Kath Sonntagsblatt Nr 9_2016

Leib und Seele 35
Sonntagsblatt
Ruhepol Kirche (3): Stillsein vor Gott
HILFREICH
»Setze dich nur hin und
erlaube dir ein Nichttun«
Mut zum Aufbruch
gehalten werden und ist behutsam einzuüben. Die Einübung
des Ruhegebets etwa, eine Gebetsweise des Mönchsvaters
Johannes Cassian, kann eine
große Hilfe im Alltag sein, die
Gegenwart Gottes heilsam zu
erfahren (vgl. auch »Hilfreich«,
www.ruhegebet.com).
In religiöser Hinsicht bedeutet still sein, die Sinne ganz auf
Gott zu richten. »Lausche, mein
Sohn«, so beginnt der heilige
Benedikt seine Ordensregel.
Das Herz soll gleichsam offene
Ohren bekommen, damit es
Gott wahrnehmen kann, der in
der Stille des Herzens wohnt. Es
ist also keine Totenstille, der
sich der Mensch im Schweigen
aussetzt, sondern eine Chance,
mit Gott in lebendigen Dialog
zu treten. Dabei geht es mehr
um das kurze Anrufen Gottes
und das Hinhören auf ihn als
um das eigene Reden, Bitten
und Wünschen.
»Das Wort Ruhe ist sehr vielschichtig«, gibt Bruder Paulus
Terwitte zu bedenken und verweist auf das bekannte Wort des
heiligen Augustinus: »Unruhig
ist unser Herz bis es ruht in dir.«
Viele Menschen sind mit der
Ruhe überfordert und brauchen
einen sinnlichen Ruhepol, etwa
indem sie Gott in der Monstranz anschauen dürfen. »Jede
Form bei Christus zu ruhen,
ihm im Gebet zu Füßen zu sitzen wie Maria und all diese kontemplativen Elemente sind
wichtig«, versichert der Frankfurter Kapuziner. In jeder Beziehung bedarf es solcher »inniger
Zeiten des Beieinanderseins.
Das Schweigen, weil man sich
so gut ist und keine Worte dafür
hat, gehört dazu«.
Die stille Anbetung des Allerheiligsten als Gottesdienstform
ist in den Pfarreien eher im
Schwinden. Dabei genügten einige wenige Gemeindemitglieder, die diesen Wunsch äußern,
um ein solches Angebot neu zu
beleben, meint Bruder Paulus.
»Ich tue gern die Hostie in zerbrochener Form in die Monstranz. So ist das Zerbrechen des
Herrn für uns alle in der eucharistischen Anbetung festgehalten. In diesem Moment seiner
Hingabe an mich darf ich mich
neu bergen.«
Wir brauchen immer wieder
Zeiten und Orte, die für das Loslassen vor Gott und das Sich-Zuwenden zu ihm geeignet sind.
Niemand sollte sich jedoch bei
der Anbetung oder einer Meditationsform unter Erwartungsdruck setzen. Es bleibt nicht aus,
dass alle möglichen Gedanken,
Vorstellungen, Bilder, Ideen in
die Stille einströmen. Der heilige Franz von Sales rät zur Gelassenheit: »Wenn dein Herz
wandert oder leidet, bring’ es
behutsam an seinen Platz zurück und versetze es sanft in die
Gegenwart deines Gottes. Und
selbst, wenn du nichts getan
hast in deinem ganzen Leben
außer dein Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obwohl es jedes Mal wieder
fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein
Leben wohl erfüllt.«
In der Stille und Zurückgezogenheit des Winters tut sich
doch etwas. Es ist keine tote
Zeit. Tief in der Erde reift ein
Keim, der aufbrechen und ans
Licht kommen will, um uns zu
nähren. Wer sich immer wieder
»in Ruhe lässt« und darin Gott
anvertraut, gibt der Seele Nahrung und lässt sie aufatmen.
Beate-Maria Link
Lesen Sie nächste Woche:
Sonntag – der Ruhetag
LESETIPP
Peter Dyckhoff: Bete ruhig, Hinführung zum Ruhegebet, Media
Maria Verlag, Illertissen 2016,
14,95 Euro.
Barmherzigkeitsabend
Ein Barmherzigkeitsabend findet
am 12. März um 19 Uhr in St. Joseph, Sindelfingen (Liebenzeller
Str. 44) statt. Nach dem Vorabendgottesdienst um 18 Uhr besteht
die Möglichkeit zur persönlichen
Beichte, zur eucharistischen Anbe-
Foto: KNA
N
och liegt winterliche Stille über dem
Land, und es tut
sich scheinbar
nicht viel. Das lädt
geradezu ein, in dieser Zeit auf
Ostern hin statt nach außen
noch einmal nach innen zu gehen. Wer zuhause zu viel Unruhe und Ablenkung erlebt, ist
gut beraten, die Ruhe einer Kirche aufzusuchen, um in sich
hineinzuhören und seinen inneren Seelenraum zu betreten.
Hier wohnt die Sehnsucht und
hier öffnet sich ein Raum, in
dem wir nichts tun müssen,
sondern empfangen dürfen.
In der Stille geschieht Entscheidendes. Hätte etwa der Engel bei Maria eintreten und sie
ansprechen können (Lk 1,26–
38), wenn sie sich in einer heute
üblichen Geschäftigkeit verloren
hätte? Als Orte der Ruhe, wo
eine Begegnung mit uns selbst
und mit Gott stattfinden kann,
stehen unsere Kirchen zur Verfügung. Die Anwesenheit des
Herrn im Tabernakel garantiert,
dass wir uns hier nicht selbst
ausgeliefert sind oder etwa einer
inneren Leere. Wir finden hier
nicht nur ein Gegenüber, sondern auch ein »Gott in uns«.
»Setze dich nur hin, schweige
und erlaube dir ein Nichttun,
sodass deine Seele ihren eigenen
Ursprung finden und berühren
kann. Das liebende Entgegenkommen Gottes wird in deiner
Seele neue Lebenskraft wecken
und ihr Frieden schenken. Doch
dazu musst du ihm Raum und
Zeit gewähren: Er möchte deine
Seele schweigend und befreit
von allen Hindernissen finden«,
so der Rat des spanischen Mystikers Miguel de Molinos (Peter
Dyckhoff: Finde den Weg).
Stille ist gerade für uns heutige Menschen eine Herausforderung, sind wir es doch gewohnt, ständig von außen
berieselt zu werden und uns
selbst mit medialen Angeboten
zuzuschütten. Daher kann absolute Ruhe nur zeitweise aus-
»Mut zum Aufbruch – Die eigene
Lebensmitte gestalten« ist das
Thema eines Besinnungswochenendes für Frauen und Männer zwischen 35 und 55, das vom 18. bis
20. März im Kloster Schöntal stattfindet. Impulse, Einzelbesinnung
und der Austausch in der Gruppe
können dabei helfen, die jetzige
Lebensphase bewusst zu gestalten – auch spirituell. Mit Dr. theol.
Gunther Bös, Personalleiter, und
Jens Göltenboth, Priester.
Kath. Erwachsenenbildung Hohenlohe, Tel. (0 79 43) 8 94-335, [email protected]
tung, zur Einzelsegnung oder zum
Mitsingen und Mitbeten. Es stehen
mehrere Priester zur Verfügung.
Der Abend wird musikalisch von
verschiedenen Gruppen gestaltet.
Ruhegebet einüben
Das Ruhegebet geht auf den
Mönchsvater Johannes Cassian zurück und ist eine einfache, frühchristliche Gebetsweise, die die
tiefe Sehnsucht des Menschen
nach Frieden und göttlicher Nähe
stillt. Gleichzeitig kann sie zu Veränderungen führen. Ein Kurs zur
Einführung in das Ruhegebet findet vom 22. bis 24. Juli in Hinterzarten statt. Leitung: Marie Christine Hartlieb, TAU-Apostolat der
Franziskus-Schwestern Krefeld,
Lehrende des Ruhegebetes.
Marie Christine Hartlieb, Tel.
(01 51) 20 44 05 28, [email protected]
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