Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1-2/2016 Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern SCHULE und BERATUNG →→ Korruptionsvorsorge als Steuerungsinstrument →→ Souveräner Umgang mit Widersprüchen →→ Let´s go for a farm walk →→ Bayerische Eiweißinitiative – eine Zwischenbilanz im UN-Jahr der Hülsenfrüchte INHALT KORRUPTIONSPRÄVENTION MILCH BILDUNG GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG GRÜNLAND BLICK ÜBER DEN TELLERRAND BIENEN LEGUMINOSEN 28 32 34 36 37 BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung Gut ernährt ins Leben Gesund und fit bei Demenz Geschmackerinnerungen und die Bedeutung des Essens im Alter Länger gesund und selbstständig im Alter – Fachtagung gibt Impulse für gesundheitsförderliche Angebote in Kommunen 38 46 48 50 Harnschäden auf einer Kurzrasenweide Futterqualität für Pferde Großer Beutegreifer und Herdenschutz Was kommt beim Auspuff wirklich raus? TFZ misst Real-Emissionen von Biokraftstoff-Traktoren 51 Let´s go for a farm walk 56 Blick von außen auf die Landwirtschaftsberatung in Bayern 59 Konventionelle oder ökologische Imkerei 62 Imkern in der Schülerfirma 64 Bayerische Eiweißinitiative – eine Zwischenbilanz im UN-Jahr der Hülsenfrüchte 66 Verleihung der Jahressonderpreise für innovative Ideen 2011 – 2014 67 Leguminosenanbau in Bayern MILCH BILDUNG GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG 21 Souveräner Umgang mit Widersprüchen 25 Neuer Lehrplan an der FAK 27 Im Spanungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen: Kongress und Aktionstag an TS in Kaufbeuren GRÜNLAND Betriebliche Entwicklung ohne Quote Ernährungswirtschaftliche Ausfuhren Bayerns nach Russland GQS-Bayern: Neue Version ist online Akzeptanz der Nutztierhaltung Neues zur Kälber- und Jungviehaufzucht BLICK ÜBER DEN TELLERRAND 10 14 16 17 20 Korruptionsvorsorge als Steuerungsinstrument Beim Zuschauen lernen – Videos erklären das Mitarbeiterportal Korruptionsvorsorge hautnah Telefonkonferenzen: zeitgemäß kommunizieren BIENEN 4 6 7 9 LEGUMINOSEN KORRUPTIONSPRÄVENTION INHALT KORRUPTIONSPRÄVENTION Korruptionsvorsorge als Steuerungsinstrument KORRUPTIONSPRÄVENTION Korruption schadet der Gesellschaft und untergräbt das Vertrauen von HELMUT HARAN: Schlagzeilen wie „Das zerstörte Sommermärchen“ (1) bezüglich der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 zeigen, wie sehr mögliche Korruptionsfälle das Vertrauen in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse zerstören können. Für die Verwaltung ist es deshalb von besonderer Bedeutung, Maßnahmen zur Korruptionsprävention zu ergreifen, um mögliche Schäden gegenüber dem Staat zu verhindern, aber auch um das Vertrauen des Bürgers in staatliche Entscheidungsprozesse zu sichern. Überall, wo Korruption herrscht, funktioniert keine Marktwirtschaft. Die Bayerische Staatsregierung hat aus diesem Grund 2004 eine Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung erlassen. Diese sieht vor, dass jedes Ressort mindestens eine Organisationseinheit mit der Aufgabe der Innenrevision für besonders korruptionsgefährdete Bereiche des Ressorts betrauen soll. Für den gesamten Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nimmt diese Aufgabe zentral die Stabsstelle Interner Revisionsdienst/ Prüfbehörde wahr. Das Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamts weist für 2014 einen monetären Schaden durch Korruption von rund 358 Mio. Euro aus. Diese Summe betrifft allerdings nur polizeilich bekannt gewordene Fälle. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Bei der Art der Vorteile steht an erster Stelle die Erlangung von Aufträgen und an zweiter Stelle die Erlangung behördlicher Genehmigungen (2), also Bereiche, die in den land- und forstwirtschaftlichen Verwaltungen eine große Rolle spielen (siehe Abbildung 1). Die Innenrevision stellt jährlich einen Prüfungs- und Arbeitsplan auf, der dem Amtschef zur Billigung vorgelegt wird. Gemäß dem Prüfungsplan werden bei allen Behörden des StMELF in regelmäßigen Abständen Prüfungen der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption durchgeführt. Hierbei werden insbesondere folgende wichtige Bereiche der Korruptionsvorsorge betrachtet: →→ Einstufung der Dienstposten in korruptionsgefährdete Bereiche →→ Personelle Maßnahmen →→ Transparente Aktenführung →→ Einhaltung der Dienst- und Fachaufsicht →→ Beschaffung und Vergabe →→ Sponsoring Unterschiedliche Gefährdung der Dienstposten Die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung Korruptionsbekämp- 4 51,4% 64,9% Erlangung von Aufträgen Erlangung behördlicher Genehmigungen Bezahlung fingierter / gefälschter Rechnungen sonstige Wettbewerbsvorteile 15,9% 7,4% 11,9% 0,5% 5,9% 5,1% Beeinflussung der Strafverfolgung 3,9% 3,7% Erlangung interner Informationen 3,4% 2,7% Gebührenersparnis 1,8% 2,5% Aufenthalts- / Arbeiserlaubnisse 0,9% 1,1% 2014 Sonstiges 4,9% 9,1% 2013 Quelle: Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Korruption 2014, Seiten 8, 11 → Abbildung: Vorteile durch Korruption SUB 1-2/2016 KORRUPTIONSPRÄVENTION Beschäftigte sensibilisieren Aufgabe der Verwaltungen ist es, die Mitarbeiter für einen offenen Umgang gegenüber korruptiver Handlungen zu sensibilisieren. Offene Gespräche und regelmäßige Aufklärungen der Mitarbeiter führen dazu, möglicher Bereitschaft zur Korruption die Grundlage zu entziehen. Auf der Internetseite des Staatsministeriums des Innern (www.stmi.bayern.de/min/korruptionspraevention/index.php) wird ein Verhaltenskodex gegen Korruption als Muster zur Verfügung gestellt. Es wird empfohlen, diesen Kodex in den Behörden auch zu verwenden. In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen sind die Beschäftigten regelmäßig zu sensibilisieren. Den Mitarbeitern sollte die Möglichkeit gegeben werden, regelmäßig an Aus- und Fortbildungen zum Thema Korruptionsbekämpfung teilzunehmen. Eine gute Möglichkeit stellt hierbei das E-Learning Programm der Bayerischen Staatsregierung dar. Im Bildungsportal (www.baylern.de) werden zwei elektronische Schulungen zum Thema Korruption (Korruption für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Korruptionsprävention für Führungskräfte) angeboten. Nach Abschluss der elektronischen Schulung (Dauer ca. 1 Stunde) kann eine Teilnahmebestätigung ausgedruckt werden. Bei Dienstposten mit einer systematischen Korruptionsgefahr sieht die Korruptionsrichtlinie eine Personalrotation nach spätestens sieben Jahren vor. Aus dringenden dienstlichen Gründen kann auch eine längere Verwendungszeit eingeräumt werden. Hierzu sind aber dann verstärkte Ausgleichsmaßnahmen wie eine verstärkte Dienst- und Fachaufsicht notwendig. Auch ein Mehraugenprinzip hat sich in diesen Fällen bewährt. Während im Förderungsbereich ein Mehraugenprinzip durchgehend installiert ist, gibt es im Bereich Hoheitsvollzug (Genehmigungen und Stellungnahmen) zum Teil noch Nachbesserungsbedarf. Transparente Aktenführung Um eine mögliche Korruption im Vorfeld zu unterbinden, ist eine transparente Aktenführung notwendig. Die einzel- SUB 1-2/2016 nen Bearbeitungsschritte müssen für einen Dritten dauerhaft nachvollziehbar sein. In der Allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaats Bayern gibt es hierzu genaue Angaben. Einhaltung der Dienst- und Fachaufsicht In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen ist eine verstärkte Dienst- und Fachaufsicht notwendig, um gegenüber den Mitarbeitern, aber auch gegenüber Außenstehenden zu zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass korruptes Verhalten aufgedeckt wird, sehr hoch ist. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass korruptes Verhalten oftmals erst dann auftritt, wenn kein internes Kontrollsystem installiert ist. Eine Dienst- und Fachaufsicht ist kein Misstrauensprinzip, sondern soll in erster Linie dem Schutz der Mitarbeiter dienen. Beschaffung und Vergabe besonders gefährdet Insbesondere die Bereiche Beschaffung und Vergabe stellen für unsere Verwaltungen eine besondere Herausforderung dar. Die strikte Einhaltung der Vergabevorschriften wird von der Korruptionsrichtlinie gefordert. Für Behörden, Infobox: Korruptionsprävention im Geschäftsbereich des StMELF Aufgaben und Ziele der Innenrevision: • Verhüten und gegebenenfalls Aufdecken von Korruption • Unterstützung der Aufsichtsfunktion der Vorgesetzten • Planmäßige Prüfungen und Anlassprüfungen • Analyse von Schwachstellen • Unterbreitung von Vorschlägen zur Behebung festgestellter Mängel • Mitwirkung bei Schulungen Zum 1. Januar 2014 wurde Helmut Haran zum Ansprechpartner für den Geschäftsbereich des StMELF bestellt. Seine Aufgaben sind: • Erteilen von Auskünften in Fällen von versuchter Manipulation und Einflussnahme oder bei aufkommenden Verdachtsmomenten; • Analyse von Schwachstellen in der dienstbetrieblichen Organisation; • Vorschlag geeigneter Präventionsmaßnahmen, laufende Überprüfung und Anpassung bestehender Maßnahmen; • Sensibilisierung der Beschäftigten für die Korruptionsproblematik. 5 KORRUPTIONSPRÄVENTION fungsrichtlinie (KorruR) (3) sieht zur Korruptionsprävention und -bekämpfung verschiedene personelle und organisatorische Maßnahmen vor, die in der Regel daran anknüpfen, ob ein Dienstposten bzw. eine Funktion korruptionsgefährdet oder besonders korruptionsgefährdet ist. Die Behördenleitung stuft jeden Dienstposten entsprechend der Richtlinie in nicht korruptionsgefährdet, korruptionsgefährdet und besonders korruptionsgefährdet ein. Diese Einstufung wird vom Internen Revisionsdienst bewertet und diskutiert. KORRUPTIONSPRÄVENTION KORRUPTIONSPRÄVENTION die nur sehr selten im Rahmen der Beschaffung von Vergabevorschriften berührt sind, sind die komplexen Vorgaben oftmals schwer einzuhalten. Da aber gerade in diesem Bereich das Korruptionsrisiko am höchsten ist, führt an einer korrekten Vergabe kein Weg vorbei. Die Zentralen Vergabestellen für Beschaffung an der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an der Landesanstalt für Landwirtschaft können die Dienststellen bei der Durchführung von Beschaffungen fachkundig beraten oder öffentliche Vergaben auch selbst durchführen. Auch bei freihändigen Vergaben ist ein ordnungsgemäßer Vergabevermerk zu führen und eine korrekte Leistungsbeschreibung zu erstellen. Im Bereich der Förderung legt die EU-Kommission verstärktes Augenmerk auf eine ordnungsgemäße Auftragsvergabe, zum Teil mit empfindlichen Kürzungen bei der Förderung, falls Abweichungen bei der Einhaltung der Vergabevorschriften festgestellt werden. Aus diesem Grund muss auch in der eigenen Verwaltung eine ordnungsgemäße Vergabe eine sehr hohe Priorität haben. Richtlinie regelt Sponsoring Die Korruptionsrichtlinie verweist in ihren Bestimmungen im Bereich Sponsoring und Werbung auf die Sponsoringrichtlinie (4). Demnach sind Sponsoringmaßnahmen durch einen Sponsoringvertrag oder durch eine Dokumentation der Sponsoringvereinbarungen aktenkundig zu machen. Alle Leistungen über einen Wert von 1 000 Euro im Einzelfall sind laufend zu erfassen. Eine jährliche Übersicht wird vom Staatsministerium angefordert. Unterstützt wird Helmut Haran von den Innenrevisoren Lorenz Erl, am Dienstsitz Abensberg und Friedrich Spatz, am Dienstsitz Kitzingen. Sie schildern ihre Tätigkeit im nachfolgenden Artikel auf Seite 7 Literatur (1) DER SPIEGEL, Nr. 43 / 17. Oktober 2015 (2) BUNDESKRIMINALAMT, Bundeslagebild Korruption 2014, Seiten 8, 11 (3) Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung (Korruptionsbekämpfungsrichtlinie –KorruR), Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 13. April 2004 Az.: BIII 2-515-238, geändert durch Bekanntmachung vom 14. September 2010 (AII MBl S.243) (4) Richtlinie zum Umgang mit Sponsoring, Werbung, Spenden und mäzenatischen Schenkungen in der staatlichen Verwaltung (Sponsoringrichtlinie – SponsR); Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 14. September 2010 Az.: B II 2-G24/10 HELMUT HARAN BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN [email protected] Beim Zuschauen lernen – Videos erklären das Mitarbeiterportal Das Mitarbeiterportal (MAP) ist Nachfolger des Intranets. Neu sind ein personalisiertes Informationsangebot, die Volltextsuche, der schnelle Zugriff auf standortspezifische Daten und vieles mehr. Wie können Anwender diese Funktionen nutzen? Videos geben Antwort. „Heute hat keiner mehr Zeit ein dickes Handbuch zu lesen“, bemerkt Olga Folz, Behördenadministratorin an der FüAk. „Lehrvideos erklären die einzelnen Anwendungen kürzer und verständlicher.“ Folz erstellt Videoanleitungen für das MAP. Sie schreibt die Drehbücher, führt die Aufnahmen sowie den Schnitt der Bildschirmaktionen durch und spricht die Tonspuren ein. Den Umgang mit der dafür notwendigen Software „Camtasia“ 6 lernte die Mitarbeiterin auf einer Schulung im Staatsministerium. Das erste Ergebnis ist nun im MAP unter Tipps und Tricks abrufbar: Ein Video, das die Erstellung von Abos erklärt. Derzeit arbeitet Folz an einem Film zum Mitteilungsarchiv. dige Verfügbarkeit. Die Sachbearbeiter schätzen die zeitliche Entlastung, da statt einem Telefonat ein Klick dem Landwirt Hilfe verspricht. Zumal mit den Videos jeder in der eigenen Geschwindigkeit lernen und auch einmal zurückspulen kann. Positive Resonanz auf Lehrvideos Erste Erfahrungen mit Lehrvideos hat das Fachzentrum Optimierter Fördervollzug des AELF Bamberg in diesem Frühjahr gesammelt. Dessen Videoanleitungen erklären neue Funktionen im iBALIS. Mehr als zehn Clips veröffentlichte das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seinem Videokanal auf Youtube. Alleine die Anleitung „Feldstücke ändern in der Feldstückskarte“ haben mehr als 17 500 Nutzer angeklickt. Die Benutzer loben deren Anschaulichkeit und stän- Weitere Kurzfilme in Planung Aufgrund der guten Rückmeldung setzt der Geschäftsbereich in Zukunft vermehrt auf die Videos als Lehrmittel. Zunächst werden diese vor allem bei der Anwendung des MAP zu finden sein. Lehrvideos sind aber auch für andere Softwareprogramme angedacht. Anregungen für Themen sind jederzeit willkommen! Katharina Kappauf, AELF Straubing Nadja Fischer, AELF Ansbach Anika Wirsig, AELF Augsburg SUB 1-2/2016 KORRUPTIONSPRÄVENTION Korruptionsvorsorge hautnah von LORENZ ERL: Seit dem Jahr 2009 ziehen Friedrich Spatz und Lorenz Erl als Revisoren für den Fachbereich Korruptionsprävention der Stabsstelle Interner Revisionsdienst/Prüfbehörde (IRP) am Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch den Freistaat. Ihr Auftrag besteht darin, im gesamten Geschäftsbereich den Selbstschutz der Ämter, Institute, Anstalten und Einrichtungen vor Korruption zu überprüfen. Das Ziel dabei ist, Korruption zu verhüten und gegebenenfalls aufzudecken, damit diese geahndet werden kann. Lorenz Erl schildert in seinem Beitrag die Vorgehensweise und Erfahrungen. Prüfer sind nicht immer die beliebtesten Besucher – um es einmal dezent zu formulieren. Aber irgendwann ist wohl je der in der Situation, sein Aufgabenfeld, die persönliche Ar beitsweise samt sattelfester Fachkenntnis und den Verfah rensablauf in den jeweiligen Arbeitsbereichen vor fremden Augen und Ohren darlegen zu müssen. Wir Prüfer kennen diese Momente. Um unseren wich tigsten Eindruck vorweg zu nehmen: Die Grundeinstellung zur ehrlichen und unbeeinflussbaren Arbeitsweise ist bei den allermeisten Kolleginnen und Kollegen recht hoch – egal ob sie Aufgaben im Bereich Landwirtschaft, Forst, Er nährung, Ländliche Entwicklung oder an übergeordneten Stellen wahrnehmen. Dennoch wurden wir bislang bei al len geprüften Einheiten fündig. Nicht etwa, weil wir kon kretes und aktives Korruptionsverhalten von Beschäftigten festgestellt hätten. Die diesbezüglichen Ermittlungen müsste ohnehin die Staatsanwaltschaft führen. Wir stoßen vielmehr allzu häufig auf Sachverhalte, bei denen die Kon trollmechanismen in den jeweiligen Verwaltungsabläufen nicht ausreichend aktiviert werden. Deshalb setzen wir bei unseren Prüfungen nicht nur die Maßstäbe der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR) an, sondern beziehen auch die Handhabung der für den Verwaltungsablauf einschlägigen Gesetze und Vorgaben mit ein. Eindeutige Leistungsbeschreibung formulieren Mitunter entsteht in dieser Fülle der anzuwendenden Vor schriften der Eindruck, dass der Zeit- und Aufgabendruck der Mitarbeiter dabei einzelnen „Kunden“ unserer Verwal tung – den Geschäftspartnern bei Beschaffungen oder Bür gern in behördlichen Entscheidungsverfahren – einen un gerechtfertigten und wohl auch ungewollten Vorteil bescheren kann. Dieser Zeit- und Aufgabendruck führt bis weilen dazu, dass wichtige Beschaffungsvorgaben nicht SUB 1-2/2016 → Friedrich Spatz (links) und Lorenz Erl kümmern sich als Revisoren, dass in unserem Geschäftsbereich Korruption keine Chance hat eingehalten, Angebote nicht korrekt verglichen und Ent scheidungen nicht hinreichend mit Sachargumenten be gründet sind. Und – auch davor wollen wir die Augen nicht verschließen – bisweilen kommt diesen „Kunden“ dabei das unzureichende Fachwissen von Beschäftigten für be sondere Aufgaben entgegen. Das muss nicht zwangsläufig in aktive Bestechungsver suche münden, oft geht es „nur“ um „Erschleichung“ von Aufträgen oder anderen Vorteilen. Unsere diesbezüglichen Feststellungen bündeln sich dabei recht augenfällig im Be reich von Beschaffungen nach der Vergabe- und Vertrags ordnung für Leistungen (VOL) oder gar bei Bau- und Sanie rungsarbeiten nach den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Beispiel gefällig? Die Natursteingartenmauer um das Fi lialgebäude einer Behörde war dringend sanierungsbe dürftig. Der Leiter der Amtsverwaltung war mit der Aus schreibung beauftragt worden, nachdem das Staatliche 7 KORRUPTIONSPRÄVENTION Innenansichten der Revisoren von der Stabsstelle Interner Revisionsdienst/Prüfbehörde KORRUPTIONSPRÄVENTION KORRUPTIONSPRÄVENTION Bauamt hierfür keine Kapazität zur Verfügung stellen konnte. Grundlage jeder Beschaffung nach VOL und VOB ist eine präzise Leistungsbeschreibung, in der die geforder ten Kriterien und Leistungsmerkmale ausreichend festge legt sind. Bieterfirmen können nur anhand dieser definier ten Vorgaben gleichartige Angebote formulieren, und nur so sind die Angebote vergleichbar. Der Verwaltungsstellen leiter aber bat nur drei regionale Baufirmen, sich die Gar tenmauer anzusehen und ein Angebot vorzulegen. Von Seiten der Behörde wurde hierzu weder eine Leistungsbe schreibung gefertigt noch eine Präzisierung der durchzu führenden Arbeiten formuliert. Nur zwei Firmen legten nach erfolgter Ortsbesichtigung ein Angebot vor. Firma A hatte sich mit der Ausarbeitung sichtlich Mühe gegeben. Neben Detailkosten für Baustelleneinrichtung, Verkehrssi cherung und Bauzaun führte sie auch die Kosten der jewei ligen Arbeitsschritte sowie die Menge und Preise der benö tigten Materialien auf. Ihrer Kalkulation zufolge musste die Natursteinmauer vorsichtig abgetragen und mit sicheren Fundamenten neu aufgebaut werden. Die Angebots summe belief sich somit auf 19 600 Euro. Firma B bezifferte ihren Aufwand mit einer pauschalen Umschreibung der durchzuführenden Arbeiten und ein paar fiktiven Arbeits stunden auf 6 800 Euro samt der telefonischen Zusiche rung, dass die Kosten maximal um 1 000 Euro steigen könn ten. Der Verwaltungsleiter erteilte den Auftrag an die Firma B und unterließ es, einen Vertrag hierüber abzuschließen oder die auszuführenden Arbeiten anderweitig zu präzisie ren. Der weitere Verlauf ist symptomatisch. Letztlich über schritt Firma B ihr Angebot um mehr als das 3-fache und war somit deutlich teurer als das seriöse Angebot von Firma A. So entstand durch die Missachtung der Vorgaben aus der VOB nicht nur der Staatskasse ein Nachteil. Auch ein se riöser Anbieter hatte hinter der „Schlitzohrigkeit“ des Kon kurrenten, der kritiklosen Leichtfertigkeit des Amtsverwal ters und wohl auch aufgrund mangelnder Dienst- und Fachaufsicht des Vorgesetzten das Nachsehen. Ähnliche Vergabefehler finden wir auch im Bereich der Beschaffung etwa von Büromöbeln, Werkzeugen, Maschinen oder Aus rüstungsgegenständen. Auch hier liegt der wesentliche Mangel zumeist darin, dass der zu beschaffende Gegen stand oder die Dienstleistung nicht eindeutig und präzise in einer Leistungsbeschreibung definiert ist. Laufzeit von Dienstleistungsverträgen festlegen Nur zu oft laufen beispielsweise Reinigungsverträge weit länger als mit Blick auf die verwaltungsinternen Vorgaben vertretbar. Die von einer interministeriellen Arbeitsgruppe entwickelten Handreichungen zur Vergabe von Dienstleis tungen aus dem Jahr 2008 etwa empfehlen eine Vertrags 8 laufzeit von nicht mehr als fünf Jahren. Nach dem Grund satz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind bestehende Verträge regelmäßig auf ihre Wirtschaftlich keit zu überprüfen, was durch Neuausschreibungen ge schieht. Vom weiteren Vorgehen mit Dokumentation der Abläufe im Vergabevermerk entsprechend den Vorgaben aus VOL und VOB samt Beachtung der Schwellenwerte so wie Berücksichtigung des Gesetzes gegen Wettbewerbs beschränkung (GWB) und der Verordnung über die Ver gabe öffentlicher Aufträge (VgV) ganz zu schweigen. Dienststellenprüfung mit Beratungscharakter Diese Fälle finden wir bei unseren Prüfungen nicht nur per Zufall. Wir sind für unsere Arbeit mit einem uneinge schränkten Auskunfts- und Informationsrecht ausgestattet und haben die Daten einer Dienststelle bereits analysiert, wenn wir zur Prüfung erscheinen. Immer wieder weisen wir dann die Sachbearbeiter im Vergabe- und Beschaffungs wesen darauf hin, wie wichtig zumindest grundlegende Fortbildungsseminare für sie in ihrem Arbeitsbereich sind – nicht zuletzt auch zu ihrem Selbstschutz. Im Regelfall zieht sich so eine Prüfung über drei bis vier Tage vor Ort hin. Für den Auftakt hat sich dabei eine Gesprächsrunde mit den leitenden Beamten aus den verschiedenen Berei chen einer Behörde bewährt. Hier versuchen wir, die Ziel setzung der Prüfung zu vermitteln. Gleichzeitig wollen wir anhand eines für die jeweilige Dienststelle vorbereiteten Fragenkatalogs einen raschen Einblick in die Aufgaben und Organisationsstruktur vor Ort erhalten. Erst danach begin nen wir mit der eigentlichen Prüfung. Dazu lassen wir uns nicht nur die Unterlagen zu den bereits im Vorfeld ausge wählten Vorgängen und Beschaffungen vorlegen. Wir su chen das persönliche Gespräch mit den Sachbearbeiterin nen und Sachbearbeitern ebenso, wie wir uns die Arbeitsabläufe in den Details zeigen und erläutern lassen. Soweit an einer Dienststelle hoheitliche Aufgaben an fallen, nehmen wir natürlich auch hier Einblick. Maßge bend für das unbestechliche und vorurteilsfreie Handeln einer Behörde ist nach unserer Überzeugung dabei die nachvollziehbare Dokumentation der Entscheidungsab läufe und der sachlichen Gründe hierfür. Insofern kommt der aussagefähigen Aktenführung eine besondere Bedeu tung zu. In den Unterlagen sollten neben dem Schriftver kehr beispielsweise sowohl die Protokolle zu einem Orts termin als auch Aktenvermerke zu Gesprächen mit Betroffenen und weitere Informationen zu finden sein, die zur behördlichen Entscheidung geführt haben. Wenn wir dazu das Handzeichen samt Datum eines Vorgesetzten im Vorgang finden, erkennen wir darin, dass Führungskräfte nach dem Grundsatz des Mehraugenprinzips in den Ab lauf eingebunden sind. Wir legen unser Augenmerk auch SUB 1-2/2016 darauf, ob die Behördenleitung im Wege der Dienst- und Fachaufsicht dafür sorgt, dass die Entscheidungen des Amtes in allen Gliederungen gleichartig strukturiert sind. Dokumentationspflicht auch für die Revisoren Natürlich reichen drei bis vier Tage vor Ort nicht aus, um alle Unterlagen und Gespräche auszuwerten und zu analy sieren. Bevor wir aber ein Haus wieder verlassen, fassen wir unsere Eindrücke und bisherigen Erkenntnisse in einem Abschlussgespräch mit der Behördenleitung zusammen. Uns ist sehr daran gelegen, die Prüfabläufe offen zu vermit teln und den Geprüften den Eindruck zu hinterlassen, dass jeder Beteiligte über die ihn betreffenden Befunde infor miert ist. Nur so ist es unserer Überzeugung nach möglich, als Interner Revisionsdienst die internen Abläufe in unserer Verwaltung im Zusammenwirken mit der positiven Einstel lung der Geprüften zu optimieren. Später kommt dann der Prüfbericht mit der Bitte um Stellungnahme ins Haus, so fern nicht noch nachträgliche Recherchen und Erhebun gen notwendig geworden sind. Ein Grundsatz sollte dabei allen beteiligten Ebenen be wusst sein: Die Interne Revision will niemanden „anschwär zen“. Vielmehr soll sie eine Hilfestellung sowohl für die Lei tungsebenen als auch für die Mitarbeiter sein, um mal einen anderen Blick auf die eigene Arbeit zu bekommen und das hohe Ansehen sowie die Unbestechlichkeit der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter zu bewahren. Auch wenn wir uns in diesem Sinne als Unterstützungsteam verstehen, werden wir immer wieder vertraulich gefragt, wie gerne wir denn bei den geprüften Institutionen gesehen werden. „Wir werden immer sehr herzlich willkommen geheißen und noch viel herzlicher wieder verabschiedet“, kann ich dazu nur sagen. LORENZ ERL BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN STABSSTELLE INTERNER REVISIONSDIENST – BEREICH KORRUPTIONSPRÄVENTION – AUSSENSTELLE AM AELF ABENSBERG [email protected] Telefonkonferenzen: zeitgemäß kommunizieren Ist es noch zeitgemäß, für eine kurze Dienstbesprechung viel Arbeitszeit für An- und Abfahrt zu opfern? Seit Anfang September erprobt die FüAk eine Freisprechanlage für Telefonkonferenzen, die erste Anlage in der Landwirtschaftsverwaltung. „Telefonkonferenzen sind ein zusätzli cher Baustein in der Kommunikation, der uns das Leben leichter machen kann“, so Dr. Neuhauser, Leiter der Abteilung für Information und Kommunikations technik an der FüAk. Ziel sei, Reisezei ten und damit Kosten zu sparen. Die beschlossene Behördenverlagerung verleihe dem Thema Dynamik und fordere die Mitarbeiter, mit der neuen Technik offen umzugehen. „Die FüAk wagt diesen Schritt Richtung moderner Kommunikationstechnik. Sie ist damit Vorreiterin für die gesamte Landwirt schaftsverwaltung“, sagt Neuhauser. Funktionsweise Um eine Telefonkonferenz zu planen, SUB 1-2/2016 müssen zwei mit der Konferenzanlage ausgestattete Räume gebucht wer den. An der FüAk geschieht dies über den Outlook-Kalender. Die weiteren Schritte funktionieren wie bei einem gewöhnlichen Telefon: Zwei örtliche getrennte Besprechungen werden zu sammengeschaltet. Dies geschieht, indem ein Teilnehmer den anderen mit dem Konferenztelefon anruft. Wichtig: Gesprächsregeln einhalten An einer Telefonkonferenz sollten ma ximal acht Teilnehmer pro Konferenz raum teilnehmen. Der Moderator muss sich seiner Aufgaben bewusst sein und aktiv führen. In einer Telefonkonferenz ist es noch wichtiger als sonst, die Ge sprächsregeln einzuhalten. Auch sollte die Dauer maximal 90 Minuten betragen, um geistige Erschöpfung zu meiden. Protokoll der Konferenz Die sogenannte Remote-Funktion er möglicht es, zeitgleich zum Gespräch ein Protokoll zu führen, das in beiden Konferenzräumen sichtbar ist. Dadurch unterscheidet sich der Ablauf zwischen der bekannten Besprechung und einer Telefonkonferenz nicht. In Zukunft wird auch die Kombination von Bild und Ton möglich sein. Das Ministerium und Au ßenstellen der LfL erproben dies derzeit. Flächendeckender Einsatz Ziel ist es, Telefonkonferenzen flächen deckend einzusetzen. Zwar eignet sich diese Kommunikationsform nicht für je des Thema. Es ist nach Aussage von Dr. Neuhauser ratsam, dass die Personen sich vorab kennen. „Aber damit kommt man dem persönlichen Gespräch ei nen weiteren Schritt näher“, sagt er. Manuela Bier, AELF Ansbach Martin Brunnhuber, AELF Mindelheim Tobias Fegg, AELF Wertingen Judith Schlosser, AELF Schwandorf 9 KORRUPTIONSPRÄVENTION KORRUPTIONSPRÄVENTION MILCH Betriebliche Entwicklung ohne Quote MILCH von DR. ALFRED ALBRECHT: Mit dem Ende der Milchquote und der Möglichkeit zur „uneingeschränkten“ Mehrproduktion erfolgte – auch mangels wirksamer Marktregulierung – ein Überangebot mit preisdämpfender Funktion. Bei gutem Management und sinnvollem Wachstum sind leistungsstarke Milcherzeuger auch künftig in der Lage, ihre Betriebe erfolgreich weiterzuentwickeln. Steigende Herausforderungen an die Unternehmensführung sind dabei zu erwarten. Vor allem wachstumsorientierte Betriebe wollen die Produktion steigern. Die von den Zuchtverbänden ermittelte jährliche Leistungssteigerung (100 bis 200 kg Milch pro Kuh) und der Umfang der Kuhaufstockung auf Grund des zurückliegend positiven Marktumfeldes sind beeindruckend. Vorteilhaft ist bei der Leistungssteigerung der vorhandenen Kühe, dass keine zusätzliche Arbeitskapazität sowie Futterflächen benötigt werden und keine hohen Investitionskosten erforderlich sind. Vorhandene Leistungsreserven zu mobilisieren und Kosten zu senken, sind sicher große Herausforderungen, die gutes Management, Ausdauer und Zielstrebigkeit erfordern. Aufstockung des Kuhbestandes Die Aufstockung erfolgt im Rahmen des fortschreitenden Strukturwandels meistens durch Erweiterung oder Neubau, wobei der Jungviehanteil möglicherweise reduziert oder auf die eigene Nachzucht verzichtet wird. Alternativ bietet sich in Einzelfällen die kostengünstige Umnutzung „entbehrlicher“ Jungviehplätze für zusätzliche Kühe an. Die Berücksichtigung der Premiumförderung (für artgerechte Tierhaltung) nach dem Einzelbetrieblichen Investitionsförderprogramm, Teil Agrarinvestitionsförderprogramm, mit 35 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten für Stall, Milchleistung (kg Milch / Kuh / Jahr* ohne Güllelager (Nettobaukosten = 6 873 € / Kuhplatz) führt zu einer beachtlichen Senkung des Kapitalbedarfs um 2 406 Euro für Bau und Technik für Melken und Fütterung pro Kuhplatz. Bei 8,26 Prozent Kapitalkosten (Abschreibung, Unterhalt, Versicherung, Zinsansatz) wird dadurch eine Kostensenkung um 199 Euro pro Kuhplatz und Jahr erreicht. Dies entspricht 2,1 Cent pro kg Milch bei 9 500 kg und 2,7 Cent pro kg Milch bei 7 500 kg, erhöhte bauliche Auflagen vorausgesetzt. Die ermittelten Kenngrößen für die Rentabilität weisen bei Stallneubau eine leistungsabhängige erhebliche Spannweite auf, selbst bei unverändertem Michpreis. Die Steigerung der Milchmenge er möglicht bei erhöhter Grundfutterleistung, effektiverem leistungsorientierten Kraftfuttereinsatz und Festkostensenkung eine beachtliche Gewinnsteigerung mit höherer Stallplatzverwertung und besserer Arbeitseffizienz, aber auch eine Senkung des kostendeckenden Milchpreises (siehe Tabelle 1). Selbst bei dem aufgezeigten evtl. mittelfristig abgesenkten Milchpreisniveau ist künftig davon auszugehen, dass bisher schon erfolgreiche Betriebe weiter wachsen, auch wenn für das Tierwohl etwa 15 Prozent höhere Baukosten (beispielsweise für Auslauf, Grundfutter, Fressplatz pro Tier) anfallen. 7 500 Milchpreis (ct / kg Milch netto) 32 Gewinnbeitrag (€ / Kuh) Gewinnbeitrag (ct / kg Milch) Arbeitsertrag (€ / AKh) Vollkostendeckung Milchpreis (ct / kg netto ** 8 500 9 500 36 32 36 32 36 417 747 678 1 052 877 1 296 5,6 10,0 8,0 12.4 9,2 13,6 6,23 13,56 11,83 20,15 15,98 25,29 36,78 36,78 33,52 33,52 31,57 31,57 Euro pro Stallplatz (nach KTBL) mit Premiumförderung (35 Prozent vom Nettowert für Stall + Technik, ohne Dung / Futterlager, s. u.) *Kalkulation mit LfL – DB – Programm www.lfl.bayern.de/ilb (Deckungsbeiträge), 12 Monate, Fleckvieh, Abgangsquote 30 Prozent, 45 Akh / Kuh x 15 € **Nettomilchpreis nach Reduzierung der Vollkosten um die Erlöse für Kalb, anteilige Schlachtkuh, Dungwert frei Feld → Tabelle 1: Rentabilität bei Stallneubau* 10 SUB 1-2/2016 MILCH Milchleistung (kg Milch / Kuh / Jahr 8 500 9 500 Milchpreis (ct / kg Milch netto) 32 36 32 36 Gewinnbeitrag (€ / Kuh) 678 1 052 877 1 296 88 111 133 57 71 86 68 86 103 46 58 69 Notwendige Kuhzahl für einen Gewinnbeitrag von.... 60 000 € Gewinnbeitrag 75 000 € Gewinnbeitrag 90 000 € Gewinnbeitrag Größe des Kuhbestands Die Zahl der notwendigen Kühe für die Erzielung eines bestimmten Gewinns hängt stark vom Milchpreisniveau und Leistungsstand der Kühe ab (siehe Tabelle 2). Entsprechend der notwendigen Kuhzahl ändern sich die jeweiligen Faktoransprüche an Investitionskapital, Futterfläche und Arbeit. Bei derzeit durchschnittlich ca. 35 Kühen pro Betrieb in Bayern (Unterallgäu 46 Kühe) und 56 Kühen in der Bundesrepublik Deutschland ist ein „moderater‘‘ Strukturwandel zu erwarten, wenngleich 45 Prozent der Kühe in der Bundesrepublik Deutschland bereits in Beständen mit über 100 Kühen gehalten werden. Zielsetzung der Milchproduktion ist mittelfristig die Deckung der Vollkosten, die sich zusammensetzen aus den Kosten der Gewinn- und Verlustrechnung (Buchführung) und den häufig unterschätzten kalkulatorischen Faktorkosten (Lohnanspruch 15 € / AKh, 2,5 Prozent Zinsansatz für Investition und Umlaufkapital, Kosten für Eigen- bzw. Pachtflächen). Erst ein darüber hinausgehender Milchpreis ermöglicht einen Unternehmergewinn für die Abdeckung von Risiko und Engagement des Betriebsleiters. Der Gewinnbeitrag in Cent pro kg Milch steigt mit zunehmender Leistung deutlich an (siehe Tabelle 3). Insbesondere bei einem reduziertem Milchpreis (32 ct pro kg netto = Milchleistung Gewinnschwelle (gerundet) Gewinnbeitrag = 0 bei Milchpreis von ct / kg, netto 35,42 ct pro kg brutto) weist das Leistungsniveau mit 7 500 kg gegenüber 9 500 kg eine Gewinneinbuße von 40 Prozent (9,29 – 5,60 = 3,69 : 9,29 ct / kg Milch brutto) auf. Bei einem höheren Milchpreis (36 ct / kg netto = 39,85 ct / kg brutto) beträgt die Minderung 27 Prozent (13,72 – 10,03 = 3,69 : 13,72 ct / kg Milch brutto). Die Betroffenheit bei einer Preissenkung ist somit bei geringerer Leistung deutlich höher. Der angestrebte Unternehmergewinn wird bei „niedriger“ Leistung nur durch einen überdurchschnittlichen Milchpreis erreicht. Ein fehlender Unternehmergewinn führt bei Vorgabe von Zinsanspruchs und Flächenkosten zu einer unbefriedigende Stundenverwertung (unter 15 Euro). Aufstockung mit oder ohne Nachzucht? Fast regelmäßig werden neue Milchviehställe „traditionell“ mit einem umfangreichen Angebot an Jungviehplätzen für die eigene Nachzucht gebaut. Deren „hoher Stellenwert“ bedarf objektiver Weise einer intensiven Prüfung ihrer Zweckmäßigkeit, insbesondere bei künftig größeren Kuhbeständen. Die zusätzlichen Faktoransprüche bei eigener Nachzucht können bei Durchführung einer größeren Stallbaumaßnahme die Grenzen der „Belastbarkeit“ sprengen (siehe Tabelle 4). Die Jungviehaufzucht (mit Futterbau) wird des- Gewinnbeitrag bei Preis ct / kg brutto 35,42 39,85 Unternehmergewinnschwelle (gerundet) Unternehmergewinn = 0 bei Milchpreis von ct / kg, netto 7 500 kg 26,1 5,60 10,03 36,8 8 500 kg 23,9 8,02 12,45 33,5 9 500 kg 24,3 9,29 13,72 31,6 * Basis: Tabelle 1, kalkuliert mit dem DB – Programm der LfL (www.lfl.bayern.de/ilb) → Tabelle 3: Rentabilitätsschwellen der Milchproduktion * SUB 1-2/2016 11 MILCH → Tabelle 2: Bedarf an Kühen für vorgegebenen Gewinnbeitrag des Betriebes MILCH Kennwert mit eigener Nachzucht 19 Kalbinnen Futterfläche (ha) AKh* Kapital (€,brutto)** • Stall – Kühe • Stall – Jungrinder • Umlaufkapital*** 65 Kühe bei Kauf von 19 Jungkühen Mehrbedarf mit eigener Nachzucht 28 Kalbinnen 30,3 9,1 57,7 39,4 95 Kühe bei Kauf von 28 Jungkühen 44,4 Mehrbedarf 13,3 3 830 3 314 516 4 855 4 177 678 508 040 140 280 104 531 508 040 --16 131 --140 280 16 131 = 156 411 691 885 195 734 152 972 691 885 --23 772 --195 734 23 772 = 219 506 Stall und Futterbau, ohne Betriebsführung bei Premiumförderung = 35 Prozent für Stall (mit Technik für Melken und Fütterung, ohne Güllelager) + Lager für Gülle und Silage, brutto *** mit Grobfutter: Kühe (1 360 € / Kuh) bzw. Jungrinder 849 € / erz. Kalbin) * MILCH ** → Tabelle 4: Faktoransprüche für Kühe mit und ohne Nachzucht halb fragwürdig, weil häufig mit dem aufgestockten Kuhbestand bereits die Arbeitskapazität weitgehend ausgeschöpft wird. Das zusätzliche Jungvieh kann auch zu einem Engpass bei der Futterfläche zu vertretbaren Pachtpreisen führen. Der für Jungvieh notwendige zusätzliche Kapitalbedarf für die Jungviehaufzucht wird häufig unterschätzt und kann bei schwieri ger Spitzenfinanzierung an die Grenze der mittelfristigen Kapitaldienstfähigkeit führen, insbesondere bei „worst case“ – Annahme. Insofern stellt sich die Frage, ob beim betrieblichen Wachstum die notwendige Nachzucht teilweise oder vollständig durch Jungkuhzukauf oder vertraglich geregelter Auslagerung auf einen geeigneten Partnerbetrieb (Pensionsviehbetrieb) ersetzt werden kann. Der Einkaufspreis für Jungkühe (Zuchtwertklasse II) liegt mit 1 821 Euro netto (Fleckvieh) erheblich unter den betriebseigenen Kosten zwischen 2 393 und 2 576 Euro, selbst bei Ansatz von 265 Euro erwartetem Erlös pro Kalb (Markterlös abzüglich Aufzuchtkosten). Auch die Abgabe als Pensionsvieh an Aufzuchtbetriebe ist im Regelfall deutlich günstiger als die eigene Aufzucht. Flächenbedarf bei Aufstockung Wird der Viehbestand deutlich aufgestockt, so ist vorab der Fläche für Grundfutter (ha)** erhöhte Flächenbedarf für Grundfutter und Dungausbringung zu prüfen, zumal der Mehrbedarf an Fläche nach der DüVO gegenüber dem Grundfutterbedarf teilweise unterschätzt wird. Der erhöhte Flächenbedarf durch die derzeit maßgebliche 170 kg N – Grenze (DüVO) gegenüber der Grundfutterfläche ist erheblich und kann mit der neuen DüVO verschärft werden (siehe Tabelle 5). Dies umso mehr, wenn die knappe Grundfutterfläche durch Zukauf von Grundfutter (beispielsweise Silomais) „außerbetrieblich erhöht“ wird. Bei hohen Pachtpreisen kann die vertraglich geregelte Gülleabgabe eine zuverlässige und dauerhafte Entlastung bieten. Anforderungen an betriebliches Wachstum Das Ende der Milchquotenregelung bringt dem Betriebsleiter mehr unternehmerische Freiheit, wenngleich die Wahl der künftig optimalen betrieblichen Strategie damit schwieriger wird. Knappe Fläche und die Arbeitszeit werden zunehmend zu begrenzenden Faktoren für die betriebliche Entwicklung, weniger der kostengünstige Kreditmarkt. Mit dem Wachstum der Milchviehhaltung nehmen auch die Anforderungen an eine praxisoriente Planung, sachgerechte Durchführung der Investition und an das Fläche für organ. Dünger (DüVO) (ha) Mehrbedarf durch DüVO (ha) 65 Kühe 95 Kühe 65 Kühe 95 Kühe 65 Kühe 95 Kühe Kühe mit Nachzucht 39,4 57,7 54 79 14,6 21,3 - Kühe ohne Nachzucht 30,3 44,4 44 64 13,7 19,6 * ** DüVO Anlage 5: Acker – Grünlandgebiet, 8 000 – 9 999 kg Milch/Kuh, 28 Mt. EKA, Abgangsquote 30 Prozent 170 kg N / ha Obergrenze siehe Tabelle 4 → Tabelle 5: Flächenbedarf für Grundfutter und Dungausbringung* 12 SUB 1-2/2016 optimale Management der größeren Herde deutlich zu. Wesentlich sind dabei: →→Neigungen und persönliche Fähigkeiten der Betriebsführung müssen zur geplanten Maßnahme „passen“. →→Bei Maschinen der Feldwirtschaft sowie durch überbetrieblichen Einsatz beim Futtermischwagen können Festkosten gesenkt werden. →→Möglichst überdurchschnittliche Milchleistung verbessert die Ausgangsbasis nach dem Grundsatz: „Zuerst besser, dann größer“. →→Das noch ungenutzte Ertragspotential bei der Erhöhung von Milchleistung und Flächeneffizienz sollte geprüft und sukzessive ausgeschöpft werden. →→Sonstige Kenndaten vom „oberen Viertel“ vergleichbarer Betriebe können als ZIEL-Größe dienen. →→Der Kühe sind konsequent zu selektieren hinsichtlich Leistungsniveau, Fruchtbarkeit, Eutergesundheit (Keim und Zellzahlen), Melkbarkeit und Fruchtbarkeit. →→„Kostenführerschaft“ durch regelmäßige Betriebszweiganalyse ist Voraussetzung für maximal mögliche Rendite. →→Technisierung, Auslagerung betrieblicher Arbeiten (beispielsweise Futtermischwagen, Futterwirtschaft, teilweise Ackerbau, sonstige Ernte, Gülle ausbringung, Klauenpflege) unterstützen eine nachhaltig vertretbare Arbeitsbelastung. →→Der Stallbau für Kühe (mit Premiumförderung für tiergerechte Haltung) hat Vorrang, weil damit Investitionskapital, Futterfläche und Arbeit besser verwertet ist als bei Jungvieh. →→Das Risiko aufgrund innerbetrieblicher Faktoren (beispielsweise Krankheit, Seuche, Futtermangel u. a.) und außerbetrieblicher Kriterien (beispielsweise Molkerei, Marktentwicklung, Kosten für Pachtflächen und Betriebsmittel) ist zu berück sichtigen. →→Die Kapitaldienstfähigkeit ist korrekt zu ermitteln und zu prüfen, auch bei fallweise ungünstiger Rentabilitätslage (worst case). →→Eine frühzeitige und umfassende Betriebsplanung ist günstig in folgenden Bereichen: Rentabilität, Stabilität und Liquidität, Baurecht, Agrarförderung, Umwelt, Steuern. →→Die Besichtigung vergleichbarer, bereits realisierter Stallbauten und eingehende Diskussion mit deren Betriebsleiterfamilie schafft Transparenz. SUB 1-2/2016 Ausblick Der Erfolg in der Milchviehhaltung wird künftig entscheidend von den Produktionskosten und dem Management bestimmt. Unabhängig davon besitzt die Entwicklung vom Milchpreis und der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Molkerei einen überragenden Stellenwert. Bedeutsam sind auch Preiszuschläge für Qualität, Abholrhythmus, Verzicht auf Gentechnik, Jahresmenge und sonstige Boni bzw. Nachzahlungen. Eine „gute“, partnerschaftlich orientierte Molkerei ist hier von Vorteil. Für den Zeitraum „nach der Quote“ wird zunächst von sinkenden und anschließend von geringfügig steigenden Preisen ausgegangen. Die Preisabsicherung vorrangig der Molkereien über die Börse (Warenterminmärkte) wird künftig an Bedeutung gewinnen. Weltweit wird prognostiziert, dass die Nachfrage schneller steigen wird als das Angebot. Grundsätzlich wird dabei erwartet, dass sich die Milcherzeugung der Nachfrage anpassen wird. Die von der EU-Kommission geplanten Beihilfen zur privaten Lagerhaltung von Butter und Magermilchpulver lassen eine gewisse marktentlastende und preisstützende Funktion erwarten. Der derzeit „schwache“ Euro erleichtert dabei den Export in Dritt-Länder. Unabhängig davon ist es nach „Expertenmeinung“ vernünftig, die künftige Entwicklung auf den regionalen und globalen Märkten abzuwarten. Eine zukunftsorientierte, sorgfältige Betriebsplanung mit differenziertem Milchpreis erleichtert weitreichende Entscheidungen. DR. ALFRED ALBRECHT KELTENWEG 10, 86391 STADTBERGEN Leitender Landwirtschaftsdirektor a. D. Von 1988 bis 2000 Leiter des SG Betriebswirtschaft und Agrarstruktur an der Regierung von Augsburg Nachruf Dr. Alfred Albrecht Wie wir kurz vor Drucklegung erfahren haben, ist Dr. Alfred Albrecht am 24. Dezember im Alter von 75 Jahren verstorben. Herr Dr. Albrecht schrieb seit vielen Jahren für „Schule und Beratung“ auch über seine aktive Dienstzeit hinaus. Er war mit Leib und Leben Betriebswirt und publizierte fundiert und mit großem Fachwissen zu betriebswirtschaft lichen Themen landwirtschaftlicher Unternehmen. Zuletzt widmete er sich der Rentabilität der Milchviehhaltung nach Abschaffung der Quote. Seine Ergebnisse waren vielfach Grundlage für Unterricht und Beratung. Dafür danken wir ihm sehr und bewahren ihm ein ehrendes Andenken. Wir werden seine Expertise vermissen. 13 MILCH MILCH MILCH Ernährungswirtschaftliche Ausfuhren Bayerns nach Russland Ein Jahr Embargo MILCH von JOSEF HUBER und HERBERT GOLDHOFER: Im Zuge der Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen zwischen der EU und Russland wegen des Ukraine-Konflikts verhängte die russische Regierung Sanktionen für mehrere Nahrungsmittel aus der EU. Seit Anfang August 2014 gilt ein Einfuhrverbot für Fleisch, Käse, Milchprodukte, Fisch, Obst und Gemüse aus der EU. Im ersten Jahr des Embargos sanken die wertmäßigen Exporte Bayerns nach Russland um rund 9 Prozent. Die Hauptursachen für den Rückgang waren neben den Handelsbeschränkungen der betroffenen Lebensmittel die massive Abwertung des russischen Rubels gegenüber dem Euro und die damit einhergehende hohe Verbraucherpreisinflation in Russland. Die EUKommission hat Maßnahmen zur Marktstützung ergriffen und wird diese auch 2016 fortführen. Am 7. August 2014 hat Russland einen Importstopp für ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU, den USA, Kanada, Australien und Norwegen erlassen. Das zunächst einjährige Einfuhrverbot betrifft Fleisch, Käse, Milchprodukte, Fisch sowie Gemüse und Obst und wurde Ende Juni 2015 bis Anfang August 2016 verlängert und auf Albanien, Montenegro, Island und Liechtenstein ausgeweitet. Auch die Ukraine wird betroffen sein, sobald das Assoziierungsabkommen mit der EU in Kraft tritt. Entwicklung 2009 bis 2014 Die gesamte ernährungswirtschaftliche Ausfuhr Bayerns nach Russland steigerte sich nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von rund 135 Mio. Euro im Jahr 2009 um 46 70 60,65 60 50 46,3 44,14 40,88 40,26 40 42,34 39,93 30 20 15,65 11,7 10 8,46 6,86 5,06 6,77 7,44 0 2009 2010 2011 Rubel pro Euro 2012 2013 Aug. '13 - Juli '14 Aug. '14 - Juli '15 Verbraucherpreisinflation Russland in % * Durchschnittswerte. Quellen: Deutsche Bundesbank, inflation.eu. → Abbildung: Entwicklung der Euro-Referenzkurse gegenüber dem Rubel und Verbraucherpreisinflation Russlands seit 2009* 14 SUB 1-2/2016 MILCH Zeitraum 2009 2010 2011 2012 2013 Aug. 13 – Juli 14* Aug. 14 – Juli 15* Milch und Milcherzeugnisse 3,6 7,3 6,4 6,3 2,8 2,2 1,7 Käse 36,4 63,8 70,9 74,9 9,2 0 0,2 Fleisch und Fleischwaren 5,2 9,9 6,0 3,9 4,2 6,4 0,2 – – 0,003 – – – – Sanktionierte Produkte Fische Frischgemüse – – – – – – – Frischobst 0,03 0,01 0,02 0,03 – – – Summe 45,2 81,0 83,3 85,1 16,2 8,6 2,1 Eier, Eiweiß, Eigelb 5,5 10,9 8,4 16,9 20,6 22,1 21,5 Backwaren 11,8 12,5 14,8 15,6 16,6 17,8 14,0 Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs** 14,1 18,4 20,9 25,4 27,4 25,8 22,4 Hopfen 25,9 21,1 15,5 15,0 16,2 16,1 18,7 Bier 9,5 12,1 13,3 15,4 19,7 22,1 21,0 Summe 66,8 75,0 72,9 88,3 100,5 103,9 97,6 Ausfuhr nach Russland insgesamt 134,7 176,6 177,2 196,6 142,2 138,8 126,1 MILCH Die fünf wichtigsten Produkte vorläufige Zahlen; z. B. Essig, Suppen, Brühen, Pflanzensäfte, Würzsoßen, Eiweißkonzentrate. Quelle: Bay. LfStat. * ** → Tabelle: Entwicklung der ernährungswirtschaftlichen Ausfuhren Bayerns nach Russland in Mio. Euro Prozent auf 197 Mio. Euro bis 2012. Nicht zuletzt wegen des Beitritts Russlands zur WTO Ende August 2012 haben sich im selben Jahr die Ausfuhren mit einer Steigerung um 10,9 Prozent doppelt so stark erhöht wie der ernährungswirtschaftliche Gesamtexport im selben Jahr (5,5 Prozent). Auf Grund der seit Anfang 2013 veterinärrechtlich bedingten russischen Einfuhrbeschränkungen für Käse und einige Milchprodukte aus Bayern, sank der Ausfuhrwert im Gesamtjahr um knapp 28 Prozent auf rund 142 Mio. Euro. Dennoch blieb Russland 2013 nach der Schweiz der zweitwichtigste Absatzmarkt beim Drittlandexport, wurde aber 2014 von China auf Platz drei verdrängt. In der Tabelle sind die seit August 2014 sanktionierten Erzeugnisse im Einzelnen angeführt. Die wertmäßige Summe dieser Erzeugnisse wird hauptsächlich von der Entwicklung bei Käse beeinflusst. In Folge des Anfang 2013 angeordneten Einfuhrstopps bayerischer Milcherzeugnisse betrug die Summe aller betroffenen Lebensmittel im gleichen Jahr nur noch 16,2 Mio. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies einen Rückgang um 68,9 Mio. Euro. Bei der Summe der fünf wichtigsten nicht betroffenen Produkte ist von 2009, mit Ausnahme von 2011, bis zum Jahreszeitraum vor Beginn des Embargos (August 2013 bis Juli 2014) durchweg eine Steigerung auf zuletzt 103,9 Mio. Euro festzustellen. SUB 1-2/2016 Entwicklung seit August 2014 Im ersten Jahr seit Beginn des Importstopps, von August 2014 bis einschließlich Juli 2015, haben sich die ernährungswirtschaftlichen Exporte Bayerns nach Russland um 12,7 Mio. Euro bzw. 9,1 Prozent auf 126,1 Mio. Euro verringert. Dabei sank die wertmäßige Summe der sanktionierten Produkte um 6,5 Mio. Euro auf 2,1 Mio. Euro. Dies entspricht etwa der Hälfte der gesamten Einbußen. Bei dem Restbetrag handelt es sich um einzelne Warennummern unter den übergeordneten fünf sanktionierten Hauptprodukten, welche vom Embargo nicht betroffen sind. Der Rückgang wird ausschließlich von Fleisch und Fleischwaren verursacht. Die Summe der fünf sonstigen wichtigsten Nahrungsmittel ging um 6,3 Mio. Euro oder 6,1 Prozent auf 97,6 Mio. Euro zurück und entspricht der zweiten Hälfte des Rückgangs. Dabei verzeichneten Backwaren und pflanzliche Nahrungsmittel einen Verlust von 7,2 Mio. Euro. Die Hauptgründe für diese Exporteinbußen waren die Abwertung des russischen Rubels gegenüber dem Euro um 31 Prozent und die hohe Verbraucherpreissteigerung von 7,4 Prozent auf 15,7 Prozent im gleichen Zeitraum (siehe Abbildung). Insgesamt hat sich die bayerische Ernährungswirtschaft trotz der Verringerung der Exporte unter Berücksichtigung 15 MILCH MILCH dieser Rahmenbedingungen gut behauptet. Dennoch wurde Russland von den Vereinigten Staaten bei der Rangfolge der wichtigsten Drittlandexportländer überholt und auf den vierten Rang verdrängt. EU-Kommission reagiert Die EU-Kommission hat auf die veränderte Marktlage reagiert und Hilfsprogramme für die Erzeuger von Obst und Gemüse aufgelegt. Um den EU-Milch- und Schweinefleischmarkt kurzfristig zu entlasten wurden bislang Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter, Magermilchpulver, Käse und Schweinefleisch gewährt sowie die Interventionsperiode für Butter und Magermilchpulver verlängert. Auch im EU-Haushalt 2016 sind knapp 700 Mio. Euro für die Marktstützung vorgesehen. Zusätzlich wurden die Mittel für die Absatzförderung erhöht, um neue Märkte zu erschließen. Fazit Die direkten Auswirkungen im ersten Jahr nach dem russischen Embargo waren für die bayerische Ernährungswirt- schaft wegen der bereits seit Anfang 2013 verhängten Importverbote für Käse und Milchprodukte nicht gravierend. Da aber neben den Sanktionen Russlands zugleich die Nachfrage aus Schwellenländern rückläufig war und die Erzeugung sowohl in der EU als auch weltweit stieg, sanken bei den betroffenen Marktsektoren die Preise in der ganzen Wertschöpfungskette. JOSEF HUBER HERBERT GOLDHOFER BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT INSTITUT FÜR ERNÄHRUNGSWIRTSCHAFT UND MÄRKTE [email protected] [email protected] GQS-Bayern: Neue Version ist online Jeder landwirtschaftliche Betrieb hat umfangreiche Dokumentations- und Erfüllungspflichten. Dabei ist es für Landwirte und selbst für erfahrene Berater schwer, den Überblick über die Vielzahl von Vorschriften zu behalten, die sich aus Fachrecht, Fördervoraussetzungen und Vorgaben privatwirtschaftlicher Qualitätssicherungssysteme ergeben. Das Gesamtbetriebliche Qualitätssicherungssystem für landwirtschaftliche Betriebe in Bayern (GQS-Bayern) hilft Betriebsleitern und Beratern, den Überblick zu behalten. Grundlage sind einfache, betriebsindividuell anpassbare Checklisten, mit denen sich jeder Betrieb selbst überprüfen kann. Gleichzeitig wird die Pflicht zur Eigenkontrolle erfüllt. Über einen Checklistengenerator wählt jeder Nutzer die Betriebszweige aus, die für ihn zutreffen. Die Checklisten werden von einer Merkblattsammlung ergänzt. Diese dient einerseits zur Erklärung einzelner Punkte in der Checkliste, andererseits stellt sie ein wertvolles Nachschlagewerk zu Einzelthemen dar. Schließlich gibt das Ablageregister einen Überblick 16 über die benötigten Unterlagen und hilft bei deren geordneter Aufbewahrung. Mit Hilfe von GQS-Bayern kann sich jeder Betrieb auf Kontrollen und Audits vorbereiten und diese gelassen erwarten. Zudem spart es Zeit und Kosten, wenn Unterlagen und Informationen strukturiert und schnell verfügbar abgelegt sind. GQS-Bayern enthält neben den fachrechtlichen Anforderungen auch die Anforderungen von Cross Compliance und Greening, Vorschriften der EU-Ökoverordnung sowie die Vorgaben der gängigen privatwirtschaftlichen Qualitätssicherungssysteme. Dazu gehören Geprüfte Qualität Bayern, GlobalGAP, Qualität und Sicherheit (QS), Qualitätsmanagement Milch (QM), Kontrollierte alternative Tierhaltung (KAT), Neutral kontrollierter Vertragsanbau (KVA), das Qualitätsmanagementsystem des Hopfenrings (HR-ISO) sowie die Anforderungen der ökologischen Anbauverbände Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland. GQS-Bayern wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Neu in der Version 2015 sind z. B. die Anforderungen von Greening und der Initiative Tierwohl. GQS-Bayern wird von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft herausgegeben und im Internet bereitgestellt. Das Angebot richtet sich an landwirtschaftliche Betriebe und Berater und ist in Bayern kostenlos. Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung stellt es ein wertvolles Informationsinstrument dar. Der Checklistengenerator, die Merkblattsammlung und weitere Informationen finden sich im Internet unter www.gqs.bayern.de. Ansprechpartner: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte Dr. Helmut Frank Menzinger Straße 54 80638 München SUB 1-2/2016 MILCH Akzeptanz der Nutztierhaltung von DR. JULIA SEHM: Im Oktober 2015 traf sich die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung e. V. zum Thema „Akzeptanz der Nutztierhaltung – Herausforderungen im Bereich Futter und Fütterung“ auf dem Freisinger Domberg. Die Akzeptanz ist mit einer Steigerung des Tierwohls zu erreichen. Bedeutung haben der maximale Einsatz von Grünfutter sowie bedarfsgerechter Einsatz von Kraftfutter in der Rinderfütterung und verstärkter Einsatz von Fasern in der Schweinefütterung. Die Minimierung von Stickstoff in der Gülle durch optimierte Proteinbzw. Stickstoffversorgung rückt stärker in den Vordergrund. → Dr. Georg Beck vom StMELF stellte in seiner Begrüßung das gute Netzwerk der BAT heraus (Foto: Daniel Brugger, WZW, Freising) Für die ausgebuchte Tagung hat Prof. Dr. Wilhelm Windisch, der Vorsitzende der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung e. V. (BAT), neben hochrangigen Wissenschaftlern auch den Bayerischen Bauernverband und die Verbraucherzentrale Bayern e. V. gewinnen können. Dr. Georg Beck, Leiter des Referats L6 „Schweinezucht und -haltung, Tierernährung“ im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (siehe Bild 1) betonte in seiner Begrüßung das gute Netzwerk der BAT über die bayerischen Grenzen hinaus. Zudem hob Dr. Beck hervor, wie sehr ihm die Akzeptanz der Nutztierhaltung am Herzen liegt: „Wichtig ist es mir, eine Polarisierung zu vermeiden, der Dialog soll angestoßen werden – das ist kein Thema zum Aussitzen“. In ihren Plenarvorträgen stellten Prof. Jutta Roosen, Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung, TU MünchenWeihenstephan, Prof. Matthias Gauly, Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, Freie Universität Bozen, und Gerhard Stadler, Bezirkspräsident Niederbayern im Bayerischen Bauernverband, die unterschiedlichen Sichtweisen von Verbrauchern, Wissenschaftlern und der praktischen Landwirtschaft auf die Nutztierhaltung dar. Praktik als inakzeptabel einstufen Praktik nicht akzeptabel finden und sich keine Umstände vorstellen können, unter denen diese Praktik akzeptabel ist Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung 77,7 46,0 Einsatz von Hormonen in der Tierhaltung 82,4 52,7 Kupieren von Schwänzen bei Ferkeln 77,2 62,6 Betäubungslose Ferkelkastration 83,0 65,5 Halten der Tiere auf reinen Spaltenböden 72,7 53,0 Tötung von männlichen Eintagsküken 78,4 61,0 Prozent der Befragten, die eine … * * Spaltenböden bestehen abwechselnd aus Balken, auf denen die Tiere stehen können und Spalten, die Harn und Kot durchlassen Quelle: Roosen et al., 2015, Akzeptanz der Nutztierhaltung: Die Sicht der Verbraucher, BAT-Tagungsband → Tabelle 1: Akzeptanz von Praktiken in Tierhaltung und bei der Herstellung von Lebensmitteln SUB 1-2/2016 Grundsätzliche Verbrauchermotivation erkennen Roosen eröffnete die Plenarvorträge mit dem Thema „Akzeptanz der Nutztierhaltung: Sicht der Verbraucher“. Angespanntes Zuhören und ein Raunen begleiteten die vorgestellten Ergebnisse diverser Untersuchungen über die durchschnittliche deutsche Einstellung zum Tierschutz (siehe Tabelle 1). Kritisch arbeitete Roosen heraus, dass 17 MILCH Tierernährer diskutieren im Rahmen der BAT-Tagung in Freising MILCH die Anforderungen an die Lebensmittel oft im Gegensatz zum realen Verhalten des Verbrauchers stünden. Daran trage nicht ausschließlich der Verbraucher die Schuld. Es sei häufig einfach nicht möglich im Geschäft Zusammenhänge zwischen den Haltungsbedingungen und den tierischen Produkten in der Ladentheke zu erkennen. Roosen warf die Frage auf: MILCH „Soll der Verbraucher mit seinem Einkauf entscheiden, oder müssen wir angesichts der Fragestellungen im Bereich Tierwohl den gesellschaftlichen Dialog in Gesetzen münden lassen?“ Leistungsfortschritt mit Haltung in Einklang bringen Prof. Gauly, zudem im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des BMEL, stellte seine „Analyse aus der Sicht der Agrarwissenschaften“ zur Diskussion. Er sah die „Verantwortung für das Tier“ als idealen Anreiz für den Landwirt in Bezug auf mehr Tierwohl. Die treibenden Kräfte für Veränderungen in der Tierhaltung sind für ihn Gesetze, Wissenschaft und Beratung. Dazu fließen Aspekte der Ökonomie, des Arbeitsschutzes und des Umweltschutzes ein. In vielen Bereichen kommt es zu Zielkonflikten. Die Landwirte können nicht allein für den aktuellen Zustand ihrer Ställe verantwortlich gemacht werden. Ställe, die vor Jahren gebaut wurden, genügen aufgrund genetischer Weiterentwicklung der Tiere häufig den Anforderungen nicht mehr. Als Beispiel nannte Gauly Abferkelbuchten, die für die großen Würfe zu klein sind. Sein Fazit für eine Akzeptanz der Nutztierhaltung zog er mit drei Schwerpunkten: →→Haltungssysteme ändern →→Transparenz schaffen und Aufklärung betreiben →→Konzentrationen von Tierhaltungen aus Umweltgründen per Gesetz begrenzen Praktikable Lösungen für heimische Landwirte Gerhard Stadler sprach von den Perspektiven für die praktische Nutztierhaltung. Der Landwirt möchte in der Gesellschaft akzeptiert und integriert sein. Sein Hof ist seine Arbeitsstätte in der er sein Geld verdient. Gesetze sollen umsetzbar sein und nicht dazu führen, dass Tierhaltung und Arbeitsplätze in Länder mit weniger strengen Regelungen abwandern. Heimische Produkte sollten nicht mit billiger ausländischer Ware konkurrieren müssen. Dazu wünscht sich der niederbayerische BBV-Präsident einen Dialog mit Menschen, die Tierhaltung weiterentwickeln und nicht grundsätzlich abschaffen möchten. Es sollten 18 zum Beispiel umsetzbare und tierfreundliche Alternativen zu Schwanzkupieren und Kastrieren vorhanden sein. Ein alleiniges Verbot dieser exemplarischen Praktiken führe zu massiven Schäden bei den aktuellen Haltungsbedingungen. Entsprechende Versuche an der Landesanstalt für Landwirtschaft haben gezeigt, dass man bis jetzt weder gegen Schwanzbeißen, noch gegen Penisbeißen Lösungen gefunden hat. Stadler sieht wie Gauly das Problem des Stallbaus, der die Situation für mehrere Jahrzehnte festlegt. Aus Sicht der Landwirte fordert er einen Bestandsschutz, damit Umbauten aus gesetzlichen Gründen möglichst nicht notwendig würden. Freiwillige Initiativen, wie die „Initiative Tierwohl“ sind für den BBV vorrangig. Sein Fazit: „Eine Wertschöpfungskette muss auch eine Verantwortungskette sein“. Nachvollziehbare Deklarierung für Verbraucher Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern e. V. vertrat die Sichtweise der Verbraucher. Die Untersuchungen zum Einkaufsverhalten und zu der Einstellung zum Tierwohl gehen oft auseinander. Saumweber erklärte die negativen Reaktionen der Käufer damit, dass Angaben für die Verbraucher schwer erkennbar sind und nicht verlässlich von den Marketingaspekten unterscheidbar wären. Heftige Kritik ging an die „Initiative Tierwohl“. Für den Verbraucher ist nicht ersichtlich, welche Produkte die Initiative betreffe. Ein weiteres Problem, das der „Billig-Angebote“ bzw. „Dumping-Preise“, hat die Verbraucherzentrale sehr wohl erkannt. Leider gibt es derzeit keine gesetzliche Handhabe dagegen. Der Käufer ist überfordert, angemessene Preise und Verdienstspannen in der Produktionskette richtig einzuschätzen. Tierschutz wird von der Gesellschaft gefordert, nur „Bio-Produkte“ sind allerdings nicht die Lösung. Hier sind die preislichen Unterschiede zur konventionellen Ware sehr hoch und teilweise nicht vermittelbar. Neue Trends bei Rind und Schwein In den nachmittäglichen Sektionen „Schwein“ und „Rind“, sowie in vierundzwanzig Postern wurden die neuesten Erkenntnisse und Veränderungen im Bereich Futter und Fütterung vorgestellt. Im Rinderbereich schreitet die Verzahnung von Zucht, Fütterung und Tierwohl weiter voran. In der Schweiz werden bereits Stoffwechselparameter in die Züchtung mit aufgenommen. Tiere, die robuster mit ihrem Stoffwechsel auf hohe Leistungen nach der Kalbung reagieren, können selektiert und weiter gezüchtet werden. Die Fortschritte in der SUB 1-2/2016 MILCH Infobox: Funktionen und Aufgaben der BAT Die Bayerische Arbeitsgemeinschaft Tierernährung (BAT) e.V. wurde am 6. Dezember 1962 in Freising-Weihenstephan gegründet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf eine Verbesserung der Veredlungswirtschaft auf direktem und indirektem Wege hinzuwirken. Dabei soll die zweckmäßige Verwendung von wirtschaftseigenem Futter und Handelsfuttermitteln im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Fütterung, die Gesunderhaltung der Tiere und die Qualität der erzeugten Lebensmittel auch unter den Aspekten geringer ökologischer Belastungen im Vordergrund stehen. Dieses Ziel kann am ehesten erreicht werden, wenn alle an der Tierernährung interessierten Kreise zusammenarbeiten. Neben den Instituten der Tierwissenschaften an den Universitäten sind daher das Landwirtschaftsministerium mit seinen Ämtern und Landesanstalten, die landwirtschaftlichen Genossenschaften, die Futtermittel- und Wirkstoffindustrie sowie die Zuckerfabriken, der Bayerische Bauernverband und selbstverständlich auch Praktiker in der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Tierernährung vertreten. Weitere Informationen: http://lte.wzw.tum.de/BayerischeArbeitsgemeinschaft-Tierernaehrung-BAT-e-V.17.0.html → Wissenschaftler sowie staatliche und freie Berater informieren sich und diskutieren miteinander auf der BAT-Tagung (Foto: Daniel Brugger, WZW, Freising) Analytik auf DNA und Proteinebene machen die notwenigen Untersuchungen bezahlbar. Bei immer höheren Leistungen und dem damit verbundenen Stickstoff- und Proteinbedarf der Kühe muss das pansenstabile Protein vermehrt in den Futterrationen berücksichtigt werden. Das System des nutzbaren Rohproteins wird deswegen erweitert und limitierende essentielle Aminosäuren werden in den Futterberechnungen berücksichtigt. In der Schweinefütterung wird die Energie- und Proteinlücke bei säugenden Sauen mit großen Würfen diskutiert. Hier stehen Gründe des Umweltschutzes gegen eine generelle Erhöhung des Proteins in der Fütterung. Mit andauerndem Züchtungsfortschritt in der Wurfgröße und der damit noch größerer werdenden Versorgungslücken besteht neuer Forschungsbedarf. Bei der Versorgung der Schweine mit Rohfaser ist der veränderte Gehalt in den neueren Getreidesorten zu berücksichtigen. Eine Futtermittelanalyse ist hier angezeigt. Eine ausreichende Rohfaserversorgung ist wichtig für die Gesunderhaltung und das Wohlergehen von Schweinen. Sie wird mit Tierwohl gleich gesetzt. Die 53. Jahrestagung der BAT bot den Teilnehmern ein interdisziplinäres Programm. Der berühmte Blick über den Tellerrand ist hier auf allen Seiten wichtig. „Akzeptanz der Nutztierhaltung“ ist ein gesellschaftliches Thema, wenn die Versorgung mit Lebensmitteln grundsätzlich gesichert ist. Wie sich diese Diskussion weiter entwickelt ist ungewiss. Was die einzelnen Disziplinen der Nutztierhaltung dazu beitragen können, ist begrenzt. Jede Disziplin der Nutztierhaltung ist aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, wenn Nutztierhaltung weiterhin in Bayern stattfinden soll. Die Tagung ist auch SUB 1-2/2016 eine Plattform, auf der sich Wissenschaftler sowie staatliche und freie Beratung traditionell zu regen Diskussionen treffen und ihr Wissen erweitern. Die Teilnehmer werden motiviert, offen für Neues zu bleiben und Ideen in die Praxis mitzunehmen. Literatur Akzeptanz der Nutztierhaltung – Herausforderungen im Bereich Futter und Fütterung, 1.10.2015, Tagungsband http://lte.wzw.tum.de/Bayerische-Arbeitsgemeinschaft-Tierernaehrung-BAT-e-V.17.0.html, Stand 2.Oktober 2015 DR. JULIA SEHM AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN PFAFFENHOFEN A. D. ILM [email protected] 19 MILCH MILCH MILCH Neues zur Kälber- und Jungviehaufzucht Der diesjährige Milchviehtag in Prutting, Landkreis Rosenheim, widmet sich der Kälber- und Jungviehaufzucht. Beeindruckende Ergebnisse bei der Kälberaufzucht mit ad libitum-Tränke zeigen den Erfolg dieses Fütterungskonzepts, der sich in höheren täglichen Zunahmen und einem Leistungsplus in der späteren Laktation niederschlägt. Auch beim Enthornen von Kälbern gibt es Fortschritte. Berater zeigen auf, dass Landwirte mit Hilfe eines praktikablen Schmerzmanagements Leiden und Schmerzen verhindern können. Zudem gibt es Neues zum ErbfehlerMonitoring in der Fleckviehzucht. Der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim, Wolfgang Hampel, eröffnete im Dorfstadel in Prutting den alle Jahre stattfindenden Milchviehtag. Veranstalter sind die Verbände für landwirtschaftliche Fachbildung Bad Aibling, Rosenheim und Wasserburg sowie die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein und Rosenheim. Ad libidum-Fütterung steigert spätere Milchleistung Dr. Hans-Jürgen Kunz vom Versuchszentrum Futterkamp stellte Fütterungskonzepte für Kälber von der Geburt bis zur tragenden Färse vor. Sein Schwerpunkt lag auf der ad libitum-Tränke. Kälber erhalten dabei nach der Biestmilch in den ersten drei Wochen unbegrenzt Milch. Kunz empfiehlt, die Tränkemilch auf einen pH-Wert von 5,5 anzusäuern, um die Vermehrung von Bakterien zu verhindern. Im Vergleich zur restriktiven Tränke, d. h. einer Fütterung mit einer begrenzten Milchmenge zu festen Mahlzeiten, nehmen die Kälber wesentlich mehr Milch auf, die täglichen Zunahmen steigen deutlich, die Vitalität verbessert sich. Der Fachmann erklärte, dass die Tiere durch die angelegten Körperreserven widerstandsfähiger seien, es käme seltener zu gegenseitigem Besaugen. 20 → Dank für die fundierten Fachinformationen (von links): Ulrike Bauer, VLF-Vorsitzender Josef Grandl, Dr. Rudolf Maierhofer und die Moderatorin Monika Schaecke vom AELF Rosenheim Laut Kunz weisen Versuchsergebnisse darauf hin, dass diese Tränkeform, wenn sie bei Kälbern angewendet wurde, auch bei ausgewachsenen Tieren zu einer höheren Futteraufnahme führe. Rinderhalter können früher auf eine energieärmere Ration umstellen, das Besamungsgewicht wird zwei bis drei Monate schneller erreicht, und die Futterkosten in der Färsenaufzucht sinken. Versuchsergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die 305-Tage-Milchleistung bei Milchkühen, welche als Kalb mit ad libitum-Tränke versorgt wurden, um 405 Liter Milch über jener der restriktiv aufgezogenen Tiere liegt. Dies beeindruckte die 200 anwesenden Milchviehhalter nochmal sichtlich. Kälberenthornung fordert Übung Ulrike Bauer von der Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Tierzucht, stellte Versuchsergebnisse zur Kälberenthornung vor. Durch Sedierung und Schmerzmittelgabe sei ein praktikables Schmerzmanagement beim Veröden der Hornanlagen möglich. Als Enthornungsgeräte werden verschiedene akku-, gasund netzbetriebene Geräte am Markt angeboten. Die unterschiedliche Bauweise und Funktion der Geräte müssen in ihrer Handhabung geübt sein, so Bauer. Wichtig sei es, die Maßnahme früh, also in den ersten Lebenswochen, durchzuführen. Daran konnte der Zuchtleiter vom AELF Traunstein, Fachzentrum für Rinderhaltung, Dr. Rudolf Maierhofer direkt anknüpfen, da die Hornloszucht ein eleganter Weg ist, um die Enthornung zu umgehen. Bei Fleckvieh nimmt die Bedeutung der Hornloszucht stetig zu. Das Leistungsgefälle im Vergleich zu gehörnten Bullen, welches sich bislang in einem niedrigerem Gesamtzuchtwert zeigte, sinkt. Im Hinblick auf die Ergebnisse der Grassilageuntersuchungen in diesem Jahr ist für Dr. Maierhofer ein Umdenken im Silierverfahren nötig, um TM-Gehalte von über 40 Prozent bei extremen Witterungen zu vermeiden. Die Silierkette muss so gestaltet sein, dass das Erntegut bei großer Trockenheit und Hitze nicht zu lange auf den Feldern anwelkt. Der Zuchtleiter führte aus, dass im Rahmen des Erbfehler-Monitorings der FleckviehHaplotyp 5 identifiziert wurde. Dieser Erbfehler führt bei einer Risikoanpaarung zu deutlich höheren Kälberverlusten. Maierhofer empfiehlt den Landwirten bei der Anpaarung mit Besamungsbullen großes Augenmerk auf entdeckte Gendefekte zu legen und zum Wohl der Tiere auf Risikoanpaarungen unbedingt zu verzichten. Franziska Scheibenpflug, AELF Rosenheim SUB 1-2/2016 BILDUNG Souveräner Umgang mit Widersprüchen Qualitätsmanagement unterstützt bei Widersprüchen gegen personenbezogene Prüfungsentscheidungen „Ein Abschlussprüfling hat Widerspruch eingelegt! Wie gehe ich korrekt vor?“ solche oder ähnliche Anrufe der Berufsbildungsämter häufen sich bei den Fortbildungszentren (FBZ) jahreszeitlich, wenn die Zeugnisse und Bescheide über das Nichtbestehen versandt sind. Noch häufiger landet solche Post von Fortbildungsprüflingen beim FBZ. Verbunden damit ist immer eine gewisse Alarmstimmung, v. a. wenn Rechtsanwälte bevollmächtigt sind. Denn zum Glück gehören Widersprüche nicht zum Alltagsgeschäft. Hier geht es dann zunächst um formal richtiges juristisches Vorgehen, um nicht angreifbar zu sein. Nicht zuletzt gilt es jedoch, berechtigten Anliegen von Prüflingen gerecht zu werden. Denn ohne die Möglichkeit des Widerspruches und der Klage hätte der Prüfling keine Möglichkeit, Prüfungsentscheidungen von neutraler Stelle nachprüfen zu lassen. Ob die Prüfung objektiv gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat oder dies nur subjektiv so wahrgenommen wird, ist für die Betroffenen dabei egal. Sie haben das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein und sich mit aller Macht dagegen wehren zu müssen. Die Emotionen, die dann im Spiel sind, können mitunter sehr heftig sein. Wut kann sich auch in diffamierenden, persönlich verletzenden Angriffen auf alle Ausbildungs- und Prüfungsbeteiligten äußern. Im schlimmsten Fall besteht sogar die Gefahr, dass ehrenamtliche Prüfer die Motivation für ihre wertvolle Tätigkeit verlieren. Wie unsere Verwaltung mit Einsichtnahmen und Widersprüchen in Zusammenhang mit Prüfungen umgeht, trägt zur Transparenz und zum Ansehen unseres Prüfungs- und Schulwesens bei. Dabei gilt es, den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten. SUB 1-2/2016 QM Berufsbildung 16 neu Unter der Gliederungsnummer 16 im Qualitätsmanagement Berufsbildung (Mitarbeiterportal » Themenkatalog » Themen des Geschäftsbereiches » Bildung » Berufsbildung allgemein » QM Berufsbildung » VA16) finden sich Unterlagen zur „Abwicklung von Einsichtnahmen und Widersprüchen“. Diese wurden komplett überarbeitet und wesentlich ausführlicher als bisher hinterlegt. Es sind hierbei die Erfahrungen der letzten Jahre bei den zuständigen Stellen und bei den für die Berufsbildung zuständigen Juristen eingeflossen. Häufig gestellte Verständnisfragen wurden so eingearbeitet, dass das nötige Hintergrundwissen sicheres Verwaltungshandeln erlauben sollte. Vorformulierte Musterschreiben sollen und können keine Einzelfallentscheidung ersetzen, können aber als beispielhafte Vorlagen Aufwand und Rückfragen ersparen und formale Fehler vermeiden helfen. Denn, wer weiß als juristischer Laie schon, wann man Schreiben mit Postzustellungsurkunde oder mit Empfangsbekenntnis zuzustellen hat? In den Musterschreiben sind zudem die relevanten gesetz lichen Vorgaben, die man sich sonst mühsam zusammen suchen muss, bereits richtig zitiert. Widerspruchsverfahren „Eine Studierende des einsemestrigen Studienganges in der Hauswirtschaft möchte Widerspruch gegen die Note in der Abschlussprüfung in BAP einlegen! Kann sie das überhaupt?“ so fragte heuer eine Schulleiterin am FBZ nach. Noch waren die Zeugnisse nicht ausgegeben, und damit fehlte hier der „benachteiligende“ Bescheid als Grundlage für die Anfechtung. Ein wirksamer Widerspruch kann nur dann vorliegen, wenn er schriftlich eingelegt oder zur 21 BILDUNG von CHRISTIAN DOLLAK und HEDWIG JACOBEY: Wenn man mit Kolleginnen und Kollegen der Fortbildungszentren, mit Bildungsberatern und auch der Schulleitung spricht, drängt sich der Eindruck auf, dass Widersprüche gegen Prüfungsentscheidungen zunehmen. Nicht immer kann abgeholfen werden; letztendlich kommt es zu Klagen und dann zu Gerichtsverhandlungen. Hier können neue Inhalte im Qualitätsmanagement Berufsbildung helfen: Denn Sicherheit im formal richtigen Vorgehen und Kenntnis juristischer Hintergründe helfen den Verwaltungsaufwand besser zu bewältigen und mit Emotionen seitens der Prüflinge, aber auch der vorwiegend ehrenamtlichen Prüfer souveräner umzugehen. BILDUNG Infobox 1: Vom Eingang bis zur Ablage: Qualitätsmanagement regelt Umgang mit Widersprüchen 1. Eingang des Widerspruches 3. Zurückweisen des Widerspruchs als unzulässig nein 2. Widerspruch zulässig? (gegebenenfalls Begründung (Grund: Fristüberschreitung) nachfordern) 2 3 ja 4. Stellungnahme der Prüfer (getrennt und unabhängig) 4 7. Mitteilung des Ergebnisses des 5. Widerspruch gerechtfertigt? nein (Überdenken) rücknahme des Widerspruchs BILDUNG 5 ja 6. Prüfungsausschuss-Sitzung ja 10. Beschluss des PA: Änderung der Bewertung? nein 8. Rücknahme des Widerspruchs nein ja teilweise 11. Abhilfebescheid 12. Teilabhilfebescheid gegebenenfalls mit neuen Zeugnis gegebenenfalls mit neuen Zeugnis 9. Einstellender Widerspruchsbescheid (ursprüngliches Zeugnisdatum) (ursprüngliches Zeugnisdatum) (gegebenenfalls Kostenrechnung) 7 6 7 13. Zurückweisender Widerspruchsbescheid (gegebenenfalls Kostenrechnung) 8 15. Klage beim Verwaltungsgericht 14. Widerspruchsführer einverstanden? 16. Verfahren am Verwaltungsgericht ja nein Musterschreiben 17. Ablage der Unterlagen gegebenenfalls Änderung im bbs 22 SUB 1-2/2016 Niederschrift bei der Behörde erhoInfobox 2: Abwicklung von Einsichtnahmen ben wurde. Auch ist die Einlegung eines Widerspruchs auf elektronischem Wege mit einer sogenannten 1. Antrag auf Akteneinsicht 1. Antrag auf Akteneinsicht durch qualifizierten elektronischen Signabevollmächtigten Rechtsanwalt tur wirksam. Die einfache E-Mail ge1 nügt diesen Formanforderungen hingegen nicht. Sollte ein Wider2. Vorbereitung der Einsichtnahme spruch mit einfacher E-Mail eingenein hen, empfiehlt es sich, den Absender umgehend auf die Unwirksam3. Einsichtnahme keit seines Widerspruchs hinzuweiin den Prüfungsakt sen, insbesondere wenn die Monatsfrist für den Widerspruch noch nicht abgelaufen ist. Ein Wider7. Widerspruch (s. 16.2) spruchsschreiben muss nicht als Wioder Klage beim einverstanden? derspruch bezeichnet werden und nein Verwaltungsgericht auch nicht unbedingt unterschrieben sein. Im Zweifelsfall muss man ja deshalb prüfen, ob tatsächlich die 5. Ablage der Unterlagen Absicht bestand, Widerspruch einmit Dokumentation der zulegen. Ohne weitere Prüfung Einsichtnahme kann ein Widerspruch beispielsweise dann zurückgewiesen werden, wenn die dafür vorgesehene Frist nicht eingehalten wurde: Wurden Zeugnisse oder Prüfungsverfahren überprüfen, und der Prüfling muss die Nichtbestehensbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrung Chance bekommen, genau darzulegen, wogegen er Widerausgegeben, beträgt die Frist nur einen Monat nach Be- spruch erhebt und dafür ganz konkrete Begründungen kanntgabe, andernfalls grundsätzlich ein Jahr, was jedoch nachzuliefern. Dazu muss er, wenn es um mehr als nur um immer im Einzelfall zu prüfen ist. Im QM finden sich Bei- den Ablauf des Prüfungsverfahrens geht, wissen, auf welspiele zur Fristberechnung. cher Grundlage die Prüfer zu ihren Bewertungen kamen. D. h. er muss beispielsweise Einsicht in entsprechend aussaZuständige Widerspruchsbehörden gekräftige Bewertungsunterlagen nehmen können oder Im Bereich personenbezogener Prüfungen und des Schul- diese Informationen anderweitig bekommen. rechtes besteht ein sog. fakultatives Widerspruchsverfahren, Wenn auf dieser Basis „substantiierte“ Begründungen für d. h. der Prüfling hat die Möglichkeit zu wählen, ob er unmit- die Überprüfung bestimmter Bewertungen nachgeliefert telbar Klage erhebt oder (zunächst) Widerspruch einlegt. Da werden, findet ein „Überdenken“ statt. Dadurch soll nicht sowohl bei den Schulen als auch bei den zuständigen Stellen weniger als das Grundrecht des Prüflings auf Berufsfreiheit der Berufsbildung in unserer Verwaltung die nächsthöhere geschützt werden. Zu diesem Zweck werden die Prüfer geStelle das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Land- beten, sich getrennt und unabhängig voneinander mit den wirtschaft und Forsten (StMELF) ist, ist die jeweilige Aus- Einwendungen des Prüflings auseinanderzusetzen und gangsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde. nochmals ihre Bewertungen zu überdenken. Denn es ist ja nie auszuschließen, dass Leistungen unter neuem BlickwinBegründungen und Überdenken kel neu zu bewerten sind. Auch Prüfer sind nur Menschen „Ich bin mit meinen Noten in dieser unfairen Prüfung nicht und können irren und dann auf diese Weise unbeabsichtigte einverstanden und deshalb lege ich Widerspruch ein!“ ent- Fehler revidieren. behrt jeder Begründung. Denn was subjektiv als unfair empFehlen Begründungen seitens des Prüflings oder komfunden wurde, muss noch lange nicht das Gebot der Fairness men die Prüfer und die zuständige Stelle bei der nochmaliin Prüfungen verletzen. Dennoch muss die zuständige Stelle gen Überprüfung des Verfahrens und der Bewertungen zu den angefochtenen Bescheid und das zugrundeliegende dem Schluss, dass das Zeugnis nicht geändert wird, dann SUB 1-2/2016 23 BILDUNG BILDUNG BILDUNG BILDUNG wird das Ergebnis des Überdenkens dem Prüfling in knapper Form mit der Chance zur Rücknahme des Widerspruchs mitgeteilt. Nimmt der Prüfling seinen Widerspruch zurück, so kann ein einstellender Widerspruchsbescheid versandt werden, das Widerspruchsverfahren endet damit. Neuer Beschluss des Prüfungsausschusses Ist der Widerspruch zurückzuweisen oder kann dem Widerspruch durch Notenänderung ganz oder teilweise abgeholfen werden, ist eine neuerliche Prüfungsausschusssitzung erforderlich, um Rechtssicherheit in Hinblick auf mögliche Klagen zu erreichen. Denn gemäß § 11 der Prüfungsordnung Berufsbildung stellt der Prüfungsausschuss „gemeinsam die Ergebnisse der einzelnen Prüfungsleistungen sowie das Gesamtergebnis der Prüfung fest“, womit Kollegialentscheidungen gemeint sind, denen die Möglichkeit zur Diskussion und zum gemeinsamen Abwägen vorausgehen soll. Analoge Passagen finden sich in den Schulordnungen für die Prüfungsausschüsse und Lehrerkonferenzen. Eine zusätzliche Sitzung ist zwar sehr aufwendig, stärkt erfahrungsgemäß den betroffenen Prüfern jedoch ungemein den Rücken und sorgt für emotionale Entlastung. Einsichtnahme und Widerspruch Die Einsichtnahme in Prüfungsunterlagen, die es erlauben, die Bewertung nachzuvollziehen, fördert im günstigsten Fall die Einsicht des Prüflings – und kann so aussichtslose, aber verwaltungsaufwendige Widerspruchsverfahren vermeiden helfen. Nach gängiger Rechtsprechung sind hierbei mittlerweile Kopien, gegen Gebühr, erlaubt und deshalb auch das Abfotografieren der Unterlagen mit dem Handy. Vielleicht eine Chance bei verzögerter Einsicht? „Die Prüflinge können innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses Einsicht in ihre Prüfungsunterlagen beantragen;...“ ist in der LHBPO, unserer Prüfungsordnung für die Berufsbildung, in § 13 zu lesen. Und genau so ist es bisher in unserer Verwaltung üblich, Einsichten erst auf Nachfrage für den jeweiligen Einzelfall zu organisieren. Das ist relativ aufwendig in der Terminabstimmung, denn man sollte dafür zu zweit sein. Anders geht der Kultusbereich vor, wo z. B. nach den Abiturprüfungen generell Termine für „Massen“-Einsichtnahmen angeboten und auch ganz selbstverständlich genutzt werden. Unsere Rechtsbehelfsbelehrungen legen nahe, bei Unzufriedenheit mit Prüfungsergebnissen sofort Widerspruch einzulegen, um ja keine Frist zu versäumen. Wird aber der Widerspruch vor der Einsichtnahme eingelegt, bleibt den zuständigen Stellen bei fehlender Begründung nur das Nachtarocken. Denn der Widerspruchsführer oder ggf. der 24 bevollmächtigte Rechtsanwalt muss dann nachträglich, unabhängig von der oben genannten Monatsfrist, in die Lage versetzt werden, „substantiiert“ begründen zu können und dafür muss man wiederum die Gründe der Prüfer für ihre Bewertungsentscheidungen kennen, also Gelegenheit zu Einsichtnahme gehabt haben. Terminvorschläge für Einsicht Am FBZ Almesbach und an einer Schule mit stark emotionalisiertem Semester wurden auf Grund dieser Überlegungen versuchsweise mit der Zeugnisübergabe bereits im Vorfeld Termine für Einsichtnahmen vorgeschlagen, um die Hemmschwelle dafür zu senken. Die Erfahrungen damit waren erfreulich. Die Termine wurden als ein Mehr an „Transparenz“ im Prüfungsgeschehen wahrgenommen, auch wenn nicht alle die Möglichkeit nutzten. Der Verwaltungsaufwand dafür war nicht wesentlich größer als bei gesonderten Einzelterminen. Man hatte auf Anmeldung vorab die gewünschten Unterlagen bereit gelegt und unter Aufsicht gleichzeitig einsehen lassen. Parallel wurde in einem gesonderten Raum zusätzlich Gelegenheit zu Rückfragen angeboten, wo sich im Gespräch manches Missverständnis unmittelbar aufklären ließ. Bei diesen „Versuchen“ kam es zu keinen Widersprüchen im Nachgang. Hätte es begründete Bedenken gegen Notenfindungen gegeben, so wäre Abhilfe bei diesem Vorgehen wahrscheinlich schneller möglich und damit weniger belastend für alle Beteiligten gewesen. Ein möglicher Weg zu weniger Verwaltungsaufwand und mehr Akzeptanz bei immer kritischeren Prüfungsteilnehmern? Egal wie man dazu steht: Im QM Berufsbildung 16 findet man Hilfestellung. Im Zweifelsfall sollte jedoch juristischer Rat eingeholt werden. CHRISTIAN DOLLAK ANSPRECHPARTNER FÜR DIE FBZ IN JURISTISCHEN FRAGEN [email protected] HEDWIG JACOBEY FORTBILDUNGSZENTRUM ALMESBACH, SEIT 1. NOVEMBER 2015 AN DER FÜAK [email protected] Die vorgestellten QM-Unterlagen wurden von den Kolleginnen der vier FBZ in Bayern erarbeitet. SUB 1-2/2016 BILDUNG Neuer Lehrplan an der FAK Die Fachakademie für Landwirtschaft, Fachrichtung Ernährungs- und Versorgungsmanagement hat sich neu aufgestellt Am 15. September 2012 war es soweit: Die geänderte Schulordnung ermöglichte es der landwirtschaftlichen Fachakademie in Triesdorf mit den Fachakademien des Kultusbereichs in Bayern gleichzuziehen. Wie diese trägt auch unsere Fachakademie neu im Schulnamen die Bezeichnung „Ernährungs- und Versorgungsmanagement“. Die Namensanpassung war wichtig, um die Gleichwertigkeit der Fortbildung an allen Fachakademien darzustellen. Auch eine Anpassung der Berufsbezeichnung war damit verbunden: Aus dem/der „landwirtschaftlich-hauswirtschaftlichen Betriebsleiter/in“ wurde der/die „Betriebswirt/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“. Nach der Änderung ist immer auch vor der Änderung Mit dem Namen der Schule und der Berufsbezeichnung der Absolventen sollte auch der Lehrplan angepasst werden; denn die beruflichen Anforderungen verändern sich immer schneller. Die Absolventen der Fachakademie sollen das können, was der Arbeitsmarkt von ihnen erwartet. Der großen Aufgabe der Lehrplan-Modernisierung stellte sich das Lehrerkollegium der Fachakademie unter Leitung der stellvertretenden Schulleiterin Ingrid Bär. Nach vielen Recherchen, Besprechungen und Abstimmungen begann zu Beginn des Schuljahres 2012/13 die praktische Umsetzung der Neuerungen im ersten Schuljahr. Im Sommer 2015, drei Jahre danach, ist nun der erste Abschluss-Jahrgang der „Betriebswirte und Betriebswirtinnen für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“ verabschiedet worden. Drei Jahre Übergang – denn immer wurden alter Lehrplan und neuer Lehrplan in den Klassenstufen nebeneinander praktiziert – sind damit vorbei. Nun kann ein Erfahrungsbericht darüber informieren, welche Optimierungen bei der nächsten Änderung noch möglich sind. SUB 1-2/2016 Alter Lehrplan – neuer Lehrplan im Vergleich Praktische Erfahrungen werden im Berufsleben hoch geschätzt. Damit auch unsere Studierenden diesem Anspruch nachkommen, obwohl sie häufig nach der Berufsfachschule direkt an die Fachakademie wechseln, wurde die Praktikumszeit während der Schulzeit verlängert. Das zweite Schuljahr ist jetzt geteilt in ein Praxishalbjahr und ein Schulhalbjahr. Die Lehrplaninhalte des zweiten Schuljahres wurden gekürzt oder in die anderen Schuljahre verlegt. Im dritten Schuljahr ist nun im praktischen Prüfungsfach „Betriebsmanagement“ eine Spezialisierung möglich. Die Studierenden wählen entweder den Vertiefungsbereich „Gemeinschaftsverpflegung und Veranstaltungsmanagement“ oder „Objektreinigung und Wäscheversorgung“. Das Fach mit insgesamt acht Unterrichtswochenstunden ist in sechs Stunden Praxis und zwei Stunden Theorie aufgeteilt. Der Theorieunterricht vertieft die praktischen Lehrinhalte. Die im praktischen Unterricht erarbeiteten Lösungen für komplexe Aufgabenstellungen können so noch besser verglichen und mit Vor- und Nachteilen dargestellt werden. Das Fach „Existenzgründung und Diversifizierung“ in der Nachfolge des Faches „Agrarproduktion und Direktvermarktung“ ist ebenfalls neu in Theorie und Praxis aufgeteilt. Zugunsten der theoretischen Lehrplaninhalte „Unternehmensgründung und Diversifizierungsmöglichkeiten“ wurde der praktische Teil gekürzt, in dem Produkte für die Direktvermarktung entwickelt und beispielhaft hergestellt werden. Dem Umstand, dass dem Marketing von Dienstleistungen und Produkten ein immer höherer Stellenwert zukommt, trägt die Einführung des Faches „Marketing und Kundenservice“ Rechnung. 25 BILDUNG von VERONIKA MEND und DR. CLAUDIA HEIDBRINK: Ein geänderter Lehrplan tritt in Kraft – und alles ist paletti? Man sollte es meinen, denn die Ausarbeitung der Änderungen erforderte viel Zeit und Kraft: Vorschläge und Gegenvorschläge wurden in Besprechungen abgewogen, verworfen, verändert und schließlich beschlossen. Trotzdem: der Teufel steckt im Detail und oft in Kleinigkeiten, die auf dem Papier sehr harmlos wirken. Der Beitrag berichtet von Erfahrungen aus drei Jahren praktischer Umsetzung eines geänderten Lehrplans an der Fachakademie für Landwirtschaft, Fachrichtung Ernährungs- und Versorgungsmanagement, in Triesdorf. BILDUNG BILDUNG Abstimmung zwischen Lehrplan und Schulordnung Bei allen gravierenden Lehrplananpassungen ist die Schulordnung eine nicht zu unterschätzende Größe: Passen die Kernaussagen der beiden schulbestimmenden Dokumente nicht zusammen, gibt es Reibungsverluste! Eine „offene“ Schulordnung, die Veränderungen in einem spürbaren Rahmen zulässt, erleichtert die schnelle Anpassung an Neuerungen und Anforderungen aus der beruflichen Praxis. Die Schulordnung der Fachakademie ist dagegen sehr klar und strikt. Die Lehrplananpassung erfordert daher auch die Änderung vieler Paragraphen der Schulordnung – eine instanzenreiche und zeitaufwendige Prozedur! Berücksichtigung der Rahmenbedingungen Das neue, auf knapp sechs Monate verlängerte Praktikum im zweiten Schuljahr wird prinzipiell von Studierenden und Lehrkräften befürwortet: Es bringt einen längeren und damit tieferen Einblick in die betrieblichen Abläufe. Dadurch steigt während des Praktikums auch der Anteil der hochwertigen Leitungs- und Führungsaufgaben für die Praktikanten. Zudem bietet das schulische Pflichtpraktikum vielen Studierenden den ersten „richtigen“ Einblick in die Arbeitswelt. Viele können Kontakte knüpfen, die für die zukünftige Stellensuche von Vorteil sind. Zwei Tatsachen trüben allerdings die Begeisterung und die Akzeptanz des verlängerten Praktikums für die Studierenden: Gleichzeitig mit der Lehrplanänderung wurde das sog. „Meister-BaFöG“ ebenfalls geändert. Seit 2012 gibt es für die Zeit eines Praktikums, das nicht als „ausgelagerter fachpraktischer Unterricht“ mit mindestens zehn Prozent der Praxiszeit durch die Schule betreut wird (oder alternativ die Studierenden für diesen Zeitanteil in der Schule unterrichtet werden), keine finanzielle Unterstützung nach dem „Meister-BaFöG“! Da diese Betreuung am Praktikumsort personell nicht zu schultern ist und bei der Beschulung vor Ort der Radius der Praktikumsorte sehr eingeschränkt wäre, ist das für die Praktikanten unserer Schule eine große finanzielle Belastung. Entweder finanzieren die Eltern in dieser Zeit die Lebenshaltungskosten, oder es kommen nur Praktikumsbetriebe in Frage, die bereit sind, eine Praktikumsvergütung zu zahlen. Schulische Pflichtpraktika sind aber nicht mindestlohnpflichtig. Zudem müssen sich die Studierenden für weiter entfernte Praktika im zweiten Schuljahr entscheiden, ihren Wohnsitz in Triesdorf aufzugeben, einen Untermieter zu organisieren oder ihre Unterkunft zu halten, ohne dort wohnen zu können. Eine organisatorische Herausforderung für jeden Studierenden bzw. jede Studierende, die bei der Lehrplanänderung nicht als Problem erkannt wurde und seitdem für viele Diskussionen sorgt. 26 Neuer Lehrplan „auf Probe“ Leider war es aufgrund der terminlichen Vorgaben nicht möglich, den neuen Lehrplan zunächst zu „erproben“ – ohne Änderung der zugrundeliegenden Schulordnung. In einem „Schulversuch“ hätten der weitere Abstimmungsbedarf, unklare Regelungen und Reibungen zwischen (theoretischem) Lehrplan und (praktischem) Unterricht einfacher korrigiert werden können. Es hat sich z. B. herausgestellt, dass das Fach „Diversifizierung und Existenzgründung“ mit einer theoretischen und einer praktischen Unterrichtsstunde pro Woche zwar im Stundenplan gut „aussieht“, in der praktischen Durchführung aber schnell an Grenzen stößt: In einer Praxisstunde pro Woche kann keine Praxis durchgeführt werden. Aktuell wird der Praxisunterricht geblockt. Das erfordert aber im Vollzeitunterricht sowohl von der Lehrkraft als auch von den Studierenden große Flexibilität und die Bereitschaft zu zeitlicher „Vorarbeit“ bzw. „Nacharbeit“. Zwar findet man immer pragmatische Lösungsmöglichkeiten innerhalb des organisatorischen Rahmens, aber eine Probephase hätte eine Optimierung noch vor der Festlegung möglich gemacht. Kurze Übergangsphasen „Alter“ und „neuer“ Lehrplan nebeneinander in der Durchführung – das zerrt an den Nerven aller Beteiligten. Ständige Vergleiche zwischen den Klassenstufen, die sich im Lehrplan unterscheiden und eine ungute Konkurrenz zwischen dem „etablierten“, alten Abschluss und der neuen Organisation erzeugen Erklärungsbedarf und kosten viel Energie. Die Fragen der Studierenden treffen auf wenig prägnante Antworten – vieles muss neu festgelegt werden, und zwar erst dann, wenn die Frage das erste Mal gestellt wird. Die alten Regeln gelten aber immer noch für einen Teil der Studierenden. Das geht hin bis zum alten Namen der Schule auf den Abschlusszeugnisformularen, obwohl der neue Name schon seit zwei Jahren am Eingang und auf dem Briefkopf steht. Könnte die Übergangsphase verkürzt werden durch einen „Übergangslehrplan“ für zwei Jahrgänge, die mit „alt“ beginnen und dann aber mit „neu“ enden könnten? Oder wäre auch hier der befristete Schulversuch eine Lösung, die es erlaubt, dass nach zwei Jahren „Testphase“ alle denselben „neuen“ Abschluss hätten? Die dahinter stehenden juristischen Fragestellungen sind noch zu klären. Förderung der Akzeptanz Keine Änderung von Lehrplan und Schulordnung geschieht grundlos. Diese Ursachen und Beweggründe müssen allen Beteiligten immer wieder deutlich gemacht werden. Vor allem Stimmen aus der Praxis sind hilfreich, um SUB 1-2/2016 BILDUNG Neuerungen zu begründen und den Sinn von anstrengenden und unruhestiftenden Neuheiten zu vermitteln. Die Fachakademie erhielt diese Unterstützung während der Umsetzung vor allem aus dem Prüfungsausschuss. Die dort vertretenen Praktikerinnen begleiteten die Umsetzung wohlwollend, kritisch und ehrlich. Die Anmerkungen trugen dazu bei, die Unterrichtsinhalte noch stärker auf die Anforderungen der Berufswelt auszurichten. Ein starkes Votum aus dem Prüfungsausschuss kam für den Erhalt und die Betonung praktischer Unterrichtsinhalte. Diese werden von den im Berufsleben stehenden Prüferinnen als unverzichtbar für das Profil und die Qualität des Fortbildungsberufes „Betriebswirt/in für Ernährungs- und Versorgungsmanagement“ gesehen. Alle Schulordnungen des StMELF werden nun auf den Prüfstand gestellt und damit können die notwendigen Änderungen berücksichtigt werden. VERONIKA MEND DR. CLAUDIA HEIDBRINK STAATLICHE FACHAKADEMIE FÜR LANDWIRTSCHAFT [email protected] [email protected] In Folge demografischer und gesellschaftlicher Herausforderungen wird die Bedeutung einer professionellen Hauswirtschaft seit einigen Jahren intensiver wahrgenommen. Mit ihren individuellen Versorgungs-, Betreuungs- und Serviceleistungen schafft Hauswirtschaft Lebensqualität für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Aufgrund der immer anspruchsvolleren und komplexeren Tätigkeit nehmen die Anforderungen und zwangsläufig auch die Belastungen im Beruf zu. Der diesjährige TS-Kongress an der Technikerschule in Kaufbeuren beleuchtet am Freitag, 11. März 2016 , Uhr das Spannungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen aus verschiedenen Blickwinkeln und geht der Frage nach, ob beide Bereiche tatsächlich im Widerspruch zueinander stehen. Im seinem Festvortrag Ernährung und Versorgung – Der Zukunftsmarkt in unserer modernen Gesellschaft betrachtet Ministerialdirektor Hubert Bittlmayer vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten München die Chancen, die eine moderne Hauswirtschaft für die Gesellschaft bietet. Verschiedene Firmen und Fachinstitutionen, z. B. FiGR, Hohenstein Institute, kompass und das Fachzentrum für Gemeinschaftsverpflegung konnten für Fachforen und Ausstellungen zu SUB 1-2/2016 folgenden Themen gewonnen werden: • Neuartige Fußbodenbeläge – pro und contra bei der Reinigung und Pflege • Wie gehe ich als Führungskraft mit schwierigen Mitarbeitern um? • Chancen schaffen und nutzen – Menschen mit Einschränkungen erfolgreich im und für den Betrieb • Biolebensmittel in der Großküche • Von der Energielampe zur Biozertifizierung – Umwelt und Nachhaltigkeitsmanagement in der Katholischen Akademie in Bayern • Ausgewogen, gesund und preiswert ernährt in Kita, Kiga und Schule • Trends beim Waschen im Großhaushalt • Was haben Düfte mit Sauberkeit zu tun? • Was eine HWL über Desinfektion in der Objektreinigung wissen sollte! der Technikerschule für Ernährungs- und Versorgungsmanagement Kaufbeuren. Bereits am Donnerstag, 10. März 2016, informiert ein Aktionstag unter dem Motto Freude am Beruf mit Ernährungs- und Versorgungsmanagement künftige Studierende und Interessierte über die Bandbreite der Weiterbildung an Information und Anmeldung unter www.technikerschule-kaufbeuren. bayern.de/121241/index.php oder Telefon 08341 9002-0 Neben Schul- und Berufsinformationen präsentieren die Studierenden der Technikerschule die Vielfalt der Hauswirtschaft und den Einsatz moderner Geräte. Ehemalige berichten aus Ihrem Berufsalltag. Staatliche Technikerschule für Agrarwirtschaft Fachrichtung Ernährungs- und Versorgungsmanagement Aktionstag Technikerschule für Ernährungs-und Versorgungsmanagement Kaufbeuren tag, Donners 2016 10. März r – 14:00 Uh r Uh 5 8:1 kennenlernen informieren erleben www.technikerschule-kaufbeuren.bayern.de Technikerschule Kaufbeuren 27 BILDUNG Im Spanungsfeld zwischen Produktivität und Wohlergehen: Kongress und Aktionstag an TS in Kaufbeuren GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung Biokoch Gilbert Bielen als Coach aktiv an der Salzachklinik in Fridolfing von IRMGARD REISCHL: Die Salzachklinik Fridolfing in der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel verwendet in ihrem täglichen Speiseplan 20 Prozent Biolebensmittel vorwiegend aus der Region. Dass das so ist, ist zu einem großen Teil Biocoach Gilbert Bielen zu verdanken. Er hat unter der Leitung des Fachzentrums Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg die Küche der Salzachklinik von Mai bis Oktober 2015 bei der Umstellung auf BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung erfolgreich beraten und unterstützt. GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG „Die Bio-Produktion in Bayern soll bis zum Jahr 2020 verdoppelt werden“. Dieses Ziel hat sich die Staatsregierung mit der Initiierung des bayerischen Landesprogramms „BioRegio Bayern 2020“ gesetzt. Damit soll künftig die heimische Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln stärker aus regionaler Produktion gedeckt werden. Ein wichtiger Baustein des Programms „BioRegio 2020“ ist der Wettbewerb „staatlich anerkannter Öko-Modellregionen“, durch den ökologische, regionale Produkte aus dem ländlichen Raum einen höheren Stellenwert bekommen sollen. Inzwischen sind aus ganz Bayern 12 Verbünde als Modell-Regionen ausgewählt. Es geht dabei nicht nur um die Steigerung des Anteils an Bio-Produktion, sondern auch um regionale Identität und um einen wertschätzenden Umgang mit der Natur. Ein Tätigkeitsschwerpunkt der Öko-Modellregionen ist u. a. die kommunale Unterstützung durch heimische Biolebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung. Im Rahmen des Ernährungskonzeptes soll dem Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ eine noch breitere Aufmerksamkeit verschafft werden. Zu diesem Zweck hat das StMELF im Juli 2014 ein von den Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung der jeweiligen Ökomodellregionen angebotenes und öffentlichkeitswirksames Coachingprogramm mit Gilbert Bielen als „Gesicht“ der Gemeinschaftsverpflegung gestartet. Gilbert Bielen ist Küchenleiter im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut und kocht dort seit 2008 zu 100 Prozent mit Bio-Lebensmitteln. 28 Arbeitsgruppe BioRegio in der GV stellt Weichen Im Juli 2014 berief das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), Referat Ernährungsstandards und Qualitätssicherung, eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des KErn und der Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) ein, um die genauen Eckdaten, sowie die detaillierte Vorgehensweise des BioRegio-Coachings abzustecken. Entsprechende Unterlagen, wie z. B. die Coachingvereinbarung, ein Fragebogen für interessierte Einrichtungen und der genaue Ablaufplan des Coachings wurden entworfen. Auch sollten BioRegio-Coachings über die jeweiligen Fachzentren Ernährung/ Gemeinschaftsverpflegung schwerpunktmäßig in den Öko-Modellregionen angeboten werden. Die Kontakte laufen über die Projektmanager der Ökomodellregionen. Die Fachzentren Ökologischer Landbau der ÄELF können als Vermittler dienen. Günstige Situation am AELF Ebersberg Am AELF Ebersberg sind die beiden Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung und Ökologischer Landbau vertreten. Von Anfang an ist hier von Seiten der Abteilungs- und jeweiligen Fachzentrumsleitungen sowohl eine große Offenheit gegenüber dem Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“, als auch die Bereitschaft, sich in dieser Sache zu engagieren, vorhanden. Bereits 2012 wurde der 1. „Oberbayerische Ökotag GV“ gemeinsam von beiden Fachzentren durchgeführt, der seither alle zwei Jahre wiederholt wird. Von Juli 2014 bis Ende Dezember 2015 testete das Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung in Ebersberg das Modellprojekt „BioRegio in SUB 1-2/2016 → Bild 1: Biokoch Gilbert Bielen beim Koch-Event in Fridolfing → Bild 2: Beim Coachingtreffen wird gearbeitet der Kita“. Überdies sind im Dienstgebiet des östlichen Oberbayern 2014 die beiden Öko-Modellregionen „Waginger See-Rupertiwinkel“ und „Isental“ ins Leben gerufen worden. 2015 kam noch das „Miesbacher Oberland“ dazu. Die Arbeit des Fachzentrums Ökologischer Landbau Oberbayern erleichterten die Kontakte zu den jeweiligen Projektmanagern der Modellregionen. Aufgrund der großen Begeisterung für das Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ und der Tatsache, dass die von der Arbeitsgruppe „BioRegio in der GV“ erarbeiteten Konditionen für das Coachingprojekt bekannt waren, stellte das Ebersberger Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung den beiden Ökomodellregionen noch Ende Juli 2014 das Coachingprojekt mit Gilbert Bielen vor. Bereits im folgenden Sommer konnte ein Termin für die 1. Veranstaltung, ein Kochevent im Oktober 2014, vereinbart werden. Der Auftakt mit dem Biocoach in der Region Isental folgte im Februar 2015. stehend aus Biocoach Gilbert Bielen, Projektmanagerin Marlene Berger-Stöckl und Fachzentrumsleiterin Irmgard Reischl, von Anfang an die Verpflegungssituation der teilnehmenden Einrichtungen und ihr eventuelles Interesse am Coaching bekannt. Das Kochevent richtete sich an Küchenverantwortliche und Entscheidungsträger von GV-Einrichtungen, sowie an kommunale Vertreter und sollte in einer Schulküche der Modellregion stattfinden. Besonders wichtig war dabei, dass die verwendeten Bio-Lebensmittel weitgehend aus der Modell-Region bezogen wurden. Die liefernden Bauern wurden deshalb zur Veranstaltung eingeladen. Fachzentrumsleiterin Irmgard Reischl, bei der die Federführung für das Event lag, zog am Ende der Auftaktveranstaltung in Fridolfing Resümee: Kochevent als öffentlichkeitswirksamer Auftakt Schnell war klar, dass durch ein öffentlichkeitswirksames Kochevent zu Beginn zum einen das Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ in die Fläche der Öko-Modellregion getragen werden kann, zum anderen den verschiedenen Einrichtungen durch das gemeinsame Kochen Appetit auf BioRegio gemacht wird. Außerdem konnte auf diese Weise am besten eine geeignete interessierte GV-Einrichtung für ein BioRegio-Coaching ermittelt werden. Das Fachzentrum stellte dazu den Projektmanagern Vorlagen für die Einladung zum Kochevent zur Verfügung. Die Projektmanager vor Ort organisierten die Veranstaltungen im Detail. Die teilnehmenden Einrichtungen bzw. Betriebe mussten mit der Anmeldung zum Kochevent einen ausgefüllten Fragebogen zu ihrem Haus, sowie einen Vier-Wochen-Speiseplan einreichen. So war den Veranstaltern, be- SUB 1-2/2016 „Der Startschuss ist gefallen. Den letzten Ruck zur Teilnahme am BioRegio-Coaching muss sich die Einrichtung jetzt selbst geben“. Was lange währt, wird endlich gut Erklärtes Ziel des BioRegio-Coachings ist, eine Einrichtung zu finden, die bereit ist, einen Grundstein „Bio“ zu legen, der dauerhaft Bestand hat. Eine wichtige Erfahrung im Rahmen des Coachings bestand darin, dass es durchaus lange (Bedenk-) Zeit braucht, bis eine geeignete Einrichtung fürs Coaching gefunden ist. Das kann verschiedene Gründe haben: →→ Die Öko-Modellregion hat wegen ihrer geringen Größe nur wenige GV-Einrichtungen. →→ Es sind zu wenige Essenszahlen vorhanden, um ein Coaching zu vertreten. →→ Der personelle Engpass lässt keine Kapazitäten für ein Coaching frei. 29 GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG In der Ökomodellregion „Waginger See/Rupertiwinkel“ stand bald fest, dass mit der Küche der Salzachklinik Fridolfing ein geeigneter Coachingpartner gefunden war. Sowohl der Fridolfinger Bürgermeister Johann Schild, als auch die stellvertretende Küchenleiterin der Klinik Maria Stadler waren bereits beim Kochevent dem Vorhaben gegenüber sehr aufgeschlossen. Trotzdem hat es noch bis Mai 2015 gedauert, bis die Coachingvereinbarung unterschrieben und das BioRegio-Coaching mit Gilbert Bielen begann. Bei der Gemeinde Fridolfing, Träger der Klinik, mussten vorab noch etliche Gremien und Ausschüsse gehört und Beschlüsse gefasst werden, bis es los gehen konnte. Das hat natürlich Marlene Berger-Stöckl, Projektmanagerin der Ökomodellregion, und Irmgard Reischl vom Fachzentrum in Ebersberg viel Geduld gekostet. Letztendlich zahlte sich allerdings der starke Wille, trotzdem dranzubleiben, aus und das Warten hatte sich gelohnt, denn beim Start des Coachings war klar: GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG „Jetzt stehen wirklich alle voll und ganz dahinter“. Salzachklinik Fridolfing erste gecoachte Klinik Nachdem sich die Salzachklinik Fridolfing als erste Klinik in Bayern entschieden hat, am Coachingprojekt teilzunehmen, wurde eine entsprechende Coachingvereinbarung zwischen der Salzachklinik und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg abgeschlossen. In vier Arbeitstreffen von Mitte Mai bis Ende Oktober 2015 ging es darum, gemeinsam mit allen Beteiligten – BioKoch Gilbert Bielen, dem Küchenteam, den Verantwortlichen der Gemeinde, den Lieferanten sowie in enger Zusammenarbeit mit Irmgard Reischl (AELF Ebersberg) und Marlene Berger-Stöckl von der Ökomodellregion, herauszufinden: „Was ist machbar und passt zu uns?“. Einen Tag lang hospitierte Gilbert Bielen dafür in der Fridolfinger Klinikküche und nahm von der Küchenausstattung über den Einkauf, das Küchenteam, die Lieferanten, die Lagerung bis hin zur Speiseplanung alle Bereiche unter die Lupe. Im Anschluss gab es eine Nachbesprechung mit dem Team der Küchenleitung. Bio nicht um jeden Preis Die Küche der Salzachklinik ist seit mehr als acht Jahren fast ausschließlich auf regionale Lebensmittel ausgerichtet, die außerdem gentechnikfrei sein müssen. Längst ist die Küche (mit Konzept, Küchenteam, Lieferanten und 20 Prozent BioKüche) ein fester Bestandteil des Leitbilds der Klinik und auch im Patientenordner, dem Klinikjournal und auf der Homepage (www.salzachklinik-fridolfing.de) zu finden. 30 → Bild 3: Eine Urkunde bestätigt die Teilnahme am Coachingprojekt Beim Coaching kristallisierte sich schnell heraus, was man will: Bio nicht um jeden Preis, sondern als sinnvolle Ergänzung zu den regionalen Lebensmitteln. Es sollten keine Bio-Produkte eingesetzt werden, die z. B. von weit her bezogen werden müssen. Biologische Erzeugung sollte mit Regionalität verknüpft sein. Die große Stärke der Klinikküche – alle Gerichte werden aus frischen Produkten selbst zubereitet – kann jedoch dazu genutzt werden, saisonale frische Bioprodukte in den Menüplan mit aufzunehmen. So fasste der Krankenhausausschuss den Beschluss zu einer freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung. In Zukunft werden 20 Prozent des Klinik-Budgets für Lebensmittel, das entspricht in etwa 20 000 Euro jährlich, für Bioprodukte ausgegeben, die zudem regional erzeugt sind. Künftig stehen Milchprodukte, Eier, Obst, Gemüse und Geflügel in regionaler BioQualität auf dem Speiseplan der Klinik in Fridolfing. „Eine Klinikküche, die so handwerklich arbeitet wie hier in der Salzachklinik Fridolfing, ist inzwischen leider die Ausnahme geworden“, SUB 1-2/2016 GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG Johann Schild alle Beteiligten und die Presse in den Mehrzweckraum der Salzachklinik eingeladen, sich von dem Erfolg zu überzeugen: Alle waren gekommen und haben das feine Essen genossen so Gilbert Bielen, der mit dem Coaching seine Erfahrungen als Bio-Küchenleiter der Kinderklinik Landshut weitergab. Die Tischgäste danken dem Küchenteam den Mehraufwand gegenüber fertigen Convenience-Produkten in der Regel mit viel Lob, wie die Salzachklinik bestätigen konnte. Bei der Abschlussbesprechung Ende Oktober 2015 wurde ein „Nachcoaching“ im Sommer 2016 vereinbart, um zu sehen, wo die Küche der Salzachklinik in Sachen BioRegio bis dahin steht. Bio-Produkte vom regionalen Kleinbauern Ein Beispielbetrieb für Bio-Freilandgeflügel ist der etwa zehn Kilometer entfernte gemischte Hof von Sebastian Kettenberger aus Tittmoning, der Hühner und Puten nach BioKriterien an die Klinik liefert. Als wichtige Erkenntnis des Coaching ist zu betonen, dass neben den „Edelteilen“, wie der Brust, das Fleisch des gesamten Tieres mit verarbeitet wird. Dies ist nur dort möglich, wo noch handwerklich, wie beispielsweise bei Küchenchef Albert Spitz und Maria Stadler in der Salzachklinik, gekocht wird. Damit kann der höhere Preis für das Bio-Freilandgeflügel mit selbst erzeugtem Ökogetreide dennoch in der Gesamtrechnung gesenkt werden. Vorteile der biologischen Geflügelproduktion liegen darin, dass die Hühner ganzjährig Auslauf haben und die doppelte Zeit zum Heranwachsen besitzen, was die Fleischqualität zudem wesentlich beeinflusst. Bauer Kettenberger bedankte sich bei der Gemeindeverwaltung und der Klinikleitung für die neue Partnerschaft und betonte: „Eine verlässliche Lieferbeziehung sei für das Küchenteam wie für den kleinbäuerlichen Betrieb gleichermaßen wichtig.“ SUB 1-2/2016 Resümee zum Coaching der Salzachklinik Fridolfing Das Fridolfinger Küchen-Team wurde zum BioRegio-Coaching befragt: „Wir sind wirklich sehr zufrieden, sowohl mit der Unterstützung durch den Biocoach als auch durch das Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung. Wir haben mit dem Coaching wieder einen Anstoß zum Besinnen auf das „Küchenhandwerk“ bekommen, kamen raus aus dem Trott und wollen jetzt so viel wie möglich frische und bio- regionale Lebensmittel in der Verpflegung einsetzen. Des Weitern konnten wir die Erfahrung machen, welche Lebensmittel in Bioqualität für Großverbraucher gut beziehbar sind und in welchen Lebensmittelbereichen es noch Defizite am Bioangebot in der Region gibt.“ Diese Aussage wird durch die schriftliche Evaluierung zum Ende des Coachings bestätigt. Das zuständige Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung in Ebersberg bleibt weiter am Thema „BioRegio in der Gemeinschaftsverpflegung“ dran und unterstützt bei allen Fragen dazu. Erste Kontakte zur Projektmanagerin der Ökomodellregion „Miesbacher Land“ sind geknüpft und die Kontakte zu den beiden oberbayerischen Öko-Modellregionen „Waginger See-Rupertiwinkel“ und „Isental“ werden weiter gepflegt. IRMGARD REISCHL AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN EBERSBERG [email protected] 31 GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG → Bild 4: Zum Abschluss des Coachingprojekts „BioRegio“ an der Salzachklinik Fridolfing hatte Bürgermeister Die Molkerei Piding hat sich mit Bioprodukten bereits überregional einen Namen gemacht. Sie arbeitet jedoch kontinuierlich weiter am Ausbau ihres Biosortiments, wie Eduard Dufter berichtete. Für Gemüsehändler Manfred Weber ist die Erweiterung seines Sortiments auf Bioprodukte noch keine Selbstverständlichkeit, aber eine neue Erfahrung, die er gerne ausbauen möchte, wenn die Nachfrage nach Bioprodukten in Großküchen weiter steigt. GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG Gut ernährt ins Leben KErn stellt GeliS auf Fortbildung für Hebammen vor GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG von EVA ROSENFELD: Die Ernährung während der Schwangerschaft und in der frühen Kindheit hat großen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, sein Wohlbefinden, spätere Essgewohnheiten und seine Gesundheit. Die Fortbildungsveranstaltung für Hebammen „Gut ernährt ins Leben“ der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft am 7. Oktober 2015 in Nürnberg nahm Trends und Risiken in diesem Themenfeld unter die Lupe. Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) stellte das Projekt „Gesund leben in der Schwangerschaft – GeliS“ bei der mit rund 90 Hebammen gut besuchten Veranstaltung mit einem Stand vor. Im Rahmen der GeliS-Studie, die das KErn in Kooperation mit der Technischen Universität München-Weihenstephan durchführt, konnten bereits über 2 200 schwangere Frauen aus zehn bayerischen Regionen in den Dienstbezirken der Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Regensburg, Fürth, Bayreuth, Fürstenfeldbruck und Würzburg erreicht werden. Die Hälfte der Schwangeren erhält drei ausführliche Beratungsgespräche zu den Themen Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft sowie ein zusätzliches Beratungsgespräch nach der Geburt des Kindes. Aussagekräftige Ergebnisse zu den Auswirkungen eines gesunden Lebensstils während der Schwangerschaft und in der frühen Kindheit auf Übergewicht, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie die spätere Gesundheit von Mutter und Kind werden erwartet (Näheres zu GeliS in SuB, 1-2/2015, S.61-64). KErn erstellte in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern die Studien- und Schulungsunterlagen und übernimmt die zentrale Koordinierung. Die Projektmanagerinnen „Ernährungsbildung“ an den Fachzentren Ernährung/ Gemeinschaftsverpflegung koordinieren die Studie vor Ort in den Studienregionen und führen die Schulungen der GeliS-Beraterinnen und -Berater durch. Langfristig kann das GeliS-Lebensstilinterventionsprogramm, bei erfolgreichem Verlauf, die bestehende Routinevorsorge von Schwangeren erweitern. Die Vorträge im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung für Hebammen machten deutlich, dass spezielle Aufmerksamkeit auf die Schwangerschaft und frühe Kindheit gerichtet werden muss, denn diese Lebensphase ist entscheidend für die weitere Entwicklung und Gesundheit des Kindes. Vegane Ernährung problematisch für Säuglinge Diplom-Oecotrophologin und Ernährungstherapeutin in eigener Praxis Dr. Claudia Laupert-Deick aus Bonn berich- 32 tete, dass eine vegane Ernährung im Säuglingsalter nach Aussage des Forschungsinstituts für Kinderernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ungeeignet ist. Bedarfsdeckend kann eine vegane Kost für Säuglinge nur unter EinbezieWeichen stellen für hung spezieller und die Gesundheit von angereicherter LeMutter und Kind bensmittel bzw. SupIndividuelle Beratung zu einem gesunden Lebensstil in der Schwangerschaft und plemente sein. Bei nach der Geburt veganer Beikost sind > ausgewogene Ernährung > regelmäßige Bewegung folgende Nährstoffe > angemessene Gewichtszunahme kritisch: Vitamin D, Ei> Verzicht auf Alkohol und Rauchen sen, Jod, Zink, Calcium, α-Linolensäure, Vitamin B2, Vitamin B12 und Protein. Die Referentin unterstrich ihre Ausfühwww.KErn.bayern.de rungen zur kritischen Nährstoffversorgung → GeliS – Ein Programm für einen gesundbei Kindern im Säugheitsförderlichen Lebensstil (Foto: KErn) lingsalter, die vegan ernährt werden, mit der Software gestützten Nährwertanalyse von Ernährungsplänen. Auch bei veganer Ernährung Schwangerer und Stillender ist die Nährstoffversorgung oftmals kritisch. Deshalb wird von einer solBayerische Staatskanzlei Bayerisches Staatsministerium des Innern Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus Bayerisches Staatsministerium der Finanzen Das GeliS-Projekt wird gefördert durch: Weitere Unterstützer: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Fachzentren Ernährung/ Gemeinschaftsverpflegung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürstenfeldbruck, Regensburg, Bayreuth, Fürth und Würzburg Gesund. Leben. Bayern. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege SUB 1-2/2016 GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG → Dr. Claudia Laupert-Deick aus Bonn nimmt den Trend zur veganen Ernährung unter die Lupe (Foto: Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft) chen Ernährungsform in dieser Zeit abgeraten. Eine vegetarische Ernährung mit Verzicht auf Fleisch und unter Einbeziehung von Milch, Milchprodukten und Eiern (Ovo-Lakto-Vegetarier) bedarf der besonderen Berücksichtigung verschiedener Nährstoffe sowohl in der Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit als auch im Kindes- und Jugendalter. Als potentiell kritische Nährstoffe gelten für Ovo-Lakto-Vegetarier im Kindes- und Jugendalter Eisen, Jod, Vitamin D, Zink und Omega-3-Fettsäuren und Calcium. Mit einer ovo-laktovegetarischen Ernährung, bei der Lebensmittel gezielt ausgewählt und kombiniert werden, ist eine insgesamt gute Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft möglich, mit Ausnahme von Vitamin D und der generell zu supplementierenden Nährstoffe Folsäure und Jod sowie – je nach ärztlich festgestelltem Eisenstatus – gegebenenfalls auch Eisen. Trends in der Beikost und ihre Bewertung Oecotrophologin Monika Ziebart von der Praxis für Ernährungstherapie und -beratung „Gesund + wohlgenährt“ aus München hob die Bedeutung der bundesweit einheitlichen von verschiedenen Fachgesellschaften und Berufsgruppen getragenen Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ zur Säuglingsernährung hervor, die den Nährstoffbedarf des Säuglings optimal decken. Die Deckung des Nährstoffbedarfs ist möglicherweise nicht gesichert bei neuen Trends in der Bei kosteinführung, wie dem Baby-led weaning (oder: Beikost nach Bedarf). In dem Konzept der britischen Kinderkrankenschwester Rapley steht das spielerische Entdecken und Erfahren von Nahrung im Vordergrund – das Baby führt seine Beikost ein, in dem es sich mit Fingerfood selbst füttert. Um der Verunsicherung der Eltern entgegenzuwirken, rät Ziebart, Eltern auf Grundlage der Handlungsempfehlungen des SUB 1-2/2016 Schwangerschaftsdiabetes erkennen und behandeln Helmut Nußbaumer vom Diabetes Schulungszentrum in Burghausen unterstrich die Bedeutung eines Screenings zur Diagnose einer Schwangerschaftsdiabetes. Hierbei ist ein oraler Glukosetoleranztest (mit 75g Glukose) noch zuverlässiger als der derzeit in Deutschland praktizierte und in den Mutterschaftsrichtlinien enthaltene Suchtest (nicht nüchtern mit 50g Glukose-Belastung). Der Diabetesberater informierte weiterhin darüber, wie ein Behandlungsplan für eine Schwangere mit Gestationsdiabetes in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis erstellt wird. Der Ernährungsberatung kommt als erste therapeutische Maßnahme dabei eine Schlüsselfunktion zu. Ca. 85 Prozent der Schwangeren mit Gestationsdiabetes kommen ohne Pharmakotherapie durch Insulin aus und können die angestrebten Blutzucker-Zielwerte allein durch Änderung ihres Ernährungs- und Bewegungsverhaltens erreichen. Auch eine übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für Schwangerschaftsdiabetes. Mit Beispielen aus der Praxis erläuterte Nußbaumer wie ein massiver Blutzuckeranstieg vermieden werden kann, z. B. indem Fruchtsäfte vermieden und vermehrt Hülsenfrüchte gegessen werden. Nach der Entbindung verringern dann Stillen und ein gesunder Lebensstil der Mutter mit der Diagnose Gestationsdiabetes das hohe Risiko, später an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken. Gesundheitsförderung gemeinsam angehen In der sensiblen Phase der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes bietet sich die einzigartige Chance mit einem gesunden Lebensstil die Weichen für das Kind positiv zu stellen. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sowie der Verzicht auf Alkohol und Rauchen sind wichtige Bausteine für eine komplikationslose Schwangerschaft und für ein gesundes Leben des Kindes. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten dieser Herausforderung stellen müssen. Denn Gesundheitsförderung und Prävention sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nur im Zusammenspiel verschiedener Akteure erfolgreich gelöst werden können. EVA ROSENFELD KOMPETENZZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG FREISING [email protected] 33 GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG Netzwerks zu beraten, wobei eine Ergänzung des Ernährungsplans mit Fingerfood gut möglich ist. GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG Gesund und fit bei Demenz Die UGB informiert über eine ausgewogene Ernährung und die Bedeutung von Bewegung bei Demenzkranken GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG von ALINA REISS: Etwas vergesslich geworden – wer kennt das nicht im Alter. Doch wenn dahinter eine Erkrankung des Gehirns steckt, wird es nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für deren Angehörige zu einem gravierenden Einschnitt in den bisherigen Alltag. Welche Bedeutung hat körperliche Aktivität bei Demenz und wie sieht eine bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffversorgung aus? Diese Fragen machte die Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) bei ihrer dreitägigen Tagung „Alter und Demenz“ im Edertal bei Kassel zum Thema 1). Der aktuelle Stand aus Medizin, Forschung und Ernährungswissenschaft kam genauso zur Sprache wie die Bedeutung von täglicher Bewegung. Möglichst lange geistig fit bleiben – das möchte jeder. Allerdings nimmt die Prävalenz von Demenzerkrankungen im Verlauf der vergangenen Jahre mit steigender Tendenz zu. Derzeit sind etwa 1,1 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Demenz“ oft gleichbedeutend mit der AlzheimerErkrankung gesetzt. Jedoch handelt es sich bei der Demenz um einen Oberbegriff für die Verschlechterung kognitiver Fähigkeiten, die nicht auf äußere Einflüsse oder im Rahmen von Bewusstseinstrübungen (Delir) im Laufe des Lebens auftreten. Neben dem Gedächtnis sind insbesondere visuell-räumliche Orientierung, Sprache, Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen, wie planerisches Denken und Urteilen, betroffen. Es gibt viele verschiedene Arten von Demenz-Erkrankungen, die sich in Ursache, Symptomen und Verlauf unterscheiden. Die Demenz vom Alzheimertyp kommt mit 60 Prozent am häufigsten vor. Um lange geistig fit zu bleiben sind eine ausgewogene Ernährung und körperliche Aktivität zwei wesentliche Voraussetzungen. Auch die Entstehung und der Verlauf einer Demenzerkrankung kann sowohl durch körperliche Aktivität, als auch durch einige Nährstoffe positiv beeinflusst werden. Essen und Vergessen – wie hängt das zusammen? Das Auftreten einer Demenz ist von vielen Faktoren abhängig. Neben genetischen Merkmalen, verschiedenen Krankheiten (Metabolisches Syndrom, Schädel-Hirn-Traumata) und Risikofaktoren, wie Rauchen und Alkoholkonsum, spielen auch die soziale Eingebundenheit und körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle. Weiterhin kommt insbesondere der Ernährung eine wesentliche Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund lag der Fokus der UGB-Tagung auf der Frage, ob man über die Ernährung dem kognitiven Fähig- keitsverlust vorbeugen kann. Diskutiert wird an dieser Stelle, dass bestimmte Nährstoffe die Krankheitsentstehung verzögern. Im Wesentlichen handelt es sich dabei vor allem um Vitamin B12, Vitamin D, diverse Antioxidanzien, langkettige Fettsäuren und Schwermetalle (z. B. Aluminium, Quecksilber). Beispielsweise soll eine schlechtere Vitamin B12-Versorgung nach aktueller Studienlage das Demenzrisiko erhöhen. Als Ursache wird ein Anstieg der Homocysteinkonzentration bei Vitamin B12-Defizit genannt, welcher sich negativ auf die kognitiven Leistungen auswirkt [1]. Demgegenüber reduzieren hohe HolocobalaminWerte die Alzheimer-Wahrscheinlichkeit [1]. Eine frühzeitige, ausreichende Vitamin B12-Versorgung und gegebenenfalls auch eine Supplementation im Krankheitsverlauf sind deshalb anzuraten. Weiterhin werden niedrige Blutspiegel an Vitamin D sowie den Antioxidanzien Vitamin E, Vitamin C und Selen mit einem höheren Demenzrisiko assoziiert. Eine Supplementation scheint allerdings hier zu keiner Reduktion des Risikos zu führen. Außerdem werden arteriosklerotische, thrombotische und entzündliche Prozesse in der Demenz-Entwicklung beobachtet. Insbesondere gesättigte Fettsäuren, Übergewicht und Insulinresistenz lösen inflammatorische Prozesse aus. Vor diesem Hintergrund gilt ein günstigeres Fettsäuremuster mit einem hohen Anteil an ω3-Fettsäuren und einem geringen Anteil an Trans-Fettsäuren sowie gesättigten Fettsäuren als günstig. Dies ist durch den Verzehr von fettreichen Seefischen (Hering, Lachs, Makrele) sowie ω3-fettsäurereichen Pflanzenölen (Lein-, Rapsöl) erreichbar. Die in Folge von Insulinresistenz auftretenden hohen Blutzuckerspiegel bedingen eine schlechtere Verwertung von Glucose im Gehirn. Glucose stellt jedoch das Hauptenergiesubstrat für das Gehirn dar, weshalb es bei verminderter Insulinsensitivität und AA 1) Alle Informationen dieses Artikels basieren auf den Unterlagen zur Tagung „Alter und Demenz – Ernährung im Fokus“ der UGB in Kassel-Bringhausen (2015) 34 SUB 1-2/2016 GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG © 2011) hohen Glucosekonzentrationen sowohl zu einer energetischen Unterversorgung des Gehirns kommen kann, als auch zu neuronalen Schäden. Die Folge sind Veränderungen der Gehirnstruktur und der Gedächtnisleistung und eine daraus resultierende Einschränkung kognitiver Fähigkeiten. [2] Die Ernährung von Demenzpatienten Das Essverhalten ändert sich oftmals bei vielen Demenzpatienten im Krankheitsverlauf. Dahinter stecken, neben den normalen, altersabhängigen Veränderungen (z. B. sinkender Grundumsatz und reduziertes Durstempfinden, Kauund Schluckbeschwerden oder Verdauungsprobleme), insbesondere der vermehrte oder verminderte Bewegungsdrang, die veränderte Wahrnehmung von Speisen, Appetitlosigkeit und Desorientierungen. Viele betroffene Personen sind zur normalen, regelmäßigen Nahrungsaufnahme aufgrund physiologischer und mechanischer Störungen nicht mehr fähig. Zur Vorbeugung von Mangelernährung, Dehydratation und Gewichtsproblemen (Über- oder Untergewicht), welche gravierende Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung nehmen können, gilt es, sowohl die Lebensmittelauswahl, die Konsistenz der Speisen, als auch Rahmenbedingungen, wie die Gestaltung des Speisesaals, die Verwendung von speziellem Geschirr und das Zeitmanagement zu beachten. Dem Essen mit allen Sinnen kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Über den noch funktionierenden Geruchssinn kann mit Hilfe von Aromastoffen der Appetit angeregt werden. Klare Formen und kräftige Farben erleichtern es, das Essen visuell wahrzunehmen. Fingerfood kann häufig eine gute Alternative sein, wenn bei motorischen Einschränkungen das Essen mit Messer und Gabel nicht mehr möglich ist. Für Demenzpatienten werden fünf bis sechs Mahlzeiten empfohlen, um den Verdauungstrakt zu entlasten und die Bekömmlichkeit zu verbessern. Bei der Lebensmittelauswahl ist grundsätzlich auf eine hohe Nährstoffdichte bei geringem Energiegehalt zu SUB 1-2/2016 → Bild 2: Frühstücksschaum – Brötchen mit Marmelade und Milchkaffee (Katharina Jaeger © 2011) achten, da mit Ausnahme der Personen, die einen erhöhten Bewegungsdrang zeigen, oftmals vermehrt Apathie und Bewegungsarmut zu beobachten sind. Erfahrungen aus der Praxis In seinem Vortrag „Kochen und Essen mit Demenzpatienten“ zeigte Küchenleiter Herbert Thill Erfahrungen aus der Praxis. Zentrales Thema des Vortrags war, wie eine gesunde Ernährung in allen Krankheitsstadien realisierbar ist. Dies erfordert, neben viel Kreativität und Engagement in der Küche und beim Pflegepersonal, den Einsatz verschiedener Kostformen. Von Fingerfood über püriert, passiert oder flüssig – Smoothfood war hier das Thema. Das Ziel dabei ist es, die pürierten Mahlzeiten wie die ursprünglichen Lebensmittel aussehen zu lassen (siehe Bilder). Mehr Bewegung für ältere Menschen Neben der Ernährung spielt auch körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle für die geistige Fitness. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass körperliche und geistige Bewegungsarmut meistens die Hauptgründe für den Verlust von physischer und kognitiver Leistungsfähigkeit darstellen. Umgekehrt gilt, dass regelmäßige körperliche Aktivität das biologische Altern verlangsamt und lange fit und dynamisch hält. Der Stärkung des Herz-Kreislaufsystems durch regelmäßiges Ausdauertraining kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Außerdem werden durch die bessere Sauerstoffversorgung und Blutzirkulation des Körpers und des Gehirns kognitive Fähigkeiten gefördert. Der Prozess des „geistigen Verfalls“, bestehend aus dem Substanzverlust an Hirnmasse und der verminderten Zellaktivität, wird damit verlangsamt. In diesem Kontext wirkt sich regelmäßige körperlicher Aktivität nicht nur präventiv auf Demenzerkrankungen aus, sondern sie zeigt auch positive Wirkungen auf den Krankheitsverlauf. Damit ein Ausdauertraining gesundheitsförderliche 35 GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG → Bild 1: Beispiel für eine fein pürierte und gelierte Kost (Katharina Jaeger GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG Auswirkungen hat, sollte man mindestens zwei- bis dreimal pro Woche für 20 bis 30 Minuten trainieren, ergänzt durch Kraft-, Koordinations- und Dehnungsübungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene aller Altersgruppen 150 Minuten Alltagsbewegung und 75 Minuten Sport am Tag. Im Bereich der Alltagsaktivität werden 10 000 Schritte pro Tag als Orientierungsgröße angegeben. [3] Fazit Zusammenfassend wird nach aktuellem Wissensstand für ältere Menschen, insbesondere für Demenzpatienten, sowohl präventiv, als auch im Krankheitsverlauf eine ausgewogene, nährstoffdichte Ernährung auf Basis von Obst, Gemüse, Getreide- und Milchprodukten sowie ausreichend körperliche Bewegung empfohlen. Es sollten vor allem Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte ausgewählt werden. Die Ernährung sollte möglichst ballaststoffreich, Omega 3-fettsäurereich und vitaminreich sein. Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist von großer Bedeutung. Auf Grund des Gedächtnisverlustes und der abnehmenden Geschmacksinne ist jedoch das Essen für die Betroffenen oft eher auf Traditionen und (Kindheits-)Erinnerung anstatt auf Gesundheitswert und sensorische Wahrnehmung zurückzuführen. Deshalb kann es zur Verbesserung des Essverhaltens, gerade bei unterernährten Demenzpatienten, sinnvoller sein, die gewünschte Kost anzubieten, anstatt strenge Diätvorschriften einhalten zu wollen. Literatur [1] HOOSHMAND B. ET AL. (2010). Homocystein and holotranscobalamin and the risk of Alzheimer disease. In: Neurobiology 75:1408-1414 [2] Zusammenfassung des Vortrags von Dipl. oec. troph. HansHelmut Martin (2015). Essen und Vergessen – wie hängt das zusammen. UGB-Tagung, Edertal-Bringhausen; www.ugb.de [3] WHO (2010). Global Recommendations on Physical Activity for Health [4] Unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) (2015). Unterlagen der UGB-Tagung. Alter und Demenz – Ernährung im Fokus. www.ugb.de ALINA REISS AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN EBERSBERG FACHZENTRUM ERNÄHRUNG/ GEMEINSCHAFTSVERPFLEGUNG [email protected] Geschmackerinnerungen und die Bedeutung des Essens im Alter Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) richtete am 21. Oktober 2015 in München im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Fachtagung für Träger und Leiter stationärer Senioreneinrichtungen aus. Dr. Ester Gajek stellte dabei die Bedeutung von Geschmackserinnerungen heraus. Die Geschmackserinnerungen fungieren wie ein Schlüssel: „Sie öffnen die Türen zur eigenen Geschichte und Identität", so erklärte die vergleichende Kulturwissenschaftlerin an der Universität Regensburg die Funktion von Geschmackserinnerungen. Ursache dafür sei die Art und Weise, wie diese Sinneseindrücke ins Gehirn gelangen: „Geschmacks- und Geruchssinn sind diejenigen Sinnesorgane, die Informationen direkt in sehr tiefe Zentren unseres Gehirns leiten, nämlich in das sogenannte limbische System. Das Großhirn, wo das bewusste Denken angesiedelt ist, wird damit ausgespart. Auf diese Weise erreicht der Geschmackssinn 36 diejenigen Teile des Gehirns direkt, in denen Gefühle, Erinnerungen, Gedächtnis und Hormone gesteuert werden.“ Geschmackserinnerungen bündeln Identität Ein Geschmack könne demnach Erinnerungen transportieren – sowohl positive als auch negative, und das über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg. Geschmackserinnerungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Erfahrungshorizont einer Person bzw. einer ganzen Generation. Bei den derzeit in Senioreneinrichtungen betreuten Menschen handle es sich meist um Menschen, welche die Kriegs- bzw. Nachkriegszeit erlebt haben. Vielfach geteilte Erfahrungen dieser Generation im Zusammenhang mit Essen seien z. B. Hunger, alles essen zu müssen, was auf den Tisch kam, das Schweigen während des Essens oder das Essen von Selbstangebautem und Selbsteingemachtem. Diese Erfahrungen und Erinnerungen aus der Vergangenheit können bis in die Gegenwart hinein Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen beeinflussen. Deshalb komme der Erfassung der Essbiografie und der Beachtung des Erfassten eine solch zentrale Bedeutung zu: „In Geschmackserinnerungen bündelt sich individuelle wie gesellschaftliche Identität wie in einem Brennglas.“ Die Fachtagung stellte aktuelle Ergebnisse der bayernweiten Studie zur Datenerhebung in der Gemeinschaftsverpflegung speziell für den Bereich der Senioreneinrichtungen vor. Weitere Themen waren die Folgen des Kostendrucks im Bereich Verpflegung sowie die Rolle der Verpflegungsleistungen als Marketingfaktor. Vertreter aus Wissenschaft und Praxis diskutierten die Bedeutung und Veränderung der Ernährung im Alter sowie Ansatzpunkte, wie sich Folgekosten durch Mangelernährung vermeiden lassen. Informationen unter http://www.kern.bayern. de/wissenstransfer/113877/index.php KErn SUB 1-2/2016 GEMEINSCHAF TSVERPFLEGUNG Wie können auf kommunaler Ebene gesundheitsförderliche Maßnahmen für ältere Menschen initiiert oder verbessert werden? Diese Frage stand im Zentrum einer Fachtagung, zu der die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO) im Oktober 2015 in den Stuttgarter Hospitalhof geladen hatte. Über 100 haupt- und ehrenamtliche Akteure, vorwiegend aus der kommunalen Seniorenarbeit sowie dem Sozial-, Ernährungs- und Bewegungsbereich, waren der Einladung gefolgt. Am Ende verließen sie die Tagung ausgestattet mit neuen Impulsen und wertvollen Anregungen für die eigene Arbeit. Im Zuge des demografischen Wandels gewinnen präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen für ältere Menschen zunehmend an Bedeutung. Den Kommunen – als zentrale Lebenswelten von Senioren und als Orte, an denen sich die demografische Alterung schon jetzt konkret bemerkbar macht – wird dabei eine Schlüsselrolle zugesprochen. Hinsichtlich der Initiierung und Umsetzung konkreter Interventionen herrschen jedoch bei vielen kommunalen Akteuren häufig noch Unsicherheit und Unterstützungsbedarf. Diesem Umstand wollte die BAGSO durch die Fachtagung Abhilfe verschaffen. Besonderes Augenmerk lag in diesem Kontext auf gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu den Themen Ernährung und Bewegung. Gesundes Altern als gesellschaftliche Aufgabe Prof. Ursula Lehr, stellvertretende Vorsitzende (in der Zwischenzeit wurde Franz Müntefering zum 1. Vors. gewählt), 1. Vorsitzende der BAGSO und Bundesministerin a. D. verdeutlichte anhand aktueller Zahlen zum demografischen Wandel, dass sich durch die Zunahme des Anteils älterer Menschen und den Rückgang der Geburtenzahlen die Altersstruktur der Bevölkerung und damit auch die Gesell- SUB 1-2/2016 schaft als Ganzes drastisch verändern werden. Sie verwies vor diesem Hintergrund auf das große präventive Potenzial eines gesunden Lebensstils mit ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung. Dieser könne in jedem Alter dabei helfen, Erkrankungen vorzubeugen oder hinauszuzögern und dazu beitragen, Selbstständigkeit und Lebensqualität zu erhalten. Sie stellte anhand einiger Beispiele dar, welche Rahmenbedingungen von den Kommunen geschaffen werden sollten, um älteren Menschen die Umsetzung eines gesunden Lebensstils zu erleichtern. Dazu gehörten z. B. städtebauliche Maßnahmen wie der Ausbau von Rad- und Wanderwegen oder das Bereitstellen ausreichender öffentlicher Sitzgelegenheiten und Toiletten. Das „BAGSO-Konzept“: Ein Leitfaden für Kommunen Wie Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene gelingen kann und was zentrale Schritte bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen sind, darauf ging Anne von Laufenberg-Beermann mit der Vorstellung des „BAGSO-Konzepts zur Verbesserung der Gesundheitsförderung älterer Menschen auf kommunaler Ebene“ ein. Das in vier Pilotkommunen erprobte und 2015 in Form eines Praxishandbuchs veröffentlichte Konzept soll Verantwortliche der kommunalen Seniorenarbeit bzw. -politik bei der Initiierung und Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen in ihren Kommunen unterstützen. Neben wissenschaftlichen Hintergrundinformationen zu den Zusammenhängen zwischen Bewegung, Ernährung und Gesundheit im Alter enthält das Dokument vor allem praktische Hinweise zur Vorgehensweise beim Aufbau entsprechender Angebote, zu möglichen Stolpersteinen und zentralen Erfolgsfaktoren. Das Handbuch kann kostenfrei bei der BAGSO angefordert werden. Erfahrungen aus der Praxis Für den Blick in die Praxis sorgten vier Vertreterinnen unterschiedlicher Kommu- nen bzw. Organisationen und berichteten bei der Plenumsdiskussion von ihren Projekten. Dazu gehörten beispielsweise die Initiierung eines Stadtteil-bezogenen Mittagstischs oder die Gründung eines örtlichen Seniorennetzwerks, das sich durch verschiedene Maßnahmen für die Gesundheit der dort lebenden älteren Bürger einsetzt. Die Referentinnen gewährten den Zuhörern interessante Einblicke in die praktische Arbeit vor Ort, berichteten von Hemmnissen und Barrieren, aber auch von größeren und kleineren Erfolgen. Betont wurde immer wieder die Wichtigkeit von Vernetzung und Austausch der relevanten kommunalen Akteure. Die Referentinnen machten den Beteiligten Mut, bei anfänglicher Gegenwehr nicht aufzugeben und verwiesen auch auf den Aspekt der Qualitätssicherung, z. B. durch die Schulung von Referenten gesundheitsförderlicher Maßnahmen, insbesondere im Kontext von Nachhaltigkeit. Intensiver Austausch in Arbeitsgruppen In drei moderierten, themenspezifischen Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Veranstaltungs-Teilnehmer mit Wegen zur Gestaltung partizipativer Prozesse auf kommunaler Ebene, Rahmenbedingungen zur Etablierung sowie die Ausrichtung gesundheitsförderlicher Angebote. Neben dem fachlichen Input, den die Moderatorinnen in Bezug auf das jeweilige Thema beitrugen, hatten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auch immer wieder die Möglichkeit, von der eigenen Arbeit und persönlichen Erfahrungen zu berichten. Die Ergebnisse wurden abschließend in großer Runde präsentiert. Am Ende war man sich einig: Viele Städte, Kreise und Gemeinden sind bereits mit tollen Angeboten auf einem guten Weg, doch es besteht durchaus noch Handlungspotenzial. Die Tagung hat dafür hilfreiche Anregungen und wertvolle Impulse geliefert. Theresa Stachelscheid, KErn 37 GEMEINSCHAFTS VERPFLEGUNG Länger gesund und selbstständig im Alter – Fachtagung gibt Impulse für gesundheitsförderliche Angebote in Kommunen GRÜNLAND Harnschäden auf einer Kurzrasenweide Untersuchungen zu Dynamik und Ursache GRÜNLAND von DR. MICHAEL DIEPOLDER, SVEN RASCHBACHER und DR. LUDWIG NÄTSCHER: Auf einer Kurzrasenweide im Allgäuer Alpenvorland traten sporadisch während der Vegetationsperiode immer wieder deutlich sichtbare Schäden in der Grasnarbe auf. Hierbei war eine ausgeprägte Dynamik feststellbar, wobei allerdings der mögliche Verlust an Weidefläche bzw. Ertrag stets äußerst gering war. Durchgeführte bodenchemische Untersuchungen bestätigen Ergebnisse anderer Autoren, dass es sich bei Harnflecken um lokale Salzschäden handelt. Eine hohe Kalkdüngung hatte weder einen positiven Effekt auf die Anzahl von sichtbaren Harnschäden noch auf die botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestands der futterbaulich hochwertigen Weidefläche. Kühe setzen beim Weidegang pro Tag 45 bis 55 kg Exkremente ab, davon über 40 Prozent in Form von Harn, welcher pro Kuh und Tag etwa zehn (8 bis 12) mal ausgeschieden wird (zit. bei VOIGTLÄNDER UND JACOB, 1987 sowie HAYNES UND WILLIAMS, 1993). Urin enthält als düngungsrelevante Nährstoffe vorwiegend Kalium und Stickstoff, letzteren zu 60 bis 90 Prozent als Harnstoff. Auf Urinstellen werden starke Nährstoffanreicherungen gemessen, da die lokal zugeführten N- und K-Mengen weit über der möglichen Nährstoffabfuhr liegen. Harnstellen sind somit eine Quelle für teilweise erhebliche Stickstoffverluste in Form von Auswaschung v. a. als Nitrat-N (TROXLER ET AL., 2010), bei sandigen Böden zusätzlich auch als Ammonium-N (WACHENDORF ET AL, 2005) oder in Form von Ammoniakabgasung (HAYNES UND WILLIAMS, 1993; siehe Tabelle 1). Dies auch deshalb, weil der Stickstoff bei Harnstellen schneller als bei Dungfladen pflanzenverfügbar (BÉLANGER ET AL., 2015) und so stärker verlustgefährdet ist. Harnstellen sind andererseits für das Pflanzenwachstum wichtige Düngungstellen, was man in der Praxis auf Weiden v. a. mit niedrigem Düngungsniveau anhand von dunkelgrünen Grasstellen optisch sehr gut erkennen kann (STARZ, TONN, STEINBERGER, pers. Mitteilungen). Nach älteren (ETTER, ZIT. BEI VOISIN, 1958) und neueren (SCHEILE ET AL., 2015) Untersuchungen werden Grasaufwüchse von Urinstellen von Kühen lieber als solche von Kotstellen gefressen, was evtl. auch evolutionsbedingte Gründe haben könnte (Reinfektion mit Würmern; STARZ, pers. Mitteilung). Allerdings fallen auf Weiden manchmal auch mehr oder weniger hellgelbe bis verätzte Stellen auf, wo Harn zeitweise zu einer unmittelbar schädigenden Wirkung auf 38 den Pflanzenbestand geführt hat. Bereits VOIGTLÄNDER UND JACOB (1987) erwähnen, dass bei Urin „unter entsprechenden Witterungsbedingungen“ Verätzungen („Ausbrennen“) möglich sind. Weiteren Beobachtungen zufolge (STEINBERGER, PERS. MITTEILUNG) scheint dieser Effekt nicht zwangsläufig an eine Bodenart und ausschließlich trockene Bedingungen gebunden, wenngleich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bzw. die Ausprägung der Schäden bei trocken-heißer Witterung größer scheint (MAYR/SPITALHOF, STARZ/RAUMBERG-GUMPENSTEIN). Unter sichtbaren Harnstellen fallen unangenehm riechende (STEINBERGER, RASCHBACHER, LFL; PERS. MITTEILUNG) Wurzelschäden an flach wurzelnden Gräsern und Leguminosen und damit Fehlstellen auf, während Tiefwurzler überleben können. Die genaue Ursache von Harnschäden und damit ggf. mögliche Vermeidungsstrategien sind bisher nicht völlig klar, wobei aufgrund der Literatur (DIV. AUTOREN U. A. RICHARDS UND WOLTON, 1975, ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993) sowie punktueller Voruntersuchungen (NÄTSCHER, PERS. MITTEILUNG) viel dafür spricht, dass es sich mehr um indirekte Salzschäden am Wurzelsystem als um direkte Blattschäden handelt. Nicht ganz auszuschließen wären aber zumindest theoretisch auch kurzfristige Säureschäden im Zusammenhang mit Prozessen des Harnstoff- bzw. Ammoniumabbaus im Boden zu Nitrat, der mit einer Freisetzung von Wasserstoff-Ionen verbunden ist (siehe Tabelle 1). Da einzelnen Beobachtungen zufolge bei hohen Kalkgaben (STEINBERGER, LFL, PERS. MITTEILUNG) sichtbare Harnflecken weniger stark oder gar nicht auftreten und es in der Literatur Hinweise darauf gibt (HELAL UND RAGAB, SUB 1-2/2016 GRÜNLAND Der Versuch wurde als lateinisches Quadrat mit drei Varianten in drei Blöcken und einer Parzellengröße von Sehr schnelle Harnstoffhydrolyse mit BodenI: (NH2)2CO + 2 H2O (NH4)2CO3 200 m2 angelegt. Dabei bildeten die 9 Enzym Urease zu Ammoniumcarbonat Parzellen eine eingezäunte Fläche mit Starker pH-Anstieg in 0-1,5 cm Tiefe innerhalb II: CO32- + H2O HCO3- + OH4 Hauptpfosten an den Ecken und 2 Ineines Tages nah an der Hydrolyse-Stelle nenposten pro Seite, zwischen denen Gleichgewicht zwischen Ammonium-Ion und NH4+ + OH- NH3 + H2O zur Parzellenidentifikation (Kalkung, Ammoniak (Gas); Mehr Ammoniak bei hohem Zählungen, Bodenprobenahme) Boden-pH, hohen Temperaturen und hoher Schnüre gespannt werden konnten. Evapotranspiration, u. a. durch Zerfall von Ammoniumcarbonat. Rund 15 – 25 % (bis über Variante 1 (Kontrolle) erhielt im ge40 %) des Stickstoffs können als Ammoniak samten Versuchszeitraum keine Kal(NH4)2CO3 NH3 + H2O + CO2 verloren gehen. kung, bei den beiden anderen VarianNitrifikation: Ammonium wird durch Bakteriten wurde im Frühjahr 2011 gekalkt, bei en-stämme (Nitrosomonas u. a.) zuerst zu Nitrit Variante 2 in Form von 1,5 t/ha gekörn+ + 2 NH4 + 3 O2 2 NO2 +2 H2O + 4 H und dann in einem weiteren Schritt (durch tem Branntkalk und bei Variante 3 in 2 NO2- + O2 2 NO3Nitrobacter) weiter zu Nitrat zu oxidiert. Dieser -----------------------------------------------Form von 3,0 t/ha kohlensaurem Kalk Prozess trägt zur allmählichen Versauerung 2 NH4+ + 4 O2 2 NO3- + 2 H2O + 4 H+ (MF 1); in beiden Fällen wurde der Kalk insb. von schwach gepufferten von Böden bei, mit der Hand ausgebracht. Damit wurda bei der Oxidation von Ammonium zu Nitrit pro Mol Ammonium 2 Mol H+-Ionen entstehen. den bei Var. 2 und 3 rund 1,35 bzw. 1,6 t CaO/ha gegeben. Dies ist mehr als das → Tabelle 1: Wege des Harnstoffabbaus im Boden (zusammengefasst nach Amberger, 1994, Doppelte der offiziellen KalkempfehLütke-Entrup und Oehmichen, 2000, Haynes und Williams, 1993) lung (LFL-INFORMATION, 2012) für diese Bodenartgruppe, welche für den vorliegenden pH-Bereich 1995; NEID UND BISBOER, 2005), dass kalziumhaltige Dün- alle vier Jahre eine Erhaltungskalkung in Höhe von rund 0,6gemittel (z. B. Gips) Salzschäden entgegen wirken können, 0,7 t CaO/ha vorsieht. Die Höhe und Art der Kalkung wurde wurde im Frühjahr 2011 ein Versuch begonnen. Hierbei nach Rücksprache mit dem Institut für Tierernährung der LFL wurde über vier Weideperioden hinweg bei einer Kurzra- (STEINBERGER, mdl. Mitteilung) festgelegt. senweide bonitiert, ob, wann und in welchem Ausmaß Die Beweidung der gesamten Versuchsfläche während sichtbare Harnflecken auftraten. Ziel war es auch zu unter- der Vegetationsperiode erfolgte als Vollweide in Form einer suchen, welche Bedeutung die Harnflecken in Hinblick auf Kurzrasenweide (siehe auch aktuell: LFL-INFORMATION Veränderungen des gesamten Pflanzenbestands einer 2014; STEINWIDDER UND STARZ, 2015). Hierbei weideten Weide haben, potenzielle Ertragseinbußen zu quantifizie- zwei Kühe (Trockensteher) auf der gesamten Versuchsfläche ren, Hinweise auf die Ursache von Harnschäden abzuleiten Tag und Nacht. Im Frühjahr wurde bei Vegetationsbeginn so und ob gezielte Kalkmaßnahmen eine sinnvolle und damit früh wie möglich aufgetrieben. Bei Futterknappheit im in der Beratung evtl. künftig zu empfehlende Vermei- Sommer wurde die Weidefläche erweitert, indem die Tiere dungsstrategie sein können, vor allem wenn Säureschäden an einer Koppelstelle durch ein Tor auf eine angrenzende eine der Ursachen sind. Koppel gelangen und dort grasen konnten. Diese zusätzliche Weidefläche wurde dem Futterbedarf angepasst, sie Material und Methoden umfasste maximal die gleiche Größe wie die Versuchsfläche. Die Untersuchungen wurden am Standort Spitalhof/Kemp- Durch dieses Verfahren gelang es gut, die Höhe der Grasten im Allgäuer Alpenvorland von Frühjahr 2011 bis Herbst narbe im Versuch in einem konstanten Bereich von 5-7 cm 2014 auf stark weidelgrasbetontem Dauergrünland durch- Wuchshöhe zu halten. Um Trittschäden in der Versuchs geführt, welches auf einer würmeiszeitlichen Jungmoräne fläche im Tränkebereich weitgehend zu vermeiden, wurde steht und seit jeher öfters als hofnahe Weide genutzt wird. das Wasserfass rückwärts von außen herangefahren und Die Bodenart in 0-10 cm Tiefe liegt im Bereich lehmiger Sand außerdem täglich umgestellt. Im Herbst wurde die gesamte bis sandiger Lehm, der Humusgehalt beträgt rund 7,5 Pro- Weidefläche nach Viehabtrieb im Oktober nachgemäht und zent bei einem C/N-Verhältnis von 9,2 : 1. Der pHCaCl2-Wert dann eine Güllegabe von ca. 25 m3/ha Gülle (ca. 5 Prozent liegt im Bereich von 5,5-5,6. Die Nährstoffgehalte des Bo- TS) ausgebracht. Zusätzlich wurde einmal pro Jahr 30-40 kg dens sind bei Phosphat optimal (Gehaltklasse C), bei Kali sehr N/ha als Kalkammonsalpeter gegeben. Die N-Düngung hoch (Untergrenze Gehaltsklasse E). erfolgte 2011 im März, in den darauffolgenden Jahren im SUB 1-2/2016 Anmerkung 39 GRÜNLAND Gleichung 40 21.07.2014 21.06.2014 21.05.2014 21.04.2014 21.03.2014 21.02.2014 21.01.2014 21.12.2013 21.11.2013 21.10.2013 21.09.2013 21.08.2013 21.07.2013 21.06.2013 21.05.2013 21.04.2013 21.03.2013 21.02.2013 21.01.2013 21.12.2012 21.11.2012 21.10.2012 21.09.2012 21.08.2012 21.07.2012 21.06.2012 21.05.2012 21.04.2012 21.03.2012 21.02.2012 21.01.2012 21.12.2011 21.11.2011 21.10.2011 21.09.2011 21.08.2011 21.07.2011 21.06.2011 21.05.2011 Mittlere Anzahl sichtbare Harnflecken pro 200 qm Zeitraum Ende Mai bis Anfang August vor einer Regenperiode, bei der die Kühe kurzzeitig von der Weide genommen wurden. Während der gesamten Versuchsdauer wurde die Zahl der sichtbaren Harnflecken (Harnschäden) zu insgesamt 38 Terminen während den Vegetationsperioden sowie vor Weidebeginn 2012, 2013 und 2014 erhoben. Ende August 2014, einem Termin mit vergleichsweise häufigem Auftreten von Harnschäden (Bild) wurde pro Parzelle ein Harnfleck ausgesucht, Bodenproben genommen und dann die Stelle mit einem Dauermagneten markiert und mit GPS eingemessen. Die Beprobung erfolgte im Kernbereich der Harnschäden sowie ca. 10 cm außerhalb des sichtbaren Harnflecks im Bereich offensichtlich nicht → Bild: Harnfleck auf Kurzrasenweide, festgestellt am Spitalhof im geschädigter grüner Grasnarbe, die sich scharf vom eigentSommer 2011. Deutlich erkennbar ist im Kernbereich hier die fast lichen Harnschaden unterschied. Beprobt wurden mit eivollständige Zerstörung der grünen Blattmasse der Grasnarbe. Die nem Nmin-Bohrer (ca. je 10 Einstiche im gelben Kern und im Größe der geschädigten Fläche liegt bei ca. 0,2 m2, dies entspricht grünen Außenbereich), wobei die Proben in zwei Schichten etwa 3 DIN A4-Seiten. Um den sichtbaren, abgegrenzten Schaden ist (0-5 cm Tiefe, 5-10 cm Tiefe) unterteilt wurden. Die 36 Eindie Grasnarbe häufig dunkelgrün zelproben wurden eingefroren und im Herbst 2014 aufbereitet und analysiert. Dabei wurden der pHCaCl2-Wert, der P2O5CAL- und K2OCAL-Gehalt sowie der CaCl2-lösliche Nitratgehalt gemessen. Ebenfalls wurde über die elektrische Leitfähigkeit der Salzgehalt im Wasserextrakt (10:1) gemes- rungsdichten der beiden Tiefen im Verhältnis 0,4/0,6 angesen; dieser ist ein Summenparameter, welcher alle wasser- nommen. löslichen Stoffe erfasst, die als Kationen und Anionen vorIm Jahr 2013 wurde die botanische Zusammensetzung liegen. Zudem wurde bei einer Mischprobe der Kontrollva- der Pflanzenbestände aller 9 Parzellen aufgenommen und riante 1 (hier nur Proben außerhalb sichtbarer Harnschä- ihr Ertragsanteil im Aufwuchs nach KLAPP ET AL. (1953) geden) für beide o. g. Tiefen neben der Standardbodenunter- schätzt. suchung (pH, P2O5, K2O) der Gesamt-C und Gesamt-N-Gehalt sowie die austauschba7 ren Kationen (Ca, K, Mg, Na) bestimmt. Alle Analysen Var. 1: Ohne Kalk 6 wurden an der Abteilung Var. 2: 1,5 t Branntkalk (gekörnt) Bioanalytik/Anorganik des 5 Zentralinstituts für ErnähVar. 3: 3,0 t kohlensaurer Kalk (MF 1) rungs- und Lebensmittel4 forschung der TU München in Freising-Weihenstephan 3 durchgeführt. Im Herbst 2012 und 2013 2 wurden zudem auf allen Parzellen Standardboden1 untersuchungen durchgeführt, wobei die Beprobung 0 ebenfalls in zwei Schichten erfolgte. Im Falle einer zusammenfassenden BerechDatum der Beobachtung nung auf 0-10 cm Tiefe wurden unterschiedliche Lage- → Abbildung 1: Dynamik der (sichtbaren) Harnschäden von April 2011 bis Juli 2014 21.04.2011 GRÜNLAND GRÜNLAND SUB 1-2/2016 GRÜNLAND doch überwiegend unter zwei sichtbaren Stellen pro • Davon ohne Feststellung von sichtbaren Harnflecken 11 (29 %) Parzelle, d. h. pro 2 Ar Weidefläche (Abbildung 1, Tabelle • davon insgesamt mit Feststellung von sichtbaren Harnflecken 27 (71 %) 2). Die Zahl der Fälle, bei de• davon mit Ø 0,1-1 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel 13 (34 %) nen bei einem Termin auf einer Parzelle vier und mehr • davon mit Ø 1,1-2 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel 5 (13 %) Harnschäden auftraten, lag • davon mit Ø 2,1-3 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel 3 (8 %) deutlich unter 5 Prozent. (Ta• davon mit Ø 3,1-4 Harnflecken/200 m2 im Versuchsmittel 5 (13 %) belle 2, Mitte). Im Gesamtmit2 tel aller 38 Bonituren im Zeit• davon mit Ø > 4 Harnflecken/200 m im Versuchsmittel 1 (3 %) raum 2011 bis 2014 wurden Durchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle 1,23 während der Vegetationspe(200 m2) im Mittel aller 38 Bonituren (Versuchsmittel) riode pro Parzelle durchDurchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle 1,72 schnittlich 1,23 Harnschä(200 m2) im Mittel der 27 Bonituren, bei denen sichtbare Flecken auftraten den beobachtet, was etwa 60 Flecken pro Hektar entVar 1: 1,68 a Durchschnittliche Anzahl an sichtbaren Harnflecken pro Parzelle Var 2: 1,91 a spricht. Unterstellt man, dass (200 m2) je Variante im Mittel aller 27 Bonituren mit Harnflecken Var 3: 1,58 a es pro Schaden bei ca. 0,2 m2 zumindest zeitweise zu Er→ Tabelle 2: Statistische Auswertungen zu Bonituren (n = 38) von Harnschäden tragsausfällen kommt, lassen sich diese im Versuch auf Dynamik und Ausmaß von Harnflecken rund 12 m2 /ha und damit auf (maximal) rund einem Promille Auf der Kurzrasenweide am Spitalhof traten immer wieder des Ertragspotenzials quantifizieren. deutlich sichtbare Stellen mit Symptomen eines geschädigTraten Harnflecken auf, so lag hier deren durchschnittliten bzw. zerstörten Pflanzenwachstums auf, wo die Gras- che Zahl pro Parzelle bei 1,72. Damit wurden auch für diesen narbe gelb und im Extremfall wie „ausgebrannt“ erschien Fall im Mittel keine zwei Schadstellen pro Parzelle (2 Ar), d. h. (Bild). Ihre Zahl pro Fläche variierte dabei stark (siehe Abbil- keine 100 Schadstellen pro Hektar erreicht bzw. blieb die dung 1) und war nicht zwangsläufig an trocken-heiße Witte- Obergrenze des potenziellen Ertragsverlustes unter zwei rung gekoppelt, wenngleich das Maximum ihres Auftretens Promille. (Frühjahr/Sommer 2011; Juli-August 2013) in solche Phasen Bei den beiden Kalkvarianten (Var. 2; Var. 3) traten nicht fiel. Jedoch hatten sich im Spätherbst die Schäden bereits weniger Flecken auf als bei der ungekalkten Kontrollvariante verwachsen (MAYR/SPITALHOF, mdl. Mitteilung) und beim 1 (siehe Tabelle 2, unten). Statistisch zwar gerade knapp nicht Wiederaustrieb Frühjahr darauf wurden nie Harnflecken be- absicherbar (α = 0,06), jedoch in der Tendenz erkennbar ist obachtet (siehe Abbildung 1). sogar ein geringfügig höherer Besatz bei Variante 2, wo einAuch in der Literatur finden sich Hinweise, dass Harn- malig 1,5 t/ha Branntkalk zu Versuchsbeginn gegeben schäden hin und wieder während des Jahres sporadisch wurde. auftreten können. Dies sowohl bei feuchten als auch bei Nun führt bei Weitem nicht jede Urinstelle zu einem trockenen Bedingungen und auch innerhalb eines Tages Schaden in der Grasnarbe. Nach eigenen überschlägigen Benach Absetzung von Urin (RICHARDS UND WOLTON, 1975; rechnungen kam es nur bei rund 0,5 Prozent der Urinstellen ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993). Ebenfalls ist be- zu einem optisch sichtbaren gelben Harnfleck in der Weide. kannt, dass die Zeitdauer für das Wiederergrünen geschä- Eine plausible Erklärung für das Auftreten von Harnschäden digter Weidestellen sehr kurz, vereinzelt aber auch viele geben HAYNES UND WILLIAMS (1993). Sie zitieren UntersuMonate (DALE, 1961; ZIT. BEI HYNES UND WILLIAM, 1993) chungsergebnisse mehrerer Autoren aus den 1970-1980er dauern kann. Auf der Weide bietet sich das Bild, dass die Jahren, welche zu dem Schluss kommen, dass die Gefahr vergelben Flecken „zu wandern“ schienen, d. h. es verschwin- sengter Stellen in der Weide mit zunehmender Harnstoffden Schäden an einer Stelle und tauchen an einer anderen bzw. Ionenstärke des Urins ansteigt. Dies kann z. B. in den wieder auf. ersten Morgenstunden der Fall sein, wenn die Konzentration Wurden am Spitalhof beim Weideversuch Harnflecken meist höher als im übrigen Tag liegt, dagegen sinkt mit zubeobachtet, was bei etwa 70 Prozent der durchgeführten nehmender Wasseraufnahme die Gefahr von Harnschäden. Bonituren der Fall war (Tabelle 2, oben), so lag deren Zahl je- Bekannt ist auch, dass die Stickstoff- bzw. die gesamte Ionen- SUB 1-2/2016 38 (100 %) 41 GRÜNLAND Anzahl durchgeführter Bonituren im Zeitraum April 2011 bis Juli 2014: GRÜNLAND konzentration im Urin in einem weiten Bereich schwanken kann (STARZ-GRUBER, PERS. MITTEILUNG) und dies nicht nur zwischen Individuen derselben Art, sondern auch bei einem Individuum innerhalb eines Tages und zwischen einzelnen Tagen (HOOGENDOORN ET AL., 2010). Tabelle 3 stellt die Stickstoff- und Kali-Mengen, welche durchschnittlich bei einem einzelnen Harnereignis einer Kuh auf die Fläche gelangen, der gesamten jährlichen Abfuhr dieser beiden Nährstoffe gegenüber. Aus dieser Kalkulation wird ersichtlich, dass es sich – ungeachtet ob ein Urinereignis tatsächlich zu einem sichtbaren oder gar starken Schaden an der Grasnarbe führt – um eine starke Anreicherung an Nährstoffen auf engstem Raum handelt. In der Kalkulation wurde u. a. unter Bezugnahme von Literaturstellen angenommen, dass die tatsächlich mit Urin benetzte Stelle größer ist als ein sichtbarer Schaden. Insgesamt erschließt sich, dass eine Kombination mehrerer Faktoren für das Auftreten erhöhter Ionenkonzentrationen im Urin und damit im Boden verantwortlich sein kann. Dazu zählt auch, dass es im Boden selbst bei „normalen“ oder niedrigen Nährstoffkonzentrationen im Urin zu kritischen Salzkonzentrationen kommen kann, wenn es aufgrund von hohen Temperaturen und damit hoher Evapo- transpiration besonders bei schon ausgetrocknetem Boden zu schnellen „Aufkonzentrierungseffekten“ des abgesetzten Urins kommt. Unter diesen Bedingungen spielt sicher auch die ausgeschiedene Harnmenge eine Rolle. Bodenuntersuchungen Bei allen Varianten wurden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Harnschäden in den ersten 5 cm deutlich höhere pH-Werte, Nährstoffgehalte und Salzkonzentrationen als in 5-10 cm gemessen (Tabelle 4, 5). Bei Tabelle 5 wurden für eine übersichtliche Darstellung unter Einbeziehung von statistisch untermauerten Interpretationen Werte aggregiert. Dies dahingehend, indem in die Mittelwerte der Varianten jeweils die Messwerte innerhalb und außerhalb des Harnschadens eingehen, während bei der Darstellung des Vergleichs der Probenahmestelle jeweils die Messwerte aus allen drei Varianten einbezogen wurden. Da der Einfluss der Probenahmetiefe hoch signifikant war, sind beide Tiefen getrennt dargestellt. Dies auch deshalb, weil ein arithmetisches Mittel der Werte beider Tiefen nicht ganz korrekt gewesen wäre, weil die Lagerungsdichte im Boden (wenngleich hier nicht gemessen) beider Schichten sicher nicht völlig identisch ist. So beziehen sich auch die statisti- GRÜNLAND Einheit Mittel (Spannweite) Harnmenge pro Kuh und Tag l 21 [1] Harnvorgänge je Kuh und Tag n 10 [4] (8 – 12) Menge pro Urinstelle l 2,1 [4] (< 1 bis > 3) m2 0,33 [4] (0,16 – 0,49) [1], [3] 6,2 [2] (4,2 – 9,0) [2] Benetzte Fläche/Urinstelle pH-Wert Urin (14 – 29) [2] [1], [3] N-Konzentration Urin g/l 8 [4] (6 – >10) [1], [2], [3] K-Konzentration g/l 11 [4] (8 – 13) [1], [2], [3] Mittlere N-Zufuhr pro Urinstelle gN 16 [4] Mittlere K-Zufuhr pro Urinstelle g K2O 26 [4] Mittlere N-Zufuhr; Bezug 1 ha kg N/ha 485 [4] 370 – 1 000 [1], [3] Mittlere K-Zufuhr; Bezug 1 ha kg K2O/ha 780 [4] 660 – 800 [1] Jährliche N-Abfuhr einer Weidefläche gleich einer Urinstelle g N/0,33 m2 9,5 Jährliche K-Abfuhr einer Weidefläche gleich einer Urinstelle g K2O/0,33 m2 11 Jährliche N-Abfuhr pro ha kg N/ha 290 [4] Jährliche K-Abfuhr pro ha kg K2O/ha 335 [4] [ ] Quellen und Hinweise: [1]: VOIGTLÄNDER UND JACOB, 1987; [2]: STARZ-GRUBER, PERS. MITTEILUNG; [3]: HAYNES UND WILLIAMS, 1993; [4]: Eigene Annahmen bzw. Mittelbildungen; bei Abfuhr sind hier ein hohes Ertragsniveau von 100 dt TM/ha bei 18 % Rohprotein und 2,8 Prozent K unterstellt; bei den Angaben der N-/K-Zufuhr pro Hektar wurden die Nährstoffmengen pro Urinstelle auf einen Hektar hochgerechnet. → Tabelle 3: Kalkulationen zu Nährstoffanfall und Nährstoffabfuhr bei Harnflecken 42 SUB 1-2/2016 GRÜNLAND Variante Probenahmestelle und Tiefe pH-Wert CaCl2 P2O5 CAL (mg/100 g Boden) K2O CAL (mg/100 g Boden) NO3-N CaCl2 (mg/100 g Boden) Salzgehalt wasserlöslich (mg/100 g Boden) 1 2 3 ohne Kalk 1,5 t/ha CaO 3,0 t/ha CaCO3 innen außen innen außen innen außen 0 – 5 cm 5,90 5,50 6,17 5,80 6,37 6,17 5 – 10 cm 5,27 5,27 5,53 5,40 5,23 5,23 0 – 5 cm 14,3 14,0 18,0 17,3 14,3 18,7 5 – 10 cm 4,3 4,0 6,3 5,7 4,0 6,3 0 – 5 cm 132 54 240 78 143 74 5 – 10 cm 36 14 65 26 21 16 0 – 5 cm 15,4 11,3 30,3 11,2 19,1 13,5 5 – 10 cm 5,5 2,9 11,7 4,9 6,5 4,7 0 – 5 cm 213 108 345 123 278 191 5 – 10 cm 76 43 128 60 79 60 → Tabelle 4: pH-Werte, Phosphat-, Kali-, Nitrat- und Salzgehalte von am 31. August 2011 in zwei Tiefen, innerhalb und außerhalb von Harnschäden genommenen Bodenproben (Mittel aus drei Wiederholungen) denschicht (0-5 cm) besonders markant, jedoch auch noch in 5-10 cm signifikant. Im Schadbereich der Harnflecken wurde bei allen drei Varianten in 0-5 cm Tiefe Salzgehalte von über 210 bis 345 mg/100 g Boden (Tabelle 4) und damit ein mittlerer Salzgehalt von rund 280 mg/100 g Boden (Tabelle 5) gemessen. Aus dem Bereich des Gartenbaus ist bekannt, dass Salzgehalte von 30-70 mg/100 g Boden (gemessen im Wasserextrakt 1:10) normal, solche von 75-200 mg/100 g Boden sehr hoch bzw. „nicht natürlich“ sind sowie Salzgehalte über Variante 1) 1 ohne Kalk pH-Wert CaCl2 P2O5 CAL (mg/100 g Boden) K2O CAL (mg/100 g Boden) NO3-N CaCl2 (mg/100 g Boden) Salzgehalt wasserl. (mg/100 g Boden) Probenahmestelle 2) 2 1,5 t/ha CaO Tiefe GRÜNLAND schen Vergleiche zwischen den Varianten- bzw. Ortsmitteln (innen/außen) jeweils auf eine Tiefe. Dabei bedeuten unterschiedliche Buchstaben signifikante Unterschiede (p ≤ 0,05) Anhand Tabelle 5 ist klar zu ersehen, dass im Schadbereich der Harnflecken („innen“) wesentlich höhere Konzentrationen an pflanzenverfügbarem (CAL-Extrakt) Kalium, CaCl2-löslichem Nitrat-N und insgesamt an wasserlöslichen Salzkonzentrationen als im grünen Außenbereich („außen“) auftraten. Diese Unterschiede waren vor allem in der obersten Bo- 3 3,0 t/ha CaCO3 Innen Außen 0 – 5 cm 5,7 b 6,0 ab 6,3 a 6,1 a 5,8 b 5 – 10 cm 5,3 a 5,5 a 5,2 a 5,3 a 5,3 a 0 – 5 cm 14 a 18 a 17 a 16 a 17 a 5 – 10 cm 4 a 6 a 5 a 5 a 5 a 0 – 5 cm 93 b 159 a 109 b 172 a 69 b 5 – 10 cm 25 b 46 a 19 b 41 a 19 b 0 – 5 cm 13 a 21 a 16 a 22 a 12 b 5 – 10 cm 4 b 8 a 6 ab 8 a 4 b 0 – 5 cm 160 b 234 a 234 a 279 a 141 b 5 – 10 cm 59 b 94 a 70 b 95 a 54 b Hinweise: Mittelwerte innen/außen; Mittelwerte aus drei Varianten; siehe auch Fließtext 1) 2) → Tabelle 5: pH-Werte, Phosphat-, Kali-, Nitrat- und Salzgehalte der am 31. August 2011 genommenen Bodenproben – zusammenfassende Darstellung, Mittelwerte gerundet SUB 1-2/2016 43 GRÜNLAND GRÜNLAND 200 mg/100 g Boden Pflanzenschäden verursachen (VDLUFA, 1991). Diese entstehen dadurch, dass hohe Salzkonzentrationen im Boden, verursacht durch den Harn, viel Wasser binden, welches sich an Ionen anlagert und den Pflanzenzellen fehlt. Dies führt zum Absterben der Wurzeln und als Folge davon zum Absterben der oberirdischen Biomasse. Somit lässt sich aus den Messwerten schließen, dass es sich bei den beobachteten Harnflecken um Salzschäden handelt. Da der wasserlösliche Salzgehalt als Summenwert wasserlöslicher Salze Kationen (z. B. K+, NH4+, Na+, Ca2+, Mg2+) und Anionen (z. B. NO3-, Cl-, OH-, CO32-, PO43-) umfasst, ergaben sich in den Untersuchungen sehr enge Korrelationen zu den Konzentrationen an Nitrat-N, Kalium bzw. der Summe beider Werte (r2 im Bereich 0,7-0,9; hier nicht eigens dargestellt). Die zusätzliche Zufuhr an Kalzium, Hydroxid und Karbonat bei Variante 2 und 3 dürfte aber auch der Grund für die v. a. in der obersten Bodenschicht signifikant höheren Salzgehalte dieser beiden Varianten (Tabelle 5) sein. Daraus leitet sich aber auch ab, dass die hohen Kalkgaben eher kontraproduktiv waren, zumal damit auch keine optische Minderung bzw. ein Ausbleiben der Harnflecken einherging (vgl. Tabelle 3). Interessant ist jedoch bei den Untersuchungen, welche rund fünf Monate nach der Kalkung erfolgten, dass bei Variante 2 (1,5 t gekörnter Branntkalk) die Kaliwerte signifikant höher lagen als bei Variante 3 (3,0 t kohlensaurer Kalk) oder bei der ungekalkten Kontrollvariante 1 (Tabelle 5) und dies speziell im Innenbereich (Tabelle 4). Interpretieren ließe sich dieser Effekt dahingehend, dass bei Branntkalk (CaO) zu bestimmten, hier nicht näher interpretierten, Konkurrenzverhältnissen an den Austauscheroberflächen geführt hat, welche die CAL-verfügbare K-Konzentration ansteigen ließen. Auffallend war jedenfalls, wie bereits an anderer Stelle bemerkt, dass bei Variante 2 zumindest in der Tendenz geringfügig mehr sichtbare Harnschäden bonitiert wurden. Auch außerhalb des eigentlichen Schadbereiches blieben die Salzkonzentrationen aller Varianten in der obersten Bodenschicht noch im erhöhten Bereich (> 75 mg/100 g Boden), v. a. bei den gekalkten Varianten. Dies deutet darauf hin, dass auch in dem Bereich „außerhalb“ des sichtbaren Harnflecks Urin gelangte, hier aber keine die Grasnarbe schädigenden Konzentrationen erreicht wurden. Auch ein Vergleich der mittleren Kaligehalte im Oberboden außerhalb der Harnflecken (Tabelle 4; 69 mg K2O/100 g Boden) mit den im Herbst 2012/213 auf den gesamten Versuchsparzellen gemessenen mittleren Kaligehalten (47 mg K2O/100 g Boden) unterstreicht diese Annahme. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch selbst bei hohen Kaliumgehalten das Kalzium immer noch die meisten Bindungsplätze an den Austauscheroberflächen des Bodens belegt. So betrugen bei Variante 1, bei der im Außenbereich des eigentlichen Harnschadens an einer Mischprobe u. a. auch noch die Kationenbelegung (Ca, K, Mg, Na) bestimmt 44 wurde, dass rund 75-80 Prozent dieser austauschbaren Ladungsplätze mit Calcium belegt waren (in 0-5 cm: 189/17,7/40,7/1,6 mmol c Ca/K/Mg/Na pro 1000 g Boden; in 5-10 cm: 145/6,6/25,3/1,5 mmol c Ca/K/Mg/Na pro 1000 g Boden). Auch bei früheren Voruntersuchungen (NÄTSCHER, 2008, PERS. MITTEILUNG) von Harnflecken-Bodenproben mehrerer Betriebe nahm Kalzium stets mit Abstand den größten Teil der austauschbaren Ladungsplätze ein; die mit Kalium- und Magnesium-Ionen besetzten Plätze betrugen im Vergleich nur rund ein Viertel bis ein Drittel davon. In den Untersuchungen deutet nichts darauf hin, dass die Schäden durch einen (momentanen) Bodensäureanstieg hervorgerufen wurden. Direkte Säureschäden in Mineralböden wären Aluminiumschäden, wobei jedoch H+-Ionen bei intakten Puffersystemen schnell und effektiv über funktionelle Gruppen (Carbonate, Silikate, Hydroxide, Oxide) gebunden werden, der meist geringe Rest wird als pH-Wert gemessen. Auch die Tatsache dass Harn nicht stark sauer, mitunter sogar alkalisch ist, spricht gegen einen Säureschaden. Vor allem aber lag der pH-Wert im Bereich der sichtbaren Harnschäden sogar signifikant höher als außerhalb (Tabelle 5). Dies traf für alle drei Varianten zu (Tabelle 4). Eine Erklärung für die höheren pH-Werte im Kernbereich der Harnflecken wird in der Harnstoffhydrolyse vermutet, bei welcher OH--Ionen freigesetzt werden (siehe Tabelle 1). Da aber letztendlich die Umwandlung von Harnstoff zu Nitrat insgesamt mit einer Freiseizung von H+-Ionen verbunden ist (siehe Tabelle 1), kann damit zumindest langfristig gesehen der pH-Wert absinken und eine Kalkung (LfL, 2012) sinnvoll sein. So ist aus der Literatur bekannt, dass unter Weiden eine Tendenz besteht, dass der pH-Wert im Oberboden (0-10 cm) aufgrund des o. g. Sachverhalts sowie weiterer Gründe über einen langen Zeitraum hinweg sinkt (DIV. AUTOREN, ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993). Dies traf aber im vergleichsweise kurzen Versuchszeitraum nicht zu. Standardbodenuntersuchungen in den Jahren 2012/2013 zeigten vielmehr in 0-10 cm Tiefe einen mittleren pH-Wert von 5,6 auf den Parzellen der ungekalkten Variante, bei den beiden Kalkvarianten lag er bei rund 5,8-5,9. Zwar wurden Ertragsmessungen in diesem Versuch nicht durchgeführt, jedoch ist aufgrund anderer Forschungsergebnisse u. a. am gleichen Standort (DIEPOLDER UND RASCHBACHER, 2015) sowie Schweizer Untersuchungen (HUGUENIN ET AL., 2015) nicht davon auszugehen, dass mit den Kalkmaßnahmen ein positiver Ertragseffekt verbunden gewesen wäre. Daraus lässt sich für die Praxis folgern: Zwar werden bei hohem Viehbesatz auf Weiden beträchtliche Mengen an Stickstoff bzw. Harnstoff dem Boden zugeführt. Dennoch sind überhöhte „prophylaktische“ Kalkmaßnahmen nicht sinnvoll, weil für den tatsächlichen Kalkbedarf eine Vielzahl von Bodenparametern bzw. Standortverhältnissen eine Rolle spielen. Die Notwendigkeit und gegebenenfalls die Höhe von Kalkmaßnahmen sollten SUB 1-2/2016 GRÜNLAND Exkurs Nicht auszuschließen ist, dass Kalzium bei extrem hohen Kaligehalten zu einer pflanzenverträglicheren Bodenlösung und demnach zu einer Linderung bzw. Vermeidung von Harnschäden führen kann. So finden sich bei HELAL UND RAGAB (1995) Hinweise zum positiven Einfluss von Calciumchlorid und Gips auf das Wachstum bei Salzstress, auch NEID UND BISBOER (2005) stellen bei induziertem Salzstress in Gewächshausexperimenten einen lindernden Einfluss von Gips fest. Um dies zu untermauern bzw. um festzustellen, ob bei Kalkgaben etwaige Effekte rein auf Kalzium, Hydroxid oder Carbonat oder einer Kombination dieser Stoffe beruhen, war bei der Versuchsplanung anfangs auch eine Vergleichsvariante mit Gips (CaSO4) angedacht. Darauf wurde jedoch bei der Umsetzung des Versuchs bewusst verzichtet, da bei Kalziumgaben in Höhe von Var. 2 und 3 gleichzeitig sehr hohe Mengen an Schwefel (ca. 850-950 kg S/ha) ausgebracht worden wären und hier nachteilige Wirkungen auf die Tiergesundheit nicht ausgeschlossen werden konnten. Pflanzenbestand Die Bonitur des Pflanzenbestandes der gesamten Weideparzellen gibt keinen Hinweis darauf, dass durch die durchgeführten Kalkmaßnahmen der hochwertige Pflanzenbestand noch hätte verbessert werden können (Tabelle 6). Im Versuch wurden bei den wiederergrünten Harnflecken keine kleinräumigen Bonituren zur deren botanischen Zusammensetzung gemacht. Allerdings fielen auch keine augenfälligen Unterschiede zwischen ehemaligen Schadflächen und dem übrigen Bestand auf. Dennoch können Harnschäden in Weidelgrasbeständen durchaus zu einer Verschlechterung der Pflanzenbestände, u. a. durch Besiedelung mit Jähriger Rispe, Stumpfblättrigem Ampfer, Gänsedistel und Spitzwegerich führen, worauf auch ältere Untersuchungen (RICHARDS UND WOLTON, 1975; KEUNING, 1980; ZIT. BEI HAYNES UND WILLIAMS, 1993) hinweisen. Daher sind laufende Bestandsbeobachtungen sinnvoll. Fazit Harnflecken sind Stellen mit hohen Nährstoffanreicherungen an Stickstoff und Kali. Auch bei Grünlandstandorten mit günstigen mittleren Niederschlags- und Temperaturverhältnissen (Gunstlagen) können Harnschäden auftreten, dabei ist eine ausgeprägte Dynamik feststellbar. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind sehr hohe lokale Salzkonzentrationen im Oberboden, vor allem in den ersten 5 cm, die Ursache von Harnschäden. Deren Auftreten und vor SUB 1-2/2016 Variante 1 2 Ø 3 In % der Frischmasse Deutsches Weidelgras 54 50 50 51 Wiesenrispe 12 15 7 11 Gemeine Rispe 14 19 24 19 Lägerrispe 2 Spuren 1 1 Jahrige Rispe <1 1 1 <1 ∑ Gräser 83 85 82 83 ∑ Käuter 7 6 8 7 ∑ Klee Ø Futterwertzahl (n. KLAPP) 11 9 10 10 7,37 7,37 7,33 7,36 → Tabelle 6: Botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestands im Frühjahr 2013 allem ihr Flächenanteil war im Versuch – v. a. gemessen an der Gesamtzahl von potenziellen Urinstellen – jedoch sehr gering, so dass die Wirtschaftlichkeit von Minderungsstrategien generell nicht gegeben war. Dies umso mehr, da die untersuchten Maßnahmen, nämlich das einmalige Ausbringen von Branntkalk und kohlensaurem Kalk weit über der Höhe einer Erhaltungskalkung, zu keiner Reduzierung bzw. Verhinderung von Harnschäden geführt hatte. Zudem hatte eine Kalkdüngung keine positiven Auswirkungen auf die allgemeine botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestandes der Weidefläche. Auch nach Meinung von Kollegen, die sich viel mit Weiden beschäftigen, dürften durch Urin verursachte Schäden auf Weiden weder ein regelmäßiges noch ein problematisches Phänomen sein (MDL. MITTEILUNGEN BERENDONK, STARZ, TONN). Literatur beim Erstautor Danksagung: Den Autoren ist es ein Anliegen, allen am Projekt beteiligten Personen am LVFZ Spitalhof, an der LfL sowie an der TUM in Freising herzlich zu danken. DR. MICHAEL DIEPOLDER SVEN RASCHBACHER BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT, INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHEN LANDBAU, BODENKULTUR UND RESSOURCENSCHUTZ [email protected] [email protected] DR. LUDWIG NÄTSCHER TUM, FORSCHUNGSZENTRUM WEIHENSTEPHAN FÜR BRAU- UND LEBENSMIT TELQUALITÄT [email protected] 45 GRÜNLAND vielmehr anhand regelmäßiger Bodenuntersuchungen von der tatsächlichen Entwicklung des pH-Wertes abhängig gemacht werden, welcher den Kalkzustand des Bodens zuverlässig beschreibt (NÄTSCHER, 2005). GRÜNLAND Futterqualität für Pferde Nicht die zweite Wahl nehmen! von DR. HUBERT SCHUSTER und MARTIN MOOSMEYER: Bei Futtermitteln für die lebensmittelproduzierenden Rinder haben die meisten bestimmte qualitative Anforderungen im Kopf. Doch wie schaut es mit den Anforderungen an Futtermittel bei Pferden aus, die ja doch zu über 95 Prozent im Freizeitbereich als „Hobbytiere“ genutzt werden? Gras und Graskonserven, wie Heu und Grassilagen, sind neben der Weide die Futtergrundlage für Pferde. Bezüglich der Nährstoffgehalte werden andere Anforderungen als in der Rinderfütterung gestellt. Die hygienischen Anforderungen sind jedoch dieselben. GRÜNLAND Pferde haben zwar von Rindern abweichende Bedürfnisse, was den Gehalt an Inhaltsstoffen anbelangt, die Qualität muss jedoch einwandfrei sein. So müssen auch Aufwüchse von extensiv genutzten Flächen, die vielleicht bezüglich der Inhaltsstoffe noch für die Pferdefütterung geeignet wären, frei sein von Giftpflanzen wie Kreuzkraut etc. Pferde reagieren hier noch empfindlicher als Wiederkäuer. Bei Futterkonserven haben sie zudem nur eine geringe bis keine Selektionsmöglichkeit. Pflanzen, die sie auf der Weide meiden würden, fressen sie so zwangsweise mit. Verschimmelte oder verpilzte Futtermittel dürfen auf gar keinen Fall verfüttert werden. → Beste Futterqualität – für jedes Tier Anforderungen an Graskonserven Für den Verdauungsvorgang (z. B. Kautätigkeit, Speichelbildung, Syntheseleistung der Darmbakterien etc.), Gebiß- 100 g XA pro kg TM nicht überschritten werden. Grassilagen pflege (Vermeidung von Hakenbildung an den Backenzäh- für die Pferdefütterung sollten zudem etwas trockener (über nen) aber auch für die Beschäftigung von Pferden und das 40 Prozent TM) und nicht zu kurz gehäckselt (mindestens 5 Vermeiden von Fehlverhalten (z. B. Koppen, Weben), ist ein cm) sein, da zu feuchtes oder kleinstrukturiertes Futter nicht hoher Anteil von strukturierter Rohfaser in der Ration (min- ausreichend gekaut wird. Lang gehäckseltes Futter und eher destens 20 Prozent) notwendig (siehe Tabelle 1). Weiterhin ist trockenes Futter kann andererseits aber Probleme bei der bei zu jungem Futter, wenn es nicht gerade für Turnier- oder Verdichtung und damit der Silierung ergeben. Besonders in Zugpferde bestimmt ist, die Gefahr einer Eiweißüberversor- diesem Fall ist ein hoher Vorschub nötig. Ballensilagen sind gung (Stoffwechselbelastung, Störung im Mineralstoffhaus- eine gute Lösung in der Pferdefütterung. Sehr gut geeignet halt) gegeben. Wiesenaufwuchs, der für die Konservierung hierfür sind Heulagen mit TM-Gehalten über 50 Prozent. (Heu oder Silage) vorgesehen ist, sollte deswegen erst gegen Mitte bis Ende der Blüte genutzt werden. Aus diesen Gründen gelten 270 bis 300 g [je kg TM] Grassilage Heulage Heu Rohfaser pro kg Trockenmasse (TM) bei Grassilage g 400 – 500 500 – 700 > 840 Trockenmasse und 300 bis 330 g Rohfaser pro kg TM bei Heulage g < 100 < 100 < 100 Rohasche und Heu mit maximal 120 g verdaulichem Rohprog 270 – 300 300 – 330 300 – 330 Rohfaser tein bei Pferden als Orientierungswerte. Wie auch in der Rinderfütterung ist der Rohaschegehalt der g < 120 < 120 < 120 Verd. Rohprotein Anzeiger für den Verschmutzungsgrad des FutMJ 9,5 – 11,0 9,0 – 10,5 8,5 – 10 Verd. Energie ters. Ein hoher Gehalt an Rohasche (XA) birgt die Gefahr der Vermehrung von Fäulnisbakterien und → Tabelle 1: Orientierungswerte für Grassilage, Heulage und Heu für Pferde (Gruber Tabelle zur Pferdefütterung, 2013) erhöhter Buttersäurebildung. Deswegen sollten 46 SUB 1-2/2016 GRÜNLAND Heulage, Schnitt n=14 Heu, 1.Schnitt n=79 Trockenmasse g 448 (400 – 500) 693 (501 – 800) 846 (801 – 920) Rohasche g 84 (53 – 148) 77 (54 – 109) 72 (49 – 132) Rohfaser g 280 (270 – 300) 311 (300 – 330) 313 (300 – 330) und die Atemwege nicht unnötig reizen. Gute Heulage ist hellgrün bis grün, riecht aromatisch, leicht säuerlich und brotartig. Geöffnete Ballen sollten zügig verbraucht, angeschimmeltes Futter darf nicht verfüttert werden. Qualität und Nährstoffgehalt von Heu MJ 10,2 (9,3 – 10,4) 10,0 (9,5 – 10,4) 9,9 (9,3 – 10,2) Verd. Energie Beides hängt wie bei der Grassilage von Heu, Grassilage, Heulage, der Zusammensetzung des AufwuchFolgeschnitte Folgeschnitte Folgeschnitte Inhaltswerte ses, dem Boden, dem Zeitpunkt der n=22 n=112 n=8 Ernte sowie der Lagerung ab. Früher g 439 (400 – 500) 647 (501 – 800) 850 (801 – 920) Trockenmasse Schnitt bedeutet einen höheren Rohg 101 (76 – 151) 85 (61 – 108) 70 (54 – 113) Rohasche proteingehalt (z. B. bei sehr intensiver g Nutzung 180 g/kg TM) und einen gerin280 (270 – 300) 308 (300 – 330) 316 (300 – 330) Rohfaser geren Rohfasergehalt (etwa 200 g/kg g 94 (70 – 125) 86 (52 – 105) 60 (36 – 89) Verd. Rohprotein TM). Der Beginn der Blüte stellt bei Heu, MJ 10,2 (9,8 – 10,5) 10,4 (9,8 – 10,7) 10,4 (10,0 – 10,8) Verd. Energie Grassilage und Heulage den optimalen Nutzungszeitpunkt dar. Hier sinkt der → Tabelle 2: An das LKV-Labor Grub eingesandte Futterproben aus 2014 und 2015 im geforderten Rohproteingehalt auf ca. 120 g/kg TM, Rohfaserbereich (Mittelwerte, Streubereiche in Klammern) während der Rohfasergehalt auf ca. 280 Welche Graskonserven sind geeignet? g/kg TM steigt. Überständiges Gras, nach der Blüte gemäht, Unter den an das LKV-Labor in Grub eingesandten Futter- hat über 350 g Rohfaser/kg TM, unter 8 MJ DE/kg TM und noch proben findet man (fast) keine als „Pferdefutter“ eingesand- ca. 50 g verdauliches Rohprotein/kg TM oder weniger. Auch ten Proben. In der Regel kommen die Proben von rinderhal- Heu vom zweiten Schnitt (Grummet oder Öhmd) kann je nach tenden Betrieben. Jedoch kommt ein sehr großer Teil Schnittzeitpunkt (Abstand zwischen erstem und zweitem Pferdefutter aus rinderhaltenden Betrieben bzw. wird von Schnitt) und zu fütterndem Pferdebestand eingesetzt werdiesen an pferdehaltende Betriebe verkauft. Unter diesem den. Hochleistende Pferde können einen guten zweiten Aspekt wurden von den in 2014 und 2015 an das Labor in Schnitt besser verwerten als Pferde, die keine Leistung erbrinGrub eingesandten Proben an Grassilage, Heulage und Heu gen müssen. Auch kann ein zweiter Schnitt mit Heu oder diejenigen Proben ausgewählt, die die Anforderung an den Stroh verschnitten werden, um die Nährstoffkonzentration zu Rohfasergehalt für die Pferdefütterung erfüllten. Von diesen senken und den Rohfasergehalt der Ration zu erhöhen. Heu Proben werden Mittelwert und Streubereich in den Inhalts- sollte vor der Verfütterung ca. 6 bis 8 Wochen ablagern, da es stoffen Trockenmasse, Rohasche, Rohfaser, verdauliches sonst Koliken auslösen kann (zweiter Schnitt 2 bis 3 Monate). Rohprotein und verdauliche Energie in Tabelle 2 dargestellt Gutes Heu ist grünlich, duftet aromatisch und darf keinerlei und nachfolgend diskutiert. Spuren von Schimmel oder Feuchtigkeit enthalten. Auch Unkräuter wie Ampfer, Brennnesseln und Disteln sind im Heu unAnforderungen an Gras- und Heulagen erwünscht. Bei größerem Verschmutzungsgrad wird das Heu Sowohl Grassilagen als auch Heulagen erfüllen die Anforde- staubig und die Bildung von Schimmel wird gefördert. Ist Heu rungen bezüglich Trockenmasse, verdaulichem Rohprotein gar verschimmelt oder verpilzt, so ist es grundsätzlich als Futund verdaulicher Energie. Ein Teil der Grassilagen vom ersten termittel nicht mehr geeignet. Pflanzenfresser unterscheiden und von den Folgeschnitten weist jedoch erhöhte Rohasche- sich zwar in Ihren Ansprüchen an die Nährstoffegehalte, jegehalte und damit einen verstärkten Verschmutzungsrad doch nicht an Qualität und Hygiene. auf. Wichtig beim Mähen ist die richtige Schnitthöhe. Bei einer zu geringen Schnitthöhe gelangen Erde oder TierkadaDR. HUBERT SCHUSTER ver (z. B. von Mäusen) in das Schnittgut. Daneben spielen MARTIN MOOSMEYER auch Witterungsbedingungen eine Rolle. Nicht zuletzt muss BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR ERNÄHRUNG auch beim Einfahren und Festwalzen vermieden werden, INSTITUT FÜR TIERERNÄHRUNG UND dass Erde in das Silo gelangt. Grassilagen und Heulagen eigFUT TERWIRTSCHAFT nen sich sehr gut für Pferde mit Heustaubhusten oder [email protected] wegserkrankungen, da sie in der Regel sehr staubarm sind [email protected] Verd. Rohprotein SUB 1-2/2016 g 83 (53 – 115) 61 (44- 85) 50 (30 – 74) 47 GRÜNLAND Grassilage, Schnitt n=102 Inhaltswerte (je kg TM) GRÜNLAND Großer Beutegreifer und Herdenschutz von JOHANNES VOGEL: Große Beutegreifer, wie z. B. der Wolf, werden in Bayern nachweislich wieder heimisch. Landwirte und ihre Weidetiere werden damit in Zukunft leben müssen. Mög liche Lösungen kommen u. a. aus der Schweiz. Die Landwirte im Nachbarland beschäftigen sich schon länger mit dem Thema und machen sehr gute Erfahrungen mit Herdenschutzhunden. GRÜNLAND Das Fachzentrum Fleischrinderzucht und Mutterkuhhaltung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schwandorf veranstaltete 2015 mehrere Informationsveranstaltungen rund um das Thema „Große Beutegreifer“ und die dazu gehörigen Möglichkeiten des Herdenschutzes. In Bayern gibt es seit einigen Jahren immer wieder Ereignisse mit den großen Beutegreifern. Einige Mutterkuhhalter haben in ihren Herden Probleme mit den Raubtieren. Die Rückkehr von Luchs, Wolf und Bär Der Luchs, so Rebecca Oechslein vom Landesamt für Umwelt, zuständig für den Herdenschutz in Bayern, kommt nur im Bayerischen Wald vor, seine Population stagniert, und er breitet sich in Bayern nicht aus. Wölfe sind seit 2006 am Starnberger See, im Mangfallgebirge, Fichtelgebirge, im Allgäu und in den Landkreisen Erding und Rottal-Inn nachgewiesen worden. Vor allem die männlichen Tiere können über weite Strecken abwandern. Deshalb ist es möglich, dass der Wolf jederzeit und überall auftauchen kann. Bären kommen nur in Mittel- und Osteuropa vor, können aber ebenfalls jederzeit aus Italien stammend, wieder über die Alpen nach Bayern einwandern. → Bild 1: Florian Wenger setzt zum Herdenschutz Pyrenäenberghunde ein Was tun, wenn Große Beutegreifer auftauchen? Mutterkühe, Schafe und Ziegen sowie deren Nachwuchs stellen eine Beute für den Großen Beutegreifer dar. Sollte ein Landwirt Spuren entdecken, tote Tiere auffinden oder einen begründeten Verdacht haben, möchte er sich bitte am besten mit Dokumentationsfotos an das örtliche Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Landrats amt oder direkt an das Landesamt für Umwelt wenden. Das Landesamt dokumentiert das Ereignis im „Netzwerk Große Beutegreifer“. In diesem bayerweiten Netzwerk sind etwa 140 Jäger, Vertreter des Naturschutzes, Förster oder Landwirte als Ansprechpartner für Betroffene ehrenamtlich vor Ort schnell tätig. Hauptaufgabe ist die fundierte Dokumentation von möglichen Hinweisen (z. B. Fährten, Risse).Der Kadaver toter Nutztiere wird untersucht. Bestätigt sich der Angriff durch einen Luchs, Wolf oder Bär, wird der Nutztierhalter entschädigt. Das Landesamt für Umwelt unterstützt auch Betroffene mit der Bereitstellung und dem Bau von Zäunen oder beim Einsatz von Herdenschutzhunden. → Bild 2: Ein junger Herdenschutzhund auf dem Betrieb Ueli Pfister in der Schweiz 48 SUB 1-2/2016 GRÜNLAND Herde ruhiger wurde und die Wildschweinschäden zurückgingen. „Und auch die Wanderer hatten mehr Respekt vor der Mutterkuhherde.“ Umwelt) mit Marimanenhunden auf dem Betrieb Ueli Pfister in der Schweiz Herdenschutzhunde bringen Ruhe in die Herde Florian Wenger, Mutterkuhhalter aus der Schweiz im Kanton Jura, berichtete über seine fast zehnjährige Erfahrung mit Herdenschutzhunden (siehe Bild 1). Sein Hof mit 55 Hektar und 30 Fleckviehmutterkühe samt Nachzucht liegt auf etwa 1 300 Meter über dem Meer, sechs Kilometer vom Dorf entfernt und ist von Wald umgeben. Er arbeitet mit zwei Pyrenäenberghunden, einer Herdenschutzhundrasse aus Frankreich. Wie kam er zu den Herdenschutzhunden? „Meine Tiere waren extrem unruhig, ihr Verhalten hat sich stark verändert, sie waren sehr ängstlich.“ Wildschweine waren die Ursache dafür. Der Anfang war schwer, denn die Mutterkuh ist das schwierigste Tier für einen Herdenschutzhund. Es waren einige Anpassungen notwendig, bis die → Bild 4: Informierten sich in der Schweiz vor Ort über Herdenschutzhunde: Fanny Wenger (Tochter), Rebecca Öchslein (Wildtierbeauftragte), Norbert Böhmer (Mutterkuhhalter), Johannes Vogel (Fachberater für Mutterkuhhaltung), Hans Zill (Mutterkuhhalter und Arbeitskreissprecher), Florian Wenger und seine Pyrenäenhündin SUB 1-2/2016 Arbeiten mit einem lebendigen Wachsystem Beim Einsatz eines solchen Hundes bedarf es immer der Aufklärung der Öffentlichkeit, um Ängste und Konflikte zu vermeiden und Verständnis hervorzurufen. Herdenschutzhunde sehen unter Umständen andere Hunde und Wanderer als Eindringlinge in ihr Gebiet und reagieren darauf sehr unterschiedlich, je nachdem ob von ihnen eine Gefahr ausgeht oder nicht. Es liegt dabei in der Verantwortung des Züchters und anschließend des Hundehalters, den Herdenschutzhund bestmöglich zu sozialisieren, damit er adäquat in unterschiedlichen Situationen reagiert. Wer mit diesen Hunden arbeiten möchte, sollte sich vorher über den Einsatz von Herdenschutzhunden informieren und möglichst Betriebe besichtigen, die mit diesen Hunden arbeiten. Grundvoraussetzung für den Erfolg aber ist eine Leidenschaft für Hunde und Zeit und Geduld für das lebendige Wachsystem. Bevor die Hunde zum Einsatz kommen ist es ratsam alle Betroffenen – Behörden und die Bevölkerung – mit einzubeziehen. JOHANNES VOGEL AMT FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN SCHWANDORF FACHZENTRUM FLEISCHRINDERZUCHT UND MUT TERKUHHALTUNG [email protected] 49 GRÜNLAND → Bild 3: Rebecca Öchslein (Wildtierbeauftragte am Landesamt für Der Landwirt beschreibt den Herdenschutzhund als besonders feinfühliges Tier mit hoher Sozialkompetenz, eine Art lebende Kamera, immer selbständig arbeitend – immer in Begleitung des Hundehalters. Der Hund ist bei seinen Schützlingen geboren und wächst mit ihnen auf. Er garantiert einen sehr hohen Schutz, arbeitet bei jedem Wetter 365 Tage im Jahr und ist in jedem Gelände einsetzbar. Er nützt nicht nur gegen große Beutegreifer (Bär, Wolf, Luchs), Füchse, Wildschweine, Kolkraben (Greifvögel) und streunende Hunde sondern auch gegen Diebstahl. GRÜNLAND Was kommt beim Auspuff wirklich raus? TFZ misst Real-Emissionen von Biokraftstoff-Traktoren GRÜNLAND Welche Emissionen tatsächlich am Auspuff von Fahrzeugen im realen Betrieb austreten, interessiert die Forscher am Technologie- und Förderzentrum nicht erst seit dem Abgas-Skandal. Bereits im vergangenen Jahr haben die Wissenschaftler des TFZ damit begonnen, eine hochauflösende Emissions-Messanalytik für den harten Einsatz an Traktoren bei Arbeiten auf dem Acker aufzubauen. Das portable Emissions-Messsystem „PEMS“ hat diesen Herbst nun seine Feuertaufe erfolgreich durchlaufen. Nicht nur für Straßenfahrzeuge, wie Pkw und Lkw, sondern auch für OffroadMaschinen, wie zum Beispiel Traktoren, ist es unumstößlich, gültige Emissionsgrenzwerte sowohl bei der Messung am Prüfstand als auch im realen Betrieb einzuhalten. Eine besondere Herausforderung stellt die Messung dieser Emissionen im unwegsamen Gelände, bei starker Schmutzbelastung und bei widriger Witterung dar. Zu diesem Zweck wurde am Technologie- und Förderzentrum ein portables Emissions-Messsystem „PEMS“ beschafft. Um die hochauflösenden Analysegeräte vor harten Einsatzbedingungen, zum Beispiel bei landwirtschaftlichen Arbeiten, zu schützen, entwickelten Georg Huber, Thomas Kiesslinger und Dr.-Ing. Peter Emberger einen speziellen, robusten Messaufbau mit autarker Stromversorgung. Die Wissenschaftler am Technologie- und Förderzentrum können nun überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid, Kohlenwasserstoffe und Partikelmasse im realen Betrieb „off-road“ eingehalten werden. Darüber hinaus messen sie auch, wie viele Rußpartikel im Abgas enthalten sind. Messungen mit dem portablen Emissions-Messsystem wurden im Herbst 2015 erfolgreich durchgeführt. Absolviert wurde das Messprogramm mit Unterstützung des Verwalters Günther Putz auf dem niederbayerischen Bezirks-Gutsbetrieb Mainkofen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass der untersuchte Traktor im Betrieb mit klimaschonendem Rapsölkraftstoff die Emissionsgrenzwerte immer eingehalten, zum Teil sogar deutlich unterschritten hat. „Unser Ziel ist es“, so Sachgebietsleiter Dr. Edgar Remmele, „auch bei Biokraftstoffen wiederholt und unter scharfen Messbedingungen die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten zu überprüfen. → Traktor mit portablem Emissions-Messsystem (PEMS) – im Feld 50 Darüber hinaus wollen wir bestimmten Feldfrüchten, Ackerflächen oder auch spezifischen Arbeitsvorgängen realitätsnahe Emissionen zuordnen. Für die exakte Erstellung von Ökobilanzen wäre das ein wichtiger Schritt.“ Dies bedeute aber noch jede Menge Fleißarbeit, ist sich Remmele bewusst: „Viele Einzelmessungen stehen nun an, um die Messergebnisse statistisch absichern und allgemeingültige Aussagen treffen zu können.“ Dass der Einsatz von Biokraftstoffen, wie Rapsölkraftstoff, Biodiesel oder Biomethan bei der Absenkung der Treibhausgasemissionen eine wichtige Rolle spielen muss, sind sich die TFZ-Wissenschaftler sicher. Die Anschaffung und der Aufbau des portablen Emissions-Messsystems „PEMS“ wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie finanziell unterstützt. Künftige Messungen sind an weiteren Traktoren und auch an anderen Off-RoadMaschinen, zum Beispiel aus dem Forstbereich und dem Bausektor, geplant. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.tfz.bayern.de/pems Ulrich Eidenschink, TFZ → Die hochauflösenden Analysegeräte in speziellem Messaufbau SUB 1-2/2016 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Let´s go for a farm walk Berateraustausch mit Irland von CHRISTINA ROHRMEIER: Im Rahmen eines Berateraustausches mit der irischen Beratungsorganisation Teagasc erhielten zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bayerischen Landwirtschaftsverwaltung im Oktober 2015 die Möglichkeit, die Struktur der Landwirtschaft in Irland und die Arbeit der dortigen Agrarberatung Teagasc kennenzulernen. Jeweils einem irischen Gastgeber zugeteilt ergab sich so ein buntes Portfolio an Eindrücken über die Landwirtschaft und Irland aber auch über Land und Leute allgemein, die folgender Artikel schildert. Der Gegenbesuch der irischen Berater fand bereits eine Woche später statt. Die Eindrücke der irischen Gäste beschreibt Edmond Moakley in seinem Beitrag „Blick von außen auf die Landwirtschaftsberatung in Bayern“ auf Seite Seite 56. den irischen Kollegen für dessen Aufenthalt in Bayern organisiert werden. Außerdem galt es für den irischen Kollegen an den jeweiligen Dienststellen ein möglichst interessantes Programm zu gestalten. Während unseres Aufenthaltes wurden wir über ganz Irland verteilt. Mutterschaf- und Mutterkuhhaltung auf irisch Anton Miller vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Weilheim i. OB war in Galway ganz im Westen stationiert. Sein Partner war Glen Corbett. Bei wunderbarem Sonnenschein über den Wolken und typisch irischem Wetter unter den Wolken begann der Berateraustausch zwischen den bayerischen Kollegen und „ BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Die Nachricht, dass wir zehn Beraterinnen und Berater der bayerischen Landwirtschaftsverwaltung im Rahmen einer einwöchigen Fortbildungsreise an einer gegenseitigen Dienststellenerkundung von Beratungskräften in Irland teilnehmen dürfen, kam noch im Juli 2015. Der Austausch selbst fand vom 4. bis zum 10. Oktober 2015 statt. Sowohl der Hinflug nach Irland als auch der Rückflug nach Deutschland waren dann schnell gebucht. Während des Besuchs in Irland waren wir jeweils einem irischen Kollegen, der ein Programm für uns erstellte, zugeordnet. Die Kontaktdaten der irischen Kollegen erhielten wir aber erst zwei Wochen vor Abflug. Innerhalb kürzester Zeit musste also eine Unterkunft für den Aufenthalt in Irland sowie eine Unterkunft für → Der Berateraustausch nach Irland bot nicht nur Fachliches sondern auch vielfältige Eindrücke vom Land selbst SUB 1-2/2016 51 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND BLICK ÜBER DEN TELLERRAND → Weidehaltung ist bis zu zehn Monaten möglich → Irlands Küste hat eine Länge von 1 448 km den irischen Beratern von Teagasc. Im Westen des Landes in der Nähe von Galway sind die Mutterschaf- sowie die Mutterkuhhaltung weit verbreitet. Was jedoch nicht heißen soll, dass diese Betriebe extensiv wirtschaften. Jährliche Flächenspritzungen im Grünland gegen Distel und Ampfer, sowie ein Umbruch von sanierungsbedürftigem Dauergrünland (bei aktuell ausreichender Futterversorgung) und anschließender Neuansaat gehören zu den Standardmaßnahmen eines irischen Farmers. Denn gerade auf die Qualität des Grünlandes wird bei den irischen Farmern ein Hauptaugenmerk gelegt. Die „kostenlose Futterbergung“ durch die Kuh oder das Schaf mit maximal möglichen Weidezeiten von bis zu zehn Monaten ist eines der wichtigsten irischen Erfolgsrezepte in der Landwirtschaft. Zudem haben die irischen Farmer extrem niedrige Festkosten: Neue oder massive Ställe und High-Tech Schlepper sind im ganzen Land Mangelware bzw. nahezu nicht zu finden. Neben der enormen Kostendisziplin ist die Saisonabkalbung, die bei nahezu allen Milchviehbetrieben Standard ist, ein Merkmal der irischen Milchvieh- und Mutterkuhhaltung. Zum einen passt es gut zum Management einer fast ganzjährigen Weidehaltung. Zum anderen bietet es den Landwirten eine Reduzierung der täglichen Arbeit, aber zum Preis von saisonalen Arbeitsspitzen. Denn bevor im Februar, März wieder ausgetrieben wird, haben die irischen Farmer eine ca. dreiwöchige Arbeitsspitze mit Stallhaltung, Kalben und Melken. Doch durch diese Arbeitsspitze – und die anschließende Entlastung – kann ein irischer Farmer bis zu 120 Milchkühe allein bewirtschaften. Irischen Republik, knapp zehn Kilometer von der Grenze zu Nordirland entfernt, stationiert. Der Name Monaghan bedeutet „Land der kleinen Hügel“ und bezieht sich auf das von sanften Hügeln geprägte Umland. Mein irischer Kollege James O´Donoghue, der im dortigen Teagasc Office als Fachberater für Milchviehhaltung tätig ist, stellte ein abwechslungsreiches Programm für mich zusammen. Es ermöglichte mir sowohl Einblicke in die irische Landwirtschaft als auch in die Art und Weise, wie in Irland Forschung, Wissenstransfer und Bildung organisiert bzw. durchgeführt wird. Der Besuch des Grange Research and Innovation Centre verdeutlichte den ambitionierten Ansatz, den Teagasc im Bereich der angewandten Forschung verfolgt. Dort wird stets versucht, sehr praxisnahe Forschungsfragen zu bearbeiten und dabei gleichzeitig anspruchsvolle wissenschaftliche Methoden anzuwenden. Ziel ist es, die Ergebnisse dann sowohl zielgruppengerecht aufzubereiten und z. B. bei Tagen der offenen Tür zu vermitteln, als auch in Peer-review Journals zu publizieren. Im Idealfall gelingt beides. Besonders effektiv erscheint auch die enge Verbindung zwischen angewandter Forschung und Beratung. Sogenannte Specialists, die (vergleichbar unserer Fachzentren) räumlich für mehrere Teagasc Offices zuständig sind, treffen sich einmal pro Monat mit Teagasc-Forschern zum fachlichen Austausch über neue Forschungsergebnisse und zukünftige Forschungsfragen. Die Specialists bereiten neue Erkenntnisse dann für die Fachberater auf, und diese vermitteln das Wissen weiter an die Landwirte. Andersherum geben die Berater aktuelle Praxisprobleme über die Specialists an die Forscher weiter. Dies ermöglicht einen sehr guten Wissenstransfer sowie einen engen Austausch zwischen Forschung und Praxis. “ Wissenstransfer Forschung – Praxis gut gelöst Dr. Johann Gröbmaier vom Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten war in Monaghan, der Hauptstadt des gleichnamigen Countys im Norden der 52 „ “ SUB 1-2/2016 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Beispiele für gewinnbringende Nischen Kollegin Verena Hess vom AELF Augsburg fand in der Grafschaft (County) Tipperary gelungene Beispiele dafür, wie Landwirte gewinnbringende Nischen suchen und zunehmend auch finden. Ein junges Ehepaar verlagerte nach der Hofübernahme den Betriebsschwerpunkt auf Milchschafe. Dieser Schritt war auch im „Land der Schafe“ ungewöhnlich. Nur vier Milchschafbetriebe gibt es in Irland. Der 40 Hektar große Betrieb mit 120 Schafen, die auf 30 ha Grünland weiden, lässt wöchentlich Käselaibe von je 4,5 kg herstellen. Der aromatische Hartkäse wird als „Irish Farm house cheese – Caís na Tíre“ auf regionalen Märkten angeboten. Die besondere Hanglange der Fairymount Farm ermöglichte 2012 den Umbau zum Mountain Bike-Park. 25 Jahre Erfahrung im Bereich Urlaub auf dem Pferdehof und Pioniergeist waren die Zutaten, die den Betriebsleiter (bis dahin kein Mountainbiker) zu dieser einmaligen Anlage bewegten. Ein Hofcafé mit hausgemachten Speisen der Betriebsleiterin vervollständigt das Angebot. Auch die Region profitiert durch geschaffene Arbeitsplätze und zahlreiche Übernachtungsgäste. Auf der „Coorevin Farm“ können Oberstufenschüler die Abläufe eines modernen landwirtschaftlichen Betriebs erleben. Der Betriebsleiter steht den Schülern ganzjährig, z. B. bei der Dokumentation des Jahresablaufs, zur Seite. „ Bei schlechter Witterung kommt der mit viel Eigenleistung umgebaute Schulungsraum zum Einsatz. Denn das Wetter ändert sich in Irland schnell: „Traue keinem irischen Wetterbericht“, so die Empfehlung der irischen Berater. Allerdings hält der Regen selten lange an. In dieser Zeit bietet es sich an, sich in einem der zahlreichen gemütlichen Pubs mit Kollegen auszutauschen. “ → Die Destilliermaschine des Highbank Organic Orchard-Betriebs stammt von einem Produzenten am Bodensee „Urlaub auf dem Bauernhof“ ohne Bedeutung Carolin Kastner vom AELF Regen nahm bei ihrem Aufenthalt in Kilkenny den Bereich Haushaltsleistungen/Diversifizierung unter die Lupe. Für den Bereich Diversifizierung und Alternativen in der Landwirtschaft gibt es derzeit in der Behörde für Landwirtschaft und Ernährung Teagasc keine zuständigen Berater mehr. Dieser Bereich wurde im Laufe der letzten zehn Jahre ausgegliedert und an private Beratungsanbieter sowie Leadermanager abgegeben. Ein Beispielbetrieb für den Bereich Diversifizierung stellt der Highbank Organic Orchard-Betrieb im ländlichen Umland von Kilkenny dar. Herr Calder-Potts produziert seine Äpfel auf einer Fläche von ca. acht Hektar mit etwa 10 000 Apfelbäumen unter ökologischen Bedingungen. Der Betrieb wirtschaftet seit 25 Jahren ökologisch. Die Äpfel werden zu Apfelsirup, Apfelmost und auch verschiedene Arten von Spirituosen wie Brandy, Gin oder Wodka weiterverarbeitet. Die Hauptvertriebswege für die Vermarktung der Produkte sind sowohl der Verkauf in rund 300 Supermärkten (u. a. Supervalue) als auch im Internetshop des Betriebes. Spannend ist die Erkenntnis, dass dem biologischen Anbau in Irland wenig Bedeutung beigemessen wird – weder seitens der Beratung noch von den Verbrauchern selbst. Herr Calder-Potts ist einer der wenigen Biobetriebe → Erlebnis- und Schulungsbauernhof „Coorevin Farm“ Oberstufenschüler können hier das ganze Jahr über die Abläufe eines modernen landwirtschaftlichen Betriebes erleben SUB 1-2/2016 53 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND „ BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Milchpreises war die Stimmung der irischen Milchbauern nicht negativ. Viele Farmer wollen ihre Herden aufstocken. Vorhandene Fläche und das irische low-cost-System machen dies möglich. “ Geringe Stallbaukosten in der Schweinemast Die Schweinehaltung in Irland nahm Dr. Stephan Schneider vom AELF Töging am Inn ins Visier. Anders, als man es auf der grünen Insel vermuten könnte, verfügt Irland über eine bedeutende Schweinehaltung. Der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch beträgt in Irland 192 Prozent und liegt deutlich über dem Deutschlands und der EU (117 bzw. 112 Prozent). Diese hohe Versorgung wird mit nur gut 300 Ferkelerzeugerbetrieben erreicht, die im Durchschnitt über 500 Zuchtsauen halten. Fast alle Ferkel werden auch auf diesen Betrieben gemästet im geschlossenen System. Die Betriebe arbeiten mit Fremdarbeitskräften, welche teilweise aus Osteuropa stammen. Aufgrund des milden Klimas benötigen die Mastställe keinerlei Lüftungstechnik; ein einfaches Seil zum Öffnen der Lüftungsklappe reicht aus. In Irland werden die männlichen Ferkel nicht kastriert. Um den Ebergeruch möglichst gering zu halten, werden die Tiere deutlich früher als in Deutschland (105 kg versus 120 kg) geschlachtet. Die erstaunlich geringen Stallbaukosten von 240 bis 270 Euro pro Mastplatz sind ein klarer Vorteil gegenüber den bayerischen Mastbetrieben. „ → Der 40 Hektar große Betrieb mit 120 Schafen, die auf 30 ha Grünland weiden, lässt wöchentlich Käselaibe von je 4,5 kg herstellen. Den aromatischen „Irish Farm house cheese“ seiner 120 Milchschafe bietet Barry Calahan auf regionalen Märkten an in Irland. Neben der Direktvermarktung vermietet der Betrieb ein Appartment für vier Personen zu 100 Euro pro Nacht. Beworben wird das Appartment ausschließlich über das Internet. Das Feld Agrotourismus birgt in Irland ein sehr großes Potential, das bei weitem nicht ausgeschöpft ist. „Urlaub auf dem Bauernhof“ als eigenständiger Betriebszweig, der einen großen Teil zum betrieblichen Einkommen leistet, gibt es auf den irischen landwirtschaftlichen Betrieben kaum. “ Stimmung unter Milchbauern gut Petra Melchior vom AELF Traunstein erhielt in West-Cork im Südwesten von Irland Einblicke in Milchviehbetriebe. Geprägt von rund 1 200 mm Niederschlag, der sich übers Jahr verteilt, stechen die sattgrünen Wiesen deutlich vom Grau des Himmels ab. Ackerflächen sehe ich nur wenige und wenn, dann genauso wie auch die Wiesen umrahmt von dunkelgrünen Hecken. Unterwegs mit einem erfahrenen Berater, der Milchviehbetriebe in produktionstechnischen und ökonomischen Fragen unterstützt, besuche ich täglich mindestens drei Milchviehbetriebe. Nach den Beratungen folgt regelmäßig eine „cup of tea“, bei der wir über Pachtpreise oder den Milchmarkt debattieren. Ein weiteres Beratungsinstrument meines irischen Kollegen ist der sogenannte „farm walk“. Über die örtliche Presse werden Landwirte auf einen Betrieb eingeladen, um mit meinem Kollegen und dem Betriebsleiter über aktuelle Themen zu diskutieren. Ein Hauptpunkt ist die optimale Beweidung der einzelnen Paddocks zum Ende der Weidesaison bei beginnender Zufütterung von Grassilage. Beachtlich ist, dass in dieser öffentlichen Runde offen über einige betriebliche Zahlen gesprochen wird. Der Betriebsleiter hat einen Businessplan erstellt und berichtet darüber. Als größter Kostenfaktor in seinem Milchviehbetrieb stellen sich die Ausgaben für N-Dünger heraus. Trotz des derzeitigen BLICK ÜBER DEN TELLERRAND „ 54 “ Aktive Information zur Hofübergabe Veronika Siefer vom AELF Kempten gewann Einblicke in die Probleme der Hofübergabe in Irland, die sich aufgrund einer speziellen Vererbungstradition ergeben. → Wegweiser in den Stallungen aus einem 2 200 Zuchtsauen-Betrieb mit angeschlossener Mast in Südirland, der einen Eindruck von der Größe der Betriebe vermittelt (Foto: Stephan Schneider) SUB 1-2/2016 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Gängige Praxis ist, den landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Zeitpunkt des Todes zu übergeben – zunächst an den Ehepartner, erst dann an die nächste Generation. Dies führt gerade heutzutage zu Problemen. Junglandwirte arbeiten oft lange nur als Mitarbeiter auf dem Betrieb. Sie übernehmen teils erst im fortgeschrittenen Alter tatsächlich Verantwortung und treffen eigene betriebliche Entscheidungen. Was ist die Folge? Die Betriebe überaltern. Der Nachwuchs verliert zunehmend das Interesse an der Fortführung – speziell im Nebenerwerb. Zu geringe Intensität der Beweidung droht mit der Gefahr der Verbuschung. Anlass für einen Infotag: Wie bringt Teagasc „Transferring the Family Farm“ in Irland an den Landwirt? Ungeahnt viele Betriebsleiter kamen – in Begleitung der Ehefrau und/oder des Hofnachfolgers. Nach einem kurzen Intro im Plenum über Bedeutsamkeit und Ablauf des Infotags müssen die Teilnehmer selbst aktiv sein. Je zwei Ansprechpartner verschiedener Institutionen sitzen an Infotischen nebeneinander aufgereiht: Berater für Landwirtschaft und Forsten, auch Lehrkräfte aus der Fortbildung (Teagasc), Juristen für Erbschafts- und Steuerrecht, Experten für Rentenbezüge sowie Mediatoren für Familien. Das Interesse ist groß, Warteschlangen bilden sich. Die Wartezeit ist gleichzeitig nützlich zum Netzwerken – auch von den Beratern von Teagasc. Eine der wichtigsten Botschaften des Tages: „Beim ersten Gedanken an die Hofübergabe, ist Deine erste Anlaufstelle Dein Berater von Teagasc! “ Gemeinsamkeiten BiLa – Adult Learning Program Philipp Prechtl vom AELF Passau-Rotthalmünster und Stefan Enders, AELF Roth, erkundeten „Irlands Nordwesten“ und waren zu Gast in Carrick on Shannon. Wir starten unseren Besuch im County Office in Longford mit einem Einblick über die Arbeitsweise und das Aufgabenspektrum der seit 1988 halbstaatlich geführten Bildungsund Beratungseinrichtung. Die Diskussion mit den Mitarbeitern zeigt, dass es durchaus Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen der bayerischen und der irischen Landwirtschaftsverwaltung gibt. Das „Adult Learning Program“ weicht nur in Details vom Bildungsprogramm Landwirt ab. Ein entscheidender Unterschied aber ist die Anzahl der Landwirte, die der irische Beraterkollege betreut. Jeder Berater hat eine feste Anzahl an Landwirten, für die er neben der Beratung auch die investive Förderung, die Mehrfachantragstellung und die Auszahlung der Direktzahlungen durchführt. Praktische Einblicke bietet ein Schafzucht- und Mutterkuhbetrieb in der Nähe. Der Landwirt hält auf ca. 80 Hektar Weidefläche 52 Mutterkühe mit Kälbern und etwa 35 Schafe. Bei den Mutterkühen handelt es sich hauptsächlich um Charolais- und Limousinkreuzungen. Neben einigen reinrassigen Kühen hält er auch Aberdeen Angus, die ursprüngliche Mutterkuhrasse in Irland. Von Ende Oktober bis Mitte April „ SUB 1-2/2016 befindet sich die Herde Tag und Nacht auf der Weide. Grundlage für die Mutterkuhhaltung auf Weide ist eine saisonale Abkalbung, die innerhalb weniger Wochen von März bis Mitte April stattfindet. Zu Beginn der Weidesaison sollen die Abkalbungen abgeschlossen sein, damit die Kälber und die Mutterkühe den Aufwuchs entsprechend verwerten können. Mitte September, etwa vier Wochen vor der Versteigerung, werden die Kälber abgesetzt und teilweise auf einer extra Weide gehalten. Während unseres Irlandaufenthalts finden zwei große Viehmärkte in der Region Roscommon und Leitrim statt mit Auktionen für Mutterkuhabsetzer mit einem Gewicht von etwa 360 bis 450 kg. Obwohl die beiden Viehmärkte nur etwa 25 km voneinander entfernt waren und an zwei darauffolgenden Abenden stattfanden, war das Interesse bei den Landwirten sehr groß. Viehmärkte beginnen üblicherweise um 19 Uhr abends und dauern je nach Umfang bis 24 Uhr. An den beiden Märkten in Roscommon und Mohill werden jeweils mehr als 500 Tiere versteigert. Aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse und der teils recht nassen Witterung spielt die Milchviehhaltung in den Regionen Roscommon und Leitrim eine untergeordnete Rolle; die besuchten Betriebe sind für irische Verhältnisse eher kleinere Betriebe mit 50 Kühen. (Der durchschnittliche irische Milchviehbetrieb hält mit 65 Kühen doppelt so viele Kühe wie der durchschnittliche bayerische Betrieb). Von April bis Ende Oktober kommen die Tiere nur zum Melken in den Stall. Die durchschnittlichen Stallplatzkosten pro Milchkuh mit 1 800 Euro fallen deshalb auch recht günstig aus. Auch das günstige Grundfutter auf der Weide ist ein entscheidender Kostenvorteil. Nach Auswertungen von Teagasc bewegen sich die Vollkosten für einen Liter Milch zwischen 18 und 24 Cent. Bei einem vergleichbaren Milchpreis wie in Bayern ergibt sich daraus ein nicht zu unterschätzender Kostenvorteil. “ Autoren in der Reihenfolge ihrer Beiträge: Anton Miller (AELF Weilheim) Dr. Johann Gröbmaier (StMELF) Verena Hess (AELF Augsburg) Carolin Kastner (AELF Regen) Petra Melchior (AELF Traunstein) Dr. Stephan Schneider (AELF Töging am Inn) Veronika Siefer (AELF Kempten) Stefan Enders (AELF Roth) Philipp Prechtl (AELF Passau) BLICK ÜBER DEN TELLERRAND „ Verantwortlich: CHRISTINA ROHRMEIER STAATLICHE FÜHRUNGSAKADEMIE FÜR ERÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN [email protected] 55 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Blick von außen auf die Landwirtschaftsberatung in Bayern Irische Berater zu Gast Direkt an den Besuch der bayerischen Berater in Irland schloss sich der Gegenbesuch der irischen Kolleginnen und Kollegen in Bayern an. Ihre bayerischen Austauschpartner sorgten für ein abwechslungsreiches fachliches und kulturelles Programm, das von Region zu Region unterschiedliche Schwerpunkte hatte. Ein gemeinsamer Besuch der Landesanstalt für Landwirtschaft und im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ergänzten den Aufenthalt. Edmond Moakley schildert in dem folgenden Beitrag seine sehr persönlichen Eindrücke über Bayern im Allgemeinen und die Organisation der bayerischen Landwirtschaftsberatung im Besonderen. Edmond Moakley war der „Austauschpartner“ von Dr. Stephan Schneider vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Töging. Im Rahmen seines Aufenthaltes besichtigte er mehrere Biogasanlagen (mit und ohne Wärmekonzept), einen Kurzrasenweidebetrieb, die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, den Versuchsbetrieb Grünschwaige, das AELF Erding und das AELF Töging, zwei Milchviehbetriebe mit AMS und einen kombinierten Zuchtsauenbetrieb mit Infobox 1: Deutsch-irischer Berateraustausch BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Die irischen Kolleginnen und Kollegen waren in der Woche vom 11. Oktober bis 17. Oktober 2015 in Bayern verschiedenen Dienststellen zugeordnet. Ein Höhepunkt war der gemeinsame Besuch der Landesanstalt für Landwirtschaft und im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. In Grub erhielten die irischen Kolleginnen und Kollegen einen Überblick über die Aufgaben und die Arbeitsweise der LfL. Die Stallungen, die Biogasanlage und die Baulehrschau stießen auf großes Interesse. Nach einem typisch bayerischen Mittagessen in München hatten die irischen Besucher und ihre bayerischen Kollegen die Gelegenheit im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Ausstellung, „Das Land im Blick – 70 Jahre Landwirtschaftsministerium“ zu besichtigen. Großes Interesse fand dabei eine große auf dem Boden angebrachte Bayernkarte: Sie verschaffte den Gästen nicht nur einen Überblick von Bayern, sondern zeigte auch, in welchem Teil von Bayern sie untergebracht waren und was die Besonderheiten der jeweiligen Region sind. Im Gespräch mit Abteilungsleiter Wolfram Schöhl reflektierten bayerische und irische Teilnehmer gemeinsam diese besondere Form des Berateraustausches. Die Rückmeldungen waren durchwegs positiv. Der Berateraustausch bot allen Teilnehmern nicht nur die Möglichkeit, über den Tellerrand hinauszublicken und die Organisation der Beratung in Irland, die Struktur der irischen Landwirtschaft und darüber hinaus Irland selbst kennenzulernen. Er ermöglichte auch wertvolle, freundschaftliche Kontakte zu den irischen Kollegen. Eine Stadtführung in München und ein Besuch im Hofbräuhaus zum Ausklang des Tages boten noch viele Gelegenheiten, sich in gemütlicher Atmosphäre mit den irischen Kollegen über die Erfahrungen während des Aufenthaltes auszutauschen. Christina Rohrmeier, FüAk 56 SUB 1-2/2016 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND • • • • • Day 1: Met Tom Folger dairy advisor and part time farmer from Reichertsheim. Visited two dairy farms which Tom works with and one digester on the out skirts of Freising. Day 2: At staff meeting in the department of agriculture, Töging. Meeting heads of Animal Welfare, Dairy breeding and Dairy Nutrition. Met each of the heads in their offices and discussed advisory methods and services. Day 3: At the Bavarian Research station for Agriculture, Grub, the Bavarian Ministry of Agriculture in Munich Centre and a tour of Munich (This was done as a group). Day 4: University of Applied Sciences, Weihenstephan, Department of Agriculture, discussion with professor Gerhard Bellof, department of agriculture Erding, discussion with Mrs Praum. Day 5: Visited Piggery, a self-constructed Digester and Digester also drying grass, maize. Schweinemast. Kulturell standen der Domberg zu Freising, die Kirche St. Magdalena in Altötting und das Münchner Hofbräuhaus auf dem Programm (siehe auch Infobox 2). In folgendem Beitrag schildert Edmond Moakley seine sehr persönlichen Eindrücke über Bayern im Allgemeinen und die Organisation der bayerischen Landwirtschaftsberatung im Besonderen: How the advisory service operates in Bavaria Bavarian Agricultural advice is largely provided by LKV and specializes in Animal Welfare concerns, environmental issues and Cross compliance. Agricultural advice is more driven by concerns of the General public more so than by progressive farmers. Technical advice is provided by private advisory which is not connected with the public research sector. This is creating a gap between research and practice in the Bavarian area concerning the technical matters, which are, in general, of great relevance to the farmers. Specialists in their designation work with the contracted advisors. The calibre of these Advisors varies greatly and advisors with very good know ledge are often overlooked because of lack of support of their Advice from research. How schemes operate in Bavaria All schemes in Bavaria are very similar to Ireland through the Common Agricultural policy. All the requirements are strictly adhered to by farmers. All advisors dealing with schemes SUB 1-2/2016 Back up to Bavarian Advisory service from Research/ Specialists My main experience of Back up to Advisors was through my host who was Stephan Schneider. Stephan was very conscientious of the Pig advisors he worked with and went above the call of duty in assuring they were supported in all ways (scientifically, technically, home life, illness etc.) Stephan had a big workload and doesn’t deal with as many subcontracted staff as the Dairy Advisory would. The research facilities were very high tech facilities carrying out very basic research work. Specialists like Stephan work very closely with research and advisors similar to the Irish system. I met these Specialist staff on the Wednesday. I also had the opportunity to attend a meeting at the department of agriculture in Töging which showed huge concern for staff wellbeing. My Impression of the Advisory Service in Bavaria The staff I met working in Bavaria are a very hard working, approachable and knowledgeable group of people. However I reckon the system they work under is far too administrative and does not have farmer’s best interests as a priority. Most farms I visited had more value on facilities then the performance of the farm. Knowledge of production, openness to new thinking, industry outlook were of little concern to farmers I visited and BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Infobox 2: Teagasc Advisory Team exchange with the Bavarian Ministry of Agriculture during October 2015 have predefined roles and so farmers get a more Intensive service from a visit. Schemes such as Basic Payment Scheme (BPS), Grazing Top-ups, Building grants and Greening requirements are overseen by a specific advisor and strictly adhered to. All this work is subcontracted out in the area I was in. Renewable energy is strongly encouraged in Bavaria (siehe Bild 1). → Bild 1: Das Maissilo mit über 1 000 m3 auf dem Betrieb Moosner in Eiselsberg, Gemeinde Schönberg, beeindruckte Edmond Moakley 57 BLICK ÜBER DEN TELLERRAND → Bild 2: Dr. Stephan Schneider erläuterte die Funktionsweise der Biogasanalage der LfL auf dem Betrieb in Grub → Bild 3: Josef Haider (rechts) vom AELF Töging organisierte das Programm für den irischen Gast (von links: Andreas Moosner, Edmond Moakley und Dr. Stephan Schneider) they didn’t have the same relationship with their advisor that we have here in Ireland. This is mainly due to the less know ledgeable staff working in the subcontracted posts for short periods of time covering the issues that arise in daily advisory (siehe Bild 2). BLICK ÜBER DEN TELLERRAND My Impression of farming in Bavaria Bavaria is a most magnificent part of the world agriculturally and culturally. From when I got off the plane I had Stephan tormented to take photos of the magnificent views, A-Rated barns, meticulously ploughed fields, tidy swards of silage, meticulous farmyards and top quality stock. I however could not understand the scale of Investment on in some farms I visited knowing they had huge borrowings (Even if at very low interest rates). I would be concerned for Bavarian farmers if Government support was to decline. Lessons for Teagasc Advisory Teagasc advisory has a very important role in agriculture as an independent thinking body that farmers can contact and get support from an advisor not influenced by industry. In Bavaria Technical Advisors are not in a position to push their thoughts as much, as they may be looking at more lucrative roles in other Agricultural Business (short to Medium term). Pay for a contracted advisor is generally very poor and does not retain good staff resources. I also heard from farmers that they were dealing with a lot of Advisors and it seemed they did a lot of repetition without making any gains. On the back of this I strongly urge Teagasc Management to fight to replace Advisors where possible and keep subcontracting of farmer’s personal affairs (Nitrates, profit monitor, other financial planning etc..) to a minimum. The Advisory work in Bavaria carried out by sub-contractors is paid for by both the farmer and the state. All the ad- 58 ministration of payments is carried out by the LKV. It is creating a huge administration burden on the LKV and reducing the time specialists spend working with subcontracted advisors on the ground. The Discussion groups we run in Ireland are a magnificent tool for transferring Agricultural knowledge to farmers. The Bavarian specialists, advisors and farmers I met could not understand that farmers would discuss so much personal information so openly amongst each other. It is important for us as advisors to remember how personal some information discussed is and continue to remind groups as much. The Bavarians keep all personal information (files etc.) relating to clients under lock and key. At our Meeting with Herr Schöhl in Munich on the Wednesday he made a very important point. He stressed that the advisory work in Bavaria is not always about making the most money. He wants to see farmers take pride in what they do, and own. In Dairying in Ireland I think this is something overlooked by Teagasc when we consider our best success stories. Running a highly efficient farming business is vital but it is also important to have a farm you are proud of and can run very efficiently. Overall the fortnight was a massive experience. It was tiring but gave me a wealth of insight into different practices and left me far more open minded to different systems. Renewable energy and energy efficiency also need some serious consideration. It also benefitting me through a huge improvement in my German and gave me new contacts for future excursions etc. (siehe Bild 3). EDMOND MOAKLEY KONTAKT ÜBER DR. STEPHAN SCHNEIDER [email protected] SUB 1-2/2016 BIENEN Konventionelle oder ökologische Imkerei Worin liegt der feine Unterschied? Wir Imker sind Individualisten und lassen uns die Führung unserer Imkerei ungerne vorschreiben. Wir führen unsere Völker selbstverantwortlich in der Art Bienenkasten, die unseren Vorstellungen entspricht, sind bei der Veterinärverwaltung als Bienenhalter registriert, dokumentieren Eingriffe in Stockkarten und Behandlungen in das Bestandsbuch, ernten und behandeln unseren Honig nach bestem Wissen und Gewissen und vermarkten ihn dann als guten Honig aus unserer Imkerei, idealerweise mit regionalem Bezug. Bio-Honig nur mit Zertifikat Wer „Bio“-Honig verkaufen will, muss gesetzliche Bestimmungen einhalten. Das heißt konkret, dass er sich nach der oben genannten Verordnung zertifizieren und regelmäßig kontrollieren lassen muss. Für die Öko-Imkerei müssen folgende Punkte zusätzlich eingehalten werden: →→ Das Material der Bienenkästen muss natürlichen Ursprungs sein. Für die Reinigung und Desinfektion sind nur mechanisches Werkzeug, Feuer und Wasserdampf erlaubt. →→ Die Bienenvölker müssen aus Biobetrieben stammen oder einen Umstellungszeitraum durchlaufen. Die Herkunft der Bienenvölker soll regional sein. →→ Für die Vermehrung von Völkern und Königinnen soll der Schwarmtrieb genutzt werden; instrumentelle Besamung ist nur in Zuchtbetrieben mit Genehmigung möglich. Das Einkürzen der Flügel der Königinnen ist nicht erlaubt. →→ Der Standort von Bienenstöcken muss so gewählt SUB 1-2/2016 werden, dass Nektar- und Pollenquellen vorhanden sind, die im Wesentlichen aus Pflanzen von Biobetrieben, aus Wildpflanzen, konventionell bewirtschafteten Wäldern oder aus Kulturpflanzen bestehen, die nur mit Methoden bewirtschaftet werden, die eine geringe Umweltbelastung mit sich bringen. Die Bienenstöcke müssen sich in ausreichender Entfernung von Verschmutzungsquellen befinden, die die Imkereierzeugnisse kontaminieren oder die Gesundheit der Bienen beeinträchtigen können. →→ Da gerade in einer kleingliedrigen Landschaft wie in Bayern Bioflächen neben konventionellen Anbauflächen liegen können, oder der Flugradius der Bienen bis zu intensiv bewirtschafteten Flächen reichen kann, müssen Honige und Wachs aus diesen Gebieten auf Rückstände untersucht werden. Honig mit Pflanzenschutzmittelrückständen unter den gesetzlichen Höchstmengen darf als konventioneller Honig verkauft werden, aber nicht mit dem Hinweis auf die ökologische Produktion. Beim Wachs verhält es sich entsprechend. →→ Bienenfutter und Mittelwände müssen aus ökologischer Produktion stammen. Aus den Kaufbelegen muss hervorgehen, dass der Imker dies anhand der mitgelieferten Bescheinigungen überprüft hat. →→ Für die Behandlung der Bienenvölker gegen Varroose sind die zugelassenen Säuren und Thymol erlaubt, aber keine synthetischen Acarizide. →→ Alle Bienenstände müssen in eine Karte eingezeichnet und immer aktuell gehalten werden. 59 BIENEN von BARBARA BARTSCH: Imkern ist immer eine Beschäftigung mit dem Leben – der Bienen, ihrer Umgebung und ihren Produkten – also „Bio“, oder? Die Antwort lautet ja und nein: Ja, wenn es um biologische Grundlagen der Bienen, ihre Lebensweise und die Nahrungsversorgung geht. Nein, wenn mit „Bio“ oder „Öko“ geworben und vermarktet werden soll. Hier greifen die gesetzlichen Vorgaben, die in der EG-Öko-Basisverordnung mit ihren Durchführungsbestimmungen festgeschrieben sind. Als staatliche Fachberaterin für Bienenzucht für den Bezirk Oberfranken in Bayern wird Barbara Bartsch immer häufiger mit Fragen zur Bio-Imkerei konfrontiert. Sie hat die wesentlichen Unterschiede zur konventionellen Imkerei nachfolgend zusammengefasst. BIENEN BIENEN Die Richtlinien der Verbände sind häufig strenger als die Vorgaben der EGÖko-Verordnung, gehen aber bei den Qualitätskriterien für Honig kaum über die Anforderungen des Deutschen Imkerbundes hinaus. Einige Verbände schreiben bestimmte Schritte detailliert vor. Zum Beispiel verbietet ein Verband die Erwärmung des Honigs über 38 °C, ein anderer sogar über 35 °C. Für die Mitgliedschaft im Verband müssen natürlich Mitgliedsbeiträge bezahlt werden. Von der Kontrollbehörde werden die Verbandsvorgaben mit abgeprüft. Eine Frage der Einstellung Oberste Priorität hat in der ökologischen Landwirtschaft – und auch in der ökologischen Imkerei – das Wirtschaf→ Bienenkästen mit speziellen Anstrich: Prüfhofleiter Achim Fuchs erläutert den Teilnehmern die ten im Einklang mit der Natur auf nachbesonderen Anforderungen an den Anstrich von Bienenkästen in Öko-Imkereien. Wer als haltige und ressourcenschonende Anfänger neue Kästen anschafft und überlegt, mit der Bioimkerei zu beginnen, sollte zuvor Weise, um die biologische Vielfalt zu erklären, ob die gewählte Lasur von der Kontrollstelle akzeptiert wird (Foto: Erhard Härtl) halten. Im Grunde ist dies mit geringen Abweichungen auf unsere gesamte ImÖko: mehr Bürokratie und Zusatzkosten kerei zu übertragen. Die Entscheidung, ob man seine Imkerei In der Öko-Imkerei sind die Dokumentation der Arbeitsweise biologisch oder konventionell führen will, hängt in der und der Einsatz von Futter- und Behandlungsmitteln stärker gefordert als in der konventionellen Imkerei. Die Dokumentationen müssen bei den Kon trollen lückenlos vorgelegt werden, um keine Einschränkung der Zertifizierung fürchten zu müssen. Kontrollen finden mindestens einmal jährlich statt, können aber bei Auffälligkeiten auch häufiger durchgeführt werden. Für diese Kontrollen fallen Kosten in Höhe von 200 bis 300 Euro pro Jahr an. In Bayern kann man aus Landesmitteln seit 2014 einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro auf die Kontrollgebühren bei der Landesanstalt für Landwirtschaft beantragen. So soll die Öko-Bienenhaltung in Bayern einen Aufschwung erhalten. Der Anschluss an einen Verband des ökologischen Landbaus (beispielsweise Bioland, Demeter, Biokreis, Na- → Fachberater Erhard Härtl arbeitet mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch praktisch an turland, GÄA) ist von Vorteil, da die den Bienenvölkern. Insbesondere die Beurteilung der Bienenvölker wurde in kleinen Gruppen Marken bekannt und anerkannt sind. geübt (Foto: Erhard Härtl) 60 SUB 1-2/2016 BIENEN Hauptsache von der persönlichen Einstellung ab. Aber auch von den Vermarktungschancen. Immer mehr Kunden wünschen heute eine nachhaltige Produktion und greifen dann zum Bio-Honig aus dem Ausland, weil deutscher kaum verfügbar ist. Sie sind bereit, für diesen Produktionsweg einen höheren Preis zu zahlen. Vielen Menschen ist es jedoch noch wichtiger, dass der Honig aus der Region kommt, in der sie leben. Deshalb ist eine regional orientierte, konventionelle Imkerei bei uns ebenso gut angesehen wie eine Bio-Imkerei. Wichtig ist, dass die Bienenhaltung so betrieben wird, dass es den Bienen gut geht. Wenn das der Fall ist, hat die Ausrichtung der Imkerei ihre Berechtigung! SUB 1-2/2016 61 BIENEN → Das Seminar „Öko-Biene“ findet immer im Herbst als Blockveranstaltung statt. Die Gruppen sind Bioimkerei in Bayern bunt gemischt: Neben vielen jüngeren Teilnehmern war auch der hohe Anteil an Frauen im Am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Seminar bemerkenswert. (Foto: Erhard Härtl) (LVFZ) für Ökologischen Landbau Kringell mit Schwerpunkt ökologische Tierhaltung befindet sich einer der drei bayerischen Bienenprüf- minar ist der Umstellungsprozess einer konventionellen höfe, an denen die staatliche Leistungsprüfung an Bienen Imkerei auf eine Öko-Imkerei. Die Bilder im Text stammen durchgeführt wird. Die Bienenprüfhöfe gehören zum Fach- alle von den Praxisteilen der „Öko-Biene“ und zeigen Achim zentrum Bienen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau Fuchs und Erhard Härtl mit den Teilnehmern. und Gartenbau in Veitshöchheim. Der Bienenprüfhof KrinDer Wunsch nach Bioprodukten aus der Region ist hoch. gell ist seit 2005 eine zertifizierte Öko-Imkerei. Im Jahr 2014 In Bayern sind bei der Landesanstalt für Landwirtschaft zurkonnte der Prüfhof auf dem Gelände der Bayerischen Lan- zeit 272 Öko-Imkereien registriert. Dies sind weniger als ein desanstalt für Landwirtschaft in Kringell neue Räume mit Prozent der bayerischen Imkerinnen und Imker – es sollen in Schleuderraum und Wachsverarbeitung beziehen. Der Prüf- Zukunft deutlich mehr werden. Aus diesem Grunde unterhof wird seit 2010 von Imkermeister Achim Fuchs geleitet, stützt der Freistaat Bayern die Imkereien durch Förderung der dort knapp 200 Bienenvölker bewirtschaftet. der Kontrollkosten. Informationen zur Imkerei und zum SeMit Einrichtung der Akademie für Ökologischen Landbau minar „Öko-Biene“ sind zu finden unter www.lwg.bayern.de wurde in Kringell in Zusammenarbeit mit der Fachberatung für Bienenzucht in Niederbayern ein einwöchiges Seminar zur Öko-Imkerei etabliert. Das Seminar „Öko-Biene“ war in den ersten beiden Jahren ein sehr großer Erfolg und wird auch in 2016 weitergeführt. Zielgruppe für dieses Seminar BARBARA BARTSCH sind einerseits (Öko-)Landwirte, die einen Einstieg in die ImBAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WEINBAU kerei erwägen und andererseits Imker, die eine nach ökoloUND GARTENBAU gischen Vorgaben ausgerichtete, erwerbsorientierte Imkerei [email protected] aufbauen möchten. Fachberater Erhard Härtl und PrüfhofleiFachberaterin für Bienenzucht in Oberfranken am ter Achim Fuchs bieten ein umfangreiches LehrgangsproFachzentrum Bienen mit Dienstsitz am Amt für Ernährung, gramm in Theorie und Praxis. Ein Schwerpunkt in diesem SeLandwirtschaft und Forsten Bayreuth BIENEN Imkern in der Schülerfirma Bienen-AG bereitet auf das Leben vor von GERHARD MÜLLER-ENGLER und RAPHAELA SCHMID: Im Lehrplan allgemeinbildender Schulen steht die Biene als Beispiel für ein soziales Insekt oder auch für einen Modellorganismus in Sachen Umweltqualität. Doch ihre Präsenz in der Schule geht weit darüber hinaus, wie zahllose Bienen-AGs zeigen. Allein 2014 wurden über 100 Schüler-AGs vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert. Warum sich die Imkerei besonders gut für eine Schülerfirma eignet, stellen der Fachberater an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Gerhard Müller-Engler, und Studienrätin Raphaela Schmid dar. Unser Wirtschaftsleben besteht vereinfacht aus der der Urproduktion, zu der die Landwirtschaft gehört, der Industrie und dem Dienstleistungssektor. Der durchschnittliche Bürger kennt zumeist einen dieser Bereiche von seinem Arbeitsplatz her und die anderen beiden eher als Konsument von Produkten oder Dienstleistungen. Reinschnuppern ins Wirtschaftsleben Durch den Betrieb einer Imkerei als Schülerfirma erhalten die Schüler nun aber Einblick gleich in alle drei WirtschaftsbereiInfobox: Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau betreut Schüler-AGs Projektbetreuung • Konzeptionelle Beratung in der Startphase (Finanzierung, Zeitplanung, Raumplanung, Unterrichtskonzepte) • Beurteilung von Standorteignung und Bienenherkunft (Nachweis einer fachlichen Prüfung gegenüber den Eltern durch die Schule) • Ausbildung der Lehrer bei Imkerkursen der staatlichen Fachberatung • Beratung insbesondere zur Völkerführung während des Produktionsjahr • (Eine finanzielle Förderung wird durch die Förderstelle an der LfL abgewickelt!) Infrastrukturmaßnahmen • Vernetzung von verschiedenen Schulen (Vermitteln von Kontakten) • Veranstalten von Lehrfortbildungen • Online-Angebot zum Thema „Imkern in der Schule“ (http://www.lwg.bayern.de/bienen/bildung_beruf/084334/index.php) BIENEN 62 → Die Bienengruppe bei der Volkskontrolle che. Die Primärproduktion beinhaltet die eigentliche Bienenhaltung mit allem, was dazu gehört. Die Verarbeitung von Rohware mit der Herstellung von benötigten Betriebsmitteln, zum Beispiel Rähmchen aus Halbfertigwaren, und die Veredlung von eigenen Produkten, wie Honig und Wachs, stellen den Industriesektor dar. Die Schüler verkaufen natürlich auch den eigenen Honig und ihre Wachsprodukte. Hierzu müssen sie sich zunächst überlegen, wie ihr Produkt dargestellt und bei welchen Anlässen oder Verkaufsstellen die Ware an den Kunden gebracht werden soll. Die Entwicklung eines eigenen Firmenlogos, das auch auf dem Etikett und auf Plakaten wiederzufinden ist, gehört ebenso dazu wie der Informationsstand bei Verbrauchertagen. Natürlich ist auch eine Internetpräsenz nötig. Der Handel mit eigenen Produkten, das Marketing für die Produkte und der Imageaufbau SUB 1-2/2016 BIENEN durch Öffentlichkeitsarbeit stellen den Dienstleistungssektor dar. So werden die Zusammenhänge und auch die Bedeutung einzelner Faktoren unmittelbar erlebbar. Zum Beispiel, dass sich der Gewinn leichter durch einen höheren Honigpreis steigern lässt als durch höhere Honigerträge. Oder, dass die Wertschöpfung beim Kerzengießen mit zugekauften Wachspellets deutlich leichter zu erzielen ist, als mit der mühsamen Gewinnung und Reinigung von eigenem Rohwachs. Und auch, dass gute Qualität und eine ansprechende Produktgestaltung den Verkauf fördern. Lernen fast von allein Auch den Bereich Organisation können die Schüler für das tägliche Leben erlernen und einüben. Anschaffung von Verbrauchsmittels wie Mittelwände und Futter müssen rechtzeitigt geplant und vorgenommen werden. Dazu gehören auch die Suche nach Anbietern und ein Preisvergleich. Im Winterhalbjahr müssen Vorbereitungen für den Sommer getroffen werden. Die Ar→ Der Lohn der Arbeit – eigener Honig beiten folgen ei- SUB 1-2/2016 Gut fürs Selbstbewusstsein Und zuletzt darf auch ein weiterer Aspekt der Persönlichkeitsbildung nicht vergessen werden. Die Schüler erfahren Respekt von Mitschülern, und vor allem von der Öffentlichkeit. Ihre Arbeit wird als sinnvoll und ökologisch wertvoll geschätzt. Geben Kinder für andere Klassen oder andere Gruppen Vorführungen, erhalten sie unmittelbare Bestätigung für ihre Tätigkeit! Anderseits müssen die Schüler auch Misserfolge wie Völkerverluste verkraften, ohne dass an „Aufgeben“ gedacht werden kann. Diese Erfahrung ist für Kinder und Jugendliche sehr wichtig. Sie erfahren, dass Durchhaltevermögen und Einsatz sich lohnen. Durch das breite Spektrum an Aufgaben vermittelt die Imkerei wirkliche Schlüsselqualifikationen. Lernen macht so Spaß und bereitet auf das Leben vor. BIENEN → Qualitätsprüfung beim Honig nem strukturierten, in unserem Fall von den Bienen vorgegebenen Jahreslauf. Schlüsselqualifikation im Umgang mit Informationen, Geld und Zeit werden ganz automatisch und quasi nebenbei vermittelt. Dabei ist die Motivation der Schüler deutlich besser als beim theoretischen Lernen, da ja alles für ihre Bienen erforderlich ist. Die Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben spielt ebenfalls eine Rolle. Welche Arbeitsschutzmaßnahmen müssen beachtet werden und welche Angaben müssen auf das Etikett? Diese Informationen müssen erarbeitet, in kleinen Übersichten z. B. in Plakatform zusammengestellt und dann in der Praxis auch beachtet werden. Da die Kinder und Jugendlichen häufig in kleinen Gruppen zusammenarbeiten, sind ständige Absprachen sowie eine Verteilung der Aufgaben erforderlich. Teamfähigkeit und die Akzeptanz von Regeln sind eine wichtige Voraussetzung. Ein Streit um die Kontrolle einer Wabe mit Bienen am offenen Bienenvolk kann sofort unangenehme Folgen haben. Auch der heiße Dampfwachsschmelzer, die Arbeit mit dem Wachsschmelztopf etc. sind erlebbare Gefahren, die im Kontrast zur scheinbar harmlosen, oft medial geprägten Umwelt der Kinder stehen. GERHARD MÜLLER-ENGLER BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WEINBAU UND GARTENBAU, VEITSHÖCHHEIM STAATLICHE FACHBERATUNG FÜR BIENENZUCHT [email protected] RAPHAELA SCHMID STUDIENRÄTIN AN FÖRDERSCHULEN (STRIN FS) SFZ STINZINGSTRASSE 22, 91052 ERLANGEN 63 LEGUMINOSEN Bayerische Eiweißinitiative – eine Zwischenbilanz im UN-Jahr der Hülsenfrüchte LEGUMINOSEN von PAUL V. PERGER und JOHANNES ANGLSPERGER: Die Leguminose ist mit ihrer Eigen schaft aus Sonnenenergie den Luftstickstoff zu binden eine faszinierende Pflanze. Über viele Jahre wurden Leguminosen jedoch am heimischen Markt nicht honoriert und so der Anbau immer uninteressanter. Um diesen schleichenden Bedeutungsverlust zu begegnen, hat Bayern bereits im Jahr 2011 die Bayerische Eiweißinitiative zur Unterstützung von heimischem Eiweiß gestartet. Auch mit Blick auf das für 2016 ausgerufene Jahr der Hülsenfrüchte der UN lohnt es sich, die zwischenzeitlichen Erfolge zu beleuchten. Mit dem für 2016 ausgerufenen Jahr der Hülsenfrüchte möchte die UN weltweit das Bewusstsein für Hülsenfrüchte fördern, die positiven Aspekte des Anbaus aufzeigen sowie die Wertschöpfung steigern. Leguminosen sind nicht nur wichtig als Futter- und Nahrungsmittel, sondern wirken sich positiv auf die Umwelt und Bodenfruchtbarkeit aus. Mit dem Anbau von Leguminosen werden Fruchtfolgen aufgelockert, die Bodenstruktur verbessert und mineralischer Stickstoff aufgrund der Bindung des Luftstickstoffs durch die Pflanzen eingespart. Auch in der Nutztierhaltung kann auf Eiweiß als Futterkomponente nicht verzichtet werden. Insbesondere Monogastrier wie Schwein oder Geflügel sind auf hochwertiges Eiweiß angewiesen. Aufgrund des hohen Anteils essentieller Aminosäuren spielt Soja dabei eine bedeutende Rolle. Bayern ist hier auf Importe angewiesen. Ein Großteil des in Übersee angebauten Sojas ist jedoch gentechnisch verändert und in diesen Ländern wegen der ökologischen Auswirkungen in der Kritik. Dies steht im Widerspruch zur großen Mehrheit unserer Bevölkerung. Nach dem Motto „Global denken, regional handeln“ bevorzugen immer mehr Menschen regionale Wirtschaftskreisläufe. Hier setzt Bayern an und zielt mit der im März 2011 gestarteten Eiweißinitiative auf eine bessere Nutzung von heimischen Eiweißfuttermitteln ab, um damit den Einsatz von Soja aus Übersee in der Nutztierhaltung deutlich zu reduzieren. Wesentliche Ansatzpunkte waren dabei die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den Anbau einerseits → Logo der Eiweißinitiative 64 Infobox 1: Ansatzpunkte der Eiweißinitiative • Beratungsoffensive insbesondere im Grünland • Fütterungsberatung • Verstärkte Förderung von Leguminosen im KULAP durch erhöhten Leguminosenanteil von 10 Prozent und spezielle Förderung von großkörnigen Leguminosen • Anrechnungsmöglichkeit von Leguminosen beim Greening der ersten Säule GAP (Anrechnungsfaktor von 0,7) • Hochwertiges Grundfutter u. a. durch Trockungsund Heubelüftungsanlagen • Forschungsprojekte im Pflanzenbau, Tierernährung, Landtechnik und Markt • Überregionale Kooperationen und den verstärkten Einsatz heimischer Futtermittel in der Tierernährung durch Beratung und Forschung andererseits (siehe Infobox 1). Gezielte Fütterung spart Überseesoja Die Erfolge sind beachtlich: In der Summe konnten seit 2010 in der Tierhaltung etwa 240 000 Tonnen Überseesoja eingespart werden; das sind über ein Viertel des bisherigen Imports von ca. 800 000 Tonnen. Dies ist in erster Linie ein Erfolg der Fütterungsberatung, die ein stärkeres Bewusstsein für den Einsatz von heimischen Futtermitteln wie Rapsschrot, Molke und Biertreber bei den Landwirten bewirkte. SUB 1-2/2016 LEGUMINOSEN So ist in der Rinderfütterung seit 2010 der Anteil von Sojaschrot um 37 Prozent (160 000 Tonnen) zurückgegangen. Auch im Bereich der Schweinefütterung wird Soja immer effizienter eingesetzt. Vor allem durch eiweißsparende Fütterungsstrategien und Erschließung von heimischen Eiweißträgern konnte die verfütterte Sojamenge im gleichen Zeitraum um 21 Prozent (80 000 Tonnen) reduziert werden. Bei der Geflügelfütterung haben Fütterungsversuche gezeigt, dass Soja in den Futterrationen gut ergänzt oder durch Sonnenblumenextraktionsschrot oder Erbsen ersetzt werden kann. Dass Legehennenfütterung mit heimischen Eiweißkomponenten funktioniert, zeigen Praxisbeispiele wie die Legehennenbetriebe im regionalen Vermarktungsnetzwerk „Unser Land“. Beim Kauf von Eiern ist der Verbraucher eher bereit einen Mehrpreis an der Ladentheke zu zahlen. So sind regionale Markenprogramme sowie Sojaaufbereiter entscheidende Akteure in dieser Wertschöpfungskette. Auch die Möglichkeit der Grünfuttertrocknung – sei es auf hofeigenen Heubelüftungsanlagen, oder zusammen mit den Trocknungsgemeinschaften – leisten einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung wertvoller Eiweißfuttermittel. Hier setzt das bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL) zur Förderung von Heubelüftungsanlagen auf Basis regenerativer Energien oder auch die im letzten Jahr auf den Weg gebrachte einmalige Sonderförderung von Grünfuttertrocknungsbetrieben an. Leguminosenanbau stark gestiegen Auch der Anstieg des Anbauumfangs von Körnerleguminosen um 74 Prozent auf 32 000 Hektar ist beachtlich und ein Indikator für den Erfolg der Eiweißinitiative. Die deutliche Ausweitung im letzten Jahr wurde zusätzlich durch die vorteilhafte Anrechnung beim Greening mit einem Gewich- SUB 1-2/2016 Überregionale Kooperationen Bayern war und ist mit der Eiweißinitiative Impulsgeber und Trendsetter im Bund – sowie weit darüber hinaus. So sind auch in anderen Bundesländern wie Baden Württemberg oder Niedersachsen zwischenzeitlich Eiweißinitiativen entstanden, die mit der Bayerischen Initiative vernetzt sind. Im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie des Bundes ist die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) für die bundesweite Projektkoordination und das Datenmanagement des Soja-Netzwerkes verantwortlich. Bundesweit werden auf 120 Leuchtturmbetrieben aktuelle Fragen zum Sojaanbau behandelt und auf Veranstaltungen – wie im Herbst 2015 in Freising – dargestellt. Zudem werden modellhafte Wertschöpfungsketten im Futter- wie im Lebensmittelsektor konzipiert. Auf Ebene der Europäischen Union tritt der österreichische Verein Donausoja für einen nachhaltigen, GVO-freien Sojaanbau ein. Bayern gehört zu einen der ersten Mitunterzeichner der Donau-Soja-Erklärung und ist mit den Akteuren vernetzt. So wird in Europa bereits knapp eine Million Hektar Soja angebaut – mit erheblichen zusätzlichen Potentialen in der Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien und Ungarn. Bereits in 2015 wurden dort 7,5 Mio. Tonnen GVOfreies Soja produziert. Ausblick Wie auch die Ergebnisse zeigen, war es richtig, von Anfang an auf starke Praxisorientierung zu setzen. Staatsminister Helmut Brunner hat bei seiner Vorstellung der Zwischenergebnisse im Bayerischen Landtag auch deshalb die gute Arbeit der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 65 LEGUMINOSEN → Anbau von Körnerleguminosen wieder attraktiv tungsfaktor von 0,7 und dem neuen bayerischen KULAP u. a. mit dem erhöhten Anteil für Leguminosen in der vielfältigen Fruchtfolge von 10 Prozent wesentlich unterstützt. Gerade bei großen Ackerbaubetrieben fand die neue Variante zugunsten großkörniger Leguminosen rege Nachfrage. Wie die Anbauzahlen zeigen, konnte die Sojaanbaufläche kontinuierlich auf knapp 7 300 Hektar gesteigert werden. Damit wurde das in 2011 gesteckte Ziel, die Sojaanbaufläche auf 5 000 Hektar zu verdoppeln, bereits in 2015 weit übertroffen. Daneben konnte auch der Anbau von Luzerne und Ackerbohnen seit 2011 kontinuierlich auf rund 12 000 bzw. 6 000 Hektar ausgedehnt werden. Um den Leguminosenanbau nachhaltig zu etablieren, sind weitere Anstrengungen zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit erforderlich. Ansatzpunkte sind die innerbetriebliche Verwertung, die Vernetzung von Marktfruchtbetrieben und Tierhaltern sowie die Qualitätssicherung und Bündelung von Waren für größere Abnehmer. LEGUMINOSEN der Landesanstalt für Landwirtschaft und der Verbundpartner, des Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung (LKP) und des Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV) hervorgehoben. Bayern hat für die die Bayerische Eiweißinitiative seit 2011 erhebliche Mittel eingesetzt (siehe Infobox 2). Die daraus und aus den Anreizen von Greening und dem neuem KULAP entstandene Dynamik gilt es zu nutzen, um den weiter gültigen strategischen Ziele der Initiative immer näher zu kommen: →→ Geringere Abhängigkeit in Bayern von Eiweißimporten aus Übersee in der Fütterung von Rindern, Schweinen und Geflügel; →→ Eiweißbedarf in der ökologischen Tierhaltung in Bayern ausschließlich aus heimischer Erzeugung decken; →→ Grünland und Leguminosen in Bayern nachhaltig fördern; →→ Wertschöpfung von heimischen Eiweißpflanzen stärken und →→ Fortführung der GVO-freien Fütterung in den staatlichen Versuchsbetrieben. Die Eiweißinitiative ist zu einem Erfolgsmodell geworden und sollte im Jahr der Hülsenfrüchte Anlass sein, das Erreichte nach außen darzustellen. Die Dynamik gilt es auch in Zukunft bayernweit weiter auf allen Ebenen für weitere Fortschritte zu nutzen. Hier steht auch das Koordinatorenteam im Arbeitsschwerpunkt Eiweiß der LfL begleitend zur Verfügung. Weitere Informationen zur Bayerischen Eiweißinitiative im Internet unter http://www.stmelf.bayern.de/cms01/agrarpolitik/001128/index.php Infobox 2: Finanzierung der Bayerischen Eiweiß initiative Für die bisherigen Forschungs- und Beratungsprojekte wurden von 2011 bis 2014 zwischenzeitlich 3,8 Mio. Euro bereitgestellt. Für 2015 und 2016 stellt das StMELF weitere 1,8 Mio. € für einen breiten Themenbereich bereit: • Forschung und Entwicklung mit Weiterentwicklung innovativer Ansätze • Demonstrationsbetriebe als Kooperationspartner zur Förderung des Wissenstransfers und der Umsetzung in die Praxis • Integration des Themas heimische Eiweißfütterung und Leguminosenanbau in der Aus- und Weiterbildung an der LfL und den Ämtern • Vernetzung von Marktakteuren sowie Unterstützung von Weiterentwicklung und Aufbau von Wertschöpfungsketten • Überregionale Kooperation mit Partnern zum Thema Eiweiß • Öffentlichkeitsarbeit PAUL V. PERGER JOHANNES ANGLSPERGER BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN [email protected] [email protected] LEGUMINOSEN Verleihung der Jahressonderpreise für innovative Ideen 2011 – 2014 Am 11. Dezember 2015 wurden im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat in Nürnberg die Jahressonderpreise für innovative Ideen 2011 – 2014 verliehen. Dabei wurden Vorschläge, die sich durch besondere Leistungen auszeichnen (z. B. hoher Nutzen, Anwendungsbreite, Grad der Ausarbeitung, Kreativität etc.) ausgezeichnet. Die Urkundenverleihung und Vorstellung der Preisträger erfolgte durch Staatssekretär Albert Füracker, MdL. Der Geschäftsbereich des StMELF wurde 66 mit zwei Innovationen berücksichtigt. So wurde aus dem Bereich Landwirtschaft (AELF Kitzingen) ein Excel-Programm zur Vereinfachung der Prüfdienstkontrollen zu den komplexen Erosionsschutzvorgaben prämiert (siehe SuB 1/2013), aus dem Bereich Forst die automatisierte Erstellung eines „Nachhal→ Preisträge (von links: Staatssekretär Albert Füracker, tigkeitsplans“ für private WaldBernd Nickel (AELF Kitzingen), Bernd Kuchenbrod (AELF besitzer (AELF Landau a. d. Isar). Kitzingen), Martin Dickgießer (AELF Landau a. d. Isar) StMELF SUB 1-2/2016 LEGUMINOSEN Leguminosenanbau in Bayern Auswertung der InVeKoS-Daten 2014 und 2015 von SABINE BRAUN, CHRISTINA NADLER und MARTINA HALAMA: Die Veränderungen der agrar- und förderpolitischen Rahmenbedingungen (Greening, KULAP) führten zu einer starken Ausweitung des Leguminosenanbaus in Bayern. Besonders hervorzuheben ist die Verdopplung der konventionellen Leguminosenfläche von 19 350 auf 38 890 Hektar von 2014 auf 2015. Die flächenstärksten Kulturen stellen Erbsen (14 670 ha), Luzerne (11 740 ha) und Sojabohnen (7 200 ha) dar. Tierhaltende Betriebe sind mit einem Anteil von 75 Prozent für den Großteil des konventionellen Leguminosenanbaus verantwortlich. Ob sich die Leguminosen auch langfristig in den Fruchtfolgen etablieren, ist derzeit noch unklar. Um bestehende Herausforderungen anzugehen, sind weitere Aktivitäten im Bereich der Forschung und des Wissenstransfers notwendig. Verdoppelung im konventionellen Landbau Der im Jahr 2015 verzeichnete Anstieg der Leguminosenfläche ist ausschließlich auf Veränderungen in konventionellen Betrieben zurückzuführen, während der Flächenumfang und die Anbaustruktur im Ökolandbau weitestgehend unverändert blieben (Abbildung 1). In der konventio- SUB 1-2/2016 nellen Erzeugung ist einerseits eine Verdopplung der Leguminosenfläche von 19 350 auf 38 890 Hektar und ein gleichzeitiger Rückgang der Kleegrasfläche von 74 800 auf 58 300 zu beobachten. Der Rückgang des Kleegrases hat somit die Steigerung der Leguminosenfläche nahezu ausgeglichen. Betrachtet man die Gruppe aller Betriebe mit Leguminosenanbau (inkl. Kleegras und Gemenge) im bayerischen Gesamtdurchschnitt, so blieb im Betrachtungszeitraum 2014 und 2015 der Anteil der Nicht-Leguminosenfläche mit 87 Prozent zwar konstant, jedoch erhöhte sich der Anteil der Leguminosen in Reinkultur von drei auf fünf Prozent, während der Anteil des Kleegrases, von zehn auf acht Prozent abnahm. Im ökologischen Landbau blieb die Anbaustruktur mit 13 Prozent Leguminosen, 23 Prozent Kleegras und 64 Prozent Nicht-Leguminosen unverändert. Greening und KULAP schaffen Anreize zum Anbau 80 Prozent der konventionellen Leguminosenfläche ist als Ökologische Vorrangfläche (ÖVF) angemeldet. Dies zeigt, dass die Möglichkeit, Leguminosen mit einem Faktor von 0,7 als Ökologische Vorrangfläche anzurechnen, gut angenommen wurde. Weitere Förderung erfährt der Leguminosenanbau durch die KULAP-Maßnahme „Vielfältige Fruchtfolge“ (A31, B44, B45). Während als Ökologische Vorrangfläche nur Leguminosen in Reinkultur angemeldet werden können, sind über die „Vielfältige Fruchtfolge“ im KULAP auch Kleegras und andere Mischungen (z. B. Gemenge aus Körnerleguminosen und Getreide) förderfähig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der geforderte Leguminosenanteil in der Fruchtfolge in dieser Maßnahme von 2014 auf 2015 von fünf auf zehn Prozent erhöht wurde. Gemessen an 67 LEGUMINOSEN Der Anbau von Leguminosen spielt in Bayern, gemessen an seinem Flächenumfang, nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Die Einführung des Greening 2015 und die wachsende Nachfrage nach regionalen und GVO-frei erzeugten Lebensmitteln kommen jedoch der Erzeugung heimischer Eiweißfuttermittel zugute. Lag die Leguminosenfläche (sofern nicht anders gekennzeichnet, schließt der Begriff Leguminosen Kleegras und Leguminosenmischungen mit Getreide aus) mit einem Anteil von 1,42 Prozent an der Gesamtackerfläche 2014 noch bei etwa 29 350 Hektar, so stieg sie 2015 auf 48 740 Hektar bzw. 2,37 Prozent der Gesamtackerfläche in Bayern an. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Beratung veränderte Voraussetzungen. Interessant ist nicht nur, wo die einzelnen Leguminosenarten in welchem Umfang angebaut werden, sondern auch, ob Verwertungsmöglichkeiten in den jeweiligen Betrieben selbst bestehen. Welche Ansatzpunkte für die Verwertung oder Vermarktung von Leguminosen ergeben sich daraus? Grundlage dieser Auswertung ist eine Datenabfrage (November 2015) der InVeKoS-Datenbank zum Umfang des Leguminosenanbaus auf Ebene der Regierungsbezirke. Gruppiert wird nach Wirtschaftsweise (konventionell, ökologisch), betrieblicher Ausrichtung in der tierischen Erzeugung und Leguminosenarten. LEGUMINOSEN zent) und geflügelhaltenden Betrieben (1 Prozent). 40 000 Während der Fokus des Luzerneanbaus deutlich bei 35 000 den überwiegend rinderhaltenden Betrieben liegt 30 000 (74 Prozent), werden SojaSonstige Hülsenfrüchte bohnen zu nahezu 50 Pro25 000 Luzerne zent von MarktfruchtbetrieKlee ben angebaut. Der Erb20 000 Sojabohnen senanbau verteilt sich zu Ackerbohnen (inkl. GPS) rund 47 Prozent auf rinder15 000 Erbsen (inkl. GPS) haltende Betriebe, zu 25 auf 10 000 Marktfrucht- und zu 25 Prozent auf schweinehaltende 5 000 Betriebe (Abbildung 2). Die Ackerbohnenfläche ist na0 000 hezu gleich verteilt. Zu be2014 2015 2014 2015 rücksichtigen ist an dieser konventionell ökologisch Stelle, dass im Rahmen der *Sonstige Hülsenfrüchte fassen folgende Kulturen zusammen: Lupinen (inkl. GPS), Wicken, Esparsette, InVeKoS-Daten gewerbliSeradella (und andere kleinkörnige Leguminosen), Gemenge aus Erbsen und Ackerbohnen, Klee-Luzerneche Betriebe nicht erfasst Gemisch, Samenvermehrung von Klee oder Luzerne. werden. Damit bleibt insbe→ Abbildung 1: Leguminosenanbau 2014 und 2015 in Bayern * sondere im Hinblick auf den tatsächlichen Leguminosenanbau bei Schweine- und Geder Gesamtfläche der insgesamt im KULAP förderfähigen flügelbetrieben eine große Unschärfe bestehen. Leguminosen (inkl. Kleegras und Gemenge) lag der Anteil Insgesamt konzentriert sich der Leguminosenanbau in der Flächen der „Vielfältigen Fruchtfolge“ 2014 noch bei Betrieben mit geringer Viehdichte. Mehr als 50 Prozent des 20 Prozent und erhöhte sich 2015 auf 33 Prozent. Während Leguminosenanbaus fällt auf Betriebe mit weniger als eidie Kleegrasfläche nur einen leichten Anstieg von rund ner Großvieheinheit pro Hektar. Damit beachtet die Praxis, 16 000 auf 18 000 Hektar erfuhr, verzeichneten die Legumi- dass Leguminosen am besten in Fruchtfolgen passen, in nosen in Reinkultur eine deutliche Steigerung um das denen geringere Mengen an organischen Düngern zum 3,5-fache, von 6 900 Hektar auf 23 800 Hektar. Dies ver- Einsatz kommen. Im Ökologischen Landbau verteilt sich deutlicht, dass der Anstieg der Leguminosenfläche in die- die Leguminosenfläche etwa gleichmäßig auf Marktfruchtser KULAP-Maßnahme durch Leguminosen in Reinkultur und Tierhaltungsbetriebe. getragen wurde, die auch als ÖVF anerkannt werden. Welcher Anteil davon auch als ÖVF gemeldet wurde, wurde Regionale Schwerpunkte des Legumionsenanbaus nicht analysiert. Die ausgewerteten Zahlen sprechen je- Die regionalen Unterschiede im Leguminosenanbau sind doch dafür, dass Synergieeffekte von Greening und KULAP in Abbildung 3 dargestellt. In Oberbayern, Niederbayern von der Praxis genutzt wurden. und Schwaben ist das Verhältnis der Körnerleguminosen (Erbse, Ackerbohne und Soja) weitestgehend ausgegliLeguminosenanbau und Tierhaltung chen, mit einem Schwerpunkt des Sojaanbaus in OberbayDer Anbau der Leguminosen verteilt sich im konventionel- ern. In Oberfranken und der Oberpfalz liegt der Schwerlen Landbau zu 75 Prozent auf tierhaltende Betriebe und zu punkt der Körnerleguminosen im Erbsenanbau, was den 25 Prozent auf Marktfruchtbetriebe*). Überwiegend rinder- dort vorherrschenden Bedingungen von sandigen, eher haltende Betriebe *) haben mit 56 Prozent den größten An- leichten Böden und dem eher trockenen Klima entspricht. teil gegenüber vorwiegend schweinehaltenden (15 Pro- Angepasst an die geringeren Niederschläge überwiegt in LEGUMINOSEN ha 45 000 *) Als Marktfruchtbetriebe werden Betriebe mit insgesamt weniger als drei Großvieheinheiten angesehen. Als Betriebe mit einer überwiegenden Tierart (Rind, Schwein, Geflügel) werden Betriebe bezeichnet, deren gesamtbetriebliche Großvieheinheiten zu mehr als 50 Prozent zu dieser Tierart gehören. **) 68 SUB 1-2/2016 LEGUMINOSEN 14 000 12 000 10 000 8 000 Überwiegend sonstige Tiere Überwiegend Geflügelhaltung 6 000 Überwiegend Schweinehaltung Überwiegend Rinderhaltung ohne Tierhaltung 4 000 2 000 0 000 2014 2015 2014 2015 Erbsen (inkl. GPS) Ackerbohnen (inkl. GPS) 2014 2015 Sojabohnen 2014 2015 Klee 2014 2015 2014 Luzerne 2015 Sonst. Leguminosen → Abbildung 2: Leguminosenanbau (konventionell) nach betrieblicher Ausrichtung in der Tierhaltung Herausforderungen und Ausblick Die Einführung des Greening und die Aufstockung der KULAP-Maßnahme „Vielfältige Fruchtfolge“ haben dazu geführt, dass 2015 in Bayern mehr Leguminosen in den Fruchtfolgen integriert waren als in den Vorjahren. Dies ist im Hinblick auf Ökologie, regionale Wirtschaftskreisläufe und heimische Eiweißversorgung eine positive Entwicklung. Offen bleibt an dieser Stelle die Frage, was die Motivationen der Betriebsleiter für den Leguminosenanbau waren und wie sich der Leguminosenanbau in den nächsten Jahren entwickeln wird – insbesondere vor dem Hintergrund der pflanzenbaulich schwierigen Bedingungen des Jahres 2015. Auch die Frage nach der Verwertung und Ver- SUB 1-2/2016 Infobox 1: Die Bayerische Eiweißinitiative Die Bayerische Eiweißinitiative wurde 2011 vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Anbau, Produktion und Nutzung heimischer Eiweißfuttermittel zu fördern und dadurch den Einsatz von importierten Eiweißfuttermitteln aus Übersee zu reduzieren. Praxisorientierte Forschungsprojekte in allen relevanten Bereichen bilden die Grundlage für den Wissenstransfer in Bildung, Beratung und Praxis. Weitere Informationen finden sie unter www.lfl.bayern.de/eiweiss marktung der Körnerleguminosen kann anhand der InVeKoS-Daten nicht beantwortet werden. Es lassen sich jedoch Zusammenhänge erkennen: 50 Prozent der Sojafläche in Bayern wird von Marktfruchtbetrieben bewirtschaftet. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Soja derzeit die wirtschaftlichste Körnerleguminose für Marktfruchtbetriebe ist. Die Vermarktungsstrukturen bei Ackerbohnen und Erbsen sind nur wenig 69 LEGUMINOSEN Mittelfranken der Luzerneanbau. In Mittelfranken ist darüber hinaus der Anteil der Leguminosen an der Gesamt ackerfläche mit 3,5 Prozent am höchsten in Bayern, gefolgt von Unter- und Oberfranken mit 3,1 bzw. 2,9 Prozent. 2015 war über alle Regionen in Bayern hinweg ein schwieriges Jahr für den Leguminosenanbau. Die Trockenheit führte, je nach Standort und Region, zu starken Ertragseinbußen und Totalausfällen. Selbst die Luzerne, die für ihre Trockentoleranz bekannt ist, konnte nur unterdurchschnittliche Erträge hervorbringen. LEGUMINOSEN 10 000 Um den Leguminosenanbau langfristig zu 9 000 stärken, ist es notwendig, 8 000 dass sich stabile und ökonomische Verwertungs7 000 möglichkeiten etablieren. 6 000 Wichtige Ansatzpunkte daSonstige Hülsenfrüchte für sind eine Ausweitung 5 000 Luzerne der innerbetrieblichen Ver4 000 Klee wertung, direkte LieferbeSojabohnen ziehungen zwischen Markt3 000 Ackerbohnen (inkl. GPS) fruchtbetrieben und Tier2 000 haltern auf regionaler Erbsen (inkl. GPS) Ebene und die Weiterent1 000 wicklung von Erfassungs0 000 strukturen. Zudem sind weitere Forschungsarbeiten in den Bereichen der Pflanzenzucht, dem Pflanzenbau und der Tierernährung notwendig. Durch be→ Abbildung 3: Leguminosenanbau 2015 in den Regierungsbezirken (ökologisch und konventionell). Angaben gleitende Maßnahmen in in Klammern geben den Anteil der Leguminosen an der Gesamtackerfläche des Regierungsbezirks an Beratung und Wissenstransfer gilt es, gemeinsam mit den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Infobox 2: Das UN-Jahr der Hülsenfrüchte LEGUMINOSEN Das Jahr 2016 wurde in der Resolution 68/231 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte erklärt. Die Resolution betont, dass Hülsenfrüchte eine wichtige Quelle pflanzlichen Eiweißes für Mensch und Tier auf der ganzen Welt sind. Ziel des Internationalen Jahrs der Hülsenfrüchte ist eine Stärkung des Bewusstseins der Öffentlichkeit für den Nutzen von Hülsenfrüchten und die weltweite Stimulation des Anbaus, der Nutzung und der Wertschöpfung von Hülsenfrüchten. Weitere Informationen finden Sie unter www.fao.org/pulses-2016/en/ etabliert und die Rentabilität blieb in den letzten Jahren meist hinter anderen Mähdruschfrüchten zurück. Ackerbohnen und Erbsen finden ihren Anbauschwerpunkt in viehhaltenden Betrieben. Ein Grund hierfür kann sein, dass sie sich in Milchvieh- und Schweinerationen ohne Aufbereitung integrieren lassen. Bei innerbetrieblicher Verwertung stellt sich die Wirtschaftlichkeit in der Regel besser dar als im Verkauf. 70 SABINE BRAUN CHRISTINA NADLER MARTINA HALAMA BAYERISCHE LANDESANSALT FÜR LANDWIRTSCHAFT INSTITUT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT UND AGRARSTRUKTUR [email protected] [email protected] [email protected] SUB 1-2/2016 Gute Vorsätze 2016 Oh Herr, du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde. Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen. Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein. Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben. Aber du verstehst, oh Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte. Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zum Wesentlichen zu gelangen. Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen. Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte keine Heilige sein mit ihnen lebt es sich so schwer –, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels. Lehre mich, an anderen Menschen unerwartet Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen. Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann. Theresa von Avila (1515 – 1582) IMPRESSUM Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ISSN: 0941-360X Internet: www.stmelf.bayern.de/SuB Abonnentenservice: Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Porschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-371, Fax +49 871 9522-399 Kontakt: Schriftleitung: Angelika Spitzer Porschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-394, Fax +49 871 9522-399 [email protected] Die in „Schule und Beratung“ namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung des Autors wieder. Eine Überprüfung auf fachliche Richtigkeit ist nicht erfolgt. Redaktionsschluss für Heft 4-5/2016: 1. März 2016 Titelbild: Susanne Krapfl, Fachzentrum Alm- und Alpwirtschaft in Holzkirchen
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