Drs. 17/5327 - Niedersächsischer Landtag

Drucksache 17/5327
Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode
Änderungsantrag
(zu Drs. 17/3834 und 17/5295)
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 07.03.2016
Vertraulichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sicherstellen - Defizite erkennen
und beheben
Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/3834
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 17/5295
Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:
Entschließung
Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens sicherstellen - Compliance stärken - Pressefreiheit gewährleisten
Der Landtag stellt fest:
Die Vertraulichkeit des Ermittlungsverfahrens ist notwendig, um ein faires Verfahren sicherzustellen, die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten und Zeugen zu gewährleisten und den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Die notwendige Vertraulichkeit strafrechtlicher Ermittlungen steht in
einem demokratischen Rechtsstaat notwendigerweise in einem Spannungsverhältnis zur grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit und dem Informations- und Auskunftsanspruch der Medien.
Dies gilt insbesondere bei Verfahren gegen prominente Personen, bei denen im Regelfall ein hohes
öffentliches Interesse an einer Berichterstattung besteht. Wichtig ist in jedem Fall, ein faires Verfahren sicherzustellen und jegliche Form der Vorverurteilung oder politischer Instrumentalisierung zu
vermeiden.
Wiederholt ist es in den vergangenen Jahren zur Weitergabe von vertraulichen Informationen aus
Ermittlungsverfahren gekommen, ohne dass bisher aufgeklärt werden konnte, wer die Informationen jeweils weitergegeben hat. Auch wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wiederholt durch
die Oppositionsfraktionen im Niedersächsischen Landtag zum Gegenstand des politischen Schlagabtausches gemacht. Auch dies hat das Ansehen der niedersächsischen Justiz und das Vertrauen
der Bürgerinnen und Bürger in die niedersächsische Justiz gefährdet.
Compliance gewinnt in allen Bereichen staatlichen Handelns zunehmend an Bedeutung. Maßnahmen zur Stärkung von Compliance stärken das Vertrauen in staatliche Stellen insgesamt.
Der Landtag begrüßt vor diesem Hintergrund
1.
die intensiven Ermittlungen der niedersächsischen Staatsanwaltschaften zur Aufklärung der
Durchstechereien aus der niedersächsischen Justiz,
2.
die Einführung von Compliancestrukturen in der niedersächsischen Justiz im Rahmen eines
breit angelegten Projektes unter Beteiligung der justiziellen Praxis,
3.
die fortlaufende Überprüfung der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen der Informationsspeicherung in der niedersächsischen Justiz mit dem Ziel, mögliche Schwachstellen zu erkennen und zu beheben,
4.
die fortlaufende Überprüfung der Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der niedersächsischen Justiz.
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Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5327
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.
die begonnenen Maßnahmen fortzusetzen,
2.
auf Bundesebene eine Diskussion über Compliancemaßnahmen in der Justiz anzustoßen und
auf bundesweite Verbesserungen in diesem Bereich hinzuwirken.
Begründung:
Die Weitergabe vertraulicher Informationen aus jeglicher behördlicher Quelle ist zu Recht strafbar.
Sie ist geeignet, den betroffenen Personen schweren Schaden ihrer Reputation zuzufügen, die Unschuldsvermutung in den Augen der Öffentlichkeit zu gefährden sowie das Vertrauen in die Justiz
zu erschüttern. Gleichzeitig ist es in einem demokratischen Rechtsstaat unumgänglich, dass auch
die Justiz Pressearbeit macht und die Öffentlichkeit in angemessenem Maße mit Informationen
über ihre Arbeit versorgt. Dabei dürfen weder ein faires Verfahren noch die Unschuldsvermutung
beschädigt werden. Die Richtlinien für diese Pressearbeit müssen laufend überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Entsprechende Maßnahmen hat die niedersächsische Justizministerin
bereits im vergangenen Jahr eingeleitet.
Compliance, also die Einhaltung, Überwachung und regelmäßige Überprüfung geltender Regeln
und Leitlinien, wird in allen Bereichen staatlichen Handelns immer wichtiger. Es ist daher begrüßenswert, dass auch die niedersächsische Justiz sich intensiv mit diesem Thema befasst und dabei
die Einrichtung einer Stabstelle im Justizministerium und eines Compliancebeauftragten aus den
Reihen der Justiz diskutiert werden. Auch die Einrichtung einer anonymen Meldestelle für etwaige
Verstöße ist eine wichtige Maßnahme. Dabei bleibt der Fokus nicht auf die Verhinderung von
Durchstechereien beschränkt. Der Ansatz umfasst vielmehr alle Maßnahmen zur Stärkung der Integrität, des Vertrauens und des positiven (Selbst-)Bildes der Justiz. Besonders herauszuheben ist
weiter, dass die relevanten Themen und Verbesserungsvorschläge gemeinsam mit der Praxis der
Justiz entwickelt werden. So kann die dort vorhandene Kompetenz genutzt und eine Compliancekultur entwickelt werden, die von innen entsteht und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Justiz getragen wird.
Die niedersächsische Justiz ist mit dem Thema bundesweit führend. Entsprechende Debatten und
Maßnahmen dürfen aber nicht auf Niedersachsen beschränkt bleiben. Auch in anderen Ländern
und im Bund gab es Verstöße gegen die Vertraulichkeit von Ermittlungsverfahren. Daher ist Niedersachsen gefordert, eine bundesweite Debatte anzustoßen und die bereits getroffenen Maßnahmen in diese Debatte einzubringen.
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Für die Fraktion der SPD
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Johanne Modder
Fraktionsvorsitzende
Helge Limburg
Parlamentarischer Geschäftsführer
(Ausgegeben am 08.03.2016)