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Rechtliche Aspekte zu Flüchtlingsfragen
Rechtsanwalt Rolf Stahmann
Deutscher Anwaltverein
Tagesspiegel vom 01.08.2013:
Politik sucht nach Lösungen für Protestcamps
In Berlin, München und Hamburg zelten seit Monaten Flüchtlinge und
protestieren für mehr Rechte. Gleichzeitig steigt die zahl der Asylanträge.
Anwohner wehren sich gegen Asylbewerberheim. Wie ist die Situation
einzuschätzen?
Nur rund 1,2 Prozent aller Asylanträge werden in Deutschland positiv
beschieden.
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Begriff „Flüchtling“
De-Facto-Flüchtling
- „Flüchtling“ ohne Asylverfahren, bis zur Anerkennung
oder nach Ablehnung des Flüchtlingsstatus
- Bleiberecht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über
den Schutzantrag
- Anspruch auf angemessene Unterbringung und
Versorgung während des Verfahrens
- Rechte aus GG, EMRK, GrRCh
De-Jure-Flüchtling
- „Flüchtling“ nur nach Anerkennung des
Flüchtlingsstatus durch die zuständige Stelle (BRD:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) im förmlichen
Feststellungsverfahren
- Art. 16a GG
- Art. 1 Genfer Flüchtlingskonvention
- EU-Qualifikationsrichtlinie iVm §§ 3, 4 AsylVfG
De-Jure-Flüchtling
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Asyl (Art. 16a GG)
Schutz vor politischer, religiöser
oder ethnischer Verfolgung oder
Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe
Internationaler subsidiärer Schutz
(QRL, Art. 3 EMRK, § 4 AsylVfG)
Schutz vor Folter, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung
(Anti-Folter-Konvention, EMRK),
Todesstrafe (GG, 13. ZP EMRK),
Bürgerkrieg (GG, EMRK)
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Flüchtlingsschutz (GFK, QRL, § 3
AsylVfG)
Schutz vor politischer, religiöser,
ethnischer Verfolgung oder wg.
Zugehörigkeit zu einer bestimmten
soziale Gruppe (GfK) oder wegen
geschlechtsspezifischer Verfolgung
(GG, AufenthG)
Nationaler Schutz (Art. 3 EMRK,
Art. 1, 2 Abs. 2 GG, §§ 60 Abs. 5
und 7 AufenthG)
Schutz vor Folter, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung
(EMRK) Leibes- und
Lebensgefahren (GG,
insbesondere wg. Krankheiten)
BAMF: Entscheidungsstatistik
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- im Durchschnitte mehr als 30 % erfolgreiche Verfahren
Asylgrundrecht Art. 16a GG
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Zu vernachlässigen, weil:
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Luftwegeinreise aus Verfolgerstaat oder nichtsicherem Drittstaat muss bewiesen werden
–
erleichterte Voraussetzungen der
Flüchtlingseigenschaft
–
anerkannte Flüchtlinge gemäß GFK haben gleiche
Rechte
Allgemeine Voraussetzungen QRL
(Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz)
1. begründete Furcht vor Verfolgung
- Antragsteller muss Verfolgungsgefahr glaubhaft machen
- kein Beweis erforderlich, nur „Glaubhaftmachung“
- Anhörung steht im Zentrum der Glaubhaftmachung
- Beweisnot von Schutzsuchenden
- Schutzsuchender ist Zeuge in eigener Sache
- häufige Erkrankung Antragssteller, insbesondere PTSD (40%)
- Problem: schnelles Verfahren, langsame Feststellung PTSD
Allgemeine Voraussetzungen QRL
(Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz)
1. begründete Furcht vor Verfolgung
- Art. 4 Abs. 4 QRL: Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits
verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten
hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden
unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass
die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw.
dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden,
es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen
Schaden bedroht wird.
sog. „Vorverfolgung“ bringt Beweislastumkehr, sonst
„beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung erforderlich
Allgemeine Voraussetzungen QRL
(Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz)
2. staatliche/nichtstaatliche Verfolgung
Akteure gemäß QRL:
- Staat
- nicht-staatliche Organisationen (zB Taliban, IS)
- Problem: unklare Verfolger und staatliche
Zurechenbarkeit (zB paramilitärische
Gruppierungen, Mafia etc.)
Allgemeine Voraussetzungen QRL
(Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz)
3. keine erreichbare inländische Fluchtalternative
- grds.: Staat hat Gebietshoheit über gesamtes
Staatsgebiet
- daher kein Verweis auf inl. FA bei staatlicher Verfolgung
(Problem bei Unklarheit über die Staatlichkeit der
Verfolgung)
- Verweis auf „zumutbare“ und „erreichbare“ inl. FA bei
nichtstaatlicher Verfolgung
Allgemeine Voraussetzungen QRL
(Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz)
4. kein sonstiger interner Schutz bei
nichtstaatlicher Verfolgung
- zB ausreichende Schutzgewährung durch Staat
oder nicht-staatliche Organisation (zB UNHCR)
Allgemeine Voraussetzungen (nationaler Schutz)
- § 60 Abs. 5 AufenthG: drohender Art. 3 EMRK-Verstoß
- § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG: drohende Gefahr für Leib
und Leben
- Einschränkung: Sichere hohe Leibes- oder
Lebensgefahr bei „allgemeinen Gefahren“ (§ 60 Abs. 7 S.
3 AufenthG, Art. 1 Abs. 1 GG)
- Art. 4 Abs. 4 QRL nicht anwendbar
Verfahren
1. Zuständigkeitsprüfung Bundesrepublik
- Dublin-Verfahren gemäß Dublin III-Verordnung
- sichere Drittstaaten
2. Entscheidungsprogramm nationales Verfahren
- sichere Herkunftsstaaten (neu: zB Serbien ua)
- sonstige offensichtlich unbegründete Asylanträge
- einfach unbegründete Asylanträge
- begründete Asylanträge
Flüchtlingsgruppen
1. Dublin III
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Dublin III-Anwendbarkeit: unüberschaubare
Rechtslage > gilt nicht für im MS anerkannte
Flüchtlinge
Verfahrensprobleme? Kein subjektives Recht
des Betroffenen auf Einhaltung des Verfahrens
(h.M.; str.)
„systemische Mängel“ und drohende
EMRK/GrRCh-Verletzungen
Flüchtlingsgruppen
1. Dublin III
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Italien: Aufnahmezusicherung muss vorliegen
(BVerfG)
Ungarn: Haft gg. Dublinrückkehrer läßt
Überstellung nicht zu (VG Berlin)
Bulgarien: katastrophale
Aufnahmebedingungen und Obdachlosigkeit
(bundesweit str.; keine Überstellung besonders
schutzbedürftiger Flüchtlinge – Art. 20
Aufnahme-RL)
Flüchtlingsgruppen
2. nationale Verfahren
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Problem „Zweitantrag“ nach Dublin: Asylantrag wird
vom BAMF als Folgeantrag behandelt, d.h. nur
Umstände nach Abschluss des Erstverfahrens werden
berücksichtigt.
Folge: Dublin verhindert Flüchtlingsanerkennung und
produziert viele de-facto-Flüchtlinge ohne rechtlichen
Status
in anderem MS anerkannte Flüchtlinge:
Verantwortungsübergang erst nach 2 Jahren
rechtmäßigen Aufenthalts
Flüchtlingsgruppen
2. nationale Verfahren
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Sonderfall „ipso-facto-Flüchtlinge“
(Palästinenser aus Lagern)
EuGH, Urt. v. 19.12.2012, C-364/11, „El Kott“:
Flüchtling bleibt, wer aus nicht selbst zu
vertretenen Gründen den Schutz der UN
verlassen musste, zB bei Flucht aus
Palästinenserlager in Libanon/Syrien/Jordanien
wg. Bedrohung durch IS u.a.
Flüchtlingsgruppen
3. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten
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insbesondere Roma u.a. aus ex-Jugoslawien
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keine dauerhafte Perspektive?
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Flucht aus „wirtschaftlichen Gründen“?
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Folge: „zirkuläre Flüchtlingsmigration“?
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Lösung: „zirkuläre Arbeitsmigration“?
Flüchtlingsgruppen
4. Flüchtlinge aus Syrien
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Bundesaufnahmeprogramm
–
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Landesaufnahmeprogramme
–
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aktuell ausgebucht und lange Warteliste
Berlin: bis 31.12.2015
Asylverfahren
–
aktuell: beschleunigtes schriftliches Verfahren
–
Problem: Verpflichtungserklärung, wenn Asylantrag
aus Landesaufnahmeprogramm heraus
Arbeits- und Sozialrecht
1. Beschäftigungserlaubnis für Asylsuchende mit
Aufenthaltsgestattung
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während der ersten 3 Aufenthaltsmonate: absolutes
Beschäftigungsverbot
vom 4 bis Ende des 15. Aufenthaltsmonats mit
Aufenthaltsgestattung: Erlaubnis kann mit Zustimmung
der Arbeitsagentur erteilt werden, wenn
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Vorrangprüfung
–
Prüfung der Arbeitsbedingungen anhand vorliegendem
Entwurf des Arbeitsvertrags
Arbeits- und Sozialrecht
1. Beschäftigungserlaubnis für Asylsuchende mit
Aufenthaltsgestattung
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vom 16. Aufenthaltsmonat bis Ende des 4.
Aufenthaltsjahres: Erlaubnis kann mit
Zustimmung der Arbeitsagentur erteilt werden,
wenn
–
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Prüfung der Arbeitsbedingungen anhand
vorliegendem Entwurf des Arbeitsvertrags
ab dem 5. Aufenthaltsjahr zustimmungsfrei
Arbeits- und Sozialrecht
2. Beschäftigungserlaubnis für Ausländer mit
Duldung
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wie Ausl. mit Aufenthaltsgestattung,
–
aber Untersagungsmöglickeit bei fehlender
Mitwirkung
Arbeits- und Sozialrecht
3. Asylbewerberleistungen
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BVerfG, Urt. v. 18.07.2012:
„physische Existenz, Möglichkeit zur Pflege
zwischenmenschlicher Beziehungen und
Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben“
keine Pauschale Differenzierung nach
Aufenthaltsstatus
Ende