Hans Belting „Bild und Kult“, Verlag C.H. Beck, München, 1990 (Warum Bilder?, S. 54/55) „Immer wieder hat man die Frage gestellt, warum das Christentum endlich doch Bilder verehrte. (…) Gemeint sind nicht gewöhnliche, sondern Bilder, die verehrt wurden wie vordem die Idole der Heiden. (…) Natürlich sind damit materielle Bilder gemeint, die aber immer mit mentalen Bildern besetzt sind. Sie entstehen, weil man sich an ihnen ‚ein Bild machen‘ soll von dem, wofür sie stehen. In unserem Fall vertreten sie eine Person, die man nicht sehen kann, weil sie abwesend (der Kaiser) oder unsichtbar (Gott) ist: sonst brauchte man sie nicht zu verehren. Der abwesende, im Bild gegenwärtige Kaiser – das ist eine alte Tradition. Für das Christentum war aber die Darstellung des unsichtbaren Gottes (auch wenn er in Jesus sichtbar geworden ist) ein Problem, das im Bilderstreit bekanntlich eskalierte und ein Jahrhundert lang die Theologen in Atem hielt. (…) Warum Bilder? Die Frage lässt sich nicht von der Frage trennen, wer sich ihrer bediente und was er damit tat. Sie gilt schon für den privaten Bereich, in dem häusliche Patrone gegen allerlei Nöte angerufen wurden. Man versicherte sich ihrer physischen Präsenz, um Gelübde oder Dank an sichtbare Partner zu richten, also ihre Bilder zu bekränzen oder Kerzen vor ihnen anzuzünden. (…) Im staatlichen Bereich hatten die Kaiser bis dahin in der auratischen Selbstdarstellung die Einheit an sich gebunden und Sieg oder Prosperität in sich verkörpert. Nunmehr verwalteten sie Bilder Gottes, die diese Funktionen übernahmen und die Einheit des Reiches auf einer überirdischen Ebene verkörperten. Sobald dies geschah, wurden die Ikonen zu Siegern, vor allem über Gegner, die anderen Glaubens waren und also nicht nur im Namen des Reiches, sondern im Namen des Glaubens besiegt werden konnten.“ Gottfried Boehm (Hrsg.) „Was ist ein Bild?“, Wilhelm Fink Verlag Paderborn, 1994, (Die Wiederkehr der Bilder, S. 11): „Wer nach dem Bild fragt, fragt nach Bildern, einer unübersehbaren Vielzahl, die es fast aussichtslos erscheinen lässt, der wissenschaftlichen Neugier einen Weg zu weisen. Welche Bilder sind gemeint: gemalte, gedachte, geträumte? Gemälde, Metaphern, Gesten? Spiegel, Echo, Mimikry? Was haben sie gemeinsam, das sich allenfalls verallgemeinern ließe? Welche wissenschaftlichen Disziplinen grenzen an das Phänomen Bild? Gibt es Disziplinen, die nicht daran grenzen? Mit der diffusen Allgegenwart des Bildes ließen sich mannigfache Argumente und Theorien verknüpfen. Wie immer sie sich ausrichten mögen, sie münden zurück in ein Feld elementarer Fragen. Wen ein spezielles Interesse leitet: das Bild als Metapher, als Kategorie der bildenden Kunst oder als elektronisches Simulationsereignis zu verstehen, der möchte am Ende doch wissen, mit welcher Art Bildlichkeit er umgeht. Was macht Bilder sprechend? Wie lassen sich der Materie (der Farbe, der Schrift, dem Marmor, dem Film, der Elektrizität etc.) aber auch dem menschlichen Gemüt Bedeutungen überhaupt einprägen? Wie verhält sich das Bild (und mit ihm alle nicht-verbalen Ausdrucksformen der Kultur) zur alles dominierenden Sprache?“ Horst Bredekamp „Theorie des Bildakts“, Suhrkamp Verlag Berlin, 2010, (Bildleben und Enárgeia, S. 21-23) „Jeder weiß, dass Bilder kein Eigenleben führen, weil sie aus anorganischer Materie bestehen. Diese Erkenntnis gilt besonders für Kunsthistoriker, die noch die tiefste Unterzeichnung eines Gemäldes in ihrer Beschaffenheit aufzuspüren und in ihrer strikten Materialität zu klären haben. Die Gewissheit, dass Bilder aus ‚totem‘ Stoff bestehen, verstärkt jedoch das Problem. Denn von ihnen wird mehr erwartet als nur ein Widerschein von Projektionen. Dies gilt für Bilder ebenso wie für literarische Texte und musikalische Werke, aber bei ihnen kommt die Materialität als ein Sonderproblem hinzu. Offenkundig sind Bilder mehr als nur die Summe verschiedener auf sie gerichteter Perspektiven. Wer nicht darauf vertraut, dass von Bildern grundsätzlich Anderes und Neues ausgeht, als vom Echo seines eigenen Blicks zu erwarten ist, wird Zeit und Aufwand der Bildbetrachtung als Vergeudung erachten. Der Betrachter erhält mehr als nur einen Rekurs seiner Vorstellungen und Imaginationen. (…) Aby Warburg hat sich diesem Doppelspiel von Anorganik und Eigenleben wie kaum ein Zweiter genähert. In einem Bruchstück seiner Kunstpsychologie hat er das Diktum hinterlassen: „Du lebst und thust mir nichts.“ Hinter dieser Feststellung verbirgt sich eher eine Beschwörung denn eine Gewissheit. Warburg war sich bewusst, dass dem immer neu zu formenden und schützenden Ich durch Bilder Unterstützungen, aber auch Verletzungen widerfahren können. (…) Aus dieser Tradition stammt jene Kraft, die Leonardo zufolge den potentiellen Betrachter vor die Alternative stellt, entweder auf den Anblick des Kunstwerks zu verzichten oder seine Freiheit zu verlieren. (…)“
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