Wirtschaft FRANKFU RT ER A L LG EM E I NE Z E I TU NG M I T T WO C H , 2 4 . FE B RUA R 2 0 1 6 · NR . 4 6 · SE I T E 33 Im Gespräch: Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen ZAHL DES TAGES „Ohne Börse kein richtiger Finanzplatz“ scheint London hier besser aufgestellt zu sein. Umso wichtiger sind die jüngsten Vorstöße, Frankfurt zu einem FintechZentrum zu machen. Gertrud Traud, die Chefvolkswirtin der Landesbank HessenThüringen, rät der hessischen Aufsicht, bei den neuen Plänen der Deutschen Börse für eine Fusion mit London ganz genau hinzuschauen. Foto Wonge Bergmann Ist der neuerliche Plan einer Fusion der Börsen in Frankfurt und London gut oder schlecht? Es kommt auf die Sichtweise an. Bereits Ende 2004 gab es schon einmal Fusionspläne. Das Angebot der Deutschen Börse, die London Stock Exchange zu übernehmen, löste damals ein Kursfeuerwerk bei der Aktie der LSE aus, der Kurs der Deutschen Börse gab aber nach. Die Fusion scheiterte nicht zuletzt an den Anteilseignern der Deutschen Börse. Vielleicht sind die Eigentümer diesmal besser eingebunden. Aus Frankfurter Sicht lautet die Frage, ob dieser Stand- Gertrud Traud ort gewinnen oder verlieren wird. Das hängt davon ab, welche Funktionen ein gemeinsamer Konzern in Frankfurt und Eschborn künftig hätte. Aus Frankfurter Sicht sollte hier die Zentrale sein, nicht in London. Ansonsten wäre der zu erwartende Arbeitsplatzabbau deutlich höher anzusetzen. Was könnte umgekehrt in London angesiedelt werden? Die Börsen sind heute im Prinzip ITUnternehmen. Es wird also auch zu beantworten sein, wo diese Fachleute sitzen, und natürlich auch, wo Fintech-Kapazitäten untergebracht werden. Derzeit Bauindustrie leidet unter Investitionsstau jor. FRANKFURT. Nach fünf guten Jahren hat die hessische Bauwirtschaft 2015 einen Umsatzrückgang von mehr als sechs Prozent hinnehmen müssen. Auch für das angebrochene Jahr ist sie nicht euphorisch, wie Rainer von Borstel, Hauptgeschäftsführer des Verbands baugewerblicher Unternehmer Hessen gestern sagte. Betroffen seien vor allem der Straßenbau und der Tiefbau, im Hochbau sehe es aber auch nur unwesentlich besser aus. Eine zentrale Ursache für den Rückgang sieht er in der Zurückhaltung der öffentlichen Hand. Gerade das Land Hessen halte sich mit den Investitionen in die Infrastruktur sehr zurück, es betreibe sie weiter auf Verschleiß. Heikel sei inzwischen auch die Situation vieler Kommunen, die auch aufgrund des Flüchtlingszustroms unerwartet hohe Zusatzausgaben zu bewältigen hätten und deshalb andere Investitionen erst einmal zurückstellten. Die Kommunen müssten in die Lage versetzt werden, beide Aufgaben angemessen erledigen zu können, forderte von Borstel. Alles in allem beziffert er den Umsatz der Branche in Hessen für das vergangene Jahr auf rund sechs Milliarden Euro nach 6,7 Milliarden Euro im Jahr davor. Für das laufende Jahr erwartet er nach eigenen Worten auch keine Wende zum Besseren. Womöglich stärkt aber die jüngste Studie der Helaba zur gesamten deutschen Bauwirtschaft auch die Zuversicht der hessischen Branchenunternehmer. „Nach einem enttäuschenden 2015 wird das Baujahr 2016 dynamischer verlaufen“, heißt es dort. Der Wohnungsbau weise weiterhin die größte Dynamik auf, der öffentliche Bau und der Wirtschaftsbau fasse wieder Tritt. Die Helaba geht von einer Steigerung der Bauinvestitionen um zwei Prozent in diesem Jahr aus. Gestern hat auch das Statistische Landesamt die Zahlen für 2015 veröffentlicht und wie die hessische Bauwirtschaft auch einen Schwund von mehr als sechs Prozent ausgewiesen, 6,6 Prozent ganz genau. Allerdings nennt das Statistische Landesamt einen Gesamtumsatz von 3,8 Milliarden Euro. Die Diskrepanz zu den von der Bauwirtschaft angegebenen rund sechs Milliarden Euro Umsatz entsteht dadurch, dass Letztere auch die Kleinbetriebe mit 1 bis 19 Mitarbeitern in die Berechnung miteinbezieht. Das Statistische Landesamt kann auf die Zahlen dieser kleinen Unternehmen nicht zurückgreifen, weil die nicht meldepflichtig sind, wie eine Sprecherin erläutert. Daher können die amtlichen Statistiker nur die Umsätze der Unternehmen mit 20 und mehr Mitarbeitern berücksichtigen. Die Berechnungen seien dann aber auch die genauesten, die man für diese Teilmenge bekommen könne. In dieser Teilmenge sank 2015 denn auch die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent auf 24 600 nach rund 25 200 im Jahr 2014. Ist denn bei den Börsenbetreibern tatsächlich Größe alles? Bei Börsen geht es vornehmlich um Effizienz und Marktanteile. Der Druck auf die Margen ist groß, und die Vorstände der beiden Unternehmen werden sich von einem Zusammengehen Effizienzgewinne versprechen. Allerdings ist die Nähe zu anderen Finanzplatzakteuren nicht zu unterschätzen. Das Bild der Börse: Der Handelssaal in Frankfurt, der aber nicht mehr so bedeutend ist wie vor dem Computer-Zeitalter. Foto dpa Gescheiterte Fusionspläne der Deutschen Börse 쐽 Juli 2000: Die Deutsche Börse präsen- tiert den Plan für die Gründung der IX International Exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die Partner hoffen, weitere Börsenbetreiber ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert an mangelnder Unterstützung. 쐽 Sommer 2003: Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef François Théodore. Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden. 쐽 Frühling 2004: Seifert und Théodore nehmen ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen. 쐽 August 2004: Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion ab. 쐽 13. Dezember 2004: Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE über zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert. 쐽 21. Februar 2006: Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an. 쐽 19. Mai 2006: Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Théodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte hier angesiedelt sein. 쐽 Juni 2006: Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der New York Stock Exchange zusammen. 쐽 Dezember 2008: Deutsche Börse und Nyse Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern. 쐽 April 2011: Die Börse wagt einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die amerikanischen Börsen Nasdaq OMX und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren. 쐽 Februar 2012: Der Traum Francionis platzt abermals. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten. (Reuters) Aus den letzten Fusionsverhandlungen weiß man, dass es sich rächt, wenn Vorstände die Rolle der hessischen Börsenaufsicht unterschätzen, die beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Worauf wird diese achten müssen? Die Hessen werden hinschauen, ob der Handelsplatz, wie wir ihn kennen, in Frankfurt bleibt. Davon abgesehen wird es nicht einfach sein, wenn ein gemeinsames Unternehmen verschiedenen Aufsichtsbehörden untersteht. Wenn ein Finanzplatz keine Börse mehr hat, ist er im Grunde kein richtiger Finanzplatz. Wie stehen gegenwärtig die Finanzplätze London und Frankfurt zueinander? London hatte unter der Finanzkrise weitaus stärker gelitten, so dass sich die relative Position Frankfurts verbessert hat. Aber zuletzt konnte London wieder Boden gutmachen. Allerdings war Londons Position als führender Finanzplatz Europas nie ernsthaft gefährdet. Es besteht ein intensiver Wettbewerb zwischen beiden Städten. Nun wird in Großbritannien heftig über ein Verlassen der Europäischen Union nachgedacht, am 23. Juni soll das Volk darüber abstimmen. Würde das ein Zusammengehen der beiden Börsen erschweren? Zunächst einmal sind die Fusionspläne ein gutes Zeichen, eigentlich sogar ein regelrechtes politisches Statement gegen einen Brexit und für ein gemeinsames Europa. Ein Ausscheiden der Briten aus der EU würde ein Zusammengehen der beiden Konzerne aber sicherlich erschweren. Die Fragen stellte Manfred Köhler. 5 Forderung der IG Metall steht Ziel: Lohnplus und mehr Betriebe in Tarifbindung Mit den fünf Prozent als Ausgangsforderung, die die Tarifkommissionen des IG-Metall-Bezirks Mitte gestern beschlossen hat, haben die Arbeitgeber natürlich längst gerechnet. Und selbstverständlich lehnen sie die Forderung zur aktuellen Tarifrunde als viel zu hoch ab. Das muss so sein zu Beginn einer solchen Runde. Auch kein Gewerkschafter glaubt, dass am Ende tatsächlich fünf Prozent mit einer Laufzeit von 12 Monaten stehen werden. Beide Tarifpartner werden wieder hart verhandeln, und am Ende werden sie sich irgendwo nahe der Mitte treffen. Beide Seiten wissen im Grunde recht genau, was noch geht und was nicht mehr in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie in Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Thüringen. Heikler aus Sicht der Arbeitgeber ist da das zweite große Ziel der Tarifrunde: Die Metaller wollen mehr Betriebe in die Tarifbindung bringen. „Gerecht geht nur mit Tarif“, begründet IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Jörg Köhlinger die Absicht. Die Entgelte von Beschäftigten in nicht tarifgebundenen Unternehmen seien 24,6 Prozent niedriger als in tarifgebunden Unternehmen. Gute Worte alleine werden nicht genügen, das weiß die Gewerkschaft. Deshalb hat sie auch den Tagesstreik, eine Erweiterung des Warnstreiks, demonstrativ als neues Instrument der Tarifauseinandersetzung etabliert. jor. Wachstumsförderndes Wohlbefinden Betriebe und Politik sollten mehr auf das Wohlergehen von Frauen achten – heißt es in einer Studie für Merck DARMSTADT. Belén Garijo muss nicht lange überlegen. Ob es sich für ein Unternehmen auszahle, seinen Mitarbeitern Home-Office und flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuungsplätze und Zeiten für die Pflege von Angehörigen anzubieten? „Das zahlt sich immer aus“, gibt sich die Chefin der Pharmasparte von Merck überzeugt. Sie verweist auf erfolgreiche amerikanische Technologiekonzerne wie Google und Netflix, die viele Angebote für junge Mütter und Väter bereithielten und sie auch einsetzten, um Talente an sich zu binden. Programme mit dem Ziel, Arbeit und Privatleben auszubalancieren, motivierten Mitarbeiter, meint die bisher einzige Frau im Vorstand des Darmstädter Unternehmens, die selbst zwei Töchter hat. Belén Garijo ist Medizinerin und Vorstand der Pharmasparte von Merck in Darmstadt. Foto Helmut Fricke „Merck ist nicht nur ein Konzern in Familienhand, sondern auch ein familienorientiertes Unternehmen“, sagt Garijo. Der Hersteller von Arzneimitteln, Spezialchemikalien und Laborbedarf halte schon eine ganze Menge sozialer Angebote bereit. „Aber was mich nachts wachhält, ist der Gedanke: Das ist noch nicht genug.“ Es seien einheitlichere Vorgaben notwendig, auch durch die Gesetzgebung. So hat sie es in einer Podiumsrunde während einer von Merck organisierten Tagung im Jagdschloss Kranichstein formuliert. Dort ging es am Montag um die wirtschaftliche Bedeutung von Frauengesundheit und Wohlbefinden. Die Ärztin Garijo denkt nicht nur an Deutschland, schließlich ist Merck ein Weltkonzern und auch in vielen Ländern vertreten, in denen der Rechtsrahmen und die Sozialleistungen längst nicht so ausgeprägt sind wie hierzulande. Die Ergebnisse der Tagung kann sie als Rückenwind verstehen, namentlich eine von Merck unterstützte Studie der Economist Intelligence Unit, die Analyse-Einheit der Gruppe, die das Wirtschaftsmagazin „Economist“ herausgibt. Für die Studie befragten die Sozialforscher insgesamt 453 Frauen in Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indien und Mexiko sowie hundert Managerinnen von Firmen und Institutionen in aller Welt. Zu den Erkenntnissen zählt zum Beispiel, dass Frauen sagten, sich aktiv um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu kümmern –, Daten besagten aber etwas anderes, sagt Aviva Freudmann, Leiterin der Studie. Ein weiteres Ergebnis: Wer mehr Geld hat, zielt aktiver auf eine gute Gesundheit ab, ernährt sich bewusst und macht Sport. Wer aber deutlich mehr Geld hat als er zum Leben braucht – und das ist nach den Worten Freudmanns jenseits von 75 000 Dollar oder umgerechnet 68 000 Euro im Jahr der Fall – entwickelt „managing stress“. Die Person wird also gestresst, weil sie jene Dinge und Vorhaben organisieren muss, die sie sich leisten kann. Katja Iversen plädiert dafür, mehr auf Wohlbefinden als Wirtschaftsfaktor zu achten. „Wenn wir in das Wohlbefinden von Mädchen und Jungen investieren, gewinnen alle“, meint die Vorstandschefin der Organisation Women Deliver mit Sitz in New York. Gute Gesundheit, so lautet ein Extrakt aus ihrem Vortrag zu Beginn der Merck-Tagung, ist dabei nicht mit Wohlbefinden gleichzusetzen, auch wenn die „Economist“-Studie ergeben hat, dass viele Frauen das genauso sehen. Denn die Weltgesundheits-Organisation fasst unter Wohlbefinden auch finanzielle Sicherheit und lebenslanges Lernen, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung, soziale Teilhabe und Freizeit sowie eine gesunde Umwelt als Einflussgrößen. Wer lerne, könne seiner Gesundheit besser dienen, in der Folge eher Geld verdienen und Wohlstand bilden. Wohlbefinden sei also eine Frage gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung, meint Iversen. Was lernt nun Merck als Anbieter freiverkäuflicher Gesundheitsprodukte daraus für sein Geschäft? Jenseits des Produktangebots geht es um Unterstützung von Frauen, um Wohlbefinden zu erreichen, meint Uta Kemmerich-Keil, Chefin der Sparte für freiverkäufliche Mittel. Anfang März versammelt sie ihre 100 wichtigsten Manager um sich, um aus Tagung und Studie die Schlüsse für ihre Sparte zu ziehen, die im Englischen Consumer Health heißt, also den Konsumenten in den Mittelpunkt stellt. Dieses Geschäft ist nicht nur risikoärmer als jenes der Arzneimittelforschung, wie Garijo sagt. Da die Gesundheitssysteme unter Kostendruck stehen und zudem viele Menschen freiwillig eine Menge Geld für Gesundheit ausgeben, ist dieses Geschäft nach ihren Worten auch ein Wachstumsmarkt. THORSTEN WINTER Jetzt ! den l e m an www.best-excellence.de GRÜNDUNG TRIFFT INNOVATION Aktuelle Termine: 29. Februar und 8. März 2016 Gründerveranstaltung in Kooperation mit Die Wirtschaftspaten e.V. „Migranten werden Unternehmer“ Ort: Gießen – Beginn: 9.00 Uhr 1. März 2016 Gründerfrühstück in Kooperation mit Rödl & Partner „Die geeignete Gesellschaftsform für Gründer und Start-ups – Grundlagen, Fallstricke und Haftungsaspekte“ Ort: Eschborn – Beginn: 9.00 Uhr Informationen und Anmeldung unter: www.best-excellence.de Weitere Formate und Projekte für Start-ups unter: www.gruenden-wachsen.de initiatoren: kofinanziert durch: projektträger: ... und rund 30 weitere Netzwerkpartner www.best-excellence.de
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