Das Modell Sporschill als Lösung? 10 Cent Nächstenliebe – für ein bettel-armes Vorarlberg Pater Georg Sporschill auf seiner ProjektHomepage www.elijah.ro: „Es geht um zwei Fragen: Nehmen sie das an, halten wir das aus?“ Kurt Greussing Sie klangen himmlisch rein und klar, sie waren wunderbar: die Laguzzen mit ihrem Benefiz-Vokalkonzert in der Mehrerauer Klosterkirche. Sie sangen am 1. Advent für Pater Georg Sporschill und sein rumänisches Projekt Elijah. Auch ich war gerührt. Die Vorarlberger Bettler-Debatte schlug ja hohe Wellen, und da war es gut, wenn ein weitum bekannter Geistlicher wie Pater Sporschill den Bettlern zur Seite eilte. Der Pater erzählte in seiner Ansprache von der Bereicherung seines Lebens durch die Roma, von ihrer Armut, von der Liebe ebenso wie von der Strenge, die sie bräuchten. Und von der Botschaft, die er dem anwesenden Landeshauptmann mitgeben wolle: dass kein Rom hierzulande betteln brauche, sondern es in Rumänien ja Hilfsprojekte gebe. Folglich sei dem Bettelvolk die Heimreise zu empfehlen. Nur eines empfahl der Pater dem Landeshauptmann und den Konzertbesuchern nicht: das Menschenrecht auf Betteln zu beherzigen und die Armen nicht zu schikanieren. Dabei steht doch im 3. Buch Mose unmissverständlich: „Wenn ein Fremdling bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.“ Und im 5. Buch heißt es: „Wenn du auf deinem Acker geerntet und eine Garbe vergessen hast auf dem Acker, so sollst du nicht umkehren, dieselbe zu holen, sondern sie soll des Fremdlings, des Waisen und der Witwe sein, auf dass dich der HERR, dein Gott, segne in allen Werken deiner Hände.“ Nach dieser Ansprache Sporschills, bei der Elijah zum Trotz das Alte Testament keinerlei Rolle spielte, setzten die Laguzzen fort, die Kirche mit ihrem Wohlklang zu erfüllen. Und sicher wurde viel gespendet – so dass die Roma tunlichst in Rumänien bleiben. Wahrscheinlich erleichtert es den Geldfluss, wenn ein Bettel-Fachmann den Landes- und Gemeindepolitikern sowie den privaten Spendern den Abzug der Bettler ans christliche Herz legt – es sei ja eh „ein harter Kern von Straßen12 profis“ (ORF Vorarlberg, o2.12.2015). Ihre Vertreibung aus Vorarlberg könnte man folglich aus biblischer Perspektive als ein ähnlich gutes Werk betrachten wie die Vertreibung der Händler aus dem Tempel: In beiden Fällen trifft es Leute, die nur um des schnöden Mammons willen eine Lokalität bevölkern, die an sich viel edleren Zwecken geweiht ist. Grundrechte, Nächstenliebe und Marktwirtschaft Grundrechte und Nächstenliebe haben eines gemeinsam: Sie finden vorzugsweise dann statt, wenn sich niemand von ihrer Anwendung gestört fühlt. Wie ernst es mit ihnen gemeint ist, zeigt sich erst bei Interessenkonflikten. Diese Konflikte gab es im vergangenen Jahr in allen Einkaufs zonen der Vorarlberger Städte: bettelnde Roma, deren Anblick und gelegentliches Verhalten das Einkaufen zu einem höchstens vom Dritt-Welt-Urlaub bekannten Erlebnis machten. Einige Stadtvertreterinnen, meist von den Grünen, und die grüne Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli haben die wenig dankbare Aufgabe übernommen, in dieser Situation das zu tun, was auch Pater Sporschill hätte tun können: unmissverständlich klarzumachen, dass Betteln ein Menschenrecht ist und dass dieses Menschenrecht auch nicht durch trickreiche Interpretationen von Gesetzen ausgehebelt werden darf. Es war erstaunlich, mit welcher Phantasie tüchtige Juristen den § 7 des Vorarlberger Landessicherheitsgesetzes zu dehnen und zu drehen vermochten, dass es in den Fugen des Rechtsstaats nur so knirschte und krachte. Schlechthin verbieten ließ sich das Betteln ja nicht – Grundrecht! Aber: gemeinsame Anreise von drei oder mehr Personen, gleichartiges Bettelverhalten (auch stilles!), Aufteilen des Ertrages – alles ein Beweis für verbotenes organisiertes Betteln, wie aus der Beantwortung einer Anfrage von Nina Tomaselli durch Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler hervorging. Ansprechen der angebettelten Person, ausgestreckte Hand, Geräusch mit dem Bettelbecher – alles ein Beweis für verbotenes aggressives Betteln, wenn es die Behörde im Einzelfall so entscheidet. Man darf sich zu Recht vor so viel juristischer Definitionskunst fürchten, wenn man als normaler Staatsbürger einmal selbst auf den Schutz durch GrundKultur März 2016 rechte angewiesen sein sollte. Ja, Bettlerinnen wie Bettler können lästig sein, aufdringlich, frech, auf unsichere Menschen möglicherweise auch bedrohlich wirken. Aufdringlichkeiten, die die Grenzen des Zumutbaren überschreiten (sie sind von der Werbung weit gezogen), hat es gegeben. Ich persönlich kann ein Lied von den bettelnden Roma singen, denn ich wohne genau eine Gehminute vom Dornbirner Bahnhof entfernt und bin ein passionierter Nutzer von Bus und Bahn (geworden). Und das Lied, das ich singen kann, handelt von allem Möglichen, nur nicht von aggressivem Betteln: Wer geben will, der gibt. Wer nicht geben will, lässt’s bleiben. So regelt sich das ganz von selbst. It’s the economy, stupid! In diesem Sinne sind bettelnde Roma die wahren Helden des Neoliberalismus: Sie erschließen höchst flexibel und einsatzfreudig neue Märkte, reagieren sensibel auf Schwankungen der Konjunktur (des Gebens), würden sich, wie unsere Gastwirte, gegen das Ausstellen von Kassabons entschieden wehren, machen mit lästiger Werbung auf sich aufmerksam, bringen das Angebot (an Mitleid) und die Nachfrage (nach Gaben) in ein immer wieder neues, mithin dynamisches Gleichgewicht. Das heißt: Wenn man ihnen nichts gäbe, gäbe es sie nicht. So sind sie aber da. Und sie tun etwas, was klar erkennbar den Gesetzen des Marktes folgt. Was spricht denn dagegen, diesen Markt, wie jeden anderen Markt auch, anständig zu regeln und ihn im Übrigen in Ruhe zu lassen? Retour nach Rumänien? 5000 Euro versprach die Bürgermeisterin der Stadt Dornbirn für die Rumänienhilfe. Und Pater Sporschill vermutete nicht zu Unrecht, vielleicht tue „man sich dann auch weniger schwer, die Leute zurückzuschicken“ (ORF Vorarlberg, 30.10.2015). Jedenfalls war ein gutes Gewissen noch nie so billig zu haben: nämlich schon für 10 Cent pro Dornbirner Kopf und Nase. Doch was erwartet die potenziellen Rückkehrer in Rumänien? Ein Arbeitsplatz sicher nicht. Aber vielleicht ein Platz in einem Sporschill-Projekt? Wenn, dann ist es ein unsicherer. Denn Sporschill betreibt in Rumänien nicht nur ein Hilfs-, sondern auch ein Selbsterfahrungsprojekt. Sein Ehrgeiz, so vertraute er den „Vorarlberger Nachrichten“ (13.10.2014) an, und der seiner Ko-Projektleiterin Ruth Zenkert sei es, „mit der Roma-Bevölkerung zusammenzuleben. … es geht um zwei Fragen: Nehmen sie das an, halten wir das aus? Heute kann ich immerhin schon sagen, dass wir in den drei Dörfern (Hosman, Nou, Tichindeal) viele Freunde gefunden haben. Einige von ihnen würden mit uns durch Dick und Dünn gehen.“ Ein derartiges Vorhaben kann natürlich, nicht anders als beispielsweise die Dick-und-Dünn-Veranstaltung Ehe, schon einmal schiefgehen. „Wir sind angetreten, um ein Experiment zu machen. Und bei einem Experiment weiß man nie, was zum Schluss herauskommt.“ Die Aufnahmekapazität eines solchen Experimentierprojekts dürfte beschränkt sein. Dies umso mehr, als Georg Sporschill und Ruth Zenkert mit größeren Projekten keine guten Erfahrungen gemacht haben. Beide schieden 2011 im Unfrieden aus ihrem Drei-Staaten-Projekt (Rumänien, Moldawien, Bulgarien) „Concordia“ aus, in welchem weit über 14 tausend verwahrloste Kinder versorgt und rund 5000 alte Menschen in Suppenküchen verpflegt worden waren. Einer der Hauptsponsoren von „Concordia“, der Industrielle Hans Peter Haselsteiner, hatte auf ein starkes Finanz-Controlling gedrängt. „Dass das für Ruth Zenkert gewöhnungsbedürftig ist, ist keine Frage“, sagte er der „Presse“ (19.08.2011). Für Ruth Zenkert ein Zusammenstoß der Kulturen: „Da prallen zwei Welten aufeinander – ein Familienbetrieb, der sehr groß geworden ist, und ein Konzerndenken.“ Vergleicht man heute Elijah (www.elijah.ro) und Concordia (www.concordia.or.at), so sticht der Unterschied schmerzhaft ins Auge: Während Concordia für 2013 und 2014 mit detaillierten Finanz- und Tätigkeitsberichten aufwartet, die das Projektvolumen, die geleisteten Arbeiten und die erreichten Nutznießer/innen der Aktivitäten darlegen, findet man auf den Elijah-Webseiten nichts Ähnliches – hingegen viel herz erwärmende Prosa, die den potenziellen Spendern das Spenden leichtmachen und sie die Frage vergessen lassen soll, wie groß denn der gesamte Spendentopf und die Zahl der erreichten Menschen sei. Sporschills Engagement in Ehren: Ohne Leute wie ihn würde es viele karitative Projekte und konkrete Hilfen vor Ort nicht geben. Seine Motive mögen beispielgebend sein – wobei man einen kräftigen Schuss altruistischen Narzissmus gerne hinnehmen darf, wenn der sich zum Wohle anderer wendet. Doch seinen Ratschlag an den Vorarlberger Landeshauptmann, die Roma hätten das Betteln in Vorarlberg nicht nötig und könnten auch in Rumänien überwintern (ORF Vorarlberg, 30.10.2015), kann er mit seinen eigenen Projekten jedenfalls nicht einlösen. Das Großprojekt „Concordia“ musste er aufgeben, und mit seinen kleindimensionierten Dorfprojekten scheint er, den eigenen Berichten zufolge, mehr als ausgelastet. Die Anwerbung freiwilliger Mitarbeiter, im Sommer 2013 noch ein gern gespieltes Thema in den „VN“, ist zum Erliegen gekommen. Wo wollte man da an die 200 weitere Armutswanderer unterbringen? – von den rumänischen Bettlerinnen und Bettlern aus anderen Bundesländern ganz zu schweigen. Sporschills Charisma und Enthusiasmus bestimmen auch die Grenzen seines Modells. Es ist nicht reproduzierbar und damit meilenweit entfernt von einer einigermaßen flächendeckenden Linderung des rumänischen Roma-Problems. Das Modell Sporschill ist keine Lösung – es ist einfach Spor� schill. Kultur März 2016
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