Glosse für algerische Germanisten und Deutschlehrer ERINNERUNGEN EINES DEUTSCHLEHRERS Von: Drioua Abdelkader „Warum verteidigst du denn diese Amal?“ hat mich neulich meine Frau, die mich am Telefon immer heimlich zuhörte, wütend gefragt. Sie, meine frau meine ich, kennt meine Kollegin Amal, eine algerische Deutschlehrerein nur vom geheimen Handyspionieren, obwohl sich die beiden vielleicht eines Tages in einer Großstadt Algeriens begegnet haben könnten. Meine Frau hatte eigentlich dasselbe Gymnasium besucht, in dem meine Kollegin Amal viel später als Deutschlehrerin gearbeitet hat. Das weiß sie aber nicht. Kurz gesagt, beide lebten in derselben Stadt zu der gleichen Zeit. Eine echte KGB-Agentin habe ich zu Hause. KGB ? Was macht denn das hier? Das ist gar nicht interkulturell! Bitte, bleiben wir in der deutsch-algerischen Kultur. Lassen wir die Russen in Ruhe. Eine echte Stasi-Agentin. Jetzt klingelt es der deutschen Kultur näher! Bitte, “Doktor Unrat“, um Gottes Willen ,nicht Gestapo-Agentin! Das ist alles, was du von der deutschen Geschichte in deinem engen Kopf behalten hast. Ich will meine Leser, die gebildeten algerischen Germanisten, nicht in diesem düsteren Labyrinth führen. „Das kann ich dir nicht erzählen“, antwortete ich meiner Frau ohne meinen Kopf von meiner Tastatur zu heben. „Das wird mehrere Glossen brauchen. Bitte, lass mich in Ruhe. Das ist eine sehr alte Geschichte.“ Erwiderte ich rasch. „Sieht Du! Was heißt das, Glossen? Du schreibst ihr Briefe! Ich bin nicht dumm!! Jetzt machst du dich wieder verdächtig. Ich warne dich, vor den Gerüchten!“ brüllte meine Frau vor Wut. Sie hat Recht, meine Frau. Man verteidigt eine Person nicht bloß deswegen, weil seiner Frau jene Person zufällig in derselben Stadt hätte begegnen können. Oder weil die dasselbe Parfüm seiner Frau benutzt. Ich wurde plötzlich ganz melancholisch. Meine Frau hat vergrabene, alte Erinnerungen wiedererweckt. Ich spreche von Erinnerungen „Doktor Unrat“, bitte schön, nicht von Dämonen. Ich besann mich an meinen ersten Tagen als erster algerischer Deutschlehrer in einer Mittelschule in Oran, die bis heute unverändert geblieben ist, CEM Abdelmoumen. Als ich nach vielen Jahren in diesem Stadtviertel zurückkehrte, um Ersatzteile für meinen alten Käfer zu besorgen, kam ich an die alte Schule vorbei. Sie stand immer da unter den vielen neuen Geschäften für Automobilersatzteile. Ich hatte Tränen in den Augen. Ich besaß tatsächlich einen Käfer! Das erwähne ich nicht der Interkulturalitätshalber. Ein Deutschlehrer ohne Käfer, würde nicht im ernst genommen bei uns damals in Algerien. Herr Dalache, mein Deutschlehrer in der Oberprima, hatte auch einen Volkswagen-Käfer. Einen blauen. Meine beiden Freunde, die ersten Deutschlehrer in Mostaganem, Dady und Youcef nannten meinen weißen Käfer „ Panzer“. Das haben sie mir später verraten. Die meisten, ersten algerischen Germanisten und Deutschlehrer in Westalgerien haben diese bescheidene, aber schöne Mittelschule entweder besucht oder da ihr Praktikum als zukünftige PEM bei mir durchgeführt. In meinem ersten Jahr als Praktikumslehrer hospitierte bei mir die erste Deutschlehrergruppe von ITE-Maraval . Ein lehrerbildendes Institut. Ich war damals noch sehr jung. Und die Praktikanten noch viel Jünger, fast Mädchen und Jungen. Ich sah noch die kleine Amal bei ihrer ersten Versuchslektion. Die stand vor der Tafel am Katheder, wie ein Dirigent, Kopf hoch und starrte die Klasse, genauso wie sie heute “Doktor Unrat“ in die Augen starrt. DRIOUA Abdelkader Journalist und Germanist
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