SWR2 Tandem

SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
Magier an der Gitarre
David Gilmour wird 70
Autor:
Christiane Rebmann
Sprecher:
Peter Binder
Redaktion:
Bettina Stender
Sendung:
Freitag, 04.03.2016 um 19.20 Uhr in SWR2
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Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
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MANUSKRIPT
Magier an der Gitarre – David Gilmour wird 70
Autorin: Christiane Rebmann
Sprecher: Peter Binder
O-Ton
Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, wo ich zufrieden mit meinem Leben bin.
Ich bin nicht religiös. Und ich habe auch keine wirkliche Angst mehr vor der Zukunft.
Da schwingt allerdings auch so eine leichte Resignation mit, wegen der Erfahrungen,
die ich gemacht habe. Aber insgesamt bin ich zufrieden und glücklich.
Seit David Gilmour Ende der 1960er Jahre bei der britischen Band Pink Floyd
einstieg, gilt er als einer einflussreichsten Musiker und besten Gitarristen der Welt. Er
ist maßgeblich für bahnbrechende Alben wie „Wish You Were Here“ und „The Dark
Side Of The Moon“ verantwortlich. Auch heute, gut 20 Jahre nach dem Ende von
Pink Floyd, ist der Multiinstrumentalist noch aktiv. Das letzte seiner vier Soloalben
erschien 2015. Seine Songs schreibt der Vater von acht Kindern und Hobbypilot oft
mit Hilfe seiner zweiten Ehefrau, der Schriftstellerin Polly Samson.
Magier an der Gitarre – David Gilmour wird 70. Eine Sendung von und mit Christiane
Rebmann
1. Song: Wish you were here
„Wish you were here“ von 1975 gehört zu David Gilmours Lieblingswerken aus der
Pink Floyd Zeit.
David Jon Gilmour kam am sechsten März 1946 in Grantchester Meadows bei
Cambridge zur Welt. Sein Vater war Professor für Zoologie, seine Mutter Lehrerin. Er
wuchs unter der Obhut eines Kindermädchens auf.
Auch wenn er heute nur noch selten dorthin fährt - Er hat gute Erinnerungen an
Cambridge. So schwärmte er in einem unserer Interviews, es sei ein fantastischer
Ort zum Aufwachsen gewesen: „Ein Drittel des Jahres ist es einfach nur eine
beschauliche Stadt mit einem schönen Marktplatz, auf dem man hauptsächlich die
Einwohner trifft, zwei Drittel des Jahres wird es von Tausenden von Studenten
überflutet. Dann herrscht in der Stadt eine Atmosphäre wissenschaftlicher Neugier.
Alle fahren mit dem Fahrrad herum. Außerdem ist man in zehn Minuten in der freien
Natur. Es war eine gute Umgebung für mich, schon, weil es da auch diese florierende
Musikszene gab.“
David fing mit neun Jahren an, Gitarre zu spielen. Er brachte sich die Technik selbst
bei, nach einem Lehrbuch. Ab Mitte der 60er Jahre spielte er in diversen lokalen
Bands mit, darunter Joker’s Wild, die allerdings nicht sehr erfolgreich war. Er
unterbrach sein Sprachenstudium, zog mit seinem Freund Syd Barrett als
Straßenmusiker durch Frankreich und Spanien und landete wegen Unterernährung
im Krankenhaus. Bei einem zweiten Besuch in Frankreich gelang es ihm, einen Job
als Sessionmusiker für den Filmsoundtrack zu „Two Weeks in September“ mit Brigitte
Bardot zu ergattern.
1968 wurde er von Nick Mason gebeten, in einer Band namens Pink Floyd
mitzuspielen, neben Syd Barrett und einem weiteren Freund aus der Schulzeit,
Roger Waters.
Doch Barretts Drogen-Absturz, sein psychischer und physischer Verfall, waren nicht
mehr aufzuhalten. Er verließ die Band, und so übernahm Gilmour neben der Gitarre
gemeinsam mit Roger Waters auch den Gesang und das Songwriting bei Pink Floyd.
2. Song: Shine on you crazy diamond
Als Gilmour und seine Kollegen 1975 an den Aufnahmen zu „Wish you were here“
arbeiteten, kam ein leicht aufgeschwemmter, glatzköpfiger Fremder ins Studio und
drückte sich dort ein bisschen im Hintergrund herum. Irgendwann realisierten die
Musiker: Das ist Syd Barrett. Der ehemalige Gefährte war durch seine psychischen
Krankheiten und deren Behandlung auch äußerlich gezeichnet. Um diese
Wiederbegegnung ranken sich seit Jahrzehnten viele Schilderungen, unter anderem,
dass sie just in dem Moment stattfand, als die Band gerade das Stück „Shine on you
crazy Diamond“ einspielte, das sie Barrett widmen wollte. Gilmour äußert sich sehr
zurückhaltend und auch nicht sehr emotional zu dieser Geschichte.
O-Ton
Ich erinnere mich nur, dass er plötzlich auftauchte, als wir an unserem Album „Wish
you were here“ arbeiteten. Ich kann mich nicht mehr an das erinnern, was wir damals
gesagt haben. Und ich glaube auch nicht, dass sich irgendjemand von uns daran
erinnert. Ich kann auch nicht mehr sagen, ob wir damals gerade den Song „Shine on
you crazy Diamond“ aufgenommen haben. Im Laufe der Zeit wurde diese Geschichte
durch immer mehr Details aufgebläht. Wahrscheinlich stimmen viele dieser Details
nicht.
3. Song: Signs of life ((Wassergeräusche))
O-Ton
Wasser hat eine starke Wirkung auf mich. Es ist sehr wichtig für mich. Ich bin gern
von Wasser umgeben. Ich arbeite auf dem Wasser, und ich lebe in einem Haus, an
dem ein Fluss vorbeifließt.
Für Interviews lädt David Gilmour deshalb gern auf sein Studio-Hausboot Astoria auf
der Themse.
O-Ton
Es ist schön hier, nicht wahr? Das ist ein guter Platz zum Arbeiten. Wenn ein großes
Schiff vorbeifährt, schaukelt es manchmal ein wenig. Wir merken das gar nicht mehr.
Aber manchmal sind ja auch Leute an Bord, die nicht oft Boot fahren und das
Schaukeln nicht gewohnt sind. Die denken dann, mit ihrem Gehirn stimmt was nicht.
Wenn die dann anfangen, komisch zu gucken, weil ihnen schlecht wird, sagen wir:
„Guck auf die Rollos da hinten. Wenn sich die bewegen, dann weißt du, dass das
Schiff schaukelt.“
Hier schreibt er seine Songs. Hier sind viele der späten Pink Floyd Songs entstanden
und auch ein Teil des Materials seiner vier Soloalben. Begonnen hatte er seine
Solokarriere 1978 mit dem Album „David Gilmour“.
4. Song: There's No Way Out of here
1984 nahm er sein zweites Soloalbum „About Face“ auf.
Es war auch sein Weg, sich von den Streitigkeiten mit seinem Kollegen Roger
Waters zu erholen. Sie dominierten inzwischen die Arbeit mit Pink Floyd.
O-Ton
Die Phase, in der „About Face“ entstand, war eine verrückte Phase, weil Roger
technisch gesehen noch bei Pink Floyd dabei war. Aber er hatte schon klar gemacht,
dass er die Band verlassen wollte und dass es vorbei war. Er war nur eben noch
nicht gegangen. Deshalb hatten wir nicht die Freiheit, einfach weiterzumachen und
das zu tun, was wir dann später mit „A Momentary Lapse of Reason“ taten.
Unsere Beziehung zu ihm war total kaputt. Ich wollte aber unbedingt arbeiten. Und
so suchte ich mir damals ein paar richtig brillante Musiker, um das Album
aufzunehmen. Diese Musiker sorgten dann wohl dafür, dass es anders klang als Pink
Floyd. Ich habe mich zu der Zeit auch gescheut, den Sound zu sehr nach Pink Floyd
klingen zu lassen.
Aber meine Stimme war nun mal lange Zeit d i e Stimme von Pink Floyd, meine
Gitarre macht eines der Hauptelemente des Sounds von Pink Floyd aus. Deshalb ist
es unvermeidlich, dass ein SoloAlbum von mir ein wenig nach Pink Floyd klingt. Ich
finde das auch nicht schlimm.
5. Song: Blue Light
Das hochkarätige Musikerteam, das er sich ins Studio holte, bestand aus Jeff
Porcaro, Pino Palladino, Jon Lord und Steve Winwood.
O-Ton
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich lange und gründlich darüber nachgedacht
hatte. Aber in Wirklichkeit ist es so: Wenn ich jemanden brauche, frage ich mich:
„Wer würde das jetzt gut hinbekommen?“ Und dann nehme ich das Telefon in die
Hand und rufe denjenigen an. Das geht ganz schnell und einfach.
Hauptsache, er musste nicht mit Roger Waters zusammenarbeiten.
Inzwischen stritt man sich über alles und jedes und längst nicht nur über die
musikalische Ausrichtung, sondern auch über Kleinigkeiten.
1985 verließ Roger Waters die Band, und Gilmour übernahm die Leitung bei Pink
Floyd.
Doch die endlosen Dispute gingen weiter. Zum Beispiel darüber, wer sich welche
Elemente der Pink Floyd Shows ausgedacht hatte und wer nun die Rechte daran
besaß. David Gilmour erzählt, Waters habe schon vor dem Split heimlich einigen der
Firmen, die die Kulissenteile hergestellt hatten, das Copyright abgekauft. So
fingerhakelte man beispielsweise um das fliegende Schwein, das Pink Floyd
ursprünglich in der „In The Flesh“ Show zum Song „Pigs“ über die Bühne fliegen
ließen. „Am Ende zahlten wir ein paar Hundert Pfund pro Show, um unsere Ruhe zu
haben“, sagt Gilmour.
O-Ton ohne Synch
Roger kann der am wenigsten friedliche Pazifist sein, den ich kenne, sagt Gilmour.
O-Ton
Es geht mir nicht darum, der Boss oder der Anführer zu sein. Das interessiert mich
nicht besonders. Ich habe immer sehr gern partnerschaftlich gearbeitet. Jedenfalls
solange in dieser Partnerschaft die Meinung eines jeden gehört und respektiert
wurde. Es geht nun mal nicht, dass in einer Partnerschaft eine Person diktiert, was
die anderen zu tun haben.
6. Song: High Hopes
Gilmour leitete Pink Floyd, bis sich die Band 1995 endgültig trennte. Als die Musiker
ihr letztes reguläres gemeinsames Studioalbum “The Division Bell” aufnahmen, hatte
sich David Gilmour gerade aus seiner ersten Ehe mit dem US Model Ginger
Hasenbein gelöst und die Journalistin und Schriftstellerin Polly Samson geheiratet.
Das war auch in beruflicher Hinsicht ein Glücksfall. „Ich hatte nie gern Texte
geschrieben. Ich drücke mich lieber über mein Gitarrenspiel aus“, sagt er. So ließ er
Polly einen großen Teil dieser Arbeit übernehmen. Sie textete erstmals für das Pink
Floyd Album „The Division Bell“ und später auch für Gilmours Soloalben, unter
anderem „On An Island“ von 2006.
O-Ton
Sie ist ja Schriftstellerin. Und sie ist richtig gut in ihrem Job. Deshalb ist es nur
natürlich, dass wir zusammen arbeiten. Sie geht auf unterschiedliche Arten an die
Texte heran. Manchmal versucht sie, die Dinge aus meinem Blickwinkel zu sehen,
sich in mich hineinzuversetzen. Aber manchmal hört sie sich einfach die Musik an
und überlegt: Was sagt mir die Musik?
7. Song: Blue
Damals leistete sich Gilmour hier und da noch Experimente. Für den Song „Red Sky
at night“ wagte er sich nach wochenlangem Proben zum ersten Mal für
Studioaufnahmen ans Saxofon.
O-Ton
Ich bin sicher, dass einige echte Saxofonisten sagen würden, dass das nicht
besonders gut klingt. Aber mir hat das Spaß gemacht. Ich wollte das schon ganz
lange tun. Ich wollte schon immer sehen, in wieweit ich meine Sensibilität für
Melodien von der Gitarre auf ein anderes Instrument übertragen kann.
Schwierig am Saxofonspielen sei für ihn nicht allein die Fingerarbeit – und die sei
schon schwer genug, sagt er. „Ich habe zwar eine Tonlage ausgesucht, die sich
einfach spielen lässt. Aber die Lippen so zu formen, dass der Ton genau getroffen
wird und dabei wiederum stark genug zu blasen, dass die Vibrati stimmen, das hat
mir viel Übung abverlangt.“
8. Song: Red Sky at Night
David Gilmour lebt mit seiner Familie auf einem Landsitz in der Nähe des Örtchens
Wilsbough Green in der Grafschaft West Sussex. Er hat vier Kinder aus der ersten
Ehe und vier aus der Verbindung mit Polly Samson, darunter Sohn Charles, den
Samson aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe brachte und den Gilmour
adopierte. Charles wurde vor fünf Jahren zu 16 Monaten Haft verurteilt, nachdem er
bei Studentenprotesten gegen Studiengebühren randaliert und unter anderem die
Limousine von Prince Charles demoliert hatte. Er soll unter dem Einfluss eines
Cocktails aus Alkohol, Valium und LSD gestanden haben.
Drogen – zu diesem Thema hat David Gilmour schon zu Pink Floyd Zeiten eine
eindeutige Meinung gehabt.
O-Ton
Ich bin überzeugt, Sie wissen, dass viele Menschen eine Verbindung zwischen
Drogen und Kunst sehen. Sie denken, dass Drogen ihre künstlerischen Fähigkeiten
verstärken. Ich glaube nicht daran. Ich denke allerdings, dass es einige Künstler gab,
die sich mit Drogen ihre künstlerischen Fähigkeiten zerstört haben. Sie haben meist
mit den Drogen angefangen, nachdem sie auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen
Leistungsfähigkeit angelangt waren. Manchmal hat sich das dann überschnitten, und
anfangs haben sie noch nicht bemerkt, dass sie sich mit den Drogen schadeten.
Aber insgesamt bin ich überzeugt, dass Drogen die Kunst zerstören. Sie zerstören
dich physisch. Sie zerstören dein Gehirn. In welchem Ausmaß und wie schnell das
geschieht, hängt von den Drogen und von dem Menschen ab.
Der Verfall seines Jugendfreundes Syd Barrett war ihm ein abschreckendes Beispiel.
Ihm ist auch bewusst, dass die frühen Pink Floyd Alben – vor allem aus der Zeit, als
Syd Barrett noch dabei war, als typische Drogenmusik galten.
O-Ton
Ich habe nie geglaubt, dass man unter Drogen stehen muss, um Musik zu genießen
oder um unsere Musik richtig hören zu können. Bevor ich zu Pink Floyd dazu stieß,
galt die Band schon als psychedelic Band. Ich hab eigentlich nie so richtig gewusst,
was das sein soll. Ich habe auch nie jemanden ermutigt, Drogen zu nehmen, damit er
unsere Musik richtig versteht und sie genießen kann.
9. Song: Set the control for the heart of the sun
Und er selbst hat nie Drogen genommen? Auf hartnäckiges Nachfragen gibt Gilmour
zu, dass er sich am Anfang seiner Karriere auch einige Experimente leistete.
O-Ton
Ich hatte so meine Phasen, was Drogen betrifft. Es ist ja fast unmöglich, als
Rockmusiker durchs Leben zu gehen, ohne mit vielen Drogen konfrontiert zu werden.
Da widersteht kaum jemand. Auch in meinem Leben gab es lost weekends, diese
Wochenenden, von denen ich nicht genau weiß, was sich da abspielte. Aber ich
kann glücklicherweise sagen, dass die Zeit schon sehr sehr weit zurück liegt. Es ist
auch nicht etwas, was ich empfehlen würde.
Zumal schon der Konsum von Marihuana heutzutage wesentlich gefährlicher ist als
in seiner Jugend.
O-Ton
Das Gras, das die Leute heute rauchen, ist zehnmal so stark wie früher. Manche
sagen, es sei 30 oder 40 mal so stark
wie in den 60er Jahren. Und es gibt nun mal Menschen, die besonders anfällig für
die Schädigung durch Drogen sind. Es gibt Menschen, die besonders anfällig für
paranoide Zustände sind. Viele junge Leute schädigen sich dauerhaft. Eines Tages
schlägt es um, und aus einer glücklichen, klugen Person wird ein introvertierter
kaputter Mensch, der nichts mehr auf die Reihe kriegt und der für den Rest seines
Lebens geschädigt
ist.
10. Song: Another brick in the wall
„The Wall“ von 1979, das Album, das den letzten Höhepunkt der Karriere von Pink
Floyd mit Roger Waters markierte.
Wer David Gilmour im Interview gegenübersitzt, erlebt ihn als höflichen, freundlichen,
manchmal humorvollen und meist nachdenklichen Gesprächspartner. Aus der
Reserve lockt man ihn mit dem Thema Roger Waters.
O-Ton
Es wäre mir recht, wenn ich jene Phase zwischen den Filmaufnahmen zu “The Wall”,
den Aufnahmen zu „Final Cut“ bis zu dem Moment, wo Roger die Band endgültig
verließ, aus meinem Leben löschen könnte. Denn das war eine sehr unerfreuliche
Zeit. Und ich habe auch keine Ahnung, wie man da anders hätte rangehen können.
Das lag an der Kombination von Menschen und an dem, was aus diesen Menschen
geworden war. Dazu kamen ein paar äußere Faktoren. Zum Glück ist das ewig her.
Ich kann mich nicht mal mehr genau an alles erinnern. Zum Glück, muss ich sagen.
Es gibt Phasen, bei denen man froh ist, dass man sich an nicht mehr so genau an sie
erinnern kann.
Deshalb reagierte er auch ablehnend, als der Pink Floyd Schlagzeuger Nick Mason
2004 ein Buch über sein Leben mit der Band schrieb und es als offizielle Biografie
herausbringen wollte.
O-Ton
Anfangs wollte er das Buch „The Official History of Pink Floyd“ nennen. Ich war
dagegen. Weil es nicht die offizielle Biographie ist. Nick ist nicht qualifiziert. Er kann
nicht im Alleingang die offizielle Biografie von Pink Floyd schreiben. Deshalb habe
ich mein Missfallen darüber ausgedrückt und gesagt: „Du kannst das Buch nicht so
nennen“. Natürlich kann jeder tun, was ihm beliebt. Wir leben in einem freien Land.
Mein Problem mit diesem Buch ist, dass es voller amüsanter Anekdoten steckt. Es ist
leichte Unterhaltung. Es enthält keinerlei Erkenntnisse darüber, wie wir unsere Alben
gemacht haben, wie unsere Kunst entstanden ist. Das wurde alles durch die lustigen
Erzählungen überdeckt. Ich wollte nicht, dass die Leute denken, dass Nick die Dinge
so geschrieben hat, wie sie geschehen sind. Das stimmt einfach nicht. Dafür fehlt viel
zu viel.
Die Bitterkeit und der Zynismus, mit dem er über dieses Buch spricht, lässt nur
erahnen, wie un-nett die Pink Floyd Mitglieder miteinander umgehen konnten.
Masons Buch sei aus der Sicht einer einzigen Person geschrieben worden,
beschwert sich Gilmour.
O-Ton
Und ich will ja nicht mies klingen, aber er ist der Schlagzeuger. Und deshalb ist seine
Rolle in der Band begrenzt.
Als er das Buch fast fertig hatte, kam er damit rüber in mein Haus. Und ich strich mit
einem Marker all die Passagen an, die nicht stimmten. Jetzt ist es ziemlich korrekt in
Bezug auf das, was drin steht. Ich meine, ein Buch über Pink Floyd sollte doch auch
beschreiben, wie die Musik entstanden ist und warum sie funktioniert hat. So ist es
unvollständig. Es ist aus einem persönlichen Blickwinkel geschrieben. Es ist flach.
Das Buch erschien dann unter dem Titel „Inside Out – a Personal History of Pink
Floyd“.
11. Song: Money
Zwar wirkt David Gilmour nicht eitel, was sein Äußeres betrifft. Die mittlerweile
weißen Haare trägt er irgendwie struppig kurz geschnitten. Auf der Bühne steht er
meist in labbrigem T-Shirt und Jeans. Nur wenn er bei offiziellen Anlässen auftaucht,
trägt er Anzug und manchmal auch Krawatte. Aber dann ist meist seine Frau dabei.
Und sie ist dann auch verantwortlich für das Styling, gibt er unumwunden zu.
Eitel im Sinne von selbstbewusst ist er aber schon.
O-Ton
Natürlich bin ich eitel. Du wirst nun mal kein Rockmusiker, wenn du nicht wenigstens
ein bisschen eitel bist. Ich glaube aber nicht, dass ich sehr eitel bin. Aber es stimmt ich habe ein starkes Ego.
Das zeigt sich auch in der Unbeirrtheit, mit der er seinem Hobby nachgeht. David
Gilmour ist begeisterter Pilot. Er betreibt sogar ein eigenes Museum, in der er seine
Sammlung ausstellt: Es sind hauptsächlich Flieger aus der Zeit um den Zweiten
Weltkrieg herum. Der Kriegsaspekt sei ihm dabei nicht wichtig, sagt er. Die meisten
seiner Maschinen seien eh nur zu Trainingszwecken verwendet worden.
Vor einigen Jahren wäre er bei der Landung fast umgekommen. Darauf
angesprochen wird er einsilbig.
O-Ton
Ja, ich bin schon mal mit einem Flugzeug abgestürzt. Das war nicht so toll. Es war
auch nicht sooo schlimm.
Was war geschehen?
O-Ton
Ich hatte einfach die falsche Entscheidung getroffen.
Ich hatte das, was man eine schlechte Landung nennt. Unter Fliegern sagt man,
dass jede Landung, aus der man aufrecht rausmarschiert, eine gute Landung ist.
Insofern war es eine gute Landung. Aber nur gerade noch eben so.
Seine Frau fliegt seitdem nicht mehr mit ihm, erzählt er mit einer Mischung aus
Bedauern und Belustigung.
Wenn er nicht arbeitet oder sich um seine acht Kinder kümmert, liest er oder hört
Musik. Neben Alben von Bob Dylan, Joni Mitchell und Leonard Cohen legt er auch
gern Klassik auf.
O-Ton
Ich liebe große Streichorchester. Ich mag diesen fantastischen Sound, vor allem
wenn ich mit den Musikern im selben Raum bin. Es ist schwer, das gut
aufzunehmen. Das klingt nie so, wie wenn man mit ihnen in einem Raum ist und
womöglich noch mit ihnen singt. Das ist wunderschön.
Dieses Glück hatte er immer wieder in seiner Karriere. Neuerdings nutzt er aber auch
Geräusche, die er mit seinem iPhone einsammelt. So stammt das Intro im Titelsong
zu seinem vierten Soloalbum „Rattle that lock“ von der französischen
Bahngesellschaft. Es war ihm bei einer Zugreise nach Aix En Provence auf dem
Bahnsteig als Jingle vor den Ansagen aufgefallen. Als Gilmour dem Komponisten
schrieb, er würde gern seine kurze Melodie verwenden, glaubte der zuerst an einen
Scherz und antwortete nicht.
12. Song: Rattle that Lock
Im Liberty Choir, der in diesem Song zu hören ist, singen ehemalige Insassen der
Haftanstalt mit, in der Gilmours Sohn einige Monate einsitzen musste. Im Song geht
es darum, dass man selbst die Initiative ergreifen sollte, wenn man Dinge verändern
möchte, sagte Labour Anhänger Gilmour.
Für den Text zu „Rattle that lock“ ließ sich seine Frau von John Miltons „Das
verlorene Paradies“ inspirieren.
Polly Samson hat chinesische Vorfahren, aber auch Wurzeln in Deutschland. Nicht
nur deshalb hat Gilmour ein besonderes Verhältnis zu den Deutschen. Sowohl mit
Pink Floyd als auch solo konnte er immer auf die Unterstützung der deutschen
Musikfreunde rechnen. Auf seinen Tourneen macht er meist auch bei uns Station.
Und so hat er die Entwicklung des Landes aus der Nähe beobachtet. Vor allem die
Aufenthalte in Ostberlin der DDR sind ihm im Gedächtnis geblieben.
O-Ton
Ich habe ziemlich komische Erinnerungen an meine Besuche dort. Das war ein
Wahnsinnskontrast. Im Westen gab„s Verkehrsstaus, und im Osten gab„s fast keinen
Verkehr. Und in ganz Ostberlin schien es nur ein Restaurant zu geben. Dorthin
gingen wir dann essen.
Ich habe ja einige Zeit in Bielefeld verbracht. Ich habe dort ein paar Freunde. Und
mein Schwiegervater stammt aus Hamburg. Aber er war ein deutscher Jude, und ich
glaube, er hat Deutschland 1938 verlassen. Insgesamt habe ich über die Jahre
einige Zeit in Deutschland verbracht.
13. Song: Girl with a yellow Dress
In „Girl with the yellow dress“ aus seinem neuen Soloalbum „Rattle that lock“ spielte
Gilmour nicht selbst Saxofon, sondern griff auf den Saxofonisten Colin Stetson
zurück.
Er selbst hilft auch immer wieder Kollegen aus. Er erweist sich dabei als
unkompliziert.
O-Ton
Wenn ich an der Platte eines Kollegen mitarbeite, wenn mich zum Beispiel Paul
McCartney bittet: „Kannst du kommen und bei mir mitspielen“, dann gehe ich hin und
spiel so gut wie ich kann. Und wenn er sagt: „Kannst du das mal so und so
ausprobieren“, dann sage ich: „Klar. Ich versuch das.“ Und dann versuche ich es.
Und dann gehe ich wieder. Und der Kollege macht dann damit, was er will. Ich habe
dann nicht das letzte Wort.
So spielte er beispielsweise auf dem Album „Olympia“ seines guten Bekannten Bryan
Ferry mit.
O-Ton Bryan Ferry
Wir sind Freunde, aber wir sehen uns nur, wenn wir gemeinsam arbeiten. Dabei
wohnt er nur fünf Meilen von meinem Landwohnsitz entfernt. Aber er ist verheiratet
und hat viele Kinder. Er lebt sehr zurückgezogen. Und wenn er mal Zeit hat, geht er
seinem Hobby, dem Fliegen nach.
Er ist ein sehr netter Mann, sehr cool, sehr nachdenklich. Und er spielt unglaublich
schön. Dave war ja schon bei meinem 85er Album „Boys and Girls“ dabei.
14. Song: Bryan Ferry: Me oh My
2005 willigte Gilmour ein, sich für die Benefizorganisation Live Aid noch mal für ein
gemeinsames Konzert mit den ehemaligen Pink Floyd Mitgliedern auf die Bühne zu
stellen. Allerdings hatte er sich zuerst geweigert.
O-Ton
Es waren sehr selbstsüchtige Gründe, aus denen ich zuerst ablehnen wollte, bei Live
8 mitzumachen. Am Ende war ich sehr froh, dass ich doch dabei war. Ich hätte es
hinterher bedauert, wenn ich bei meiner Absage geblieben wäre. Ich bin sehr froh,
dass ich mitgemacht habe und so hoffentlich etwas zu dem beitragen konnte, was
Bob Geldof und seine Mitstreiter damit erreichen wollten.
Ansonsten möchte er mit Pink Floyd nicht mehr auftreten. In der alten Besetzung
geht es eh nicht mehr, seit der Keyboarder Rick Wright vor acht Jahren starb. Vor
allem aber schrecken ihn die Dimensionen, in denen bei einem Pink Floyd Konzert
gedacht werden muss.
O-Ton
Ich bin lange Zeit Teil dieser großartigen riesigen Maschine gewesen. Diese
Maschinerie bringt ihre eigenen Probleme mit sich. Das Ganze ist so riesig. Das ist
zu groß für mein jetziges Leben. Ich möchte nicht so groß sein. Ich möchte lieber,
dass ich ein bisschen mehr in Vergessenheit gerate.
Quasi als Endpunkt brachte er vor zwei Jahren das Album „Endless River“ mit
ehemals verschollenen Pink Floyd Aufnahmen heraus.
15. Song: Louder than words
Das Älterwerden sieht er mit einer gewissen Gelassenheit, die er sich im Laufe der
Jahrzehnte zugelegt hat.
O-Ton
Ich hatte früher eine Wahnsinnsangst davor, alt zu werden und zu sterben. Aber ich
bin jetzt darüber weg. Sagen Sie nicht: „Das ist ein schlechtes Zeichen. Der Mann
wird senil.“ Oder: „Er liebt das Leben nicht.“ Ich kann es auch schwer erklären. Ich
glaube, ich habe einfach gelernt, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind.
Das war SWR2 Tandem – mit einer Sendung über den britischen Musiker David
Gilmour - von und mit Christiane Rebmann.
Unser Podcast-und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden
sie im Internet unter SWR2.de/ Tandem.
16. Song: Comfortably numb