Haushaltsrede vom 25.02.2016 Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, in der Dezembersitzung des Rates im letzten Jahr hat der Bürgermeister den Haushalt 2016 eingebracht, der in jeder Hinsicht ein ganz besonderer Haushalt ist. Er dokumentiert die schwierige finanzielle Situation der Stadt, die sich ausdrückt durch eine sehr hohe Mittelentnahme aus der allgemeinen Rücklage und diese dadurch um über 9 % reduziert, durch einen drastischen Anstieg der Schulden sowie durch eine deutliche Reduzierung des Eigenkapitals. Im Hinblick auf die gesetzliche Systematik für das Verhängen einer formalen Haushaltssicherung war bei den Haushaltsplanberatungen insbes. die vorgelegte mittelfristige Finanzplanung, speziell die Zahlen für das Jahr 2017, in den Blick zu nehmen. Die Ursachen für die schlechte Finanzsituation der Stadt sind vielfältig. Auf einige wenige möchte ich näher eingehen. Der Haushalt bildet in nüchternen Zahlen die finanziellen Folgen der kriegerischen Konflikte und die daraus resultierende weltweite Flüchtlingsbewegung auch für die Stadt Telgte ab. Der in 2015 unerwartet starke Zugang von Flüchtlingen nach Deutschland hat viele Kommunen finanziell in höchste Not gestürzt. Telgte hatte, wie viele andere Kommunen auch, schon vor dem Ansteigen der Flüchtlingszahlen keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt. Die Kostenerstattungen des Landes nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein; die Erstattungen orientierten sich an veralteten Flüchtlingszahlen, die Flüchtlingspauschalen waren viel zu niedrig angesetzt. Dies soll ja jetzt in 2016 besser werden; Bund und Land versprechen öffentlichkeitswirksam die Zahlung von 10.000 € pro Flüchtling und Jahr, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Flüchtlinge in die einzelnen Kommunen kommen. Wie bildet sich dieses Versprechen bei den Einnahmen der Stadt Telgte im Haushalt ab? Bei 750 Flüchtlingen, die Telgte nach derzeitiger Prognose im Jahr 2016 zu versorgen hat, könnte man hier eine Einnahme von 7. 5 Mio. € erwarten. Aber weit gefehlt. Diese Einnahme findet sich erst im Haushalt 2017. Nach einem komplizierten, mehrstufigen Berechnungsverfahren, so der Bürgermeister im Finanzausschuss vom 02.02.2016 rechnet die Stadt leider nur mit einer Einnahme für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge von 3. 367.000 €; das ist nicht einmal die Hälfte der vom Land pauschal versprochenen 10.000 €. Das Geld fließt in die großen Städte, die ihren Aufnahmeverpflichtungen häufig nicht einmal nachkommen. Die gesamte Finanzierung ist skandalös und in hohem Maße verantwortungslos den Kommunen gegenüber, die die Last der Versorgung der hilfebedürftigen Menschen schultern. Und das in Kenntnis der Tatsache, dass viele Kommunen schon bisher der Haushaltssicherung unterliegen oder auf dem Weg dorthin sind. Das Land kann doch nicht wollen, dass weitere Kommunen durch die Kostenregelung der Flüchtlingsbewegung in die Haushaltssicherung geraten. Die Landesregierung ist aufgefordert, hier unmittelbar nachzusteuern. Jeder weiß, dass das Geld nicht reichen kann. Diese unzulängliche Situation hat die FDP veranlasst, einen Antrag in den Finanzausschuss einzubringen, den Haushaltsansatz im Haushalt 2016 von 3.367.000 € pauschal um 1 Mio. € zu erhöhen. Die SPD beantragte eine Erhöhung um 1.5 Mio. €. Am Ende einer langen Diskussion erhielt unser Antrag die Mehrheit. Die Grüne Fraktion hat den Antrag teils abgelehnt, teils sich enthalten und einige Tage nach dem Finanzausschuss eine Pressemitteilung gefertigt. Darin wird CDU und FDP „Schönrechnerei“ vorgeworfen, eine „willkürliche Veränderung von Ansätzen“. Diesen Vorwurf möchte ich dann doch nicht unkommentiert lassen. Also zurück zum Finanzausschuss: Während der Diskussion über die Anträge von FDP und SPD zum Erstattungsansatz Flüchtlinge gab es eine ca. 15- minütige Sitzungsunter-brechung. Die nutzte der Bürgermeister, so seine spätere Erklärung nach Fortsetzung der Sitzung, für ein Telefonat mit der Sprecherin des Innenministeriums in Düsseldorf. Diese habe ihm dabei zugesichert, eine Anhebung des Haushaltsansatzes für die Flüchtlinge um 750.000 € sei vertretbar und die Zahlung durch das Land auch realistisch. Was ist das denn dann? Auch „Schönrechnerei, willkürliches Verändern der Ansätze“ durch den grünen Bürgermeister? Hätte das die Verwaltung nicht vor der Sitzung klären können? Die Anträge von FDP und SPD lagen ja der Verwaltung einige Tage vor der Sitzung vor. Keiner hier im Rat weiß doch wirklich, was auf uns und auf die Stadt im Jahr 2016 im Bereich der Flüchtlingshilfe zukommt. Auch nicht nach den Informationen des Bürgermeisters soeben. Mit Datum vom 11.02.2016 liegt ein Schreiben des Innenministeriums vor; zur selben Problematik. Darin werden den Kommunen Handlungsspielräume für die haushalterische Behandlung von Aufwand und Ertrag im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik eröffnet. Aber auch mit diesem Schreiben ist bei den Einnahmen für 2016 das letzte Wort noch nicht gesprochen; ich verweise auf die sog. Revisionsklausel 2016. Und wenn die Gelder kommen - wie versprochen - werden wir uns nicht verweigern, dem Antrag der SPD zu folgen und ein bis zwei Sozialarbeiter für die Flüchtlingsbetreuung einzustellen. Denn die Notwendigkeit der sozialen Betreuung so vieler Menschen aus fremden Ländern wird von uns nicht geleugnet. Es muss nur auch alles bezahlt werden können. Ein klarer Berechnungsfehler beim Haushaltsansatz für die Aufwendungen für Krankheitskosten der Flüchtlinge hat auf unseren Antrag dazu geführt, dass der Haushaltsansatz um 200.000 € reduziert werden konnte. Das hat nichts mit Schönrechnerei zu tun, sondern nur mit Mathematik. Gerechnet haben wir mit den Zahlen der Verwaltung. Es ist in Telgte bisher sehr gut gelungen, den Menschen, die in höchster Not zu uns gekommen sind, Schutz zu geben und sie zu versorgen. Das ist das Verdienst sowohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung als auch vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, sei es bei Zib, in der Kleiderstube, bei Sprachkursen und vielem mehr. Das diese Unterstützung auch weiterhin gelingt, sollte unser aller Interesse sein. Deshalb war es auch nur folgerichtig, im Haushalt den Zuschuss für Zib auf 10.000 € zu erhöhen. Der Bürgermeister hat zur Verbesserung der Ertragslage der Stadt die Grundsteuern A und B erhöhen wollen, und zwar deutlich um 60 bzw. 100 Punkte. Damit läge Telgte von der Höhe der Hebesätze her auf dem zweiten Platz im Kreis Warendorf, direkt hinter Ahlen. Nach dem vorgelegten Haushaltsplan sollte die Erhöhung zunächst Mehreinnahmen von 816.000 € generieren. Nach einer aktualisierten Übersicht reden wir über Mehreinnahmen von 711.000 €. Das ist immer noch eine Menge Geld. Die FDP hat die Erhöhung abgelehnt; ich möchte das hier gerne begründen: Auch mit der Erhöhung der Grundsteuern kann in 2016 die Reduzierung der allgemeinen Rücklage nicht unter 5 % gedrückt werden. Die Erhöhung ist aber auch nicht erforderlich, um diese 5 % im Jahr 2017 prognostisch nicht zu überschreiten. Da hat der Haushaltsplan noch Spielraum. Die Erhöhung der Grundsteuer trifft jeden Hauseigentümer und jeden Mieter. Und zwar auch die Menschen, die tatsächlich auf jeden Euro zu achten haben. Die besondere Haushaltssituation des Jahres 2016 ist bereits mehrfach angesprochen worden. Der Bürgermeister hat Recht wenn er sagt, gegen die massiven externen Kostensteigerungen – Kosten der Flüchtlingsbewegung, deutliche Steigerung der Kreisumlage - könne nicht angespart werden. Dennoch müssen wir an dieser Stelle daran erinnern, dass Tugenden wie Ausgabenkontrolle und Ausgabendisziplin in der Vergangenheit mit den Stimmen der drei anderen Fraktionen regelmäßig über Bord geworfen wurden. Der Haushalt der Stadt ist ja seit Jahren notleidend. Wir haben auf den leichtfertigen Umgang mit geliehenem Geld und der Folge des ungehemmten Schuldenmachens seit Jahren immer wieder hingewiesen. Die überwiegend sinnlos verausgabten Planungskosten für die dem Rotstift geopferten Baumaßnahmen am Schulzentrum sind dafür ein beredtes Beispiel. Das Projekt war auch vor der jetzigen Finanzmisere nicht finanzierbar. Spät, sehr spät ist das Projekt gestoppt worden. Die 210.000 € verausgabte Planungskosten würden uns jetzt für den Haushalt 2016 gut tun. Die Planungsmittel für den nicht realisierten Feuerwehrstandort Nord und eine Vielzahl an Kosten für nicht durchgeführte Projekte im Zusammenhang mit dem IHEK hätten wir gerne eingespart. In dieser Situation sind wir zufrieden, dass die Verwaltung z.Zt. keine weiteren kostenintensiven Projekte anstößt, die nicht zwingend erforderlich sind. Das Augenmerk liegt jetzt richtigerweise auf Investitionen in die Schaffung von Wohnraum, der jetzt für die hilfebedürftigen Flüchtlinge benötigt wird und natürlich auch für sozial schwächer gestellte Menschen aus Telgte. Zugleich muss investiert werden in den Bau von Kitaplätzen, um den steigenden Bedarf für die zu betreuenden Kinder zu decken. Telgte wird von der Bevölkerung her eben nicht weniger, wie wir vor Jahren noch glauben sollten. Und sollten im Jahr 2016 die Mittel für diese und weitere Maßnahmen der Flüchtlingsbetreuung nicht in dem von uns angenommenen und im Haushalt angesetzten Umfang in der Stadtkasse eingehen, werden wir uns einer moderaten Erhöhung der Grundsteuern nicht versperren. Diese Entscheidung sollte dann aber bitte Ende dieses Jahres im Finanzausschuss und im Rat getroffen werden, wenn auch die Gebührensatzungen beschlossen werden. Das vermeidet Kosten für einen weiteren Versand geänderter Bescheide im Frühjahr. Im letzten Jahr ist uns von der Kämmerei auf Nachfrage gesagt worden, dass die Neuerstellung und Versendung neuer Grundsteuerbescheide einen hohen fünfstelligen Betrag auslösen würde. Das muss doch nicht sein. Das Geld ist doch sinnvoller an anderer Stelle auszugeben. Die Mittelbereitstellung für die Sanierung der Schüler –Toilettenanlage an der Marienschule im Haushalt 2016 ist richtig. Ein weiteres Vertrösten der Kinder, Eltern und Lehrer war nach unserer Meinung nicht mehr zumutbar. Politik sollte verlässlich sein, auch wenn sie das häufig leider doch nicht ist. Es ist gut, dass die Anträge der Telgter Vereine, die das kulturelle und soziale Leben in Telgte wesentlich mittragen, im Haushalt Berücksichtigung gefunden haben. Wir alle hier wissen, was wir diesen Einrichtungen zu verdanken haben. Unter dem Titel „Telgte-Altstadt Barrierefrei“ wird in Telgte ein Projekt des IHEK in 2016 realisiert. Der Start der Sanierungsmaßnahme ist im wahrsten Sinne des Wortes sehr holprig verlaufen; ich verweise auf die misslungene Probepflasterdecke am Markt. Hoffentlich geht das so nicht weiter. Eine kontinuierliche Bauaufsicht ist gerade in diesem Bereich dringender denn je; darauf hat meine Fraktion in den vielen Vorgesprächen immer wieder hingewiesen. Eine enge Einbindung der Telgter Hanse, die für vielfältige Veranstaltungen in der Altstadt verantwortlich zeichnet, ist zwingend notwendig; hier ist die Stadt aber auch am Ball. Wir sollten nicht vergessen, dass das erfolgreiche Wirtschaften der innerstädtischen Geschäftsleute die Attraktivität der Telgter Altstadt wesentlich trägt. Die Weiterentwicklung des Gewerbeparks Kibitzpohl in Richtung Norden ist richtig und die im Haushalt dafür eingestellten Mittel sind notwendig, um weiterhin ansiedlungswilligen Gewerbetreibenden Grundstücksflächen anbieten zu können. Die Stadt kann es sich nicht leisten, potentielle Gewerbesteuerzahler in andere Kommunen abwandern zu lassen. Aber in dem Bereich der Wirtschaftsförderung ist die Stadt ja gut aufgestellt. Alle Fraktionen waren sich einig, dass die Haushaltsmittel für die Herrichtung und Unterhaltung von Spiel- und Bolzplätzen zu erhöhen waren. Hier ist in den letzten Jahren nur sehr wenig investiert worden. Wir beklagen insbes. die Aufgabe bzw. den Trend zur Aufgabe diverser Bolzplätze für andere Nutzungen und den schlechten Zustand der noch vorhandenen Plätze. Das vor Jahren aufwändig erstellte Spielplatzkonzept zeigt Handlungsperspektiven auf und sollte auch Berücksichtigung bei der Planung finden. Das Konzept wollen wir ja nicht umsonst bezahlt haben. Der Haushalt ist in diesem Jahr bei weitem nicht ausgeglichen; die Ursachen sind bekannt und von der Verwaltung und dem Rat nur teilweise zu verantworten. Die Planzahlen für 2017 verhindern jedoch die Verhängung eines Haushaltssicherungskonzeptes. Das ist wichtig und gut so. Wenn Land und Bund seinen gesetzlichen und auch moralischen Verpflichtungen bei der Flüchtlingsfinanzierung nachkommen, wird das Haushaltsjahr 2016 deutlich besser enden als z. Zt. geplant. Wir können dem Haushalt in diesem Jahr zustimmen und werden das bei der Abstimmung auch gleich tun. Wir danken Frau Schlenker und Frau Kunze für ihre Unterstützung bei den Beratungen des Haushalts in unserer Fraktion. Ich bin sicher, dass die Arbeit an der Aufstellung dieses Haushaltes besonders viel Kraft gekostet hat. Vielen Dank dafür. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Karin Horstmann, Fraktionsvorsitzende der FDP Telgte
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