Ein Facelift für den Hanggarten - Freiraumplanung Jens Tippel Dipl

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Ein Facelift für
den Hanggarten
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Gartenpraxis 04-2012
1 Die mittige Wegeachse wurde
deutlich herausgearbeitet. Die
Blockstufen bieten nunmehr sicheren Zugang zu den auf Terrassen
verteilten Gartenbereichen.
2 Bilden jetzt wieder eine Einheit: das
renovierte Wohnhaus und der den
heutigen Bedürfnissen angepasste
Garten.
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G
ärten zu gestalten heißt selten bei
Null zu beginnen. Manche Projekte besitzen sogar im Ausgangszustand so viel Charme und Qualität, dass es
nur darum geht, sie wieder aufzufrischen.
Bei genauerer Begutachtung finden sich
dann doch genug „Baustellen“.
So ähnlich muss es auch Jens Tippel
ergangen sein, als er das erste Mal das
Grundstück in einer bevorzugten Lage von
Hameln besichtigte. Das alte Haus war
gerade liebevoll restauriert worden und
erstrahlte in einem freundlichen Weiß. Einen deutlichen Kontrast bildete dazu das
terrassierte Grundstück, das in seiner originären Gestaltung wie das Haus selbst
auf die 1920er-Jahre zu datieren war.
Zur Gartenseite besaß der nach Süden abfallende Hang eine dreistufige Terrassierung. Die Stützmauern bestanden aus lose
aufeinander gesetzten Natursteinblöcken,
das Bild entsprach aber nicht dem einer
ordentlichen Trockenmauer. Auch die
Treppen waren aus unebenen Steinen gefertigt und boten kein sicheres Trittgefühl.
Sitzplätze fanden sich seitlich des Hauses
(hier bedrängt von zu groß gewordenen
Rhododendren) sowie auf der zweiten
Terrassenebene. Letztere besaß eine angedeutete Pergola aus Zinkpfosten und verspannten Drähten – eine spartanisch-filigrane Lösung, die nur wenig Intimsphäre
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3 Neue Pergola mit Abschirmung zum
Nachbargrundstück.
4 Der alte Laubengang wurde erhalten.
Durch die Berankung entsteht im Sommer der gewünschte Tunneleffekt.
Vorher-Bilder
5 Der alte Sitzplatz auf der zweiten Ebene
bot weder Schutz noch Ausblick.
6 Die ursprüngliche Gartensituation war
durchaus ansprechend, besaß jedoch
funktionelle Schwächen.
Die notwendigen Veränderungen wurden genutzt, um auch die gestalterische
Qualität zu steigern.
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bot. Der Bodenbelag aus Natursteinplatten war zudem uneben. Auf der dritten
Ebene verlief die aus den Treppen gebildete Achse ins Leere. Ein seitlicher Gang mit
einer Pergola aus einem filigranen Zinkgerüst besaß dagegen so viel Charme, dass
man sie trotz der etwas zu gewichtigen
Berankung (unter anderem mit Blauregen)
in ihrem ursprünglichen Zustand belassen
wollte.
Mit einer Birke sowie einer blaunadelige Atlas-Zeder waren zwei Großbäume
vorhanden, die auch erhalten bleiben sollten. Gleiches galt für ein besonders schönes Exemplar des rotlaubigen SchlitzAhorns. Andere Gehölze wirkten an ihrer
bisherigen Stelle deplatziert, wie etwa Rosen, die an zu dunklen Stellen standen
oder nicht mit ihrer Umgebung harmonierten. Auch manch farbliche Zusammenstellungen wirkten arg grell und bunt.
Feinfühlig erneuert
Nachdem die Problemzonen identifiziert
waren, wurden für die Teilbereiche passende Lösungen entwickelt. Neben einer
Neusetzung der Trockenmauern und der
Verwendung von Blockstufen stand eine
Aufwertung der untersten Ebene zur Diskussion. Die durch Mauerwangen fast eingesenkt wirkende Terrasse hätte durch
eine Ausgestaltung als Wasserbecken mit
Trittstufen-Überbrückung ein komplett
neues Motiv in den Garten bringen kön-
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Projektsteckbrief
Planung
Dipl.-Ing. Jens Tippel Freiraumplanung
Gülichstrasse 49, Bad Münder/Flegessen
www.jens-tippel.de
römischen Verband und Kleinpflaster
8/11 cm), Kiesfläche mit Erbskies 8/16 mm,
Obernkirchener Sandstein (Trockenmauer), Eiche gehobelt und gefast (Pergola)
Stauden: Geranium ‘Rozanne’ und ‘Tiny
Monster’, Helenium ‘Baudirektor Linne’,
Iris sibirica ‘Dreaming Spires’ und ‘King of
Kings’, Lamprocapnos spectabilis
Grundstücksgröße 700 m²
Verwendete Pflanzen (Auswahl)
Besonderheiten
Gehölze: Acer palmatum ‘Osakazuki’, Aesculus parviflora, Betula utilis, Cydonia oblonga ‘Konstantinopler Apfelquitte’, Hamamelis mollis ‘Pallida’, Mespilus germanica,
Sorbus serotina, Viburnum plicatum ‘Watanabe’, diverse Rosen und Hortensien
Aus der Frage „Was kann ich denn mit
dieser traurig aussehenden Fichtenecke
machen?“ entwickelte sich eine komplette
Gartenumgestaltung. Wie schön!
Jahr der Planung / der Realisierung
2009 / 2009 bis 2010
Verwendete Materialien
Indischer Sandstein (Natursteinplatten im
nen. Letztendlich entschieden sich die Besitzer jedoch „nur“ für Trittplatten, die
mittig durch die Rasenfläche verlaufen. Zu
einem Highlight des Gartens wurde der
Sitzplatz auf der zweiten Ebene. Eine
„kräftige“ Pergola gibt diesem Ort nicht
nur räumlich mehr Halt, sondern bietet
nun auch die Möglichkeit der Berankung
mit Blauregen. Eine halbhohe Mauer dient
zugleich als Wärmespeicher und dezente
Abschirmung zum Nachbargrundstück.
Alternativ stand eine viertelkreisförmige
Pergola zur Wahl, die sich noch mehr zum
Tal hin geöffnet hätte.
Neue Ziele definiert
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Die oberste Terrasse wurde mit einer Bank
und einem runden Steintisch als Ziel für
die Sichtachse ausgestattet. Drei halbkreisförmig angeordnete Quittenbäume betonen den neuen Blickfang zusätzlich und
animieren zum Aufstieg und Ausblick.
Bei der (Neu-) Platzierung der Pflanzen
wurde grundsätzlich auf eine stärkere Berücksichtigung der Ebenencharaktere geachtet: unten eher kühl-schattig, oben
trocken und warm. Farblich wurde auf
eine harmonischere Ton-in-Ton-Zusammenstellung Wert gelegt. Der rote SchlitzAhorn erhielt auf der gegenüberliegenden
Seite ein grünlaubiges Pendant.
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Text: J. Reif (basierend auf Jens Tippel)
Fotos: Christa Brand (1–4), J. Tippel (5–6)
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