Schule und Beratung - Bayerisches Staatsministerium für Ernährung

Bayerisches Staatsministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
1-2/2016
Fachinformationen aus der
Landwirt­schafts­verwaltung
in Bayern
SCHULE
und
BERATUNG
→→ Korruptionsvorsorge als Steuerungsinstrument
→→ Souveräner Umgang mit Widersprüchen
→→ Let´s go for a farm walk
→→ Bayerische Eiweißinitiative – eine Zwischenbilanz
im UN-Jahr der Hülsenfrüchte
INHALT
KORRUPTIONSPRÄVENTION
MILCH
BILDUNG
GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG
GRÜNLAND
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
BIENEN
LEGUMINOSEN
28
32
34
36
37
BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung
Gut ernährt ins Leben
Gesund und fit bei Demenz
Geschmackerinnerungen und die Bedeutung des Essens im Alter
Länger gesund und selbstständig im Alter – Fachtagung gibt Impulse für gesundheitsförderliche
Angebote in Kommunen
38
46
48
50
Harnschäden auf einer Kurzrasenweide
Futterqualität für Pferde
Großer Beutegreifer und Herdenschutz
Was kommt beim Auspuff wirklich raus? TFZ misst Real-Emissionen von Biokraftstoff-Traktoren
51 Let´s go for a farm walk
56 Blick von außen auf die Landwirtschaftsberatung in Bayern
59 Konventionelle oder ökologische Imkerei
62 Imkern in der Schülerfirma
64 Bayerische Eiweißinitiative – eine Zwischenbilanz im UN-Jahr der Hülsenfrüchte
66 Verleihung der Jahressonderpreise für innovative Ideen 2011 – 2014
67 Leguminosenanbau in Bayern
MILCH
BILDUNG
GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG
21 Souveräner Umgang mit Widersprüchen
25 Neuer Lehrplan an der FAK
27 Im Spanungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen: Kongress und Aktionstag an TS in Kaufbeuren
GRÜNLAND
Betriebliche Entwicklung ohne Quote
Ernährungswirtschaftliche Ausfuhren Bayerns nach Russland
GQS-Bayern: Neue Version ist online
Akzeptanz der Nutztierhaltung
Neues zur Kälber- und Jungviehaufzucht
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
10
14
16
17
20
Korruptionsvorsorge als Steuerungsinstrument
Beim Zuschauen lernen – Videos erklären das Mitarbeiterportal
Korruptionsvorsorge hautnah
Telefonkonferenzen: zeitgemäß kommunizieren
BIENEN
4
6
7
9
LEGUMINOSEN
KORRUPTIONSPRÄVENTION
INHALT
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Korruptionsvorsorge als
Steuerungsinstrument
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Korruption schadet der Gesellschaft und untergräbt das Vertrauen
von HELMUT HARAN: Schlagzeilen wie „Das zerstörte Sommermärchen“ (1) bezüglich der
Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 zeigen, wie sehr mögliche Korruptionsfälle das
Vertrauen in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse zerstören können. Für die Verwaltung
ist es deshalb von besonderer Bedeutung, Maßnahmen zur Korruptionsprävention zu ergreifen, um mögliche Schäden gegenüber dem Staat zu verhindern, aber auch um das Vertrauen
des Bürgers in staatliche Entscheidungsprozesse zu sichern. Überall, wo Korruption herrscht,
funktioniert keine Marktwirtschaft. Die Bayerische Staatsregierung hat aus diesem Grund
2004 eine Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen
Verwaltung erlassen. Diese sieht vor, dass jedes Ressort mindestens eine Organisationseinheit
mit der Aufgabe der Innenrevision für besonders korruptionsgefährdete Bereiche des Ressorts betrauen soll. Für den gesamten Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nimmt diese Aufgabe zentral die Stabsstelle Interner
Revisionsdienst/ Prüfbehörde wahr.
Das Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamts
weist für 2014 einen monetären Schaden durch Korruption
von rund 358 Mio. Euro aus. Diese Summe betrifft allerdings
nur polizeilich bekannt gewordene Fälle. Die Dunkelziffer
dürfte weitaus höher liegen. Bei der Art der Vorteile steht an
erster Stelle die Erlangung von Aufträgen und an zweiter
Stelle die Erlangung behördlicher Genehmigungen (2), also
Bereiche, die in den land- und forstwirtschaftlichen Verwaltungen eine große Rolle spielen (siehe Abbildung 1).
Die Innenrevision stellt jährlich einen Prüfungs- und Arbeitsplan auf, der dem Amtschef zur Billigung vorgelegt
wird. Gemäß dem Prüfungsplan werden bei allen Behörden
des StMELF in regelmäßigen Abständen Prüfungen der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption
durchgeführt. Hierbei werden insbesondere folgende wichtige Bereiche der Korruptionsvorsorge betrachtet:
→→ Einstufung der Dienstposten in korruptionsgefährdete Bereiche
→→ Personelle Maßnahmen
→→ Transparente Aktenführung
→→ Einhaltung der Dienst- und Fachaufsicht
→→ Beschaffung und Vergabe
→→ Sponsoring
Unterschiedliche Gefährdung der Dienstposten
Die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung Korruptionsbekämp-
4
51,4%
64,9%
Erlangung von Aufträgen
Erlangung behördlicher
Genehmigungen
Bezahlung fingierter /
gefälschter Rechnungen
sonstige Wettbewerbsvorteile
15,9%
7,4%
11,9%
0,5%
5,9%
5,1%
Beeinflussung der
Strafverfolgung
3,9%
3,7%
Erlangung interner
Informationen
3,4%
2,7%
Gebührenersparnis
1,8%
2,5%
Aufenthalts- /
Arbeiserlaubnisse
0,9%
1,1%
2014
Sonstiges
4,9%
9,1%
2013
Quelle: Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Korruption 2014, Seiten 8, 11
→ Abbildung: Vorteile durch Korruption
SUB 1-2/2016
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Beschäftigte sensibilisieren
Aufgabe der Verwaltungen ist es, die Mitarbeiter für einen
offenen Umgang gegenüber korruptiver Handlungen zu
sensibilisieren. Offene Gespräche und regelmäßige Aufklärungen der Mitarbeiter führen dazu, möglicher Bereitschaft
zur Korruption die Grundlage zu entziehen. Auf der Internetseite des Staatsministeriums des Innern (www.stmi.bayern.de/min/korruptionspraevention/index.php) wird ein
Verhaltenskodex gegen Korruption als Muster zur Verfügung gestellt. Es wird empfohlen, diesen Kodex in den Behörden auch zu verwenden. In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen sind die Beschäftigten regelmäßig zu
sensibilisieren.
Den Mitarbeitern sollte die Möglichkeit gegeben werden, regelmäßig an Aus- und Fortbildungen zum Thema
Korruptionsbekämpfung teilzunehmen. Eine gute Möglichkeit stellt hierbei das E-Learning Programm der Bayerischen Staatsregierung dar. Im Bildungsportal (www.baylern.de) werden zwei elektronische Schulungen zum
Thema Korruption (Korruption für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Korruptionsprävention für Führungskräfte) angeboten. Nach Abschluss der elektronischen
Schulung (Dauer ca. 1 Stunde) kann eine Teilnahmebestätigung ausgedruckt werden.
Bei Dienstposten mit einer systematischen Korruptionsgefahr sieht die Korruptionsrichtlinie eine Personalrotation
nach spätestens sieben Jahren vor. Aus dringenden dienstlichen Gründen kann auch eine längere Verwendungszeit
eingeräumt werden. Hierzu sind aber dann verstärkte Ausgleichsmaßnahmen wie eine verstärkte Dienst- und Fachaufsicht notwendig. Auch ein Mehraugenprinzip hat sich in
diesen Fällen bewährt. Während im Förderungsbereich ein
Mehraugenprinzip durchgehend installiert ist, gibt es im
Bereich Hoheitsvollzug (Genehmigungen und Stellungnahmen) zum Teil noch Nachbesserungsbedarf.
Transparente Aktenführung
Um eine mögliche Korruption im Vorfeld zu unterbinden,
ist eine transparente Aktenführung notwendig. Die einzel-
SUB 1-2/2016
nen Bearbeitungsschritte müssen für einen Dritten dauerhaft nachvollziehbar sein. In der Allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaats Bayern gibt es hierzu genaue Angaben.
Einhaltung der Dienst- und Fachaufsicht
In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen ist eine
verstärkte Dienst- und Fachaufsicht notwendig, um gegenüber den Mitarbeitern, aber auch gegenüber Außenstehenden zu zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass korruptes Verhalten aufgedeckt wird, sehr hoch ist. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass korruptes Verhalten oftmals erst
dann auftritt, wenn kein internes Kontrollsystem installiert
ist. Eine Dienst- und Fachaufsicht ist kein Misstrauensprinzip, sondern soll in erster Linie dem Schutz der Mitarbeiter
dienen.
Beschaffung und Vergabe besonders gefährdet
Insbesondere die Bereiche Beschaffung und Vergabe stellen für unsere Verwaltungen eine besondere Herausforderung dar. Die strikte Einhaltung der Vergabevorschriften
wird von der Korruptionsrichtlinie gefordert. Für Behörden,
Infobox: Korruptionsprävention im
Geschäftsbereich des StMELF
Aufgaben und Ziele der Innenrevision:
•
Verhüten und gegebenenfalls Aufdecken von Korruption
•
Unterstützung der Aufsichtsfunktion der Vorgesetzten
•
Planmäßige Prüfungen und Anlassprüfungen
•
Analyse von Schwachstellen
•
Unterbreitung von Vorschlägen zur Behebung festgestellter Mängel
•
Mitwirkung bei Schulungen
Zum 1. Januar 2014 wurde Helmut Haran zum Ansprechpartner für den Geschäftsbereich des StMELF bestellt. Seine Aufgaben sind:
• Erteilen von Auskünften in Fällen von versuchter
Manipulation und Einflussnahme oder bei aufkommenden Verdachtsmomenten;
• Analyse von Schwachstellen in der dienstbetrieblichen
Organisation;
• Vorschlag geeigneter Präventionsmaßnahmen, laufende
Überprüfung und Anpassung bestehender Maßnahmen;
• Sensibilisierung der Beschäftigten für die Korruptionsproblematik.
5
KORRUPTIONSPRÄVENTION
fungsrichtlinie (KorruR) (3) sieht zur Korruptionsprävention
und -bekämpfung verschiedene personelle und organisatorische Maßnahmen vor, die in der Regel daran anknüpfen, ob ein Dienstposten bzw. eine Funktion korruptionsgefährdet oder besonders korruptionsgefährdet ist. Die
Behördenleitung stuft jeden Dienstposten entsprechend
der Richtlinie in nicht korruptionsgefährdet, korruptionsgefährdet und besonders korruptionsgefährdet ein. Diese
Einstufung wird vom Internen Revisionsdienst bewertet
und diskutiert.
KORRUPTIONSPRÄVENTION
KORRUPTIONSPRÄVENTION
die nur sehr selten im Rahmen der Beschaffung von Vergabevorschriften berührt sind, sind die komplexen Vorgaben
oftmals schwer einzuhalten. Da aber gerade in diesem Bereich das Korruptionsrisiko am höchsten ist, führt an einer
korrekten Vergabe kein Weg vorbei. Die Zentralen Vergabestellen für Beschaffung an der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an
der Landesanstalt für Landwirtschaft können die Dienststellen bei der Durchführung von Beschaffungen fachkundig beraten oder öffentliche Vergaben auch selbst durchführen. Auch bei freihändigen Vergaben ist ein ordnungsgemäßer Vergabevermerk zu führen und eine korrekte
Leistungsbeschreibung zu erstellen.
Im Bereich der Förderung legt die EU-Kommission verstärktes Augenmerk auf eine ordnungsgemäße Auftragsvergabe, zum Teil mit empfindlichen Kürzungen bei der
Förderung, falls Abweichungen bei der Einhaltung der Vergabevorschriften festgestellt werden. Aus diesem Grund
muss auch in der eigenen Verwaltung eine ordnungsgemäße Vergabe eine sehr hohe Priorität haben.
Richtlinie regelt Sponsoring
Die Korruptionsrichtlinie verweist in ihren Bestimmungen im
Bereich Sponsoring und Werbung auf die Sponsoringrichtlinie (4). Demnach sind Sponsoringmaßnahmen durch einen
Sponsoringvertrag oder durch eine Dokumentation der
Sponsoringvereinbarungen aktenkundig zu machen. Alle
Leistungen über einen Wert von 1 000 Euro im Einzelfall sind
laufend zu erfassen. Eine jährliche Übersicht wird vom Staatsministerium angefordert.
Unterstützt wird Helmut Haran von den Innenrevisoren
Lorenz Erl, am Dienstsitz Abensberg und Friedrich Spatz, am
Dienstsitz Kitzingen. Sie schildern ihre Tätigkeit im nachfolgenden Artikel auf Seite 7
Literatur
(1) DER SPIEGEL, Nr. 43 / 17. Oktober 2015
(2) BUNDESKRIMINALAMT, Bundeslagebild Korruption 2014,
Seiten 8, 11
(3) Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in
der öffentlichen Verwaltung (Korruptionsbekämpfungsrichtlinie –KorruR), Bekanntmachung der Bayerischen
Staatsregierung vom 13. April 2004 Az.: BIII 2-515-238,
geändert durch Bekanntmachung vom 14. September
2010 (AII MBl S.243)
(4) Richtlinie zum Umgang mit Sponsoring, Werbung, Spenden
und mäzenatischen Schenkungen in der staatlichen
Verwaltung (Sponsoringrichtlinie – SponsR); Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 14. September 2010 Az.: B II 2-G24/10
HELMUT HARAN
BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
Beim Zuschauen lernen – Videos erklären das Mitarbeiterportal
Das Mitarbeiterportal (MAP) ist
Nachfolger des Intranets. Neu sind
ein personalisiertes Informationsangebot, die Volltextsuche, der
schnelle Zugriff auf standortspezifische Daten und vieles mehr. Wie
können Anwender diese Funktionen
nutzen? Videos geben Antwort.
„Heute hat keiner mehr Zeit ein dickes
Handbuch zu lesen“, bemerkt Olga Folz,
Behördenadministratorin an der FüAk.
„Lehrvideos erklären die einzelnen Anwendungen kürzer und verständlicher.“
Folz erstellt Videoanleitungen für das
MAP. Sie schreibt die Drehbücher, führt
die Aufnahmen sowie den Schnitt der
Bildschirmaktionen durch und spricht
die Tonspuren ein. Den Umgang mit der
dafür notwendigen Software „Camtasia“
6
lernte die Mitarbeiterin auf einer Schulung
im Staatsministerium. Das erste Ergebnis ist nun im MAP unter Tipps und Tricks
abrufbar: Ein Video, das die Erstellung
von Abos erklärt. Derzeit arbeitet Folz
an einem Film zum Mitteilungsarchiv.
dige Verfügbarkeit. Die Sachbearbeiter
schätzen die zeitliche Entlastung, da statt
einem Telefonat ein Klick dem Landwirt
Hilfe verspricht. Zumal mit den Videos
jeder in der eigenen Geschwindigkeit lernen und auch einmal zurückspulen kann.
Positive Resonanz auf Lehrvideos
Erste Erfahrungen mit Lehrvideos hat das
Fachzentrum Optimierter Fördervollzug
des AELF Bamberg in diesem Frühjahr
gesammelt. Dessen Videoanleitungen
erklären neue Funktionen im iBALIS. Mehr
als zehn Clips veröffentlichte das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten in seinem Videokanal auf Youtube.
Alleine die Anleitung „Feldstücke ändern
in der Feldstückskarte“ haben mehr als
17 500 Nutzer angeklickt. Die Benutzer
loben deren Anschaulichkeit und stän-
Weitere Kurzfilme in Planung
Aufgrund der guten Rückmeldung setzt
der Geschäftsbereich in Zukunft vermehrt
auf die Videos als Lehrmittel. Zunächst
werden diese vor allem bei der Anwendung des MAP zu finden sein. Lehrvideos
sind aber auch für andere Softwareprogramme angedacht. Anregungen für
Themen sind jederzeit willkommen!
Katharina Kappauf, AELF Straubing
Nadja Fischer, AELF Ansbach
Anika Wirsig, AELF Augsburg
SUB 1-2/2016
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Korruptionsvorsorge hautnah
von LORENZ ERL: Seit dem Jahr 2009 ziehen Friedrich Spatz und Lorenz Erl als Revisoren für
den Fachbereich Korruptionsprävention der Stabsstelle Interner Revisionsdienst/Prüfbehörde
(IRP) am Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch den
Freistaat. Ihr Auftrag besteht darin, im gesamten Geschäftsbereich den Selbstschutz der
Ämter, Institute, Anstalten und Einrichtungen vor Korruption zu überprüfen. Das Ziel dabei ist,
Korruption zu verhüten und gegebenenfalls aufzudecken, damit diese geahndet werden
kann. Lorenz Erl schildert in seinem Beitrag die Vorgehensweise und Erfahrungen.
Prüfer sind nicht immer die beliebtesten Besucher – um es
einmal dezent zu formulieren. Aber irgendwann ist wohl je­
der in der Situation, sein Aufgabenfeld, die persönliche Ar­
beitsweise samt sattelfester Fachkenntnis und den Verfah­
rensablauf in den jeweiligen Arbeitsbereichen vor fremden
Augen und Ohren darlegen zu müssen.
Wir Prüfer kennen diese Momente. Um unseren wich­
tigsten Eindruck vorweg zu nehmen: Die Grundeinstellung
zur ehrlichen und unbeeinflussbaren Arbeitsweise ist bei
den allermeisten Kolleginnen und Kollegen recht hoch –
egal ob sie Aufgaben im Bereich Landwirtschaft, Forst, Er­
nährung, Ländliche Entwicklung oder an übergeordneten
Stellen wahrnehmen. Dennoch wurden wir bislang bei al­
len geprüften Einheiten fündig. Nicht etwa, weil wir kon­
kretes und aktives Korruptionsverhalten von Beschäftigten
festgestellt hätten. Die diesbezüglichen Ermittlungen
müsste ohnehin die Staatsanwaltschaft führen. Wir stoßen
vielmehr allzu häufig auf Sachverhalte, bei denen die Kon­
trollmechanismen in den jeweiligen Verwaltungsabläufen
nicht ausreichend aktiviert werden.
Deshalb setzen wir bei unseren Prüfungen nicht nur die
Maßstäbe der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR)
an, sondern beziehen auch die Handhabung der für den
Verwaltungsablauf einschlägigen Gesetze und Vorgaben
mit ein.
Eindeutige Leistungsbeschreibung formulieren
Mitunter entsteht in dieser Fülle der anzuwendenden Vor­
schriften der Eindruck, dass der Zeit- und Aufgabendruck
der Mitarbeiter dabei einzelnen „Kunden“ unserer Verwal­
tung – den Geschäftspartnern bei Beschaffungen oder Bür­
gern in behördlichen Entscheidungsverfahren – einen un­
gerechtfertigten und wohl auch ungewollten Vorteil
bescheren kann. Dieser Zeit- und Aufgabendruck führt bis­
weilen dazu, dass wichtige Beschaffungsvorgaben nicht
SUB 1-2/2016
→ Friedrich Spatz (links) und Lorenz Erl kümmern sich als Revisoren, dass
in unserem Geschäftsbereich Korruption keine Chance hat
eingehalten, Angebote nicht korrekt verglichen und Ent­
scheidungen nicht hinreichend mit Sachargumenten be­
gründet sind. Und – auch davor wollen wir die Augen nicht
verschließen – bisweilen kommt diesen „Kunden“ dabei
das unzureichende Fachwissen von Beschäftigten für be­
sondere Aufgaben entgegen.
Das muss nicht zwangsläufig in aktive Bestechungsver­
suche münden, oft geht es „nur“ um „Erschleichung“ von
Aufträgen oder anderen Vorteilen. Unsere diesbezüglichen
Feststellungen bündeln sich dabei recht augenfällig im Be­
reich von Beschaffungen nach der Vergabe- und Vertrags­
ordnung für Leistungen (VOL) oder gar bei Bau- und Sanie­
rungsarbeiten nach den Bestimmungen der Vergabe- und
Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).
Beispiel gefällig? Die Natursteingartenmauer um das Fi­
lialgebäude einer Behörde war dringend sanierungsbe­
dürftig. Der Leiter der Amtsverwaltung war mit der Aus­
schreibung beauftragt worden, nachdem das Staatliche
7
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Innenansichten der Revisoren von der Stabsstelle Interner Revisionsdienst/Prüfbehörde
KORRUPTIONSPRÄVENTION
KORRUPTIONSPRÄVENTION
Bauamt hierfür keine Kapazität zur Verfügung stellen
konnte. Grundlage jeder Beschaffung nach VOL und VOB
ist eine präzise Leistungsbeschreibung, in der die geforder­
ten Kriterien und Leistungsmerkmale ausreichend festge­
legt sind. Bieterfirmen können nur anhand dieser definier­
ten Vorgaben gleichartige Angebote formulieren, und nur
so sind die Angebote vergleichbar. Der Verwaltungsstellen­
leiter aber bat nur drei regionale Baufirmen, sich die Gar­
tenmauer anzusehen und ein Angebot vorzulegen. Von
Seiten der Behörde wurde hierzu weder eine Leistungsbe­
schreibung gefertigt noch eine Präzisierung der durchzu­
führenden Arbeiten formuliert. Nur zwei Firmen legten
nach erfolgter Ortsbesichtigung ein Angebot vor. Firma A
hatte sich mit der Ausarbeitung sichtlich Mühe gegeben.
Neben Detailkosten für Baustelleneinrichtung, Verkehrssi­
cherung und Bauzaun führte sie auch die Kosten der jewei­
ligen Arbeitsschritte sowie die Menge und Preise der benö­
tigten Materialien auf. Ihrer Kalkulation zufolge musste die
Natursteinmauer vorsichtig abgetragen und mit sicheren
Fundamenten neu aufgebaut werden. Die Angebots­
summe belief sich somit auf 19 600 Euro. Firma B bezifferte
ihren Aufwand mit einer pauschalen Umschreibung der
durchzuführenden Arbeiten und ein paar fiktiven Arbeits­
stunden auf 6 800 Euro samt der telefonischen Zusiche­
rung, dass die Kosten maximal um 1 000 Euro steigen könn­
ten. Der Verwaltungsleiter erteilte den Auftrag an die Firma
B und unterließ es, einen Vertrag hierüber abzuschließen
oder die auszuführenden Arbeiten anderweitig zu präzisie­
ren.
Der weitere Verlauf ist symptomatisch. Letztlich über­
schritt Firma B ihr Angebot um mehr als das 3-fache und
war somit deutlich teurer als das seriöse Angebot von Firma
A. So entstand durch die Missachtung der Vorgaben aus
der VOB nicht nur der Staatskasse ein Nachteil. Auch ein se­
riöser Anbieter hatte hinter der „Schlitzohrigkeit“ des Kon­
kurrenten, der kritiklosen Leichtfertigkeit des Amtsverwal­
ters und wohl auch aufgrund mangelnder Dienst- und
Fachaufsicht des Vorgesetzten das Nachsehen. Ähnliche
Vergabefehler finden wir auch im Bereich der Beschaffung
etwa von Büromöbeln, Werkzeugen, Maschinen oder Aus­
rüstungsgegenständen. Auch hier liegt der wesentliche
Mangel zumeist darin, dass der zu beschaffende Gegen­
stand oder die Dienstleistung nicht eindeutig und präzise
in einer Leistungsbeschreibung definiert ist.
Laufzeit von Dienstleistungsverträgen festlegen
Nur zu oft laufen beispielsweise Reinigungsverträge weit
länger als mit Blick auf die verwaltungsinternen Vorgaben
vertretbar. Die von einer interministeriellen Arbeitsgruppe
entwickelten Handreichungen zur Vergabe von Dienstleis­
tungen aus dem Jahr 2008 etwa empfehlen eine Vertrags­
8
laufzeit von nicht mehr als fünf Jahren. Nach dem Grund­
satz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind
bestehende Verträge regelmäßig auf ihre Wirtschaftlich­
keit zu überprüfen, was durch Neuausschreibungen ge­
schieht. Vom weiteren Vorgehen mit Dokumentation der
Abläufe im Vergabevermerk entsprechend den Vorgaben
aus VOL und VOB samt Beachtung der Schwellenwerte so­
wie Berücksichtigung des Gesetzes gegen Wettbewerbs­
beschränkung (GWB) und der Verordnung über die Ver­
gabe öffentlicher Aufträge (VgV) ganz zu schweigen.
Dienststellenprüfung mit Beratungscharakter
Diese Fälle finden wir bei unseren Prüfungen nicht nur per
Zufall. Wir sind für unsere Arbeit mit einem uneinge­
schränkten Auskunfts- und Informationsrecht ausgestattet
und haben die Daten einer Dienststelle bereits analysiert,
wenn wir zur Prüfung erscheinen. Immer wieder weisen wir
dann die Sachbearbeiter im Vergabe- und Beschaffungs­
wesen darauf hin, wie wichtig zumindest grundlegende
Fortbildungsseminare für sie in ihrem Arbeitsbereich sind
– nicht zuletzt auch zu ihrem Selbstschutz. Im Regelfall
zieht sich so eine Prüfung über drei bis vier Tage vor Ort
hin. Für den Auftakt hat sich dabei eine Gesprächsrunde
mit den leitenden Beamten aus den verschiedenen Berei­
chen einer Behörde bewährt. Hier versuchen wir, die Ziel­
setzung der Prüfung zu vermitteln. Gleichzeitig wollen wir
anhand eines für die jeweilige Dienststelle vorbereiteten
Fragenkatalogs einen raschen Einblick in die Aufgaben und
Organisationsstruktur vor Ort erhalten. Erst danach begin­
nen wir mit der eigentlichen Prüfung. Dazu lassen wir uns
nicht nur die Unterlagen zu den bereits im Vorfeld ausge­
wählten Vorgängen und Beschaffungen vorlegen. Wir su­
chen das persönliche Gespräch mit den Sachbearbeiterin­
nen und Sachbearbeitern ebenso, wie wir uns die
Arbeitsabläufe in den Details zeigen und erläutern lassen.
Soweit an einer Dienststelle hoheitliche Aufgaben an­
fallen, nehmen wir natürlich auch hier Einblick. Maßge­
bend für das unbestechliche und vorurteilsfreie Handeln
einer Behörde ist nach unserer Überzeugung dabei die
nachvollziehbare Dokumentation der Entscheidungsab­
läufe und der sachlichen Gründe hierfür. Insofern kommt
der aussagefähigen Aktenführung eine besondere Bedeu­
tung zu. In den Unterlagen sollten neben dem Schriftver­
kehr beispielsweise sowohl die Protokolle zu einem Orts­
termin als auch Aktenvermerke zu Gesprächen mit
Betroffenen und weitere Informationen zu finden sein, die
zur behördlichen Entscheidung geführt haben. Wenn wir
dazu das Handzeichen samt Datum eines Vorgesetzten im
Vorgang finden, erkennen wir darin, dass Führungskräfte
nach dem Grundsatz des Mehraugenprinzips in den Ab­
lauf eingebunden sind. Wir legen unser Augenmerk auch
SUB 1-2/2016
darauf, ob die Behördenleitung im Wege der Dienst- und
Fachaufsicht dafür sorgt, dass die Entscheidungen des
Amtes in allen Gliederungen gleichartig strukturiert sind.
Dokumentationspflicht auch für die Revisoren
Natürlich reichen drei bis vier Tage vor Ort nicht aus, um
alle Unterlagen und Gespräche auszuwerten und zu analy­
sieren. Bevor wir aber ein Haus wieder verlassen, fassen wir
unsere Eindrücke und bisherigen Erkenntnisse in einem
Abschlussgespräch mit der Behördenleitung zusammen.
Uns ist sehr daran gelegen, die Prüfabläufe offen zu vermit­
teln und den Geprüften den Eindruck zu hinterlassen, dass
jeder Beteiligte über die ihn betreffenden Befunde infor­
miert ist. Nur so ist es unserer Überzeugung nach möglich,
als Interner Revisionsdienst die internen Abläufe in unserer
Verwaltung im Zusammenwirken mit der positiven Einstel­
lung der Geprüften zu optimieren. Später kommt dann der
Prüfbericht mit der Bitte um Stellungnahme ins Haus, so­
fern nicht noch nachträgliche Recherchen und Erhebun­
gen notwendig geworden sind.
Ein Grundsatz sollte dabei allen beteiligten Ebenen be­
wusst sein: Die Interne Revision will niemanden „anschwär­
zen“. Vielmehr soll sie eine Hilfestellung sowohl für die Lei­
tungsebenen als auch für die Mitarbeiter sein, um mal
einen anderen Blick auf die eigene Arbeit zu bekommen
und das hohe Ansehen sowie die Unbestechlichkeit der
Verwaltung und ihrer Mitarbeiter zu bewahren. Auch wenn
wir uns in diesem Sinne als Unterstützungsteam verstehen,
werden wir immer wieder vertraulich gefragt, wie gerne
wir denn bei den geprüften Institutionen gesehen werden.
„Wir werden immer sehr herzlich willkommen
geheißen und noch viel herzlicher wieder
verabschiedet“,
kann ich dazu nur sagen.
LORENZ ERL
BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
STABSSTELLE INTERNER REVISIONSDIENST –
BEREICH KORRUPTIONSPRÄVENTION –
AUSSENSTELLE AM AELF ABENSBERG
[email protected]
Telefonkonferenzen: zeitgemäß kommunizieren
Ist es noch zeitgemäß, für eine kurze
Dienstbesprechung viel Arbeitszeit für An- und Abfahrt zu opfern?
Seit Anfang September erprobt die
FüAk eine Freisprechanlage für Telefonkonferenzen, die erste Anlage
in der Landwirtschaftsverwaltung.
„Telefonkonferenzen sind ein zusätzli­
cher Baustein in der Kommunikation, der
uns das Leben leichter machen kann“,
so Dr. Neuhauser, Leiter der Abteilung
für Information und Kommunikations­
technik an der FüAk. Ziel sei, Reisezei­
ten und damit Kosten zu sparen. Die
beschlossene Behördenverlagerung
verleihe dem Thema Dynamik und
fordere die Mitarbeiter, mit der neuen
Technik offen umzugehen. „Die FüAk
wagt diesen Schritt Richtung moderner
Kommunikationstechnik. Sie ist damit
Vorreiterin für die gesamte Landwirt­
schaftsverwaltung“, sagt Neuhauser.
Funktionsweise
Um eine Telefonkonferenz zu planen,
SUB 1-2/2016
müssen zwei mit der Konferenzanlage
ausgestattete Räume gebucht wer­
den. An der FüAk geschieht dies über
den Outlook-Kalender. Die weiteren
Schritte funktionieren wie bei einem
gewöhnlichen Telefon: Zwei örtliche
getrennte Besprechungen werden zu­
sammengeschaltet. Dies geschieht,
indem ein Teilnehmer den anderen
mit dem Konferenztelefon anruft.
Wichtig: Gesprächsregeln einhalten
An einer Telefonkonferenz sollten ma­
ximal acht Teilnehmer pro Konferenz­
raum teilnehmen. Der Moderator muss
sich seiner Aufgaben bewusst sein und
aktiv führen. In einer Telefonkonferenz
ist es noch wichtiger als sonst, die Ge­
sprächsregeln einzuhalten. Auch sollte
die Dauer maximal 90 Minuten betragen,
um geistige Erschöpfung zu meiden.
Protokoll der Konferenz
Die sogenannte Remote-Funktion er­
möglicht es, zeitgleich zum Gespräch
ein Protokoll zu führen, das in beiden
Konferenzräumen sichtbar ist. Dadurch
unterscheidet sich der Ablauf zwischen
der bekannten Besprechung und einer
Telefonkonferenz nicht. In Zukunft wird
auch die Kombination von Bild und Ton
möglich sein. Das Ministerium und Au­
ßenstellen der LfL erproben dies derzeit.
Flächendeckender Einsatz
Ziel ist es, Telefonkonferenzen flächen­
deckend einzusetzen. Zwar eignet sich
diese Kommunikationsform nicht für je­
des Thema. Es ist nach Aussage von Dr.
Neuhauser ratsam, dass die Personen
sich vorab kennen. „Aber damit kommt
man dem persönlichen Gespräch ei­
nen weiteren Schritt näher“, sagt er.
Manuela Bier, AELF Ansbach
Martin Brunnhuber, AELF Mindelheim
Tobias Fegg, AELF Wertingen
Judith Schlosser, AELF Schwandorf
9
KORRUPTIONSPRÄVENTION
KORRUPTIONSPRÄVENTION
MILCH
Betriebliche Entwicklung
ohne Quote
MILCH
von DR. ALFRED ALBRECHT: Mit dem Ende der Milchquote und der Möglichkeit zur „uneingeschränkten“ Mehrproduktion erfolgte – auch mangels wirksamer Marktregulierung – ein
Überangebot mit preisdämpfender Funktion. Bei gutem Management und sinnvollem
Wachstum sind leistungsstarke Milcherzeuger auch künftig in der Lage, ihre Betriebe
erfolgreich weiterzuentwickeln. Steigende Herausforderungen an die Unternehmensführung sind dabei zu erwarten.
Vor allem wachstumsorientierte Betriebe wollen die Produktion steigern. Die von den Zuchtverbänden ermittelte
jährliche Leistungssteigerung (100 bis 200 kg Milch pro
Kuh) und der Umfang der Kuhaufstockung auf Grund des
zurückliegend positiven Marktumfeldes sind beeindruckend. Vorteilhaft ist bei der Leistungssteigerung der vorhandenen Kühe, dass keine zusätzliche Arbeitskapazität sowie Futterflächen benötigt werden und keine hohen Investitionskosten erforder­lich sind. Vorhandene Leistungsreserven zu mobilisieren und Kosten zu senken, sind sicher
große Herausforderungen, die gutes Management, Ausdauer und Zielstrebigkeit erfordern.
Aufstockung des Kuhbestandes
Die Aufstockung erfolgt im Rahmen des fortschreitenden
Strukturwandels meistens durch Erweiterung oder Neubau, wobei der Jungviehanteil möglicherweise reduziert
oder auf die eigene Nachzucht verzichtet wird. Alternativ
bietet sich in Einzelfällen die kostengünstige Umnutzung
„entbehrlicher“ Jungviehplätze für zusätzliche Kühe an.
Die Berücksichtigung der Premiumförderung (für artgerechte Tierhaltung) nach dem Einzelbetrieblichen Investitionsförderprogramm, Teil Agrarinvestitionsförderprogramm,
mit 35 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten für Stall,
Milchleistung (kg Milch / Kuh / Jahr*
ohne Güllelager (Nettobaukosten = 6 873 € / Kuhplatz) führt
zu einer beachtlichen Senkung des Kapitalbedarfs um 2 406
Euro für Bau und Technik für Melken und Fütterung pro Kuhplatz. Bei 8,26 Prozent Kapitalkosten (Abschreibung, Unterhalt, Versicherung, Zinsansatz) wird dadurch eine Kostensenkung um 199 Euro pro Kuhplatz und Jahr erreicht. Dies
entspricht 2,1 Cent pro kg Milch bei 9 500 kg und 2,7 Cent
pro kg Milch bei 7 500 kg, erhöhte bauliche Auflagen vorausgesetzt.
Die ermittelten Kenngrößen für die Rentabilität weisen bei Stallneubau eine leistungsabhängige er­hebliche
Spannweite auf, selbst bei unverändertem Michpreis. Die
Steigerung der Milchmenge er­
möglicht bei erhöhter
Grundfutterleistung, effektiverem leistungsorientierten
Kraftfuttereinsatz und Festkostensenkung eine beachtliche Gewinnsteigerung mit höherer Stallplatzverwertung
und bes­serer Arbeitseffizienz, aber auch eine Senkung
des kostendeckenden Milchpreises (siehe Tabelle 1). Selbst
bei dem aufgezeigten evtl. mittelfristig abgesenkten
Milchpreisniveau ist künftig davon auszugehen, dass bisher schon erfolgreiche Betriebe weiter wachsen, auch
wenn für das Tierwohl etwa 15 Prozent höhere Baukosten
(beispielsweise für Auslauf, Grundfutter, Fressplatz pro Tier)
anfallen.
7 500
Milchpreis (ct / kg Milch netto)
32
Gewinnbeitrag (€ / Kuh)
Gewinnbeitrag (ct / kg Milch)
Arbeitsertrag (€ / AKh)
Vollkostendeckung Milchpreis (ct / kg netto
**
8 500
9 500
36
32
36
32
36
417
747
678
1 052
877
1 296
5,6
10,0
8,0
12.4
9,2
13,6
6,23
13,56
11,83
20,15
15,98
25,29
36,78
36,78
33,52
33,52
31,57
31,57
Euro pro Stallplatz (nach KTBL) mit Premiumförderung (35 Prozent vom Nettowert für Stall + Technik, ohne Dung / Futterlager, s. u.)
*Kalkulation mit LfL – DB – Programm www.lfl.bayern.de/ilb (Deckungsbeiträge), 12 Monate, Fleckvieh, Ab­gangsquote 30 Prozent, 45 Akh / Kuh x 15 €
**Nettomilchpreis nach Reduzierung der Vollkosten um die Erlöse für Kalb, anteilige Schlachtkuh, Dungwert frei Feld
→ Tabelle 1: Rentabilität bei Stallneubau*
10
SUB 1-2/2016
MILCH
Milchleistung (kg Milch / Kuh / Jahr
8 500
9 500
Milchpreis (ct / kg Milch netto)
32
36
32
36
Gewinnbeitrag (€ / Kuh)
678
1 052
877
1 296
88
111
133
57
71
86
68
86
103
46
58
69
Notwendige Kuhzahl für einen Gewinnbeitrag von....
60 000 € Gewinnbeitrag
75 000 € Gewinnbeitrag
90 000 € Gewinnbeitrag
Größe des Kuhbestands
Die Zahl der notwendigen Kühe für die Erzielung eines bestimmten Gewinns hängt stark vom Milchpreisniveau und
Leistungsstand der Kühe ab (siehe Tabelle 2).
Entsprechend der notwendigen Kuhzahl ändern sich
die jeweiligen Faktoransprüche an Investitionskapital, Futterfläche und Arbeit. Bei derzeit durchschnittlich ca. 35 Kühen pro Betrieb in Bayern (Unterallgäu 46 Kühe) und 56 Kühen in der Bundesrepublik Deutschland ist ein „moderater‘‘
Strukturwandel zu erwarten, wenngleich 45 Prozent der
Kühe in der Bundesrepublik Deutschland bereits in Beständen mit über 100 Kühen gehalten werden.
Zielsetzung der Milchproduktion ist mittelfristig die Deckung der Vollkosten, die sich zusammenset­zen aus den
Kosten der Gewinn- und Verlustrechnung (Buchführung)
und den häufig unterschätz­ten kalkulatorischen Faktorkosten (Lohnanspruch 15 € / AKh, 2,5 Prozent Zinsansatz für
Investition und Umlaufkapital, Kosten für Eigen- bzw.
Pachtflächen). Erst ein darüber hinausgehender Milchpreis
ermöglicht einen Unternehmergewinn für die Abdeckung
von Risiko und Engagement des Betriebsleiters.
Der Gewinnbeitrag in Cent pro kg Milch steigt mit zunehmender Leistung deutlich an (siehe Tabelle 3). Insbesondere bei einem reduziertem Milchpreis (32 ct pro kg netto =
Milchleistung
Gewinnschwelle
(gerundet)
Gewinnbeitrag = 0
bei Milchpreis von ct / kg, netto
35,42 ct pro kg brutto) weist das Leistungsniveau mit 7 500
kg gegenüber 9 500 kg eine Gewinneinbuße von 40 Prozent (9,29 – 5,60 = 3,69 : 9,29 ct / kg Milch brutto) auf. Bei
einem höheren Milchpreis (36 ct / kg netto = 39,85 ct / kg
brutto) beträgt die Minderung 27 Prozent (13,72 – 10,03 =
3,69 : 13,72 ct / kg Milch brutto). Die Betroffenheit bei einer
Preissenkung ist somit bei geringerer Leistung deutlich höher. Der angestrebte Unternehmergewinn wird bei „niedriger“ Leistung nur durch einen überdurchschnittlichen
Milchpreis erreicht. Ein fehlender Unternehmergewinn
führt bei Vorgabe von Zinsanspruchs und Flächenkosten zu
einer unbefriedigende Stundenverwertung (unter 15 Euro).
Aufstockung mit oder ohne Nachzucht?
Fast regelmäßig werden neue Milchviehställe „traditionell“
mit einem umfangreichen Angebot an Jungviehplätzen für
die eigene Nachzucht gebaut. Deren „hoher Stellenwert“
bedarf objektiver Weise einer intensiven Prüfung ihrer
Zweckmäßigkeit, insbesondere bei künftig größeren Kuhbeständen.
Die zusätzlichen Faktoransprüche bei eigener Nachzucht können bei Durchführung einer größeren Stallbaumaßnahme die Grenzen der „Belastbarkeit“ sprengen (siehe
Tabelle 4). Die Jungviehaufzucht (mit Futterbau) wird des-
Gewinnbeitrag bei
Preis ct / kg brutto
35,42
39,85
Unternehmergewinnschwelle (gerundet)
Unternehmergewinn = 0
bei Milchpreis von ct / kg, netto
7 500 kg
26,1
5,60
10,03
36,8
8 500 kg
23,9
8,02
12,45
33,5
9 500 kg
24,3
9,29
13,72
31,6
* Basis: Tabelle 1, kalkuliert mit dem DB – Programm der LfL (www.lfl.bayern.de/ilb)
→ Tabelle 3: Rentabilitätsschwellen der Milchproduktion *
SUB 1-2/2016
11
MILCH
→ Tabelle 2: Bedarf an Kühen für vorgegebenen Gewinnbeitrag des Betriebes
MILCH
Kennwert
mit eigener
Nachzucht
19 Kalbinnen
Futterfläche (ha)
AKh*
Kapital (€,brutto)**
• Stall – Kühe
• Stall – Jungrinder
• Umlaufkapital***
65 Kühe
bei Kauf von
19 Jungkühen
Mehrbedarf
mit eigener
Nachzucht
28 Kalbinnen
30,3
9,1
57,7
39,4
95 Kühe
bei Kauf von
28 Jungkühen
44,4
Mehrbedarf
13,3
3 830
3 314
516
4 855
4 177
678
508 040
140 280
104 531
508 040
--16 131
--140 280
16 131
= 156 411
691 885
195 734
152 972
691 885
--23 772
--195 734
23 772
= 219 506
Stall und Futterbau, ohne Betriebsführung
bei Premiumförderung = 35 Prozent für Stall (mit Technik für Melken und Fütterung, ohne Güllelager) + Lager für Gülle und Silage, brutto
*** mit Grobfutter: Kühe (1 360 € / Kuh) bzw. Jungrinder 849 € / erz. Kalbin)
*
MILCH
** → Tabelle 4: Faktoransprüche für Kühe mit und ohne Nachzucht
halb fragwürdig, weil häufig mit dem aufgestockten Kuhbestand bereits die Arbeitskapazität weitgehend ausgeschöpft wird. Das zusätzliche Jungvieh kann auch zu einem
Engpass bei der Futterfläche zu vertretbaren Pachtpreisen
führen. Der für Jungvieh notwendige zusätzliche Kapitalbedarf für die Jungviehaufzucht wird häufig unterschätzt
und kann bei schwieri­
ger Spitzenfinanzierung an die
Grenze der mittelfristigen Kapitaldienstfähigkeit führen,
insbesonde­re bei „worst case“ – Annahme.
Insofern stellt sich die Frage, ob beim betrieblichen
Wachstum die notwendige Nachzucht teilweise oder vollständig durch Jungkuhzukauf oder vertraglich geregelter
Auslagerung auf einen geeigne­ten Partnerbetrieb (Pensionsviehbetrieb) ersetzt werden kann. Der Einkaufspreis für
Jungkühe (Zuchtwertklasse II) liegt mit 1 821 Euro netto
(Fleckvieh) erheblich unter den betriebseigenen Kosten
zwischen 2 393 und 2 576 Euro, selbst bei Ansatz von 265
Euro erwartetem Erlös pro Kalb (Markterlös abzüglich Aufzuchtkosten). Auch die Abgabe als Pensionsvieh an Aufzuchtbetriebe ist im Regelfall deutlich günstiger als die eigene Aufzucht.
Flächenbedarf bei Aufstockung
Wird der Viehbestand deutlich aufgestockt, so ist vorab der
Fläche für
Grundfutter (ha)**
erhöhte Flächenbedarf für Grundfutter und Dungausbringung zu prüfen, zumal der Mehrbedarf an Fläche nach der
DüVO gegenüber dem Grundfutterbedarf teilweise unterschätzt wird.
Der erhöhte Flächenbedarf durch die derzeit maßgebliche 170 kg N – Grenze (DüVO) gegenüber der Grundfutterfläche ist erheblich und kann mit der neuen DüVO verschärft werden (siehe Tabelle 5). Dies umso mehr, wenn die
knappe Grundfutterfläche durch Zukauf von Grundfutter
(beispielsweise Silomais) „außerbetrieblich erhöht“ wird.
Bei hohen Pachtpreisen kann die vertraglich geregelte Gülleabgabe eine zuverlässige und dauerhafte Entlastung bieten.
Anforderungen an betriebliches Wachstum
Das Ende der Milchquotenregelung bringt dem Betriebsleiter mehr unternehmerische Freiheit, wenngleich die Wahl
der künftig optimalen betrieblichen Strategie damit
schwieriger wird. Knappe Fläche und die Arbeitszeit werden zunehmend zu begrenzenden Faktoren für die betriebliche Entwicklung, weniger der kostengünstige Kreditmarkt. Mit dem Wachstum der Milchviehhaltung nehmen
auch die Anforderungen an eine praxisoriente Planung,
sachgerechte Durchführung der Investition und an das
Fläche für organ. Dünger (DüVO)
(ha)
Mehrbedarf
durch DüVO (ha)
65 Kühe
95 Kühe
65 Kühe
95 Kühe
65 Kühe
95 Kühe
Kühe mit Nachzucht
39,4
57,7
54
79
14,6
21,3
- Kühe ohne Nachzucht
30,3
44,4
44
64
13,7
19,6
*
** DüVO Anlage 5: Acker – Grünlandgebiet, 8 000 – 9 999 kg Milch/Kuh, 28 Mt. EKA, Abgangsquote 30 Prozent 170 kg N / ha Obergrenze
siehe Tabelle 4
→ Tabelle 5: Flächenbedarf für Grundfutter und Dungausbringung*
12
SUB 1-2/2016
optimale Management der größeren Herde deutlich zu.
Wesentlich sind dabei:
→→Neigungen und persönliche Fähigkeiten der
Betriebsführung müssen zur geplanten Maß­nahme
„passen“.
→→Bei Maschinen der Feldwirtschaft sowie durch
überbetrieblichen Einsatz beim Futtermischwagen
können Festkosten gesenkt werden.
→→Möglichst überdurchschnittliche Milchleistung
verbessert die Ausgangsbasis nach dem Grundsatz:
„Zuerst besser, dann größer“.
→→Das noch ungenutzte Ertragspotential bei der
Erhöhung von Milchleistung und Flächeneffizienz
sollte geprüft und sukzessive ausgeschöpft
werden.
→→Sonstige Kenndaten vom „oberen Viertel“ vergleichbarer Betriebe können als ZIEL-Größe dienen.
→→Der Kühe sind konsequent zu selektieren hinsichtlich Leistungsniveau, Fruchtbarkeit, Eutergesundheit (Keim und Zellzahlen), Melkbarkeit und
Fruchtbarkeit.
→→„Kostenführerschaft“ durch regelmäßige Betriebszweiganalyse ist Voraussetzung für maxi­mal
mögliche Rendite.
→→Technisierung, Auslagerung betrieblicher Arbeiten
(beispielsweise Futtermischwagen, Futterwirtschaft, teilweise Ackerbau, sonstige Ernte, Gülle­
ausbringung, Klauenpflege) unterstützen eine
nachhaltig vertretbare Arbeitsbelastung.
→→Der Stallbau für Kühe (mit Premiumförderung für
tiergerechte Haltung) hat Vorrang, weil damit
Investitionskapital, Futterfläche und Arbeit besser
verwertet ist als bei Jungvieh.
→→Das Risiko aufgrund innerbetrieblicher Faktoren
(beispielsweise Krankheit, Seuche, Futtermangel
u. a.) und außerbetrieblicher Kriterien (beispielsweise Molkerei, Marktentwicklung, Kosten für
Pachtflächen und Betriebsmittel) ist zu berück­
sichtigen.
→→Die Kapitaldienstfähigkeit ist korrekt zu ermitteln
und zu prüfen, auch bei fallweise ungünstiger
Rentabilitätslage (worst case).
→→Eine frühzeitige und umfassende Betriebsplanung
ist günstig in folgenden Bereichen: Rentabilität,
Stabilität und Liquidität, Baurecht, Agrarförderung,
Umwelt, Steuern.
→→Die Besichtigung vergleichbarer, bereits realisierter
Stallbauten und eingehende Diskussion mit deren
Betriebsleiterfamilie schafft Transparenz.
SUB 1-2/2016
Ausblick
Der Erfolg in der Milchviehhaltung wird künftig entscheidend von den Produktionskosten und dem Management
bestimmt. Unabhängig davon besitzt die Entwicklung vom
Milchpreis und der Wett­bewerbsfähigkeit der eigenen Molkerei einen überragenden Stellenwert. Bedeutsam sind
auch Preiszuschläge für Qualität, Abholrhythmus, Verzicht
auf Gentechnik, Jahresmenge und sonstige Boni bzw.
Nachzahlungen. Eine „gute“, partnerschaftlich orientierte
Molkerei ist hier von Vorteil.
Für den Zeitraum „nach der Quote“ wird zunächst von
sinkenden und anschließend von geringfügig steigenden
Preisen ausgegangen. Die Preisabsicherung vorrangig der
Molkereien über die Börse (Warenterminmärkte) wird künftig an Bedeutung gewinnen.
Weltweit wird prognostiziert, dass die Nachfrage
schneller steigen wird als das Angebot. Grund­sätzlich wird
dabei erwartet, dass sich die Milcherzeugung der Nachfrage anpassen wird. Die von der EU-Kommission geplanten Beihilfen zur privaten Lagerhaltung von Butter und
Magermilchp­ulver lassen eine gewisse marktentlastende
und preisstützende Funktion erwarten. Der derzeit „schwache“ Euro erleichtert dabei den Export in Dritt-Länder.
Unabhängig davon ist es nach „Expertenmeinung“ vernünftig, die künftige Entwicklung auf den re­gionalen und
globalen Märkten abzuwarten. Eine zukunftsorientierte,
sorgfältige Betriebsplanung mit differenziertem Milchpreis
erleichtert weitreichende Entscheidungen.
DR. ALFRED ALBRECHT
KELTENWEG 10, 86391 STADTBERGEN
Leitender Landwirtschaftsdirektor a. D.
Von 1988 bis 2000 Leiter des SG Betriebswirtschaft
und Agrarstruktur an der Regierung von Augsburg
Nachruf Dr. Alfred Albrecht
Wie wir kurz vor Drucklegung erfahren haben, ist Dr. Alfred
Albrecht am 24. Dezember im Alter von 75 Jahren verstorben. Herr Dr. Albrecht schrieb seit vielen Jahren für „Schule
und Beratung“ auch über seine aktive Dienstzeit hinaus. Er
war mit Leib und Leben Betriebswirt und publizierte fundiert und mit großem Fachwissen zu betriebswirtschaft­
lichen Themen landwirtschaftlicher Unternehmen. Zuletzt
widmete er sich der Rentabilität der Milchviehhaltung nach
Abschaffung der Quote. Seine Ergebnisse waren vielfach
Grundlage für Unterricht und Beratung. Dafür danken wir
ihm sehr und bewahren ihm ein ehrendes Andenken. Wir
werden seine Expertise vermissen.
13
MILCH
MILCH
MILCH
Ernährungswirtschaftliche
Ausfuhren Bayerns nach Russland
Ein Jahr Embargo
MILCH
von JOSEF HUBER und HERBERT GOLDHOFER: Im Zuge der Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen zwischen der EU und Russland wegen des Ukraine-Konflikts verhängte die
russische Regierung Sanktionen für mehrere Nahrungsmittel aus der EU. Seit Anfang August
2014 gilt ein Einfuhrverbot für Fleisch, Käse, Milchprodukte, Fisch, Obst und Gemüse aus der
EU. Im ersten Jahr des Embargos sanken die wertmäßigen Exporte Bayerns nach Russland um
rund 9 Prozent. Die Hauptursachen für den Rückgang waren neben den Handelsbeschränkungen der betroffenen Lebensmittel die massive Abwertung des russischen Rubels gegenüber
dem Euro und die damit einhergehende hohe Verbraucherpreisinflation in Russland. Die EUKommission hat Maßnahmen zur Marktstützung ergriffen und wird diese auch 2016 fortführen.
Am 7. August 2014 hat Russland einen Importstopp für ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU, den USA,
Kanada, Australien und Norwegen erlassen. Das zunächst
einjährige Einfuhrverbot betrifft Fleisch, Käse, Milchprodukte, Fisch sowie Gemüse und Obst und wurde Ende Juni
2015 bis Anfang August 2016 verlängert und auf Albanien,
Montenegro, Island und Liechtenstein ausgeweitet. Auch
die Ukraine wird betroffen sein, sobald das Assoziierungsabkommen mit der EU in Kraft tritt.
Entwicklung 2009 bis 2014
Die gesamte ernährungswirtschaftliche Ausfuhr Bayerns
nach Russland steigerte sich nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von rund 135 Mio. Euro im Jahr 2009 um 46
70
60,65
60
50
46,3
44,14
40,88
40,26
40
42,34
39,93
30
20
15,65
11,7
10
8,46
6,86
5,06
6,77
7,44
0
2009
2010
2011
Rubel pro Euro
2012
2013
Aug. '13 - Juli '14
Aug. '14 - Juli '15
Verbraucherpreisinflation Russland in %
* Durchschnittswerte.
Quellen: Deutsche Bundesbank, inflation.eu.
→ Abbildung: Entwicklung der Euro-Referenzkurse gegenüber dem Rubel und Verbraucherpreisinflation Russlands seit 2009*
14
SUB 1-2/2016
MILCH
Zeitraum
2009
2010
2011
2012
2013
Aug. 13 – Juli 14*
Aug. 14 – Juli 15*
Milch und Milcherzeugnisse
3,6
7,3
6,4
6,3
2,8
2,2
1,7
Käse
36,4
63,8
70,9
74,9
9,2
0
0,2
Fleisch und Fleischwaren
5,2
9,9
6,0
3,9
4,2
6,4
0,2
–
–
0,003
–
–
–
–
Sanktionierte Produkte
Fische
Frischgemüse
–
–
–
–
–
–
–
Frischobst
0,03
0,01
0,02
0,03
–
–
–
Summe
45,2
81,0
83,3
85,1
16,2
8,6
2,1
Eier, Eiweiß, Eigelb
5,5
10,9
8,4
16,9
20,6
22,1
21,5
Backwaren
11,8
12,5
14,8
15,6
16,6
17,8
14,0
Nahrungsmittel pflanzlichen
Ursprungs**
14,1
18,4
20,9
25,4
27,4
25,8
22,4
Hopfen
25,9
21,1
15,5
15,0
16,2
16,1
18,7
Bier
9,5
12,1
13,3
15,4
19,7
22,1
21,0
Summe
66,8
75,0
72,9
88,3
100,5
103,9
97,6
Ausfuhr nach Russland insgesamt
134,7
176,6
177,2
196,6
142,2
138,8
126,1
MILCH
Die fünf wichtigsten Produkte
vorläufige Zahlen; z. B. Essig, Suppen, Brühen, Pflanzensäfte, Würzsoßen, Eiweißkonzentrate.
Quelle: Bay. LfStat.
*
**
→ Tabelle: Entwicklung der ernährungswirtschaftlichen Ausfuhren Bayerns nach Russland in Mio. Euro
Prozent auf 197 Mio. Euro bis 2012. Nicht zuletzt wegen des
Beitritts Russlands zur WTO Ende August 2012 haben sich
im selben Jahr die Ausfuhren mit einer Steigerung um 10,9
Prozent doppelt so stark erhöht wie der ernährungswirtschaftliche Gesamtexport im selben Jahr (5,5 Prozent). Auf
Grund der seit Anfang 2013 veterinärrechtlich bedingten
russischen Einfuhrbeschränkungen für Käse und einige
Milchprodukte aus Bayern, sank der Ausfuhrwert im Gesamtjahr um knapp 28 Prozent auf rund 142 Mio. Euro. Dennoch blieb Russland 2013 nach der Schweiz der zweitwichtigste Absatzmarkt beim Drittlandexport, wurde aber 2014
von China auf Platz drei verdrängt.
In der Tabelle sind die seit August 2014 sanktionierten Erzeugnisse im Einzelnen angeführt. Die wertmäßige Summe
dieser Erzeugnisse wird hauptsächlich von der Entwicklung
bei Käse beeinflusst. In Folge des Anfang 2013 angeordneten
Einfuhrstopps bayerischer Milcherzeugnisse betrug die
Summe aller betroffenen Lebensmittel im gleichen Jahr nur
noch 16,2 Mio. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete
dies einen Rückgang um 68,9 Mio. Euro. Bei der Summe der
fünf wichtigsten nicht betroffenen Produkte ist von 2009,
mit Ausnahme von 2011, bis zum Jahreszeitraum vor Beginn
des Embargos (August 2013 bis Juli 2014) durchweg eine
Steigerung auf zuletzt 103,9 Mio. Euro festzustellen.
SUB 1-2/2016
Entwicklung seit August 2014
Im ersten Jahr seit Beginn des Importstopps, von August
2014 bis einschließlich Juli 2015, haben sich die ernährungswirtschaftlichen Exporte Bayerns nach Russland um 12,7
Mio. Euro bzw. 9,1 Prozent auf 126,1 Mio. Euro verringert.
Dabei sank die wertmäßige Summe der sanktionierten Produkte um 6,5 Mio. Euro auf 2,1 Mio. Euro. Dies entspricht
etwa der Hälfte der gesamten Einbußen. Bei dem Restbetrag handelt es sich um einzelne Warennummern unter
den übergeordneten fünf sanktionierten Hauptprodukten,
welche vom Embargo nicht betroffen sind. Der Rückgang
wird ausschließlich von Fleisch und Fleischwaren verursacht.
Die Summe der fünf sonstigen wichtigsten Nahrungsmittel ging um 6,3 Mio. Euro oder 6,1 Prozent auf 97,6 Mio.
Euro zurück und entspricht der zweiten Hälfte des Rückgangs. Dabei verzeichneten Backwaren und pflanzliche
Nahrungsmittel einen Verlust von 7,2 Mio. Euro. Die Hauptgründe für diese Exporteinbußen waren die Abwertung
des russischen Rubels gegenüber dem Euro um 31 Prozent
und die hohe Verbraucherpreissteigerung von 7,4 Prozent
auf 15,7 Prozent im gleichen Zeitraum (siehe Abbildung).
Insgesamt hat sich die bayerische Ernährungswirtschaft
trotz der Verringerung der Exporte unter Berücksichtigung
15
MILCH
MILCH
dieser Rahmenbedingungen gut behauptet. Dennoch
wurde Russland von den Vereinigten Staaten bei der Rangfolge der wichtigsten Drittlandexportländer überholt und
auf den vierten Rang verdrängt.
EU-Kommission reagiert
Die EU-Kommission hat auf die veränderte Marktlage reagiert und Hilfsprogramme für die Erzeuger von Obst und
Gemüse aufgelegt. Um den EU-Milch- und Schweinefleischmarkt kurzfristig zu entlasten wurden bislang Beihilfen für
die private Lagerhaltung von Butter, Magermilchpulver, Käse
und Schweinefleisch gewährt sowie die Interventionsperiode für Butter und Magermilchpulver verlängert. Auch im
EU-Haushalt 2016 sind knapp 700 Mio. Euro für die Marktstützung vorgesehen. Zusätzlich wurden die Mittel für die
Absatzförderung erhöht, um neue Märkte zu erschließen.
Fazit
Die direkten Auswirkungen im ersten Jahr nach dem russischen Embargo waren für die bayerische Ernährungswirt-
schaft wegen der bereits seit Anfang 2013 verhängten Importverbote für Käse und Milchprodukte nicht gravierend.
Da aber neben den Sanktionen Russlands zugleich die Nachfrage aus Schwellenländern rückläufig war und die Erzeugung sowohl in der EU als auch weltweit stieg, sanken bei
den betroffenen Marktsektoren die Preise in der ganzen
Wertschöpfungskette.
JOSEF HUBER
HERBERT GOLDHOFER
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR
LANDWIRTSCHAFT
INSTITUT FÜR ERNÄHRUNGSWIRTSCHAFT
UND MÄRKTE
[email protected]
[email protected]
GQS-Bayern: Neue Version ist online
Jeder landwirtschaftliche Betrieb hat
umfangreiche Dokumentations- und Erfüllungspflichten. Dabei ist es für Landwirte und selbst für erfahrene Berater
schwer, den Überblick über die Vielzahl
von Vorschriften zu behalten, die sich
aus Fachrecht, Fördervoraussetzungen
und Vorgaben privatwirtschaftlicher
Qualitätssicherungssysteme ergeben.
Das Gesamtbetriebliche Qualitätssicherungssystem für landwirtschaftliche
Betriebe in Bayern (GQS-Bayern) hilft Betriebsleitern und Beratern, den Überblick
zu behalten. Grundlage sind einfache,
betriebsindividuell anpassbare Checklisten, mit denen sich jeder Betrieb selbst
überprüfen kann. Gleichzeitig wird die
Pflicht zur Eigenkontrolle erfüllt. Über
einen Checklistengenerator wählt jeder
Nutzer die Betriebszweige aus, die für
ihn zutreffen. Die Checklisten werden
von einer Merkblattsammlung ergänzt.
Diese dient einerseits zur Erklärung einzelner Punkte in der Checkliste, andererseits stellt sie ein wertvolles Nachschlagewerk zu Einzelthemen dar. Schließlich
gibt das Ablageregister einen Überblick
16
über die benötigten Unterlagen und hilft
bei deren geordneter Aufbewahrung.
Mit Hilfe von GQS-Bayern kann sich jeder
Betrieb auf Kontrollen und Audits vorbereiten und diese gelassen erwarten.
Zudem spart es Zeit und Kosten, wenn
Unterlagen und Informationen strukturiert und schnell verfügbar abgelegt sind.
GQS-Bayern enthält neben den fachrechtlichen Anforderungen auch die Anforderungen von Cross Compliance und Greening,
Vorschriften der EU-Ökoverordnung sowie
die Vorgaben der gängigen privatwirtschaftlichen Qualitätssicherungssysteme.
Dazu gehören Geprüfte Qualität Bayern,
GlobalGAP, Qualität und Sicherheit (QS),
Qualitätsmanagement Milch (QM), Kontrollierte alternative Tierhaltung (KAT),
Neutral kontrollierter Vertragsanbau (KVA),
das Qualitätsmanagementsystem des
Hopfenrings (HR-ISO) sowie die Anforderungen der ökologischen Anbauverbände Biokreis, Bioland, Demeter und
Naturland. GQS-Bayern wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Neu in der
Version 2015 sind z. B. die Anforderungen
von Greening und der Initiative Tierwohl.
GQS-Bayern wird von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft herausgegeben und im Internet bereitgestellt. Das
Angebot richtet sich an landwirtschaftliche
Betriebe und Berater und ist in Bayern kostenlos. Auch für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Verwaltung stellt es ein
wertvolles Informationsinstrument dar. Der
Checklistengenerator, die Merkblattsammlung und weitere Informationen finden
sich im Internet unter www.gqs.bayern.de.
Ansprechpartner:
Bayerische Landesanstalt für
Landwirtschaft
Institut für Ernährungswirtschaft
und Märkte
Dr. Helmut Frank
Menzinger Straße 54
80638 München
SUB 1-2/2016
MILCH
Akzeptanz der Nutztierhaltung
von DR. JULIA SEHM: Im Oktober 2015 traf sich die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung e. V. zum Thema „Akzeptanz der Nutztierhaltung – Herausforderungen im Bereich Futter
und Fütterung“ auf dem Freisinger Domberg. Die Akzeptanz ist mit einer Steigerung des
Tierwohls zu erreichen. Bedeutung haben der maximale Einsatz von Grünfutter sowie bedarfsgerechter Einsatz von Kraftfutter in der Rinderfütterung und verstärkter Einsatz von Fasern in
der Schweinefütterung. Die Minimierung von Stickstoff in der Gülle durch optimierte Proteinbzw. Stickstoffversorgung rückt stärker in den Vordergrund.
→ Dr. Georg Beck vom StMELF
stellte in seiner Begrüßung das
gute Netzwerk der BAT heraus
(Foto: Daniel Brugger, WZW,
Freising)
Für die ausgebuchte Tagung
hat Prof. Dr. Wilhelm Windisch, der Vorsitzende der
Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung e. V.
(BAT), neben hochrangigen
Wissenschaftlern auch den
Bayerischen Bauernverband
und die Verbraucherzentrale
Bayern e. V. gewinnen können. Dr. Georg Beck, Leiter
des Referats L6 „Schweinezucht und -haltung, Tierernährung“ im Bayerischen
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (siehe Bild 1) betonte
in seiner Begrüßung das
gute Netzwerk der BAT über die bayerischen Grenzen hinaus. Zudem hob Dr. Beck hervor, wie sehr ihm die Akzeptanz
der Nutztierhaltung am Herzen liegt:
„Wichtig ist es mir, eine Polarisierung zu
vermeiden, der Dialog soll angestoßen
werden – das ist kein Thema zum Aussitzen“.
In ihren Plenarvorträgen stellten Prof. Jutta Roosen, Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung, TU MünchenWeihenstephan, Prof. Matthias Gauly, Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, Freie Universität Bozen, und
Gerhard Stadler, Bezirkspräsident Niederbayern im Bayerischen Bauernverband, die unterschiedlichen Sichtweisen
von Verbrauchern, Wissenschaftlern und der praktischen
Landwirtschaft auf die Nutztierhaltung dar.
Praktik als
inakzeptabel
einstufen
Praktik nicht akzeptabel finden
und sich keine Umstände
vorstellen können, unter denen
diese Praktik akzeptabel ist
Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung
77,7
46,0
Einsatz von Hormonen in der Tierhaltung
82,4
52,7
Kupieren von Schwänzen bei Ferkeln
77,2
62,6
Betäubungslose Ferkelkastration
83,0
65,5
Halten der Tiere auf reinen Spaltenböden
72,7
53,0
Tötung von männlichen Eintagsküken
78,4
61,0
Prozent der Befragten, die eine …
*
*
Spaltenböden bestehen abwechselnd aus Balken, auf denen die Tiere stehen können und Spalten, die Harn und Kot durchlassen
Quelle: Roosen et al., 2015, Akzeptanz der Nutztierhaltung: Die Sicht der Verbraucher, BAT-Tagungsband
→ Tabelle 1: Akzeptanz von Praktiken in Tierhaltung und bei der Herstellung von Lebensmitteln
SUB 1-2/2016
Grundsätzliche Verbrauchermotivation erkennen
Roosen eröffnete die Plenarvorträge mit dem Thema
„Akzeptanz der Nutztierhaltung: Sicht der Verbraucher“. Angespanntes Zuhören und ein Raunen
begleiteten die vorgestellten Ergebnisse diverser Untersuchungen über die
durchschnittliche deutsche
Einstellung zum Tierschutz
(siehe Tabelle 1). Kritisch arbeitete Roosen heraus, dass
17
MILCH
Tierernährer diskutieren im Rahmen der BAT-Tagung in Freising
MILCH
die Anforderungen an die Lebensmittel oft im Gegensatz
zum realen Verhalten des Verbrauchers stünden. Daran trage
nicht ausschließlich der Verbraucher die Schuld. Es sei häufig
einfach nicht möglich im Geschäft Zusammenhänge zwischen den Haltungsbedingungen und den tierischen Produkten in der Ladentheke zu erkennen. Roosen warf die
Frage auf:
MILCH
„Soll der Verbraucher mit seinem Einkauf
entscheiden, oder müssen wir angesichts der
Fragestellungen im Bereich Tierwohl den
gesellschaftlichen Dialog in Gesetzen münden lassen?“
Leistungsfortschritt mit Haltung in Einklang bringen
Prof. Gauly, zudem im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des BMEL, stellte seine „Analyse aus der Sicht der
Agrarwissenschaften“ zur Diskussion. Er sah die „Verantwortung für das Tier“ als idealen Anreiz für den Landwirt in
Bezug auf mehr Tierwohl. Die treibenden Kräfte für Veränderungen in der Tierhaltung sind für ihn Gesetze, Wissenschaft und Beratung. Dazu fließen Aspekte der Ökonomie,
des Arbeitsschutzes und des Umweltschutzes ein. In vielen
Bereichen kommt es zu Zielkonflikten. Die Landwirte können nicht allein für den aktuellen Zustand ihrer Ställe verantwortlich gemacht werden. Ställe, die vor Jahren gebaut
wurden, genügen aufgrund genetischer Weiterentwicklung der Tiere häufig den Anforderungen nicht mehr. Als
Beispiel nannte Gauly Abferkelbuchten, die für die großen
Würfe zu klein sind. Sein Fazit für eine Akzeptanz der Nutztierhaltung zog er mit drei Schwerpunkten:
→→Haltungssysteme ändern
→→Transparenz schaffen und Aufklärung betreiben
→→Konzentrationen von Tierhaltungen aus Umweltgründen per Gesetz begrenzen
Praktikable Lösungen für heimische Landwirte
Gerhard Stadler sprach von den Perspektiven für die praktische Nutztierhaltung. Der Landwirt möchte in der Gesellschaft akzeptiert und integriert sein. Sein Hof ist seine Arbeitsstätte in der er sein Geld verdient. Gesetze sollen
umsetzbar sein und nicht dazu führen, dass Tierhaltung
und Arbeitsplätze in Länder mit weniger strengen Regelungen abwandern. Heimische Produkte sollten nicht mit
billiger ausländischer Ware konkurrieren müssen. Dazu
wünscht sich der niederbayerische BBV-Präsident einen
Dialog mit Menschen, die Tierhaltung weiterentwickeln
und nicht grundsätzlich abschaffen möchten. Es sollten
18
zum Beispiel umsetzbare und tierfreundliche Alternativen
zu Schwanzkupieren und Kastrieren vorhanden sein. Ein
alleiniges Verbot dieser exemplarischen Praktiken führe zu
massiven Schäden bei den aktuellen Haltungsbedingungen. Entsprechende Versuche an der Landesanstalt für
Landwirtschaft haben gezeigt, dass man bis jetzt weder
gegen Schwanzbeißen, noch gegen Penisbeißen Lösungen gefunden hat. Stadler sieht wie Gauly das Problem des
Stallbaus, der die Situation für mehrere Jahrzehnte festlegt. Aus Sicht der Landwirte fordert er einen Bestandsschutz, damit Umbauten aus gesetzlichen Gründen möglichst nicht notwendig würden. Freiwillige Initiativen, wie
die „Initiative Tierwohl“ sind für den BBV vorrangig. Sein
Fazit:
„Eine Wertschöpfungskette muss auch eine
Verantwortungskette sein“.
Nachvollziehbare Deklarierung für Verbraucher
Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern e. V.
vertrat die Sichtweise der Verbraucher. Die Untersuchungen
zum Einkaufsverhalten und zu der Einstellung zum Tierwohl
gehen oft auseinander. Saumweber erklärte die negativen
Reaktionen der Käufer damit, dass Angaben für die Verbraucher schwer erkennbar sind und nicht verlässlich von den
Marketingaspekten unterscheidbar wären. Heftige Kritik
ging an die „Initiative Tierwohl“. Für den Verbraucher ist
nicht ersichtlich, welche Produkte die Initiative betreffe. Ein
weiteres Problem, das der „Billig-Angebote“ bzw. „Dumping-Preise“, hat die Verbraucherzentrale sehr wohl erkannt.
Leider gibt es derzeit keine gesetzliche Handhabe dagegen.
Der Käufer ist überfordert, angemessene Preise und Verdienstspannen in der Produktionskette richtig einzuschätzen. Tierschutz wird von der Gesellschaft gefordert, nur
„Bio-Produkte“ sind allerdings nicht die Lösung. Hier sind
die preislichen Unterschiede zur konventionellen Ware sehr
hoch und teilweise nicht vermittelbar.
Neue Trends bei Rind und Schwein
In den nachmittäglichen Sektionen „Schwein“ und „Rind“,
sowie in vierundzwanzig Postern wurden die neuesten Erkenntnisse und Veränderungen im Bereich Futter und Fütterung vorgestellt.
Im Rinderbereich schreitet die Verzahnung von Zucht,
Fütterung und Tierwohl weiter voran. In der Schweiz werden
bereits Stoffwechselparameter in die Züchtung mit aufgenommen. Tiere, die robuster mit ihrem Stoffwechsel auf
hohe Leistungen nach der Kalbung reagieren, können selektiert und weiter gezüchtet werden. Die Fortschritte in der
SUB 1-2/2016
MILCH
Infobox: Funktionen und Aufgaben der BAT
Die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung (BAT) e.V.
wurde am 6. Dezember 1962 in Freising-Weihenstephan gegründet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf eine Verbesserung der Veredlungswirtschaft auf direktem und indirektem Wege hinzuwirken. Dabei soll die zweckmäßige
Verwendung von wirtschaftseigenem Futter und Handelsfuttermitteln im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Fütterung, die Gesunderhaltung der Tiere und die Qualität der erzeugten Lebensmittel auch unter den Aspekten geringer
ökologischer Belastungen im Vordergrund stehen.
Dieses Ziel kann am ehesten erreicht werden, wenn alle an
der Tierernährung interessierten Kreise zusammenarbeiten.
Neben den Instituten der Tierwissenschaften an den Universitäten sind daher das Landwirtschaftsministerium mit seinen Ämtern und Landesanstalten, die landwirtschaftlichen
Genossenschaften, die Futtermittel- und Wirkstoffindustrie
sowie die Zuckerfabriken, der Bayerische Bauernverband
und selbstverständlich auch Praktiker in der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung vertreten.
Weitere Informationen: http://lte.wzw.tum.de/BayerischeArbeitsgemeinschaft-Tierernaehrung-BAT-e-V.17.0.html
→ Wissenschaftler sowie staatliche und freie Berater informieren sich und
diskutieren miteinander auf der BAT-Tagung (Foto: Daniel Brugger,
WZW, Freising)
Analytik auf DNA und Proteinebene machen die notwenigen Untersuchungen bezahlbar. Bei immer höheren Leistungen und dem damit verbundenen Stickstoff- und Proteinbedarf der Kühe muss das pansenstabile Protein vermehrt in
den Futterrationen berücksichtigt werden. Das System des
nutzbaren Rohproteins wird deswegen erweitert und limitierende essentielle Aminosäuren werden in den Futterberechnungen berücksichtigt.
In der Schweinefütterung wird die Energie- und Proteinlücke bei säugenden Sauen mit großen Würfen diskutiert. Hier stehen Gründe des Umweltschutzes gegen eine
generelle Erhöhung des Proteins in der Fütterung. Mit andauerndem Züchtungsfortschritt in der Wurfgröße und der
damit noch größerer werdenden Versorgungslücken besteht neuer Forschungsbedarf. Bei der Versorgung der
Schweine mit Rohfaser ist der veränderte Gehalt in den
neueren Getreidesorten zu berücksichtigen. Eine Futtermittelanalyse ist hier angezeigt. Eine ausreichende Rohfaserversorgung ist wichtig für die Gesunderhaltung und das
Wohlergehen von Schweinen. Sie wird mit Tierwohl gleich
gesetzt.
Die 53. Jahrestagung der BAT bot den Teilnehmern ein
interdisziplinäres Programm. Der berühmte Blick über den
Tellerrand ist hier auf allen Seiten wichtig. „Akzeptanz der
Nutztierhaltung“ ist ein gesellschaftliches Thema, wenn die
Versorgung mit Lebensmitteln grundsätzlich gesichert ist.
Wie sich diese Diskussion weiter entwickelt ist ungewiss. Was
die einzelnen Disziplinen der Nutztierhaltung dazu beitragen können, ist begrenzt. Jede Disziplin der Nutztierhaltung
ist aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, wenn Nutztierhaltung weiterhin in Bayern stattfinden soll. Die Tagung ist auch
SUB 1-2/2016
eine Plattform, auf der sich Wissenschaftler sowie staatliche
und freie Beratung traditionell zu regen Diskussionen treffen
und ihr Wissen erweitern. Die Teilnehmer werden motiviert,
offen für Neues zu bleiben und Ideen in die Praxis mitzunehmen.
Literatur
Akzeptanz der Nutztierhaltung – Herausforderungen im Bereich
Futter und Fütterung, 1.10.2015, Tagungsband
http://lte.wzw.tum.de/Bayerische-Arbeitsgemeinschaft-Tierernaehrung-BAT-e-V.17.0.html, Stand 2.Oktober 2015
DR. JULIA SEHM
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN
PFAFFENHOFEN A. D. ILM
[email protected]
19
MILCH
MILCH
MILCH
Neues zur Kälber- und Jungviehaufzucht
Der diesjährige Milchviehtag in Prutting, Landkreis Rosenheim, widmet
sich der Kälber- und Jungviehaufzucht.
Beeindruckende Ergebnisse bei der
Kälberaufzucht mit ad libitum-Tränke
zeigen den Erfolg dieses Fütterungskonzepts, der sich in höheren täglichen
Zunahmen und einem Leistungsplus in
der späteren Laktation niederschlägt.
Auch beim Enthornen von Kälbern gibt
es Fortschritte. Berater zeigen auf,
dass Landwirte mit Hilfe eines praktikablen Schmerzmanagements Leiden
und Schmerzen verhindern können.
Zudem gibt es Neues zum ErbfehlerMonitoring in der Fleckviehzucht.
Der Leiter des Amtes für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten Rosenheim,
Wolfgang Hampel, eröffnete im Dorfstadel in Prutting den alle Jahre stattfindenden Milchviehtag. Veranstalter
sind die Verbände für landwirtschaftliche Fachbildung Bad Aibling, Rosenheim und Wasserburg sowie die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten Traunstein und Rosenheim.
Ad libidum-Fütterung steigert
spätere Milchleistung
Dr. Hans-Jürgen Kunz vom Versuchszentrum Futterkamp stellte Fütterungskonzepte für Kälber von der Geburt bis zur
tragenden Färse vor. Sein Schwerpunkt
lag auf der ad libitum-Tränke. Kälber
erhalten dabei nach der Biestmilch in
den ersten drei Wochen unbegrenzt
Milch. Kunz empfiehlt, die Tränkemilch
auf einen pH-Wert von 5,5 anzusäuern,
um die Vermehrung von Bakterien zu
verhindern. Im Vergleich zur restriktiven
Tränke, d. h. einer Fütterung mit einer
begrenzten Milchmenge zu festen Mahlzeiten, nehmen die Kälber wesentlich
mehr Milch auf, die täglichen Zunahmen
steigen deutlich, die Vitalität verbessert
sich. Der Fachmann erklärte, dass die
Tiere durch die angelegten Körperreserven widerstandsfähiger seien, es käme
seltener zu gegenseitigem Besaugen.
20
→ Dank für die fundierten Fachinformationen (von links): Ulrike Bauer, VLF-Vorsitzender Josef
Grandl, Dr. Rudolf Maierhofer und die Moderatorin Monika Schaecke vom AELF Rosenheim
Laut Kunz weisen Versuchsergebnisse darauf hin, dass diese Tränkeform, wenn sie
bei Kälbern angewendet wurde, auch bei
ausgewachsenen Tieren zu einer höheren Futteraufnahme führe. Rinderhalter
können früher auf eine energieärmere
Ration umstellen, das Besamungsgewicht wird zwei bis drei Monate schneller erreicht, und die Futterkosten in der
Färsenaufzucht sinken. Versuchsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die
305-Tage-Milchleistung bei Milchkühen,
welche als Kalb mit ad libitum-Tränke
versorgt wurden, um 405 Liter Milch über
jener der restriktiv aufgezogenen Tiere
liegt. Dies beeindruckte die 200 anwesenden Milchviehhalter nochmal sichtlich.
Kälberenthornung fordert Übung
Ulrike Bauer von der Landesanstalt für
Landwirtschaft, Institut für Tierzucht,
stellte Versuchsergebnisse zur Kälberenthornung vor. Durch Sedierung und
Schmerzmittelgabe sei ein praktikables
Schmerzmanagement beim Veröden der
Hornanlagen möglich. Als Enthornungsgeräte werden verschiedene akku-, gasund netzbetriebene Geräte am Markt angeboten. Die unterschiedliche Bauweise
und Funktion der Geräte müssen in ihrer
Handhabung geübt sein, so Bauer. Wichtig sei es, die Maßnahme früh, also in den
ersten Lebenswochen, durchzuführen.
Daran konnte der Zuchtleiter vom AELF
Traunstein, Fachzentrum für Rinderhaltung, Dr. Rudolf Maierhofer direkt anknüpfen, da die Hornloszucht ein eleganter
Weg ist, um die Enthornung zu umgehen.
Bei Fleckvieh nimmt die Bedeutung der
Hornloszucht stetig zu. Das Leistungsgefälle im Vergleich zu gehörnten Bullen,
welches sich bislang in einem niedrigerem Gesamtzuchtwert zeigte, sinkt.
Im Hinblick auf die Ergebnisse der Grassilageuntersuchungen in diesem Jahr
ist für Dr. Maierhofer ein Umdenken im
Silierverfahren nötig, um TM-Gehalte
von über 40 Prozent bei extremen Witterungen zu vermeiden. Die Silierkette
muss so gestaltet sein, dass das Erntegut
bei großer Trockenheit und Hitze nicht
zu lange auf den Feldern anwelkt. Der
Zuchtleiter führte aus, dass im Rahmen
des Erbfehler-Monitorings der FleckviehHaplotyp 5 identifiziert wurde. Dieser
Erbfehler führt bei einer Risikoanpaarung
zu deutlich höheren Kälberverlusten. Maierhofer empfiehlt den Landwirten bei der
Anpaarung mit Besamungsbullen großes
Augenmerk auf entdeckte Gendefekte zu
legen und zum Wohl der Tiere auf Risikoanpaarungen unbedingt zu verzichten.
Franziska Scheibenpflug, AELF Rosenheim
SUB 1-2/2016
BILDUNG
Souveräner Umgang mit
Widersprüchen
Qualitätsmanagement unterstützt bei Widersprüchen gegen personenbezogene
Prüfungsentscheidungen
„Ein Abschlussprüfling hat Widerspruch eingelegt! Wie gehe
ich korrekt vor?“ solche oder ähnliche Anrufe der Berufsbildungsämter häufen sich bei den Fortbildungszentren (FBZ)
jahreszeitlich, wenn die Zeugnisse und Bescheide über das
Nichtbestehen versandt sind. Noch häufiger landet solche
Post von Fortbildungsprüflingen beim FBZ. Verbunden damit ist immer eine gewisse Alarmstimmung, v. a. wenn
Rechtsanwälte bevollmächtigt sind. Denn zum Glück gehören Widersprüche nicht zum Alltagsgeschäft. Hier geht es
dann zunächst um formal richtiges juristisches Vorgehen,
um nicht angreifbar zu sein.
Nicht zuletzt gilt es jedoch, berechtigten Anliegen von
Prüflingen gerecht zu werden. Denn ohne die Möglichkeit
des Widerspruches und der Klage hätte der Prüfling keine
Möglichkeit, Prüfungsentscheidungen von neutraler Stelle
nachprüfen zu lassen. Ob die Prüfung objektiv gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat oder dies nur subjektiv
so wahrgenommen wird, ist für die Betroffenen dabei egal.
Sie haben das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein
und sich mit aller Macht dagegen wehren zu müssen. Die
Emotionen, die dann im Spiel sind, können mitunter sehr
heftig sein. Wut kann sich auch in diffamierenden, persönlich verletzenden Angriffen auf alle Ausbildungs- und Prüfungsbeteiligten äußern. Im schlimmsten Fall besteht sogar
die Gefahr, dass ehrenamtliche Prüfer die Motivation für ihre
wertvolle Tätigkeit verlieren.
Wie unsere Verwaltung mit Einsichtnahmen und Widersprüchen in Zusammenhang mit Prüfungen umgeht, trägt
zur Transparenz und zum Ansehen unseres Prüfungs- und
Schulwesens bei. Dabei gilt es, den Verwaltungsaufwand in
Grenzen zu halten.
SUB 1-2/2016
QM Berufsbildung 16 neu
Unter der Gliederungsnummer 16 im Qualitätsmanagement
Berufsbildung (Mitarbeiterportal » Themenkatalog » Themen
des Geschäftsbereiches » Bildung » Berufsbildung allgemein »
QM Berufsbildung » VA16) finden sich Unterlagen zur „Abwicklung von Einsichtnahmen und Widersprüchen“. Diese wurden komplett überarbeitet und wesentlich ausführlicher als
bisher hinterlegt. Es sind hierbei die Erfahrungen der letzten
Jahre bei den zuständigen Stellen und bei den für die Berufsbildung zuständigen Juristen eingeflossen. Häufig gestellte
Verständnisfragen wurden so eingearbeitet, dass das nötige
Hintergrundwissen sicheres Verwaltungshandeln erlauben
sollte. Vorformulierte Musterschreiben sollen und können
keine Einzelfallentscheidung ersetzen, können aber als beispielhafte Vorlagen Aufwand und Rückfragen ersparen und
formale Fehler vermeiden helfen. Denn, wer weiß als juristischer Laie schon, wann man Schreiben mit Postzustellungsurkunde oder mit Empfangsbekenntnis zuzustellen hat? In
den Musterschreiben sind zudem die relevanten gesetz­
lichen Vorgaben, die man sich sonst mühsam zusammen­
suchen muss, bereits richtig zitiert.
Widerspruchsverfahren
„Eine Studierende des einsemestrigen Studienganges in
der Hauswirtschaft möchte Widerspruch gegen die Note in
der Abschlussprüfung in BAP einlegen! Kann sie das überhaupt?“ so fragte heuer eine Schulleiterin am FBZ nach.
Noch waren die Zeugnisse nicht ausgegeben, und damit
fehlte hier der „benachteiligende“ Bescheid als Grundlage
für die Anfechtung. Ein wirksamer Widerspruch kann nur
dann vorliegen, wenn er schriftlich eingelegt oder zur
21
BILDUNG
von CHRISTIAN DOLLAK und HEDWIG JACOBEY: Wenn man mit Kolleginnen und Kollegen der
Fortbildungszentren, mit Bildungsberatern und auch der Schulleitung spricht, drängt sich der
Eindruck auf, dass Widersprüche gegen Prüfungsentscheidungen zunehmen. Nicht immer
kann abgeholfen werden; letztendlich kommt es zu Klagen und dann zu Gerichtsverhandlungen. Hier können neue Inhalte im Qualitätsmanagement Berufsbildung helfen: Denn Sicherheit im formal richtigen Vorgehen und Kenntnis juristischer Hintergründe helfen den Verwaltungsaufwand besser zu bewältigen und mit Emotionen seitens der Prüflinge, aber auch der
vorwiegend ehrenamtlichen Prüfer souveräner umzugehen.
BILDUNG
Infobox 1: Vom Eingang bis zur Ablage: Qualitätsmanagement regelt Umgang mit Widersprüchen
1. Eingang des Widerspruches
3. Zurückweisen des Widerspruchs als unzulässig
nein
2. Widerspruch
zulässig?
(gegebenenfalls Begründung
(Grund: Fristüberschreitung)
nachfordern)
2
3
ja
4. Stellungnahme der Prüfer
(getrennt und unabhängig)
4
7. Mitteilung des Ergebnisses des
5. Widerspruch gerechtfertigt?
nein
(Überdenken)
rücknahme des Widerspruchs
BILDUNG
5
ja
6. Prüfungsausschuss-Sitzung
ja
10. Beschluss
des PA: Änderung der
Bewertung?
nein
8. Rücknahme
des Widerspruchs
nein
ja
teilweise
11. Abhilfebescheid
12. Teilabhilfebescheid
gegebenenfalls mit neuen Zeugnis
gegebenenfalls mit neuen Zeugnis
9. Einstellender
Widerspruchsbescheid
(ursprüngliches Zeugnisdatum)
(ursprüngliches Zeugnisdatum)
(gegebenenfalls Kostenrechnung)
7
6
7
13. Zurückweisender
Widerspruchsbescheid
(gegebenenfalls Kostenrechnung)
8
15. Klage beim
Verwaltungsgericht
14. Widerspruchsführer einverstanden?
16. Verfahren am
Verwaltungsgericht
ja
nein
Musterschreiben
17. Ablage der Unterlagen
gegebenenfalls Änderung im bbs
22
SUB 1-2/2016
Niederschrift bei der Behörde erhoInfobox 2: Abwicklung von Einsichtnahmen
ben wurde. Auch ist die Einlegung
eines Widerspruchs auf elektronischem Wege mit einer sogenannten
1. Antrag auf Akteneinsicht
1. Antrag auf Akteneinsicht durch
qualifizierten elektronischen Signabevollmächtigten Rechtsanwalt
tur wirksam. Die einfache E-Mail ge1
nügt diesen Formanforderungen
hingegen nicht. Sollte ein Wider2. Vorbereitung der
Einsichtnahme
spruch mit einfacher E-Mail eingenein
hen, empfiehlt es sich, den Absender umgehend auf die Unwirksam3. Einsichtnahme
keit seines Widerspruchs hinzuweiin den Prüfungsakt
sen, insbesondere wenn die Monatsfrist für den Widerspruch noch
nicht abgelaufen ist. Ein Wider7. Widerspruch (s. 16.2)
spruchsschreiben muss nicht als Wioder Klage beim
einverstanden?
derspruch bezeichnet werden und
nein
Verwaltungsgericht
auch nicht unbedingt unterschrieben sein. Im Zweifelsfall muss man
ja
deshalb prüfen, ob tatsächlich die
5. Ablage der Unterlagen
Absicht bestand, Widerspruch einmit Dokumentation der
zulegen. Ohne weitere Prüfung
Einsichtnahme
kann ein Widerspruch beispielsweise dann zurückgewiesen werden, wenn die dafür vorgesehene
Frist nicht eingehalten wurde: Wurden Zeugnisse oder Prüfungsverfahren überprüfen, und der Prüfling muss die
Nichtbestehensbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrung Chance bekommen, genau darzulegen, wogegen er Widerausgegeben, beträgt die Frist nur einen Monat nach Be- spruch erhebt und dafür ganz konkrete Begründungen
kanntgabe, andernfalls grundsätzlich ein Jahr, was jedoch nachzuliefern. Dazu muss er, wenn es um mehr als nur um
immer im Einzelfall zu prüfen ist. Im QM finden sich Bei- den Ablauf des Prüfungsverfahrens geht, wissen, auf welspiele zur Fristberechnung.
cher Grundlage die Prüfer zu ihren Bewertungen kamen.
D. h. er muss beispielsweise Einsicht in entsprechend aussaZuständige Widerspruchsbehörden
gekräftige Bewertungsunterlagen nehmen können oder
Im Bereich personenbezogener Prüfungen und des Schul- diese Informationen anderweitig bekommen.
rechtes besteht ein sog. fakultatives Widerspruchsverfahren,
Wenn auf dieser Basis „substantiierte“ Begründungen für
d. h. der Prüfling hat die Möglichkeit zu wählen, ob er unmit- die Überprüfung bestimmter Bewertungen nachgeliefert
telbar Klage erhebt oder (zunächst) Widerspruch einlegt. Da werden, findet ein „Überdenken“ statt. Dadurch soll nicht
sowohl bei den Schulen als auch bei den zuständigen Stellen weniger als das Grundrecht des Prüflings auf Berufsfreiheit
der Berufsbildung in unserer Verwaltung die nächsthöhere geschützt werden. Zu diesem Zweck werden die Prüfer geStelle das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Land- beten, sich getrennt und unabhängig voneinander mit den
wirtschaft und Forsten (StMELF) ist, ist die jeweilige Aus- Einwendungen des Prüflings auseinanderzusetzen und
gangsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde.
nochmals ihre Bewertungen zu überdenken. Denn es ist ja
nie auszuschließen, dass Leistungen unter neuem BlickwinBegründungen und Überdenken
kel neu zu bewerten sind. Auch Prüfer sind nur Menschen
„Ich bin mit meinen Noten in dieser unfairen Prüfung nicht und können irren und dann auf diese Weise unbeabsichtigte
einverstanden und deshalb lege ich Widerspruch ein!“ ent- Fehler revidieren.
behrt jeder Begründung. Denn was subjektiv als unfair empFehlen Begründungen seitens des Prüflings oder komfunden wurde, muss noch lange nicht das Gebot der Fairness men die Prüfer und die zuständige Stelle bei der nochmaliin Prüfungen verletzen. Dennoch muss die zuständige Stelle gen Überprüfung des Verfahrens und der Bewertungen zu
den angefochtenen Bescheid und das zugrundeliegende dem Schluss, dass das Zeugnis nicht geändert wird, dann
SUB 1-2/2016
23
BILDUNG
BILDUNG
BILDUNG
BILDUNG
wird das Ergebnis des Überdenkens dem Prüfling in knapper Form mit der Chance zur Rücknahme des Widerspruchs
mitgeteilt. Nimmt der Prüfling seinen Widerspruch zurück,
so kann ein einstellender Widerspruchsbescheid versandt
werden, das Widerspruchsverfahren endet damit.
Neuer Beschluss des Prüfungsausschusses
Ist der Widerspruch zurückzuweisen oder kann dem Widerspruch durch Notenänderung ganz oder teilweise abgeholfen werden, ist eine neuerliche Prüfungsausschusssitzung
erforderlich, um Rechtssicherheit in Hinblick auf mögliche
Klagen zu erreichen. Denn gemäß § 11 der Prüfungsordnung
Berufsbildung stellt der Prüfungsausschuss „gemeinsam die
Ergebnisse der einzelnen Prüfungsleistungen sowie das Gesamtergebnis der Prüfung fest“, womit Kollegialentscheidungen gemeint sind, denen die Möglichkeit zur Diskussion
und zum gemeinsamen Abwägen vorausgehen soll. Analoge Passagen finden sich in den Schulordnungen für die
Prüfungsausschüsse und Lehrerkonferenzen. Eine zusätzliche Sitzung ist zwar sehr aufwendig, stärkt erfahrungsgemäß den betroffenen Prüfern jedoch ungemein den Rücken
und sorgt für emotionale Entlastung.
Einsichtnahme und Widerspruch
Die Einsichtnahme in Prüfungsunterlagen, die es erlauben,
die Bewertung nachzuvollziehen, fördert im günstigsten Fall
die Einsicht des Prüflings – und kann so aussichtslose, aber
verwaltungsaufwendige Widerspruchsverfahren vermeiden
helfen. Nach gängiger Rechtsprechung sind hierbei mittlerweile Kopien, gegen Gebühr, erlaubt und deshalb auch das
Abfotografieren der Unterlagen mit dem Handy. Vielleicht
eine Chance bei verzögerter Einsicht?
„Die Prüflinge können innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses Einsicht in ihre Prüfungsunterlagen beantragen;...“ ist in der LHBPO, unserer
Prüfungsordnung für die Berufsbildung, in § 13 zu lesen. Und
genau so ist es bisher in unserer Verwaltung üblich, Einsichten erst auf Nachfrage für den jeweiligen Einzelfall zu organisieren. Das ist relativ aufwendig in der Terminabstimmung,
denn man sollte dafür zu zweit sein. Anders geht der Kultusbereich vor, wo z. B. nach den Abiturprüfungen generell Termine für „Massen“-Einsichtnahmen angeboten und auch
ganz selbstverständlich genutzt werden.
Unsere Rechtsbehelfsbelehrungen legen nahe, bei Unzufriedenheit mit Prüfungsergebnissen sofort Widerspruch
einzulegen, um ja keine Frist zu versäumen. Wird aber der
Widerspruch vor der Einsichtnahme eingelegt, bleibt den
zuständigen Stellen bei fehlender Begründung nur das
Nachtarocken. Denn der Widerspruchsführer oder ggf. der
24
bevollmächtigte Rechtsanwalt muss dann nachträglich, unabhängig von der oben genannten Monatsfrist, in die Lage
versetzt werden, „substantiiert“ begründen zu können und
dafür muss man wiederum die Gründe der Prüfer für ihre Bewertungsentscheidungen kennen, also Gelegenheit zu Einsichtnahme gehabt haben.
Terminvorschläge für Einsicht
Am FBZ Almesbach und an einer Schule mit stark emotionalisiertem Semester wurden auf Grund dieser Überlegungen
versuchsweise mit der Zeugnisübergabe bereits im Vorfeld
Termine für Einsichtnahmen vorgeschlagen, um die Hemmschwelle dafür zu senken. Die Erfahrungen damit waren erfreulich.
Die Termine wurden als ein Mehr an „Transparenz“ im
Prüfungsgeschehen wahrgenommen, auch wenn nicht alle
die Möglichkeit nutzten. Der Verwaltungsaufwand dafür war
nicht wesentlich größer als bei gesonderten Einzelterminen.
Man hatte auf Anmeldung vorab die gewünschten Unterlagen bereit gelegt und unter Aufsicht gleichzeitig einsehen
lassen. Parallel wurde in einem gesonderten Raum zusätzlich
Gelegenheit zu Rückfragen angeboten, wo sich im Gespräch
manches Missverständnis unmittelbar aufklären ließ. Bei diesen „Versuchen“ kam es zu keinen Widersprüchen im Nachgang.
Hätte es begründete Bedenken gegen Notenfindungen
gegeben, so wäre Abhilfe bei diesem Vorgehen wahrscheinlich schneller möglich und damit weniger belastend für alle
Beteiligten gewesen. Ein möglicher Weg zu weniger Verwaltungsaufwand und mehr Akzeptanz bei immer kritischeren
Prüfungsteilnehmern?
Egal wie man dazu steht: Im QM Berufsbildung 16 findet
man Hilfestellung. Im Zweifelsfall sollte jedoch juristischer
Rat eingeholt werden.
CHRISTIAN DOLLAK
ANSPRECHPARTNER FÜR DIE FBZ IN
JURISTISCHEN FRAGEN
[email protected]
HEDWIG JACOBEY
FORTBILDUNGSZENTRUM ALMESBACH,
SEIT 1. NOVEMBER 2015 AN DER FÜAK
[email protected]
Die vorgestellten QM-Unterlagen wurden von den
Kolleginnen der vier FBZ in Bayern erarbeitet.
SUB 1-2/2016
BILDUNG
Neuer Lehrplan an der FAK
Die Fachakademie für Landwirtschaft, Fachrichtung Ernährungs- und
Versorgungsmanagement hat sich neu aufgestellt
Am 15. September 2012 war es soweit: Die geänderte Schulordnung ermöglichte es der landwirtschaftlichen Fachakademie in Triesdorf mit den Fachakademien des Kultusbereichs in Bayern gleichzuziehen. Wie diese trägt auch unsere Fachakademie neu im Schulnamen die Bezeichnung
„Ernährungs- und Versorgungsmanagement“. Die Namensanpassung war wichtig, um die Gleichwertigkeit der
Fortbildung an allen Fachakademien darzustellen. Auch
eine Anpassung der Berufsbezeichnung war damit verbunden: Aus dem/der „landwirtschaftlich-hauswirtschaftlichen
Betriebsleiter/in“ wurde der/die „Betriebswirt/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“.
Nach der Änderung ist immer auch vor der Änderung
Mit dem Namen der Schule und der Berufsbezeichnung
der Absolventen sollte auch der Lehrplan angepasst werden; denn die beruflichen Anforderungen verändern sich
immer schneller. Die Absolventen der Fachakademie sollen
das können, was der Arbeitsmarkt von ihnen erwartet. Der
großen Aufgabe der Lehrplan-Modernisierung stellte sich
das Lehrerkollegium der Fachakademie unter Leitung der
stellvertretenden Schulleiterin Ingrid Bär. Nach vielen Recherchen, Besprechungen und Abstimmungen begann zu
Beginn des Schuljahres 2012/13 die praktische Umsetzung
der Neuerungen im ersten Schuljahr. Im Sommer 2015, drei
Jahre danach, ist nun der erste Abschluss-Jahrgang der „Betriebswirte und Betriebswirtinnen für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“ verabschiedet worden. Drei Jahre
Übergang – denn immer wurden alter Lehrplan und neuer
Lehrplan in den Klassenstufen nebeneinander praktiziert –
sind damit vorbei. Nun kann ein Erfahrungsbericht darüber
informieren, welche Optimierungen bei der nächsten Änderung noch möglich sind.
SUB 1-2/2016
Alter Lehrplan – neuer Lehrplan im Vergleich
Praktische Erfahrungen werden im Berufsleben hoch geschätzt. Damit auch unsere Studierenden diesem Anspruch
nachkommen, obwohl sie häufig nach der Berufsfachschule direkt an die Fachakademie wechseln, wurde die
Praktikumszeit während der Schulzeit verlängert. Das
zweite Schuljahr ist jetzt geteilt in ein Praxishalbjahr und
ein Schulhalbjahr. Die Lehrplaninhalte des zweiten Schuljahres wurden gekürzt oder in die anderen Schuljahre verlegt.
Im dritten Schuljahr ist nun im praktischen Prüfungsfach „Betriebsmanagement“ eine Spezialisierung möglich.
Die Studierenden wählen entweder den Vertiefungsbereich „Gemeinschaftsverpflegung und Veranstaltungsmanagement“ oder „Objektreinigung und Wäscheversorgung“. Das Fach mit insgesamt acht Unterrichtswochenstunden ist in sechs Stunden Praxis und zwei Stunden Theorie aufgeteilt. Der Theorieunterricht vertieft die praktischen Lehrinhalte. Die im praktischen Unterricht erarbeiteten Lösungen für komplexe Aufgabenstellungen können
so noch besser verglichen und mit Vor- und Nachteilen dargestellt werden.
Das Fach „Existenzgründung und Diversifizierung“ in
der Nachfolge des Faches „Agrarproduktion und Direktvermarktung“ ist ebenfalls neu in Theorie und Praxis aufgeteilt. Zugunsten der theoretischen Lehrplaninhalte „Unternehmensgründung und Diversifizierungsmöglichkeiten“
wurde der praktische Teil gekürzt, in dem Produkte für die
Direktvermarktung entwickelt und beispielhaft hergestellt
werden. Dem Umstand, dass dem Marketing von Dienstleistungen und Produkten ein immer höherer Stellenwert
zukommt, trägt die Einführung des Faches „Marketing und
Kundenservice“ Rechnung.
25
BILDUNG
von VERONIKA MEND und DR. CLAUDIA HEIDBRINK: Ein geänderter Lehrplan tritt in Kraft –
und alles ist paletti? Man sollte es meinen, denn die Ausarbeitung der Änderungen erforderte viel Zeit und Kraft: Vorschläge und Gegenvorschläge wurden in Besprechungen
abgewogen, verworfen, verändert und schließlich beschlossen. Trotzdem: der Teufel steckt
im Detail und oft in Kleinigkeiten, die auf dem Papier sehr harmlos wirken. Der Beitrag
berichtet von Erfahrungen aus drei Jahren praktischer Umsetzung eines geänderten Lehrplans an der Fachakademie für Landwirtschaft, Fachrichtung Ernährungs- und Versorgungsmanagement, in Triesdorf.
BILDUNG
BILDUNG
Abstimmung zwischen Lehrplan und Schulordnung
Bei allen gravierenden Lehrplananpassungen ist die Schulordnung eine nicht zu unterschätzende Größe: Passen die
Kernaussagen der beiden schulbestimmenden Dokumente
nicht zusammen, gibt es Reibungsverluste! Eine „offene“
Schulordnung, die Veränderungen in einem spürbaren
Rahmen zulässt, erleichtert die schnelle Anpassung an
Neuerungen und Anforderungen aus der beruflichen Praxis. Die Schulordnung der Fachakademie ist dagegen sehr
klar und strikt. Die Lehrplananpassung erfordert daher
auch die Änderung vieler Paragraphen der Schulordnung
– eine instanzenreiche und zeitaufwendige Prozedur!
Berücksichtigung der Rahmenbedingungen
Das neue, auf knapp sechs Monate verlängerte Praktikum
im zweiten Schuljahr wird prinzipiell von Studierenden und
Lehrkräften befürwortet: Es bringt einen längeren und damit tieferen Einblick in die betrieblichen Abläufe. Dadurch
steigt während des Praktikums auch der Anteil der hochwertigen Leitungs- und Führungsaufgaben für die Praktikanten. Zudem bietet das schulische Pflichtpraktikum vielen Studierenden den ersten „richtigen“ Einblick in die
Arbeitswelt. Viele können Kontakte knüpfen, die für die zukünftige Stellensuche von Vorteil sind.
Zwei Tatsachen trüben allerdings die Begeisterung und
die Akzeptanz des verlängerten Praktikums für die Studierenden: Gleichzeitig mit der Lehrplanänderung wurde das
sog. „Meister-BaFöG“ ebenfalls geändert. Seit 2012 gibt es
für die Zeit eines Praktikums, das nicht als „ausgelagerter
fachpraktischer Unterricht“ mit mindestens zehn Prozent
der Praxiszeit durch die Schule betreut wird (oder alternativ
die Studierenden für diesen Zeitanteil in der Schule unterrichtet werden), keine finanzielle Unterstützung nach dem
„Meister-BaFöG“! Da diese Betreuung am Praktikumsort
personell nicht zu schultern ist und bei der Beschulung vor
Ort der Radius der Praktikumsorte sehr eingeschränkt
wäre, ist das für die Praktikanten unserer Schule eine große
finanzielle Belastung. Entweder finanzieren die Eltern in
dieser Zeit die Lebenshaltungskosten, oder es kommen nur
Praktikumsbetriebe in Frage, die bereit sind, eine Praktikumsvergütung zu zahlen. Schulische Pflichtpraktika sind
aber nicht mindestlohnpflichtig. Zudem müssen sich die
Studierenden für weiter entfernte Praktika im zweiten
Schuljahr entscheiden, ihren Wohnsitz in Triesdorf aufzugeben, einen Untermieter zu organisieren oder ihre Unterkunft zu halten, ohne dort wohnen zu können. Eine organisatorische Herausforderung für jeden Studierenden bzw.
jede Studierende, die bei der Lehrplanänderung nicht als
Problem erkannt wurde und seitdem für viele Diskussionen
sorgt.
26
Neuer Lehrplan „auf Probe“
Leider war es aufgrund der terminlichen Vorgaben nicht
möglich, den neuen Lehrplan zunächst zu „erproben“ –
ohne Änderung der zugrundeliegenden Schulordnung. In
einem „Schulversuch“ hätten der weitere Abstimmungsbedarf, unklare Regelungen und Reibungen zwischen (theoretischem) Lehrplan und (praktischem) Unterricht einfacher korrigiert werden können. Es hat sich z. B.
herausgestellt, dass das Fach „Diversifizierung und Existenzgründung“ mit einer theoretischen und einer praktischen Unterrichtsstunde pro Woche zwar im Stundenplan
gut „aussieht“, in der praktischen Durchführung aber
schnell an Grenzen stößt: In einer Praxisstunde pro Woche
kann keine Praxis durchgeführt werden. Aktuell wird der
Praxisunterricht geblockt. Das erfordert aber im Vollzeitunterricht sowohl von der Lehrkraft als auch von den Studierenden große Flexibilität und die Bereitschaft zu zeitlicher
„Vorarbeit“ bzw. „Nacharbeit“. Zwar findet man immer
pragmatische Lösungsmöglichkeiten innerhalb des organisatorischen Rahmens, aber eine Probephase hätte eine Optimierung noch vor der Festlegung möglich gemacht.
Kurze Übergangsphasen
„Alter“ und „neuer“ Lehrplan nebeneinander in der Durchführung – das zerrt an den Nerven aller Beteiligten. Ständige Vergleiche zwischen den Klassenstufen, die sich im
Lehrplan unterscheiden und eine ungute Konkurrenz zwischen dem „etablierten“, alten Abschluss und der neuen
Organisation erzeugen Erklärungsbedarf und kosten viel
Energie. Die Fragen der Studierenden treffen auf wenig
prägnante Antworten – vieles muss neu festgelegt werden,
und zwar erst dann, wenn die Frage das erste Mal gestellt
wird. Die alten Regeln gelten aber immer noch für einen
Teil der Studierenden. Das geht hin bis zum alten Namen
der Schule auf den Abschlusszeugnisformularen, obwohl
der neue Name schon seit zwei Jahren am Eingang und auf
dem Briefkopf steht. Könnte die Übergangsphase verkürzt
werden durch einen „Übergangslehrplan“ für zwei Jahrgänge, die mit „alt“ beginnen und dann aber mit „neu“ enden könnten? Oder wäre auch hier der befristete Schulversuch eine Lösung, die es erlaubt, dass nach zwei Jahren
„Testphase“ alle denselben „neuen“ Abschluss hätten? Die
dahinter stehenden juristischen Fragestellungen sind noch
zu klären.
Förderung der Akzeptanz
Keine Änderung von Lehrplan und Schulordnung geschieht grundlos. Diese Ursachen und Beweggründe müssen allen Beteiligten immer wieder deutlich gemacht werden. Vor allem Stimmen aus der Praxis sind hilfreich, um
SUB 1-2/2016
BILDUNG
Neuerungen zu begründen und den Sinn von anstrengenden und unruhestiftenden Neuheiten zu vermitteln. Die
Fachakademie erhielt diese Unterstützung während der
Umsetzung vor allem aus dem Prüfungsausschuss. Die dort
vertretenen Praktikerinnen begleiteten die Umsetzung
wohlwollend, kritisch und ehrlich. Die Anmerkungen trugen dazu bei, die Unterrichtsinhalte noch stärker auf die
Anforderungen der Berufswelt auszurichten. Ein starkes
Votum aus dem Prüfungsausschuss kam für den Erhalt und
die Betonung praktischer Unterrichtsinhalte. Diese werden
von den im Berufsleben stehenden Prüferinnen als unverzichtbar für das Profil und die Qualität des Fortbildungsberufes „Betriebswirt/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“ gesehen.
Alle Schulordnungen des StMELF werden nun auf den
Prüfstand gestellt und damit können die notwendigen Änderungen berücksichtigt werden.
VERONIKA MEND
DR. CLAUDIA HEIDBRINK
STAATLICHE FACHAKADEMIE
FÜR LANDWIRTSCHAFT
[email protected]
[email protected]
In Folge demografischer und gesellschaftlicher Herausforderungen wird die Bedeutung einer professionellen Hauswirtschaft
seit einigen Jahren intensiver wahrgenommen. Mit ihren individuellen Versorgungs-,
Betreuungs- und Serviceleistungen schafft
Hauswirtschaft Lebensqualität für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Aufgrund der immer anspruchsvolleren und komplexeren Tätigkeit nehmen
die Anforderungen und zwangsläufig auch
die Belastungen im Beruf zu. Der diesjährige TS-Kongress an der Technikerschule
in Kaufbeuren beleuchtet am Freitag, 11.
März 2016 , Uhr das Spannungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen
aus verschiedenen Blickwinkeln und geht
der Frage nach, ob beide Bereiche tatsächlich im Widerspruch zueinander stehen.
Im seinem Festvortrag Ernährung und
Versorgung – Der Zukunftsmarkt in
unserer modernen Gesellschaft betrachtet Ministerialdirektor Hubert Bittlmayer vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten München die Chancen, die eine
moderne Hauswirtschaft für die Gesellschaft bietet. Verschiedene Firmen und
Fachinstitutionen, z. B. FiGR, Hohenstein
Institute, kompass und das Fachzentrum
für Gemeinschaftsverpflegung konnten für Fachforen und Ausstellungen zu
SUB 1-2/2016
folgenden Themen gewonnen werden:
• Neuartige Fußbodenbeläge – pro
und contra bei der Reinigung und
Pflege
• Wie gehe ich als Führungskraft
mit schwierigen Mitarbeitern um?
• Chancen schaffen und nutzen –
Menschen mit Einschränkungen
erfolgreich im und für den
Betrieb
• Biolebensmittel in der Großküche
• Von der Energielampe zur
Biozertifizierung – Umwelt und
Nachhaltigkeitsmanagement in
der Katholischen Akademie in
Bayern
• Ausgewogen, gesund und
preiswert ernährt in Kita, Kiga
und Schule
• Trends beim Waschen im
Großhaushalt
• Was haben Düfte mit Sauberkeit
zu tun?
• Was eine HWL über Desinfektion
in der Objektreinigung wissen
sollte!
der Technikerschule für Ernährungs- und
Versorgungsmanagement Kaufbeuren.
Bereits am Donnerstag, 10. März 2016,
informiert ein Aktionstag unter dem
Motto Freude am Beruf mit Ernährungs- und Versorgungsmanagement
künftige Studierende und Interessierte
über die Bandbreite der Weiterbildung an
Information und Anmeldung unter
www.technikerschule-kaufbeuren.
bayern.de/121241/index.php
oder Telefon 08341 9002-0
Neben Schul- und Berufsinformationen
präsentieren die Studierenden der Technikerschule die Vielfalt der Hauswirtschaft
und den Einsatz moderner Geräte. Ehemalige berichten aus Ihrem Berufsalltag.
Staatliche Technikerschule für Agrarwirtschaft
Fachrichtung Ernährungs- und
Versorgungsmanagement
Aktionstag
Technikerschule für
Ernährungs-und
Versorgungsmanagement
Kaufbeuren
tag,
Donners
2016
10. März
r
– 14:00 Uh
r
Uh
5
8:1
kennenlernen
informieren
erleben
www.technikerschule-kaufbeuren.bayern.de
Technikerschule Kaufbeuren
27
BILDUNG
Im Spanungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen: Kongress und Aktionstag an TS in Kaufbeuren
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung
Biokoch Gilbert Bielen als Coach aktiv an der Salzachklinik in Fridolfing
von IRMGARD REISCHL: Die Salzachklinik Fridolfing in der Ökomodellregion Waginger
See-Rupertiwinkel verwendet in ihrem täglichen Speiseplan 20 Prozent Biolebensmittel
vorwiegend aus der Region. Dass das so ist, ist zu einem großen Teil Biocoach Gilbert Bielen
zu verdanken. Er hat unter der Leitung des Fachzentrums Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg die Küche der Salzachklinik von Mai bis Oktober 2015 bei der Umstellung auf BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung erfolgreich beraten und unterstützt.
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
„Die Bio-Produktion in Bayern soll bis zum Jahr
2020 verdoppelt werden“.
Dieses Ziel hat sich die Staatsregierung mit der Initiierung
des bayerischen Landesprogramms „BioRegio Bayern
2020“ gesetzt. Damit soll künftig die heimische Nachfrage
nach ökologischen Lebensmitteln stärker aus regionaler
Produktion gedeckt werden. Ein wichtiger Baustein des
Programms „BioRegio 2020“ ist der Wettbewerb „staatlich
anerkannter Öko-Modellregionen“, durch den ökologische, regionale Produkte aus dem ländlichen Raum einen
höheren Stellenwert bekommen sollen. Inzwischen sind
aus ganz Bayern 12 Verbünde als Modell-Regionen ausgewählt.
Es geht dabei nicht nur um die Steigerung des Anteils
an Bio-Produktion, sondern auch um regionale Identität
und um einen wertschätzenden Umgang mit der Natur. Ein
Tätigkeitsschwerpunkt der Öko-Modellregionen ist u. a. die
kommunale Unterstützung durch heimische Biolebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung. Im Rahmen des Ernährungskonzeptes soll dem Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ eine noch breitere Aufmerksamkeit verschafft werden. Zu diesem Zweck hat das StMELF im
Juli 2014 ein von den Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung der jeweiligen Ökomodellregionen angebotenes und öffentlichkeitswirksames Coachingprogramm mit Gilbert Bielen als „Gesicht“ der Gemeinschaftsverpflegung gestartet. Gilbert Bielen ist Küchenleiter im
Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut und kocht dort
seit 2008 zu 100 Prozent mit Bio-Lebensmitteln.
28
Arbeitsgruppe BioRegio in der GV stellt Weichen
Im Juli 2014 berief das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), Referat Ernährungsstandards und Qualitätssicherung, eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des KErn und der Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) ein, um die
genauen Eckdaten, sowie die detaillierte Vorgehensweise
des BioRegio-Coachings abzustecken. Entsprechende Unterlagen, wie z. B. die Coachingvereinbarung, ein Fragebogen für interessierte Einrichtungen und der genaue Ablaufplan des Coachings wurden entworfen. Auch sollten BioRegio-Coachings über die jeweiligen Fachzentren Ernährung/
Gemeinschaftsverpflegung schwerpunktmäßig in den
Öko-Modellregionen angeboten werden. Die Kontakte laufen über die Projektmanager der Ökomodellregionen. Die
Fachzentren Ökologischer Landbau der ÄELF können als
Vermittler dienen.
Günstige Situation am AELF Ebersberg
Am AELF Ebersberg sind die beiden Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung und Ökologischer Landbau vertreten. Von Anfang an ist hier von Seiten der Abteilungs- und jeweiligen Fachzentrumsleitungen sowohl eine
große Offenheit gegenüber dem Thema „BioRegio in der
Gemeinschaftsverpflegung“, als auch die Bereitschaft, sich
in dieser Sache zu engagieren, vorhanden. Bereits 2012
wurde der 1. „Oberbayerische Ökotag GV“ gemeinsam von
beiden Fachzentren durchgeführt, der seither alle zwei
Jahre wiederholt wird. Von Juli 2014 bis Ende Dezember
2015 testete das Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung in Ebersberg das Modellprojekt „BioRegio in
SUB 1-2/2016
→ Bild 1: Biokoch Gilbert Bielen beim Koch-Event in Fridolfing
→ Bild 2: Beim Coachingtreffen wird gearbeitet
der Kita“. Überdies sind im Dienstgebiet des östlichen
Oberbayern 2014 die beiden Öko-Modellregionen „Waginger See-Rupertiwinkel“ und „Isental“ ins Leben gerufen
worden. 2015 kam noch das „Miesbacher Oberland“ dazu.
Die Arbeit des Fachzentrums Ökologischer Landbau Oberbayern erleichterten die Kontakte zu den jeweiligen Projektmanagern der Modellregionen.
Aufgrund der großen Begeisterung für das Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ und der Tatsache,
dass die von der Arbeitsgruppe „BioRegio in der GV“ erarbeiteten Konditionen für das Coachingprojekt bekannt waren, stellte das Ebersberger Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung den beiden Ökomodellregionen
noch Ende Juli 2014 das Coachingprojekt mit Gilbert Bielen
vor. Bereits im folgenden Sommer konnte ein Termin für
die 1. Veranstaltung, ein Kochevent im Oktober 2014, vereinbart werden. Der Auftakt mit dem Biocoach in der Region Isental folgte im Februar 2015.
stehend aus Biocoach Gilbert Bielen, Projektmanagerin
Marlene Berger-Stöckl und Fachzentrumsleiterin Irmgard
Reischl, von Anfang an die Verpflegungssituation der teilnehmenden Einrichtungen und ihr eventuelles Interesse
am Coaching bekannt. Das Kochevent richtete sich an Küchenverantwortliche und Entscheidungsträger von GV-Einrichtungen, sowie an kommunale Vertreter und sollte in einer Schulküche der Modellregion stattfinden. Besonders
wichtig war dabei, dass die verwendeten Bio-Lebensmittel
weitgehend aus der Modell-Region bezogen wurden. Die
liefernden Bauern wurden deshalb zur Veranstaltung eingeladen. Fachzentrumsleiterin Irmgard Reischl, bei der die
Federführung für das Event lag, zog am Ende der Auftaktveranstaltung in Fridolfing Resümee:
Kochevent als öffentlichkeitswirksamer Auftakt
Schnell war klar, dass durch ein öffentlichkeitswirksames
Kochevent zu Beginn zum einen das Thema „BioRegio in
der Gemeinschaftsverpflegung“ in die Fläche der Öko-Modellregion getragen werden kann, zum anderen den verschiedenen Einrichtungen durch das gemeinsame Kochen
Appetit auf BioRegio gemacht wird. Außerdem konnte auf
diese Weise am besten eine geeignete interessierte GV-Einrichtung für ein BioRegio-Coaching ermittelt werden. Das
Fachzentrum stellte dazu den Projektmanagern Vorlagen
für die Einladung zum Kochevent zur Verfügung. Die Projektmanager vor Ort organisierten die Veranstaltungen im
Detail. Die teilnehmenden Einrichtungen bzw. Betriebe
mussten mit der Anmeldung zum Kochevent einen ausgefüllten Fragebogen zu ihrem Haus, sowie einen Vier-Wochen-Speiseplan einreichen. So war den Veranstaltern, be-
SUB 1-2/2016
„Der Startschuss ist gefallen. Den letzten Ruck
zur Teilnahme am BioRegio-Coaching muss
sich die Einrichtung jetzt selbst geben“.
Was lange währt, wird endlich gut
Erklärtes Ziel des BioRegio-Coachings ist, eine Einrichtung
zu finden, die bereit ist, einen Grundstein „Bio“ zu legen,
der dauerhaft Bestand hat. Eine wichtige Erfahrung im Rahmen des Coachings bestand darin, dass es durchaus lange
(Bedenk-) Zeit braucht, bis eine geeignete Einrichtung fürs
Coaching gefunden ist. Das kann verschiedene Gründe haben:
→→ Die Öko-Modellregion hat wegen ihrer geringen
Größe nur wenige GV-Einrichtungen.
→→ Es sind zu wenige Essenszahlen vorhanden, um ein
Coaching zu vertreten.
→→ Der personelle Engpass lässt keine Kapazitäten für
ein Coaching frei.
29
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
In der Ökomodellregion „Waginger See/Rupertiwinkel“
stand bald fest, dass mit der Küche der Salzachklinik Fridolfing ein geeigneter Coachingpartner gefunden war. Sowohl der Fridolfinger Bürgermeister Johann Schild, als auch
die stellvertretende Küchenleiterin der Klinik Maria Stadler
waren bereits beim Kochevent dem Vorhaben gegenüber
sehr aufgeschlossen. Trotzdem hat es noch bis Mai 2015 gedauert, bis die Coachingvereinbarung unterschrieben und
das BioRegio-Coaching mit Gilbert Bielen begann. Bei der
Gemeinde Fridolfing, Träger der Klinik, mussten vorab noch
etliche Gremien und Ausschüsse gehört und Beschlüsse
gefasst werden, bis es los gehen konnte. Das hat natürlich
Marlene Berger-Stöckl, Projektmanagerin der Ökomodellregion, und Irmgard Reischl vom Fachzentrum in Ebersberg viel Geduld gekostet. Letztendlich zahlte sich allerdings der starke Wille, trotzdem dranzubleiben, aus und
das Warten hatte sich gelohnt, denn beim Start des Coachings war klar:
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
„Jetzt stehen wirklich alle voll und ganz
dahinter“.
Salzachklinik Fridolfing erste gecoachte Klinik
Nachdem sich die Salzachklinik Fridolfing als erste Klinik in
Bayern entschieden hat, am Coachingprojekt teilzunehmen, wurde eine entsprechende Coachingvereinbarung
zwischen der Salzachklinik und dem Amt für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten Ebersberg abgeschlossen.
In vier Arbeitstreffen von Mitte Mai bis Ende Oktober
2015 ging es darum, gemeinsam mit allen Beteiligten – BioKoch Gilbert Bielen, dem Küchenteam, den Verantwortlichen der Gemeinde, den Lieferanten sowie in enger Zusammenarbeit mit Irmgard Reischl (AELF Ebersberg) und
Marlene Berger-Stöckl von der Ökomodellregion, herauszufinden: „Was ist machbar und passt zu uns?“.
Einen Tag lang hospitierte Gilbert Bielen dafür in der Fridolfinger Klinikküche und nahm von der Küchenausstattung über den Einkauf, das Küchenteam, die Lieferanten,
die Lagerung bis hin zur Speiseplanung alle Bereiche unter
die Lupe. Im Anschluss gab es eine Nachbesprechung mit
dem Team der Küchenleitung.
Bio nicht um jeden Preis
Die Küche der Salzachklinik ist seit mehr als acht Jahren fast
ausschließlich auf regionale Lebensmittel ausgerichtet, die
außerdem gentechnikfrei sein müssen. Längst ist die Küche
(mit Konzept, Küchenteam, Lieferanten und 20 Prozent BioKüche) ein fester Bestandteil des Leitbilds der Klinik und
auch im Patientenordner, dem Klinikjournal und auf der
Homepage (www.salzachklinik-fridolfing.de) zu finden.
30
→ Bild 3: Eine Urkunde bestätigt die Teilnahme am
Coachingprojekt
Beim Coaching kristallisierte sich schnell heraus, was
man will: Bio nicht um jeden Preis, sondern als sinnvolle Ergänzung zu den regionalen Lebensmitteln. Es sollten keine
Bio-Produkte eingesetzt werden, die z. B. von weit her bezogen werden müssen. Biologische Erzeugung sollte mit Regionalität verknüpft sein. Die große Stärke der Klinikküche –
alle Gerichte werden aus frischen Produkten selbst zubereitet – kann jedoch dazu genutzt werden, saisonale frische
Bioprodukte in den Menüplan mit aufzunehmen. So fasste
der Krankenhausausschuss den Beschluss zu einer freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung. In Zukunft werden 20
Prozent des Klinik-Budgets für Lebensmittel, das entspricht
in etwa 20 000 Euro jährlich, für Bioprodukte ausgegeben,
die zudem regional erzeugt sind. Künftig stehen Milchprodukte, Eier, Obst, Gemüse und Geflügel in regionaler BioQualität auf dem Speiseplan der Klinik in Fridolfing.
„Eine Klinikküche, die so handwerklich arbeitet wie hier in der Salzachklinik Fridolfing, ist
inzwischen leider die Ausnahme geworden“,
SUB 1-2/2016
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
Johann Schild alle Beteiligten und die Presse in den Mehrzweckraum der Salzachklinik eingeladen, sich von
dem Erfolg zu überzeugen: Alle waren gekommen und haben das feine Essen genossen
so Gilbert Bielen, der mit dem Coaching seine Erfahrungen als Bio-Küchenleiter der Kinderklinik Landshut weitergab.
Die Tischgäste danken dem Küchenteam den Mehraufwand
gegenüber fertigen Convenience-Produkten in der Regel mit
viel Lob, wie die Salzachklinik bestätigen konnte. Bei der Abschlussbesprechung Ende Oktober 2015 wurde ein „Nachcoaching“ im Sommer 2016 vereinbart, um zu sehen, wo die Küche der Salzachklinik in Sachen BioRegio bis dahin steht.
Bio-Produkte vom regionalen Kleinbauern
Ein Beispielbetrieb für Bio-Freilandgeflügel ist der etwa
zehn Kilometer entfernte gemischte Hof von Sebastian Kettenberger aus Tittmoning, der Hühner und Puten nach BioKriterien an die Klinik liefert. Als wichtige Erkenntnis des
Coaching ist zu betonen, dass neben den „Edelteilen“, wie
der Brust, das Fleisch des gesamten Tieres mit verarbeitet
wird. Dies ist nur dort möglich, wo noch handwerklich, wie
beispielsweise bei Küchenchef Albert Spitz und Maria Stadler in der Salzachklinik, gekocht wird. Damit kann der höhere Preis für das Bio-Freilandgeflügel mit selbst erzeugtem
Ökogetreide dennoch in der Gesamtrechnung gesenkt werden. Vorteile der biologischen Geflügelproduktion liegen
darin, dass die Hühner ganzjährig Auslauf haben und die
doppelte Zeit zum Heranwachsen besitzen, was die Fleischqualität zudem wesentlich beeinflusst. Bauer Kettenberger
bedankte sich bei der Gemeindeverwaltung und der Klinikleitung für die neue Partnerschaft und betonte:
„Eine verlässliche Lieferbeziehung sei für das
Küchenteam wie für den kleinbäuerlichen
Betrieb gleichermaßen wichtig.“
SUB 1-2/2016
Resümee zum Coaching der Salzachklinik Fridolfing
Das Fridolfinger Küchen-Team wurde zum BioRegio-Coaching befragt: „Wir sind wirklich sehr zufrieden, sowohl mit
der Unterstützung durch den Biocoach als auch durch das
Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung. Wir
haben mit dem Coaching wieder einen Anstoß zum Besinnen auf das „Küchenhandwerk“ bekommen, kamen raus aus
dem Trott und wollen jetzt so viel wie möglich frische und
bio- regionale Lebensmittel in der Verpflegung einsetzen.
Des Weitern konnten wir die Erfahrung machen, welche Lebensmittel in Bioqualität für Großverbraucher gut beziehbar
sind und in welchen Lebensmittelbereichen es noch Defizite
am Bioangebot in der Region gibt.“ Diese Aussage wird
durch die schriftliche Evaluierung zum Ende des Coachings
bestätigt.
Das zuständige Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung in Ebersberg bleibt weiter am Thema
„BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ dran und unterstützt bei allen Fragen dazu. Erste Kontakte zur Projektmanagerin der Ökomodellregion „Miesbacher Land“ sind
geknüpft und die Kontakte zu den beiden oberbayerischen
Öko-Modellregionen „Waginger See-Rupertiwinkel“ und
„Isental“ werden weiter gepflegt.
IRMGARD REISCHL
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND
FORSTEN EBERSBERG
[email protected]
31
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
→ Bild 4: Zum Abschluss des Coachingprojekts „BioRegio“ an der Salzachklinik Fridolfing hatte Bürgermeister
Die Molkerei Piding hat
sich mit Bioprodukten bereits überregional einen Namen gemacht. Sie arbeitet
jedoch kontinuierlich weiter
am Ausbau ihres Biosortiments, wie Eduard Dufter
berichtete. Für Gemüsehändler Manfred Weber ist
die Erweiterung seines Sortiments auf Bioprodukte
noch keine Selbstverständlichkeit, aber eine neue Erfahrung, die er gerne ausbauen möchte, wenn die
Nachfrage nach Bioprodukten in Großküchen weiter
steigt.
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
Gut ernährt ins Leben
KErn stellt GeliS auf Fortbildung für Hebammen vor
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
von EVA ROSENFELD: Die Ernährung während der Schwangerschaft und in der frühen Kindheit hat großen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, sein Wohlbefinden, spätere Essgewohnheiten und seine Gesundheit. Die Fortbildungsveranstaltung für Hebammen „Gut
ernährt ins Leben“ der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft am 7. Oktober
2015 in Nürnberg nahm Trends und Risiken in diesem Themenfeld unter die Lupe. Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) stellte das Projekt „Gesund leben in der Schwangerschaft
– GeliS“ bei der mit rund 90 Hebammen gut besuchten Veranstaltung mit einem Stand vor.
Im Rahmen der GeliS-Studie, die das KErn in Kooperation mit
der Technischen Universität München-Weihenstephan
durchführt, konnten bereits über 2 200 schwangere Frauen
aus zehn bayerischen Regionen in den Dienstbezirken der
Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung an den
Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Regensburg, Fürth, Bayreuth, Fürstenfeldbruck und Würzburg
erreicht werden. Die Hälfte der Schwangeren erhält drei ausführliche Beratungsgespräche zu den Themen Ernährung
und Bewegung in der Schwangerschaft sowie ein zusätzliches Beratungsgespräch nach der Geburt des Kindes. Aussagekräftige Ergebnisse zu den Auswirkungen eines gesunden
Lebensstils während der Schwangerschaft und in der frühen
Kindheit auf Übergewicht, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie die spätere Gesundheit von Mutter
und Kind werden erwartet (Näheres zu GeliS in SuB, 1-2/2015,
S.61-64). KErn erstellte in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern die Studien- und Schulungsunterlagen und
übernimmt die zentrale Koordinierung. Die Projektmanagerinnen „Ernährungsbildung“ an den Fachzentren Ernährung/
Gemeinschaftsverpflegung koordinieren die Studie vor Ort
in den Studienregionen und führen die Schulungen der GeliS-Beraterinnen und -Berater durch. Langfristig kann das
GeliS-Lebensstilinterventionsprogramm, bei erfolgreichem
Verlauf, die bestehende Routinevorsorge von Schwangeren
erweitern.
Die Vorträge im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung
für Hebammen machten deutlich, dass spezielle Aufmerksamkeit auf die Schwangerschaft und frühe Kindheit gerichtet werden muss, denn diese Lebensphase ist entscheidend
für die weitere Entwicklung und Gesundheit des Kindes.
Vegane Ernährung problematisch für Säuglinge
Diplom-Oecotrophologin und Ernährungstherapeutin in
eigener Praxis Dr. Claudia Laupert-Deick aus Bonn berich-
32
tete, dass eine vegane Ernährung im
Säuglingsalter nach
Aussage des Forschungsinstituts für
Kinderernährung
und der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung ungeeignet
ist. Bedarfsdeckend
kann eine vegane
Kost für Säuglinge
nur unter EinbezieWeichen stellen für
hung spezieller und
die Gesundheit von
angereicherter LeMutter und Kind
bensmittel bzw. SupIndividuelle Beratung zu einem gesunden
Lebensstil in der Schwangerschaft und
plemente sein. Bei
nach der Geburt
veganer Beikost sind
> ausgewogene Ernährung
> regelmäßige Bewegung
folgende Nährstoffe
> angemessene Gewichtszunahme
kritisch: Vitamin D, Ei> Verzicht auf Alkohol und Rauchen
sen, Jod, Zink, Calcium, α-Linolensäure,
Vitamin B2, Vitamin
B12 und Protein. Die
Referentin unterstrich ihre Ausfühwww.KErn.bayern.de
rungen zur kritischen
Nährstoffversorgung
→ GeliS – Ein Programm für einen gesundbei Kindern im Säugheitsförderlichen Lebensstil (Foto: KErn)
lingsalter, die vegan
ernährt werden, mit
der Software gestützten Nährwertanalyse von Ernährungsplänen. Auch bei
veganer Ernährung Schwangerer und Stillender ist die Nährstoffversorgung oftmals kritisch. Deshalb wird von einer solBayerische Staatskanzlei
Bayerisches Staatsministerium
des Innern
Bayerisches Staatsministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz
Bayerisches Staatsministerium für
Wissenschaft, Forschung und Kunst
Bayerisches Staatsministerium für
Unterricht und Kultus
Bayerisches Staatsministerium
der Finanzen
Das GeliS-Projekt wird gefördert durch:
Weitere Unterstützer:
Bayerisches Staatsministerium für
Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
Bayerisches Staatsministerium für
Umwelt und Gesundheit
Bayerisches Staatsministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Bayerisches Staatsministerium für
Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Fachzentren Ernährung/
Gemeinschaftsverpflegung
an den Ämtern für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
in Fürstenfeldbruck,
Regensburg, Bayreuth,
Fürth und Würzburg
Gesund. Leben. Bayern.
Bayerisches Staatsministerium für
Gesundheit und Pflege
SUB 1-2/2016
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
→ Dr. Claudia Laupert-Deick aus Bonn nimmt den Trend zur veganen
Ernährung unter die Lupe (Foto: Landesvereinigung der Bayerischen
Milchwirtschaft)
chen Ernährungsform in dieser Zeit abgeraten. Eine vegetarische Ernährung mit Verzicht auf Fleisch und unter Einbeziehung von Milch, Milchprodukten und Eiern (Ovo-Lakto-Vegetarier) bedarf der besonderen Berücksichtigung verschiedener Nährstoffe sowohl in der Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit als auch im Kindes- und Jugendalter. Als
potentiell kritische Nährstoffe gelten für Ovo-Lakto-Vegetarier im Kindes- und Jugendalter Eisen, Jod, Vitamin D, Zink
und Omega-3-Fettsäuren und Calcium. Mit einer ovo-laktovegetarischen Ernährung, bei der Lebensmittel gezielt ausgewählt und kombiniert werden, ist eine insgesamt gute
Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft möglich, mit
Ausnahme von Vitamin D und der generell zu supplementierenden Nährstoffe Folsäure und Jod sowie – je nach ärztlich
festgestelltem Eisenstatus – gegebenenfalls auch Eisen.
Trends in der Beikost und ihre Bewertung
Oecotrophologin Monika Ziebart von der Praxis für Ernährungstherapie und -beratung „Gesund + wohlgenährt“ aus
München hob die Bedeutung der bundesweit einheitlichen
von verschiedenen Fachgesellschaften und Berufsgruppen
getragenen Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ zur Säuglingsernährung hervor, die den Nährstoffbedarf des Säuglings optimal decken. Die Deckung des Nährstoffbedarfs ist möglicherweise nicht gesichert bei neuen Trends in der Bei­
kosteinführung, wie dem Baby-led weaning (oder: Beikost
nach Bedarf). In dem Konzept der britischen Kinderkrankenschwester Rapley steht das spielerische Entdecken und Erfahren von Nahrung im Vordergrund – das Baby führt seine
Beikost ein, in dem es sich mit Fingerfood selbst füttert. Um
der Verunsicherung der Eltern entgegenzuwirken, rät Ziebart, Eltern auf Grundlage der Handlungsempfehlungen des
SUB 1-2/2016
Schwangerschaftsdiabetes erkennen und behandeln
Helmut Nußbaumer vom Diabetes Schulungszentrum in
Burghausen unterstrich die Bedeutung eines Screenings zur
Diagnose einer Schwangerschaftsdiabetes. Hierbei ist ein
oraler Glukosetoleranztest (mit 75g Glukose) noch zuverlässiger als der derzeit in Deutschland praktizierte und in den
Mutterschaftsrichtlinien enthaltene Suchtest (nicht nüchtern
mit 50g Glukose-Belastung). Der Diabetesberater informierte weiterhin darüber, wie ein Behandlungsplan für eine
Schwangere mit Gestationsdiabetes in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis erstellt wird. Der Ernährungsberatung kommt als erste therapeutische Maßnahme dabei eine
Schlüsselfunktion zu. Ca. 85 Prozent der Schwangeren mit
Gestationsdiabetes kommen ohne Pharmakotherapie durch
Insulin aus und können die angestrebten Blutzucker-Zielwerte allein durch Änderung ihres Ernährungs- und Bewegungsverhaltens erreichen. Auch eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für Schwangerschaftsdiabetes. Mit Beispielen aus der
Praxis erläuterte Nußbaumer wie ein massiver Blutzuckeranstieg vermieden werden kann, z. B. indem Fruchtsäfte vermieden und vermehrt Hülsenfrüchte gegessen werden.
Nach der Entbindung verringern dann Stillen und ein gesunder Lebensstil der Mutter mit der Diagnose Gestationsdiabetes das hohe Risiko, später an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken.
Gesundheitsförderung gemeinsam angehen
In der sensiblen Phase der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes bietet sich die einzigartige
Chance mit einem gesunden Lebensstil die Weichen für das
Kind positiv zu stellen. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sowie der Verzicht auf Alkohol und
Rauchen sind wichtige Bausteine für eine komplikationslose
Schwangerschaft und für ein gesundes Leben des Kindes.
Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten dieser Herausforderung
stellen müssen. Denn Gesundheitsförderung und Prävention sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nur im Zusammenspiel verschiedener Akteure erfolgreich gelöst werden können.
EVA ROSENFELD
KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG
FREISING
[email protected]
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GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
Netzwerks zu beraten, wobei eine Ergänzung des Ernährungsplans mit Fingerfood gut möglich ist.
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
Gesund und fit bei Demenz
Die UGB informiert über eine ausgewogene Ernährung und die Bedeutung von
Bewegung bei Demenzkranken
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
von ALINA REISS: Etwas vergesslich geworden – wer kennt das nicht im Alter. Doch wenn
dahinter eine Erkrankung des Gehirns steckt, wird es nicht nur für die betroffene Person,
sondern auch für deren Angehörige zu einem gravierenden Einschnitt in den bisherigen
Alltag. Welche Bedeutung hat körperliche Aktivität bei Demenz und wie sieht eine bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffversorgung aus? Diese Fragen machte die Unabhängige
Gesundheitsberatung e. V. (UGB) bei ihrer dreitägigen Tagung „Alter und Demenz“ im
Edertal bei Kassel zum Thema 1). Der aktuelle Stand aus Medizin, Forschung und Ernährungswissenschaft kam genauso zur Sprache wie die Bedeutung von täglicher Bewegung.
Möglichst lange geistig fit bleiben – das möchte jeder. Allerdings nimmt die Prävalenz von Demenzerkrankungen im
Verlauf der vergangenen Jahre mit steigender Tendenz zu.
Derzeit sind etwa 1,1 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der
Begriff „Demenz“ oft gleichbedeutend mit der AlzheimerErkrankung gesetzt. Jedoch handelt es sich bei der Demenz
um einen Oberbegriff für die Verschlechterung kognitiver
Fähigkeiten, die nicht auf äußere Einflüsse oder im Rahmen
von Bewusstseinstrübungen (Delir) im Laufe des Lebens
auftreten. Neben dem Gedächtnis sind insbesondere visuell-räumliche Orientierung, Sprache, Aufmerksamkeit und
exekutive Funktionen, wie planerisches Denken und Urteilen, betroffen. Es gibt viele verschiedene Arten von Demenz-Erkrankungen, die sich in Ursache, Symptomen und
Verlauf unterscheiden. Die Demenz vom Alzheimertyp
kommt mit 60 Prozent am häufigsten vor. Um lange geistig
fit zu bleiben sind eine ausgewogene Ernährung und körperliche Aktivität zwei wesentliche Voraussetzungen. Auch
die Entstehung und der Verlauf einer Demenz­erkrankung
kann sowohl durch körperliche Aktivität, als auch durch einige Nährstoffe positiv beeinflusst werden.
Essen und Vergessen – wie hängt das zusammen?
Das Auftreten einer Demenz ist von vielen Faktoren abhängig. Neben genetischen Merkmalen, verschiedenen Krankheiten (Metabolisches Syndrom, Schädel-Hirn-Traumata)
und Risikofaktoren, wie Rauchen und Alkoholkonsum, spielen auch die soziale Eingebundenheit und körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle. Weiterhin kommt insbesondere der Ernährung eine wesentliche Bedeutung zu. Vor
diesem Hintergrund lag der Fokus der UGB-Tagung auf der
Frage, ob man über die Ernährung dem kognitiven Fähig-
keitsverlust vorbeugen kann. Diskutiert wird an dieser
Stelle, dass bestimmte Nährstoffe die Krankheitsentstehung verzögern. Im Wesentlichen handelt es sich dabei vor
allem um Vitamin B12, Vitamin D, diverse Antioxidanzien,
langkettige Fettsäuren und Schwermetalle (z. B. Aluminium, Quecksilber). Beispielsweise soll eine schlechtere Vitamin B12-Versorgung nach aktueller Studienlage das Demenzrisiko erhöhen. Als Ursache wird ein Anstieg der Homocysteinkonzentration bei Vitamin B12-Defizit genannt,
welcher sich negativ auf die kognitiven Leistungen auswirkt [1]. Demgegenüber reduzieren hohe HolocobalaminWerte die Alzheimer-Wahrscheinlichkeit [1]. Eine frühzeitige, ausreichende Vitamin B12-Versorgung und gegebenenfalls auch eine Supplementation im Krankheitsverlauf
sind deshalb anzuraten. Weiterhin werden niedrige Blutspiegel an Vitamin D sowie den Antioxidanzien Vitamin E,
Vitamin C und Selen mit einem höheren Demenzrisiko assoziiert. Eine Supplementation scheint allerdings hier zu
keiner Reduktion des Risikos zu führen. Außerdem werden
arteriosklerotische, thrombotische und entzündliche Prozesse in der Demenz-Entwicklung beobachtet. Insbesondere gesättigte Fettsäuren, Übergewicht und Insulinresistenz lösen inflammatorische Prozesse aus. Vor diesem Hintergrund gilt ein günstigeres Fettsäuremuster mit einem
hohen Anteil an ω3-Fettsäuren und einem geringen Anteil
an Trans-Fettsäuren sowie gesättigten Fettsäuren als günstig. Dies ist durch den Verzehr von fettreichen Seefischen
(Hering, Lachs, Makrele) sowie ω3-fettsäurereichen Pflanzenölen (Lein-, Rapsöl) erreichbar. Die in Folge von Insulinresistenz auftretenden hohen Blutzuckerspiegel bedingen
eine schlechtere Verwertung von Glucose im Gehirn. Glucose stellt jedoch das Hauptenergiesubstrat für das Gehirn
dar, weshalb es bei verminderter Insulinsensitivität und
AA 1) Alle Informationen dieses Artikels basieren auf den Unterlagen zur Tagung „Alter und Demenz – Ernährung im Fokus“ der UGB in Kassel-Bringhausen (2015)
34
SUB 1-2/2016
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
© 2011)
hohen Glucosekonzentrationen sowohl zu einer energetischen Unterversorgung des Gehirns kommen kann, als auch
zu neuronalen Schäden. Die Folge sind Veränderungen der
Gehirnstruktur und der Gedächtnisleistung und eine daraus
resultierende Einschränkung kognitiver Fähigkeiten. [2]
Die Ernährung von Demenzpatienten
Das Essverhalten ändert sich oftmals bei vielen Demenzpatienten im Krankheitsverlauf. Dahinter stecken, neben den
normalen, altersabhängigen Veränderungen (z. B. sinkender Grundumsatz und reduziertes Durstempfinden, Kauund Schluckbeschwerden oder Verdauungsprobleme), insbesondere der vermehrte oder verminderte Bewegungsdrang, die veränderte Wahrnehmung von Speisen, Appetitlosigkeit und Desorientierungen. Viele betroffene Personen sind zur normalen, regelmäßigen Nahrungsaufnahme
aufgrund physiologischer und mechanischer Störungen
nicht mehr fähig. Zur Vorbeugung von Mangelernährung,
Dehydratation und Gewichtsproblemen (Über- oder Untergewicht), welche gravierende Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung nehmen können, gilt es, sowohl die Lebensmittelauswahl, die Konsistenz der Speisen, als auch
Rahmenbedingungen, wie die Gestaltung des Speisesaals,
die Verwendung von speziellem Geschirr und das Zeitmanagement zu beachten. Dem Essen mit allen Sinnen kommt
dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Über den noch funktionierenden Geruchssinn kann mit Hilfe von Aromastoffen
der Appetit angeregt werden. Klare Formen und kräftige
Farben erleichtern es, das Essen visuell wahrzunehmen.
Fingerfood kann häufig eine gute Alternative sein, wenn
bei motorischen Einschränkungen das Essen mit Messer
und Gabel nicht mehr möglich ist. Für Demenzpatienten
werden fünf bis sechs Mahlzeiten empfohlen, um den Verdauungstrakt zu entlasten und die Bekömmlichkeit zu verbessern. Bei der Lebensmittelauswahl ist grundsätzlich auf
eine hohe Nährstoffdichte bei geringem Energiegehalt zu
SUB 1-2/2016
→ Bild 2: Frühstücksschaum – Brötchen mit Marmelade und Milchkaffee
(Katharina Jaeger © 2011)
achten, da mit Ausnahme der Personen, die einen erhöhten
Bewegungsdrang zeigen, oftmals vermehrt Apathie und
Bewegungsarmut zu beobachten sind.
Erfahrungen aus der Praxis
In seinem Vortrag „Kochen und Essen mit Demenzpatienten“ zeigte Küchenleiter Herbert Thill Erfahrungen aus der
Praxis. Zentrales Thema des Vortrags war, wie eine gesunde
Ernährung in allen Krankheitsstadien realisierbar ist. Dies erfordert, neben viel Kreativität und Engagement in der Küche
und beim Pflegepersonal, den Einsatz verschiedener Kostformen.
Von Fingerfood über püriert, passiert oder flüssig –
Smoothfood war hier das Thema. Das Ziel dabei ist es, die
pürierten Mahlzeiten wie die ursprünglichen Lebensmittel
aussehen zu lassen (siehe Bilder).
Mehr Bewegung für ältere Menschen
Neben der Ernährung spielt auch körperliche Aktivität eine
entscheidende Rolle für die geistige Fitness. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass körperliche und geistige Bewegungsarmut meistens die Hauptgründe für den Verlust von
physischer und kognitiver Leistungsfähigkeit darstellen.
Umgekehrt gilt, dass regelmäßige körperliche Aktivität das
biologische Altern verlangsamt und lange fit und dynamisch
hält. Der Stärkung des Herz-Kreislaufsystems durch regelmäßiges Ausdauertraining kommt dabei eine Schlüsselrolle
zu. Außerdem werden durch die bessere Sauerstoffversorgung und Blutzirkulation des Körpers und des Gehirns kognitive Fähigkeiten gefördert. Der Prozess des „geistigen Verfalls“, bestehend aus dem Substanzverlust an Hirnmasse
und der verminderten Zellaktivität, wird damit verlangsamt.
In diesem Kontext wirkt sich regelmäßige körperlicher Aktivität nicht nur präventiv auf Demenzerkrankungen aus, sondern sie zeigt auch positive Wirkungen auf den Krankheitsverlauf. Damit ein Ausdauertraining gesundheitsförderliche
35
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
→ Bild 1: Beispiel für eine fein pürierte und gelierte Kost (Katharina Jaeger
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
Auswirkungen hat, sollte man mindestens zwei- bis dreimal
pro Woche für 20 bis 30 Minuten trainieren, ergänzt durch
Kraft-, Koordinations- und Dehnungsübungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene aller
Altersgruppen 150 Minuten Alltagsbewegung und 75 Minuten Sport am Tag. Im Bereich der Alltagsaktivität werden
10 000 Schritte pro Tag als Orientierungsgröße angegeben. [3]
Fazit
Zusammenfassend wird nach aktuellem Wissensstand für ältere Menschen, insbesondere für Demenzpatienten, sowohl
präventiv, als auch im Krankheitsverlauf eine ausgewogene,
nährstoffdichte Ernährung auf Basis von Obst, Gemüse,
Getreide- und Milchprodukten sowie ausreichend körperliche Bewegung empfohlen. Es sollten vor allem Lebensmittel
mit hoher Nährstoffdichte ausgewählt werden. Die Ernährung sollte möglichst ballaststoffreich, Omega 3-fettsäurereich und vitaminreich sein. Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist von großer Bedeutung. Auf Grund des
Gedächtnisverlustes und der abnehmenden Geschmacksinne ist jedoch das Essen für die Betroffenen oft eher auf
Traditionen und (Kindheits-)Erinnerung anstatt auf Gesundheitswert und sensorische Wahrnehmung zurückzuführen.
Deshalb kann es zur Verbesserung des Essverhaltens, gerade
bei unterernährten Demenzpatienten, sinnvoller sein, die
gewünschte Kost anzubieten, anstatt strenge Diätvorschriften einhalten zu wollen.
Literatur
[1] HOOSHMAND B. ET AL. (2010). Homocystein and holotranscobalamin and the risk of Alzheimer disease. In: Neurobiology 75:1408-1414
[2] Zusammenfassung des Vortrags von Dipl. oec. troph. HansHelmut Martin (2015). Essen und Vergessen – wie hängt
das zusammen. UGB-Tagung, Edertal-Bringhausen;
www.ugb.de
[3] WHO (2010). Global Recommendations on Physical Activity for
Health
[4] Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) (2015).
Unterlagen der UGB-Tagung. Alter und Demenz – Ernährung im Fokus. www.ugb.de
ALINA REISS
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN EBERSBERG
FACHZENTRUM ERNÄHRUNG/
GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG
[email protected]
Geschmackerinnerungen und die Bedeutung des Essens im Alter
Das Kompetenzzentrum für Ernährung
(KErn) richtete am 21. Oktober 2015 in
München im Auftrag des Bayerischen
Staatsministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten eine Fachtagung für Träger und Leiter stationärer Senioreneinrichtungen aus. Dr.
Ester Gajek stellte dabei die Bedeutung
von Geschmackserinnerungen heraus.
Die Geschmackserinnerungen fungieren
wie ein Schlüssel: „Sie öffnen die Türen
zur eigenen Geschichte und Identität", so
erklärte die vergleichende Kulturwissenschaftlerin an der Universität Regensburg
die Funktion von Geschmackserinnerungen. Ursache dafür sei die Art und Weise,
wie diese Sinneseindrücke ins Gehirn
gelangen: „Geschmacks- und Geruchssinn sind diejenigen Sinnesorgane, die
Informationen direkt in sehr tiefe Zentren unseres Gehirns leiten, nämlich in
das sogenannte limbische System. Das
Großhirn, wo das bewusste Denken angesiedelt ist, wird damit ausgespart. Auf
diese Weise erreicht der Geschmackssinn
36
diejenigen Teile des Gehirns direkt, in
denen Gefühle, Erinnerungen, Gedächtnis und Hormone gesteuert werden.“
Geschmackserinnerungen
bündeln Identität
Ein Geschmack könne demnach Erinnerungen transportieren – sowohl positive als auch
negative, und das über Jahre, wenn nicht
Jahrzehnte hinweg. Geschmackserinnerungen stehen in direktem Zusammenhang mit
dem Erfahrungshorizont einer Person bzw.
einer ganzen Generation. Bei den derzeit in
Senioreneinrichtungen betreuten Menschen
handle es sich meist um Menschen, welche
die Kriegs- bzw. Nachkriegszeit erlebt haben.
Vielfach geteilte Erfahrungen dieser Generation im Zusammenhang mit Essen seien
z. B. Hunger, alles essen zu müssen, was auf
den Tisch kam, das Schweigen während
des Essens oder das Essen von Selbstangebautem und Selbsteingemachtem.
Diese Erfahrungen und Erinnerungen
aus der Vergangenheit können bis in
die Gegenwart hinein Gewohnheiten,
Vorlieben und Abneigungen beeinflussen. Deshalb komme der Erfassung der
Essbiografie und der Beachtung des Erfassten eine solch zentrale Bedeutung
zu: „In Geschmackserinnerungen bündelt sich individuelle wie gesellschaftliche Identität wie in einem Brennglas.“
Die Fachtagung stellte aktuelle Ergebnisse
der bayernweiten Studie zur Datenerhebung in der Gemeinschaftsverpflegung
speziell für den Bereich der Senioreneinrichtungen vor. Weitere Themen waren
die Folgen des Kostendrucks im Bereich
Verpflegung sowie die Rolle der Verpflegungsleistungen als Marketingfaktor.
Vertreter aus Wissenschaft und Praxis
diskutierten die Bedeutung und Veränderung der Ernährung im Alter sowie Ansatzpunkte, wie sich Folgekosten durch
Mangelernährung vermeiden lassen. Informationen unter http://www.kern.bayern.
de/wissenstransfer/113877/index.php
KErn
SUB 1-2/2016
GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG
Wie können auf kommunaler Ebene
gesundheitsförderliche Maßnahmen
für ältere Menschen initiiert oder verbessert werden? Diese Frage stand
im Zentrum einer Fachtagung, zu der
die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO)
im Oktober 2015 in den Stuttgarter
Hospitalhof geladen hatte. Über 100
haupt- und ehrenamtliche Akteure,
vorwiegend aus der kommunalen
Seniorenarbeit sowie dem Sozial-, Ernährungs- und Bewegungsbereich,
waren der Einladung gefolgt. Am Ende
verließen sie die Tagung ausgestattet
mit neuen Impulsen und wertvollen
Anregungen für die eigene Arbeit.
Im Zuge des demografischen Wandels gewinnen präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen für ältere Menschen zunehmend an Bedeutung. Den Kommunen
– als zentrale Lebenswelten von Senioren
und als Orte, an denen sich die demografische Alterung schon jetzt konkret bemerkbar macht – wird dabei eine Schlüsselrolle
zugesprochen. Hinsichtlich der Initiierung
und Umsetzung konkreter Interventionen
herrschen jedoch bei vielen kommunalen
Akteuren häufig noch Unsicherheit und
Unterstützungsbedarf. Diesem Umstand
wollte die BAGSO durch die Fachtagung
Abhilfe verschaffen. Besonderes Augenmerk lag in diesem Kontext auf gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu den
Themen Ernährung und Bewegung.
Gesundes Altern als gesellschaftliche Aufgabe
Prof. Ursula Lehr, stellvertretende Vorsitzende (in der Zwischenzeit wurde Franz
Müntefering zum 1. Vors. gewählt), 1.
Vorsitzende der BAGSO und Bundesministerin a. D. verdeutlichte anhand aktueller Zahlen zum demografischen Wandel,
dass sich durch die Zunahme des Anteils
älterer Menschen und den Rückgang der
Geburtenzahlen die Altersstruktur der
Bevölkerung und damit auch die Gesell-
SUB 1-2/2016
schaft als Ganzes drastisch verändern werden. Sie verwies vor diesem Hintergrund
auf das große präventive Potenzial eines
gesunden Lebensstils mit ausgewogener
Ernährung und regelmäßiger Bewegung.
Dieser könne in jedem Alter dabei helfen,
Erkrankungen vorzubeugen oder hinauszuzögern und dazu beitragen, Selbstständigkeit und Lebensqualität zu erhalten. Sie
stellte anhand einiger Beispiele dar, welche
Rahmenbedingungen von den Kommunen geschaffen werden sollten, um älteren
Menschen die Umsetzung eines gesunden
Lebensstils zu erleichtern. Dazu gehörten
z. B. städtebauliche Maßnahmen wie der
Ausbau von Rad- und Wanderwegen oder
das Bereitstellen ausreichender öffentlicher Sitzgelegenheiten und Toiletten.
Das „BAGSO-Konzept“:
Ein Leitfaden für Kommunen
Wie Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene gelingen kann und was zentrale Schritte bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen sind, darauf ging
Anne von Laufenberg-Beermann mit der
Vorstellung des „BAGSO-Konzepts zur
Verbesserung der Gesundheitsförderung
älterer Menschen auf kommunaler Ebene“
ein. Das in vier Pilotkommunen erprobte
und 2015 in Form eines Praxishandbuchs
veröffentlichte Konzept soll Verantwortliche der kommunalen Seniorenarbeit bzw.
-politik bei der Initiierung und Umsetzung
gesundheitsförderlicher Maßnahmen in ihren Kommunen unterstützen. Neben wissenschaftlichen Hintergrundinformationen
zu den Zusammenhängen zwischen Bewegung, Ernährung und Gesundheit im Alter
enthält das Dokument vor allem praktische Hinweise zur Vorgehensweise beim
Aufbau entsprechender Angebote, zu
möglichen Stolpersteinen und zentralen
Erfolgsfaktoren. Das Handbuch kann kostenfrei bei der BAGSO angefordert werden.
Erfahrungen aus der Praxis
Für den Blick in die Praxis sorgten vier
Vertreterinnen unterschiedlicher Kommu-
nen bzw. Organisationen und berichteten bei der Plenumsdiskussion von ihren
Projekten. Dazu gehörten beispielsweise
die Initiierung eines Stadtteil-bezogenen
Mittagstischs oder die Gründung eines
örtlichen Seniorennetzwerks, das sich
durch verschiedene Maßnahmen für die
Gesundheit der dort lebenden älteren Bürger einsetzt. Die Referentinnen gewährten den Zuhörern interessante Einblicke
in die praktische Arbeit vor Ort, berichteten von Hemmnissen und Barrieren, aber
auch von größeren und kleineren Erfolgen.
Betont wurde immer wieder die Wichtigkeit von Vernetzung und Austausch der
relevanten kommunalen Akteure. Die
Referentinnen machten den Beteiligten
Mut, bei anfänglicher Gegenwehr nicht
aufzugeben und verwiesen auch auf den
Aspekt der Qualitätssicherung, z. B. durch
die Schulung von Referenten gesundheitsförderlicher Maßnahmen, insbesondere im Kontext von Nachhaltigkeit.
Intensiver Austausch in Arbeitsgruppen
In drei moderierten, themenspezifischen
Arbeitsgruppen beschäftigten sich die
Veranstaltungs-Teilnehmer mit Wegen
zur Gestaltung partizipativer Prozesse auf
kommunaler Ebene, Rahmenbedingungen zur Etablierung sowie die Ausrichtung
gesundheitsförderlicher Angebote. Neben
dem fachlichen Input, den die Moderatorinnen in Bezug auf das jeweilige Thema
beitrugen, hatten die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen auch immer wieder die
Möglichkeit, von der eigenen Arbeit und
persönlichen Erfahrungen zu berichten.
Die Ergebnisse wurden abschließend in
großer Runde präsentiert. Am Ende war
man sich einig: Viele Städte, Kreise und
Gemeinden sind bereits mit tollen Angeboten auf einem guten Weg, doch es
besteht durchaus noch Handlungspotenzial. Die Tagung hat dafür hilfreiche Anregungen und wertvolle Impulse geliefert.
Theresa Stachelscheid, KErn
37
GEMEINSCHAFTS­
VERPFLEGUNG
Länger gesund und selbstständig im Alter – Fachtagung gibt Impulse für gesundheitsförderliche Angebote in Kommunen
GRÜNLAND
Harnschäden auf einer
Kurzrasenweide
Untersuchungen zu Dynamik und Ursache
GRÜNLAND
von DR. MICHAEL DIEPOLDER, SVEN RASCHBACHER und DR. LUDWIG NÄTSCHER: Auf einer
Kurzrasenweide im Allgäuer Alpenvorland traten sporadisch während der Vegetationsperiode
immer wieder deutlich sichtbare Schäden in der Grasnarbe auf. Hierbei war eine ausgeprägte
Dynamik feststellbar, wobei allerdings der mögliche Verlust an Weidefläche bzw. Ertrag stets
äußerst gering war. Durchgeführte bodenchemische Untersuchungen bestätigen Ergebnisse
anderer Autoren, dass es sich bei Harnflecken um lokale Salzschäden handelt. Eine hohe
Kalkdüngung hatte weder einen positiven Effekt auf die Anzahl von sichtbaren Harnschäden
noch auf die botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestands der futterbaulich hochwertigen Weidefläche.
Kühe setzen beim Weidegang pro Tag 45 bis 55 kg Exkremente ab, davon über 40 Prozent in Form von Harn, welcher
pro Kuh und Tag etwa zehn (8 bis 12) mal ausgeschieden
wird (zit. bei VOIGTLÄNDER UND JACOB, 1987 sowie HAYNES
UND WILLIAMS, 1993).
Urin enthält als düngungsrelevante Nährstoffe vorwiegend Kalium und Stickstoff, letzteren zu 60 bis 90 Prozent als
Harnstoff. Auf Urinstellen werden starke Nährstoffanreicherungen gemessen, da die lokal zugeführten N- und K-Mengen weit über der möglichen Nährstoffabfuhr liegen. Harnstellen sind somit eine Quelle für teilweise erhebliche Stickstoffverluste in Form von Auswaschung v. a. als Nitrat-N
(TROXLER ET AL., 2010), bei sandigen Böden zusätzlich auch
als Ammonium-N (WACHENDORF ET AL, 2005) oder in Form
von Ammoniakabgasung (HAYNES UND WILLIAMS, 1993;
siehe Tabelle 1). Dies auch deshalb, weil der Stickstoff bei
Harnstellen schneller als bei Dungfladen pflanzenverfügbar
(BÉLANGER ET AL., 2015) und so stärker verlustgefährdet ist.
Harnstellen sind andererseits für das Pflanzenwachstum
wichtige Düngungstellen, was man in der Praxis auf Weiden
v. a. mit niedrigem Düngungsniveau anhand von dunkelgrünen Grasstellen optisch sehr gut erkennen kann (STARZ,
TONN, STEINBERGER, pers. Mitteilungen).
Nach älteren (ETTER, ZIT. BEI VOISIN, 1958) und neueren
(SCHEILE ET AL., 2015) Untersuchungen werden Grasaufwüchse von Urinstellen von Kühen lieber als solche von Kotstellen gefressen, was evtl. auch evolutionsbedingte Gründe
haben könnte (Reinfektion mit Würmern; STARZ, pers. Mitteilung). Allerdings fallen auf Weiden manchmal auch mehr
oder weniger hellgelbe bis verätzte Stellen auf, wo Harn
zeitweise zu einer unmittelbar schädigenden Wirkung auf
38
den Pflanzenbestand geführt hat. Bereits VOIGTLÄNDER
UND JACOB (1987) erwähnen, dass bei Urin „unter entsprechenden Witterungsbedingungen“ Verätzungen („Ausbrennen“) möglich sind. Weiteren Beobachtungen zufolge
(STEINBERGER, PERS. MITTEILUNG) scheint dieser Effekt
nicht zwangsläufig an eine Bodenart und ausschließlich trockene Bedingungen gebunden, wenngleich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bzw. die Ausprägung der
Schäden bei trocken-heißer Witterung größer scheint
(MAYR/SPITALHOF, STARZ/RAUMBERG-GUMPENSTEIN). Unter sichtbaren Harnstellen fallen unangenehm riechende
(STEINBERGER, RASCHBACHER, LFL; PERS. MITTEILUNG)
Wurzelschäden an flach wurzelnden Gräsern und Leguminosen und damit Fehlstellen auf, während Tiefwurzler überleben können. Die genaue Ursache von Harnschäden und
damit ggf. mögliche Vermeidungsstrategien sind bisher
nicht völlig klar, wobei aufgrund der Literatur (DIV. AUTOREN U. A. RICHARDS UND WOLTON, 1975, ZIT. BEI HAYNES
UND WILLIAMS, 1993) sowie punktueller Voruntersuchungen (NÄTSCHER, PERS. MITTEILUNG) viel dafür spricht, dass
es sich mehr um indirekte Salzschäden am Wurzelsystem als
um direkte Blattschäden handelt. Nicht ganz auszuschließen wären aber zumindest theoretisch auch kurzfristige
Säureschäden im Zusammenhang mit Prozessen des Harnstoff- bzw. Ammoniumabbaus im Boden zu Nitrat, der mit
einer Freisetzung von Wasserstoff-Ionen verbunden ist
(siehe Tabelle 1).
Da einzelnen Beobachtungen zufolge bei hohen Kalkgaben (STEINBERGER, LFL, PERS. MITTEILUNG) sichtbare
Harnflecken weniger stark oder gar nicht auftreten und es
in der Literatur Hinweise darauf gibt (HELAL UND RAGAB,
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
Der Versuch wurde als lateinisches
Quadrat mit drei Varianten in drei Blöcken und einer Parzellengröße von
Sehr schnelle Harnstoffhydrolyse mit BodenI: (NH2)2CO + 2 H2O  (NH4)2CO3
200 m2 angelegt. Dabei bildeten die 9
Enzym Urease zu Ammoniumcarbonat
Parzellen eine eingezäunte Fläche mit
Starker pH-Anstieg in 0-1,5 cm Tiefe innerhalb
II: CO32- + H2O  HCO3- + OH4 Hauptpfosten an den Ecken und 2 Ineines Tages nah an der Hydrolyse-Stelle
nenposten pro Seite, zwischen denen
Gleichgewicht zwischen Ammonium-Ion und
NH4+ + OH-  NH3 + H2O
zur Parzellenidentifikation (Kalkung,
Ammoniak (Gas); Mehr Ammoniak bei hohem
Zählungen,
Bodenprobenahme)
Boden-pH, hohen Temperaturen und hoher
Schnüre gespannt werden konnten.
Evapotranspiration, u. a. durch Zerfall von
Ammoniumcarbonat. Rund 15 – 25 % (bis über
Variante 1 (Kontrolle) erhielt im ge40 %) des Stickstoffs können als Ammoniak
samten
Versuchszeitraum keine Kal(NH4)2CO3  NH3 + H2O + CO2
verloren gehen.
kung, bei den beiden anderen VarianNitrifikation: Ammonium wird durch Bakteriten wurde im Frühjahr 2011 gekalkt, bei
en-stämme (Nitrosomonas u. a.) zuerst zu Nitrit
Variante 2 in Form von 1,5 t/ha gekörn+
+
2 NH4 + 3 O2  2 NO2 +2 H2O + 4 H
und dann in einem weiteren Schritt (durch
tem Branntkalk und bei Variante 3 in
2 NO2- + O2  2 NO3Nitrobacter) weiter zu Nitrat zu oxidiert. Dieser
-----------------------------------------------Form von 3,0 t/ha kohlensaurem Kalk
Prozess trägt zur allmählichen Versauerung
2 NH4+ + 4 O2  2 NO3- + 2 H2O + 4 H+
(MF 1); in beiden Fällen wurde der Kalk
insb. von schwach gepufferten von Böden bei,
mit der Hand ausgebracht. Damit wurda bei der Oxidation von Ammonium zu Nitrit
pro Mol Ammonium 2 Mol H+-Ionen entstehen.
den bei Var. 2 und 3 rund 1,35 bzw. 1,6 t
CaO/ha gegeben. Dies ist mehr als das
→ Tabelle 1: Wege des Harnstoffabbaus im Boden (zusammengefasst nach Amberger, 1994,
Doppelte der offiziellen KalkempfehLütke-Entrup und Oehmichen, 2000, Haynes und Williams, 1993)
lung (LFL-INFORMATION, 2012) für diese
Bodenartgruppe, welche für den vorliegenden pH-Bereich
1995; NEID UND BISBOER, 2005), dass kalziumhaltige Dün- alle vier Jahre eine Erhaltungskalkung in Höhe von rund 0,6gemittel (z. B. Gips) Salzschäden entgegen wirken können, 0,7 t CaO/ha vorsieht. Die Höhe und Art der Kalkung wurde
wurde im Frühjahr 2011 ein Versuch begonnen. Hierbei nach Rücksprache mit dem Institut für Tierernährung der LFL
wurde über vier Weideperioden hinweg bei einer Kurzra- (STEINBERGER, mdl. Mitteilung) festgelegt.
senweide bonitiert, ob, wann und in welchem Ausmaß
Die Beweidung der gesamten Versuchsfläche während
sichtbare Harnflecken auftraten. Ziel war es auch zu unter- der Vegetationsperiode erfolgte als Vollweide in Form einer
suchen, welche Bedeutung die Harnflecken in Hinblick auf Kurzrasenweide (siehe auch aktuell: LFL-INFORMATION
Veränderungen des gesamten Pflanzenbestands einer 2014; STEINWIDDER UND STARZ, 2015). Hierbei weideten
Weide haben, potenzielle Ertragseinbußen zu quantifizie- zwei Kühe (Trockensteher) auf der gesamten Versuchsfläche
ren, Hinweise auf die Ursache von Harnschäden abzuleiten Tag und Nacht. Im Frühjahr wurde bei Vegetationsbeginn so
und ob gezielte Kalkmaßnahmen eine sinnvolle und damit früh wie möglich aufgetrieben. Bei Futterknappheit im
in der Beratung evtl. künftig zu empfehlende Vermei- Sommer wurde die Weidefläche erweitert, indem die Tiere
dungsstrategie sein können, vor allem wenn Säureschäden an einer Koppelstelle durch ein Tor auf eine angrenzende
eine der Ursachen sind.
Koppel gelangen und dort grasen konnten. Diese zusätzliche Weidefläche wurde dem Futterbedarf angepasst, sie
Material und Methoden
umfasste maximal die gleiche Größe wie die Versuchsfläche.
Die Untersuchungen wurden am Standort Spitalhof/Kemp- Durch dieses Verfahren gelang es gut, die Höhe der Grasten im Allgäuer Alpenvorland von Frühjahr 2011 bis Herbst narbe im Versuch in einem konstanten Bereich von 5-7 cm
2014 auf stark weidelgrasbetontem Dauergrünland durch- Wuchshöhe zu halten. Um Trittschäden in der Versuchs­
geführt, welches auf einer würmeiszeitlichen Jungmoräne fläche im Tränkebereich weitgehend zu vermeiden, wurde
steht und seit jeher öfters als hofnahe Weide genutzt wird. das Wasserfass rückwärts von außen herangefahren und
Die Bodenart in 0-10 cm Tiefe liegt im Bereich lehmiger Sand außerdem täglich umgestellt. Im Herbst wurde die gesamte
bis sandiger Lehm, der Humusgehalt beträgt rund 7,5 Pro- Weidefläche nach Viehabtrieb im Oktober nachgemäht und
zent bei einem C/N-Verhältnis von 9,2 : 1. Der pHCaCl2-Wert dann eine Güllegabe von ca. 25 m3/ha Gülle (ca. 5 Prozent
liegt im Bereich von 5,5-5,6. Die Nährstoffgehalte des Bo- TS) ausgebracht. Zusätzlich wurde einmal pro Jahr 30-40 kg
dens sind bei Phosphat optimal (Gehaltklasse C), bei Kali sehr N/ha als Kalkammonsalpeter gegeben. Die N-Düngung
hoch (Untergrenze Gehaltsklasse E).
erfolgte 2011 im März, in den darauffolgenden Jahren im
SUB 1-2/2016
Anmerkung
39
GRÜNLAND
Gleichung
40
21.07.2014
21.06.2014
21.05.2014
21.04.2014
21.03.2014
21.02.2014
21.01.2014
21.12.2013
21.11.2013
21.10.2013
21.09.2013
21.08.2013
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Mittlere Anzahl sichtbare Harnflecken pro 200 qm
Zeitraum Ende Mai bis Anfang August vor einer Regenperiode, bei der die Kühe kurzzeitig von der Weide genommen
wurden.
Während der gesamten Versuchsdauer wurde die Zahl
der sichtbaren Harnflecken (Harnschäden) zu insgesamt 38
Terminen während den Vegetationsperioden sowie vor Weidebeginn 2012, 2013 und 2014 erhoben.
Ende August 2014, einem Termin mit vergleichsweise
häufigem Auftreten von Harnschäden (Bild) wurde pro Parzelle ein Harnfleck ausgesucht, Bodenproben genommen
und dann die Stelle mit einem Dauermagneten markiert
und mit GPS eingemessen. Die Beprobung erfolgte im
Kernbereich der Harnschäden sowie ca. 10 cm außerhalb
des sichtbaren Harnflecks im Bereich offensichtlich nicht
→ Bild: Harnfleck auf Kurzrasenweide, festgestellt am Spitalhof im
geschädigter grüner Grasnarbe, die sich scharf vom eigentSommer 2011. Deutlich erkennbar ist im Kernbereich hier die fast
lichen Harnschaden unterschied. Beprobt wurden mit eivollständige Zerstörung der grünen Blattmasse der Grasnarbe. Die
nem Nmin-Bohrer (ca. je 10 Einstiche im gelben Kern und im
Größe der geschädigten Fläche liegt bei ca. 0,2 m2, dies entspricht
grünen Außenbereich), wobei die Proben in zwei Schichten
etwa 3 DIN A4-Seiten. Um den sichtbaren, abgegrenzten Schaden ist
(0-5 cm Tiefe, 5-10 cm Tiefe) unterteilt wurden. Die 36 Eindie Grasnarbe häufig dunkelgrün
zelproben wurden eingefroren und im Herbst 2014 aufbereitet und analysiert. Dabei wurden der pHCaCl2-Wert, der
P2O5CAL- und K2OCAL-Gehalt sowie der CaCl2-lösliche Nitratgehalt gemessen. Ebenfalls wurde über die elektrische
Leitfähigkeit der Salzgehalt im Wasserextrakt (10:1) gemes- rungsdichten der beiden Tiefen im Verhältnis 0,4/0,6 angesen; dieser ist ein Summenparameter, welcher alle wasser- nommen.
löslichen Stoffe erfasst, die als Kationen und Anionen vorIm Jahr 2013 wurde die botanische Zusammensetzung
liegen. Zudem wurde bei einer Mischprobe der Kontrollva- der Pflanzenbestände aller 9 Parzellen aufgenommen und
riante 1 (hier nur Proben außerhalb sichtbarer Harnschä- ihr Ertragsanteil im Aufwuchs nach KLAPP ET AL. (1953) geden) für beide o. g. Tiefen neben der Standardbodenunter- schätzt.
suchung (pH, P2O5, K2O) der Gesamt-C und Gesamt-N-Gehalt sowie die austauschba7
ren Kationen (Ca, K, Mg, Na)
bestimmt. Alle Analysen
Var. 1: Ohne Kalk
6
wurden an der Abteilung
Var. 2: 1,5 t Branntkalk (gekörnt)
Bioanalytik/Anorganik des
5
Zentralinstituts für ErnähVar. 3: 3,0 t kohlensaurer Kalk (MF 1)
rungs- und Lebensmittel4
forschung der TU München
in Freising-Weihenstephan
3
durchgeführt.
Im Herbst 2012 und 2013
2
wurden zudem auf allen
Parzellen Standardboden1
untersuchungen durchgeführt, wobei die Beprobung
0
ebenfalls in zwei Schichten
erfolgte. Im Falle einer zusammenfassenden BerechDatum der Beobachtung
nung auf 0-10 cm Tiefe wurden unterschiedliche Lage- → Abbildung 1: Dynamik der (sichtbaren) Harnschäden von April 2011 bis Juli 2014
21.04.2011
GRÜNLAND
GRÜNLAND
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
doch überwiegend unter
zwei sichtbaren Stellen pro
• Davon ohne Feststellung von sichtbaren Harnflecken
11
(29 %)
Parzelle, d. h. pro 2 Ar Weidefläche (Abbildung 1, Tabelle
• davon insgesamt mit Feststellung von sichtbaren Harnflecken
27
(71 %)
2). Die Zahl der Fälle, bei de• davon mit Ø 0,1-1 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel
13
(34 %)
nen bei einem Termin auf einer Parzelle vier und mehr
• davon mit Ø 1,1-2 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel
5
(13 %)
Harnschäden auftraten, lag
• davon mit Ø 2,1-3 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel
3
(8 %)
deutlich unter 5 Prozent. (Ta• davon mit Ø 3,1-4 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel
5
(13 %)
belle 2, Mitte). Im Gesamtmit2
tel aller 38 Bonituren im Zeit• davon mit Ø > 4 Harnflecken/200 m im Versuchsmittel
1
(3 %)
raum 2011 bis 2014 wurden
Durchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle
1,23
während der Vegetationspe(200 m2) im Mittel aller 38 Bonituren (Versuchsmittel)
riode pro Parzelle durchDurchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle
1,72
schnittlich 1,23 Harnschä(200 m2) im Mittel der 27 Bonituren, bei denen sichtbare Flecken auftraten
den beobachtet, was etwa
60 Flecken pro Hektar entVar 1: 1,68 a
Durchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle
Var
2:
1,91
a
spricht. Unterstellt man, dass
(200 m2) je Variante im Mittel aller 27 Bonituren mit Harnflecken
Var 3: 1,58 a
es pro Schaden bei ca. 0,2 m2
zumindest zeitweise zu Er→ Tabelle 2: Statistische Auswertungen zu Bonituren (n = 38) von Harnschäden
tragsausfällen kommt, lassen sich diese im Versuch auf
Dynamik und Ausmaß von Harnflecken
rund 12 m2 /ha und damit auf (maximal) rund einem Promille
Auf der Kurzrasenweide am Spitalhof traten immer wieder des Ertragspotenzials quantifizieren.
deutlich sichtbare Stellen mit Symptomen eines geschädigTraten Harnflecken auf, so lag hier deren durchschnittliten bzw. zerstörten Pflanzenwachstums auf, wo die Gras- che Zahl pro Parzelle bei 1,72. Damit wurden auch für diesen
narbe gelb und im Extremfall wie „ausgebrannt“ erschien Fall im Mittel keine zwei Schadstellen pro Parzelle (2 Ar), d. h.
(Bild). Ihre Zahl pro Fläche variierte dabei stark (siehe Abbil- keine 100 Schadstellen pro Hektar erreicht bzw. blieb die
dung 1) und war nicht zwangsläufig an trocken-heiße Witte- Obergrenze des potenziellen Ertragsverlustes unter zwei
rung gekoppelt, wenngleich das Maximum ihres Auftretens Promille.
(Frühjahr/Sommer 2011; Juli-August 2013) in solche Phasen
Bei den beiden Kalkvarianten (Var. 2; Var. 3) traten nicht
fiel. Jedoch hatten sich im Spätherbst die Schäden bereits weniger Flecken auf als bei der ungekalkten Kontrollvariante
verwachsen (MAYR/SPITALHOF, mdl. Mitteilung) und beim 1 (siehe Tabelle 2, unten). Statistisch zwar gerade knapp nicht
Wiederaustrieb Frühjahr darauf wurden nie Harnflecken be- absicherbar (α = 0,06), jedoch in der Tendenz erkennbar ist
obachtet (siehe Abbildung 1).
sogar ein geringfügig höherer Besatz bei Variante 2, wo einAuch in der Literatur finden sich Hinweise, dass Harn- malig 1,5 t/ha Branntkalk zu Versuchsbeginn gegeben
schäden hin und wieder während des Jahres sporadisch wurde.
auftreten können. Dies sowohl bei feuchten als auch bei
Nun führt bei Weitem nicht jede Urinstelle zu einem
trockenen Bedingungen und auch innerhalb eines Tages Schaden in der Grasnarbe. Nach eigenen überschlägigen Benach Absetzung von Urin (RICHARDS UND WOLTON, 1975; rechnungen kam es nur bei rund 0,5 Prozent der Urinstellen
ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993). Ebenfalls ist be- zu einem optisch sichtbaren gelben Harnfleck in der Weide.
kannt, dass die Zeitdauer für das Wiederergrünen geschä- Eine plausible Erklärung für das Auftreten von Harnschäden
digter Weidestellen sehr kurz, vereinzelt aber auch viele geben HAYNES UND WILLIAMS (1993). Sie zitieren UntersuMonate (DALE, 1961; ZIT. BEI HYNES UND WILLIAM, 1993) chungsergebnisse mehrerer Autoren aus den 1970-1980er
dauern kann. Auf der Weide bietet sich das Bild, dass die Jahren, welche zu dem Schluss kommen, dass die Gefahr vergelben Flecken „zu wandern“ schienen, d. h. es verschwin- sengter Stellen in der Weide mit zunehmender Harnstoffden Schäden an einer Stelle und tauchen an einer anderen bzw. Ionenstärke des Urins ansteigt. Dies kann z. B. in den
wieder auf.
ersten Morgenstunden der Fall sein, wenn die Konzentration
Wurden am Spitalhof beim Weideversuch Harnflecken meist höher als im übrigen Tag liegt, dagegen sinkt mit zubeobachtet, was bei etwa 70 Prozent der durchgeführten nehmender Wasseraufnahme die Gefahr von Harnschäden.
Bonituren der Fall war (Tabelle 2, oben), so lag deren Zahl je- Bekannt ist auch, dass die Stickstoff- bzw. die gesamte Ionen-
SUB 1-2/2016
38
(100 %)
41
GRÜNLAND
Anzahl durchgeführter Bonituren im Zeitraum April 2011 bis Juli 2014:
GRÜNLAND
konzentration im Urin in einem weiten Bereich schwanken
kann (STARZ-GRUBER, PERS. MITTEILUNG) und dies nicht nur
zwischen Individuen derselben Art, sondern auch bei einem
Individuum innerhalb eines Tages und zwischen einzelnen
Tagen (HOOGENDOORN ET AL., 2010).
Tabelle 3 stellt die Stickstoff- und Kali-Mengen, welche
durchschnittlich bei einem einzelnen Harnereignis einer Kuh
auf die Fläche gelangen, der gesamten jährlichen Abfuhr
dieser beiden Nährstoffe gegenüber. Aus dieser Kalkulation
wird ersichtlich, dass es sich – ungeachtet ob ein Urinereignis
tatsächlich zu einem sichtbaren oder gar starken Schaden an
der Grasnarbe führt – um eine starke Anreicherung an Nährstoffen auf engstem Raum handelt. In der Kalkulation wurde
u. a. unter Bezugnahme von Literaturstellen angenommen,
dass die tatsächlich mit Urin benetzte Stelle größer ist als ein
sichtbarer Schaden.
Insgesamt erschließt sich, dass eine Kombination mehrerer Faktoren für das Auftreten erhöhter Ionenkonzentrationen im Urin und damit im Boden verantwortlich sein kann.
Dazu zählt auch, dass es im Boden selbst bei „normalen“
oder niedrigen Nährstoffkonzentrationen im Urin zu kritischen Salzkonzentrationen kommen kann, wenn es aufgrund von hohen Temperaturen und damit hoher Evapo-
transpiration besonders bei schon ausgetrocknetem Boden
zu schnellen „Aufkonzentrierungseffekten“ des abgesetzten
Urins kommt. Unter diesen Bedingungen spielt sicher auch
die ausgeschiedene Harnmenge eine Rolle.
Bodenuntersuchungen
Bei allen Varianten wurden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Harnschäden in den ersten 5 cm deutlich höhere
pH-Werte, Nährstoffgehalte und Salzkonzentrationen als in
5-10 cm gemessen (Tabelle 4, 5).
Bei Tabelle 5 wurden für eine übersichtliche Darstellung
unter Einbeziehung von statistisch untermauerten Interpretationen Werte aggregiert. Dies dahingehend, indem in die
Mittelwerte der Varianten jeweils die Messwerte innerhalb
und außerhalb des Harnschadens eingehen, während bei der
Darstellung des Vergleichs der Probenahmestelle jeweils die
Messwerte aus allen drei Varianten einbezogen wurden. Da
der Einfluss der Probenahmetiefe hoch signifikant war, sind
beide Tiefen getrennt dargestellt. Dies auch deshalb, weil ein
arithmetisches Mittel der Werte beider Tiefen nicht ganz korrekt gewesen wäre, weil die Lagerungsdichte im Boden
(wenngleich hier nicht gemessen) beider Schichten sicher
nicht völlig identisch ist. So beziehen sich auch die statisti-
GRÜNLAND
Einheit
Mittel
(Spannweite)
Harnmenge pro Kuh und Tag
l
21
[1]
Harnvorgänge je Kuh und Tag
n
10
[4]
(8 – 12)
Menge pro Urinstelle
l
2,1
[4]
(< 1 bis > 3)
m2
0,33
[4]
(0,16 – 0,49)
[1], [3]
6,2
[2]
(4,2 – 9,0)
[2]
Benetzte Fläche/Urinstelle
pH-Wert Urin
(14 – 29)
[2]
[1], [3]
N-Konzentration Urin
g/l
8
[4]
(6 – >10)
[1], [2], [3]
K-Konzentration
g/l
11
[4]
(8 – 13)
[1], [2], [3]
Mittlere N-Zufuhr pro Urinstelle
gN
16
[4]
Mittlere K-Zufuhr pro Urinstelle
g K2O
26
[4]
Mittlere N-Zufuhr; Bezug 1 ha
kg N/ha
485
[4]
370 – 1 000
[1], [3]
Mittlere K-Zufuhr; Bezug 1 ha
kg K2O/ha
780
[4]
660 – 800
[1]
Jährliche N-Abfuhr einer Weidefläche gleich einer
Urinstelle
g N/0,33 m2
9,5
Jährliche K-Abfuhr einer Weidefläche gleich einer
Urinstelle
g K2O/0,33 m2
11
Jährliche N-Abfuhr pro ha
kg N/ha
290
[4]
Jährliche K-Abfuhr pro ha
kg K2O/ha
335
[4]
[ ] Quellen und Hinweise:
[1]: VOIGTLÄNDER UND JACOB, 1987; [2]: STARZ-GRUBER, PERS. MITTEILUNG; [3]: HAYNES UND WILLIAMS, 1993; [4]: Eigene Annahmen
bzw. Mittelbildungen; bei Abfuhr sind hier ein hohes Ertragsniveau von 100 dt TM/ha bei 18 % Rohprotein und 2,8 Prozent K unterstellt; bei den Angaben der N-/K-Zufuhr
pro Hektar wurden die Nährstoffmengen pro Urinstelle auf einen Hektar hochgerechnet.
→ Tabelle 3: Kalkulationen zu Nährstoffanfall und Nährstoffabfuhr bei Harnflecken
42
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
Variante
Probenahmestelle und Tiefe
pH-Wert CaCl2
P2O5 CAL
(mg/100 g Boden)
K2O CAL
(mg/100 g Boden)
NO3-N CaCl2
(mg/100 g Boden)
Salzgehalt wasserlöslich
(mg/100 g Boden)
1
2
3
ohne Kalk
1,5 t/ha CaO
3,0 t/ha CaCO3
innen
außen
innen
außen
innen
außen
0 – 5 cm
5,90
5,50
6,17
5,80
6,37
6,17
5 – 10 cm
5,27
5,27
5,53
5,40
5,23
5,23
0 – 5 cm
14,3
14,0
18,0
17,3
14,3
18,7
5 – 10 cm
4,3
4,0
6,3
5,7
4,0
6,3
0 – 5 cm
132
54
240
78
143
74
5 – 10 cm
36
14
65
26
21
16
0 – 5 cm
15,4
11,3
30,3
11,2
19,1
13,5
5 – 10 cm
5,5
2,9
11,7
4,9
6,5
4,7
0 – 5 cm
213
108
345
123
278
191
5 – 10 cm
76
43
128
60
79
60
→ Tabelle 4: pH-Werte, Phosphat-, Kali-, Nitrat- und Salzgehalte von am 31. August 2011 in zwei Tiefen, innerhalb und außerhalb von Harnschäden
genommenen Bodenproben (Mittel aus drei Wiederholungen)
denschicht (0-5 cm) besonders markant, jedoch auch noch in
5-10 cm signifikant. Im Schadbereich der Harnflecken wurde
bei allen drei Varianten in 0-5 cm Tiefe Salzgehalte von über
210 bis 345 mg/100 g Boden (Tabelle 4) und damit ein mittlerer Salzgehalt von rund 280 mg/100 g Boden (Tabelle 5) gemessen. Aus dem Bereich des Gartenbaus ist bekannt, dass
Salzgehalte von 30-70 mg/100 g Boden (gemessen im Wasserextrakt 1:10) normal, solche von 75-200 mg/100 g Boden
sehr hoch bzw. „nicht natürlich“ sind sowie Salzgehalte über
Variante 1)
1
ohne Kalk
pH-Wert CaCl2
P2O5 CAL
(mg/100 g Boden)
K2O CAL
(mg/100 g Boden)
NO3-N CaCl2
(mg/100 g Boden)
Salzgehalt wasserl.
(mg/100 g Boden)
Probenahmestelle 2)
2
1,5 t/ha
CaO
Tiefe
GRÜNLAND
schen Vergleiche zwischen den Varianten- bzw. Ortsmitteln
(innen/außen) jeweils auf eine Tiefe. Dabei bedeuten unterschiedliche Buchstaben signifikante Unterschiede (p ≤ 0,05)
Anhand Tabelle 5 ist klar zu ersehen, dass im Schadbereich
der Harnflecken („innen“) wesentlich höhere Konzentrationen an pflanzenverfügbarem (CAL-Extrakt) Kalium, CaCl2-löslichem Nitrat-N und insgesamt an wasserlöslichen Salzkonzentrationen als im grünen Außenbereich („außen“) auftraten. Diese Unterschiede waren vor allem in der obersten Bo-
3
3,0 t/ha
CaCO3
Innen
Außen
0 – 5 cm
5,7
b
6,0
ab
6,3
a
6,1
a
5,8
b
5 – 10 cm
5,3
a
5,5
a
5,2
a
5,3
a
5,3
a
0 – 5 cm
14
a
18
a
17
a
16
a
17
a
5 – 10 cm
4
a
6
a
5
a
5
a
5
a
0 – 5 cm
93
b
159
a
109
b
172
a
69
b
5 – 10 cm
25
b
46
a
19
b
41
a
19
b
0 – 5 cm
13
a
21
a
16
a
22
a
12
b
5 – 10 cm
4
b
8
a
6
ab
8
a
4
b
0 – 5 cm
160
b
234
a
234
a
279
a
141
b
5 – 10 cm
59
b
94
a
70
b
95
a
54
b
Hinweise: Mittelwerte innen/außen; Mittelwerte aus drei Varianten; siehe auch Fließtext
1)
2)
→ Tabelle 5: pH-Werte, Phosphat-, Kali-, Nitrat- und Salzgehalte der am 31. August 2011 genommenen Bodenproben – zusammenfassende Darstellung,
Mittelwerte gerundet
SUB 1-2/2016
43
GRÜNLAND
GRÜNLAND
200 mg/100 g Boden Pflanzenschäden verursachen (VDLUFA, 1991). Diese entstehen dadurch, dass hohe Salzkonzentrationen im Boden, verursacht durch den Harn, viel Wasser
binden, welches sich an Ionen anlagert und den Pflanzenzellen fehlt. Dies führt zum Absterben der Wurzeln und als Folge
davon zum Absterben der oberirdischen Biomasse. Somit
lässt sich aus den Messwerten schließen, dass es sich bei den
beobachteten Harnflecken um Salzschäden handelt.
Da der wasserlösliche Salzgehalt als Summenwert wasserlöslicher Salze Kationen (z. B. K+, NH4+, Na+, Ca2+, Mg2+) und
Anionen (z. B. NO3-, Cl-, OH-, CO32-, PO43-) umfasst, ergaben sich
in den Untersuchungen sehr enge Korrelationen zu den Konzentrationen an Nitrat-N, Kalium bzw. der Summe beider
Werte (r2 im Bereich 0,7-0,9; hier nicht eigens dargestellt). Die
zusätzliche Zufuhr an Kalzium, Hydroxid und Karbonat bei
Variante 2 und 3 dürfte aber auch der Grund für die v. a. in
der obersten Bodenschicht signifikant höheren Salzgehalte
dieser beiden Varianten (Tabelle 5) sein. Daraus leitet sich
aber auch ab, dass die hohen Kalkgaben eher kontraproduktiv waren, zumal damit auch keine optische Minderung bzw.
ein Ausbleiben der Harnflecken einherging (vgl. Tabelle 3).
Interessant ist jedoch bei den Untersuchungen, welche
rund fünf Monate nach der Kalkung erfolgten, dass bei Variante 2 (1,5 t gekörnter Branntkalk) die Kaliwerte signifikant
höher lagen als bei Variante 3 (3,0 t kohlensaurer Kalk) oder
bei der ungekalkten Kontrollvariante 1 (Tabelle 5) und dies
speziell im Innenbereich (Tabelle 4). Interpretieren ließe sich
dieser Effekt dahingehend, dass bei Branntkalk (CaO) zu bestimmten, hier nicht näher interpretierten, Konkurrenzverhältnissen an den Austauscheroberflächen geführt hat, welche die CAL-verfügbare K-Konzentration ansteigen ließen.
Auffallend war jedenfalls, wie bereits an anderer Stelle bemerkt, dass bei Variante 2 zumindest in der Tendenz geringfügig mehr sichtbare Harnschäden bonitiert wurden.
Auch außerhalb des eigentlichen Schadbereiches blieben die Salzkonzentrationen aller Varianten in der obersten
Bodenschicht noch im erhöhten Bereich (> 75 mg/100 g Boden), v. a. bei den gekalkten Varianten. Dies deutet darauf
hin, dass auch in dem Bereich „außerhalb“ des sichtbaren
Harnflecks Urin gelangte, hier aber keine die Grasnarbe schädigenden Konzentrationen erreicht wurden. Auch ein Vergleich der mittleren Kaligehalte im Oberboden außerhalb
der Harnflecken (Tabelle 4; 69 mg K2O/100 g Boden) mit den
im Herbst 2012/213 auf den gesamten Versuchsparzellen gemessenen mittleren Kaligehalten (47 mg K2O/100 g Boden)
unterstreicht diese Annahme.
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch selbst bei hohen
Kaliumgehalten das Kalzium immer noch die meisten Bindungsplätze an den Austauscheroberflächen des Bodens
belegt. So betrugen bei Variante 1, bei der im Außenbereich
des eigentlichen Harnschadens an einer Mischprobe u. a.
auch noch die Kationenbelegung (Ca, K, Mg, Na) bestimmt
44
wurde, dass rund 75-80 Prozent dieser austauschbaren Ladungsplätze mit Calcium belegt waren (in 0-5 cm:
189/17,7/40,7/1,6 mmol c Ca/K/Mg/Na pro 1000 g Boden; in
5-10 cm: 145/6,6/25,3/1,5 mmol c Ca/K/Mg/Na pro 1000 g Boden). Auch bei früheren Voruntersuchungen (NÄTSCHER,
2008, PERS. MITTEILUNG) von Harnflecken-Bodenproben
mehrerer Betriebe nahm Kalzium stets mit Abstand den
größten Teil der austauschbaren Ladungsplätze ein; die mit
Kalium- und Magnesium-Ionen besetzten Plätze betrugen
im Vergleich nur rund ein Viertel bis ein Drittel davon.
In den Untersuchungen deutet nichts darauf hin, dass die
Schäden durch einen (momentanen) Bodensäureanstieg
hervorgerufen wurden. Direkte Säureschäden in Mineralböden wären Aluminiumschäden, wobei jedoch H+-Ionen bei
intakten Puffersystemen schnell und effektiv über funktionelle Gruppen (Carbonate, Silikate, Hydroxide, Oxide) gebunden werden, der meist geringe Rest wird als pH-Wert gemessen. Auch die Tatsache dass Harn nicht stark sauer, mitunter
sogar alkalisch ist, spricht gegen einen Säureschaden.
Vor allem aber lag der pH-Wert im Bereich der sichtbaren
Harnschäden sogar signifikant höher als außerhalb (Tabelle
5). Dies traf für alle drei Varianten zu (Tabelle 4). Eine Erklärung für die höheren pH-Werte im Kernbereich der Harnflecken wird in der Harnstoffhydrolyse vermutet, bei welcher
OH--Ionen freigesetzt werden (siehe Tabelle 1).
Da aber letztendlich die Umwandlung von Harnstoff zu
Nitrat insgesamt mit einer Freiseizung von H+-Ionen verbunden ist (siehe Tabelle 1), kann damit zumindest langfristig gesehen der pH-Wert absinken und eine Kalkung (LfL, 2012)
sinnvoll sein. So ist aus der Literatur bekannt, dass unter Weiden eine Tendenz besteht, dass der pH-Wert im Oberboden
(0-10 cm) aufgrund des o. g. Sachverhalts sowie weiterer
Gründe über einen langen Zeitraum hinweg sinkt (DIV. AUTOREN, ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993). Dies traf aber
im vergleichsweise kurzen Versuchszeitraum nicht zu. Standardbodenuntersuchungen in den Jahren 2012/2013 zeigten
vielmehr in 0-10 cm Tiefe einen mittleren pH-Wert von 5,6 auf
den Parzellen der ungekalkten Variante, bei den beiden Kalkvarianten lag er bei rund 5,8-5,9. Zwar wurden Ertragsmessungen in diesem Versuch nicht durchgeführt, jedoch ist aufgrund anderer Forschungsergebnisse u. a. am gleichen
Standort (DIEPOLDER UND RASCHBACHER, 2015) sowie
Schweizer Untersuchungen (HUGUENIN ET AL., 2015) nicht
davon auszugehen, dass mit den Kalkmaßnahmen ein positiver Ertragseffekt verbunden gewesen wäre. Daraus lässt sich
für die Praxis folgern: Zwar werden bei hohem Viehbesatz auf
Weiden beträchtliche Mengen an Stickstoff bzw. Harnstoff
dem Boden zugeführt. Dennoch sind überhöhte „prophylaktische“ Kalkmaßnahmen nicht sinnvoll, weil für den tatsächlichen Kalkbedarf eine Vielzahl von Bodenparametern bzw.
Standortverhältnissen eine Rolle spielen. Die Notwendigkeit
und gegebenenfalls die Höhe von Kalkmaßnahmen sollten
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
Exkurs
Nicht auszuschließen ist, dass Kalzium bei extrem hohen Kaligehalten zu einer pflanzenverträglicheren Bodenlösung
und demnach zu einer Linderung bzw. Vermeidung von
Harnschäden führen kann. So finden sich bei HELAL UND RAGAB (1995) Hinweise zum positiven Einfluss von Calciumchlorid und Gips auf das Wachstum bei Salzstress, auch NEID
UND BISBOER (2005) stellen bei induziertem Salzstress in Gewächshausexperimenten einen lindernden Einfluss von Gips
fest. Um dies zu untermauern bzw. um festzustellen, ob bei
Kalkgaben etwaige Effekte rein auf Kalzium, Hydroxid oder
Carbonat oder einer Kombination dieser Stoffe beruhen, war
bei der Versuchsplanung anfangs auch eine Vergleichsvariante mit Gips (CaSO4) angedacht. Darauf wurde jedoch bei
der Umsetzung des Versuchs bewusst verzichtet, da bei Kalziumgaben in Höhe von Var. 2 und 3 gleichzeitig sehr hohe
Mengen an Schwefel (ca. 850-950 kg S/ha) ausgebracht worden wären und hier nachteilige Wirkungen auf die Tiergesundheit nicht ausgeschlossen werden konnten.
Pflanzenbestand
Die Bonitur des Pflanzenbestandes der gesamten Weideparzellen gibt keinen Hinweis darauf, dass durch die durchgeführten Kalkmaßnahmen der hochwertige Pflanzenbestand
noch hätte verbessert werden können (Tabelle 6).
Im Versuch wurden bei den wiederergrünten Harnflecken keine kleinräumigen Bonituren zur deren botanischen
Zusammensetzung gemacht. Allerdings fielen auch keine
augenfälligen Unterschiede zwischen ehemaligen Schadflächen und dem übrigen Bestand auf. Dennoch können Harnschäden in Weidelgrasbeständen durchaus zu einer Verschlechterung der Pflanzenbestände, u. a. durch Besiedelung mit Jähriger Rispe, Stumpfblättrigem Ampfer, Gänsedistel und Spitzwegerich führen, worauf auch ältere Untersuchungen (RICHARDS UND WOLTON, 1975; KEUNING, 1980;
ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993) hinweisen. Daher sind
laufende Bestandsbeobachtungen sinnvoll.
Fazit
Harnflecken sind Stellen mit hohen Nährstoffanreicherungen
an Stickstoff und Kali. Auch bei Grünlandstandorten mit
günstigen mittleren Niederschlags- und Temperaturverhältnissen (Gunstlagen) können Harnschäden auftreten, dabei ist
eine ausgeprägte Dynamik feststellbar. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind sehr hohe lokale
Salzkonzentrationen im Oberboden, vor allem in den ersten
5 cm, die Ursache von Harnschäden. Deren Auftreten und vor
SUB 1-2/2016
Variante
1
2
Ø
3
In % der Frischmasse
Deutsches Weidelgras
54
50
50
51
Wiesenrispe
12
15
7
11
Gemeine Rispe
14
19
24
19
Lägerrispe
2
Spuren
1
1
Jahrige Rispe
<1
1
1
<1
∑ Gräser
83
85
82
83
∑ Käuter
7
6
8
7
∑ Klee
Ø Futterwertzahl (n. KLAPP)
11
9
10
10
7,37
7,37
7,33
7,36
→ Tabelle 6: Botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestands im
Frühjahr 2013
allem ihr Flächenanteil war im Versuch – v. a. gemessen an der
Gesamtzahl von potenziellen Urinstellen – jedoch sehr gering, so dass die Wirtschaftlichkeit von Minderungsstrategien
generell nicht gegeben war. Dies umso mehr, da die untersuchten Maßnahmen, nämlich das einmalige Ausbringen von
Branntkalk und kohlensaurem Kalk weit über der Höhe einer
Erhaltungskalkung, zu keiner Reduzierung bzw. Verhinderung von Harnschäden geführt hatte. Zudem hatte eine Kalkdüngung keine positiven Auswirkungen auf die allgemeine
botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestandes der
Weidefläche. Auch nach Meinung von Kollegen, die sich viel
mit Weiden beschäftigen, dürften durch Urin verursachte
Schäden auf Weiden weder ein regelmäßiges noch ein problematisches Phänomen sein (MDL. MITTEILUNGEN BERENDONK, STARZ, TONN).
Literatur beim Erstautor
Danksagung: Den Autoren ist es ein Anliegen, allen am Projekt beteiligten Personen am LVFZ Spitalhof, an der LfL sowie
an der TUM in Freising herzlich zu danken.
DR. MICHAEL DIEPOLDER
SVEN RASCHBACHER
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR
LANDWIRTSCHAFT,
INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHEN LANDBAU, BODENKULTUR
UND RESSOURCENSCHUTZ
[email protected]
[email protected]
DR. LUDWIG NÄTSCHER
TUM, FORSCHUNGSZENTRUM WEIHENSTEPHAN FÜR
BRAU- UND LEBENSMIT TELQUALITÄT
[email protected]
45
GRÜNLAND
vielmehr anhand regelmäßiger Bodenuntersuchungen von
der tatsächlichen Entwicklung des pH-Wertes abhängig gemacht werden, welcher den Kalkzustand des Bodens zuverlässig beschreibt (NÄTSCHER, 2005).
GRÜNLAND
Futterqualität für Pferde
Nicht die zweite Wahl nehmen!
von DR. HUBERT SCHUSTER und MARTIN MOOSMEYER: Bei Futtermitteln für die lebensmittelproduzierenden Rinder haben die meisten bestimmte qualitative Anforderungen im Kopf.
Doch wie schaut es mit den Anforderungen an Futtermittel bei Pferden aus, die ja doch zu
über 95 Prozent im Freizeitbereich als „Hobbytiere“ genutzt werden? Gras und Graskonserven, wie Heu und Grassilagen, sind neben der Weide die Futtergrundlage für Pferde. Bezüglich
der Nährstoffgehalte werden andere Anforderungen als in der Rinderfütterung gestellt. Die
hygienischen Anforderungen sind jedoch dieselben.
GRÜNLAND
Pferde haben zwar von Rindern abweichende Bedürfnisse,
was den Gehalt an Inhaltsstoffen anbelangt, die Qualität
muss jedoch einwandfrei sein. So müssen auch Aufwüchse
von extensiv genutzten Flächen, die vielleicht bezüglich der
Inhaltsstoffe noch für die Pferdefütterung geeignet wären,
frei sein von Giftpflanzen wie Kreuzkraut etc. Pferde reagieren hier noch empfindlicher als Wiederkäuer. Bei Futterkonserven haben sie zudem nur eine geringe bis keine Selektionsmöglichkeit. Pflanzen, die sie auf der Weide meiden
würden, fressen sie so zwangsweise mit. Verschimmelte
oder verpilzte Futtermittel dürfen auf gar keinen Fall verfüttert werden.
→ Beste Futterqualität – für jedes Tier
Anforderungen an Graskonserven
Für den Verdauungsvorgang (z. B. Kautätigkeit, Speichelbildung, Syntheseleistung der Darmbakterien etc.), Gebiß- 100 g XA pro kg TM nicht überschritten werden. Grassilagen
pflege (Vermeidung von Hakenbildung an den Backenzäh- für die Pferdefütterung sollten zudem etwas trockener (über
nen) aber auch für die Beschäftigung von Pferden und das 40 Prozent TM) und nicht zu kurz gehäckselt (mindestens 5
Vermeiden von Fehlverhalten (z. B. Koppen, Weben), ist ein cm) sein, da zu feuchtes oder kleinstrukturiertes Futter nicht
hoher Anteil von strukturierter Rohfaser in der Ration (min- ausreichend gekaut wird. Lang gehäckseltes Futter und eher
destens 20 Prozent) notwendig (siehe Tabelle 1). Weiterhin ist trockenes Futter kann andererseits aber Probleme bei der
bei zu jungem Futter, wenn es nicht gerade für Turnier- oder Verdichtung und damit der Silierung ergeben. Besonders in
Zugpferde bestimmt ist, die Gefahr einer Eiweißüberversor- diesem Fall ist ein hoher Vorschub nötig. Ballensilagen sind
gung (Stoffwechselbelastung, Störung im Mineralstoffhaus- eine gute Lösung in der Pferdefütterung. Sehr gut geeignet
halt) gegeben. Wiesenaufwuchs, der für die Konservierung hierfür sind Heulagen mit TM-Gehalten über 50 Prozent.
(Heu oder Silage) vorgesehen ist, sollte deswegen
erst gegen Mitte bis Ende der Blüte genutzt werden. Aus diesen Gründen gelten 270 bis 300 g
[je kg TM]
Grassilage
Heulage
Heu
Rohfaser pro kg Trockenmasse (TM) bei Grassilage
g
400 – 500
500 – 700
> 840
Trockenmasse
und 300 bis 330 g Rohfaser pro kg TM bei Heulage
g
< 100
< 100
< 100
Rohasche
und Heu mit maximal 120 g verdaulichem Rohprog
270 – 300
300 – 330
300 – 330
Rohfaser
tein bei Pferden als Orientierungswerte. Wie auch
in der Rinderfütterung ist der Rohaschegehalt der
g
< 120
< 120
< 120
Verd. Rohprotein
Anzeiger für den Verschmutzungsgrad des FutMJ
9,5 – 11,0
9,0 – 10,5
8,5 – 10
Verd. Energie
ters. Ein hoher Gehalt an Rohasche (XA) birgt die
Gefahr der Vermehrung von Fäulnisbakterien und → Tabelle 1: Orientierungswerte für Grassilage, Heulage und Heu für Pferde
(Gruber Tabelle zur Pferdefütterung, 2013)
erhöhter Buttersäurebildung. Deswegen sollten
46
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
Heulage,
Schnitt
n=14
Heu,
1.Schnitt
n=79
Trockenmasse
g
448 (400 – 500)
693 (501 – 800)
846 (801 – 920)
Rohasche
g
84 (53 – 148)
77 (54 – 109)
72 (49 – 132)
Rohfaser
g
280 (270 – 300)
311 (300 – 330)
313 (300 – 330)
und die Atemwege nicht unnötig reizen. Gute Heulage ist hellgrün bis grün,
riecht aromatisch, leicht säuerlich und
brotartig. Geöffnete Ballen sollten zügig verbraucht, angeschimmeltes Futter darf nicht verfüttert werden.
Qualität und Nährstoffgehalt von
Heu
MJ
10,2 (9,3 – 10,4)
10,0 (9,5 – 10,4)
9,9 (9,3 – 10,2)
Verd. Energie
Beides hängt wie bei der Grassilage von
Heu,
Grassilage,
Heulage,
der Zusammensetzung des AufwuchFolgeschnitte
Folgeschnitte
Folgeschnitte
Inhaltswerte
ses, dem Boden, dem Zeitpunkt der
n=22
n=112
n=8
Ernte sowie der Lagerung ab. Früher
g
439 (400 – 500)
647 (501 – 800)
850 (801 – 920)
Trockenmasse
Schnitt bedeutet einen höheren Rohg
101 (76 – 151)
85 (61 – 108)
70 (54 – 113)
Rohasche
proteingehalt (z. B. bei sehr intensiver
g
Nutzung 180 g/kg TM) und einen gerin280 (270 – 300)
308 (300 – 330)
316 (300 – 330)
Rohfaser
geren Rohfasergehalt (etwa 200 g/kg
g
94 (70 – 125)
86 (52 – 105)
60 (36 – 89)
Verd. Rohprotein
TM). Der Beginn der Blüte stellt bei Heu,
MJ
10,2 (9,8 – 10,5)
10,4 (9,8 – 10,7)
10,4 (10,0 – 10,8)
Verd. Energie
Grassilage und Heulage den optimalen
Nutzungszeitpunkt dar. Hier sinkt der
→ Tabelle 2: An das LKV-Labor Grub eingesandte Futterproben aus 2014 und 2015 im geforderten
Rohproteingehalt auf ca. 120 g/kg TM,
Rohfaserbereich (Mittelwerte, Streubereiche in Klammern)
während der Rohfasergehalt auf ca. 280
Welche Graskonserven sind geeignet?
g/kg TM steigt. Überständiges Gras, nach der Blüte gemäht,
Unter den an das LKV-Labor in Grub eingesandten Futter- hat über 350 g Rohfaser/kg TM, unter 8 MJ DE/kg TM und noch
proben findet man (fast) keine als „Pferdefutter“ eingesand- ca. 50 g verdauliches Rohprotein/kg TM oder weniger. Auch
ten Proben. In der Regel kommen die Proben von rinderhal- Heu vom zweiten Schnitt (Grummet oder Öhmd) kann je nach
tenden Betrieben. Jedoch kommt ein sehr großer Teil Schnittzeitpunkt (Abstand zwischen erstem und zweitem
Pferdefutter aus rinderhaltenden Betrieben bzw. wird von Schnitt) und zu fütterndem Pferdebestand eingesetzt werdiesen an pferdehaltende Betriebe verkauft. Unter diesem den. Hochleistende Pferde können einen guten zweiten
Aspekt wurden von den in 2014 und 2015 an das Labor in Schnitt besser verwerten als Pferde, die keine Leistung erbrinGrub eingesandten Proben an Grassilage, Heulage und Heu gen müssen. Auch kann ein zweiter Schnitt mit Heu oder
diejenigen Proben ausgewählt, die die Anforderung an den Stroh verschnitten werden, um die Nährstoffkonzentration zu
Rohfasergehalt für die Pferdefütterung erfüllten. Von diesen senken und den Rohfasergehalt der Ration zu erhöhen. Heu
Proben werden Mittelwert und Streubereich in den Inhalts- sollte vor der Verfütterung ca. 6 bis 8 Wochen ablagern, da es
stoffen Trockenmasse, Rohasche, Rohfaser, verdauliches sonst Koliken auslösen kann (zweiter Schnitt 2 bis 3 Monate).
Rohprotein und verdauliche Energie in Tabelle 2 dargestellt Gutes Heu ist grünlich, duftet aromatisch und darf keinerlei
und nachfolgend diskutiert.
Spuren von Schimmel oder Feuchtigkeit enthalten. Auch Unkräuter wie Ampfer, Brennnesseln und Disteln sind im Heu unAnforderungen an Gras- und Heulagen
erwünscht. Bei größerem Verschmutzungsgrad wird das Heu
Sowohl Grassilagen als auch Heulagen erfüllen die Anforde- staubig und die Bildung von Schimmel wird gefördert. Ist Heu
rungen bezüglich Trockenmasse, verdaulichem Rohprotein gar verschimmelt oder verpilzt, so ist es grundsätzlich als Futund verdaulicher Energie. Ein Teil der Grassilagen vom ersten termittel nicht mehr geeignet. Pflanzenfresser unterscheiden
und von den Folgeschnitten weist jedoch erhöhte Rohasche- sich zwar in Ihren Ansprüchen an die Nährstoffegehalte, jegehalte und damit einen verstärkten Verschmutzungsrad doch nicht an Qualität und Hygiene.
auf. Wichtig beim Mähen ist die richtige Schnitthöhe. Bei einer zu geringen Schnitthöhe gelangen Erde oder TierkadaDR. HUBERT SCHUSTER
ver (z. B. von Mäusen) in das Schnittgut. Daneben spielen
MARTIN MOOSMEYER
auch Witterungsbedingungen eine Rolle. Nicht zuletzt muss
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR ERNÄHRUNG
auch beim Einfahren und Festwalzen vermieden werden,
INSTITUT FÜR TIERERNÄHRUNG UND
dass Erde in das Silo gelangt. Grassilagen und Heulagen eigFUT TERWIRTSCHAFT
nen sich sehr gut für Pferde mit Heustaubhusten oder [email protected]
wegserkrankungen, da sie in der Regel sehr staubarm sind
[email protected]
Verd. Rohprotein
SUB 1-2/2016
g
83 (53 – 115)
61 (44- 85)
50 (30 – 74)
47
GRÜNLAND
Grassilage,
Schnitt
n=102
Inhaltswerte
(je kg TM)
GRÜNLAND
Großer Beutegreifer und
Herdenschutz
von JOHANNES VOGEL: Große Beutegreifer, wie z. B. der Wolf, werden in Bayern nachweislich
wieder heimisch. Landwirte und ihre Weidetiere werden damit in Zukunft leben müssen. Mög­­­
liche Lösungen kommen u. a. aus der Schweiz. Die Landwirte im Nachbarland beschäftigen sich
schon länger mit dem Thema und machen sehr gute Erfahrungen mit Herdenschutzhunden.
GRÜNLAND
Das Fachzentrum Fleischrinderzucht und Mutterkuhhaltung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Schwandorf veranstaltete 2015 mehrere Informationsveranstaltungen rund um das Thema „Große Beutegreifer“
und die dazu gehörigen Möglichkeiten des Herdenschutzes. In Bayern gibt es seit einigen Jahren immer wieder Ereignisse mit den großen Beutegreifern. Einige Mutterkuhhalter haben in ihren Herden Probleme mit den Raubtieren.
Die Rückkehr von Luchs, Wolf und Bär
Der Luchs, so Rebecca Oechslein vom Landesamt für Umwelt, zuständig für den Herdenschutz in Bayern, kommt
nur im Bayerischen Wald vor, seine Population stagniert,
und er breitet sich in Bayern nicht aus. Wölfe sind seit 2006
am Starnberger See, im Mangfallgebirge, Fichtelgebirge,
im Allgäu und in den Landkreisen Erding und Rottal-Inn
nachgewiesen worden. Vor allem die männlichen Tiere
können über weite Strecken abwandern. Deshalb ist es
möglich, dass der Wolf jederzeit und überall auftauchen
kann. Bären kommen nur in Mittel- und Osteuropa vor,
können aber ebenfalls jederzeit aus Italien stammend,
wieder über die Alpen nach Bayern einwandern.
→ Bild 1: Florian Wenger setzt zum Herdenschutz Pyrenäenberghunde ein
Was tun, wenn Große Beutegreifer auftauchen?
Mutterkühe, Schafe und Ziegen sowie deren Nachwuchs
stellen eine Beute für den Großen Beutegreifer dar. Sollte
ein Landwirt Spuren entdecken, tote Tiere auffinden oder
einen begründeten Verdacht haben, möchte er sich bitte
am besten mit Dokumentationsfotos an das örtliche Amt
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Landrats­
amt oder direkt an das Landesamt für Umwelt wenden.
Das Landesamt dokumentiert das Ereignis im „Netzwerk
Große Beutegreifer“. In diesem bayerweiten Netzwerk sind
etwa 140 Jäger, Vertreter des Naturschutzes, Förster oder
Landwirte als Ansprechpartner für Betroffene ehrenamtlich vor Ort schnell tätig. Hauptaufgabe ist die fundierte
Dokumentation von möglichen Hinweisen (z. B. Fährten,
Risse).Der Kadaver toter Nutztiere wird untersucht. Bestätigt sich der Angriff durch einen Luchs, Wolf oder Bär, wird
der Nutztierhalter entschädigt. Das Landesamt für Umwelt
unterstützt auch Betroffene mit der Bereitstellung und
dem Bau von Zäunen oder beim Einsatz von Herdenschutzhunden.
→ Bild 2: Ein junger Herdenschutzhund auf dem Betrieb Ueli Pfister in der
Schweiz
48
SUB 1-2/2016
GRÜNLAND
Herde ruhiger wurde und die Wildschweinschäden zurückgingen.
„Und auch die Wanderer hatten mehr Respekt
vor der Mutterkuhherde.“
Umwelt) mit Marimanenhunden auf dem Betrieb Ueli Pfister in der
Schweiz
Herdenschutzhunde bringen Ruhe in die Herde
Florian Wenger, Mutterkuhhalter aus der Schweiz im Kanton Jura, berichtete über seine fast zehnjährige Erfahrung
mit Herdenschutzhunden (siehe Bild 1). Sein Hof mit 55 Hektar und 30 Fleckviehmutterkühe samt Nachzucht liegt auf
etwa 1 300 Meter über dem Meer, sechs Kilometer vom
Dorf entfernt und ist von Wald umgeben. Er arbeitet mit
zwei Pyrenäenberghunden, einer Herdenschutzhundrasse
aus Frankreich. Wie kam er zu den Herdenschutzhunden?
„Meine Tiere waren extrem unruhig, ihr Verhalten hat sich
stark verändert, sie waren sehr ängstlich.“ Wildschweine
waren die Ursache dafür. Der Anfang war schwer, denn die
Mutterkuh ist das schwierigste Tier für einen Herdenschutzhund. Es waren einige Anpassungen notwendig, bis die
→ Bild 4: Informierten sich in der Schweiz vor Ort über Herdenschutzhunde: Fanny Wenger (Tochter), Rebecca Öchslein (Wildtierbeauftragte), Norbert Böhmer (Mutterkuhhalter), Johannes Vogel (Fachberater für Mutterkuhhaltung), Hans Zill (Mutterkuhhalter und
Arbeitskreissprecher), Florian Wenger und seine Pyrenäenhündin
SUB 1-2/2016
Arbeiten mit einem lebendigen Wachsystem
Beim Einsatz eines solchen Hundes bedarf es immer der
Aufklärung der Öffentlichkeit, um Ängste und Konflikte zu
vermeiden und Verständnis hervorzurufen. Herdenschutzhunde sehen unter Umständen andere Hunde und Wanderer als Eindringlinge in ihr Gebiet und reagieren darauf sehr
unterschiedlich, je nachdem ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht. Es liegt dabei in der Verantwortung des
Züchters und anschließend des Hundehalters, den Herdenschutzhund bestmöglich zu sozialisieren, damit er adäquat
in unterschiedlichen Situationen reagiert.
Wer mit diesen Hunden arbeiten möchte, sollte sich
vorher über den Einsatz von Herdenschutzhunden informieren und möglichst Betriebe besichtigen, die mit diesen
Hunden arbeiten. Grundvoraussetzung für den Erfolg aber
ist eine Leidenschaft für Hunde und Zeit und Geduld für
das lebendige Wachsystem. Bevor die Hunde zum Einsatz
kommen ist es ratsam alle Betroffenen – Behörden und die
Bevölkerung – mit einzubeziehen.
JOHANNES VOGEL
AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT
UND FORSTEN SCHWANDORF
FACHZENTRUM FLEISCHRINDERZUCHT UND
MUT TERKUHHALTUNG
[email protected]
49
GRÜNLAND
→ Bild 3: Rebecca Öchslein (Wildtierbeauftragte am Landesamt für
Der Landwirt beschreibt den Herdenschutzhund als besonders feinfühliges Tier mit hoher Sozialkompetenz, eine Art
lebende Kamera, immer selbständig arbeitend – immer in
Begleitung des Hundehalters. Der Hund ist bei seinen
Schützlingen geboren und wächst mit ihnen auf. Er garantiert einen sehr hohen Schutz, arbeitet bei jedem Wetter
365 Tage im Jahr und ist in jedem Gelände einsetzbar. Er
nützt nicht nur gegen große Beutegreifer (Bär, Wolf, Luchs),
Füchse, Wildschweine, Kolkraben (Greifvögel) und streunende Hunde sondern auch gegen Diebstahl.
GRÜNLAND
Was kommt beim Auspuff wirklich raus? TFZ misst Real-Emissionen von Biokraftstoff-Traktoren
GRÜNLAND
Welche Emissionen tatsächlich am
Auspuff von Fahrzeugen im realen
Betrieb austreten, interessiert die
Forscher am Technologie- und Förderzentrum nicht erst seit dem Abgas-Skandal. Bereits im vergangenen
Jahr haben die Wissenschaftler des
TFZ damit begonnen, eine hochauflösende Emissions-Messanalytik für
den harten Einsatz an Traktoren bei
Arbeiten auf dem Acker aufzubauen.
Das portable Emissions-Messsystem
„PEMS“ hat diesen Herbst nun seine
Feuertaufe erfolgreich durchlaufen.
Nicht nur für Straßenfahrzeuge, wie Pkw
und Lkw, sondern auch für OffroadMaschinen, wie zum Beispiel Traktoren,
ist es unumstößlich, gültige Emissionsgrenzwerte sowohl bei der Messung
am Prüfstand als auch im realen Betrieb
einzuhalten. Eine besondere Herausforderung stellt die Messung dieser Emissionen im unwegsamen Gelände, bei starker Schmutzbelastung und bei widriger
Witterung dar. Zu diesem Zweck wurde
am Technologie- und Förderzentrum ein
portables Emissions-Messsystem „PEMS“
beschafft. Um die hochauflösenden Analysegeräte vor harten Einsatzbedingungen, zum Beispiel bei landwirtschaftlichen
Arbeiten, zu schützen, entwickelten Georg
Huber, Thomas Kiesslinger und Dr.-Ing.
Peter Emberger einen speziellen, robusten Messaufbau mit autarker Stromversorgung. Die Wissenschaftler am Technologie- und Förderzentrum können nun
überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid,
Kohlenwasserstoffe und Partikelmasse im
realen Betrieb „off-road“ eingehalten werden. Darüber hinaus messen sie auch, wie
viele Rußpartikel im Abgas enthalten sind.
Messungen mit dem portablen Emissions-Messsystem wurden im Herbst
2015 erfolgreich durchgeführt. Absolviert wurde das Messprogramm mit
Unterstützung des Verwalters Günther Putz auf dem niederbayerischen
Bezirks-Gutsbetrieb Mainkofen.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass
der untersuchte Traktor im Betrieb mit
klimaschonendem Rapsölkraftstoff die
Emissionsgrenzwerte immer eingehalten,
zum Teil sogar deutlich unterschritten hat.
„Unser Ziel ist es“, so Sachgebietsleiter
Dr. Edgar Remmele, „auch bei Biokraftstoffen wiederholt und unter scharfen
Messbedingungen die Einhaltung von
Emissionsgrenzwerten zu überprüfen.
→ Traktor mit portablem Emissions-Messsystem (PEMS) – im Feld
50
Darüber hinaus wollen wir bestimmten
Feldfrüchten, Ackerflächen oder auch
spezifischen Arbeitsvorgängen realitätsnahe Emissionen zuordnen. Für die exakte
Erstellung von Ökobilanzen wäre das ein
wichtiger Schritt.“ Dies bedeute aber noch
jede Menge Fleißarbeit, ist sich Remmele
bewusst: „Viele Einzelmessungen stehen
nun an, um die Messergebnisse statistisch absichern und allgemeingültige
Aussagen treffen zu können.“ Dass der
Einsatz von Biokraftstoffen, wie Rapsölkraftstoff, Biodiesel oder Biomethan bei
der Absenkung der Treibhausgasemissionen eine wichtige Rolle spielen muss,
sind sich die TFZ-Wissenschaftler sicher.
Die Anschaffung und der Aufbau des portablen Emissions-Messsystems „PEMS“
wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie
und Technologie finanziell unterstützt.
Künftige Messungen sind an weiteren
Traktoren und auch an anderen Off-RoadMaschinen, zum Beispiel aus dem Forstbereich und dem Bausektor, geplant.
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.tfz.bayern.de/pems
Ulrich Eidenschink, TFZ
→ Die hochauflösenden Analysegeräte in speziellem Messaufbau
SUB 1-2/2016
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Let´s go for a farm walk
Berateraustausch mit Irland
von CHRISTINA ROHRMEIER: Im Rahmen eines Berateraustausches mit der irischen Beratungsorganisation Teagasc erhielten zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bayerischen
Landwirtschaftsverwaltung im Oktober 2015 die Möglichkeit, die Struktur der Landwirtschaft
in Irland und die Arbeit der dortigen Agrarberatung Teagasc kennenzulernen. Jeweils einem
irischen Gastgeber zugeteilt ergab sich so ein buntes Portfolio an Eindrücken über die Landwirtschaft und Irland aber auch über Land und Leute allgemein, die folgender Artikel schildert. Der Gegenbesuch der irischen Berater fand bereits eine Woche später statt. Die Eindrücke der irischen Gäste beschreibt Edmond Moakley in seinem Beitrag „Blick von außen auf die
Landwirtschaftsberatung in Bayern“ auf Seite Seite 56.
den irischen Kollegen für dessen Aufenthalt in Bayern organisiert werden. Außerdem galt es für den irischen Kollegen
an den jeweiligen Dienststellen ein möglichst interessantes
Programm zu gestalten. Während unseres Aufenthaltes
wurden wir über ganz Irland verteilt.
Mutterschaf- und Mutterkuhhaltung auf irisch
Anton Miller vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (AELF) Weilheim i. OB war in Galway ganz im Westen stationiert. Sein Partner war Glen Corbett.
Bei wunderbarem Sonnenschein über den Wolken
und typisch irischem Wetter unter den Wolken begann der
Berateraustausch zwischen den bayerischen Kollegen und
„
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
Die Nachricht, dass wir zehn Beraterinnen und Berater der
bayerischen Landwirtschaftsverwaltung im Rahmen einer
einwöchigen Fortbildungsreise an einer gegenseitigen
Dienststellenerkundung von Beratungskräften in Irland
teilnehmen dürfen, kam noch im Juli 2015. Der Austausch
selbst fand vom 4. bis zum 10. Oktober 2015 statt. Sowohl
der Hinflug nach Irland als auch der Rückflug nach Deutschland waren dann schnell gebucht. Während des Besuchs in
Irland waren wir jeweils einem irischen Kollegen, der ein
Programm für uns erstellte, zugeordnet. Die Kontaktdaten
der irischen Kollegen erhielten wir aber erst zwei Wochen
vor Abflug. Innerhalb kürzester Zeit musste also eine Unterkunft für den Aufenthalt in Irland sowie eine Unterkunft für
→ Der Berateraustausch nach Irland bot nicht nur Fachliches sondern auch vielfältige Eindrücke vom Land selbst
SUB 1-2/2016
51
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
→ Weidehaltung ist bis zu zehn Monaten möglich
→ Irlands Küste hat eine Länge von 1 448 km
den irischen Beratern von Teagasc. Im Westen des Landes in
der Nähe von Galway sind die Mutterschaf- sowie die Mutterkuhhaltung weit verbreitet. Was jedoch nicht heißen soll,
dass diese Betriebe extensiv wirtschaften. Jährliche Flächenspritzungen im Grünland gegen Distel und Ampfer, sowie ein
Umbruch von sanierungsbedürftigem Dauergrünland (bei
aktuell ausreichender Futterversorgung) und anschließender
Neuansaat gehören zu den Standardmaßnahmen eines irischen Farmers. Denn gerade auf die Qualität des Grünlandes
wird bei den irischen Farmern ein Hauptaugenmerk gelegt.
Die „kostenlose Futterbergung“ durch die Kuh oder das
Schaf mit maximal möglichen Weidezeiten von bis zu zehn
Monaten ist eines der wichtigsten irischen Erfolgsrezepte
in der Landwirtschaft. Zudem haben die irischen Farmer
extrem niedrige Festkosten: Neue oder massive Ställe und
High-Tech Schlepper sind im ganzen Land Mangelware
bzw. nahezu nicht zu finden.
Neben der enormen Kostendisziplin ist die Saisonabkalbung, die bei nahezu allen Milchviehbetrieben Standard
ist, ein Merkmal der irischen Milchvieh- und Mutterkuhhaltung. Zum einen passt es gut zum Management einer fast
ganzjährigen Weidehaltung. Zum anderen bietet es den
Landwirten eine Reduzierung der täglichen Arbeit, aber
zum Preis von saisonalen Arbeitsspitzen. Denn bevor im
Februar, März wieder ausgetrieben wird, haben die irischen
Farmer eine ca. dreiwöchige Arbeitsspitze mit Stallhaltung,
Kalben und Melken. Doch durch diese Arbeitsspitze – und
die anschließende Entlastung – kann ein irischer Farmer bis
zu 120 Milchkühe allein bewirtschaften.
Irischen Republik, knapp zehn Kilometer von der Grenze zu
Nordirland entfernt, stationiert.
Der Name Monaghan bedeutet „Land der kleinen
Hügel“ und bezieht sich auf das von sanften Hügeln geprägte Umland. Mein irischer Kollege James O´Donoghue,
der im dortigen Teagasc Office als Fachberater für Milchviehhaltung tätig ist, stellte ein abwechslungsreiches Programm für mich zusammen. Es ermöglichte mir sowohl Einblicke in die irische Landwirtschaft als auch in die Art und
Weise, wie in Irland Forschung, Wissenstransfer und Bildung organisiert bzw. durchgeführt wird.
Der Besuch des Grange Research and Innovation Centre verdeutlichte den ambitionierten Ansatz, den Teagasc
im Bereich der angewandten Forschung verfolgt. Dort
wird stets versucht, sehr praxisnahe Forschungsfragen zu
bearbeiten und dabei gleichzeitig anspruchsvolle wissenschaftliche Methoden anzuwenden. Ziel ist es, die Ergebnisse dann sowohl zielgruppengerecht aufzubereiten und
z. B. bei Tagen der offenen Tür zu vermitteln, als auch in
Peer-review Journals zu publizieren. Im Idealfall gelingt
beides.
Besonders effektiv erscheint auch die enge Verbindung
zwischen angewandter Forschung und Beratung. Sogenannte Specialists, die (vergleichbar unserer Fachzentren)
räumlich für mehrere Teagasc Offices zuständig sind, treffen sich einmal pro Monat mit Teagasc-Forschern zum fachlichen Austausch über neue Forschungsergebnisse und zukünftige Forschungsfragen. Die Specialists bereiten neue
Erkenntnisse dann für die Fachberater auf, und diese vermitteln das Wissen weiter an die Landwirte. Andersherum
geben die Berater aktuelle Praxisprobleme über die Specialists an die Forscher weiter. Dies ermöglicht einen sehr guten Wissenstransfer sowie einen engen Austausch zwischen Forschung und Praxis.
“
Wissenstransfer Forschung – Praxis gut gelöst
Dr. Johann Gröbmaier vom Bayerisches Staatsministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten war in Monaghan,
der Hauptstadt des gleichnamigen Countys im Norden der
52
„
“
SUB 1-2/2016
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Beispiele für gewinnbringende Nischen
Kollegin Verena Hess vom AELF Augsburg fand in der Grafschaft (County) Tipperary gelungene Beispiele dafür, wie
Landwirte gewinnbringende Nischen suchen und zunehmend auch finden.
Ein junges Ehepaar verlagerte nach der Hofübernahme den Betriebsschwerpunkt auf Milchschafe. Dieser
Schritt war auch im „Land der Schafe“ ungewöhnlich. Nur
vier Milchschafbetriebe gibt es in Irland. Der 40 Hektar
große Betrieb mit 120 Schafen, die auf 30 ha Grünland weiden, lässt wöchentlich Käselaibe von je 4,5 kg herstellen.
Der aromatische Hartkäse wird als „Irish Farm house cheese
– Caís na Tíre“ auf regionalen Märkten angeboten.
Die besondere Hanglange der Fairymount Farm ermöglichte 2012 den Umbau zum Mountain Bike-Park. 25 Jahre Erfahrung im Bereich Urlaub auf dem Pferdehof und Pioniergeist waren die Zutaten, die den Betriebsleiter (bis dahin kein
Mountainbiker) zu dieser einmaligen Anlage bewegten. Ein
Hofcafé mit hausgemachten Speisen der Betriebsleiterin vervollständigt das Angebot. Auch die Region profitiert durch geschaffene Arbeitsplätze und zahlreiche Übernachtungsgäste.
Auf der „Coorevin Farm“ können Oberstufenschüler die
Abläufe eines modernen landwirtschaftlichen Betriebs erleben. Der Betriebsleiter steht den Schülern ganzjährig,
z. B. bei der Dokumentation des Jahresablaufs, zur Seite.
„
Bei
schlechter
Witterung kommt
der mit viel Eigenleistung umgebaute Schulungsraum zum Einsatz. Denn das
Wetter
ändert
sich in Irland
schnell:
„Traue
keinem irischen
Wetterbericht“,
so die Empfehlung der irischen
Berater.
Allerdings hält der Regen selten lange
an. In dieser Zeit
bietet es sich an,
sich in einem der
zahlreichen gemütlichen Pubs
mit Kollegen auszutauschen.
“
→ Die Destilliermaschine des Highbank Organic
Orchard-Betriebs stammt von einem
Produzenten am Bodensee
„Urlaub auf dem Bauernhof“ ohne Bedeutung
Carolin Kastner vom AELF Regen nahm bei ihrem Aufenthalt
in Kilkenny den Bereich Haushaltsleistungen/Diversifizierung unter die Lupe.
Für den Bereich Diversifizierung und Alternativen in
der Landwirtschaft gibt es derzeit in der Behörde für Landwirtschaft und Ernährung Teagasc keine zuständigen Berater mehr. Dieser Bereich wurde im Laufe der letzten zehn
Jahre ausgegliedert und an private Beratungsanbieter sowie Leadermanager abgegeben. Ein Beispielbetrieb für
den Bereich Diversifizierung stellt der Highbank Organic
Orchard-Betrieb im ländlichen Umland von Kilkenny dar.
Herr Calder-Potts produziert seine Äpfel auf einer Fläche
von ca. acht Hektar mit etwa 10 000 Apfelbäumen unter
ökologischen Bedingungen. Der Betrieb wirtschaftet seit
25 Jahren ökologisch. Die Äpfel werden zu Apfelsirup, Apfelmost und auch verschiedene Arten von Spirituosen wie
Brandy, Gin oder Wodka weiterverarbeitet. Die Hauptvertriebswege für die Vermarktung der Produkte sind sowohl
der Verkauf in rund 300 Supermärkten (u. a. Supervalue) als
auch im Internetshop des Betriebes.
Spannend ist die Erkenntnis, dass dem biologischen
Anbau in Irland wenig Bedeutung beigemessen wird – weder seitens der Beratung noch von den Verbrauchern
selbst. Herr Calder-Potts ist einer der wenigen Biobetriebe
→ Erlebnis- und Schulungsbauernhof „Coorevin Farm“ Oberstufenschüler können hier das ganze Jahr über die Abläufe eines modernen
landwirtschaftlichen Betriebes erleben
SUB 1-2/2016
53
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
„
BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Milchpreises war die Stimmung der irischen Milchbauern
nicht negativ. Viele Farmer wollen ihre Herden aufstocken.
Vorhandene Fläche und das irische low-cost-System machen dies möglich.
“
Geringe Stallbaukosten in der Schweinemast
Die Schweinehaltung in Irland nahm Dr. Stephan Schneider
vom AELF Töging am Inn ins Visier.
Anders, als man es auf der grünen Insel vermuten
könnte, verfügt Irland über eine bedeutende Schweinehaltung. Der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch beträgt in Irland 192 Prozent und liegt deutlich über dem
Deutschlands und der EU (117 bzw. 112 Prozent). Diese hohe
Versorgung wird mit nur gut 300 Ferkelerzeugerbetrieben
erreicht, die im Durchschnitt über 500 Zuchtsauen halten.
Fast alle Ferkel werden auch auf diesen Betrieben gemästet
im geschlossenen System. Die Betriebe arbeiten mit Fremdarbeitskräften, welche teilweise aus Osteuropa stammen.
Aufgrund des milden Klimas benötigen die Mastställe keinerlei Lüftungstechnik; ein einfaches Seil zum Öffnen der
Lüftungsklappe reicht aus. In Irland werden die männlichen Ferkel nicht kastriert. Um den Ebergeruch möglichst
gering zu halten, werden die Tiere deutlich früher als in
Deutschland (105 kg versus 120 kg) geschlachtet. Die erstaunlich geringen Stallbaukosten von 240 bis 270 Euro pro
Mastplatz sind ein klarer Vorteil gegenüber den bayerischen Mastbetrieben.
„
→ Der 40 Hektar große Betrieb mit 120 Schafen, die auf 30 ha Grünland
weiden, lässt wöchentlich Käselaibe von je 4,5 kg herstellen. Den
aromatischen „Irish Farm house cheese“ seiner 120 Milchschafe bietet
Barry Calahan auf regionalen Märkten an
in Irland. Neben der Direktvermarktung vermietet der Betrieb ein Appartment für vier Personen zu 100 Euro pro
Nacht. Beworben wird das Appartment ausschließlich über
das Internet.
Das Feld Agrotourismus birgt in Irland ein sehr großes Potential, das bei weitem nicht ausgeschöpft ist. „Urlaub auf dem
Bauernhof“ als eigenständiger Betriebszweig, der einen großen Teil zum betrieblichen Einkommen leistet, gibt es auf den
irischen landwirtschaftlichen Betrieben kaum.
“
Stimmung unter Milchbauern gut
Petra Melchior vom AELF Traunstein erhielt in West-Cork im
Südwesten von Irland Einblicke in Milchviehbetriebe.
Geprägt von rund 1 200 mm Niederschlag, der sich
übers Jahr verteilt, stechen die sattgrünen Wiesen deutlich
vom Grau des Himmels ab. Ackerflächen sehe ich nur wenige und wenn, dann genauso wie auch die Wiesen umrahmt von dunkelgrünen Hecken. Unterwegs mit einem erfahrenen Berater, der Milchviehbetriebe in produktionstechnischen und ökonomischen Fragen unterstützt, besuche ich täglich mindestens drei Milchviehbetriebe. Nach
den Beratungen folgt regelmäßig eine „cup of tea“, bei der
wir über Pachtpreise oder den Milchmarkt debattieren.
Ein weiteres Beratungsinstrument meines irischen Kollegen ist der sogenannte „farm walk“. Über die örtliche
Presse werden Landwirte auf einen Betrieb eingeladen, um
mit meinem Kollegen und dem Betriebsleiter über aktuelle
Themen zu diskutieren. Ein Hauptpunkt ist die optimale Beweidung der einzelnen Paddocks zum Ende der Weidesaison bei beginnender Zufütterung von Grassilage. Beachtlich ist, dass in dieser öffentlichen Runde offen über einige
betriebliche Zahlen gesprochen wird. Der Betriebsleiter hat
einen Businessplan erstellt und berichtet darüber. Als größter Kostenfaktor in seinem Milchviehbetrieb stellen sich die
Ausgaben für N-Dünger heraus. Trotz des derzeitigen
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TELLERRAND
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Aktive Information zur Hofübergabe
Veronika Siefer vom AELF Kempten gewann Einblicke in die
Probleme der Hofübergabe in Irland, die sich aufgrund einer
speziellen Vererbungstradition ergeben.
→ Wegweiser in den Stallungen aus einem 2 200 Zuchtsauen-Betrieb mit
angeschlossener Mast in Südirland, der einen Eindruck von der Größe
der Betriebe vermittelt (Foto: Stephan Schneider)
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Gängige Praxis ist, den landwirtschaftlichen Betrieb
mit dem Zeitpunkt des Todes zu übergeben – zunächst an
den Ehepartner, erst dann an die nächste Generation. Dies
führt gerade heutzutage zu Problemen. Junglandwirte arbeiten oft lange nur als Mitarbeiter auf dem Betrieb. Sie
übernehmen teils erst im fortgeschrittenen Alter tatsächlich Verantwortung und treffen eigene betriebliche Entscheidungen. Was ist die Folge? Die Betriebe überaltern.
Der Nachwuchs verliert zunehmend das Interesse an der
Fortführung – speziell im Nebenerwerb. Zu geringe Intensität der Beweidung droht mit der Gefahr der Verbuschung.
Anlass für einen Infotag: Wie bringt Teagasc „Transferring
the Family Farm“ in Irland an den Landwirt? Ungeahnt viele
Betriebsleiter kamen – in Begleitung der Ehefrau und/oder
des Hofnachfolgers. Nach einem kurzen Intro im Plenum
über Bedeutsamkeit und Ablauf des Infotags müssen die
Teilnehmer selbst aktiv sein. Je zwei Ansprechpartner verschiedener Institutionen sitzen an Infotischen nebeneinander aufgereiht: Berater für Landwirtschaft und Forsten,
auch Lehrkräfte aus der Fortbildung (Teagasc), Juristen für
Erbschafts- und Steuerrecht, Experten für Rentenbezüge
sowie Mediatoren für Familien. Das Interesse ist groß, Warteschlangen bilden sich. Die Wartezeit ist gleichzeitig nützlich zum Netzwerken – auch von den Beratern von Teagasc.
Eine der wichtigsten Botschaften des Tages: „Beim ersten
Gedanken an die Hofübergabe, ist Deine erste Anlaufstelle
Dein Berater von Teagasc!
“
Gemeinsamkeiten BiLa – Adult Learning Program
Philipp Prechtl vom AELF Passau-Rotthalmünster und Stefan
Enders, AELF Roth, erkundeten „Irlands Nordwesten“ und
waren zu Gast in Carrick on Shannon.
Wir starten unseren Besuch im County Office in Longford mit einem Einblick über die Arbeitsweise und das Aufgabenspektrum der seit 1988 halbstaatlich geführten Bildungsund Beratungseinrichtung. Die Diskussion mit den Mitarbeitern zeigt, dass es durchaus Parallelen und Gemeinsamkeiten
zwischen der bayerischen und der irischen Landwirtschaftsverwaltung gibt. Das „Adult Learning Program“ weicht nur in
Details vom Bildungsprogramm Landwirt ab. Ein entscheidender Unterschied aber ist die Anzahl der Landwirte, die der
irische Beraterkollege betreut. Jeder Berater hat eine feste
Anzahl an Landwirten, für die er neben der Beratung auch die
investive Förderung, die Mehrfachantragstellung und die
Auszahlung der Direktzahlungen durchführt.
Praktische Einblicke bietet ein Schafzucht- und Mutterkuhbetrieb in der Nähe. Der Landwirt hält auf ca. 80 Hektar
Weidefläche 52 Mutterkühe mit Kälbern und etwa 35 Schafe.
Bei den Mutterkühen handelt es sich hauptsächlich um Charolais- und Limousinkreuzungen. Neben einigen reinrassigen Kühen hält er auch Aberdeen Angus, die ursprüngliche
Mutterkuhrasse in Irland. Von Ende Oktober bis Mitte April
„
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befindet sich die Herde Tag und Nacht auf der Weide. Grundlage für die Mutterkuhhaltung auf Weide ist eine saisonale
Abkalbung, die innerhalb weniger Wochen von März bis
Mitte April stattfindet. Zu Beginn der Weidesaison sollen die
Abkalbungen abgeschlossen sein, damit die Kälber und die
Mutterkühe den Aufwuchs entsprechend verwerten können. Mitte September, etwa vier Wochen vor der Versteigerung, werden die Kälber abgesetzt und teilweise auf einer
extra Weide gehalten. Während unseres Irlandaufenthalts
finden zwei große Viehmärkte in der Region Roscommon
und Leitrim statt mit Auktionen für Mutterkuhabsetzer mit
einem Gewicht von etwa 360 bis 450 kg. Obwohl die beiden
Viehmärkte nur etwa 25 km voneinander entfernt waren
und an zwei darauffolgenden Abenden stattfanden, war das
Interesse bei den Landwirten sehr groß. Viehmärkte beginnen üblicherweise um 19 Uhr abends und dauern je nach
Umfang bis 24 Uhr. An den beiden Märkten in Roscommon
und Mohill werden jeweils mehr als 500 Tiere versteigert.
Aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse und der
teils recht nassen Witterung spielt die Milchviehhaltung in
den Regionen Roscommon und Leitrim eine untergeordnete Rolle; die besuchten Betriebe sind für irische Verhältnisse eher kleinere Betriebe mit 50 Kühen. (Der durchschnittliche irische Milchviehbetrieb hält mit 65 Kühen
doppelt so viele Kühe wie der durchschnittliche bayerische
Betrieb). Von April bis Ende Oktober kommen die Tiere nur
zum Melken in den Stall. Die durchschnittlichen Stallplatzkosten pro Milchkuh mit 1 800 Euro fallen deshalb auch
recht günstig aus. Auch das günstige Grundfutter auf der
Weide ist ein entscheidender Kostenvorteil. Nach Auswertungen von Teagasc bewegen sich die Vollkosten für einen
Liter Milch zwischen 18 und 24 Cent. Bei einem vergleichbaren Milchpreis wie in Bayern ergibt sich daraus ein nicht
zu unterschätzender Kostenvorteil.
“
Autoren in der Reihenfolge ihrer Beiträge:
Anton Miller (AELF Weilheim)
Dr. Johann Gröbmaier (StMELF)
Verena Hess (AELF Augsburg)
Carolin Kastner (AELF Regen)
Petra Melchior (AELF Traunstein)
Dr. Stephan Schneider (AELF Töging am Inn)
Veronika Siefer (AELF Kempten)
Stefan Enders (AELF Roth)
Philipp Prechtl (AELF Passau)
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
„
Verantwortlich:
CHRISTINA ROHRMEIER
STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE FÜR
ERÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
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BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Blick von außen auf die
Landwirtschaftsberatung in Bayern
Irische Berater zu Gast
Direkt an den Besuch der bayerischen Berater in Irland schloss sich der Gegenbesuch der
irischen Kolleginnen und Kollegen in Bayern an. Ihre bayerischen Austauschpartner sorgten
für ein abwechslungsreiches fachliches und kulturelles Programm, das von Region zu Region
unterschiedliche Schwerpunkte hatte. Ein gemeinsamer Besuch der Landesanstalt für Landwirtschaft und im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ergänzten
den Aufenthalt. Edmond Moakley schildert in dem folgenden Beitrag seine sehr persönlichen
Eindrücke über Bayern im Allgemeinen und die Organisation der bayerischen Landwirtschaftsberatung im Besonderen.
Edmond Moakley war der „Austauschpartner“ von Dr. Stephan Schneider vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten Töging. Im Rahmen seines Aufenthaltes besichtigte
er mehrere Biogasanlagen (mit und ohne Wärmekonzept),
einen Kurzrasenweidebetrieb, die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, den Versuchsbetrieb Grünschwaige, das
AELF Erding und das AELF Töging, zwei Milchviehbetriebe
mit AMS und einen kombinierten Zuchtsauenbetrieb mit
Infobox 1: Deutsch-irischer Berateraustausch
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
Die irischen Kolleginnen und Kollegen waren in der Woche
vom 11. Oktober bis 17. Oktober 2015 in Bayern verschiedenen Dienststellen zugeordnet. Ein Höhepunkt war der gemeinsame Besuch der Landesanstalt für Landwirtschaft und
im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten. In Grub erhielten die irischen Kolleginnen und Kollegen einen Überblick über die Aufgaben und die Arbeitsweise der LfL. Die Stallungen, die Biogasanlage und die Baulehrschau stießen auf großes Interesse. Nach einem typisch
bayerischen Mittagessen in München hatten die irischen Besucher und ihre bayerischen Kollegen die Gelegenheit im
Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Ausstellung, „Das Land im Blick – 70 Jahre Landwirtschaftsministerium“ zu besichtigen. Großes Interesse fand
dabei eine große auf dem Boden angebrachte Bayernkarte: Sie verschaffte den Gästen nicht nur einen Überblick von Bayern, sondern zeigte auch, in welchem Teil von Bayern sie untergebracht waren und was die Besonderheiten der jeweiligen Region sind.
Im Gespräch mit Abteilungsleiter Wolfram Schöhl reflektierten bayerische und irische Teilnehmer gemeinsam diese besondere Form
des Berateraustausches. Die Rückmeldungen waren durchwegs positiv. Der Berateraustausch bot allen Teilnehmern nicht nur die Möglichkeit, über den Tellerrand hinauszublicken und die Organisation der Beratung in Irland, die Struktur der irischen Landwirtschaft und
darüber hinaus Irland selbst kennenzulernen. Er ermöglichte auch wertvolle, freundschaftliche Kontakte zu den irischen Kollegen.
Eine Stadtführung in München und ein Besuch im Hofbräuhaus zum Ausklang des Tages boten noch viele Gelegenheiten, sich in gemütlicher Atmosphäre mit den irischen Kollegen über die Erfahrungen während des Aufenthaltes auszutauschen.
Christina Rohrmeier, FüAk
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BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
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Day 1: Met Tom Folger dairy advisor and part time farmer
from Reichertsheim. Visited two dairy farms which Tom
works with and one digester on the out skirts of Freising.
Day 2: At staff meeting in the department of agriculture,
Töging. Meeting heads of Animal Welfare, Dairy
breeding and Dairy Nutrition. Met each of the heads in
their offices and discussed advisory methods and
services.
Day 3: At the Bavarian Research station for Agriculture,
Grub, the Bavarian Ministry of Agriculture in Munich
Centre and a tour of Munich (This was done as a group).
Day 4: University of Applied Sciences, Weihenstephan,
Department of Agriculture, discussion with professor
Gerhard Bellof, department of agriculture Erding,
discussion with Mrs Praum.
Day 5: Visited Piggery, a self-constructed Digester and
Digester also drying grass, maize.
Schweinemast. Kulturell standen der Domberg zu Freising,
die Kirche St. Magdalena in Altötting und das Münchner Hofbräuhaus auf dem Programm (siehe auch Infobox 2).
In folgendem Beitrag schildert Edmond Moakley seine
sehr persönlichen Eindrücke über Bayern im Allgemeinen
und die Organisation der bayerischen Landwirtschaftsberatung im Besonderen:
How the advisory service operates in Bavaria
Bavarian Agricultural advice is largely provided by LKV and
specializes in Animal Welfare concerns, environmental issues
and Cross compliance. Agricultural advice is more driven by
concerns of the General public more so than by progressive
farmers.
Technical advice is provided by private advisory which is
not connected with the public research sector. This is creating a gap between research and practice in the Bavarian area
concerning the technical matters, which are, in general, of
great relevance to the farmers. Specialists in their designation work with the contracted advisors. The calibre of these
Advisors varies greatly and advisors with very good know­
ledge are often overlooked because of lack of support of
their Advice from research.
How schemes operate in Bavaria
All schemes in Bavaria are very similar to Ireland through the
Common Agricultural policy. All the requirements are strictly
adhered to by farmers. All advisors dealing with schemes
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Back up to Bavarian Advisory service from Research/
Specialists
My main experience of Back up to Advisors was through my
host who was Stephan Schneider. Stephan was very conscientious of the Pig advisors he worked with and went above
the call of duty in assuring they were supported in all ways
(scientifically, technically, home life, illness etc.) Stephan had
a big workload and doesn’t deal with as many subcontracted
staff as the Dairy Advisory would.
The research facilities were very high tech facilities carrying out very basic research work. Specialists like Stephan
work very closely with research and advisors similar to the
Irish system. I met these Specialist staff on the Wednesday.
I also had the opportunity to attend a meeting at the department of agriculture in Töging which showed huge concern for staff wellbeing.
My Impression of the Advisory Service in Bavaria
The staff I met working in Bavaria are a very hard working,
approachable and knowledgeable group of people. However I reckon the system they work under is far too administrative and does not have farmer’s best interests as a priority.
Most farms I visited had more value on facilities then the performance of the farm.
Knowledge of production, openness to new thinking, industry outlook were of little concern to farmers I visited and
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
Infobox 2: Teagasc Advisory Team exchange with the
Bavarian Ministry of Agriculture during October 2015
have predefined roles and so farmers get a more Intensive
service from a visit.
Schemes such as Basic Payment Scheme (BPS), Grazing
Top-ups, Building grants and Greening requirements are
overseen by a specific advisor and strictly adhered to. All this
work is subcontracted out in the area I was in. Renewable
energy is strongly encouraged in Bavaria (siehe Bild 1).
→ Bild 1: Das Maissilo mit über 1 000 m3 auf dem Betrieb Moosner in
Eiselsberg, Gemeinde Schönberg, beeindruckte Edmond Moakley
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BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
→ Bild 2: Dr. Stephan Schneider erläuterte die Funktionsweise der
Biogas­analage der LfL auf dem Betrieb in Grub
→ Bild 3: Josef Haider (rechts) vom AELF Töging organisierte das
Programm für den irischen Gast (von links: Andreas Moosner, Edmond
Moakley und Dr. Stephan Schneider)
they didn’t have the same relationship with their advisor that
we have here in Ireland. This is mainly due to the less know­
ledgeable staff working in the subcontracted posts for short
periods of time covering the issues that arise in daily advisory
(siehe Bild 2).
BLICK ÜBER DEN
TELLERRAND
My Impression of farming in Bavaria
Bavaria is a most magnificent part of the world agriculturally
and culturally. From when I got off the plane I had Stephan
tormented to take photos of the magnificent views, A-Rated
barns, meticulously ploughed fields, tidy swards of silage,
meticulous farmyards and top quality stock.
I however could not understand the scale of Investment
on in some farms I visited knowing they had huge borrowings (Even if at very low interest rates). I would be concerned
for Bavarian farmers if Government support was to decline.
Lessons for Teagasc Advisory
Teagasc advisory has a very important role in agriculture as
an independent thinking body that farmers can contact and
get support from an advisor not influenced by industry. In
Bavaria Technical Advisors are not in a position to push their
thoughts as much, as they may be looking at more lucrative
roles in other Agricultural Business (short to Medium term).
Pay for a contracted advisor is generally very poor and does
not retain good staff resources. I also heard from farmers
that they were dealing with a lot of Advisors and it seemed
they did a lot of repetition without making any gains. On the
back of this I strongly urge Teagasc Management to fight to
replace Advisors where possible and keep subcontracting of
farmer’s personal affairs (Nitrates, profit monitor, other financial planning etc..) to a minimum.
The Advisory work in Bavaria carried out by sub-contractors is paid for by both the farmer and the state. All the ad-
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ministration of payments is carried out by the LKV. It is creating a huge administration burden on the LKV and reducing
the time specialists spend working with subcontracted advisors on the ground.
The Discussion groups we run in Ireland are a magnificent tool for transferring Agricultural knowledge to farmers.
The Bavarian specialists, advisors and farmers I met could
not understand that farmers would discuss so much personal information so openly amongst each other. It is important for us as advisors to remember how personal some
information discussed is and continue to remind groups as
much. The Bavarians keep all personal information (files etc.)
relating to clients under lock and key.
At our Meeting with Herr Schöhl in Munich on the
Wednesday he made a very important point. He stressed
that the advisory work in Bavaria is not always about making
the most money. He wants to see farmers take pride in what
they do, and own. In Dairying in Ireland I think this is something overlooked by Teagasc when we consider our best success stories. Running a highly efficient farming business is
vital but it is also important to have a farm you are proud of
and can run very efficiently.
Overall the fortnight was a massive experience. It was tiring but gave me a wealth of insight into different practices
and left me far more open minded to different systems. Renewable energy and energy efficiency also need some serious consideration. It also benefitting me through a huge improvement in my German and gave me new contacts for
future excursions etc. (siehe Bild 3).
EDMOND MOAKLEY
KONTAKT ÜBER
DR. STEPHAN SCHNEIDER
[email protected]
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BIENEN
Konventionelle oder ökologische
Imkerei
Worin liegt der feine Unterschied?
Wir Imker sind Individualisten und lassen uns die Führung
unserer Imkerei ungerne vorschreiben. Wir führen unsere
Völker selbstverantwortlich in der Art Bienenkasten, die
unseren Vorstellungen entspricht, sind bei der Veterinärverwaltung als Bienenhalter registriert, dokumentieren
Eingriffe in Stockkarten und Behandlungen in das Bestandsbuch, ernten und behandeln unseren Honig nach
bestem Wissen und Gewissen und vermarkten ihn dann als
guten Honig aus unserer Imkerei, idealerweise mit regionalem Bezug.
Bio-Honig nur mit Zertifikat
Wer „Bio“-Honig verkaufen will, muss gesetzliche Bestimmungen einhalten. Das heißt konkret, dass er sich nach der
oben genannten Verordnung zertifizieren und regelmäßig
kontrollieren lassen muss.
Für die Öko-Imkerei müssen folgende Punkte zusätzlich
eingehalten werden:
→→ Das Material der Bienenkästen muss natürlichen
Ursprungs sein. Für die Reinigung und Desinfektion
sind nur mechanisches Werkzeug, Feuer und
Wasserdampf erlaubt.
→→ Die Bienenvölker müssen aus Biobetrieben stammen oder einen Umstellungszeitraum durchlaufen.
Die Herkunft der Bienenvölker soll regional sein.
→→ Für die Vermehrung von Völkern und Königinnen
soll der Schwarmtrieb genutzt werden; instrumentelle Besamung ist nur in Zuchtbetrieben mit
Genehmigung möglich. Das Einkürzen der Flügel
der Königinnen ist nicht erlaubt.
→→ Der Standort von Bienenstöcken muss so gewählt
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werden, dass Nektar- und Pollenquellen vorhanden
sind, die im Wesentlichen aus Pflanzen von Biobetrieben, aus Wildpflanzen, konventionell bewirtschafteten Wäldern oder aus Kulturpflanzen
bestehen, die nur mit Methoden bewirtschaftet
werden, die eine geringe Umweltbelastung mit sich
bringen. Die Bienenstöcke müssen sich in ausreichender Entfernung von Verschmutzungsquellen
befinden, die die Imkereierzeugnisse kontaminieren oder die Gesundheit der Bienen beeinträchtigen können.
→→ Da gerade in einer kleingliedrigen Landschaft wie
in Bayern Bioflächen neben konventionellen
Anbauflächen liegen können, oder der Flugradius
der Bienen bis zu intensiv bewirtschafteten Flächen
reichen kann, müssen Honige und Wachs aus
diesen Gebieten auf Rückstände untersucht
werden. Honig mit Pflanzenschutzmittelrückständen unter den gesetzlichen Höchstmengen darf als
konventioneller Honig verkauft werden, aber nicht
mit dem Hinweis auf die ökologische Produktion.
Beim Wachs verhält es sich entsprechend.
→→ Bienenfutter und Mittelwände müssen aus ökologischer Produktion stammen. Aus den Kaufbelegen
muss hervorgehen, dass der Imker dies anhand der
mitgelieferten Bescheinigungen überprüft hat.
→→ Für die Behandlung der Bienenvölker gegen
Varroose sind die zugelassenen Säuren und Thymol
erlaubt, aber keine synthetischen Acarizide.
→→ Alle Bienenstände müssen in eine Karte eingezeichnet und immer aktuell gehalten werden.
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BIENEN
von BARBARA BARTSCH: Imkern ist immer eine Beschäftigung mit dem Leben – der Bienen,
ihrer Umgebung und ihren Produkten – also „Bio“, oder? Die Antwort lautet ja und nein: Ja,
wenn es um biologische Grundlagen der Bienen, ihre Lebensweise und die Nahrungsversorgung geht. Nein, wenn mit „Bio“ oder „Öko“ geworben und vermarktet werden soll. Hier
greifen die gesetzlichen Vorgaben, die in der EG-Öko-Basisverordnung mit ihren Durchführungsbestimmungen festgeschrieben sind. Als staatliche Fachberaterin für Bienenzucht für
den Bezirk Oberfranken in Bayern wird Barbara Bartsch immer häufiger mit Fragen zur
Bio-Imkerei konfrontiert. Sie hat die wesentlichen Unterschiede zur konventionellen Imkerei
nachfolgend zusammengefasst.
BIENEN
BIENEN
Die Richtlinien der Verbände sind häufig strenger als die Vorgaben der EGÖko-Verordnung, gehen aber bei den
Qualitätskriterien für Honig kaum über
die Anforderungen des Deutschen Imkerbundes hinaus. Einige Verbände
schreiben bestimmte Schritte detailliert vor. Zum Beispiel verbietet ein Verband die Erwärmung des Honigs über
38 °C, ein anderer sogar über 35 °C. Für
die Mitgliedschaft im Verband müssen
natürlich Mitgliedsbeiträge bezahlt
werden. Von der Kontrollbehörde werden die Verbandsvorgaben mit abgeprüft.
Eine Frage der Einstellung
Oberste Priorität hat in der ökologischen Landwirtschaft – und auch in der
ökologischen Imkerei – das Wirtschaf→ Bienenkästen mit speziellen Anstrich: Prüfhofleiter Achim Fuchs erläutert den Teilnehmern die
ten im Einklang mit der Natur auf nachbesonderen Anforderungen an den Anstrich von Bienenkästen in Öko-Imkereien. Wer als
haltige und ressourcenschonende
Anfänger neue Kästen anschafft und überlegt, mit der Bioimkerei zu beginnen, sollte zuvor
Weise, um die biologische Vielfalt zu erklären, ob die gewählte Lasur von der Kontrollstelle akzeptiert wird (Foto: Erhard Härtl)
halten. Im Grunde ist dies mit geringen
Abweichungen auf unsere gesamte ImÖko: mehr Bürokratie und Zusatzkosten
kerei zu übertragen. Die Entscheidung, ob man seine Imkerei
In der Öko-Imkerei sind die Dokumentation der Arbeitsweise biologisch oder konventionell führen will, hängt in der
und der Einsatz von Futter- und Behandlungsmitteln stärker gefordert als
in der konventionellen Imkerei. Die Dokumentationen müssen bei den Kon­
trollen lückenlos vorgelegt werden, um
keine Einschränkung der Zertifizierung
fürchten zu müssen. Kontrollen finden
mindestens einmal jährlich statt, können aber bei Auffälligkeiten auch häufiger durchgeführt werden. Für diese
Kontrollen fallen Kosten in Höhe von
200 bis 300 Euro pro Jahr an. In Bayern
kann man aus Landesmitteln seit 2014
einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro
auf die Kontrollgebühren bei der Landesanstalt für Landwirtschaft beantragen. So soll die Öko-Bienenhaltung in
Bayern einen Aufschwung erhalten.
Der Anschluss an einen Verband
des ökologischen Landbaus (beispielsweise Bioland, Demeter, Biokreis, Na- → Fachberater Erhard Härtl arbeitet mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch praktisch an
turland, GÄA) ist von Vorteil, da die
den Bienenvölkern. Insbesondere die Beurteilung der Bienenvölker wurde in kleinen Gruppen
Marken bekannt und anerkannt sind.
geübt (Foto: Erhard Härtl)
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SUB 1-2/2016
BIENEN
Hauptsache von der persönlichen Einstellung ab. Aber auch von den Vermarktungschancen.
Immer mehr Kunden wünschen
heute eine nachhaltige Produktion und
greifen dann zum Bio-Honig aus dem
Ausland, weil deutscher kaum verfügbar ist. Sie sind bereit, für diesen Produktionsweg einen höheren Preis zu
zahlen. Vielen Menschen ist es jedoch
noch wichtiger, dass der Honig aus der
Region kommt, in der sie leben. Deshalb ist eine regional orientierte, konventionelle Imkerei bei uns ebenso gut
angesehen wie eine Bio-Imkerei. Wichtig ist, dass die Bienenhaltung so betrieben wird, dass es den Bienen gut
geht. Wenn das der Fall ist, hat die Ausrichtung der Imkerei ihre Berechtigung!
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BIENEN
→ Das Seminar „Öko-Biene“ findet immer im Herbst als Blockveranstaltung statt. Die Gruppen sind
Bioimkerei in Bayern
bunt gemischt: Neben vielen jüngeren Teilnehmern war auch der hohe Anteil an Frauen im
Am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum
Seminar bemerkenswert. (Foto: Erhard Härtl)
(LVFZ) für Ökologischen Landbau Kringell mit Schwerpunkt ökologische Tierhaltung befindet sich einer der drei bayerischen Bienenprüf- minar ist der Umstellungsprozess einer konventionellen
höfe, an denen die staatliche Leistungsprüfung an Bienen Imkerei auf eine Öko-Imkerei. Die Bilder im Text stammen
durchgeführt wird. Die Bienenprüfhöfe gehören zum Fach- alle von den Praxisteilen der „Öko-Biene“ und zeigen Achim
zentrum Bienen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau Fuchs und Erhard Härtl mit den Teilnehmern.
und Gartenbau in Veitshöchheim. Der Bienenprüfhof KrinDer Wunsch nach Bioprodukten aus der Region ist hoch.
gell ist seit 2005 eine zertifizierte Öko-Imkerei. Im Jahr 2014 In Bayern sind bei der Landesanstalt für Landwirtschaft zurkonnte der Prüfhof auf dem Gelände der Bayerischen Lan- zeit 272 Öko-Imkereien registriert. Dies sind weniger als ein
desanstalt für Landwirtschaft in Kringell neue Räume mit Prozent der bayerischen Imkerinnen und Imker – es sollen in
Schleuderraum und Wachsverarbeitung beziehen. Der Prüf- Zukunft deutlich mehr werden. Aus diesem Grunde unterhof wird seit 2010 von Imkermeister Achim Fuchs geleitet, stützt der Freistaat Bayern die Imkereien durch Förderung
der dort knapp 200 Bienenvölker bewirtschaftet.
der Kontrollkosten. Informationen zur Imkerei und zum SeMit Einrichtung der Akademie für Ökologischen Landbau minar „Öko-Biene“ sind zu finden unter www.lwg.bayern.de
wurde in Kringell in Zusammenarbeit mit der Fachberatung
für Bienenzucht in Niederbayern ein einwöchiges Seminar
zur Öko-Imkerei etabliert. Das Seminar „Öko-Biene“ war in
den ersten beiden Jahren ein sehr großer Erfolg und wird
auch in 2016 weitergeführt. Zielgruppe für dieses Seminar
BARBARA BARTSCH
sind einerseits (Öko-)Landwirte, die einen Einstieg in die ImBAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WEINBAU
kerei erwägen und andererseits Imker, die eine nach ökoloUND GARTENBAU
gischen Vorgaben ausgerichtete, erwerbsorientierte Imkerei
[email protected]
aufbauen möchten. Fachberater Erhard Härtl und PrüfhofleiFachberaterin für Bienenzucht in Oberfranken am
ter Achim Fuchs bieten ein umfangreiches LehrgangsproFachzentrum Bienen mit Dienstsitz am Amt für Ernährung,
gramm in Theorie und Praxis. Ein Schwerpunkt in diesem SeLandwirtschaft und Forsten Bayreuth
BIENEN
Imkern in der Schülerfirma
Bienen-AG bereitet auf das Leben vor
von GERHARD MÜLLER-ENGLER und RAPHAELA SCHMID: Im Lehrplan allgemeinbildender
Schulen steht die Biene als Beispiel für ein soziales Insekt oder auch für einen Modellorganismus in Sachen Umweltqualität. Doch ihre Präsenz in der Schule geht weit darüber hinaus, wie
zahllose Bienen-AGs zeigen. Allein 2014 wurden über 100 Schüler-AGs vom Staatsministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert. Warum sich die Imkerei besonders gut
für eine Schülerfirma eignet, stellen der Fachberater an der Landesanstalt für Weinbau und
Gartenbau, Gerhard Müller-Engler, und Studienrätin Raphaela Schmid dar.
Unser Wirtschaftsleben besteht vereinfacht aus der der Urproduktion, zu der die Landwirtschaft gehört, der Industrie
und dem Dienstleistungssektor. Der durchschnittliche Bürger kennt zumeist einen dieser Bereiche von seinem Arbeitsplatz her und die anderen beiden eher als Konsument von
Produkten oder Dienstleistungen.
Reinschnuppern ins Wirtschaftsleben
Durch den Betrieb einer Imkerei als Schülerfirma erhalten die
Schüler nun aber Einblick gleich in alle drei WirtschaftsbereiInfobox: Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau betreut Schüler-AGs
Projektbetreuung
• Konzeptionelle Beratung in der Startphase (Finanzierung, Zeitplanung, Raumplanung, Unterrichtskonzepte)
• Beurteilung von Standorteignung und Bienenherkunft
(Nachweis einer fachlichen Prüfung gegenüber den
Eltern durch die Schule)
• Ausbildung der Lehrer bei Imkerkursen der staatlichen
Fachberatung
• Beratung insbesondere zur Völkerführung während des
Produktionsjahr
• (Eine finanzielle Förderung wird durch die Förderstelle
an der LfL abgewickelt!)
Infrastrukturmaßnahmen
• Vernetzung von verschiedenen Schulen (Vermitteln von
Kontakten)
• Veranstalten von Lehrfortbildungen
• Online-Angebot zum Thema „Imkern in der Schule“
(http://www.lwg.bayern.de/bienen/bildung_beruf/084334/index.php)
BIENEN
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→ Die Bienengruppe bei der Volkskontrolle
che. Die Primärproduktion beinhaltet die eigentliche Bienenhaltung mit allem, was dazu gehört. Die Verarbeitung
von Rohware mit der Herstellung von benötigten Betriebsmitteln, zum Beispiel Rähmchen aus Halbfertigwaren, und
die Veredlung von eigenen Produkten, wie Honig und
Wachs, stellen den Industriesektor dar.
Die Schüler verkaufen natürlich auch den eigenen Honig und ihre Wachsprodukte. Hierzu müssen sie sich zunächst überlegen, wie ihr Produkt dargestellt und bei welchen Anlässen oder Verkaufsstellen die Ware an den Kunden gebracht werden soll. Die Entwicklung eines eigenen
Firmenlogos, das auch auf dem Etikett und auf Plakaten
wiederzufinden ist, gehört ebenso dazu wie der Informationsstand bei Verbrauchertagen. Natürlich ist auch eine Internetpräsenz nötig. Der Handel mit eigenen Produkten,
das Marketing für die Produkte und der Imageaufbau
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BIENEN
durch Öffentlichkeitsarbeit stellen den Dienstleistungssektor dar.
So werden die Zusammenhänge und auch die Bedeutung einzelner Faktoren unmittelbar erlebbar. Zum Beispiel,
dass sich der Gewinn leichter durch einen höheren Honigpreis steigern lässt als durch höhere Honigerträge. Oder,
dass die Wertschöpfung beim Kerzengießen mit zugekauften Wachspellets deutlich leichter zu erzielen ist, als mit der
mühsamen Gewinnung und Reinigung von eigenem Rohwachs. Und auch, dass gute Qualität und eine ansprechende
Produktgestaltung den Verkauf fördern.
Lernen fast von allein
Auch den Bereich Organisation können die Schüler für das
tägliche Leben erlernen und einüben. Anschaffung von
Verbrauchsmittels wie Mittelwände und Futter müssen rechtzeitigt geplant
und vorgenommen
werden.
Dazu
gehören
auch die Suche
nach Anbietern
und ein Preisvergleich. Im Winterhalbjahr müssen Vorbereitungen für den Sommer
getroffen
werden. Die Ar→ Der Lohn der Arbeit – eigener Honig
beiten folgen ei-
SUB 1-2/2016
Gut fürs Selbstbewusstsein
Und zuletzt darf auch ein weiterer Aspekt der Persönlichkeitsbildung nicht vergessen werden. Die Schüler erfahren Respekt von Mitschülern, und vor allem von der Öffentlichkeit. Ihre Arbeit wird als sinnvoll und ökologisch
wertvoll geschätzt. Geben Kinder für andere Klassen oder
andere Gruppen Vorführungen, erhalten sie unmittelbare
Bestätigung für ihre Tätigkeit! Anderseits müssen die
Schüler auch Misserfolge wie Völkerverluste verkraften,
ohne dass an „Aufgeben“ gedacht werden kann. Diese Erfahrung ist für Kinder und Jugendliche sehr wichtig. Sie
erfahren, dass Durchhaltevermögen und Einsatz sich lohnen. Durch das breite Spektrum an Aufgaben vermittelt
die Imkerei wirkliche Schlüsselqualifikationen. Lernen
macht so Spaß und bereitet auf das Leben vor.
BIENEN
→ Qualitätsprüfung beim Honig
nem strukturierten, in unserem Fall von den Bienen vorgegebenen Jahreslauf.
Schlüsselqualifikation im Umgang mit Informationen,
Geld und Zeit werden ganz automatisch und quasi nebenbei vermittelt. Dabei ist die Motivation der Schüler
deutlich besser als beim theoretischen Lernen, da ja alles
für ihre Bienen erforderlich ist.
Die Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben spielt
ebenfalls eine Rolle. Welche Arbeitsschutzmaßnahmen
müssen beachtet werden und welche Angaben müssen
auf das Etikett? Diese Informationen müssen erarbeitet, in
kleinen Übersichten z. B. in Plakatform zusammengestellt
und dann in der Praxis auch beachtet werden. Da die Kinder und Jugendlichen häufig in kleinen Gruppen zusammenarbeiten, sind ständige Absprachen sowie eine Verteilung der Aufgaben erforderlich. Teamfähigkeit und die
Akzeptanz von Regeln sind eine wichtige Voraussetzung.
Ein Streit um die Kontrolle einer Wabe mit Bienen am offenen Bienenvolk kann sofort unangenehme Folgen haben.
Auch der heiße Dampfwachsschmelzer, die Arbeit mit
dem Wachsschmelztopf etc. sind erlebbare Gefahren, die
im Kontrast zur scheinbar harmlosen, oft medial geprägten Umwelt der Kinder stehen.
GERHARD MÜLLER-ENGLER
BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WEINBAU UND
GARTENBAU, VEITSHÖCHHEIM
STAATLICHE FACHBERATUNG FÜR BIENENZUCHT
[email protected]
RAPHAELA SCHMID
STUDIENRÄTIN AN FÖRDERSCHULEN (STRIN FS)
SFZ STINZINGSTRASSE 22, 91052 ERLANGEN
63
LEGUMINOSEN
Bayerische Eiweißinitiative –
eine Zwischenbilanz im
UN-Jahr der Hülsenfrüchte
LEGUMINOSEN
von PAUL V. PERGER und JOHANNES ANGLSPERGER: Die Leguminose ist mit ihrer Eigen­
schaft aus Sonnenenergie den Luftstickstoff zu binden eine faszinierende Pflanze. Über viele
Jahre wurden Leguminosen jedoch am heimischen Markt nicht honoriert und so der Anbau
immer uninteressanter. Um diesen schleichenden Bedeutungsverlust zu begegnen, hat
Bayern bereits im Jahr 2011 die Bayerische Eiweißinitiative zur Unterstützung von heimischem
Eiweiß gestartet. Auch mit Blick auf das für 2016 ausgerufene Jahr der Hülsenfrüchte der UN
lohnt es sich, die zwischenzeitlichen Erfolge zu beleuchten.
Mit dem für 2016 ausgerufenen Jahr der Hülsenfrüchte
möchte die UN weltweit das Bewusstsein für Hülsenfrüchte
fördern, die positiven Aspekte des Anbaus aufzeigen sowie
die Wertschöpfung steigern. Leguminosen sind nicht nur
wichtig als Futter- und Nahrungsmittel, sondern wirken
sich positiv auf die Umwelt und Bodenfruchtbarkeit aus.
Mit dem Anbau von Leguminosen werden Fruchtfolgen
aufgelockert, die Bodenstruktur verbessert und mineralischer Stickstoff aufgrund der Bindung des Luftstickstoffs
durch die Pflanzen eingespart. Auch in der Nutztierhaltung
kann auf Eiweiß als Futterkomponente nicht verzichtet
werden. Insbesondere Monogastrier wie Schwein oder Geflügel sind auf hochwertiges Eiweiß angewiesen. Aufgrund
des hohen Anteils essentieller Aminosäuren spielt Soja dabei eine bedeutende Rolle. Bayern ist hier auf Importe angewiesen. Ein Großteil des in Übersee angebauten Sojas ist
jedoch gentechnisch verändert und in diesen Ländern wegen der ökologischen Auswirkungen in der Kritik. Dies
steht im Widerspruch zur großen Mehrheit unserer Bevölkerung. Nach dem Motto „Global denken, regional handeln“ bevorzugen immer mehr Menschen regionale Wirtschaftskreisläufe.
Hier setzt Bayern an und zielt mit der im März 2011 gestarteten Eiweißinitiative auf eine bessere Nutzung von
heimischen Eiweißfuttermitteln ab, um damit den
Einsatz von Soja aus
Übersee in der Nutztierhaltung deutlich zu reduzieren. Wesentliche Ansatzpunkte waren dabei
die Verbesserungen der
Rahmenbedingungen
für den Anbau einerseits → Logo der Eiweißinitiative
64
Infobox 1: Ansatzpunkte der Eiweißinitiative
•
Beratungsoffensive insbesondere im Grünland
• Fütterungsberatung
• Verstärkte Förderung von Leguminosen im KULAP
durch erhöhten Leguminosenanteil von 10 Prozent
und spezielle Förderung von großkörnigen Leguminosen
• Anrechnungsmöglichkeit von Leguminosen beim
Greening der ersten Säule GAP (Anrechnungsfaktor
von 0,7)
• Hochwertiges Grundfutter u. a. durch Trockungsund Heubelüftungsanlagen
• Forschungsprojekte im Pflanzenbau, Tierernährung,
Landtechnik und Markt
• Überregionale Kooperationen
und den verstärkten Einsatz heimischer Futtermittel in der
Tierernährung durch Beratung und Forschung andererseits
(siehe Infobox 1).
Gezielte Fütterung spart Überseesoja
Die Erfolge sind beachtlich: In der Summe konnten seit
2010 in der Tierhaltung etwa 240 000 Tonnen Überseesoja
eingespart werden; das sind über ein Viertel des bisherigen
Imports von ca. 800 000 Tonnen. Dies ist in erster Linie ein
Erfolg der Fütterungsberatung, die ein stärkeres Bewusstsein für den Einsatz von heimischen Futtermitteln wie
Rapsschrot, Molke und Biertreber bei den Landwirten bewirkte.
SUB 1-2/2016
LEGUMINOSEN
So ist in der Rinderfütterung seit 2010 der Anteil von Sojaschrot um 37 Prozent (160 000 Tonnen) zurückgegangen.
Auch im Bereich der Schweinefütterung wird Soja immer
effizienter eingesetzt. Vor allem durch eiweißsparende Fütterungsstrategien und Erschließung von heimischen Eiweißträgern konnte die verfütterte Sojamenge im gleichen
Zeitraum um 21 Prozent (80 000 Tonnen) reduziert werden.
Bei der Geflügelfütterung haben Fütterungsversuche gezeigt, dass Soja in den Futterrationen gut ergänzt oder
durch Sonnenblumenextraktionsschrot oder Erbsen ersetzt werden kann. Dass Legehennenfütterung mit heimischen Eiweißkomponenten funktioniert, zeigen Praxisbeispiele wie die Legehennenbetriebe im regionalen
Vermarktungsnetzwerk „Unser Land“. Beim Kauf von Eiern
ist der Verbraucher eher bereit einen Mehrpreis an der Ladentheke zu zahlen. So sind regionale Markenprogramme
sowie Sojaaufbereiter entscheidende Akteure in dieser
Wertschöpfungskette.
Auch die Möglichkeit der Grünfuttertrocknung – sei es
auf hofeigenen Heubelüftungsanlagen, oder zusammen
mit den Trocknungsgemeinschaften – leisten einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung wertvoller Eiweißfuttermittel.
Hier setzt das bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft
(BaySL) zur Förderung von Heubelüftungsanlagen auf Basis
regenerativer Energien oder auch die im letzten Jahr auf
den Weg gebrachte einmalige Sonderförderung von Grünfuttertrocknungsbetrieben an.
Leguminosenanbau stark gestiegen
Auch der Anstieg des Anbauumfangs von Körnerleguminosen um 74 Prozent auf 32 000 Hektar ist beachtlich und ein
Indikator für den Erfolg der Eiweißinitiative. Die deutliche
Ausweitung im letzten Jahr wurde zusätzlich durch die vorteilhafte Anrechnung beim Greening mit einem Gewich-
SUB 1-2/2016
Überregionale Kooperationen
Bayern war und ist mit der Eiweißinitiative Impulsgeber und
Trendsetter im Bund – sowie weit darüber hinaus. So sind
auch in anderen Bundesländern wie Baden Württemberg
oder Niedersachsen zwischenzeitlich Eiweißinitiativen entstanden, die mit der Bayerischen Initiative vernetzt sind.
Im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie des Bundes ist
die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) für die bundesweite Projektkoordination und das Datenmanagement des
Soja-Netzwerkes verantwortlich. Bundesweit werden auf
120 Leuchtturmbetrieben aktuelle Fragen zum Sojaanbau
behandelt und auf Veranstaltungen – wie im Herbst 2015 in
Freising – dargestellt. Zudem werden modellhafte Wertschöpfungsketten im Futter- wie im Lebensmittelsektor
konzipiert.
Auf Ebene der Europäischen Union tritt der österreichische Verein Donausoja für einen nachhaltigen, GVO-freien
Sojaanbau ein. Bayern gehört zu einen der ersten Mitunterzeichner der Donau-Soja-Erklärung und ist mit den Akteuren vernetzt. So wird in Europa bereits knapp eine Million
Hektar Soja angebaut – mit erheblichen zusätzlichen Potentialen in der Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien und
Ungarn. Bereits in 2015 wurden dort 7,5 Mio. Tonnen GVOfreies Soja produziert.
Ausblick
Wie auch die Ergebnisse zeigen, war es richtig, von Anfang
an auf starke Praxisorientierung zu setzen. Staatsminister
Helmut Brunner hat bei seiner Vorstellung der Zwischenergebnisse im Bayerischen Landtag auch deshalb die gute Arbeit der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,
65
LEGUMINOSEN
→ Anbau von Körnerleguminosen wieder attraktiv
tungsfaktor von 0,7 und dem neuen bayerischen KULAP
u. a. mit dem erhöhten Anteil für Leguminosen in der vielfältigen Fruchtfolge von 10 Prozent wesentlich unterstützt.
Gerade bei großen Ackerbaubetrieben fand die neue Variante zugunsten großkörniger Leguminosen rege Nachfrage.
Wie die Anbauzahlen zeigen, konnte die Sojaanbaufläche kontinuierlich auf knapp 7 300 Hektar gesteigert werden. Damit wurde das in 2011 gesteckte Ziel, die Sojaanbaufläche auf 5 000 Hektar zu verdoppeln, bereits in 2015
weit übertroffen. Daneben konnte auch der Anbau von Luzerne und Ackerbohnen seit 2011 kontinuierlich auf rund
12 000 bzw. 6 000 Hektar ausgedehnt werden.
Um den Leguminosenanbau nachhaltig zu etablieren,
sind weitere Anstrengungen zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit erforderlich. Ansatzpunkte sind die innerbetriebliche Verwertung, die Vernetzung von Marktfruchtbetrieben
und Tierhaltern sowie die Qualitätssicherung und Bündelung von Waren für größere Abnehmer.
LEGUMINOSEN
der Landesanstalt für Landwirtschaft und der Verbundpartner, des Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung (LKP)
und des Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische
Veredelung (LKV) hervorgehoben. Bayern hat für die die
Bayerische Eiweißinitiative seit 2011 erhebliche Mittel eingesetzt (siehe Infobox 2).
Die daraus und aus den Anreizen von Greening und dem
neuem KULAP entstandene Dynamik gilt es zu nutzen, um
den weiter gültigen strategischen Ziele der Initiative immer
näher zu kommen:
→→ Geringere Abhängigkeit in Bayern von Eiweißimporten aus Übersee in der Fütterung von Rindern,
Schweinen und Geflügel;
→→ Eiweißbedarf in der ökologischen Tierhaltung in
Bayern ausschließlich aus heimischer Erzeugung
decken;
→→ Grünland und Leguminosen in Bayern nachhaltig
fördern;
→→ Wertschöpfung von heimischen Eiweißpflanzen
stärken und
→→ Fortführung der GVO-freien Fütterung in den
staatlichen Versuchsbetrieben.
Die Eiweißinitiative ist zu einem Erfolgsmodell geworden
und sollte im Jahr der Hülsenfrüchte Anlass sein, das Erreichte nach außen darzustellen. Die Dynamik gilt es auch in
Zukunft bayernweit weiter auf allen Ebenen für weitere Fortschritte zu nutzen. Hier steht auch das Koordinatorenteam
im Arbeitsschwerpunkt Eiweiß der LfL begleitend zur Verfügung.
Weitere Informationen zur Bayerischen Eiweißinitiative
im Internet unter http://www.stmelf.bayern.de/cms01/agrarpolitik/001128/index.php
Infobox 2: Finanzierung der Bayerischen Eiweiß­
initiative
Für die bisherigen Forschungs- und Beratungsprojekte
wurden von 2011 bis 2014 zwischenzeitlich 3,8 Mio. Euro
bereitgestellt. Für 2015 und 2016 stellt das StMELF weitere 1,8 Mio. € für einen breiten Themenbereich bereit:
• Forschung und Entwicklung mit Weiterentwicklung
innovativer Ansätze
• Demonstrationsbetriebe als Kooperationspartner zur
Förderung des Wissenstransfers und der Umsetzung
in die Praxis
• Integration des Themas heimische Eiweißfütterung
und Leguminosenanbau in der Aus- und Weiterbildung an der LfL und den Ämtern
• Vernetzung von Marktakteuren sowie Unterstützung
von Weiterentwicklung und Aufbau von Wertschöpfungsketten
• Überregionale Kooperation mit Partnern zum Thema
Eiweiß
• Öffentlichkeitsarbeit
PAUL V. PERGER
JOHANNES ANGLSPERGER
BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR
ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN
[email protected]
[email protected]
LEGUMINOSEN
Verleihung der Jahressonderpreise für innovative Ideen 2011 – 2014
Am 11. Dezember 2015 wurden im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat
in Nürnberg die Jahressonderpreise für
innovative Ideen 2011 – 2014 verliehen.
Dabei wurden Vorschläge, die sich durch
besondere Leistungen auszeichnen (z. B.
hoher Nutzen, Anwendungsbreite, Grad
der Ausarbeitung, Kreativität etc.) ausgezeichnet. Die Urkundenverleihung und
Vorstellung der Preisträger erfolgte durch
Staatssekretär Albert Füracker, MdL.
Der Geschäftsbereich des StMELF wurde
66
mit zwei Innovationen berücksichtigt. So wurde aus dem
Bereich Landwirtschaft (AELF
Kitzingen) ein Excel-Programm
zur Vereinfachung der Prüfdienstkontrollen zu den komplexen Erosionsschutzvorgaben
prämiert (siehe SuB 1/2013), aus
dem Bereich Forst die automatisierte Erstellung eines „Nachhal→ Preisträge (von links: Staatssekretär Albert Füracker,
tigkeitsplans“ für private WaldBernd Nickel (AELF Kitzingen), Bernd Kuchenbrod (AELF
besitzer (AELF Landau a. d. Isar).
Kitzingen), Martin Dickgießer (AELF Landau a. d. Isar)
StMELF
SUB 1-2/2016
LEGUMINOSEN
Leguminosenanbau in Bayern
Auswertung der InVeKoS-Daten 2014 und 2015
von SABINE BRAUN, CHRISTINA NADLER und MARTINA HALAMA: Die Veränderungen der
agrar- und förderpolitischen Rahmenbedingungen (Greening, KULAP) führten zu einer
starken Ausweitung des Leguminosenanbaus in Bayern. Besonders hervorzuheben ist die
Verdopplung der konventionellen Leguminosenfläche von 19 350 auf 38 890 Hektar von
2014 auf 2015. Die flächenstärksten Kulturen stellen Erbsen (14 670 ha), Luzerne (11 740 ha)
und Sojabohnen (7 200 ha) dar. Tierhaltende Betriebe sind mit einem Anteil von 75 Prozent
für den Großteil des konventionellen Leguminosenanbaus verantwortlich. Ob sich die
Leguminosen auch langfristig in den Fruchtfolgen etablieren, ist derzeit noch unklar. Um
bestehende Herausforderungen anzugehen, sind weitere Aktivitäten im Bereich der Forschung und des Wissenstransfers notwendig.
Verdoppelung im konventionellen Landbau
Der im Jahr 2015 verzeichnete Anstieg der Leguminosenfläche ist ausschließlich auf Veränderungen in konventionellen Betrieben zurückzuführen, während der Flächenumfang und die Anbaustruktur im Ökolandbau weitestgehend unverändert blieben (Abbildung 1). In der konventio-
SUB 1-2/2016
nellen Erzeugung ist einerseits eine Verdopplung der Leguminosenfläche von 19 350 auf 38 890 Hektar und ein gleichzeitiger Rückgang der Kleegrasfläche von 74 800 auf 58 300
zu beobachten. Der Rückgang des Kleegrases hat somit die
Steigerung der Leguminosenfläche nahezu ausgeglichen.
Betrachtet man die Gruppe aller Betriebe mit Leguminosenanbau (inkl. Kleegras und Gemenge) im bayerischen
Gesamtdurchschnitt, so blieb im Betrachtungszeitraum
2014 und 2015 der Anteil der Nicht-Leguminosenfläche mit
87 Prozent zwar konstant, jedoch erhöhte sich der Anteil
der Leguminosen in Reinkultur von drei auf fünf Prozent,
während der Anteil des Kleegrases, von zehn auf acht Prozent abnahm. Im ökologischen Landbau blieb die Anbaustruktur mit 13 Prozent Leguminosen, 23 Prozent Kleegras
und 64 Prozent Nicht-Leguminosen unverändert.
Greening und KULAP schaffen Anreize zum Anbau
80 Prozent der konventionellen Leguminosenfläche ist als
Ökologische Vorrangfläche (ÖVF) angemeldet. Dies zeigt,
dass die Möglichkeit, Leguminosen mit einem Faktor von
0,7 als Ökologische Vorrangfläche anzurechnen, gut angenommen wurde. Weitere Förderung erfährt der Leguminosenanbau durch die KULAP-Maßnahme „Vielfältige Fruchtfolge“ (A31, B44, B45). Während als Ökologische Vorrangfläche nur Leguminosen in Reinkultur angemeldet werden
können, sind über die „Vielfältige Fruchtfolge“ im KULAP
auch Kleegras und andere Mischungen (z. B. Gemenge aus
Körnerleguminosen und Getreide) förderfähig. Außerdem
ist zu berücksichtigen, dass der geforderte Leguminosenanteil in der Fruchtfolge in dieser Maßnahme von 2014 auf
2015 von fünf auf zehn Prozent erhöht wurde. Gemessen an
67
LEGUMINOSEN
Der Anbau von Leguminosen spielt in Bayern, gemessen an
seinem Flächenumfang, nach wie vor eine untergeordnete
Rolle. Die Einführung des Greening 2015 und die wachsende Nachfrage nach regionalen und GVO-frei erzeugten
Lebensmitteln kommen jedoch der Erzeugung heimischer
Eiweißfuttermittel zugute. Lag die Leguminosenfläche (sofern nicht anders gekennzeichnet, schließt der Begriff Leguminosen Kleegras und Leguminosenmischungen mit
Getreide aus) mit einem Anteil von 1,42 Prozent an der Gesamtackerfläche 2014 noch bei etwa 29 350 Hektar, so stieg
sie 2015 auf 48 740 Hektar bzw. 2,37 Prozent der Gesamtackerfläche in Bayern an. Vor diesem Hintergrund ergeben
sich für die Beratung veränderte Voraussetzungen. Interessant ist nicht nur, wo die einzelnen Leguminosenarten in
welchem Umfang angebaut werden, sondern auch, ob Verwertungsmöglichkeiten in den jeweiligen Betrieben selbst
bestehen. Welche Ansatzpunkte für die Verwertung oder
Vermarktung von Leguminosen ergeben sich daraus?
Grundlage dieser Auswertung ist eine Datenabfrage (November 2015) der InVeKoS-Datenbank zum Umfang des Leguminosenanbaus auf Ebene der Regierungsbezirke. Gruppiert wird nach Wirtschaftsweise (konventionell, ökologisch), betrieblicher Ausrichtung in der tierischen Erzeugung und Leguminosenarten.
LEGUMINOSEN
zent) und geflügelhaltenden Betrieben (1 Prozent).
40 000
Während der Fokus des Luzerneanbaus deutlich bei
35 000
den überwiegend rinderhaltenden Betrieben liegt
30 000
(74 Prozent), werden SojaSonstige Hülsenfrüchte
bohnen zu nahezu 50 Pro25 000
Luzerne
zent von MarktfruchtbetrieKlee
ben angebaut. Der Erb20 000
Sojabohnen
senanbau verteilt sich zu
Ackerbohnen (inkl. GPS) rund 47 Prozent auf rinder15 000
Erbsen (inkl. GPS)
haltende Betriebe, zu 25 auf
10 000
Marktfrucht- und zu 25 Prozent auf schweinehaltende
5 000
Betriebe (Abbildung 2). Die
Ackerbohnenfläche ist na0 000
hezu gleich verteilt. Zu be2014
2015
2014
2015
rücksichtigen ist an dieser
konventionell
ökologisch
Stelle, dass im Rahmen der
*Sonstige Hülsenfrüchte fassen folgende Kulturen zusammen: Lupinen (inkl. GPS), Wicken, Esparsette,
InVeKoS-Daten gewerbliSeradella (und andere kleinkörnige Leguminosen), Gemenge aus Erbsen und Ackerbohnen, Klee-Luzerneche Betriebe nicht erfasst
Gemisch, Samenvermehrung von Klee oder Luzerne.
werden. Damit bleibt insbe→ Abbildung 1: Leguminosenanbau 2014 und 2015 in Bayern *
sondere im Hinblick auf den
tatsächlichen Leguminosenanbau bei Schweine- und Geder Gesamtfläche der insgesamt im KULAP förderfähigen flügelbetrieben eine große Unschärfe bestehen.
Leguminosen (inkl. Kleegras und Gemenge) lag der Anteil
Insgesamt konzentriert sich der Leguminosenanbau in
der Flächen der „Vielfältigen Fruchtfolge“ 2014 noch bei Betrieben mit geringer Viehdichte. Mehr als 50 Prozent des
20 Prozent und erhöhte sich 2015 auf 33 Prozent. Während Leguminosenanbaus fällt auf Betriebe mit weniger als eidie Kleegrasfläche nur einen leichten Anstieg von rund ner Großvieheinheit pro Hektar. Damit beachtet die Praxis,
16 000 auf 18 000 Hektar erfuhr, verzeichneten die Legumi- dass Leguminosen am besten in Fruchtfolgen passen, in
nosen in Reinkultur eine deutliche Steigerung um das denen geringere Mengen an organischen Düngern zum
3,5-fache, von 6 900 Hektar auf 23 800 Hektar. Dies ver- Einsatz kommen. Im Ökologischen Landbau verteilt sich
deutlicht, dass der Anstieg der Leguminosenfläche in die- die Leguminosenfläche etwa gleichmäßig auf Marktfruchtser KULAP-Maßnahme durch Leguminosen in Reinkultur und Tierhaltungsbetriebe.
getragen wurde, die auch als ÖVF anerkannt werden. Welcher Anteil davon auch als ÖVF gemeldet wurde, wurde
Regionale Schwerpunkte des Legumionsenanbaus
nicht analysiert. Die ausgewerteten Zahlen sprechen je- Die regionalen Unterschiede im Leguminosenanbau sind
doch dafür, dass Synergieeffekte von Greening und KULAP in Abbildung 3 dargestellt. In Oberbayern, Niederbayern
von der Praxis genutzt wurden.
und Schwaben ist das Verhältnis der Körnerleguminosen
(Erbse, Ackerbohne und Soja) weitestgehend ausgegliLeguminosenanbau und Tierhaltung
chen, mit einem Schwerpunkt des Sojaanbaus in OberbayDer Anbau der Leguminosen verteilt sich im konventionel- ern. In Oberfranken und der Oberpfalz liegt der Schwerlen Landbau zu 75 Prozent auf tierhaltende Betriebe und zu punkt der Körnerleguminosen im Erbsenanbau, was den
25 Prozent auf Marktfruchtbetriebe*). Überwiegend rinder- dort vorherrschenden Bedingungen von sandigen, eher
haltende Betriebe *) haben mit 56 Prozent den größten An- leichten Böden und dem eher trockenen Klima entspricht.
teil gegenüber vorwiegend schweinehaltenden (15 Pro- Angepasst an die geringeren Niederschläge überwiegt in
LEGUMINOSEN
ha
45 000
*)
Als Marktfruchtbetriebe werden Betriebe mit insgesamt weniger als drei Großvieheinheiten angesehen.
Als Betriebe mit einer überwiegenden Tierart (Rind, Schwein, Geflügel) werden Betriebe bezeichnet, deren gesamtbetriebliche Großvieheinheiten
zu mehr als 50 Prozent zu dieser Tierart gehören.
**)
68
SUB 1-2/2016
LEGUMINOSEN
14 000
12 000
10 000
8 000
Überwiegend sonstige Tiere
Überwiegend Geflügelhaltung
6 000
Überwiegend Schweinehaltung
Überwiegend Rinderhaltung
ohne Tierhaltung
4 000
2 000
0 000
2014
2015
2014
2015
Erbsen (inkl. GPS) Ackerbohnen (inkl.
GPS)
2014
2015
Sojabohnen
2014
2015
Klee
2014
2015
2014
Luzerne
2015
Sonst.
Leguminosen
→ Abbildung 2: Leguminosenanbau (konventionell) nach betrieblicher Ausrichtung in der Tierhaltung
Herausforderungen und Ausblick
Die Einführung des Greening und die Aufstockung der KULAP-Maßnahme „Vielfältige Fruchtfolge“ haben dazu geführt, dass 2015 in Bayern mehr Leguminosen in den
Fruchtfolgen integriert waren als in den Vorjahren. Dies ist
im Hinblick auf Ökologie, regionale Wirtschaftskreisläufe
und heimische Eiweißversorgung eine positive Entwicklung. Offen bleibt an dieser Stelle die Frage, was die Motivationen der Betriebsleiter für den Leguminosenanbau waren und wie sich der Leguminosenanbau in den nächsten
Jahren entwickeln wird – insbesondere vor dem Hintergrund der pflanzenbaulich schwierigen Bedingungen des
Jahres 2015. Auch die Frage nach der Verwertung und Ver-
SUB 1-2/2016
Infobox 1: Die Bayerische Eiweißinitiative
Die Bayerische Eiweißinitiative wurde 2011 vom Bayerischen
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Anbau, Produktion und
Nutzung heimischer Eiweißfuttermittel zu fördern und dadurch den Einsatz von importierten Eiweißfuttermitteln aus
Übersee zu reduzieren. Praxisorientierte Forschungsprojekte in allen relevanten Bereichen bilden die Grundlage für
den Wissenstransfer in Bildung, Beratung und Praxis. Weitere Informationen finden sie unter
www.lfl.bayern.de/eiweiss
marktung der Körnerleguminosen kann anhand der InVeKoS-Daten nicht beantwortet werden. Es lassen sich jedoch Zusammenhänge erkennen:
50 Prozent der Sojafläche in Bayern wird von Marktfruchtbetrieben bewirtschaftet. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Soja derzeit die wirtschaftlichste Körnerleguminose für Marktfruchtbetriebe ist. Die Vermarktungsstrukturen bei Ackerbohnen und Erbsen sind nur wenig
69
LEGUMINOSEN
Mittelfranken der Luzerneanbau. In Mittelfranken ist darüber hinaus der Anteil der Leguminosen an der Gesamt­
ackerfläche mit 3,5 Prozent am höchsten in Bayern, gefolgt
von Unter- und Oberfranken mit 3,1 bzw. 2,9 Prozent. 2015
war über alle Regionen in Bayern hinweg ein schwieriges
Jahr für den Leguminosenanbau. Die Trockenheit führte, je
nach Standort und Region, zu starken Ertragseinbußen und
Totalausfällen. Selbst die Luzerne, die für ihre Trockentoleranz bekannt ist, konnte nur unterdurchschnittliche Erträge
hervorbringen.
LEGUMINOSEN
10 000
Um den Leguminosenanbau langfristig zu
9 000
stärken, ist es notwendig,
8 000
dass sich stabile und ökonomische
Verwertungs7 000
möglichkeiten etablieren.
6 000
Wichtige Ansatzpunkte daSonstige Hülsenfrüchte
für sind eine Ausweitung
5 000
Luzerne
der innerbetrieblichen Ver4 000
Klee
wertung, direkte LieferbeSojabohnen
ziehungen zwischen Markt3 000
Ackerbohnen (inkl. GPS)
fruchtbetrieben und Tier2 000
haltern auf regionaler
Erbsen (inkl. GPS)
Ebene und die Weiterent1 000
wicklung von Erfassungs0 000
strukturen. Zudem sind
weitere Forschungsarbeiten in den Bereichen der
Pflanzenzucht, dem Pflanzenbau und der Tierernährung notwendig. Durch be→ Abbildung 3: Leguminosenanbau 2015 in den Regierungsbezirken (ökologisch und konventionell). Angaben
gleitende Maßnahmen in
in Klammern geben den Anteil der Leguminosen an der Gesamtackerfläche des Regierungsbezirks an
Beratung und Wissenstransfer gilt es, gemeinsam mit den Akteuren entlang
der Wertschöpfungskette Lösungen zu entwickeln und
umzusetzen.
Infobox 2: Das UN-Jahr der Hülsenfrüchte
LEGUMINOSEN
Das Jahr 2016 wurde in der Resolution 68/231 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte erklärt. Die Resolution betont,
dass Hülsenfrüchte eine wichtige Quelle pflanzlichen Eiweißes für Mensch und Tier auf der ganzen Welt sind. Ziel des
Internationalen Jahrs der Hülsenfrüchte ist eine Stärkung
des Bewusstseins der Öffentlichkeit für den Nutzen von Hülsenfrüchten und die weltweite Stimulation des Anbaus, der
Nutzung und der Wertschöpfung von Hülsenfrüchten. Weitere Informationen finden Sie unter
www.fao.org/pulses-2016/en/
etabliert und die Rentabilität blieb in den letzten Jahren
meist hinter anderen Mähdruschfrüchten zurück. Ackerbohnen und Erbsen finden ihren Anbauschwerpunkt in
viehhaltenden Betrieben. Ein Grund hierfür kann sein, dass
sie sich in Milchvieh- und Schweinerationen ohne Aufbereitung integrieren lassen. Bei innerbetrieblicher Verwertung
stellt sich die Wirtschaftlichkeit in der Regel besser dar als
im Verkauf.
70
SABINE BRAUN
CHRISTINA NADLER
MARTINA HALAMA
BAYERISCHE LANDESANSALT FÜR
LANDWIRTSCHAFT
INSTITUT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT
UND AGRARSTRUKTUR
[email protected]
[email protected]
[email protected]
SUB 1-2/2016
Gute Vorsätze 2016
Oh Herr, du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und
zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten
anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich,
aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es
mir ja schade, sie nicht weiterzugeben. Aber du verstehst, oh Herr,
dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und
verleihe mir Schwingen, zum Wesentlichen zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden.
Sie nehmen zu und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr
zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir Krankheitsschilderungen
anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu
ertragen.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte keine Heilige
sein mit ihnen lebt es sich so schwer –, aber ein alter Griesgram ist
das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartet Talente zu
entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe,
sie auch zu erwähnen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.
Theresa von Avila (1515 – 1582)
IMPRESSUM
Herausgeber:
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
ISSN: 0941-360X
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Redaktionsschluss für Heft 4-5/2016:
1. März 2016
Titelbild:
Susanne Krapfl, Fachzentrum Alm- und Alpwirtschaft in Holzkirchen