Hörbehinderter konzertiert mit Starsängerin

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Hörbehinderter konzertiert
mit Starsängerin
Kaum zu glauben, dass jemand mit einer Hörbehinderung mit der
weltberühmten Starsängerin Noemi Nadelmann konzertieren kann.
Stephan Jäggi macht genau das. Zuletzt nach Mitte Januar zum
fünften Male in der Kirche Ifenthal-Hauenstein.
Und die Konzertbesucher auch. Die
freuen sich sogar, wenn nicht immer
alles wie am Schnürchen läuft.
Auf einem Konzertausschnitt,
den Sie mir schickten, gab es ja
offenbar Standing Ovations …
Das ist so. Die Leute sind völlig aus
dem Häuschen. Sie lieben Noemi.
Und sie mögen es, wenn wir zusammen auftreten. Mir selber gab Noemi
viel Schub. Auch sie hat grosse Freude, mit mir zu singen.
Stephan Jäggi, Sie sind kein
ausgebildeter Musiker und singen
trotzdem mit einer Welt-Opern­
sängerin?
Ja, das ist ungewöhnlich. Das hat sich
aus einer Begegnung heraus ergeben.
Es war 2003. Ich war in Mümliswil in
einem Konzert bei Noemi Nadelmann. Spoerry dirigierte. Nach dem
Konzert redete ich mit Noemi Nadelmann und fragte sie einfach, ob sie
nicht einmal zu uns in die Kirche
Ifenthal-Hauenstein kommen möchte. Ich organisiere dort immer wieder
Konzerte. Sie sagte ganz spontan zu
und kam dann auch im Jahr darauf.
Tönt wie ein Märchen.
Nicht wahr? Es war toll, dass sie Ja
sagte. Ich habe jedoch sie und ihren
Pianisten André Desponds bezahlt.
Die Kirche umfasst rund 220 Plätze.
Jetzt war sie zum fünften Male da. Jedes Mal ist dies ein Fest, aber auch
eine Gaudi.
Sie sind ehemaliger Lehrer, seit 15
Jahren hörbehindert mit Hochtonverlust, haben seit 2003 ein Hörgerät und singen auf hohem Niveau.
Ich habe mich zuerst auch etwas geschämt, dachte nicht, dass ich die
Stimme hätte, um mit Noemi zu singen. Aber sie war begeistert. Sie hat mir
das schlechte Gefühl genommen. Irgendetwas hat sich jedoch auch verändert, seitdem ich ein Hörgerät trage.
Mit dem Hörgerät konnte ich zum ersten Mal in meinen Kopf hineinhören
und die Obertöne hören. So ging dann
alles viel besser. Gesangsmässig habe
ich sehr davon profitiert, in der Sprache hingegen weniger.
Probt ihr vor dem Konzert
zusammen?
Da Noemi ja viel unterwegs ist, fehlt
die Zeit. Eine Probe muss reichen.
Natürlich passieren darum auch ab
und zu ungeplante Kleinigkeiten …
Aber Noemi nimmt das sportlich.
Sie sind ein Naturtalent.
Ich denke, jedes Talent entfaltet sich
erst zur vollen Grösse, wenn es mit
Herz ausgeführt wird. Ansonsten
bleibt es seelenlos und mechanisch.
Das ist unser Erfolgsrezept. Herzlose,
seelenlose Tätigkeiten, vor allem Musik, berühren die Seele der Menschen
nicht. Unser Konzert ist nicht perfekt, aber die Besucher spüren, dass
wir nicht nur Noten in reiner Klangform singen. Unsere Musik lebt von
innen heraus, tönt deshalb manchmal
vielleicht auch etwas falsch für technisch Hörende, die aber nicht zu uns
kommen ...
Übrigens: Auch Roger Federer spielt
mit Herz und er berührt. Darum ist er
der grosse Champion. Djokovic hingegen spielt technisch super, aber etwas herzlos und bleibt daher weit hinter Roger zurück. Er berührt nicht, ist
weitgehend gefühllos und nur ge­
winnorientiert. Es ist das Herz, das
den Unterschied ausmacht.
Interview: Karin Huber
dezibel 1/2016
Stephan Jäggi mit Starsängerin Noemi Nadelmann.
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