Soulfire – Wer wir sind und was wir wollen Teil 1: Eine christliche, evangelische Freikirche Im September 2010 sind wir als Familie nach Köln, ins Eigelsteinviertel, gezogen. Wir sind gekommen mit der Absicht, eine Gemeinde zu gründen. Und zwar eine bestimmte Art von Gemeinde. Gemeinden und Kirchen haben ja unterschiedliche Ausrichtungen, ein unterschiedliches Selbstverständnis und Profil. Das Jahr vor und die ersten 2 Jahre nach dem Umzug waren für uns persönlich eine Zeit, in der viele Ideen und Überzeugungen in uns herangewachsen und gereift sind. Zwei Jahre nach unserem Umzug hatten wir die ersten Testgottesdienste hier in der Torburg. Das war sozusagen unsere Geburt. Seitdem wächst dieses Baby. Gerade in der ersten Zeit ist Veränderung normal. Wir brauchen Geduld und Ausdauer. Das Baby muss alles erst noch lernen. Es ist unselbstständig, bedürftig, man muss sich um alles kümmern... Wie ein menschliches Baby hat diese Gemeinde eine DNA. In der DNA ist angelegt, was für eine Persönlichkeit entstehen wird. Die Gemeinde DNA – das sind unsere Grundwerte, unsere Überzeugungen, unsere Mission, unsere Vision, unsere Dienstphilosophie – egal, wie man es nennen möchte. Vielleicht formuliert nicht jede Kirche oder Gemeinde diese Punkte aus, aber sie sind bei allen präsent. Das zeigt sich dann in der Praxis: man sieht die Überzeugungen einer Gemeinde daran, welche Schwerpunkte sie legt. Außerdem ist es hilfreich, sie ausformuliert vorliegen zu haben, um sich damit auseinanderzusetzen – sowohl diejenigen, die sich als Teil unserer Gemeinde verstehen, als auch für Außenstehende. Für unsere Gemeinde findet man sie auf der Webseite soulfirekoeln.de unter „Dienstphilosophie“. Dieses Dokument ist ebenfalls über einen Zeitraum von vielen Monaten gewachsen, mit viel Feedback von Glaubensgeschwistern, Mentoren und außenstehenden Nichtchristen. Anhand dieses Dokuments möchte ich mir während der nächsten Wochen anschauen, welche Überzeugungen und Träume Soulfire Köln hat. Heute geht es los mit der „historischen und theologischen Verortung“. Hier geht es um unser Selbstverständnis als christliche, evangelische Freikirche. Wir schauen uns Punkte an, die so grundlegend sind, dass man sie für selbstverständlich erachten und deswegen übersehen könnte. Aber das ist nie gut. Es gibt das Sprichwort „The first generation believes it, the second generation assumes it, and the third generation abandons it.“ Die erste Generation glaubt daran, die zweite Generation nimmt es als gegeben, und die dritte Generation gibt es auf.“ Diese Dynamik lässt sich sehr oft und vielerorts beobachten – nicht zuletzt in der Gemeinde. Um sie zu vermeiden also heute diese drei Punkte: Wir sind eine christliche Gemeinde, Wir sind evangelisch, Wir sind eine Freikirche. 1. Wir sind eine christliche Gemeinde a – Wir sind Christen. Natürlich ist jeder Besucher herzlich willkommen – egal, was er glaubt oder auch nicht. Aber die Gemeinde, Soulfire, ist eine Gemeinschaft von Christen. Was gehört zu diesem Glauben dazu? Was muss man glauben, um Christ zu sein? Welche Glaubensinhalte machen eine Gemeinschaft zu einer christlichen Gemeinde? „Unser theologischer Kern ist der klassische, christliche Glaube: das, was alle Christen immer und überall geglaubt haben. Dieser Glaube drückt sich in der Bibel und in den frühen, ökumenischen Bekenntnissen der Kirche (Apostolisches Glaubensbekenntnis, Bekenntnis von Nicäa, Athanasisches Glaubensbekenntnis) aus. Auf dieser Grundlage sehen wir uns mit allen Christen verbunden.“ Bevor Jesus zurück zum Vater ging, versprach er seinen Aposteln den Heiligen Geist. Er würde sie in alle Wahrheit leiten, er würde Jesus bezeugen und damit den Vater verherrlichen. Aus diesem Grund ist die Kirchengeschichte – bei allem Versagen und Scheitern – doch die Geschichte des Heiligen Geistes mit seiner Gemeinde. Der Heilige Geist hat von Anfang an bis jetzt in der Gemeinschaft der Gläubigen gearbeitet. Dabei hat sich bereits sehr früh ein Kern des Glaubens herausgebildet. Auf diesen Kern spielen die neutestamentlichen Autoren bereits an, wenn sie von „dem Glauben“ bzw. von dem „ein für allemal den Christen überlieferten Glauben“ sprechen, der empfangen, bewahrt und weitergegeben werden soll. Wenn die Verheißung von Jesus an seine Gemeinde wahr ist, dann ändert das unseren Blick in die Vergangenheit. Jede christliche Gemeinde oder Kirche muss im Glauben der Apostel verwurzelt sein und den eigenen Glauben auf diesem Weg zurückverfolgen können. Was das praktisch heißt: Wir betonen in aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit die Einheit aller christlichen Kirchen und Konfessionen. Wir sehen uns weder als die einzig wahre noch einzig richtige Gemeinschaft. Wir führen keine Grabenkämpfe an theologischen Nebenkriegsschauplätzen. Wir leben in einer post-christlichen Gesellschaft! Anstatt uns anhand von Unterschieden zu profilieren, halten wir uns an den Kern des christlichen Glaubens. b – Wir sind Gemeinde. Wir sind nicht nur eine Initiative, eine Organisation oder ein Verein. Wir sind Teil vom sogenannten „Leib Christi“, dem Körper von Jesus, unserem Haupt im Himmel. Wir gehören zu seiner Braut, die eines Tages mit ihm Hochzeit feiern wird, zu seiner Stadt, in die Gott selbst eines Tages einziehen wird. Wir sind seine Familie. Jede Ortsgemeinde ist eine Manifestation dieser sonst unsichtbaren Realität. Ich habe das in der Vergangenheit schon mal gesagt, aber ich glaube, dass es wichtig ist: Wer bei einer Gemeindegründung mitmacht, oder sich einer so jungen Gemeinde anschließt, muss an „Gemeinde“ glauben. Denn dieser Glaube wird durch die Erfahrungen hart auf die Probe gestellt! Nicht wenige wenden sich enttäuscht, bitter oder einfach erschöpft ab. Man muss mit menschlichen und persönlichen Enttäuschungen umgehen lernen. Man muss Ausdauer haben. Man wird sich vielleicht fragen: Glaube ich an Gemeinde? Glaube ich an diese Gemeinde? Glaube ich den Verheißungen von Jesus im Bezug auf Gemeinde – dass er sie gewollt und gegründet hat, dass er sie baut und wachsen lässt? Dass Gemeinde sein soll und da ist? Dazu muss ich die Ortsgemeinde anhand von Kriterien beurteilen, die zum Teil nicht sichtbar sind, wie z.B. die Verheißungen und Lehren des NT im Bezug auf Gemeinde. 2. Wir sind evangelisch Wenn du dich evangelisch nennst – könntest du es erklären? Ist evangelisch Sein für dich eine Überzeugungs- und Herzenssache? „Wir gehören zu der Tradition evangelischer Freikirchen. Als evangelische Christen betonen wir sehr stark die Bibel als Grundlage und Richtschnur des Glaubenslebens. Jeder Mensch soll die Bibel verstehen und sich persönlich danach richten können. Evangelisch sind wir, weil wir das Evangelium von derGnade Gottes in Jesus Christus, die allein den Glaubenden rettet, zum Zentrum haben. Dieses Evangelium ist die Existenzberechtigung der Kirche. Das Herzstück dieses Evangeliums bilden die Menschwerdung, der Kreuzestod und die Auferstehung von Jesus Christus. Durch diese historischen Tatsachen hat Gott die Menschen mit sich versöhnt.“ Während die katholischen und orthodoxen Kirchen eher mysterienbetont sind, ist die evangelische Kirche eher wortbetont. Das wird von Anfang an deutlich: Bibelübersetzungen und Unterweisung für's einfache Volk war den Reformatoren ein Riesenanliegen! Damit verbunden war natürlich eine gewisse Emanzipation von der Vormundschaft und Fremdbestimmung durch die Institution und den Machtapparat Kirche. Die Botschaft steht im Mittelpunkt – des einzelnen Christen und der Kirche. Was das praktisch heißt: Wir wollen eine Botschaft weitergeben. Wir wollen verkünden, kommunizieren. Und weil Kommunikation das ist, was ankommt, wollen wir verstanden werden. Wir orientieren uns so konsequent wie möglich am Evangelium der Gnade Gottes. Gottes Annahme geschieht komplett aufgrund seiner Gnade, sichtbar geworden in Jesus Christus am Kreuz. Evangelisch sein heißt, sich ständig mit der Frage zu befassen, inwiefern dieses Evangelium alles überwindet, verändert und erneuert. „Evangelische Christen sprechen nur bei Taufe und Abendmahl von ‚Sakramenten‘ (von Jesus eingesetzte, heilige Rituale, die unseren Glauben auch nach außen verkörpern). Die Taufe markiert den Beginn des Weges als Nachfolger von Jesus, ist öffentliches Bekenntnis zu ihm und zu seiner Gemeinde. Mit dem Abendmahl feiern wir die Beziehung zu Gott, die Jesus durch seinen Opfertod für uns möglich gemacht hat, und suchen darin die Begegnung mit ihm. Jeder, der diesen Glauben und diesen Wunsch mit uns teilt, ist eingeladen, das Abendmahl mit uns zu feiern.“ Wie gesagt: der evangelische Glaube ist traditionell vergleichsweise mysterienarm. Er ist ein sich Konzentrieren auf das ganz Zentrale, eine wenn man so will glaubensästhetisch eher minimalistische Form. Was sich nicht direkt bei Jesus oder in der Schrift findet, wird tendenziell als Beiwerk betrachtet. Deswegen nur diese zwei Sakramente. „Aus der persönlichen Mündigkeit, der Verantwortung vor Gott und dem Glauben an Jesus Christus als alleinigem Mittler zwischen Gott und Menschen ergibt sich die Überzeugung des ‚Priestertums aller Gläubigen‘. Dieser Begriff bedeutet, dass jeder Christ mit seinem ganzen Leben in einem priesterlichen (vermittelnden) Dienst an der Kirche und an der Welt steht.“ Emanzipation und Mündigkeit bedeutet Verantwortung. Evangelische Christen verstehen sich als unabhängig – nicht von Gemeinschaft oder Gemeinde – sondern von einer Klasse von Priestern. Sie betonen die letztendliche Abhängigkeit von Jesus Christus allein. Gleichzeitig lehrt das NT, dass die Gemeinde eine „Nation von Priestern und Königen“ ist. Damit ist auf der einen Seite der Klerus abgeschafft – wenn alle Priester sind, gibt es keine Priester. Gleichzeitig aber auch nicht – denn alle stehen in der Verantwortung, die sie sonst vielleicht lieber weiterdeligiert hätten. Was heißt das praktisch: Wer in einer Freikirche mitmacht, wartet nicht darauf, dass bezahlte Profis alles übernehmen, sondern sieht sich selbst in der Verantwortung und Befähigung. Eine evangelische Kirche, in dem von einem bezahlter Pastor alles erwartet wird, ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Der priesterliche Dienst jedes Christen geht nicht nur nach außen (durch die Vermittlung des Glaubens in meinem Umfeld), sondern auch nach innen (durch den gegenseitigen Dienst durch Gebet und Hilfe in der Gemeinschaft). 3. Wir sind eine Freikirche „Als Freikirche sind wir staatlich unabhängig und erhalten keinerlei Kirchensteuer. Wie die meisten Freikirchen bezeichnen auch wir uns häufig als „Gemeinde“. Historisch gesehen verfolgen wir den Wunsch, die Prinzipien der Reformation (s.o.) wirklich konsequent umzusetzen.“ Am Anfang gab es nur eine Kirche. Die wurde als „katholisch“ bezeichnet – aber nicht wegen Rom, sondern weil es die Universalkirche war. Die Gemeinschaft aller Gläubigen. Dann gab es die erste große Trennung, zwischen Ost- und Westkirche. Die Westkirche kennen wir als „die katholische Kirche“ (RK), die Ostkirche besteht aus den vielen verschiedenen orthodoxen Kirchen. Im späten Mittelalter, mit der Reformation, entstand aus einem mißglückten Erneuerungsversuch bzw. als Protestbewegung gegen die mittelalterliche katholische Kirche die evangelische Kirche. Bei uns kennen wir sie als Landeskirche: lutherisch, reformiert oder uniert. Es entstanden aber auch verschiedene Vorgänger unserer heutigen Freikirchen. Das „frei“ in Freikirche bedeutet zuerst einmal die Freiheit vom Staat. Von einer Vermählung zwischen politischer und kirchlicher Macht halten wir nichts. Deswegen gibt es bei Freikirchen auch keine Kirchen-Steuer. Ironischerweise müssen wir bei Formularen bei 'Religion' „konfessionslos“ angeben – ein totales Paradox für Bekenntnischristen! Versteht man die Freikirchen auf dem Hintergrund der Reformation wird deutlich, dass sie versuchten, die Prinzipien der Reformation (Mündigkeit aller Christen, Priestertum aller Gläubigen, etc.) konsequent und deswegen auch eigenständig umzusetzen. Das sieht man in der Praxis: Die Freikirchen sind die Anarchisten der Kirchengeschichte – wir sind selbstverwaltet, selbstorganisiert und unabhängig. Es gibt keine Zentrale. Freikirchliches Christentum ist eine Grasswurzelbewegung. Flache Hierarchien. Jeder Christ ein Aktivist. Christentum zum selber- und zum mitmachen. Eigenständigkeit wird nicht nur ermuntert, sondern erwartet. Man versucht, im eigenen und direkten Umfeld den Glauben zu bezeugen und zu vermitteln. „Wir verstehen das Christentum in erster Linie als Bekenntnis- und Laienbewegung. Als Bekenntniskirche sind für uns nicht formelle oder nominelle Zugehörigkeit, sondern der persönliche Glaube an das Evangelium und die freiwillige Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft entscheidend. Da persönlicher Glaube und freiwillige Verpflichtung mündigen Personen vorbehalten sind, vertreten wir auch die Gläubigen- und nicht die Säuglingstaufe. Die allermeisten Freikrichen taufen keine Säuglinge, weil Säuglinge noch nicht selber glauben können. Die Erwachsenen- bzw. Glaubenstaufe ist die perfekte Illustration für ein freirkirchliches Anliegen oder Selbstverständnis. Man kann aus unserer Sicht nicht als Christ geboren werden, man muss sich persönlich für den Glauben entscheiden. Auf das persönliche Bekenntnis (Ja, ich glaube an das Evangelium!) hin wird man getauft, meistens durch untertauchen, oft auch gerne – in der Tradition unserer Vorväter – an öffentlichen und ungewöhnlichen Plätzen. Die sogenannten Wiedertäufer wurden so genannt, weil sie bereits als Säugling in der katholischen Kirche getaufte Menschen wieder taufte. Damit zeigten sie, dass sie aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen die Säuglingstaufe für ungültig ansahen und auch die Autorität der Kirche abgeschüttelt hatten. Deswegen ist es uns bis heute wichtig, dass der Kern einer Gemeinde aus Menschen besteht, die selber wirklich glauben und sich dazu bekennen. In einem Kirchenverzeichnis eingetragen zu sein ist in Gottes Augen uninteressant, wenn ich nicht persönlich glaube – und aus diesem Glauben heraus in einer freiwilligen Verpflichtung gegenüber Jesus und seiner Gemeinde lebe. Das war der erste Teil über unser Selbstverständnis als christliche Gemeinde und evangelische Freikirche. Vielleicht zur Ermutigung: diese Art des Christentums verbreitet sich gerade rasend schnell – schneller als die Urgemeinde. Zugegebenermaßen vor Allem auf der Südhalbkugel. Aber ich glaube, dass dieses Modell auch bei uns die Kirche der Zukunft ist. Lasst uns beten.
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