CREDIT RESEARCH COVERED BONDS/FINANCIALS LBBW RESEARCH Burkerts Blick Kommentar des LBBW Chefvolkswirts Der EZB geht die Munition so schnell nicht aus,… Uwe Burkert Chefvolkswirt und Leiter Research [email protected] FOKUS EZB …aber ihre Glaubwürdigkeit könnte Schaden nehmen. M ARKT EWU „Don’t fight the Fed!“ ist an der Wall Street eine beliebte Händlerweisheit. Soll heißen: Investoren sollen sich nicht gegen die Politik der Zentralbank stellen, weil diese stets am längeren Hebel säße. Im Allgemeinen fährt man an der Börse mit dieser Regel gut, obgleich es auch Gegenbeispiele gibt. George Soros fällt mir dazu ein, der ja bekanntlich in der EWS-Krise 1992 erfolgreich gegen die Bank of England gewettet hat und dabei nicht nur sein Vermögen immens vermehrt, sondern auch seinen Ruf als gewiefter Spekulant gefestigt hat. Aber meistens ist es eben doch besser, mit dem geldpolitischen Strom zu schwimmen und der kennt derzeit im Euroraum nur eine Richtung: Die Liquidität fließt aus der EZB in die Märkte – und zwar reichlich. Die Beschlüsse der EZB vom 10. März haben es in sich. Nicht nur sind die Leitzinsen weiter gesenkt worden (der Hauptrefinanzierungssatz auf 0,00% und der Einlagesatz auf -0,40%), sondern zusätzlich kauft die EZB ab April pro Monat Assets für 80 Mrd. Euro statt wie bislang für 60 Mrd. Euro. Um mehr Spielraum an den Märkten zu haben, wo es für so viel Liquidität allmählich nicht mehr genügend hochwertige Assets gibt, wird die EZB ab dem Ende des zweiten Quartals auch Unternehmensanleihen guter Bonität (sog. Investment Grade) kaufen. Das selbstgesteckte Limit für den Erwerb von Anleihen wird zudem für supranationale Institutionen wie die Europäische Investitionsbank etwas ausgeweitet. Die EZB darf von solchen Emittenten bald bis zu 33% der Gesamtemissionen abnehmen und 50% einer einzelnen Emission. Das ist aber noch nicht alles: Um die Kreditinstitute im Euroraum zu einer höheren Kreditvergabe an private Nichtbanken zu veranlassen, bietet die EZB den Geschäftsbanken des Euroraums Liquidität zu Sonderkonditionen an. Sie schreibt ab Juni dieses Jahres alle drei Monate einen Tender mit vierjähriger Laufzeit aus. Die Liquidität stellt sie zum Hauptrefinanzierungszins zur Verfügung, also quasi gratis. Aber es kommt noch besser: Banken, deren zusätzliche Kreditvergabe bis Anfang 2018 hoch genug ausfällt, können sogar in den Genuss einer Zinsgutschrift kommen. Fällt die Kreditvergabe gemessen an einer individuellen Vorgabe hoch genug aus, dann ermäßigt sich der Zins für den Tender auf -0,40 %. Sie haben richtig gelesen: Minus(!) 0,40%. Damit soll den Banken ein Anreiz gegeben werden, auf jeden Fall an den vierjährigen Tendern der EZB zu partizipieren. Einzige Einschränkung: Für die Berechnung der Kreditvergabe der Banken werden Immobilienkredite nicht berücksichtigt. Auf diese Weise soll offenbar das Entstehen einer – kreditfinanzierten - Immobilienblase im Euroraum verhindert werden. Alle vier Tender können übrigens nach den Vorgaben der EZB ein Volumen von zusammen 1,7 Billionen Euro erreichen (30% der derzeit ausstehenden Kredite an private Nichtbanken unter Ausschluss der Kredite zur Immobilienfinanzierung). Eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaftsleistung Deutschlands im abgelaufenen Jahr bei 3 Bio. Euro lag. FREITAG, 18. MÄRZ 2016 Alte Börsenregel: „Bekämpfe nie die Zentralbank!“ Null- und Negativzinsen. Mehr Assetkäufe. Auch Unternehmensanleihen werden angekauft. Günstige Konditionen für Banken. Sonderregeln gegen Immobilienblasen. BITTE BEACHTEN SIE DEN DISCLAIMER UND WICHTIGE OFFENLEGUNGSTATBESTÄNDE IM ANHANG-1 CREDIT RESEARCH COVERED BONDS/FINANCIALS LBBW RESEARCH Burkerts Blick Kommentar des LBBW Chefvolkswirts Angesichts dieser Zahlen schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Es ist zu begrüßen, dass die EZB eine aktive Geldpolitik zur Bekämpfung von Deflations- und Konjunkturrisiken betreibt. Und als Bankvolkswirt sehe ich die Opportunitäten an den Kreditmärkten – für die Banken, aber auch für deren Kunden. Wann war Kredit schon so günstig wie heute? Andererseits sind auch die Risiken einer solchen Politik nicht gering zu veranschlagen. Damit meine ich eigentlich weniger die Inflation. Denn ungeachtet des seit einigen Jahren massiven Liquiditätszuflusses in das Bankensystem sehen wir bei den Konsumentenpreisen wenig bis gar keine Reaktion. Inflation findet sozusagen nicht statt. Wir führen das auf die vorhandenen Überkapazitäten und die insgesamt lang anhaltenden Folgen der Finanzkrise 2008/09 zurück, die zu einem Abbau der Verschuldung geführt hat, was sich wiederum in einer nur zögerlich wachsenden Gesamtnachfrage niederschlägt. Der starke Rückgang des Ölpreises seit Mitte 2014 hat ein Übriges getan und die Inflationsraten sogar unter die Null-Linie gedrückt, wenngleich wir erwarten, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Monaten wieder umkehren wird. Hingegen ist die EZB in einen Grenzbereich der Geldpolitik vorgedrungen. Sie verkündet die Ziele ihrer Politik und ergreift unterstützende Maßnahmen, aber das Verfahren scheint sich abzunutzen. Man sieht dies an der Marktreaktion: Ungeachtet der Massivität der Beschlüsse vom 10. März fiel die Reaktion an den Zins-, Devisen- und Aktienmärkten eher verhalten aus. Übrigens war es bei der vorletzten Lockerung am 10. Dezember ähnlich, auch hier haben die Märkte die Zinssenkung der EZB enttäuscht zur Kenntnis genommen. Dies sollte die EZB alarmieren, denn das könnte ein Zeichen nachlassender Glaubwürdigkeit sein. Die Märkte bezweifeln, dass es der EZB künftig gelingt, ihre Instrumente wirksam einzusetzen bzw. dass sie ihren heute verkündeten Kurs schon morgen ändern muss. Das Ende vom Lied wäre, dass sich die Marktteilnehmer entgegen der eingangs zitierten Börsenweisheit sogar dazu ermuntert fühlen, gegen die Notenbank zu spekulieren. Das Resultat wäre nicht mehr, sondern weniger Stabilität im Euroraum. Das birgt Gefahren, zumal die EZB nach wie vor die einzige wirklich funktionierende Institution auf der Ebene der Währungsunion ist. Gefordert sind jetzt die Mitgliedstaaten der EWU. Die EZB hat ihnen Zeit gekauft, allerdings haben sie einiges von dieser Zeit vertan. Ungeachtet aller konjunkturellen Fortschritte: In Frankreich fehlt die durchgreifende Reform am Arbeitsmarkt, Italien muss das Problem der faulen Kredite in den Bilanzen der Geschäftsbanken angehen. In Deutschland sehen wir eine gewisse Reformmüdigkeit, die sich rächen könnte, wenn die Exporterfolge ausbleiben sollten. Ziel aller Reformen muss es sein, dass in Europa wieder mehr investiert wird. In diesem Fall dürften auch die Deflationssorgen der EZB rasch verfliegen. Bleibt dies aus, könnte die Glaubwürdigkeit der EZB Schaden nehmen. Niemand kann das wollen. EZB-Politik - Gut oder schlecht? Risiko für die Glaubwürdigkeit der EZB. Im Grenzbereich der Geldpolitik. Märkte zweifeln zunehmend an der EZB. Jetzt sind die Mitgliedsstaaten gefordert! Anhang 1: Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Postfach 1253, 53002 Bonn / Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt. 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