Öffentliches Beschaffungsrecht Bernisches Verwaltungs- und Verfahrensrecht Dr. iur. Christoph Jäger, Rechtsanwalt 14. April 2015 Inhalt und Ablauf Überblick über das öffentliche Beschaffungsrecht Kt. Bern Rechtsgrundlagen Geltungsbereich Ziele und Grundsätze Vergabeverfahren: Arten, Schwellenwerte und Verfahrensgang Ausschreibung Auswahlkriterien: TK, EK, ZK Ausschluss, Abbruch und Widerruf Rechtsschutz: Anfechtungsobjekte, Rechtsmittelweg, Besonderheiten Fallbeispiele Fragen 14. April 2015 [email protected] 2 Rechtsgrundlagen Internat. Bund GPA Bilat. Abk. BöB BGBM VöB Interkant. 3. Kap. Interkant. Vereinbarung IVöB [VRöB] Kanton ÖBG ÖBV 14. April 2015 [email protected] 3 Rechtsgrundlagen GATT/WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen Government Procurement Agreement, GPA, von 1994, i.K. seit 1996 Ziel: (Teilweise) Öffnung der Märkte für staatliche Beschaffungen für Anbieter aus anderen Unterzeichnerstaaten Prinzipien: Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung, Transparenz, Wettbewerb/Wirtschaftlichkeit Eingeschränkter Geltungsbereich (z.B. hohe Schwellenwerte, nur ausgewählte DL) „Variable Geometrie“: Gegenrechtsvorbehalt Bilaterales Abkommen CH-EU Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (von 1999, i.K. 2002 als Teil der „Bilateralen“) Weitergehende Marktöffnung: Erweiterung des Geltungsbereichs des GPA im Verhältnis zu den EU-Staaten (z.B. Beschaffungen der Gemeinden/Bezirke sowie weiterer Sektoren) 14. April 2015 [email protected] 4 Rechtsgrundlagen Art. 3 BGBM: Beschränkung des freien Zugangs zum Markt «Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden.[…]» (Abs. 1) «Beschränkungen […] dürfen in keinem Fall eine verdeckte Marktzutrittsschranke zu Gunsten der einheimischen Wirtschaftsinteressen enthalten» (Abs. 3) Art. 5 BGBM: Öffentliche Beschaffungen Keine Benachteiligung von Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz, die Art. 3 BGBM widerspricht Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienstleistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag müssen amtlich publiziert werden Art. 9 BGBM: Rechtsschutz Marktzugangsbeschränkungen in Form einer anfechtbaren Verfügung Wenigstens ein Rechtsmittel an eine verwaltungsunabhängige Behörde 14. April 2015 [email protected] 5 Rechtsgrundlagen Kürzliche ÖBG-Revision: Aufhebung der «bernischen» Schwellenwerte und Verweis auf IVöBSchwellenwerte gemäss Anhang 2 Keine Differenzierung nach kommunalen und kantonalen Beschaffungen mehr, Gemeinden können tiefere Schwellenwerte vorsehen Hinweis: Revision schafft Abweichungen zum Buchbeitrag in Müller/Feller, Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2013 Ausblick GPA-Revision 2012 (verabschiedet, nationale Ratifikationen) E-IVöB (Vernehmlassung abgeschlossen) E-BöB (Vernehmlassung läuft) 14. April 2015 [email protected] 6 Geltungsbereich Öffentliche Auftraggeber (Art. 2 Abs. 1 ÖBG) Kanton Gemeinden gemäss GG Öffentliche und private Sektorenunternehmen (Energie, Verkehr, Telekom.) Weitere Träger öffentlicher Aufgaben (Art. 8 IVöB) Öffentliche Beschaffung (BGE 135 II 49) Begriffsmerkmale: «Staat» als Nachfrager Privates Unternehmen als Anbieter Einkauf von Leistungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem freien Markt gegen Entgelt (synallagmatischer Leistungsaustausch, im weiten Sinn) Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge (Art. 1 ÖBV), unabhängig vom Auftragswert (Schwierige) Abgrenzungen: In-house- und Quasi-in-house-Beschaffungen, Konzessionsvergaben, Subventionsgewährung etc. Generelle und einzelfallbezogene Ausnahmen (Art. 10 Abs. 1 und 2 IVöB) 14. April 2015 [email protected] 7 Ziele und Grundsätze Wirtschaftlichkeit Haushälterischer Einsatz der Steuergelder Wirtschaftlich günstigstes Angebot Wirksamer Wettbewerb, i.d.R. durch Submission Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung Grundsatz der Inländerbehandlung und der Gleichbehandlung inländischer Anbieter untereinander, unabhängig von deren Herkunft/Sitz Beim Marktzugang und im Verfahren (Verfahrensfairness) Transparenz Bekanntgabe der «Spielregeln», inkl. aller (zulässigen) Änderungen Dokumentation und Nachvollziehbarkeit Vertraulichkeit Wahrung von Geschäftsgeheimnissen Ausschluss bzw. Einschränkung der Akteneinsicht im Verfahren Wirksamer Rechtsschutz 14. April 2015 [email protected] 8 Vergabeverfahren: Arten und Ablauf Vereinfachte Darstellung Offenes Verfahren Selektives Verfahren Ausschreibung simap Ausschreibung simap Q&A-Runde Offerten Öffnung/Evaluation: - Formelle Prüfung - Eignungsprüfung - Angebotsbewertung Erläuterung/Berichtigung, Techn. Bereinigungen Zuschlag Beschwerde Einladungsverf. Einladung (3) Teilnahmeantrag Eignungsprüfung Präqualifikation Einladung 2. Phase Öffnung/Evaluation: Offerten Freihandverf. Einladung (1) Offerte Öffnung/Evaluation - Formelle Prüfung - Eignungsprüfung? - Angebotsbewertung Erläuterung/Berichtigung, Techn. Bereinigungen - Formelle Prüfung - Angebotsbewertung Erläuterung/Berichtigung, Techn. Bereinigungen Zuschlag Zuschlag Beschwerde (Zuschlagspubl.) (Beschwerde) Beschwerde Vertrag 14. April 2015 Vertrag [email protected] Vertrag Vertrag 9 Vergabeverfahren: Schwellenwerte 14. April 2015 [email protected] 10 Ausschreibung Ausschreibung(-sverfügung) und Ausschreibungsunterlagen Funktion: Publikation: Aufforderung zur Angebotsabgabe Anfechtbare Verfügung, wenn Schwellenwert des Einladungsverfahrens erreicht ist (Art. 11 Abs. 2 Bst. a ÖBG) Anfechtbarkeit der Ausschreibungsunterlagen? Publikationsorgan: www.simap.ch Inhalt: Leistungsumschreibung: Leistungsverzeichnis/Pflichtenheft Auswahlkriterien (EK, ZK), Gewichtung, Unterkriterien Submissionsbedingungen (Fristen, Sprache, etc.) Verhandlungsgrundlage: Vertragsentwurf 14. April 2015 [email protected] 11 Auswahlkriterien Technische Spezifikationen (TK) Produkte-/Leistungsanforderungen, technische Erfordernisse und Vorgaben Produkte-/Markenneutrale Umschreibung anhand von Normen bzw. «oder gleichwertig» (vgl. Art. 12 ÖBV) Eignungskriterien (EK): Anbieterbezogene Beurteilung: Ist der Anbieter fähig und geeignet? Mögliche Kriterien: Rechtsform und Grösse der Unternehmung, Organisation, Anzahl qualifizierte Mitarbeitende, Erfahrung und Referenzen, Arbeitsschutz, etc. (vgl. Art. 16 ÖBV) Regel: «Erfüllt» oder «Nicht erfüllt» (absolut) Zuschlagskriterien (ZK): Leistungsbezogene Beurteilung: Welches Angebot ist das «Beste»? Mögliche Kriterien: Preis, Qualität, Unterhalts- bzw. Folgekosten, Termine, Umweltschutz, etc. (vgl. Art. 30 Abs. 3 ÖBV) «schlechter oder besser erfüllt» (graduell) «Vergabefremde» Kriterien: Im Allgemeininteresse, losgelöst vom konkreten Auftrag (heikel!) Lehrlingsausbildung, Ökologie, Förderung der Gleichstellung, etc. 14. April 2015 [email protected] 12 Ausschluss, Abbruch, Widerruf Ausschluss des Angebots oder des Anbieters Rechtsfolge bei mangelhaften Angeboten, fehlender Eignung, Verletzung zwingender Teilnahmebedingungen oder Formvorschriften, etc. Ausschlussgründe: vgl. Art. 24 Abs. 1 ÖBV Verhältnismässigkeit, Verbot des überspitzen Formalismus Abbruch des Vergabeverfahrens: Voraussetzung ist ein «wichtiger» Grund (Art. 29 ÖBV) Weiterführung des Verfahrens muss unzumutbar sein Verfahren kann anschliessend wiederholt werden Widerruf Nach Verfahrensabschluss, aus Gründen analog Ausschluss/Abbruch (vgl. Art. 8 ÖBG) Widerruf als Sanktion? 14. April 2015 [email protected] 13 Rechtsschutz: Anfechtungsobjekte Anfechtbarkeit abhängig vom Schwellenwert (des Einladungsverf.): Ausschreibung Zuschlag Abbruch Präqualifikation im selektiven Verfahren Ausschluss Widerruf In jedem Fall anfechtbare Entscheide: Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren («Auftragssperre», Art. 8 Abs. 2 ÖBG) Wahl des freihändigen Verfahrens im Staatsvertragsbereich 14. April 2015 [email protected] 14 Rechtsschutz: Rechtsmittelweg Verfügung durch «kantonale» Stelle oder «private» Vergabestellen Verfügung durch «Gemeinde» RegierungsstatthalterIn Zuständige Direktion Verwaltungsgericht Öff.recht. Beschwerde (Ausnahme) Bundesgericht 14. April 2015 [email protected] 15 Rechtsschutz: Besonderheiten Beschwerdelegitimation: Berücksichtigung der Zuschlagschancen? Beschwerdefrist von 10 Tagen Beschwerde hat ex lege keine aufschiebende Wirkung Prima facie-Würdigung Interessenabwägung Gutheissung der Beschwerde: Nach Vertragsschluss: Feststellung der Rechtswidrigkeit/SchE Rückweisung und Wiederholung: wer ist noch zu berücksichtigen? 14. April 2015 [email protected] 16
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