Herr, wann hab ich dich besucht? Kranke besuchen

Herr, wann hab ich
dich besucht?
Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden
Selig die Barmherzigen, denn sie verändern diese Welt
Zweimal kommt in der „Gerichtsrede“ des Matthäusevangeliums
(Mt 25, 31-46) der Dienst des
„Besuchens“ vor: „Ich war krank,
und ihr habt mich besucht; ich war
im Gefängnis, und ihr seid zu mir
gekommen.“
Während Kranke vielfach aus
Mitgefühl, aus Anteilnahme oder
weil es sich einfach so gehört,
besucht
werden,
bekommen
Menschen, die eine Haftstrafe
verbüßen, sehr oft kaum oder gar
keinen Besuch. Man will an ihnen
nicht anstreifen, nicht mit ihnen in
Verbindung gebracht werden.
Außerdem sind sie an ihrem
Schicksal ja selber schuld. Und
dennoch verbindet Kranke, vor
allem, wenn sie schwer erkrankt
sind, und Häftlinge etwas: die Be-suchen. Für Angehörige und Freunde, aber auch für die
Hilflosigkeit derer, die auf Besuch Kranken selber gibt es manche Hürden, einander heilsam zu
begegnen und sich zu finden.
kommen (sollten).
Suchen und sehen. In „besuchen“ steckt das
Wort „suchen“. Ich suche nach dem/der anderen, ich möchte herausfinden, wie es um
sie/ihn steht, was ihn/sie bewegt. Im griechischen Urtext der Bibel steht für „besuchen“ das
Wort „episkeptomai“, was so viel wie sehen,
hinsehen bedeutet; ähnlich auch das Lateinische „visitare“.
Begegnen. Die Bibel berichtet uns nicht nur
davon, dass Jesus „viele Kranke geheilt“ hat; sie
zeigt uns auch wie er das tat: Er wandte sich
den Betroffenen ganz zu, sah ihre Sehnsucht,
ihr Leid und ihre Hoffnung; so geschah und geschieht „heilende Begegnung“ – mit dem Taubstummen (Mk 7,31-37), der lang leidenden Frau
(Mt 9,18-22) oder auch mit dem Oberzöllner
Zachäus (Lk 19,1-10) und der Sünderin zu seinen Füßen (Lk 7,36-50).
Gottesnähe. Wer Kranke besucht, taucht in
die Nähe Gottes ein. Er selbst, so eine jüdische
Vorstellung, sitzt am Bett des/der Kranken, in
ihr/ihm begegnet er mir, schaut mich an.
Kranke besuchen
Wer im Krankenhaus liegt oder zu Hause längere Zeit krank ist, freut sich in der Regel über
Besuche. Dennoch sollte man, wenn man nicht zu den engsten Angehörigen oder Freunden
zählt, nachfragen, ob und wann ein Besuch erwünscht ist.
Oft ist es die eigene Unsicherheit, die davon abhält, Menschen die (ernsthaft) krank sind
bzw. gerade Schweres durchmachen, zu besuchen. Da hilft es, sich vorzustellen, ob es einem
selber helfen bzw. Freude bereiten würde, wenn Besuch käme ...
Jeder Besuch drückt aus, dass einem der/die Aufgesuchte nicht gleichgültig ist. Man sollte
sich daher – aber ohne zu drängen! – auf ein Gespräch über die Sorgen und das Kranksein
einlassen. Man sollte sich aber unbedingt vor schnellen Tröstungen und Versprechungen (das
wird schon wieder etc.) hüten. Oft wünschen sich Kranke, auch ein Stück Alltag von zu Hause, auch Heiteres, erzählt zu bekommen, freilich nicht als „billigen“ Themenwechsel. Und:
Zeit lassen ist wichtig; es muss nicht immer geredet werden; auch miteinander Schweigen
kann wohltuend sein.
Der Fastentipp
Das Gebet
Welche kranken Menschen warten auf
deinen Besuch oder würden sich über deinen Besuch freuen?
Barmherziger Gott, Dein Sohn Jesus
Christus hat kranke Menschen geheilt. Er
hat Stumme wieder zum Reden gebracht.
Gelähmte, die von ihrer Angst blockiert
waren, konnten wieder gehen. Und Blinde,
die ihre Augen vor sich selbst verschlossen
hatten, bekamen den Mut, ihrer Wahrheit
ins Auge zu sehen.
Du hast uns den Geist Deines Sohnes geschenkt. Befähige uns, in der Kraft dieses
Geistes die Kranken zu besuchen und
ihnen etwas von Deinem heilenden Geist
zu vermitteln, damit sie sich in ihrer
Krankheit heil und ganz fühlen. Gib uns
den Mut, im Kranken einen Spiegel für unsere eigenen kranken Stellen zu sehen. Und
heile nicht nur die Kranken, die wir besuchen, sondern auch uns, die wir in irgendeiner Weise auch krank und beschädigt
sind. Darum bitten wir durch Christus unsern Herrn. Amen.
P. Anselm Grün OSB
Wenn du deine letzten Krankenbesuche
betrachtest: Hast du wirklich auf den/die
Kranke/n geschaut und gespürt, wie es
ihm/ihr geht und was er/sie braucht? Oder
hast du dich in Floskeln geflüchtet, um der
Wahrheit des/der Kranken und auch deiner
eigenen Wahrheit auszuweichen.
Bevor du diese Woche einen Kranken
besuchst, meditiere ihn zuerst. Stelle dir
vor, wie es ihm geht und wonach er sich
sehnt! Und segne ihn, bevor du in sein
Zimmer trittst. Vielleicht bringst du dann
nicht nur Segen, sondern empfängst auch
vom Kranken Segen.