Bundesversammlung Assemblée fédérale Assemblea federale Assamblea federala Die volle Wahrheit zum halbleeren Saal Fünf Fragen rund um National- und Ständerat – und die Antworten darauf. Inhalt Die Sache mit den leeren Bänken 4 Die Sache mit dem Geld 6 Die Sache mit den fixen Abläufen und den verschiedenen Sprachen 8 Die Sache mit den gefallenen Würfeln 10 Die Sache mit der steigenden Belastung 12 Die Sache mit den leeren Bänken Eine Rednerin spricht, und niemand hört zu. Der Saal ist halbleer. Wer noch da ist, ist in die Zeitung vertieft. Oder diskutiert mit der Nachbarin. So sehen viele Be sucherinnen und Besucher den Ratsbetrieb. Nehmen Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihre Arbeit nicht ernst? Diese Fragen sind berechtigt und die Antworten darauf begründet. Ein Ratsmitglied, das pausenlos im Rat sässe, würde seine Aufgabe nur zum Teil wahrnehmen. Denn es hat während der Session zahlreiche weitere Verpflichtungen: Es nimmt an Fraktions- und Kommissionssitzungen teil; es stellt sich den Fragen der Medien, schreibt das nächste Votum oder einen Antrag; es kümmert sich um Besuchergruppen, erledigt die Post, macht auch einmal eine Kaffeepause und hat Besprechungen mit Bundesräten oder Angestellten des Bundes. Die Allermeisten sind also im Parlamentsgebäude und durchaus aktiv. In der Plenumsdebatte geht es denn auch nicht nur darum, Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen, welche die Geschäfte und Positionen meistens bereits kennen, sondern auch darum, Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu schaffen. Wichtig ist die Teilnahme an den Abstimmungen, und die ist in der Regel gut. In den Vorzimmern und im Parlamentscafé macht eine Klingel auf die Abstimmungen aufmerksam. Die Debatte zuvor kann ein Ratsmitglied ruhig den fachkundigen Fraktionskolleginnen und -kollegen überlassen. Dies umso mehr, als es mit ihnen das Thema in der Fraktionssitzung bereits diskutiert hat. Und schliesslich kann nicht jedes Ratsmitglied in jeder Frage eine Fachperson sein. Oder wie es Winston S. Churchill sagte: «Am faulsten sind die Parlamente, die am stärksten besetzt sind». 4 Die Sache mit dem Geld Die Ratsmitglieder werden für ihre Arbeit entlöhnt. Ein Ratsmitglied erhält im Durchschnitt rund 80 000 Franken steuerpflichtige Entschädigung im Jahr. Die Unkostenund Spesenentschädigungen betragen im Durchschnitt etwa 58 000 Franken. Selbstverständlich erhalten Ratsmitglieder die Tagespauschale nur dann, wenn sie an wesend sind. Für jede Sitzung wird eine Präsenzliste geführt. In der erwähnten Entschädigung inbegriffen ist die Kommissionsarbeit. Je nach Kommissionen sind das zu den rund 55 Sessionstagen für die Ständerätinnen und Ständeräte jährlich zwischen 40 und 70 und für die Nationalrätinnen und Nationalräte zwischen 30 und 50 Sitzungstage. Der ganze Parlamentsbetrieb kostet jede Einwohnerin und jeden Einwohner der Schweiz ungefähr 13 Franken im Jahr. Er kommt uns auf rund 100 Millionen Franken zu stehen. Übrigens: Jedes Ratsmitglied ist verpflichtet, die berufliche Tätigkeit, Aktivitäten in Führungs- und Aufsichtsgremien, dauernde Leitungs- und Beraterfunktionen für wichtige schweizerische und ausländische Interessengruppen sowie das Mitwirken in Kommissionen und andern Organen des Bundes offenzulegen. 6 Die Sache mit den fixen Abläufen und den verschiedenen Sprachen Damit nicht einfach ins Blaue diskutiert wird, brauchen der Ständerat mit seinen 46 und der Nationalrat mit seinen 200 Mitgliedern für ihre Debatten Spielregeln. Nationalratsmitglieder müssen ihr Votum schriftlich beim Präsidenten anmelden. Der Präsident erteilt das Wort in der Reihenfolge der Anmeldungen, wobei die Vertreter der Fraktionen und die Antragsteller vor den übrigen Mitgliedern zu Wort kommen. Die Berichterstatter der Kommissionen (sie sitzen direkt neben dem Rednerpult) und die Bundesrätin oder der Bundesrat erhalten das Wort jederzeit. Zur gleichen Sache darf nicht mehr als zweimal gesprochen werden. Die Debatten gliedern sich in die Eintretensdebatte, in der über die Grundsätze diskutiert wird, und die Detailbe ratung, in der die Ausgestaltung einer Vorlage Punkt für Punkt behandelt und verabschiedet wird. Es gibt fünf Beratungskategorien: I. Freie Debatte Alle Ratsmitglieder. II. Organisierte Debatte Berichterstatter der Kommissionen, Fraktio ns sprecher und weitere, von den Fraktionen bezeichnete Sprecher, sowie Antragsteller. III. Reduzierte Debatte Berichterstatter der Kommissionen, Fraktionssprecher und Antrags teller. IV.Kurzdebatte Berichterstatter, Urheber von Minderheitsanträgen und parlamentarischen Initiativen. V. 8 Schriftliches Verfahren Grundsätzlich keine Wortmeldungen. Klar geregelt sind auch die Redezeiten: Sie gehen von höchstens 20 (Berichterstatter und Bundesrat in der Eintretensdebatte) über 10 (Fraktionssprecher) bis zu 5 Minuten (Einzelredner). Wer im Ständerat das Wort ergreifen will, meldet dies dem Präsidenten. Zuerst spricht der Berichterstatter der Kommission, anschliessend die weiteren Kommissionsmitglieder, und dann folgt die allgemeine Beratung. Die Redezeit ist nicht beschränkt und es gibt keine Beratungskategorien. Im National- und Ständerat werden die Debatten in den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch geführt; nur im Nationalrat jedoch werden sie simultan ins Deutsche, Französische und Italienische übersetzt. Die Sache mit den gefallenen Würfeln Sind die Würfel wirklich gefallen, wenn ein Geschäft vor den National- oder Ständerat kommt? Bis es überhaupt soweit ist, geschieht tatsächlich einiges: Die Regierung übermittelt dem Parlament zu jedem Gesetzesentwurf eine Botschaft. Die Ratspräsidenten teilen diese Geschäfte dem einen oder andern Rat zur Erstbehandlung zu. Die Beschlüsse des Parlamentes werden von ständigen Kommissionen vorbereitet. Diese sind nach Parteistärke, Sprachzugehörigkeit und unterschiedlichen Interessen zusammengesetzt. Die Kommissionen prüfen den Entwurf auf Herz und Nieren. Sie hören Expertinnen und Angestellte des Bundes an und diskutieren den Entwurf mit dem zuständigen Mitglied des Bundesrates. Nach Beendigung ihrer Arbeit erstatten sie ihrem Rat Bericht und stellen Anträge. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass in der Kommission keine Einigkeit herrscht. Die Folge davon sind Minderheitsanträge, die dem Antrag der Kommissio ns mehrheit gegenübergestellt werden. Hier spricht das Plenum das letzte und entscheidende Wort. Anschliessend diskutiert und beschliesst der Zweitrat in gleicher Weise. Bestehen zwischen den beiden Räten Differenzen, geht das Geschäft an den Erstrat zurück. Kommt es nach drei Differenzbereinigungen zu keiner Lösung, wird eine Einigungskonferenz eingesetzt, welche beiden Räten einen Einigungsantrag unterbreitet. Dies geschieht allerdings eher selten. Nicht nur die Kommissionen, sondern auch die Fraktionen – Gruppen von Ratsmitgliedern der gleichen Partei oder einer ähnlichen politischen Couleur – besprechen die Geschäfte vor und diskutieren, wie sie abstimmen wollen. Deshalb ist es praktisch nicht möglich, dass ein Ratsmitglied erstmals im Plenum von einem Geschäft hört. 10 Während den Debatten äussern sich vor allem die Kommissions- und Fraktionssprecher. So brauchen denn auch nicht immer alle an einer Debatte teilzunehmen. Das heisst jedoch noch lange nicht, dass sie keine eigene Meinung haben. Die Sache mit der steigenden Belastung Der parlamentarische Arbeitstag ist lang. Oft finden während der Sessionen – viermal drei Wochen im Jahr, jeweils im März, Juni, September und Dezember – schon vor dem Beginn der Ratsdebatten Kommissions- oder Fraktionssitzungen statt. Manchmal endet der Tag nicht vor 20 Uhr. Ausserhalb der Sessionen finden jährlich rund 600 teilweise mehrtägige Kommissionssitzungen statt. National- und Ständerat behandeln immer mehr Gesetze und immer mehr Vorstösse. Dies geht nicht so sehr auf den Aktivismus der Parlamentarier zurück, sondern vielmehr auf die zunehmenden Wünsche und Ansprüche aus allen Bevölkerungskreisen an den Staat. Dringliche Vorlagen und Vorstösse sind in der heutigen, schnelllebigen Zeit ein Mittel geworden, auf das viel häufiger zurückgegriffen wird als noch vor 10 Jahren, was wiederum die Planung der Session erschwert. 12 Was Sie über das Parlament denken, ist uns nicht egal Wenn Sie neugierig geworden sind und noch mehr erfahren möchten, dann besuchen Sie uns im Internet: www.parlament.ch 14 Parlamentsdienste Dienst für Öffentlichkeitsarbeit Parlamentsgebäude CH-3003 Bern T +41 (0)31 322 87 90 [email protected] www.parlament.ch 02.13 303970/1 25 000
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