STUDIO Ein Facelift für den Hanggarten 1 38 Gartenpraxis 04-2012 1 Die mittige Wegeachse wurde deutlich herausgearbeitet. Die Blockstufen bieten nunmehr sicheren Zugang zu den auf Terrassen verteilten Gartenbereichen. 2 Bilden jetzt wieder eine Einheit: das renovierte Wohnhaus und der den heutigen Bedürfnissen angepasste Garten. 2 G ärten zu gestalten heißt selten bei Null zu beginnen. Manche Projekte besitzen sogar im Ausgangszustand so viel Charme und Qualität, dass es nur darum geht, sie wieder aufzufrischen. Bei genauerer Begutachtung finden sich dann doch genug „Baustellen“. So ähnlich muss es auch Jens Tippel ergangen sein, als er das erste Mal das Grundstück in einer bevorzugten Lage von Hameln besichtigte. Das alte Haus war gerade liebevoll restauriert worden und erstrahlte in einem freundlichen Weiß. Einen deutlichen Kontrast bildete dazu das terrassierte Grundstück, das in seiner originären Gestaltung wie das Haus selbst auf die 1920er-Jahre zu datieren war. Zur Gartenseite besaß der nach Süden abfallende Hang eine dreistufige Terrassierung. Die Stützmauern bestanden aus lose aufeinander gesetzten Natursteinblöcken, das Bild entsprach aber nicht dem einer ordentlichen Trockenmauer. Auch die Treppen waren aus unebenen Steinen gefertigt und boten kein sicheres Trittgefühl. Sitzplätze fanden sich seitlich des Hauses (hier bedrängt von zu groß gewordenen Rhododendren) sowie auf der zweiten Terrassenebene. Letztere besaß eine angedeutete Pergola aus Zinkpfosten und verspannten Drähten – eine spartanisch-filigrane Lösung, die nur wenig Intimsphäre Gartenpraxis 04-2012 39 STUDIO 3 Neue Pergola mit Abschirmung zum Nachbargrundstück. 4 Der alte Laubengang wurde erhalten. Durch die Berankung entsteht im Sommer der gewünschte Tunneleffekt. Vorher-Bilder 5 Der alte Sitzplatz auf der zweiten Ebene bot weder Schutz noch Ausblick. 6 Die ursprüngliche Gartensituation war durchaus ansprechend, besaß jedoch funktionelle Schwächen. Die notwendigen Veränderungen wurden genutzt, um auch die gestalterische Qualität zu steigern. 3 bot. Der Bodenbelag aus Natursteinplatten war zudem uneben. Auf der dritten Ebene verlief die aus den Treppen gebildete Achse ins Leere. Ein seitlicher Gang mit einer Pergola aus einem filigranen Zinkgerüst besaß dagegen so viel Charme, dass man sie trotz der etwas zu gewichtigen Berankung (unter anderem mit Blauregen) in ihrem ursprünglichen Zustand belassen wollte. Mit einer Birke sowie einer blaunadelige Atlas-Zeder waren zwei Großbäume vorhanden, die auch erhalten bleiben sollten. Gleiches galt für ein besonders schönes Exemplar des rotlaubigen SchlitzAhorns. Andere Gehölze wirkten an ihrer bisherigen Stelle deplatziert, wie etwa Rosen, die an zu dunklen Stellen standen oder nicht mit ihrer Umgebung harmonierten. Auch manch farbliche Zusammenstellungen wirkten arg grell und bunt. Feinfühlig erneuert Nachdem die Problemzonen identifiziert waren, wurden für die Teilbereiche passende Lösungen entwickelt. Neben einer Neusetzung der Trockenmauern und der Verwendung von Blockstufen stand eine Aufwertung der untersten Ebene zur Diskussion. Die durch Mauerwangen fast eingesenkt wirkende Terrasse hätte durch eine Ausgestaltung als Wasserbecken mit Trittstufen-Überbrückung ein komplett neues Motiv in den Garten bringen kön- 4 40 Gartenpraxis 04-2012 Projektsteckbrief Planung Dipl.-Ing. Jens Tippel Freiraumplanung Gülichstrasse 49, Bad Münder/Flegessen www.jens-tippel.de römischen Verband und Kleinpflaster 8/11 cm), Kiesfläche mit Erbskies 8/16 mm, Obernkirchener Sandstein (Trockenmauer), Eiche gehobelt und gefast (Pergola) Stauden: Geranium ‘Rozanne’ und ‘Tiny Monster’, Helenium ‘Baudirektor Linne’, Iris sibirica ‘Dreaming Spires’ und ‘King of Kings’, Lamprocapnos spectabilis Grundstücksgröße 700 m² Verwendete Pflanzen (Auswahl) Besonderheiten Gehölze: Acer palmatum ‘Osakazuki’, Aesculus parviflora, Betula utilis, Cydonia oblonga ‘Konstantinopler Apfelquitte’, Hamamelis mollis ‘Pallida’, Mespilus germanica, Sorbus serotina, Viburnum plicatum ‘Watanabe’, diverse Rosen und Hortensien Aus der Frage „Was kann ich denn mit dieser traurig aussehenden Fichtenecke machen?“ entwickelte sich eine komplette Gartenumgestaltung. Wie schön! Jahr der Planung / der Realisierung 2009 / 2009 bis 2010 Verwendete Materialien Indischer Sandstein (Natursteinplatten im nen. Letztendlich entschieden sich die Besitzer jedoch „nur“ für Trittplatten, die mittig durch die Rasenfläche verlaufen. Zu einem Highlight des Gartens wurde der Sitzplatz auf der zweiten Ebene. Eine „kräftige“ Pergola gibt diesem Ort nicht nur räumlich mehr Halt, sondern bietet nun auch die Möglichkeit der Berankung mit Blauregen. Eine halbhohe Mauer dient zugleich als Wärmespeicher und dezente Abschirmung zum Nachbargrundstück. Alternativ stand eine viertelkreisförmige Pergola zur Wahl, die sich noch mehr zum Tal hin geöffnet hätte. Neue Ziele definiert 5 Die oberste Terrasse wurde mit einer Bank und einem runden Steintisch als Ziel für die Sichtachse ausgestattet. Drei halbkreisförmig angeordnete Quittenbäume betonen den neuen Blickfang zusätzlich und animieren zum Aufstieg und Ausblick. Bei der (Neu-) Platzierung der Pflanzen wurde grundsätzlich auf eine stärkere Berücksichtigung der Ebenencharaktere geachtet: unten eher kühl-schattig, oben trocken und warm. Farblich wurde auf eine harmonischere Ton-in-Ton-Zusammenstellung Wert gelegt. Der rote SchlitzAhorn erhielt auf der gegenüberliegenden Seite ein grünlaubiges Pendant. ❚ Text: J. Reif (basierend auf Jens Tippel) Fotos: Christa Brand (1–4), J. Tippel (5–6) 6 Gartenpraxis 04-2012 41
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