I HAVE A DREAM
Das Kölner Fest
für Alte Musik 2016
Der Philosoph an der Gambe
Jordi Savall
Im Gespräch
Kim & Reggie Harris
Michael Willens
Adrian Schvarzstein
Jörg Hilbert
MIT
Program
m
Kölner F teil
est f
Alte Mus ür
ik
2016
LIEBE
LESERINNEN
UND LESER,
INHALT
Go down, Moses .......................................................................04
Der Grenzgänger......................................................................06
Seit Martin Luther King im August 1963 in Washington seine Vision eines gleichberechtigten Amerika mit den Worten „I have a dream“ beschrieb, ist dieser Satz
zu einem geflügelten Wort geworden. Nicht nur für die afro-amerikanische Bürgerrechtsbewegung, sondern weit darüber hinaus benennt er die Hoffnung, dass es
eine realistische Chance zur Verwirklichung utopischer Gedanken geben könnte,
eine bessere Welt. Wenn wir unser Fest für Alte Musik 2016 unter dieses Motto
stellen, dann fragen wir nach den Hoffnungen und Utopien, die sich in vergangenen
Zeiten wie auch ganz aktuell heute Menschen immer wieder machten und machen
– und natürlich besonders nach deren Reflektionen und Resonanzen in der Musik.
Eine Ritterreise ........................................................................08
Flaschenpost der Gefühle .......................................................10
Ernsthaft gegen Tabus .............................................................12
Konzertkalender zum Herausnehmen ...................................14
Der Wurstl im Prater ...............................................................16
Zitronen und Mandarinen ........................................................18
Auf der Spur der Träume .........................................................20
Wir stoßen dabei auf die franziskanischen Laude, die im Italien des Spätmittelalters ein Leben im Verzicht
auf materiellen Wohlstand propagieren, wie auf die Musik der „Underground Railroad“, Spirituals, die die
Hoffnung auf die Befreiung von der Sklaverei besingen.
Musikalische Schätze heben ...................................................22
Auf und davon ...........................................................................24
ZAMUS Spielwiese ...................................................................25
Wir fragen die Schülerinnen und Schüler der Förderschule Redwitzstraße nach ihren Vorstellungen
von einer Reise in eine bessere Welt, die sie szenisch nach den Programmmusiken von Antonio Vivaldi
antreten, und haben das Straßentheater Kamchátka und Adrian Schvarzstein aus Barcelona eingeladen,
zusammen mit unserem zamus-ensemble das zur Zeit so heftig bewegende Thema der Migration und
Flucht szenisch und musikalisch aufzugreifen: das Musiktheater FUGIT ist das Ergebnis.
Gewinnspiel/Impressum .........................................................26
Auf drei Veranstaltungen sind wir besonders stolz: Jörg Hilbert, Erfinder und Zeichner der KinderbuchKultfigur Ritter Rost, hat für uns eine neues Stück geschrieben, in dem Ritter Rost von einem Einhorn
träumt und dabei von echter Mittelaltermusik begleitet wird. In der Trinitatis-Kirche wird das zamusensemble unter Leitung von Staroboistin Xenia Löffler Bachs wunderbare Kantate „Ich habe genug“
aufführen – mit Bariton Seth Carico und inszeniert von Frauke Meyer. Und Jordi Savall, der Weltstar und
Philosoph unter den Gambisten, wird unser Festival mit einem „Dialog der Seelen“ beschließen, in dem
der Traum von einer friedlichen Welt im Verhältnis von Orient und Okzident beschworen wird. Über diese
und viele andere Programme erfahren Sie mehr in diesem Magazin. Ich wünsche anregende Lektüre.
Das ZAMUS-Magazin wurde ermöglicht von:
Das Kölner Fest für Alte Musik 2016 und FUGIT werden gefördert von:
Mit freundlicher Unterstützung durch:
Medienpartner:
Foto: Werner Kmetitsch
Herzlich, Ihr
Thomas Höft
Geschäftsführer KGAM e.V.
3
Die Beschäftigung mit historischer Musik kann ganz unterschiedliche Wege einschlagen.
Zum Beispiel auf die „Underground Railroad“ mit Kim und Reggie Harris.
ZAMUS: Die Basis eurer Arbeit ist die Musik der „Underground
hören wir von Polizeigewalt, von offen rassistischen Äußerungen
eines Donald Trump oder der Tea Party … KIM & REGGIE: Die „Underground Railroad“ war eine Freiheitsbewegung. Menschen, die zusammenarbeiteten, um
allen zu helfen, die in den Vereinigten Staaten versklavt
waren. Die Bewegung existierte zwischen 1830 und 1860,
und viele der Helfer waren Teil der großen Bewegung des
Abolitionismus, versuchten also, der legalen Sklaverei
grundsätzlich ein Ende zu machen.
Die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten war eine
Wegscheide für das ganze Land. Viele Afro-Amerikaner
dachten, dass sie niemals einen schwarzen Präsidenten
erleben würden. Aber unglücklicherweise sind durch seine Wahl auch wieder Rassismus und Hassparolen sichtbarer geworden, die wir eigentlich überwunden glaubten.
Einige Menschen denken, dass sie straflos Worte und
Taten gegen Afro-Amerikaner und Menschen anderer
Ethnien richten könnten. Was aber hoffen lässt, ist, wie
daraufhin eine neue Bürgerrechtsbewegung entstanden
ist, die von jungen Afro-Amerikanern und ihren Freunden
ganz unterschiedlichen Alters und ganz unterschiedlicher
Ethnien geleitet wird. An Orten wie Ferguson, Missouri,
Baltimore, Maryland, Houston Texas und Minneapolis Minnesota marschieren, blockieren und demonstrieren junge
Leute und verlangen Gerechtigkeit für all die Familien, deren Mitglieder durch Polizeiübergriffe zu Tode gekommen
sind. Ihre anhaltenden Proteste bringen dringend benötigte Veränderungen in vielen Kommunen.
Railroad“. Worum handelt es sich dabei?
Und welche Funktion hatte dabei die Musik?
Die Musik spielte eine ganz wichtige Rolle. Versklavte und
freie Afro-Amerikaner benutzten sie vor allem, um verschlüsselte Botschaften weiterzugeben. Über Fluchtwege
und woran man denken musste, wenn man es wagte, in
die Freiheit aufzubrechen.
Wie war das später mit der Musik in der Bürgerrechtsbewegung
des 20. Jahrhunderts?
Musik hilft vor allen Dingen, Menschen moralisch aufzurichten, ihren Geist zu befeuern. Das war in den Tagen
der Underground Railroad nicht anders als später in der
Bürgerrechtsbewegung. Nur dass später keine verschlüsselten Codes mehr benutzt werden mussten, im Gegenteil: die Musik erzählt von der Geschichte der Bewegung
ebenso wie von aktuellen Ereignissen. Und oft waren die
Songs einem Veränderungsprozess unterworfen. Die Worte wurden geändert, aktuellen Ereignissen angepasst,
zum Beispiel, wenn die Marschierer gestoppt, verhaftet
oder eingesperrt wurden.
Das führt uns direkt zum Motto unseres Festivals: „I Have a
Dream“. Welche Rolle spielte und spielt Dr. Martin Luther King
Jr. in der amerikanischen Gesellschaft?
Zu seinen Lebzeiten war er viel mehr als ein Pastor und
Gelehrter. Er war eine der zentralen Führungspersönlichkeiten in der Bürgerrechtsbewegung. Er brachte schwarze und weiße Priester und Pastoren ebenso zueinander
wie geistige Führer ganz unterschiedlichen Glaubens.
Dr. Martin Luther King Jr. setzte sich aber nicht nur für
Afro-Amerikaner ein, er kämpfte für die Rechte von Arbeitern und von Armen jeglicher Hautfarbe. Er war sehr in
der Friedensbewegung engagiert und trat ganz entschieden gegen den Vietnamkrieg ein. Heute erinnert ein Nationalfeiertag an seinem Geburtstag daran, dass der Kampf
für Freiheit noch nicht beendet ist.
Sie leben in New York City und engagieren sich musikalisch und politisch
in der Bürgerrechtsbewegung in den USA: Kim und Reggie Harris eröffnen das
Kölner Fest für Alte Musik mit einem Programm, das einen erstaunlichen
Blick auf die Geschichte der Spirituals verspricht.
Interview: Thomas Höft
4
Foto: artists of note
GO DOWN, MOSES
Heute gibt es in Barack Obama einen Präsidenten, der sich offen­
sichtlich für Gleichberechtigung einsetzt, auf der anderen Seite
Ihr selbst spielt traditionelle Alte Musik ebenso wie eure eigenen
neuen Lieder. Wo liegt für euch die Verbindung zwischen Musik­
geschichte und Gegenwart?
Wir möchten jungen Leuten die Geschichte der Underground Railroad und der Bürgerrechtsbewegung durch
Musik nahe bringen. Durch unser Interesse an Musik wie
am Protest hören wir viele Lieder und Gesänge, die heute
auf den Demonstrationen erklingen. Und dabei zeigt sich,
dass die Menschen alte Lieder wie „Which Side Are You
On“ oder „We Shall Not Be Moved“ ebenso kennen wie
ganz neue, die sie auf der Basis ihrer aktuellen Lieblingsmusik wie Hip-Hop oder Rap entwickelt haben.
Und zum Abschluss ganz allgemein gefragt: Was ist für euch das
Wesen von Musik?
Das Wesen von Musik ist, die Menschen zusammenzubringen. Zur Arbeit, zur Unterhaltung, zum Gebet und zum Protest. Wir wurzeln in der Tradition unserer afro-amerikanischen Vorfahren und wurden von Ikonen wie Pete Seeger
und Ysayee Barnwell geprägt. Menschen zum gemeinsamen Singen zu ermutigen, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer musikalischen Karriere. Die Freiheitsmusik
der afro-amerikanischen Tradition zu singen, gibt uns nicht
nur die Möglichkeit, Geschichte verständlich zu machen,
sondern auch, mit den Menschen die Erfahrung der Macht
von Musik zu teilen. Es gibt nichts Vergleichbares!
KIM UND REGGIE HARRIS ERÖFFNEN AM 27. FEBRUAR 2016 IN DEN BALLONI-HALLEN GEMEINsAM MIT DEM MITTELALTERENSEMBLE
ONI WYTARS DAS KÖLNER FEST FÜR ALTE MUSIK, UND AM 28. FEBRUAR SPIELEN SIE IM ZAMUS SPIRITUALS ZUM MITSINGEN.
5
Auf der Probe zu seiner Barockmusikshow Cirque Noel ist Adrian Schvarzstein ganz in
seinem Element.
ZAMUS: Die Theatergruppe Kamchát­
ka, die im Kölner Fest für Alte Musik das
Projekt FUGIT realisiert, ist deine Grün­
dung … was oder wer ist Kamchátka?
ADRIAN SCHVARZSTEIN: Kamchátka ist ein Ort am Ende der Welt, eine
Halbinsel in Sibirien. Und deshalb
auch die Inspiration für den Namen
der Gruppe. Wir haben einen Namen
gesucht, der Ferne symbolisiert, von
dem man nicht wirklich etwas weiß,
der aber gleichzeitig auch vertraut
klingt, der Gefühle heraufbeschwört
von unbekannter Weite, von Exotik –
und von einer gewissen Bedrohlichkeit. Die Theatergruppe Kamchátka,
ein Künstlerkollektiv, deren Künstlerischer Leiter ich bin, wurde vor zehn
Jahren in Barcelona gegründet. Als
Ergebnis von einem Straßentheaterworkshop. Ich leite Straßentheaterworkshops in der ganzen Welt, und
immer haben sie spezifische Themen.
Damals ging es um Immigration und
Emigration; und als letzte Übung, bei
der es um Improvisation, Gruppenfindung, Absurdität und Spontaneität
ging, hatte ich mir ein Setting ausgedacht: Nehmen wir an, wir seien eine
Gruppe von Immigranten, die irgendwo ganz neu ankommen. Wir kennen
die Sprache des Ortes nicht, wir kennen seine Sitten und Gebräuche nicht,
wir wissen nichts … Aber wir brauchen
etwas: einen Platz zum Bleiben, etwas
zu essen und zu trinken, vielleicht eine
Arbeit …
DER
GRENZGäNGER
INTERVIEW: THOMAS HöFT
6
Foto: Thomas Höft
Im Kölner Fest für Alte Musik ist er seit drei Jahren Garant für
ungewöhnlich körperliche, ungewöhnlich sinnliche und ungewöhnlich
lustige Inszenierungen von Alter Musik, die Groß und Klein gleichermaßen
begeistern. Für das aktuelle Festival macht sich Adrian Schvarzstein auf die
Suche nach einer besseren Welt.
Verstehe, ihr habt so getan, als kommt ihr
direkt von der Halbinsel Kamchátka …
Ganz genau. Als hätte uns ein Bus
mitten in Barcelona abgesetzt. Und
da sind wir, in einer etwas schäbigen
Eleganz, also in Kleidung, die hier
vielleicht vor 40 Jahren modern war,
mit unseren Koffern in der Hand, und
wir versuchen, akzeptiert zu werden.
Jeder möchte ja vor allem akzep-
tiert werden. Und wir sind sehr höflich. Trotzdem, wenn acht Menschen
plötzlich da sind, auch wenn sie sehr
freundlich mit dir umgehen, sind sie
eine Herausforderung. Denn sie sind
eine Invasion. Und eine Provokation.
Aber wir überlassen die Reaktion den
Zuschauern: sind wir eine Belästigung
oder eine Bereicherung? Sind wir eine
Inspiration oder eine Zumutung? Das
muss jeder für sich entscheiden. Das
Ganze war jedenfalls ein Riesenerfolg,
künstlerisch und von den Reaktionen.
Also habt ihr weitergemacht …
Natürlich. Das war so eine intensive
Erfahrung, dass sich alle Teilnehmenden gedacht haben: das müssen
wir weiter entwickeln. Das ist eine
theatralische Idee, die ein unglaubliches Potential hat. Also haben wir
die Übung zu einem Stück ausgebaut
und rund um die Welt gespielt. Später
haben wir dann ein zweites Stück entwickelt, das heißt HABITACULUM. Das
ist gewissermaßen die Fortsetzung.
Also unsere Gruppe ist an einem Ort
angekommen und hat sich ein leerstehendes Gebäude angeeignet. An
diesem Leben kann das Publikum
teilnehmen. Und an der Herausforderungen, irgendwo zu sein, aber nichts
zu haben.
Und FUGIT könne der neu erzwungene
neue Aufbruch sein …
Völlig richtig. Unser ganz neues Stück,
das wir in Köln präsentieren, denkt die
Vorgeschichte konsequent fort. Was
passiert, wenn wir aus irgendeinem
Grund einfach weg müssen, fliehen
vor einer imaginären Bedrohung? Du
gehst ja nicht freiwillig von irgendwo
weg, es muss etwas passiert sein.
Und wir alle haben wahrscheinlich in
den Geschichten unserer Familien so
etwas erlebt. Meine Familie hat so etwas erlebt. Sie sind vor den Pogromen
in der heutigen Ukraine geflohen und
schließlich in Argentinien gelandet.
Aber so etwas oder ähnliches haben
Millionen und Millionen anderer Menschen auch erfahren. Wir alle sind
Kamchátka auf gewissen Weise; das
ist eine Grundidee des Stücks.
Eine, die plötzlich eine ungeheure Aktu­
alität bekommt. Kein Wunder, dass ihr
FUGIT wirklich überall spielt, von den
USA bis nach Asien, ich selbst habe die
Aufführungen im Avantgardetheaterfest
in Kopenhagen gesehen. Aber dennoch ist
die Kölner Aufführung eine Premiere …
Ganz genau, es ist ein eigenes Stück.
Kamchátka liegt es, mit anderen
Künstlern und Künstlerinnen zusammen zu arbeiten. Und in Köln haben
wir dazu eine fantastische Möglichkeit. Wir haben die wunderbaren, experimentierfreudigen Musiker des
zamus-ensembles und wir haben die
fantastische blinde Sopranistin Gerlinde Sämann. Mit allen Beteiligten
werden wir die Grundidee unserer
Produktion FUGIT ganz neu denken,
proben und entwickeln. Die Barockmusik wird eine ganz große Rolle
spielen. Was aber genau passiert,
werde ich nicht verraten. Lassen wir
es dabei: Es wird ein Konzert, das die
Besucher ebenso überraschen wie
herausfordern wird.
Wir sollten nicht vergessen, dass das Pro­
jekt einen zweiten Teil für Schülerinnen
und Schüler hat …
Richtig. Wir haben im vergangenen
Jahr eine Zusammenarbeit mit der
Förderschule Redwitzstraße begonnen. Die war so schön, dass wir weitermachen mussten. Diesmal geht
es unter dem Titel „Auf und davon“
auf eine Reise auf einem Floß in eine
bessere Welt. Welche? Das werden die
Kinder selbst entwickeln. Zur herrlichen Musik von Antonio Vivaldi.
ADRIAN SCHVARZSTEIN INSZENIERT DAS INTERAKTIVE MUSIKTHEATER FUGIT GEMEINSAM MIT DER THEATERGRUPPE
KAMCHÁTKA UND DEM ZAMUS-ENSEMBLE UNTER MICHAEL HELL AM 2.,3. & 4. MäRZ 2016 IM ZAMUS
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EINE RITTERREISE
Im geheimnisvollen Mönchsoutfit spüren sie dem neuen Rätsel um
Ritter Rost nach: Jörg Hilbert und Dominik Schneider.
interview: thomas höft
JÖRG HILBERT: Und wie! Musik gehört zum Ritter Rost
wie die Schraube zur Mutter. Schon dem allerersten Buch,
das 1994 erschien, lag eine CD mit elf Songs des genialen
Komponisten und Produzenten Felix Janosa bei. Vermutlich war es das erste Kinderbuch mit CD überhaupt und
damals eine Revolution. Kinder, so hieß es damals in einer besorgten Kritik, seien mit der Bedienung eines CDSpielers doch überfordert.
Die Tücken der Technik …
Zum Glück hat sich diese Sorge als nicht zutreffend erwiesen und so haben wir seither in über 20 Büchern und
zahllosen Hörspielproduktionen den
Ritter Rost musikalisch immer wieder neu ausgeleuchtet. Jeder Band
ist ein ganz eigenes Kreativprojekt, in
dem innovative Wege beschritten und
musikalische Experimente durchgeführt werden. So steht die Geschichte Ritter Rost ist krank beispielsweise
unter dem musikalischen Vorzeichen
Beatles, während der Audioproduktion zu Ritter Rost und der Schrottkönig gleich die komplette
Bigband der Deutschen Oper Berlin assistiert. In anderen
Büchern steht eher die originäre Verbindung ganz unterschiedlicher Musikgenres im Vordergrund und augenblicklich arbeiten wir an einer Oper.
fone, Pferde zum Aufziehen, Drachen mit Feuerzeugnase
und so weiter. Darüberhinaus werden auch immer gerne
märchenhafte Elemente und aktuelle Zeitbezüge aufgenommen. So bahnt sich auf der Eisernen Burg des Ritters diesmal eine Flüchtlingskrise an: Ein verschrecktes
Einhorn erscheint auf dem Burghof, gefolgt von anderen
Fabelwesen aus dem nahe gelegenen Wald: Werwölfe,
Vampire, Pobeißer … selbst die fliegenden Unterhosen
kommen angeflattert, obwohl gerade sie aus Geruchsgründen eigentlich niemanden zu fürchten haben. Es
scheint also etwas Ernstes dahinter zu stecken und so
macht sich der Ritter Rost mit Hilfe des Burgfräulein Bö
und Koks dem Feuerdrachen auf den Weg in den Wald,
um das Geheimnis zu ergründen. Was
sie dort genau erwartet, soll hier noch
nicht verraten werden, es steht aber
jedenfalls in Zusammenhang mit dem
Codex Calixtinus und anderen mittelalterlichen Quellen.
„Musik
gehört zum Ritter
Rost wie die
Schraube zur
Mutter.“
Gibt es auch noch ganz unerforschte Bereiche?
Foto: Dominik Schneider
Mit über 1 Million verkauften
Büchern, 500 Theateraufführungen
pro Jahr, Kinofilm und Fernsehserie
ist Ritter Rost ein Klassiker der
deutschen Kinderliteratur und
-musik. Für das ZAMUS hat
der Erfinder des Ritters, Jörg
Hilbert, einige beliebte Lieder
zusammengestellt und eine neue
Geschichte dafür geschrieben.
ZAMUS: Ist Ritter Rost eigentlich musikalisch?
Selbstverständlich. Ein bisher unberücksichtigtes musikalisches Sujet ist zum Beispiel ausgerechnet die
Musik der Ritterzeit – dem Mittelalter. Für das ZAMUS
habe ich daher eigens eine Geschichte verfasst, in der
einige der beliebtesten Ritter-Rost-Lieder veritablen
gregorianischen Gesängen gegenübergestellt werden. Ausgeführt wird die Musik vom Vokal­ensemble
Vox Werdenis und dem Ensemble Bad Antiko mit dem
Flötisten Dominik Schneider. Da es sich um eine Produktion für Kinder handelt, kommt auch der Spaß nicht
zu kurz, was unter anderem bedeutet, dass die Abgrenzung der verschiedenen musikalischen Genres und Sujets zwar ernst genommen wird, aber nicht bierernst.
Überhaupt ist die Welt der Ritter-Rost-Geschichten nur
vordergründig mittelalterlich, denn es gibt dort Errungenschaften, die uns eigentlich erst aus der Neuzeit bekannt sind: Rohrpost-SMS, Zauberspiegel-Internet, Tele-
Eine letzte Frage zum Schluss: Auf unse­
rem Plakat ist Ritter Rost mit einer Laute
zu sehen, die augenscheinlich aus Schrott
zusammengebastelt ist. Da könnte glatt
ein persönliches Augenzwinkern dahinterstecken … denn Sie
selbst sind ja dem Musikmachen durchaus verbunden …
Es ist eine „Eisen-Erzlaute“, um genau zu sein, denn sie
ist rittergerecht aus Eisenerz gefertigt. Ich habe selber so
was aus Holz im Schrank und außerdem noch rund ein
Dutzend andere Lauten und lautenähnliche Instrumente
aller Größen. Ganz früher hatte ich mal überlegt, ob ich
Gitarre studieren soll. Aus guten Gründen habe ich dann
Grafik-Design als Studienfach gewählt, was auch die richtige Entscheidung war. Die Gitarre habe ich irgendwann
gelangweilt zur Seite gelegt. Trotzdem ist Musik für mich
immer die Hauptsache geblieben und ich habe sie in vielfältiger Weise in meine Projekte eingebunden. Auch meine Frau ist Musikerin. Am meisten fasziniert hatte mich
schon von jeher die „Alte Musik“. Insbesondere bin ich ein
Riesenfan aller Sakralmusik von – sagen wir – vor 1750,
und ich liebe die metaphysische Klangwirklichkeit der Instrumente dieser Zeit. Als ich dann irgendwann die Laute
für mich entdeckte, war das für mich regelrecht eine Offenbarung und es gibt heute für mich nichts Schöneres,
als einen Sänger zu begleiten oder einen Actus Tragicus
mitzuzupfen.
Weitere Infos: www.joerghilbert.de
JÖRG HILBERT ERZÄHLT am 6. märz 2016 in den balloni hallen deN TRAUM VOM RITTER ROST.
MUSIKALISCH WIRD ER VON DER BAND BAD ANTIKO MIT DOMINIK SCHNEIDER UND DER SCHOLA
VOX WERDENSIS UNTER STEFAN KLÖCKNER BEGLEITET.
9
Flaschenpost
der Gefühle
Was kann Alte Musik in einer Welt von
heute leisten?
VON Thomas Höft
Und um zu existieren, muss Kunst immer wieder vergegenwärtigt werden. Ein ungespieltes Musikstück, ein ungelesener Roman, ein nicht betrachteter Film bleibt wirkungslos, kunstlos, denn die Kunst stellt sich erst über den
Gegenwartsmoment her. Erst hier tut sie, was ihr Wesen
ist: berühren und eine Geschichte erzählen.
So einfach und grundlegend das in der Theorie klingt, so
schwierig ist das Vergegenwärtigen in der Praxis. Vor allem, wenn es sich um Kunst aus fremden Kulturkreisen
oder früheren Epochen handelt. Was man eindrucksvoll
am Beispiel der Musik belegen kann. Über viele Jahrhunderte gab es in Europa keine Trennung zwischen alter und
neuer Musik. Es wurde einfach Musik der Gegenwart gespielt, am Alten oder Historischen hatte man kaum Interesse. Der Geschmack und die Gepflogenheiten der eige10
Die Methoden der Aufführungspraxis werden auf die
Musik des Mittelalters ebenso angewendet wie auf die
Hauptwerke der Klassik und inzwischen der Romantik
sowie Musik des 20. Jahrhunderts. Diese Pionierleistung
Nikolaus Harnoncourts und seiner Mitstreiter hat Musikgeschichte geschrieben und ist wahrscheinlich eine der
einflussreichsten Revolutionen in der Geschichte der musikalischen Praxis.
nen Gegenwart standen so sehr im Mittelpunkt, dass alles
andere minderwertig erschien. Dies änderte sich erst im
19. Jahrhundert. Als man den ideologischen und informativen Wert der Kulturgeschichte begriff, gelangte auch die
Musik früherer Generationen zu neuer Aufmerksamkeit.
Anfang des 20. Jahrhunderts dachten Künstler erstmals
darüber nach, ob man die Musik früherer Zeiten am besten
dadurch lebendig machen könnte, wenn man sie auf den
Instrumenten und im Wissen der jeweiligen Zeit spielt, in
der sie komponiert wurde. Aber erst in den 50er Jahren des
20. Jahrhunderts bekamen die unterschiedlichen, unkoordinierten Versuche Leitfiguren und einen herausragenden
kreativen Impuls: Nikolaus Harnoncourt und sein Ensem­
ble Concentus Musicus Wien sowie Gustav Leonhardt in
den Niederlanden beschäftigten sich erstmals systematisch mit alten Quellen und Instrumenten. Damit begann
die aktuelle Bewegung der historischen Aufführungspraxis
Alter Musik.
Zunächst bespöttelt und als exotisch betrachtet, trat die
Aufführungspraxis seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen wahren Siegeszug durch die
Konzertsäle an und ist heute unumstritten und etabliert.
Illustration: Nane Weber
K
unst ist Kommunikation. Selbst wenn wir Vertreter der „L’art pour l’art“ wären, einer Kunst
aus reinem Selbstzweck, oder selbst wenn wir
in quasi­religiöser Übertragung der Kunst den
Rang des „Heiligen“ zubilligten, so wäre sie doch vor allem anderen erst einmal Kommunikation. Einfach ausgedrückt: Kunst hat etwas zu sagen.
Aber diese Revolution reicht auch über den rein musikalischen Bereich hinaus. Nikolaus Harnoncourt war und ist
der Überzeugung, dass Musik eine „Klangrede“ ist, dass
sie Geschichten in Tönen erzählt und nach den Grundregeln der Kommunikationstheorie funktioniert. Um die
Kommunikation mit dem Zuhörer in Gang zu setzen, muss
der Interpret nicht nur die technischen Dimensionen der
Umsetzung beherrschen, sondern auch die Inhalte des
Kunstwerkes verstehen und übertragen können. Die
Transferleistung des ausführenden Künstlers besteht
darin, für die Botschaft des Kunstwerkes eine möglichst
aktuelle, verständliche Form des Ausdrucks zu finden, die
sowohl das Werk an sich wie auch den gegenwärtigen Zuhörer ernst nimmt. Dass diese Ausdrucksformen ganz ge-
genwartsverhaftet sind und immer wieder neu entwickelt
werden müssen, davon ist Harnoncourt fest überzeugt.
Heute befinden wir uns durch die Revolutionen des digitalen Zeitalters mitten in einem der spannendsten gesellschaftlichen Umbrüche der Kulturgeschichte. Die
überkommenen Formen der Beförderung der Werte und
Qualitäten von Kunst haben bisher noch kaum verstandene und kaum zu ermessende Erweiterungen erfahren.
Wir benötigen neue Strategien und Formen, dieses „weite
Land“ für unsere Anliegen zu nutzen. Dazu sind wir alle im
ZAMUS aufgerufen, und genau darum kümmern wir uns.
Es gibt ein sehr schönes Bild, um zu erklären, was eigentlich Musik aus vergangenen Zeiten ist. Stellen wir uns eine
Flaschenpost voller Gefühl vor, die irgendwann vor hunderten von Jahren ins Meer der Zeit geworfen wurde, und
die wir nun wieder öffnen. Die in ihr verborgene Botschaft
weht uns im besten Fall in dem Zauber, in der Energie an,
mit der sie einst hineingegeben wurde. Genau dies erlebbar zu machen, ist die hohe Kunst der Interpretation.
11
Bariton Seth Carico feiert zur Zeit an der Deutschen Oper Berlin große Erfolge.
Frauke Meyer inszeniert Bach.
S
eit jeher ist der Glaube für Menschen Halt, Trost und Sicherheit
sich mit schwierigen und belastenden Themen auseinanderzusetzen.
Doch auch hier wird die eigene Endlichkeit
gerne übergangen. Obwohl der Tod und das
Sterben unabdingbar zum natürlichen Prozess des Lebens dazu gehören, ist dieser Teil
des Lebens immer noch in unserer Gesellschaft tabuisiert. Das Sterben passt nicht in
unsere optimierte, effiziente und produktive Welt. Es wird aus
dem gesellschaftlichen Leben verbannt.
Alte Menschen werden in Altenheimen
isoliert, fernab von
jeglichem Leben und
auch
schwerkranke Menschen dürfen
nicht leiden, sondern
müssen an permanenter Verbesserung und
Optimierung arbeiten und in gesellschaftsakzeptabler Weise mit ihrer Krankheit umgehen. Alles scheint durch Willen, Anstrengung
und Geld verbesserbar, und der Mensch ist
mit seinem individuellen Sterben und den damit verbundenen Ängsten und Sorgen völlig
allein gelassen. Ob viele da eine so gelassene
Haltung entwickeln können wie Johann Sebastian Bach, das beschäftigt uns sehr in der
Vorbereitung unserer Aufführung.
Frauke Meyer kommt aus dem
klassischen Opernbetrieb. Sie
hat in Hamburg beim großen
Götz Friedrich Musiktheaterregie
studiert, hat in San Francisco,
in Basel und in Berlin fest an
Opernhäusern gearbeitet und
ist nun seit zwei Jahren als freie
Regisseurin unterwegs. Für
das Kölner Fest für Alte Musik
inszeniert sie Johann Sebastian
Bachs Kantate „Ich habe genug“
mit Starbariton Seth Carico als
lebensmüdem Protagonisten
Das sind viele Fragen für ein Stück Musiktheater. Und es wird wenige Antworten geben.
Oder besser: sehr verschiedene Antworten.
Dafür bürgen schon die vielen Mitwirkenden
des Projektes. Wir haben ein fantastisches Barockensemble mit der
Weltklasse-Oboistin
Xenia Löffler. Es singt
Seth Carico, der nicht
nur an der Deutschen
Oper Berlin Triumphe
feiert. Schauspieler
Torsten Peter Schnick
ist einer der Kölner
Publikumslieblinge. Und wir haben im Kölner
Komponisten Martin Bechler jemanden, der
sehr publikumszugewandt Musik komponiert,
die sich mit der Tradition Bachs auseinandersetzt und Eigenes, Gegenwärtiges zu sagen
hat. Und das wirklich sehr verständlich, emotional und ehrlich ohne artifizielle Spielereien.
Dazu kommen Seniorinnen und Senioren sowie Schülerinnen und Schüler der inklusiven
Offenen Schule Köln. Gemeinsam schreiben
wir Texte und proben Szenen, die in der Aufführung zusammengebunden werden. Die szenische Grundsituation: Ein Leichenschmaus. Senioren und Schüler sind gleichberechtigt in die
Stückentwicklung mit eingebunden und haben
einen wesentlichen Anteil an dem Projekt. Das
ist eine unglaublich spannende Arbeit von großer künstlerischer Ernsthaftigkeit.
Das Sterben passt nicht in
unsere optimierte, effiziente
und produktive Welt.
ERNSTHAFT
GEGEN TABUS
In einer Stadt wie Köln, die sich als junge
kreative durch Events geprägte Medienstadt
positioniert, hat das Thema Tod und Sterben
keinen Platz mehr. Senioren und Seniorinnen
treffen nicht unbedingt auf junge Menschen,
und kranke Menschen treffen nicht unbedingt
auf gesunde Menschen – es findet keinerlei
Austausch statt. Der Tod und der Umgang mit
Sterbenden definiert eine Gesellschaft und
führt zu der Frage, wie wir als Gesellschaft
uns Tod und Sterben wünschen und vorstellen.
Wollen wir alleine und ausgestoßen sterben?
Was für eine Verantwortung tragen in diesem
Zusammenhang verschiedene Generationen?
Wie gehen wir mit Sterbehilfe um? Warum gibt
Foto: Simon Pauly
VON FRAUKE MEYER
12
es Menschen, die mit belastenden Situationen
besser als andere umgehen können? Was für
eine Rolle spielt Resilienz im Sterbeprozess?
Was macht Lebenssattheit mit uns am Ende
unseres Lebens? Woher kommt Lebenssattheit?
ICH HABE GENUG von johann sebastian bach IN DER INSZENIERUNG VON FRAUKE MEYER
ist am 11. & 12. märz 2016 in der trinitatiskirche ZU ERLEBEN. DAS PROJEKT wird vom
Evangelischen Kirchenverband Köln und Region sowie vom Katholikenausschuss
in der Stadt Köln veranstaltet.
13
SA, 27. FEBRUAR 2016, 20 UHR
SO, 28. FEBRUAR 2016, AB 11 UHR
SO, 28. FEBRUAR 2016, 20 UHR
MI, 2./DO, 3./FR, 4. MäRZ 2016, 10 UHR
MI, 2./DO, 3./FR, 4. MäRZ 2016, 20 UHR
FR, 4. MäRZ 2016, 20 UHR
SA, 5. MäRZ 2016, 20 UHR
SO, 6. MäRZ 2016, 11 & 15 UHR
BALLONI HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
ZAMUS, Heliosstraße 15
Flora Köln, Am Botanischen Garten 1a
BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
ZAMUS, Heliosstraße 15
BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
HfMT Köln, Ursulinenkirche, Machabäerstr. 47
BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
I HAVE A DREAM
DREAMDAY IM ZAMUS
EINE KLEINE NACHT MUSICK
AUF UND DAVON
FUGIT
FRANZISKANISCHE LAUDE & MUSIK DER
UNDERGROUND RAILROAD
TAG DER OFFENEN TÜR – WIR MACHEN
DEN TAG ZUR NACHT
MOZARTS TRÄUMERISCHE SERENADEN
MUSIKTHEATER FÜR SCHÜLER /INNEN
EIN INTERAKTIVES MUSIKTHEATER
DER TOD UND DAS MäDCHEN
TRAUMWANDEL
IN RÄUMEN TRÄUMEN – WANDELKONZERT
Musik von Antonio Vivaldi
Oni Wytars
Kim & Reggie Harris
11.30 & 14 Uhr Sockenkonzerte
So erzählt es der Mond
Wolfgang Amadeus Mozart: Serenata notturna
D-Dur KV 239
Serenata G-Dur KV 525 „Kleine Nacht Musick“
Musik von Barbara Strozzi, Johann Sebastian
Bach, John Playford u.a.
SCHUBERTS GROSSES STREICHQUARTETT
Georg Friedrich Händel: Music for the Royal
Fireworks u.v.m.
Der Heilige Franz von Assisi soll laut singend und Gott lobend durch die Natur
gewandert sein. Viele mittelalterliche
Lobgesänge gehen auf dieses Vorbild zurück. Das gefeierte Mittelalterensemble
Oni Wytars um Marco Ambrosini spielt die
schönsten Laude als Ausdruck der Verherrlichung eines gottgefälligen Lebens in
selbstgewählter Armut.
Eine kleine Hoffnung, ihren Peinigern zu
entkommen, hatten die Sklaven in den
Südstaaten der USA: seit 1780 gab es
ein geheimes Netzwerk, das Fluchthilfe
versprach, die „Underground Railroad“.
Menschen wie Harriet Tubman, deren
Spitzname „Moses“ im weltbekannten Spiritual verewigt wurde, riskierten ihr Leben,
um die Sklaven zu befreien. Kim & Reggie
Harris erzählen deren Geschichte in aufrüttelnden Liedern der Zeit. 29/18 Euro
13 & 15 Uhr Spirituals und Gospels zum
Mitsingen für die ganze Familie
mit Kim & Reggie Harris
Franz Schubert: Quartettsatz c-Moll D 703
Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810 „Der Tod
und das Mädchen“
In unserem Dreamday im ZAMUS machen
wir den Tag zur Nacht, wir hören in zwei Sockenkonzerten Geschichten und Musik, die
der Mond erzählt, und machen uns mit einem Sternenfachmann dorthin auf die Reise.
In zwei Salonkonzerten erzählen uns Kim &
Reggie Harris von dem Traum Martin Luther
Kings, dass jeder ohne Ansehen der Hautfarbe die gleichen Rechte haben sollte. Seit dem
18. Jahrhundert sind Spirituals und Gospels
Ausdruck dieses Kampfes um Gerechtigkeit,
und die beiden Musiker laden uns ein, mit
ihnen einige davon gemeinsam zu singen.
Neben den Konzerten gibt es Hörstationen,
Instrumentenbau und natürlich wieder unsere Popcornmaschine, die aber in diesem Jahr
Sternenstaub produziert … Eintritt frei
Johannes Silberschneider
als Wolfgang Amadeus Mozart
L’Orfeo Barockorchester
Musikalische Leitung: Michi Gaigg
Die Serenade Nr. 13 in G-Dur! Sie ist so
berühmt, dass jeder davon auszugehen
scheint, dass alle dieses wunderbare Werk
schon allzu oft gehört haben. Aber stimmt
das wirklich? Das österreichische Barockorchester L’Orfeo unter Michi Gaigg ist genau
das richtige Ensemble, um frisch auf die
Partitur zu blicken. Und so erklingt die Serenade, der Mozart selbst handschriftlich
den Titel „kleine Nacht Musick“ gegeben
hat, in einem Programm mit der „Serenata
notturna“. Den nächtlichen Liebesständchen
und andere Vergnügungen spürt Österreichs
Starschauspieler Johannes Silberschneider
in Originaltexten von Wolfgang Amadeus
Mozart nach. 29/18 Euro
Idee: Adrian Schvarzstein
Schülerinnen & Schüler der Förderschule
Redwitzstraße
zamus-ensemble
Musikalische Leitung: Michael Hell
Künstlerische Leitung: Maria Filimonov
& Markus Tomczyk
Nehmen wir an, man könnte einfach ein Floß
besteigen und in ein besseres Leben aufbrechen … Wohin würdet ihr fahren? Welches
andere Leben würdet ihr Euch wünschen?
Diese Fragen stellen die Schülerinnen und
Schüler der Förderschule Redwitzstraße
und das Team um den philosophischen
Clown Adrian Schvarzstein. Und gemeinsam machen sie sich auf eine abenteuerliche Reise, zu der das zamus-ensemble mit
Vivaldis Konzerten „La notte“ und dem gewaltig stürmischen „La tempesta di mare“
die passende Musik beisteuert. 5 Euro
Die Konzerte sind nur für Schulklassen zugänglich, vorbereitendes Material für Lehrer wird auf Anfrage zugesandt.
I HAVE A DREAM
Gerlinde Sämann, Sopran
Theatergruppe Kamchàtka
zamus-ensemble
Musikalische Leitung: Michael Hell
Dieses Stück ist ein Abenteuer. Die Straßentheatergruppe Kamchàtka aus Barcelona
stellt den Aufführungen ein Zitat voran: „In
Zeiten wie diesen, ist Fliehen der einzige
Weg, um am Leben zu bleiben und weiter
zu träumen“. Unter diesem Motto verbinden sich Musik und Schauspiel zu einer
ungewöhnlichen Aktion, an der das Publikum aktiv beteiligt ist. Festes Schuhwerk ist
ebenso anzuraten wie warme Kleidung. Und
die Bereitschaft, sich über Grenzen führen
zu lassen … Mit dabei: die blinde Sopranistin
Gerlinde Sämann und der Blockflötist und
Cembalist Michael Hell. 29/18 Euro
FUGIT ist eine Originalproduktion des Theaters Kamchàtka. Die
Kölner Fassung ist eine Musiktheaterversion, die speziell für
und mit dem Kölner Fest für Alte Musik entwickelt wurde.
Edding Quartett
In Matthias Claudius‘ berühmtem Gedicht
versucht der Tod, einem Mädchen die Furcht
vor dem Sterben zu nehmen, indem er sie
in seinen Armen in den Schlaf wiegt. Franz
Schubert hat diesen Inbegriff der romantischen Lyrik als Vorlage für ein Lied verwendet, dessen Melodie er später in seinem großen Streichquartett in d-Moll variiert. Das
junge Edding-Quartett macht zur Zeit europaweit Furore mit seinen Romantik-Interpretationen auf historischen Instrumenten.
In Köln spielen sie ein reines Schubert-Programm. Dazu liest die bekannte Münchner
Schauspielerin Barbara de Koy eine kleine
Auswahl an romantischen Gedichten um
Nacht und Traum - zwischen Sehnsucht und
Bedrohlichkeit, Verführung und Verstörung.
Unter anderem dabei: Schuberts Vorlage
von Matthias Claudius. 20/12
Ensemble Nel Dolce
Stephanie Buyken, Blockflöte, Gesang
Olga Piskorz, Violine
Harm Meiners, Violoncello
Luca Quintavalle, Cembalo
Studierende des Instituts für Alte Musik
der HfMT Köln
Prof. Gerald Hambitzer, Prof. Kai Wessel
Regie: Anna Neubert
Regie, Bühnenbild: Pia Janssen
Durch die Kölner Hochschule für Musik und
Tanz führt ein Konzertparcours der besonderen Art: Studierende, Absolventen und
Lehrende bitten auf eine traumwandlerische
Reise mit Barockmusik von intimer Kammerbesetzung bis zum vollen Orchesterklang. Eintritt frei
Eine Veranstaltung der Hochschule für Musik und Tanz Köln,
Institut für Alte Musik
RITTER ROST UND DAS EINHORN
SZENISCHE LESUNG FÜR DIE GANZE FAMILIE
Jörg Hilbert, Zeichner & Erzähler
Regie: Veronika Maruhn
Vox Werdensis, Leitung: Stefan Klöckner
Bad Antiko, Leitung: Dominik Schneider
Mit über 1 Million verkauften Büchern, Kinofilm und Fernsehserie ist Ritter Rost ein
Klassiker der Kinderliteratur. Der Ritter und
seine Freunde, Koks der Drache und das
Burgfräulein Bö, faszinieren Generationen.
Die Musik von Felix Janosa gehört zu Ritter
Rost wie die Schraube zur Mutter. Für das
ZAMUS hat der Erfinder des Ritters, Jörg
Hilbert, einige beliebte Lieder zusammengestellt und eine neue Geschichte dafür
geschrieben. Der Flötist Dominik Schneider
hat beides durch Musik aus der Ritterzeit
ergänzt, sowie einiger anderer Epochen, die
uns über die Jahrhunderte hinweg mit dem
Mittelalter verbinden. Heraus kommt eine
ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame
Mischung aus Lesung, Theater und Konzert,
in der das Früher zum Heute findet und Alt zu
Neu wird. 20/12 Euro
PROGRAMM KöLNER FEST FüR ALTE MUSIK 27. FEBRUAR – 13. MäRZ 2016
SAMSTAG, 5. MäRZ, AB 15 UHR,
SONNTAG, 13. MäRZ, AB 11 UHR
MI, 9. MäRZ 2016, 20 UHR
DO, 10. MäRZ 2016, 20 UHR
FR, 11./SA 12. MäRZ 2016, 20 UHR
SA, 12. MäRZ 2016, 20 UHR
SO, 13. MäRZ 2016, 15 UHR
SO, 13. MäRZ 2016, 17 UHR
SO, 13. MäRZ 2016, 20 UHR
Friedenskirche Ehrenfeld, Rothehausstr. 54a
Friedenskirche Ehrenfeld, Rothehausstr. 54a
Trinitatiskirche, Filzengraben 4
BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
Alter Markt
Trinitatiskirche, Filzengraben 4
BALLONI-HALLEN, Ehrenfeldgürtel 88
ROSSIGNOL
HIMMLISCHES JERUSALEM
ICH HABE GENUG
GOLDBERGVARIATIONEN
TRAUMTäNZE
AUF DEM WEG INS PARADIES
ORIENT/OKZIDENT
TRAUM UND VISION IM SPÄTMITTELALTER
VISIONEN UND OFFENBARUNGEN
SZENISCHE AUFFÜHRUNG
JOHANN SEBASTIAN BACHS MEISTERWERK
DAS WELTLICHE CARILLON
MUSIK DES NORDDEUTSCHEN BAROCKS
EIN DIALOG DER SEELEN
SPIELWIESE
Sollazzo Ensemble
Yukie Sato, Sopran | Vivien Simon, Tenor
Sophia Danilevskaia, Fiedel
Vincent Kibildis, Harfe
Fiedel und Leitung: Anna Danilevskaia
Musik von Salomone Rossi, Tomas Luis
de Victoria, Manuel de Sumaya u.a.
Johann Sebastian Bach: Ich habe genug, BWV 82
Martin Bechler: Omega, UA
Johann Sebastian Bach:
Goldbergvariationen BWV 988
Musik von Franz Liszt, Simeon ten Holt, Ronald
Barnes u.a.
Benjamin Alard, Cembalo
Rosemarie Seuntiëns, Glockenspiel
Das Carillon im Turm des historischen Rathauses der Stadt Köln, ein Glockenspiel, das
von Hand angeschlagen werden kann, ist
inzwischen schon traditionell Teil des Festes
für Alte Musik. Lange Zeit galten Glocken
als die wichtigsten Boten des Glaubens, als
„Stimmen des Himmels“ – aber in den Rathäusern und Glockenspieltürmen Flanders,
der Niederlande und des Rheinlands war
die Musik für Carillon durchaus vor allem
weltlich gemeint und gedacht – wenn sie
auch von ganz oben erklingt. Rosemarie
Seuntjëns, die städtische Glockenspielerin
der niederländischen Stadt Roermond, hat
für unser Kölner Festival ein Programm vorbereitet, in dem Traummusik zwischen den
„Three Dream Dances“ des amerikanischen
Komponisten Ronald Barnes und Franz
Liszts „Liebestraum“ erklingt. Eintritt frei
Jordi Savall, Rebec & Rebab
Dimitris Psonis, Santur & Morisca
In der biblischen „Offenbarung des Johannes“ erscheint dem Propheten nach den
Schrecken der Apokalypse eine Stadt, die
golden leuchtend vom Himmel kommt: das
„neue Jerusalem“. In ihr bündeln sich die
Hoffnung der Christenheit auf die Auferstehung. Aber auch für die Juden ist Jerusalem
ein ewiger Hoffnungsort, der in den Zeiten
der Diaspora immer wieder Anlass zur Hinwendung bot und bietet. Michael Willens hat
ein Programm mit jüdischer und christlicher
Musik zusammengestellt, das um den utopischen Sehnsuchtsort Jerusalem kreist. Acht
Vokalsolisten und Continuo stimmen unter
anderem Tomas Luis de Victorias berühmte
Lamentationen aus dem „Officium Sanctae
Hebdomadae“ an. 20/12 Euro
Graf Hermann Carl von Keyserlingk konnte
nicht einschlafen. Zum Glück hatte er einen
Diener, den leidenschaftlichen Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg. Der verkürzte Keyserlingk die durchwachten Nächte mit Musik. Und
weil der Graf eine enge Beziehung zur Familie
Bach hatte und der große Johann Sebastian
Goldbergs Cembalolehrer war, konnte er den
Meister darum bitten, ein paar Cembalostücke
für Goldberg zu schreiben. Bach komponierte
ein gewaltiges Variationswerk, beispiellos in
Qualität und Umfang. Und, so erzählt Bachs
Biograph Nikolaus Forkel, „lange Zeit hindurch
hieß es nun, wenn schlaflose Nächte kamen:
Lieber Goldberg, spiele mir doch eine von meinen Variationen!“ In Köln tut dies Benjamin
Alard, einer der jungen französischen Shootingstars der Szene. 20/12 Euro
Cantus Cölln
Musikalische Leitung: Konrad Junghänel
Musik aus einer Zeit, in der Wissenschaft und
Kunst sich nicht gegenüberstehen, sondern
sich bereichern. Es erklingen Madrigale über
Träume des italienischen Trecento, spätere
Werke der enigmatischen Ars Subtilior, Reflexionen der Mythologie der Antike, Alb- und
Tagträume und Musik, die damals in einen
hypnotischen Zustand versetzen sollte. Durch
das Programm führen Stücke, die von der
Nachtigall sprechen, jener verzaubernden
Sängerin der Nacht. Ein ganz junges Baseler
Ensemble hat sich diese Musik zu Eigen gemacht. In York gewannen sie jüngst den Preis
für das beste Nachwuchsensemble der Alten
Musik, alle sind sie Studierende oder Absolventen der traditionsreichen Schola Cantorum
Basiliensis: das Ensemble Sollazzo lässt die
Szene aufhorchen. 20/12 Euro
Seth Carico, Bariton
Ensemble 20-/70+ | zamus-ensemble
Musikalische Leitung & Oboe: Xenia Löffler
Bühne & Kostüme: Uta Materne
Buch & Regie: Frauke Meyer
Ottomanische, armenische, arabisch-andalusische, sephardische und christliche Musik aus
dem Mittelmeerraum
INTERNATIONALE NACHWUCHSENSEMBLES STELLEN SICH VOR
Kölner Akademie
Musikalische Leitung:
Michael Alexander Willens
Vokalkonzerte von Dietrich Buxtehude,
Nicolaus Bruhns, Johann Kuhnau
und Johann Schelle
Per aspera ad astra: Aus dem Tal der Finsternis und Tränen führt der Weg der Erlösung ins Paradies, den die Sängerinnen und
Sänger von Cantus Cölln mit Werken des
deutschen Barocks aus Norddeutschland
und Sachsen beschreiten – unter der Leitung Konrad Junghänels und verstärkt um
ein Streicher- und Generalbassensemble.
Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Johann Kuhnau und Johann Schelle heißen die
Komponisten; große Tastenmeister sind das
zumeist, die ihre expressiven musikalischen
Ideen aber immer gerne auch in den Dienst
der Vokalmusik stellten. Und in den Gottesdienst der evangelischen, lutherischen Kirchen ohnehin. 18/12 Euro
Wir sind es oft gewohnt, in kulturellen Abgrenzungen zu denken. Ob aber diese Trennung in Nord und Süd, in Afrika und Europa,
in Morgen- und Abendland überhaupt sein
muss, fragt zum Abschluss des Festivals Jordi
Savall, der Weltstar, Poet und Philosoph unter
den Gambisten. Savall und sein musikalischer
Mitstreiter Dimitris Psonis treten an, diese
imaginäre Trennung aufzuheben. Und zurückzukehren zu einem gemeinschaftlichen
Gedanken, der in der Musikgeschichte schon
einmal gedacht und gelebt wurde. In diese
Zeit führt der „Dialog der Seelen“ zurück.
Als im Mittelmeerraum für eine gewisse Zeit
Juden, Christen und Moslems friedlich miteinander auskamen und die Musik zu verbinden
half, was heute getrennt scheint. 29/18 Euro
Johann Sebastian Bachs Kantate „Ich habe
genug“ stellt eine provozierende These in
den Raum. Eine namenlose Person singt
voller Überzeugung „Ich freue mich auf
meinen Tod.“ Wie können wir heute mit
dieser schier ungeheuerlichen Haltung
umgehen? Die Hoffnung auf ein besseres
Leben nach dem Tod rührt an letzten Tabus.
In ihrem Musiktheaterprojekt stellt Regisseurin Frauke Meyer mutige Fragen und
stellt Bachs Kantate einer Uraufführung
des Kölner Komponisten Martin Bechler
gegenüber. 29/18 Euro
Eine Veranstaltung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln
und Region und des Katholikenausschusses in der Stadt Köln
Eine Veranstaltung des Forum Alte Musik Köln/WDR3.
ZAMUS, Heliosstraße 15
Nähere Informationen in diesem Magazin
auf Seite 25
MONTAG, 7. MäRZ 2016, 19 UHR
ZAMUS, Heliosstraße 15
ZAMUS TALK
ICH HABE GENUG – EINE MUSIKALISCHE
GESPRÄCHSRUNDE
Frauke Meyer, Regisseurin
Prof. Hans-Joachim Giegel, Soziologe
Prof. Lukas Radbruch, Palliativmediziner
Dr. Martin Bock, Theologe
Thomas Höft, Moderation
Johann Sebastian Bach beschließt seine Kantate „Ich habe genug“ mit einer
Zumutung. „Ich freue mich auf meinen
Tod …“, singt der Solist in heiterem Tonfall. Können oder wollen wir uns eine
solche Haltung heute zu Eigen machen?
In unserem musikalischen Gespräch werden die musikalischen, philosophischen
und moralischen Dimensionen von
Todeserwartung und Sterbewunsch diskutiert.
Eintritt frei
Wolfgang Amadeus Mozart als
widersprüchlichen Charakter
zu bezeichnen, klingt fast
ein wenig zu schwach.
Geradezu extrem treffen beim
Komponisten Melancholie
und gröbster Scherz
aufeinander, wie Österreichs
Volksschauspieler Johannes
Silberschneider deutlich macht.
Musikdramaturg Karl Böhmer und Schauspieler Johannes Silberschneider haben sich ein Programm über
Mozarts „Kleine Nachtmusik“ ausgedacht. Im Gespräch erläutern sie ihre Ideen.
ZAMUS: Lieber Johannes, was für ein Bild hast du von Mozart?
JOHANNES SILBERSCHNEIDER: Der Wolferl war immer
schon ein Rebell. Und er hat seinen Vater eigentlich nie
ausgehalten, diesen ambitionierten, kleinkarierten Augsburger Geigenlehrer und Hobbykomponisten. Was hat er
sich nicht ein halbes Leben lang vom ihm bieten lassen
müssen. Aber erst als der Vater ihm verbieten wollte,
nach Wien zu zieh‘n und die geliebte Constanze zu heiraten, war‘s dann endgültig aus. Und wie der Vater gestorben ist, da schreibt der Mozart erst einmal zwei Wochen
lang nichts und dann dem Vater als Nachruf ein Stück.
Und nennt es: Ein musikalischer Spaß.
Das sicher populärste Stück aus der Hand von Wolfgang Ama­
deus Mozart ist die „Kleine Nachtmusik“. Heißt das Stück tat­
sächlich so, oder hat sich das später jemand ausgedacht, wie so
oft in der Musikgeschichte?
KARL BöHMER: Nein, „EINE KLEINE NACHT MUSICK”
trug Mozart selbst am 10. August 1787 in Wien in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Damals, mitten in der
Arbeit am „Don Giovanni“, konnte er kaum ahnen, dass
einmal diese kürzeste aller seiner Serenaden zu seinem
berühmtesten Instrumentalwerk avancieren würde. Der
Auflistung im Werkverzeichnis ist zu entnehmen, dass dem
Stück in der heutigen Fassung ein Satz fehlt: Ursprünglich
stand vor der Romanze ein weiteres Tanzpaar aus Menuett
und Trio, was ganz der üblichen fünfsätzigen Anlage eines
Wiener Divertimento entsprach. In Wien umschlossen für
gewöhnlich zwei schnelle Ecksätze zwei Menuette, die ihrerseits wiederum den langsamen Satz in die Mitte nahmen. An Mozarts Autograph kann man erkennen, dass die
Seiten, die das erste Menuett und Trio enthielten, herausgerissen wurden.
Also ist das Stück ein Fragment …
INTERVIEW: THOMAS HöFT
16
Wissen wir, zu welchem Anlass Mozart das Stück kompo­
niert hat?
Foto: Werner Kmetitsch
DER WURSTL IM
PRATER
K.B.: Strenggenommen ja, das berühmteste neben dem
Requiem …
K.B.: Nicht wirklich. Aber der hochsommerliche Zeitpunkt des Eintrags lässt uns über den Anlass zur Komposition spekulieren: Damals lebte Mozart weit draußen
im Grünen der Wiener Vorstädte „Auf der Landstraße“.
Seine Nachbarn waren dort der Botanikprofessor von
Jacquin und dessen lebenslustige Kinder Franziska und
Gottfried – erstere eine begabte Pianistin, letzterer als
Bariton und Kompositionsschüler Mozarts Intimus jener
Jahre, insbesondere in Liebesdingen. So manches ge-
sellige Werk der Jahre 1786 und 1787 hat Mozart für das
Musizieren mit den Jacquins geschrieben, wie etwa das
„Kegelstatt-Trio“ oder das A-Dur-Flötenquartett. Auf dieser Stilebene bewegt sich auch die „Kleine Nacht Musick“,
die nicht nur als ein Werk für Streichorchester anzusehen
ist, sondern sich auch fürs gesellige Musizieren im kleinen
Kreis zur abendlichen Stunde und in solistischer Besetzung bestens eignet. Zugleich dürfte Mozart beim Komponieren schon an die bevorstehende Reise nach Prag und an
die dortigen Adelshäuser gedacht haben, die sämtlich mit
eigenen Hauskapellen ausgestattet waren. Als ein Stück
nobler „Gesellschaftsmusik“ war die „Kleine Nachtmusik“
in diesem Rahmen gut zu gebrauchen. Freilich hat er sie
nicht erst „auf der Reise nach Prag“ komponiert, wie Eduard Mörike in seiner berühmten Novelle suggerierte. Am
10. August 1787, als er das Stück vollendete, war Mozart
noch in Wien.
Mörike wäre natürlich auch eine Lesungsmöglichkeit …
J.S.: Aber gar kein Vergleich zu Mozarts Dramenfragmenten. Ich lese aus „Der Salzburger Lump in Wien“ und „Die
Liebesprobe“. Dass Mozart sich auch in der dramatischen
Dichtung versucht hat, war mir bis dato unbekannt. Das
sind hinreißende, derbe Texte, tiefsinnig und komisch zugleich, sehr österreichisch …
Eine letzte Frage: Warum war für Mozart die Nachtmusik
klein?
K.B.: „Klein“ nannte Mozart seine letzte Nachtmusik wegen
der knappen Dimensionen ihrer Sätze, die gleichwohl Musterbeispiele für jene großen Formen sind, wie er sie auch
in seinen Wiener Sinfonien, Streichquartetten und Streichquintetten benutzte. Die Sonatenform des ersten Satzes
ist sogar so ideal ausgeprägt, dass sie posthum zum Musterbeispiel für diese Form im Schulunterricht wurde. Der
Durchführungsabschnitt dieses Satzes wie auch des Finales
– eines idealen „Sonatenrondos“ – offenbart durchaus tiefere Bedeutung. Die Themen selbst strahlen eher Eingängigkeit und einen etwas oberflächlichen Charme aus – von den
berühmten Quarten, die den ersten Satz eröffnen, bis zum
charmanten Augenaufschlag im Rondothema des Finales.
Nächtlichen Charme verbreitet diese Musik durch ihren
gleichsam „luftigen“ Klang, besonders in jenem Finalrondo
und in der wundervollen Romanze des langsamen Satzes.
Es ist kein Zufall, dass man in diesem Satz Reminiszenzen
an so manche Arie Mozarts findet wie „Wenn der Freude
Tränen fließen“ aus der „Entführung aus dem Serail“ oder
„Per pietà, bel idol mio“. Der „singende Geschmack“ ist hier
omnipräsent.
JOHANNES SILBERSCHNEIDER LIEST DRAMENFRAGMENTE VON WOLFGANG AMADEUS MOZART AM 28. FEBRUAR 2016
IN DER FLORA KÖLN IM KONZERT MIT DEM L’ORFEO BAROCKORCHESTER UNTER MICHI GAIGG
17
ZAMUS:
Unser Festivalthema heißt
„I have a dream“. Wie schaut das bei
Ihnen privat aus? Leben Sie selbst Ihren
Traum?
In Barcelona erntet er
Salat und Früchte aus
seinem Garten, in der
Welt sät er Toleranz
und Verständnis mit
seiner Musik.
Interview: Thomas Höft
Jordi Savall: Ich lebe natürlich viel
in Flughäfen und in der Luft (lacht),
aber wenn ich zu Hause bin, dann bin
ich in der Natur. Mein Arbeitszimmer
hat eine große Tür in den Garten und
steht fast immer offen. Ich gehe dann
auch während des Arbeitens immer
wieder in den Garten, ich arbeite im
Garten – auch im Winter – und ich
gehe mit meinen Hunden spazieren.
Ich kann nicht ohne den Kontakt zur
Natur leben. Ich kann nicht schlafen,
wenn die Fenster nicht weit geöffnet
sind, und ich brauche die frische Luft.
Aber ehrlich gesagt, auch im Flugzeug muss ich nicht auf die Natur
verzichten. Ich liebe es, von oben
auf die Welt zu schauen. Das erste
Mal, dass ich die Erde rund gesehen habe, sie also wirklich als Erdkugel empfunden habe, das war vor
22 Jahren, als ich mit der Concorde
nach New York geflogen bin. Dass die
Welt so fantastisch ist, diesen Anblick
der Natur verdanke ich der Technik.
Auch das werde ich nie vergessen.
Und ich habe das Glück, dass ich bei
Barcelona im Umkreis einer Metropole lebe, aber doch schon fast auf
dem Land. Dort haben wir einen einen wunderbaren Garten mit Bäumen: Zitronen, Orangen, Mandarinen
und auch Quitten, und dazu einen
herrlichen Gemüsegarten mit Salat
und Kräutern …
Das klingt nach Gärtnern aus Leiden­
schaft …
Nein, ich gärtnere nicht, ich bin der
Dirigent (lacht)! Meine Haupttätigkeit
ist nicht das Anpflanzen, sondern das
Abschneiden. Aber ich bin gerne dort
Foto: Werner Kmetitsch
ZITRONEN UND MANDARINEN
Jordi Savall gilt als der Philosoph der Alten Musik
und esse vor allem die eigenen Produkte. Das ist mir sehr wichtig, denn
ich bin Vegetarier.
Wie immer bei Ihnen sind wir sofort bei
sozialer Verantwortung und beim Politi­
schen …
Ja, das gehört einfach zusammen.
Künstlerische Sensibilität und soziale Sensibilität bedingen sich. Es
kommt ganz automatisch, wenn man
über Kunst nachdenkt, dass man sofort bei der eigenen Verantwortung
ist. Ja, ich bin bewusst Vegetarier
und rede bewusst darüber. Das hat
für mich zuerst sehr viel mit dem
Respekt vor den Tieren zu tun. Ich
finde es unerträglich, wenn ich mir
vorstelle, dass Tiere für unseren Mit-
Wir sollten nach
dem Verbindenden
suchen. Und was
kann da besser helfen
als Musik?
tagstisch getötet werden. Vor allem,
wenn es nicht um einfache bäuerliche Tradition, sondern um industrielle Massentötung geht. Das ist die
Zerstörung jeden Zaubers der Natur.
Wir alle sollten sehr bewusst sein im
Umgang mit der Natur, und für mich
heißt das unter anderem: auf Fleisch
verzichten. Sich aber auch zu wehren
gegen Pestizideinsatz, gegen Gentechnik, gegen Zusatzstoffe, all das.
All das hat mit Verantwortung zu tun.
Und darum geht es nun mal …
Auch in den Musikprogrammen?
Aber sicher, genau so. Das Ziel aller
Fanatiker und Fundamentalisten ist
es, das Trennende in den Menschen
heraufzubeschwören, das Misstrauen, den Hass. Wir sollten das Gegenteil machen: nach dem Verbindenden
suchen. Und was kann da besser helfen als Musik? Musik verbindet. Und
deshalb ist Musik auch immer Politik.
Unser Kölner Programm bringt die
Suche nach einem geistigen Gegenmittel gegen den dramatischen, sich
zuspitzenden
Zivilisationskonflikt
zum Ausdruck, der mit Beginn des
Afghanistan-Kriegs akut geworden
ist. Das Projekt Orient-Okzident soll
ein bereichernder musikalischer
Dialog zwischen Süd und Nord, Ost
und West sein, mit Instrumenten
und Musikstücken des alten christlichen, jüdischen und muslimischen
Hesperiens: Zeitlich und räumlich
voneinander entfernt erscheinende
Weisen, oft unter mehreren Schichten Modernität vergessen oder wegen ihres ungewissen Ursprungs
missachtet; prächtige, stark emotionsgeladene Tänze, Fürbitten, Lieder
und Klagen, die mit ihrer Leichtigkeit von schwerfälligen Wurzeln und
vermeidbarer Einsamkeit befreien.
Weisen, die aus den Liebkosungen
des Bogens der Vièle und der Stärke der italienischen Lyra entstanden
sind, aus den Rhythmen und Schlägen des marokkanischen und israelischen Ouds, dem schillernden Zupfen des iranischen Santur und der
eindringlichen türkischen Moresca.
Eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Die ersten Streichinstrumente kamen aus dem Morgenland zu
uns. Im Altertum und selbst noch im
Frühmittelalter in Europa unbekannt,
scheint der Einfluss durch Musiker
aus arabisch-islamischen Ländern
die wahrscheinlichste Erklärung
für die allmähliche Entwicklung der
Streichertechnik in Europa zu sein.
JORDI SAVALL SPIELt am 13. märz 2016 in den balloni hallen
MUSIK AUS ORIENT UND OKZIDENT.
19
Das junge Kölner Ensemble Nel dolce traumwandelt
für das Fest für Alte Musik.
ZAMUS: Nel dolce hat ein ganz besonderes
Projekt für das Kölner Fest für Alte Musik
entwickelt …
NEL DOLCE: Ja, mit dem Konzertprojekt „TRAUMWANDEL – in Räumen
träumen“ möchten wir gemeinsam
mit Lehrenden und Studierenden der
Hochschule für Musik und Tanz Köln
die träumerischen Aspekte des Festivalthemas „I have a dream“ musikalisch beleuchten …
Gerade diese Kooperation ist euch ein An­
liegen …
Wir wollen gerne einen weiteren Impuls zu einer Kooperation zwischen
dem ZAMUS und der Hochschule für
Musik und Tanz Köln geben, die bereits
in den vergangenen Jahren erfolgreich
praktiziert wurde. Einerseits engagiert
sich Nel Dolce als aktives Mitglied der
Kölner Gesellschaft für Alte Musik
für die Zusammenarbeit in der AlteMusik-Szene in Köln. Andererseits
haben die Ensemblemitglieder Stephanie Buyken, Olga Piskorz und Harm
Meiners ihr Studium an der HfMT Köln
absolviert, Harm Meiners hatte zudem
2005–2015 einen Lehrauftrag für Kammermusik inne und Stephanie Buyken ist aktuell Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Eine (Musik)Schule
für alle“ an der HfMT Köln. Somit fühlt
sich Nel Dolce sowohl der Kölner Gesellschaft für Alte Musik beziehungsweise dem ZAMUS als auch der HfMT
Köln auf vielfältige Weise verbunden.
AUF DER SPUR
DER TRäUME
Und was erwartet uns in dem Konzert?
Das Publikum wird während des
Konzertabends einem Traumwandler
gleich zwischen verschiedenen Traumwelten wandern. Dazu wird es zunächst
mit Vivaldis „La Notte“ eingesogen in
INTERVIEW: THOMAS HöFT
20
Foto: Nel dolce
In einem großen Gemeinschaftsprojekt verwandeln Studierende
und Lehrende der Hochschule für Musik und Tanz Köln ihre Räume in
einen Traumparcours.
den Zustand des Schlafs, um dann in
den einzelnen folgenden Traumräumen in eine jeweils neue Traumwelt
einzutauchen: Von der Geisterzeit über
Alptraum, Eingebung, Liebe, Wunsch
und einer orientalischen Vision bis hin
zur Utopie des Friedens …
Also gibt es so etwas wie einen roten
Faden …
Neigt sich der jeweilige Traum dem
Ende, erwacht eine neue Traumidee.
Diese Traumidee läutet eine neue
Traumphase ein und zieht den Zuhörer wie durch Zauberhand gezogen
und unterstützt durch tänzerische
und schauspielerische Akzente mit in
eine neue Welt. Die unterschiedlichen
Traumwelten werden räumlich durch
unterschiedlich gestaltete Traumräume verdeutlicht – die Räume der Hochschule als Traumräume.
Und welche Musik spielt dabei eine Rolle?
Innerhalb der Traumräume werden u.a.
Werke von Henry Purcell, Francesco
Geminiani, Franz Ignaz Biber, Tarquinio Merula, Guiseppe Tartini, Alessandro Scarlatti, Michelle Corette und
Jean-Philippe Rameau erklingen. Eine
Pause, in der auch für das leibliche
Wohl gesorgt ist, lädt ein zum individuellen Weiterträumen und Innehalten. Den festlichen Abschluss des gut
zweistündigen Konzertabends bildet
die Feuerwerksmusik von Händel, die
das Ensemble Nel Dolce gemeinsam
mit Lehrenden und Studierenden des
Instituts für Alte Musik aufführt …
Das klingt ebenso vielversprechend wie
aufwendig …
… und ist bei freiem Eintritt zu erleben!
NEL DOLCE SPIELT GEMEINSAM MIT STUDIERENDEN DER KÖLNER HOCHSCHULE FÜR
MUSIK UND TANZ UND DEN PROFESSOREN KAI WESSEL UND GERALD HAMBITZER AM
5. MäRZ 2016. EINE VERANSTALTUNG DES INSTITUTS FÜR ALTE MUSIK DER HFMT KÖLN.
21
Michael Willens stammt aus einer musikalischen Familie.
ZAMUS: Wie bist du auf die Idee gekom­
men, Alte Musik zu machen?
Michael Willens: Es ist eine komische Geschichte. Ich studierte
Kontra­bass an der Juilliard School in
New York und dort gab es einen wunderbaren Cembalisten, Albert Fuller,
der ein Barockorchester gründete.
Als er mich in sein Ensemble holte,
gingen mir die Augen auf: alte Instrumente, Originalklang … Das war mein
Anfang.
Du hast also zunächst als Instrumentalist
gearbeitet?
Ja, ich war zu dieser Zeit sehr glücklich – zu dieser Zeit gab es in Amerika kaum Kontrabassisten, die einen
historischen Bass spielten, kaum
Originalklangensembles. Ich bin viel
gereist und hatte viele Konzerte. Ich
konnte Vieles ausprobieren, mit den
Bögen und den Saiten experimentieren, hatte Kontakte nach Europa –
das Meiste brachte ich mir allerdings
autodidaktisch bei, da es damals in
Amerika keine Hochschule gab, an
der man das studieren konnte.
MUSIKALISCHE
SCHÄTZE HEBEN
Und anschließend bist du nach Europa
gegangen?
Genau; ich kam zuerst nach Deutschland weil Reinhard Goebel mich eingeladen hatte, bei Musica Antiqua
Köln zu spielen. Die damalige Cellistin Phoebe Carrai hatte mich für
eine Tournee in den USA empfohlen
und anschließend wurde ich immer
wieder angefragt. Ein persönlicher
Grund war auch eine Beziehung mit
einer Geigerin – die besteht zwar
schon lange nicht mehr, aber ich bin
in Deutschland geblieben und habe
hier anfangen, die Kölner Akademie
aufzubauen.
Interview: JOACHIM DIESSNER
Foto: Javier Casares
Im Kölner Fest für Alte Musik spürt er den Visionen vom „Himmlischen
Jerusalem“ nach: Dirigent Michael Alexander Willens spricht über seinen
Weg zur Alten Musik.
Jetzt aber spielst du überhaupt nicht
mehr den Bass, sondern bist Ensemble­
leiter geworden. Wie kam es dazu?
Ich hatte schon in Amerika Dirigieren studiert, nahm sogar in Tanglewood an Meisterklassen bei Leonard
Bernstein teil. Ich hatte immer den
Wunsch, mit Leuten zu musizieren,
die so tickten wie ich: ich habe in New
York nicht nur Alte sondern auch viel
Neue Musik gespielt und gründete
das Orchester Damals und Heute,
d.h. es gab immer Alte und zeitgenössische Musik in einem Programm
– gespielt auf den jeweils passenden,
also verschiedenen Instrumenten.
Allerdings war das immer schwerer
zu verkaufen. Man muss sich auf eine
Sache konzentrieren. Deshalb bin ich
mit der Kölner Akademie immer darauf aus, Stücke zu entdecken und unbekanntes Repertoire aufzuführen.
Wie kommst du auf die unbekannten
Sachen?
Du kommst ursprünglich sowieso aus ei­
ner sehr musikalischen Familie …
Ja, zuweilen bringt es Überraschungen: wir wollten eine CD mit Musik
von Schelle zu Weihnachten aufnehmen, die in diesem Jahr erscheinen
wird, aber die Noten kamen nicht an.
Eine Woche vor der Aufnahme bekam
ich als Alternative Kantaten von Rolle, Forster und anderen geschickt,
alles sehr schöne Musik! Das war ein
Zufall, aber auch eine Entdeckung für
mich. Glücklicherweise kann ich ein
paar Musikwissenschaftler nicht nur
gezielt nach Stücken fragen, sondern
wie in diesem Fall auch einfach: wir
wollen eine CD produzieren – hast du
Stücke für uns? Inzwischen habe ich
Musik für die nächsten 20 Jahre im
Schrank.
Das stimmt. Mein Großvater und
mein Stiefgroßvater sind beide nach
Pogromen aus Odessa nach Amerika
ausgewandert und waren Komponisten: Alexander Olshanetzky und
Hermann Jablokoff. Sie haben beide
jiddische Musik geschrieben – ich
würde gerne einmal eine CD mit ihrer
Musik aufnehmen: ‚Songs my Grandfathers wrote‘ …
In Deinem Programm für das Kölner
Fest ist, neben der ungewöhnlichen Kom­
bination von Musik Salomone Rossis
und Carlo Gesualdos, ja auch viel Unbe­
kanntes dabei.
Der Leitgedanke dabei ist die Vision
von Jerusalem. Ich hatte die Idee, in
diesem Konzert eine Mischung vorzustellen: die Musik kommt aus verschiedenen Ländern, Mexiko, Spanien, Italien und Deutschland, alles
ist barock und nicht klassisch, es
gibt vier verschiedene Sprachen und
man kann gut den unterschiedlichen
Stilen nachspüren, obwohl natürlich
alles Kirchenmusik ist.
Ich habe Kontakt zu vielen Musikwissenschaftlern, die mir immer wieder
Stücke schicken. Manchmal ist auch
„Schrott“ dabei, aber vieles ist interessant. Ich beschäftige mich dann
mit den Komponisten – oft waren sie
in ihrer Zeit super erfolgreich, heute
sind die völlig vergessen. Unsere erste CD hieß „Forgotten Treasures“ – da
ging es darum, musikalische Schätze
zu heben. Das war immer ein Ziel von
mir. Natürlich muss man Bach, Mozart, Beethoven spielen, aber es gibt
so Vieles, das man daneben nicht auf
den Konzertprogrammen findet …
Ist das nicht schwierig?
Manchmal gehst du aber doch über die
Alte Musik hinaus. Zur Weihnachts­
zeit warst du im WDR mit dem Rund­
funkorchester zu sehen und hast u.a.
Tschaikowski dirigiert …
Ja, das war eine tolle Erfahrung und
ich habe ein breites Repertoire. Ich
bin da für Wayne Marshall eingesprungen, man hat mich vorgeschlagen und ich war gerne dabei.
MICHAEL WILLENS LEITET DIE KÖLNER AKADEMIE AM 10. MÄRZ 2016 IM PROGRAMM
HIMMLISCHES JERUSALEM IN DER FRIEDENSKIRCHE EHRENFELD
23
Ein neues Format – eine neue
Idee – neue Musiker!
Der Grundgedanke ist ganz einfach: Geben wir neuen
Ensembles, jungen MusikerInnen eine Plattform. Angeregt von der Idee der sogenannten Fringe-Konzerte,
die mit großem Erfolg bei den Festivals für Alte Musik
in Utrecht und beim MA-Festival in Brugge stattfinden,
hat das ZAMUS-Team den Faden aufgenommen und
erweitert.
AUF UND DAVON
Musiktheaterprojekt mit der Förderschule Redwitzstraße
Junge europäische Ensembles wurden eingeladen, sich
mit einem kurzen Video vorzustellen, und im Internet
konnte das Publikum ein Votum für seinen Favoriten abgeben. Wir von der Jury, die schließlich unter Berücksichtigung der Publikumsstimmen die GewinnerInnen
auswählten, waren beeindruckt von den wunderbaren,
teilweise sehr fantasievollen Bewerbungen und hätten
am liebsten alle eingeladen …
VON ULRIKE NEUKAMM
Sich auf und davon machen und seine Träume verwirklichen kann viele Gesichter haben, das merkt man schnell,
wenn man mit Maria Filimonov und Markus Tomczyk einen
Vormittag mit der Gruppe von Schülern der Förderschule
Redwitzstraße verbringt. Die beiden Theaterpädagogen erarbeiten seit September einmal in der Woche mit rund 20
Schülern das Projekt AUF UND DAVON für das Fest für Alte
Musik. Nach dem Projekt LA LOCURA ist es die zweite Zusammenarbeit mit der Förderschule Redwitzstraße.
Noch kommt die Musik vom Band, und das Floß existiert
bisher nur in der Fantasie, aber die Musiker stehen schon
bereit, die Baupläne für das Floß gibt es schon, und so wird
bald alles ganz konkret mit der Fahrt in ein anderes Leben.
Die MusikerInnen werden ab Mitte Februar regelmäßig in
der Turnhalle der Redwitzschule zu Gast sein, um gemeinsam mit den Schülern das Musiktheater zu proben, denn
das Erleben von realen Musikern, die echte Instrumente
spielen, kann keine noch so tolle Hi-Fi-Anlage ersetzen.
Markus Tomczyk und Maria Filimonov planen, einzelne
Musiker und Schüler als Teams zusammenzubringen. So
wird Justin auf jeden Fall die Sopranistin Gerlinde Sämann
betreuen. An diesem Vormittag sitzt er scheinbar unbeteiligt am Rand neben der Musikanlage und möchte nicht
mitmachen. Wenn man ihn beobachtet, merkt man jedoch
schnell, wie intensiv er bei der Musik ist und wie sein Gesicht zu leuchten beginnt als die Sopranistin die Arie „Zeffiretti che sussurrate“ von Vivaldi anstimmt.
Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist es, die Sprache und Ausdrucksformen einzelner Schüler zu verstehen. Wie das klare NEIN von Leah, das auf jede Frage laut zurückkommt,
sie einen dabei aber gleichzeitig mit einem wunderbaren
breiten Grinsen anschaut und dieses NEIN für sie scheinbar etwas ganz anderes bedeutet, als ich normalerweise
denken würde. Es ist dieses Gefühl von Verbundenheit ohne
Worte, die diese Zusammenarbeit so besonders macht. Das
passiert ganz schnell, und schon nach kurzer Zeit fühle ich
mich als Teil der Gruppe und bin mitten drin in der Zusammenarbeit. Wie klingt der Ort, an den ich mich wünsche,
wie fühlt es sich dort an, ist es warm oder kalt, laut oder
leise, und welche Hilfe brauche ich, um dorthin zu kom24 24
Wo die Fahrt mit dem Floß beginnt, wo sie endet, welche
Stürme zu durchstehen sind, muss noch genau erarbeitet
werden. Aber wer weiß – vielleicht schafft es das Floß über
die Themse nach London und Joelle auf den Big Ben?
Tatsächlich sind es schließlich sieben Ensembles geworden, die im Rahmen des Kölner Festes für Alte
Musik auf der Spielwiese auftreten. Aber das Voting
ist noch nicht beendet: Auch nach den Konzerten kann
das Publikum noch mitentscheiden. Jede/r erhält zu
Konzertbeginn einen Stimmzettel und kann abermals
seinen Favoriten benennen. Zusammen mit dem Juryvoting wird ein/e GewinnerIn ermittelt, der/dem ein reguläres Konzert beim Kölner Fest für Alte Musik 2017
winkt. Wir sind sehr gespannt...
Joachim Diessner
Samstag, 5. März 2016, 15 Uhr
ZAMUS, Heliosstraße 15
ENSEMBLE SÉLÉNITES, Den Haag
From Dawn to Darkness
Kantaten, Songs & Sonaten von Johann Sebastian
Bach, Henry Purcell und John Dowland
ENSEMBLE PAPER KITE, Köln
Barbara ninfa ingrata
Kantaten und Sonaten von Giovanni Bononcini und
Giovanni Legrenzi
MILDRED DERENTY-CAMENEN, Paris
Nocturne
Sonaten und Fantasien für Pianoforte von Johann
Nepomuk Hummel und Frédéric Chopin
KOMOS ENSEMBLE, Trossingen
Nacht der Ekstase
Tarantellen, Romanellen und Dances von John
Playford, Giulio Ruvo u.a.
Sonntag, 13. März 2016, 11 Uhr
ZAMUS, Heliosstraße 15
ENSEMBLE LUDUS HARMONICUS, Köln
Die Wege des Traumes
Suiten und Opernszenen von Henry Purcell, JeanBaptiste Lully und Marc Antoine Charpentier
ELIGNIA QUARTETT, Köln
I have a dream
Musik für vier Blockflöten, u.a. von Hildegard von
Bingen, Orlando Gibbons und Louis-Antoine Dornel
Collage: Nane Weber | Fotos: istock
men? „La tempesta di mare“, diese wunderbare Musik von
Antonio Vivaldi, trägt uns an diesem Vormittag gemeinsam
durch den tobenden Seesturm, der plötzlich aufkommt.
Oder wir taumeln mit „La notte“ durch die Dunkelheit. Da
ist es gut, zusammenzuhalten, um nicht von unserem imaginären Floß ins Wasser zu fallen. Alle Schüler sind ganz
bei der Sache und arbeiten konzentriert für die gemeinsamen Aufführungen in den BALLONI Hallen.
Foto: Klarälven | Vildmark i.V.-HipfelStarck
F
ür Joelle ist der Ort seiner Träume klar: London – wie magisch das aus seinem Mund klingt …
Könnte man doch einfach dorthin, sich auf und
vielleicht auch davon machen. London, das ist
sein Traum von einem anderen Leben. Denn dort, glaubt
er, kann er anders sein, und sei es nur, weil dort sowieso
alles ein bisschen anders läuft, wo doch sogar die Autos
auf der falschen Straßenseite fahren!
DIE KONZERTE
ENSEMBLE CEMBALESS, Montabaur
Boccaccios Decamerone
Musik von Tarquinio Merula, Claudio Monteverdi
und Andrea Falconieri
Eintritt frei/Freiwillige Spende
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Kunst leihen - artothek Köln
In der artothek haben Sie die einzigartige Möglichkeit, Werke aktueller Kunst auszuleihen. Anders
als bei der flüchtigen Begegnung in einer Ausstellung können Sie einem Kunstwerk in ihrer eigenen
Umgebung oder am Arbeitsplatz über eine gewisse Zeit besonders intensiv und vielseitig näher
kommen. Zu Ihrer Auswahl stehen 1.400 Kunstwerke internationaler und Kölner Künstler verschiedener
Stilrichtungen und Techniken. Fachgerecht gerahmt und verpackt kann jedes Bild für zehn
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RATEN SIE MIT
und gewinnen Sie Eintrittskarten für das Kölner Fest für Alte Musik 2016
?
Wir wollen wissen: Was zeigt unser Bild?
Bitte schicken Sie Ihre Antwort an [email protected].
Unter allen Einsendungen verlosen wir dreimal zwei Eintrittskarten für das Konzert
„HIMMLISCHES JERUSALEM“ am Donnerstag, den 10. März 2016 in der Friedenskirche Köln-Ehrenfeld.
Einsendeschluss ist der 1. März 2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
IMPRESSUM
Titelfoto: Joseph Molina/gramophone magazine
Herausgeber:
Kölner Gesellschaft für Alte Musik e. V.
Heliosstr. 15
50825 Köln
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Redaktion: Thomas Höft & Joachim Diessner
Druck: DFS Druck Brecher GmbH, Köln
Erscheinungsdatum: Februar 2016
www.zamus.de
artothek
Raum für junge Kunst
Haus Saaleck
Am Hof 50, 50667 Köln. di-fr 13-19 Uhr, sa 13-16 Uhr
www.museenkoeln.de/artothek
FUGIT
Ein interaktives musiktheater
im Kölner Fest für Alte Musik
Gerlinde Sämann, Sopran | Theatergruppe Kamchàtka | zamus-ensemble
Musikalische Leitung: Michael Hell | Künstlerische Leitung: Adrian Schvarzstein
www.zamus.de
FUGIT ist eine Originalproduktion des Theaters Kamchàtka. Die Kölner Fassung ist eine Musik­theaterversion, die speziell für und mit dem Kölner Fest für Alte Musik entwickelt wurde.
Foto: Blanca Martinez Ribes, Lleida | [email protected]
2./3./4. März 2016, 20 Uhr