ein Raser respektive eine Raserin ist. Diese Personen
werden zur Abklärung ihrer Rückfallgefahr schneller einer verkehrspsychologischen Untersuchung zugewiesen.
Weiter wird für die Rückfallprognose
von Trunkenheitstäterinnen und
-tätern zusätzlich zur verkehrsmedi­
zinischen immer häufiger eine verkehrspsychologische Beurteilung
­notwendig. Und angesichts der demografischen Entwicklung ist davon
auszugehen, dass auch zur Beurteilung
der verkehrsrelevanten Hirnleistungsfunktionen älterer Personen in zu­
nehmendem Masse die Verkehrspsychologie beigezogen wird.
Institut für Rechtsmedizin
An welchen medizinischen Kriterien
wird die Fahreignung heute und in
Zukunft festgemacht?
Rolf Seeger Die Kriterien richten sich
nach den im Strassenverkehrsgesetz
und in der Verkehrszulassungsverordnung festgehaltenen Bestimmungen.
Bei gewissen Krankheitsbildern, zum
Beispiel Epilepsie und Diabetes, kommen ausserdem inter­disziplinär erarbeitete Richtlinien zur Anwendung.
sagen ­darüber, ob eine Person über
Persönlichkeitseigenschaften oder
­Einstellungen verfügt, die zu einer
­erhöhten Wahrscheinlichkeit führen,
dass sie auffällig wird oder im Verkehr überfordert ist. Diese Tests sind
anhand von verschiedenen Aussen­
kriterien validiert worden wie beispielsweise dem Verhalten in einer
Fahrprobe oder der Anzahl Delikte
in der Vorgeschichte.
Für Laien ist nachvollziehbar, dass
bestimmte Krankheiten die Fahreignung einschränken können. Auch
zweifelt niemand an der Messbarkeit
von Sehvermögen und Substanz­
konsum. Wie steht es um die Messbarkeit psychischer Erkrankungen?
Jacqueline Bächli-Biétry Verkehrsrelevante
Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungsmuster sowie Hirnleistungsfunktionen sind ebenfalls messbar. Psychologische Tests sind wissenschaft­lich
fundierte Verfahren. Sie erlauben Aus-
Man sagt, Via sicura habe das
­ otenzial, die Kompetenzen
P
der Haus­ärztinnen und Hausärzte
zu be­schneiden. Stimmt das?
Rolf Seeger Im Gegenteil. Mit der Neu­
regelung wird festgehalten, dass die
Erstbeurteilung der Fahreignung bei
Personen über 70 Jahren in der Kompetenz der Hausärztinnen und Hausärzte
bleibt, entgegen der früheren Tendenz
einiger Kantone diese Untersuchungen
einer speziellen Amtsarzt-Stelle zu
übertragen. Die Hausärztinnen und
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Verkehrsmedizinische Abklärungen beinhalten
neben einem ausführlichen Gespräch meist auch
körperliche Untersuchungen.
Institut für Rechtsmedizin
«Die verkehrsmedizinische
Untersuchung von Seniorinnen
und Senioren ab 70 ist in
der Schweiz bereits seit 1976
­verankert.»
Dr. med. Munira Haag-Dawoud
Abteilungsleiterin Verkehrsmedizin
Institut für Rechtsmedizin
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Interview
Hausärzte müssen bestätigen, dass
sie gewisse im Gesetz festgelegte
­Anforderungen erfüllen. Die SGRM
bietet eine entsprechende eintägige
Schulung an.
Ansonsten ergeben sich für die Ärzte,
die Senioren untersuchen, durch Via
­sicura keine wesentlichen Änderungen.
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Weshalb braucht es eine Schulung,
wenn ein Hausarzt mittels «Selbst­
deklaration» bestätigen kann,
dass er die Anforderungen erfüllt?
Rolf Seeger Bei der von der SGRM an­
gebotenen eintägigen Schulung geht
es nicht darum, den Ärzten zu erklären,
wie sie untersuchen müssen. Es geht
um die Vermittlung von einheitlichen
Standards. Künftig soll es keine Rolle
mehr spielen, in welchem Kanton
Fahrzeuglenkende abgeklärt werden.
Deshalb müssen die Untersuchungen
bestimmten Minimalanforderungen
genügen: Die Beurteilung soll objektiv
nach standardisiertem Vorgehen er­
Institut für Rechtsmedizin
folgen, sie muss zweckmässig sein,
darf keine unnötigen Untersuchungsschritte enthalten und soll überdies
kostengünstig sein. Solides verkehrsmedizinisches Grundwissen, Kenntnisse in den rechtlichen Grundlagen
und administrativen Abläufen – all
dies ist Gegenstand der eintägigen,
­intensiven Schulung.
So viel Aufmerksamkeit für ein
medizinisches Nebenthema?
Rolf Seeger Das übergeordnete Ziel
von Via sicura und damit der Fahr­
eignungsabklärungen ist die Verkehrssicherheit auf den Strassen. In den
nächsten 10 bis 15 Jahren wird sich die
Zahl der über 70-Jährigen, die im
Besitz eines Führerausweises sind,
verdoppeln. Und wir wissen: Mit zunehmendem Alter treten Erkrankungen auf, die verkehrsmedizinisch
bedeutsam sind wie Demenz, nach­
lassende Sehfähigkeit etc. Mit Blick auf
die Verkehrssicherheit ist es deshalb
entscheidend, dass die Fahreignung
im Alter regelmässig und einheitlich
untersucht wird. Standardisierte Schulungen nach dem Modell der Sektion
Forensische Medizin der SGRM werden bereits seit einigen Jahren angeboten; die Rückmeldungen sind von allen
Seiten durchwegs positiv.
Welche Bedeutung hat der Titel
­«Verkehrsmediziner/Verkehrs­
medizinerin SGRM»?
Bruno Liniger Der Fachtitel entspricht der
höchsten Stufe der neu eingeführten
verkehrsmedizinischen Qualifikationsstufen. Sie beinhaltet umfassende
Fachkenntnisse in sämtlichen verkehrsmedizinischen Belangen und setzt viel
Erfahrung im Umgang mit Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertretern sowie
allen involvierten Behörden voraus.
Daraus ergeben sich selbstredend
auch hohe Ansprüche an die Sozialkompetenz und die Kommunikationsfähigkeit.
Eine der Nebenstellen des IRM-UZH, an denen verkehrsmedizinische Untersuchungen ­angeboten werden: der Standort Winterthur. Interview
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Gibt es in der Verkehrspsychologie
ähnliche Qualifikationsstufen?
Jacqueline Bächli-Biétry Nein, denn es gibt
nur zwei Arten von Fragestellungen,
die Verkehrspsychologinnen und Verkehrspsychologen zu beantworten
haben: Zum einen geht es um die
Rückfallprognose von Personen, die
im Verkehr auffällig geworden sind.
Zum andern beurteilen wir Personen,
bei denen Zweifel daran bestehen, ob
ihre Hirnleistungsfunktionen aus­
reichen, um gefahrlos am Strassen­
verkehr teilzunehmen. Verkehrspsychologinnen und Verkehrspsychologen
mit dem entsprechenden Fachtitel
sind qualifiziert, beide Arten von Fragen zu beantworten.
Unser Dach­
verband, die Föderation der Schweizer
Psychologinnen und Psychologen
(FSP), respektive dessen Gliedverband,
die Schweizerische Vereinigung für
Verkehrspsychologie (VfV), hat die
Aufgabe, die Aus- und Weiterbildungen
den neuen Anforderungen anzupassen.
Inhaberinnen und Inhaber des FSPFachtitels «Fachpsychologe/Fach­
psychologin für Verkehrspsychologie»
müssen den Nachweis einer regel­
mässigen Fortbildung erbringen.
So können sich die zuweisenden Behörden darauf ver­lassen, dass Verkehrspsychologinnen und Verkehrspsychologen mit einem ­Fachtitel über
aktuelle Sachkenntnisse verfügen.
Heisst das auch, dass Via sicura
Verkehrspsychologinnen und Verkehrspsychologen nicht zu einer
spezifischen Fortbildung verpflichtet?
Kritische Stimmen sagen, mit Via
sicura werde die Verkehrsmedizin
künstlich aufgebläht, höhere Gesundheitskosten seien die Folge.
Institut für Rechtsmedizin
Jacqueline Bächli-Biétry
Dies kann nur in Unkenntnis
des bisherigen Systems behauptet werden. Die verkehrsmedizinische Untersuchung von Seniorinnen und Senioren
ab 70 ist in der Schweiz bereits seit 1976
verankert, ebenso die Untersuchung
von Personen mit hö­heren Führerausweiskategorien (Taxi, Lastwagen, Car).
Mit Via sicura ändert sich die Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte zur Fortbildung. Die Kosten sind in der Regel
eher gering und nicht zu vergleichen
mit dem, was sonst für medizinische
Fortbildungen bezahlt werden muss.
Munira Haag
Dennoch ist nicht von der Hand zu
weisen, dass das Heruntersetzen der
Promillegrenze zu sehr viel mehr
Fahreignungsuntersuchungen führen
wird. Übernimmt die Krankenkasse
die Untersuchungskosten?
Munira Haag Nein, wie bisher müssen
die Kosten von den Betroffenen selber
bezahlt werden.
«Das übergeordnete Ziel ist
die Verkehrs­sicherheit.» Rolf Seeger
Besteht nicht die Gefahr unnötiger
Untersuchungen?
Bruno Liniger Auch in der Verkehrs­
medizin gilt die ärztliche Sorgfaltspflicht: Fahreignungsuntersuchungen
haben nach geltenden Richtlinien zu
erfolgen, wobei auch die jeweiligen
Akten wegweisend sind. Ausserdem
wird Kostenbewusstsein grossge­
schrieben. Deshalb ist es entscheidend,
dass die zuweisenden Strassenverkehrsämter qualifizierte Abklärungsstellen beauftragen, damit die betroffenen Personen, welche die Kosten ja
selbst zu tragen haben, nicht verschiedene, zum Teil un­nötige und teure Abklärungen durchlaufen müssen.
Institut für Rechtsmedizin
Angesichts der Grösse der Abteilung
VM am IRM-UZH könnte man von
­einer Monopolisierung der verkehrsmedizinischen Fachkompetenzen
reden. Haben die anderen Kantone
das Nachsehen?
Munira Haag Sämtliche Institute in der
Schweiz sind derzeit intensiv daran,
ihre verkehrsmedizinischen Abteilungen zu erweitern. Unbestritten bleibt
Zürich in absehbarer Zeit das Institut
mit der grössten verkehrsmedizinischen Abteilung und nimmt damit
auch eine Vorreiterrolle ein. Dies bringt
Verpflichtungen mit sich, unter anderem in der Nachwuchs­förderung, in
die wir stark investieren und die letztlich auch den Instituten in anderen
Kantonen zugutekommt.
Sie sprechen von Investitionen.
Die Verkehrsmedizin wird also auch
in Zürich weiter ausgebaut?
Munira Haag Ja. Im Hinblick auf die
Implementierung von Via sicura und
die dadurch notwendige Erweiterung
der personellen und räumlichen Ressourcen wurden wir von der Universität Zürich sehr grosszügig unterstützt.
Stichwort Gleichbehandlung: Werden
Fahrzeuglenkende heute in der ganzen Schweiz gleich beurteilt?
Rolf Seeger Die Institute pflegen einen
intensiven fachlichen Austausch und
es werden laufend einheitliche
Standards zur Beurteilung der einzelnen Krankheitsbilder erarbeitet.
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Interview
Der Standort in Luzern bei der Oberstaatsanwaltschaft in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof. Die von der VfV
entwickelten Minimalstandards tragen
dazu bei, dass verkehrspsychologische
Untersuchungen in der ganzen
Schweiz ähnlich abgewickelt und die
Gutachten nach den gleichen Richt­
linien erstellt werden.
Munira Haag Aber trotz gleicher Be­
urteilungsstandards gibt es unterschiedliche Interpretationsmöglich­
keiten. Das liegt in der Natur der
gutachterlichen Tätigkeit. Wichtig ist
deshalb, dass die gleichen und neusten
wissenschaftlichen Standards und
Erkenntnisse angewandt werden und
dass immer der Mensch als Ganzes
­betrachtet wird – und nicht nur Teil­
aspekte.
Bruno Liniger Ein Beispiel für den Einsatz
neuster Erkenntnisse ist die Haar­
analyse, die heute in der Fahreignungs­
untersuchung zum Standard gehört
wie früher Urinprobenkontrollen
oder Blutwertbestimmungen. Neue
­Erkenntnisse anzuwenden bedeutet
Jacqueline Bächli-Biétry
Institut für Rechtsmedizin
aber auch, dass laufend spezialisiertes
Wissen neu erworben werden muss.
Ein Blick über die Landesgrenzen
hinaus: Gibt es in Europa vergleichbare Entwicklungen im Bereich
der Verkehrsmedizin?
Munira Haag Ein verkehrsmedizinisches
Curriculum, wie wir es in der Schweiz
kennen, gibt es sonst nirgends. Ich bin
überzeugt, dass andere Länder bald
unserem Beispiel folgen werden.
Das heisst, das IRM-UZH nimmt in
der Verkehrsmedizin bald auch international eine Vorreiterrolle ein?
Bruno Liniger Das wird sich weisen.
­Sicher gilt es, die unterschiedlichen
gesetzlichen Grundlagen in den
­einzelnen Ländern mitzuberücksich­
tigen. Im Rahmen von wissenschaft­
lichen Publikationen, Vorträgen
und Kon­gressen besteht jedenfalls
­bereits ein vielseitiger internationaler
Austausch.
Curriculum Verkehrsmediziner/in SGRM
Voraussetzung zum Erwerb des Titels «Verkehrsmediziner/Verkehrsmedizinerin SGRM» ist der
Besitz eines Facharzttitels in einem für die
­Verkehrsmedizin relevanten Gebiet. Am besten
eigenen sich Fachtitel für Rechtsmedizin, für
­Allgemeine Innere Medizin oder für Psychiatrie
und Psychotherapie. Das eigentliche verkehrs­
medizinische Wissen wird danach im Laufe von
etwa zwei Jahren «on the job» in einer Abteilung
für Verkehrsmedizin erworben. In dieser Zeit
muss eine ca. einwöchige theoretische Weiter­
bildung absolviert werden. Nach Bestehen
der Prüfung wird der Titel «Verkehrsmediziner/
Verkehrsmedizinerin SGRM» erteilt. Alle fünf
­Jahre muss der Besuch von Fortbildungen nachgewiesen werden, um den Titel zu behalten.
Details: www.sgrm.ch
Curriculum Verkehrspsychologe/-psychologin FSP
Voraussetzung zum Erwerb des Fachtitels
«Verkehrspsychologe FSP» sind ein universitärer
Hauptfachabschluss in Psychologie und die
­ordentliche Mitgliedschaft in der Föderation
Schweizer Psychologen (FSP). Die Weiterbildung
in Verkehrspsychologie dauert mindestens zwei
Jahre (100%) und enthält drei Spezialgebiete:
­Diagnostik, Intervention und Forschung. Um den
Titel zu halten, sind regelmässig fachspezifische
Fortbildungskurse zu besuchen.
Details: www.vfv-spc.ch
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«Künftig soll es keine Rolle
mehr spielen, in welchem
Kanton Fahrzeuglenkende ab­
geklärt ­werden.»
Dr. med. Rolf Seeger
Leiter Bereich Somatische Erkrankungen
Institut für Rechtsmedizin
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Wissenswertes
Häufige Fragen
Rund um das Thema Verkehrsmedizin
und Via sicura
Allgemeine Fragen
Welche Aufgaben hat die Abteilung Verkehrsmedizin am IRM-UZH? Wir erstellen
Gutachten zu sämtlichen verkehrsmedizinischen Fragestellungen betreffend Fahreignung und Fahrfähigkeit. Dies umfasst forensisch-psychiatrische Gutachten sowie weitere strafrechtliche Gutachten bei Fragen zur Hafterstehungsfähigkeit und
zur Einvernahmefähigkeit bei verschiedenen medizinischen Problematiken. Alle
Gutachten werden von dazu berechtigten und dafür qualifizierten Ärztinnen und
Ärzten erstellt (gemäss Artikel 29 der Verordnung über psychiatrische und psychologische Gutachten in Straf- und Zivilverfahren (PPGV) des Kantons Zürich).
Zusätzlich zur gutachterlichen Tätigkeit beraten wir Hausärztinnen und Hausärzte bei verkehrsmedizinischen Fragestellungen und bieten Fortbildungen für verkehrsmedizinisch tätige Ärztinnen und Ärzte an. Auch die verkehrsmedizinischen
Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den zuständigen Ämtern bilden wir weiter und stellen damit sicher, dass die betreffenden Personen über die notwendige
Fachkompetenz verfügen. Der regelmässige gegenseitige Austausch von Wissen
dient allen Beteiligten und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.
Institut für Rechtsmedizin
Institut für Rechtsmedizin
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Wissenswertes
Wissenswertes
Hinzu kommen die universitären Aufgaben in Lehre und Forschung. Die bei der
gutachterlichen Tätigkeit gewonnenen Erkenntnisse werden regelmässig ausgewertet und in Form von Dissertationen und Publikationen in Fachzeitschriften ver­
öffentlicht.
Welche verkehrsmedizinischen Abklärungen werden am IRM-UZH durchgeführt? Primär führen wir amtlich angeordnete Fahreignungsgutachten im Admi­
nistrativverfahren durch. Dies zum Beispiel nach Vorfällen mit Fahren unter Sub­
stanzeinfluss (Alkohol, Drogen, Medikamente), bei Vorfällen mit Verdacht auf
eine gesundheitliche Problematik (z. B. Verdacht auf eine epileptische Erkrankung
oder eine Zuckerkrankheit), bei allfälligen Problemen mit dem Sehvermögen, bei
Verdacht auf Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder bei Verdacht auf eine
Einschränkung der kognitiven Funktionen.
Bei Untersuchungen, die gemäss der Verkehrszulassungsverordnung von Hausärztinnen und Hausärzten sowie von Vertrauensärztinnen und Vertrauensärzten
durchgeführt wurden und bei denen keine schlüssige Beurteilung der Fahreignung
möglich war, kann das zuständige Amt eine Begutachtung durch das IRM-UZH
anordnen.
Bei Fragen zur Fahrfähigkeit führen wir im Auftrag der Staatsanwaltschaften
­Abklärungen durch.
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Kann auch eine verkehrspsychologische Abklärung am IRM-UZH durchgeführt
werden? Ja. Für die Abklärung verkehrspsychologischer Fragestellungen, d. h. bei
Verdacht auf eine charakterliche Nichteignung, sind Verkehrspsychologinnen und
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Verkehrspsychologen zuständig. Am IRM-UZH besteht eine langjährige, sehr enge
Zusammenarbeit mit führenden Exponentinnen und Exponenten der Verkehrs­
psychologie, so dass auch diese Aufträge bearbeitet werden können. Verkehrspsychologische Abklärungen werden nach Verkehrsregelverletzungen angeordnet
(Stichworte: Rasen, rücksichtloses Verhalten im Strassenverkehr etc.).
Wie viele Standorte hat die Abteilung Verkehrsmedizin des IRM-UZH? Vier.
Neben dem Hauptstandort in der Stadt Zürich betreiben wir zwei Aussenstellen in
Winterthur und eine in Luzern. Die verkehrspsychologischen Untersuchungen erfolgen entweder am Hauptstandort in Zürich oder in Winterthur, verkehrsmedizinische Untersuchungen bieten wir an allen Standorten an (Standorte siehe S. 39).
Fragen von Betroffenen
Was umfasst eine verkehrsmedizinische Untersuchung am IRM-UZH? Nach einem ausführlichen Gespräch und einer Erhebung der allgemeinen medizinischen
Anamnese findet eine körperliche Untersuchung (inkl. Augentest) statt. Je nach Untersuchungsgrund müssen Laboruntersuchungen und allenfalls auch Zusatzuntersuchungen wie eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt oder eine verkehrspsychologische Untersuchung zur Überprüfung der kognitiven Leistungen vorgenommen
werden. Bei einer Substanzkonsumproblematik (Alkohol, Drogen, Medikamente)
ist eine Haaranalyse integraler Bestandteil der Abklärung.
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Wissenswertes
Was umfasst eine verkehrspsychologische Untersuchung am IRM-UZH? Neben
einem ausführlichen, problembezogenen Gespräch werden standardisierte Tests
durchgeführt. Je nach Fragestellung werden die verkehrsrelevanten Aspekte der
Hirnleistungsfähigkeit und/oder der Persönlichkeit überprüft.
Wie erfolgt die Anmeldung zur Untersuchung? Wie wird der Untersuchungstermin festgelegt? Das Vorgehen ist je nach Kanton und Anlass der Untersuchung
unterschiedlich. In gewissen Fällen muss sich die betroffene Person mit einem vom
Strassenverkehrsamt zur Verfügung gestellten Formular selber zur Untersuchung
beim IRM-UZH anmelden. Nach Begleichung einer Kostenvorschussrechnung erfolgt ein schriftliches Aufgebot zur Untersuchung. In bestimmten Fällen erfolgt das
Aufgebot ohne Kostenvorschussrechnung. Die zuständige Behörde informiert die
Betroffenen jeweils über das Vorgehen.
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Wer führt die Untersuchung durch? Die verkehrsmedizinische Erstabklärung wird
immer durch eine Ärztin oder einen Arzt durchgeführt, die verkehrspsychologische
Untersuchung durch eine Verkehrspsychologin oder einen Verkehrspsychologen.
Im schriftlichen Aufgebot ist der Name der zuständigen Fachperson festgehalten.
Bei den Abstinenzkontrollen wird ein Teil der Untersuchung von medizinisch-technischen Assistentinnen oder Assistenten durchgeführt.
Für sämtliche Ab­
klärungen bestehen
­verkehrsmedizinische
Qualitätsstandards.
Was muss zur Untersuchung mitgebracht werden? Einen Ausweis (Pass, Identitäts­
karte) und die Brille, sofern diese zum Autofahren benötigt wird. Betroffene, die
in Behandlung stehen, nehmen den Therapiebericht, allfällige Laborbestimmungen
und Urinprobenergebnisse mit. Diabetiker nehmen ihr Blutzuckerbüchlein mit.
Institut für Rechtsmedizin
Institut für Rechtsmedizin
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Wissenswertes
Wissenswertes
Wie lange dauert die Untersuchung? Die verkehrsmedizinische Untersuchung
dauert in der Regel ca. eine bis anderthalb Stunden, die verkehrspsychologische
Untersuchung ca. zwei Stunden.
Wie geht das IRM-UZH bei Kundinnen und Kunden mit mangelnden Deutschkenntnissen vor? Für die verkehrsmedizinische Untersuchung genügt es meist,
wenn die Kundin respektive der Kunde in Begleitung einer Vertrauensperson mit
guten Deutschkenntnissen erscheint. Für die verkehrspsychologische Untersuchung
sind gute Deutschkenntnisse notwendig. Bei Bedarf kann zulasten der Kundin respektive des Kunden eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher beigezogen werden.
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Kann sich jemand zu einer verkehrsmedizinischen Untersuchung direkt anmelden oder kann eine Zuweisung durch eine Ärztin oder einen Arzt erfolgen? Nein.
Gutachten werden nur im Auftrag des zuständigen Amtes erstellt.
Fragen der Ärzteschaft
Wenn verkehrsmedizinische und verkehrspsychologische Untersuchungen vorgenommen werden müssen, werden beide am selben Tag durchgeführt? Nein.
Zuerst wird die verkehrsmedizinische Untersuchung durchgeführt. Bis das Gutachten inkl. Laboranalysen vorliegt, kann ein Monat vergehen. Sind die medizinischen
Voraussetzungen für das Autofahren nicht erfüllt, kann sich die verkehrspsychologische Untersuchung allenfalls erübrigen.
Sind die Ärztinnen und Ärzte von Via sicura betroffen? Gemäss Via sicura legt
der Bund Vorschriften zu Inhalt und Umfang der Fahreignungsabklärung fest.
Ausserdem definiert er Mindestanforderungen an das Untersuchungsverfahren,
­
an die Qualitätssicherung und an die Personen, die Fahreignungsuntersuchungen
durchführen, also die Ärztinnen und Ärzte.
Dies ist im Strassenverkehrsrecht, welches am 1.1.2013 in Kraft trat, so festge­
halten (Art. 25 Abs. 3). Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) hat in der Verkehrs­
zulassungsverordnung (VZV) die dazu notwendigen Gesetzesregelungen konkretisiert. Diese treten per 1.7.2016 in Kraft.
Werden die erhobenen Daten zu Forschungszwecken benutzt? Als universitäres
Institut gehört die Forschung zu unseren Aufgaben. Die Auswertung der erhobenen Daten zur Gewinnung von neuen Erkenntnissen und zur Anpassung des Vorgehens ist von zentraler Bedeutung. Sie erfolgt immer anonymisiert. Eine entsprechende Information ist in jedem schriftlichen Aufgebot enthalten. Es kann jedoch
jede Kundin respektive jeder Kunde den Wunsch äussern, dass die persönlichen
Daten nicht verwendet werden, was wir selbstverständlich berücksichtigen.
Was ändert sich für die Ärzteschaft konkret, wenn am 1.7.2016 die angepasste VZV
in Kraft tritt? Nach einer Übergangsfrist dürfen nur noch Ärztinnen und Ärzte verkehrsmedizinische Untersuchung durchführen, die entsprechend qualifiziert sind.
Ärztinnen und Ärzte der Stufe 1, die zur periodischen Untersuchung von Per­
sonen ab dem 70. Altersjahr berechtigt sind, müssen bestätigen, dass sie die im Gesetz festgelegten Anforderungen erfüllen. Dies kann durch «Selbstdeklaration» erfolgen oder, was wir sehr empfehlen, durch den Besuch einer eintägigen Schulung.
Institut für Rechtsmedizin
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«Neue Erkenntnisse anzuwenden
bedingt, laufend spezialisiertes
Wissen zu erwerben.»
Dr. med. Bruno Liniger
Leiter Bereich Sucht und psychische Erkrankungen
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«Standards tragen dazu bei, dass
Untersuchungen in der ganzen
Schweiz ähnlich abgewickelt
Dr. phil. Jacqueline Bächli-Biétry
werden.» Fachpsychologin
für Verkehrspsychologie FSP
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Wissenswertes
Wissenswertes
Einen Fortbildungstag müssen Ärztinnen und Ärzte der Fortbildungsstufe 2 absolvieren, die die ­Berechtigung zum Untersuchen von Personen erlangen möchten, die
sich um eine höhere Führerausweiskategorie bewerben oder bereits einen Ausweis
dieser Kategorie innehaben. Die Fortbildungsstufe 3 erfordert einen weiteren halben
Fortbildungstag sowie die Erstellung von 5 verkehrsmedizinischen Gutachten unter
der Supervision eines «Verkehrsmediziners SGRM». Sie berechtigt zur Fahreignungs­
abklärung in Fällen, die die Erstellung eines kurzen Gutachtens erfordern.
Bei Verkehrsmedizinerinnen und Verkehrsmedizinern der Fortbildungsstufe 4
handelt es sich um Spezialistinnen und Spezialisten, die Gutachten im Adminis­
trativverfahren verfassen dürfen. Dazu muss nach der Ausbildung zur Fachärztin
respektive zum Facharzt in einem für die Verkehrsmedizin relevanten Gebiet ein
Weiterbildungscurriculum gemäss dem Fachtitelreglement der SGRM absolviert
werden. Dies erfordert in der Regel eine zweijährige, vollamtliche Tätigkeit. Das
Bestehen der Prüfung berechtigt danach zum Führen des Titels «Verkehrsmediziner/Verkehrsmedizinerin SGRM».
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Ab wann gilt die Anerkennungspflicht für verkehrsmedizinische Untersuchungen?
Es besteht eine Übergangsfrist für die Untersuchung durch Ärzte der Stufe 1 bis
zum 31.12.2017. Für die übrigen Untersuchungen können die Kantone bis Ende 2019
von sogenannten Ventilklauseln Gebrauch machen.
Was beinhaltet die Fortbildung? Die Inhalte und Lernziele der verschiedenen Fortbildungsmodule sind auf der Website des Fortbildungszentrums für Fahreignungsbegutachtungen Schweiz, www.medtraffic.ch, ersichtlich.
Darf sich jede Ärztin respektive jeder Arzt für eine solche Fortbildung anmelden?
Voraussetzung ist gemäss Verkehrszulassungsverordnung der Besitz eines eidgenössischen oder anerkannten ausländischen Weiterbildungstitels. Die Fortbildung
richtet sich vor allem an Hausärztinnen und Hausärzte.
Wie lange ist die Bewilligung zur Durchführung von verkehrsmedizinischen
­Untersuchungen gültig? Besteht eine kantonale Einschränkung? Die Bewilligung
ist fünf Jahre gültig. Ärztinnen und Ärzte der Stufe 1 können die Anerkennung um
fünf Jahre ­verlängern, indem sie bestätigen, dass sie die Anforderungen weiterhin
erfüllen. Ärztinnen und Ärzte der Stufen 2 und 3 können die Anerkennung ebenfalls um fünf Jahre ver­längern, ­sofern sie eine vierstündige verkehrsmedizinische
Fortbildung absolviert oder eine Bewilligung einer höheren Fortbildungs­
stufe
­erworben haben. Die Bewilligung gilt für die ganze Schweiz.
Was kostet die Fortbildung? Eine eintägige Fortbildung für Ärztinnen und Ärzte
der Stufen 1 und 2 kostet CHF 450.–.
Wo kann ich mich zu einer Fortbildung anmelden? Das Fortbildungszentrum für
Fahreignungsbegutachtungen Schweiz der SGRM bietet die Fortbildung an. Die Inhalte und Lernziele der modulartig aufgebauten Fortbildung sind auf der Web­site
www.medtraffic.ch ersichtlich.
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Institut für Rechtsmedizin
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Wissenswertes
Was ändert sich an den medizinischen Mindestanforderungen? In Anpassung an
die EU werden die medizinischen Mindestanforderungen für die unterschiedlichen
Führerausweis-Kategorien künftig in zwei statt wie bisher drei Gruppen ­unterteilt.
Inhaltlich wurden neben der Anpassung der Nomenklatur an die heute üblichen Fachbegriffe einige Punkte ergänzt oder neu eingeführt. Die psychischen
Störungen, die organisch bedingten Hirnleistungsstörungen und die Substanz­
­
konsumproblematiken wurden neu aufgenommen. Die Anforderungen an das
Sehvermögen wurden weitestgehend denjenigen der EU angepasst.
Um eine möglichst individuelle Beurteilung zu ermöglichen, sind die Mindest­
anforderungen weiterhin bewusst offen formuliert.
Wo notwendig, bestehen entsprechende Richtlinien. Bereits bekannt sind die
­gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) und der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie ausgearbeiteten Richtlinien. Mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ophthalmologie (SOG) werden
zurzeit Richtlinien ausgearbeitet. Auch kardiologische Richt­linien werden mit den
entsprechenden Spezialisten erarbeitet.
34
Institut für Rechtsmedizin
Am Strassenverkehrsamt in Winterthur führt das IRM-UZH verkehrsmedizinische Untersuchungen durch. 36
Chronologie
Chronologie
Via sicura
Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit
im Strassenverkehr
2014 Das zweite Massnahmenpaket
von Via sicura tritt in Kraft. Es enthält
die obligatorische Anordnung einer
Fahreignungsuntersuchung bei Fahren
ab 1,60 Gewichtspromille und die
Null-Promille-Vorschrift für Berufs­
fahrerinnen und Berufsfahrer ­sowie
Neulenkerinnen und Neulenker.
2000 Der Bundesrat beschliesst, ein
Handlungsprogramm für mehr Sicherheit im Strassenverkehr (Vision Zero)
zu erarbeiten, dessen Ziele sich an den
Bemühungen der EU orientieren, die
Anzahl der Strassenopfer innert zehn
Jahren zu halbieren.
2002 Unter Federführung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) wird mit
der Arbeit an Via sicura begonnen.
Das ASTRA erarbeitet unter Mit­
wirkung von Fachorganisationen,
Interessenverbänden, Kantons- und
Gemeindebehörden, Wirtschaft
und Politik einen breit abgestützten
Fächer von Massnahmen zur
Erhöhung der Verkehrssicherheit.
Institut für Rechtsmedizin
05.11.2008 Der Bundesrat eröffnet
die Vernehmlassung zum Programm
Via sicura. Kantone, Parteien und
Organisationen sind zur Stellung­
nahme eingeladen.
20.10.2010 Der Bundesrat legt dem Parlament das Verkehrssicherheitsprogramm zur Beratung vor. Das Ziel von
Via sicura: Nur gut ausgebildete, fahrfähige und fürs Autofahren geeignete
Menschen verkehren in sicheren Fahrzeugen auf Strassen, die Fehler ver­
zeihen. Entsprechend fokussieren die
Massnahmen auf Prävention bei
Risikogruppen, Repression bei schwerwiegenden Delikten, Infrastrukturmassnahmen wie die Sanierung von
Unfallschwerpunkten und auf die bessere Durchsetzung bestehender Regeln.
15.06.2012 Das Parlament nimmt das
Verkehrssicherheitsprogramm Via
sicura an. In der Folge werden durch
das ASTRA verschiedene Mass­
nahmenpakete ausgearbeitet, um Via
sicura etappenweise umzusetzen.
2013 Das erste Massnahmenpaket
tritt in Kraft. Es enthält unter anderem
das Verbot von Radarwarnungen,
das Abklären von Fahreignung und
-kompetenz sowie Massnahmen gegen
Raserinnen und Raser und für die
­Verbesserung der Sicherheit auf Fussgängerstreifen.
2016 Das dritte Massnahmenpaket
von Via sicura tritt per 1.7.2016 in
Kraft. Es enthält Massnahmen, die für
die Ärzteschaft von Bedeutung sind,
darunter schweizweit einheitliche
Qualitätssicherungsmassnahmen bei
der Fahreignungsabklärung sowie die
revidierten medizinischen Mindest­
anforderungen.
Institut für Rechtsmedizin
Art. 5abis (neu)
Verkehrsmedizinische Qualifikationsstufen
AnerkennungsstufeBerechtigung
– Periodische Untersuchung
Stufe 1
von Senioren
Modul 1–3 (1 Tag)
Stufe 2
Modul 4 – 5 (1 Tag)
– Bewerber höherer Führerausweiskategorien
– Kontrolluntersuchungen Inhaber
höherer Führerausweiskategorien
Stufe 3
mit gutachterlicher Funktion
Modul 6
Teil A (½ Tag)
Teil B (5 Gutachten unter Supervision
eines Verkehrsmediziners SGRM)
– Erstbewerber > 65 Jahre
– Bewerber mit Körperbehinderung
– Bewerber mit Zweifel an
Fahreignung
– Nach Unfallverletzungen
– Nach Drittmeldung durch Ärzte
oder IV
– Zweituntersuchung nach Stufe 1+2
Stufe 4 = Verkehrsmediziner SGRM
Spezialisierte 2-jährige Ausbildung
nach Facharzt
– Gutachten im
Administrativverfahren
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38
Weitere Informationen
Kontakte & Standorte
Literaturempfehlungen
Standorte Verkehrsmedizin IRM-UZH
Fahr-sicher.
Verkehrsmedizinische und rechtliche
Grundlagen betreffend Fahrfähigkeit
und Fahreignung bezüglich Alkohol,
Drogen und Medikamente
Liniger Bruno (2008): Universität
Zürich, Institut für Rechtsmedizin,
Schulungsordner (mit DVD)
Grundlegende Informationen zum
Thema Alkohol, Drogen und Medi­
kamente im Strassenverkehr sowie
ausführliche Informationen zu einzelnen Substanzgruppen, Wirkungen,
Konsequenzen etc., vor allem im Zusammenhang mit Fahrfähigkeit und
Fahreignung, inkl. sachbezogener,
rechtlicher Grundlagen. Bestellungen
über: Institut für Rechtsmedizin,
Verkehrsmedizin, Kurvenstrasse 31,
8006 Zürich | 044 635 76 00 |
[email protected]
Institut für Rechtsmedizin
Fahr-sicher.
Fahreignung und Fahrfähigkeit bei
Krankheiten und Unfallfolgen
Verkehrsmedizinische Grundlagen für
Fachpersonen und Interessierte. Mit
Themen wie rechtliche Grundlagen,
medizinische Mindestanforderungen,
Einschränkungen im Bereich der
Sinnesorgane, neurologische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Erkrankungen der Atemorgane, Dia­
betes mellitus, Einschränkungen des
Bewegungsapparates, plötzliche
Bewusstseinstrübung, Fahreignung
im Alter, Fahreignung bei höheren
Führerausweiskategorien und ärztlich
begleitete Kontrollfahrt.
Erscheint voraussichtlich 2016
Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht
Schaffhauser René (Hrsg.),
Verlag Stämpfli AG Bern
Das Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht wird jedes Jahr neu aufgelegt.
Es enthält Beiträge namhafter Autorinnen und Autoren zu den Themen
­Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie, Verkehrsunfallanalytik, Haftpflicht- und Versicherungsrecht,
­Verkehrszulassung/Verkehrsregeln,
Straf- und Administrativmassnahmenrecht, Verhältnis Schweiz – EU etc.
­Erhältlich beim Verlag oder im Buchhandel.
Weitere Informationen und
Doku­mente finden sich auf
www.irm.uzh.ch / www.sgrm.ch
Institut für Rechtsmedizin
Universität Zürich
Institut für Rechtsmedizin
Verkehrsmedizin
Kurvenstrasse 31 & 17
CH-8006 Zürich
Tel +41 44 635 76 00
Fax+41 44 635 76 05
[email protected]
Verkehrsmedizin
c/o Strassenverkehrsamt
Winterthur
Taggenbergstrasse 1
CH-8408 Winterthur
Tel +41 44 635 76 00
Fax+41 44 635 76 05
[email protected]
Verkehrsmedizin
Standort Winterthur
Bürglistrasse 29
CH-8400 Winterthur
Tel +41 44 634 93 93
Fax+41 44 634 93 90
[email protected]
Verkehrsmedizin
Standort Luzern
Zentralstrasse 28
CH-6002 Luzern
Tel +41 44 635 76 00
Fax+41 44 635 76 05
[email protected]
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Herausgeber
Universität Zürich
Institut für Rechtsmedizin
Winterthurerstrasse 190/52
CH-8057 Zürich
Tel +41 44 635 5611
Fax +41 44 635 6851
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www.irm.uzh.ch
Konzept & Gestaltung
büro z {grafik design}, Bern
Redaktion
Nicole Schwarz, Basel
Lektorat
Rebekka Colacicco-Keller
Fotografie
Christian Knörr, Basel
März 2016
Das Hauptgebäude des Instituts für Rechtsmedizin
auf dem Campus der Universität Zürich-Irchel.