Positionspapier Keine Bargeldobergrenze

Düsseldorf, 8. März 2016
Datenschutz stärken, Freiheit wahren –
Bargeldzahlungen erhalten
–
Positionspapier der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW
Bargeld ist in Deutschland unverändert die am häufigsten genutzte Zahlungsform. Dies gilt sowohl für den Anteil am Zahlungsvolumen (53 Prozent) als auch an der Zahl der Transaktionen (79
Prozent). Bargeld ermöglicht bessere Ausgabenkontrolle, ist barrierefrei einzusetzen und auch in
Krisensituationen sicher. Wohl auch deshalb ist das Nutzungsverhalten der deutschen Bevölkerung konservativer als in vielen anderen Ländern. Die Pläne von Bundesfinanzminister Dr.
Schäuble und der Großen Koalition in Berlin, Bargeldzahlungen oberhalb der Grenze von 5.000
Euro zu verbieten, leisten keine Abhilfe gegen Korruption, Steuerbetrug oder Geld-wäsche.
Sie sind vielmehr ein bedrohlicher Angriff auf den Datenschutz und ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger der Bundes-republik Deutschland. Als
GRÜNE im Landtag NRW lehnen wir die Einführung einer Bargeldobergrenze ab.
Kontrollfantasien Einhalt gebieten – Bargeld ist gelebter Datenschutz
Die Datensammelwut von Banken, Versicherungen und Unternehmen ist eine der größten Gefahren für den Datenschutz. Die Rechte selbstbestimmter Verbrauche-rinnen und Verbraucher werden durch undurchsichtige AGB, Scoringverfahren und Datenhandel viel zu oft untergraben. Wir
fordern auf allen Ebenen rechtliche Grundlagen zur Eindämmung des Datenhandels.
Die Verbraucherzentralen sind wichtige Verbündete, wenn es gilt, rechtsstaatliche Grundprinzipien zu verteidigen und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben durchzusetzen. Doch trotz
vieler Beratungsangebote und Musterklagen sind selbst aufgeklärte und technikaffine Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert und wissen bei Vertragsunterzeichnungen und der Nutzung von Dienstleistungen und Produkten nicht, ob ihre Daten sicher sind, welche Informationen
überhaupt erhoben, gespeichert und wie diese weiterverarbeitet und vor allem auch wieder gelöscht werden.
Derzeit und absehbar gibt es für Verbraucherinnen und Verbraucher nur sehr ein-geschränkte
Möglichkeiten, sicher und anonym bargeldlose Transaktionen durch-zuführen. Unter anonymen
Bezahlsystemen im Internet werden hier Zahlungsdienste verstanden, bei denen Verbraucherinnen und Verbraucher für einen Zahlungsvorgang an keiner Stelle persönliche, Bank- oder Kreditkartendaten angeben müssen. Diese Dienste begrüßen wir aus Datenschutzgesichtspunkten
grundsätzlich. Verbraucherinnen und Verbraucher haben – wie im stationären Handel – ein legitimes Interesse daran, online einkaufen zu können, ohne dass personenbezogene Daten festgehalten werden. Das nun in Gang gesetzte Ansinnen, Geldgeschäfte künftig komplett bargeldlos
zu gestalten, läuft auf eine weitere anlasslose Vorratsdaten-speicherung hinaus. So sollen Daten
angehäuft werden, die entweder durchrastert oder bei Bedarf retrograd durchforstet werden
könnten. Solch ein Vorgehen verstößt gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit und bürdet
unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern eine weitere staatliche Durchleuchtung auf, die insgesamt grund-rechtlich höchst problematisch ist.
Eine Begrenzung von Bargeldzahlungen würde allein den Interessen von Dienst-leistungsunternehmen und Teilen der Wirtschaft zugutekommen, aber keinesfalls den Interessen des Verbraucherschutzes. Nur die freie Nutzung von Bargeld ist ei-ne mit Blick auf den Datenschutz unbedenkliche Zahlungsart. Der Verlust der Anonymität von Bargeldzahlungen wäre hingegen ein weiterer Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und würde das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüt-tern. Völlig zu Recht sagt deshalb der oberste Verbraucherschützer Deutschlands
Klaus Müller: „Bargeldnutzung ist gelebter Datenschutz.“
Bargeldobergrenze ist unwirksam gegen Kriminalität und Terrorismus
Nach den Terrorangriffen in Paris 2015 gab es erhebliche Forderungen nach mehr innerer Sicherheit und verstärkter Überwachung.
Doch gerade aus den Erkenntnissen über Vorbereitung und Vorgehen der Terroristinnen und Terroristen wissen wir, dass zur Finanzierung von Terroranschlägen weitaus kleinere Beträge ausreichen als die derzeit diskutierte Bargeldobergrenze. Das bestätigen erfahrene Kriminalisten.
Zudem sind nachweislich Finanzierungskonzepte des Terrors bekannt, die schon heute ganz und
gar ohne Bargeldtransaktionen auskommen. Warum Terroristinnen und Terroristen, die ohnehin
den eigenen Tod in Kauf nehmen, von der Nutzung einer Kreditkarte absehen und auf Bargeldnutzung besonderen Wert legen sollten, erschließt sich nicht.
Der an der Johannes-Kepler-Universität in Linz lehrende Professor der Ökonomie, Dr. Friedrich
Schneider, bezeichnet Bargeldbegrenzungen und -verbote als „Scheinlösungen“ im Kampf gegen
die Kriminalität. Er belegt dies mit seinen gründlich erforschten Zahlen zum Thema „Schattenwirtschaft“, wonach eine Bargeldobergrenze von 5.000 Euro diese Schattenwirtschaft nur um ein
Prozent reduzieren würde und sogar ein totales Bargeldverbot lediglich zwei bis drei Prozent
weniger Schattenwirtschaft bedeuten würde. Eindeutig steht hierzu der damit einhergehen-de
Eingriff in die Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte sowie in die Privatsphäre der Bürgerinnen
und Bürger in keinem Verhältnis.
2
Wie auch die diskutierte Abschaffung des 500-Euro-Scheins durch die Europäische Zentralbank,
sind somit auch die aktuellen Überlegungen, europaweit eine Obergrenze für Bargeldzahlungen
einzuführen, um Verbrechen Einhalt zu gebieten, nichts anderes als Symbolpolitik ohne Wirkung.
Die Freiheitsrechte der Menschen in Europa würde sie aber deutlich einschränken.
Bargeldbegrenzungen in Europa – Rutschbahn nach unten
Ließe man sich auf die Forderung einer Bargeldobergrenze ein, würde sie kein En-de bei 5.000
Euro finden. In Italien liegt sie derzeit schon bei nur mehr 3.000 Euro, in Frankreich gar nur noch
bei 1.000 Euro.
Letztendlich liefe es mit den Argumenten der Befürworter einer Obergrenze auf eine Abschaffung
des Bargelds insgesamt hinaus. Denn nach dieser Logik gäbe es mit dem endgültigen Aus des
Bargeldes dann auch keine Schwarzarbeit, Geldwäsche oder Terrorangriffe mehr. Nicht mehr in
bar zahlen zu können, könnte aber dazu führen, dass Banken sogenannte „Negativzinsen“ auf die
bei ihnen eingelegten Geldanlagen anrechnen. Und die Eigentümer könnten sich durch Bargeldabhebung nicht dagegen wehren.
Steuerhinterziehung und Geldwäsche bekämpfen – Finanzverwaltung stärken
Die Polizei wird zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Geldwäsche nahezu jährlich mit neuen Aufgaben und Befugnissen ausgestattet. Bereits heute zählt etwa die Geldwäschebekämpfung zu einem der am weitesten in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifenden hoheitlichen Tätigkeitsgebiet. Die Befugnisse von Finanzverwaltung und Strafverfolgungsbehörden sind sehr weitreichend und der entsprechende Instrumentenkasten wird regelmäßig eingesetzt.
Als GRÜNE im Landtag NRW stehen wir zu diesen notwendigen Schritten und wollen unsere Finanzverwaltung stärken und mit zusätzlichen Stellen ausstatten.
Bargeld als letzter Ausweg in Krisensituationen
Bargeld als Zahlungsmittel ist in Krisensituationen sicher. So schlossen viele Supermärkte in
Nordholland bei einem flächendeckenden Stromausfall im Frühjahr 2015 aus Sicherheitsgründen,
weil die (elektronischen) Kassensysteme nicht mehr funktionierten. Beim Hurrikane „Sandy“ wurden aufgrund der zu erwartenden Stromausfälle an der Ostküste der Vereinigten Staaten von
Amerika die Bargeldreserven aufgestockt, damit Bürgerinnen und Bürger sich bevorraten konnten.
Nach dem Zusammenbruch des Investmentbank Lehman Brothers kam es zu einem regelrechten
Ansturm auf Bargeld. All dies zeigt, dass für einen Großteil der Bevölkerung gerade in Krisenzeiten
das Sprichwort gilt: „Bares ist Wahres“.
3
Grundrechtliche Bedenken ernst nehmen, Bargeldobergrenze ablehnen
Rechtlich wäre die Bargeldobergrenze ein schwerer Eingriff in das grundgesetzlich geschützte
Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, aus der ja auch die informationelle Selbstbestimmung abgeleitet ist. Dieser Eingriff würde damit die Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1
Grundgesetz erheblich berühren.
Eine gesetzliche Bargeldobergrenze und der Zwang, auf elektronische Zahlungs-mittel zurückzugreifen, würden einen „kräftigen Schritt hin zur weiteren Reglementierung, Erfassung und verdachtslosen Registrierung“ bedeuten, so der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts
Professor Dr. Hans-Jürgen Papier. Er stellt fest: „Unsere Verfassung schützt die Vertragsfreiheit
und die Privatautonomie der Bürger. Sie bestimmen daher grundsätzlich selbst, wie sie im Rechtsverkehr ihre Leistungen erbringen, also etwa durch Bargeldzahlungen.“ Die Abschaffung des Bargelds käme also einem Ende unseres Vertrauens in die marktwirtschaftliche Grundordnung gleich.
Der Bundesfinanzminister Dr. Schäuble bezeichnete Mitte Februar 2016 die entstandene Debatte
als großes Missverständnis. Sie sei womöglich dem Karnevals-treiben im gleichen Monat entsprungen, da – wie er es ausdrückte – niemand daran denke, das Bargeld abzuschaffen oder den
Besitz von Bargeld zu beschränken. Von Letzterem, also den Besitz zu beschränken, war auch
noch nirgends die Rede. Allerdings ist nach dieser Erwähnung also auch hier größte Vorsicht geboten. Spätestens seit dem Beschluss der EU-Finanzministerkonferenz vom 12. Februar 2016 ist
aus den Äußerungen eine politisch ernstzunehmende Initiative erwachsen.
Wir GRÜNE im Landtag NRW sprechen uns klar für die Bewahrung der Freiheit und des Selbstbestimmungsrechtes sowie des Datenschutzes und des Rechtes auf freie Wahl der Zahlungsmittel
aus und lehnen die Einführung einer Obergrenze für Bargeldzahlungen ab.
4