Fokus [Pu blic Relations] PR, Propaganda & Lügen Sind PR-Berater tatsächlich professionelle Lügner? Der deutsche Kommunikationsberater Heinz W. Droste geht in seinem Artikel geschichtlichen Hintergründen nach, die bis nach Österreich reichen. Text: Heinz W. Droste „wahren Gesundheitszustand“ machen oder ie mediale Kommunikation ist in indem sie systematisch den Placebo-Effekt Bewegung geraten: Während sich von medizinisch wenig wirksamen PräpaLeser zunehmend in sozialen raten zur Unterstützung der Gesundung Netzwerken mit Informationen einsetzen. und Meinungen versorgen, geraten Verlage Juristen empfehlen ihren Mandanten wirtschaftlich verstärkt unter Druck. Als und deren Angehörigen, Wahrheiten zu Konsequenz werden Redaktionen einzelverschweigen, um sich nicht selbst in ner Blätter verkleinert oder komplett durch einem Gerichtsprozess zu belasten. Mitarzentral arbeitende „Schreibteams“ ersetzt. beiter in Personalabteilungen nutzen bei Obwohl die journalistische Arbeit aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen auf diese Weise „rationalisiert“ wird, konnte nicht verhindert werden, dass beispielsweise in Deutschland erste namhafte Tageszeitungen ihr Erscheinen einstellen mussten: „Der Qualitätsjournalismus ist tiefgreifend bedroht“, beklagen BranchenInsider. PR-Leute geraten in diesem in Bewegung geratenen Feld auf unsicheren Boden, ihre Arbeit und die Vorgehensweisen haben durch die Erschütterung der uns vertrauten Medienlandschaft schwerwiegend an Ansehen verloren und werden häufig Heinz W. Droste als Auslöser journalistischen Qualitätsverlustes identifiziert: Im Zuge der skizzierten Kommunikations-Krise prangern Kritiker der Abfassung von Arbeitszeugnissen virPublic Relations mit Blick auf Presse- und tuos sprachliche Täuschungsmethoden Medienarbeit als „Manipulation“ und und Verschlüsselungstechniken (Beispiel „professionelles Verbreiten von Lügen“ an. für eine Formulierung mit Täuschungsabsicht: „Aufgrund seiner anpassungsfähigen und freundlichen Art war er im Betrieb Das „professionelle“ Lügen sehr beliebt“ – dekodierte Botschaft: „Er Lügen PR-Leute tatsächlich professiohatte während der Arbeitszeit ein Alkoholnell? Als Pauschal-Vorwurf ist dieses problem“). Urteil gewiss ungerechtfertigt – das ist Politiker halten staatswichtige Wahrschnell belegt. Denn PR-Beraterinnen und heiten systematisch zurück und drohen -Berater lügen nicht häufiger als die Vertredenen, die diese Wahrheiten verbreiten, ter anderer Professionen: Sie greifen eher mit hohen Gefängnisstrafen und sogar mit weniger häufig zu Unwahrheiten als andere der Todesstrafe – das galt nicht nur im finBerufsvertreter, denn in vielen Professiosteren Mittelalter, wie die Aktivisten der nen ist Unehrlichkeit geradezu ein syste„Wahrheits-Plattform“ WikiLeaks erfahren matisch eingesetztes strategisches „Werkmussten und gerade erfahren. zeug“: Mediziner retten oder verlängern Alle diese Professionen zeichnen sich ein ums andere Mal Patienten das Leben, dadurch aus, dass sie zum einen dringend indem sie ihnen Illusionen über ihren © Archiv D 22 6/2013 der Lüge bzw. der Unkenntlichmachung der Wahrheit bedürfen, um ihrer Arbeit nachgehen zu können, und zum anderen, dass professionelles Lügen bei ihnen toleriert, wenn nicht gar von ihnen erwartet wird. „PR-Lügen“ sind hochriskant Angesichts dieser Beispiele wird deutlich, dass PR-Berater es diesen Berufsgruppen nicht gleichtun und nicht auf diese Weise Unwahrheiten als „Arbeitsinstrument“ einsetzen können. Ein entsprechendes offizielles und professionelles „LügenGebot“ gibt es in den Public Relations nicht, denn bei der Nutzung von Unwahrheiten ertappte PR-Verantwortliche riskieren als Konsequenz, ihre Arbeitsfähigkeit für lange Zeit zu verlieren: „Professionelle Unwahrheit“ ist für PRLeute hochriskant. Beispiel: Wer einmal eine Redaktion bewusst angelogen hat, wird Jahre brauchen, um wieder für seine Presseinformationen bei den betreffenden Journalisten Gehör zu finden. Besonders unangenehm ist, dass die angelogene Redaktion die zu Tage getretene Unehrlichkeit auf die eine oder andere Weise öffentlich und im Kollegenkreis bekannt macht. So gesehen geht die Behauptung, PRBerater wären „professionelle Lügner“, an den Tatsachen und der PR-Berufs-Realität vorbei. Eher scheinen das „Vertrauen“ und die „Vertraulichkeit“ typische PR-Arbeitsinstrumente zu sein, und deren Eigenart ist es, durch Lügen und Unwahrheiten unmittelbar unbrauchbar zu werden. Der frühe „Sündenfall“ der PR Doch der Manipulationsverdacht gegenüber den Public Relations scheint trotz dieser Überlegungen nicht so einfach auszuräumen zu sein, die Vorurteile gegenüber PR-Vorgehensweisen sitzen viel tiefer. So ist der deutsche Kommunikationswissenschaftler Michael Kunczik einer von vielen, die Begriffe wie „Public Relations“ und „Propaganda“ bewusst synonym verwenden: In seinem in Deutschland verbreiteten Lehrbuch „Public Relations – Konzepte und Theorien“ behauptet er, dass die Gleichsetzung von Propaganda und PR als Tradition fest in der Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit verankert sei. Fokus [Pu blic Relations] eine glänzende Karriere als PR-Fachmann Stimmt das tatsächlich? PR-Leute müsfür Auftraggeber aus der Politik und aus sen zugeben, dass diese historische Verbinder Wirtschaft. Als Hintergrund seines dung zweifellos besteht. Erfolgs nennt Bernays im Jahr 1928 in seiSchauen wir dazu auf den im Jahr nem Buch „Propaganda“ (deutsche Über1891 in Wien geborenen Edward Bernays, setzung: 2007) explizit die Lehren aus seieinen Neffen Sigmund Freuds: Bernays gilt ner Arbeit bei der Creel-Commission: Er heute zum einen als einer der Väter der behauptet, diese Erfolge hätten die TatsaPublic Relations und Erfinder der Berufsche belegt, dass das Denken einer Öffentbezeichnung „PR-Berater“. Und er ist lichkeit genauso „dirigiert“ werden kann, gleichzeitig auch einer der prominentesten wie eine Armee die Körper ihrer Soldaten Befürworter des Einsatzes von Propagandadirigiert. Maßnahmen zur Beeinflussung von öffentBernays war der Überzeugung, dass die lichen Meinungen. Kommission neue Techniken der „RegleDas kam so: Während des Ersten Weltmentierung des Geistes“ entwickelt hätte, krieges – im Jahr 1917 – wurde in den USA die so genannte „Creel-Commission“, die nun, nachdem der Krieg beendet ist, von einer „wohlwollenden und intelligendas „Committee on Public Information“ ten Elite“ genutzt werden sollten, um die („Komitee für Öffentlichkeits-InformaMeinungen und das Verhalten der „unwistion“) gegründet. Die Gründung dieser senden“ und „unreifen“ Bevölkerung zu Kommission wird heute als Geburtsstunde steuern. der professionellen Public Relations betrachtet – einer ihrer Mitglieder war der in Österreich geborene und in den USA PR unter Manipulations-Verdacht aufgewachsene Edward Bernays. Bernays’ Geschichte zeigt, dass Public Gründungs-Hintergrund war, dass der Relations, Propaganda und Manipulation damalige amerikanische Präsident tatsächlich historisch zusammenhängen. Woodrow Wilson im Jahr zuvor seine Doch können wir mit Blick auf die aktuelle Landsleute mittels eines FriedensversprePR-Tagesarbeit behaupten, PR-Berater chens erfolgreich dazu motiviert hatte, ihn setzten Propaganda-Maßnahmen ein? zum Staatsoberhaupt zu wählen. Die AmeWenn wir Bernays’ vergangene große rikaner waren zu diesem Zeitpunkt – „PR-Coups“ betrachten, wird deutlich, dass zumindest, was die Außenpolitik anging – seine „Erfolge“ ohne die umfassende ein friedliebendes Volk und wollten sich Macht und die gesellschaftlichen Schlüsselnicht an dem im Jahr 1914 ausgebrochepositionen seiner Auftraggeber unmöglich nen Krieg in Europa beteiligen. waren: Ohne den Machtapparat der ameriPräsident Wilson plante aber insgekanischen Regierung und die umfangreich heim, sich durchaus in den Krieg einzumizur Verfügung gestellten finanziellen schen und sich auf die Seite der Engländer Ressourcen hätte die „Creel-Commission“ zu schlagen, hatte nach seinem Wahlerfolg keine Kriegs-Euphorie verbreiten können. jedoch das Problem, dass er dazu die paziUnd als sich Bernays nach dem Krieg fistische Bevölkerung in eine kriegslüsterne, im Auftrag der United Fruit Company an anti-deutsch-österreichische Masse zu verder Destabilisierung der Regierung von wandeln hatte. Denn es mussten kurzfristig Guatemala beteiligte, nutzte er die ökonoviele tausend hochmotivierte Soldaten mischen und politischen Möglichkeiten nach Europa verschifft werden. seines Auftraggebers, um massive Medien- Kampagnen und politische Organisationen zur Meinungsbeeinflussung einzusetzen: Das eigentliche Ingangsetzen des Propaganda- und Manipulations-Mechanismus setzt eine Organisation und unermessliche politische sowie ökonomische Macht voraus, die PR-Leuten aufgrund ihrer professionellen Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Fazit: Als Helfershelfer – wenn auch mit viel weniger Einfluss, als sich dies Außenstehende meist vorstellen – mögen trotz aller anders lautender Verhaltensgrundsätze und PR-Verhaltens-Kodizes „leichtsinnige“ PR-Agenturen und PR-Professionals an Manipulations-Versuchen beteiligt sein. Dies zeigen auch Skandalfälle mit undurchsichtigen Geschäften von PRBeratern wie Peter Hochegger in Österreich mit seinen Telekom- und BUWOGAffären oder Moritz Hunzinger in Deutschland mit seinen diversen Affären, die für so manchen Politiker einschneidende Karriere-Einbrüche mit sich brachten. Für die vielen PR-Berater und PRAgenturen, die in der Regel mit bescheidenen materiellen Ressourcen arbeiten, gilt, dass ihnen keine wirksamen und dabei hochriskanten manipulativen Maßnahmen zur Verfügung stehen: Sie müssen stattdessen im Auftrag ihrer Klienten tagtäglich unspektakulär und recht mühsam Informationsmedien entwickeln, an möglichst überzeugenden Argumentationsketten feilen und Kontakte zu Vertretern unterschiedlichster Zielgruppen aufbauen. Manipulation speist sich aus anderen Töpfen ... Heinz W. Droste ist in Deutschland als Kommunikations-Berater, Dozent und Autor diverser Fachbücher tätig. Techniken zur „Reglementierung des Geistes“ Zur Lösung dieses Problems setzte Wilson zusammen mit seinen Beratern auf die systematische Manipulation seiner Landsleute, zu deren Umsetzung besagte „Creel-Commission“ eingesetzt wurde. Die Kommission arbeitete mit großem Erfolg – mit dem Ergebnis, dass sich innerhalb weniger Monate im ganzen Land eine beispiellose Kriegshysterie ausgebreitet hatte: Die USA konnten kurzfristig aktiv in den Krieg eingreifen. Edward Bernays begann im Anschluss – nach der Auflösung der Kommission – Heinz W. Droste „PR Formel – Kommunikation als kreativer Prozess. Anleitungen, Checklisten, Modelle und Case Stories“ Pedion Verlag 2013, 304 Seiten, ISBN 978–3–9812300–9–3, € 39,90 6/2013 23
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