Vorbereitung Frequenzumrichter Altivar 66 (ASM-2)

Antriebs- und Automatisierungstechnik II
Prof. Dr. J.-P. Kärst, Dipl.-Ing. H. Böhmer
Vorbereitung Versuch ASM-2
Seite 1
Frequenzumrichter Altivar 66
Stand: 29.04.2015
1 Vorbemerkung
Automatisierte Anlagen verschiedenster Art sind durch ihren dynamischen Betrieb charakterisiert.
Das erfordert elektrische Antriebe,
− die sich in Drehmoment, Drehzahl und Drehwinkel schnell und genau regeln lassen und
− selbst Teil zeitkritscher überlagerter Regelungen von Prozessgrößen wie Druck, Durchfluss
usw. sein können.
Die Struktur eines elektrischen Antriebes hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert.
Der Antrieb besteht weiterhin aus dem Motor, dem Stromrichter, dem Getriebe und der angekoppelten Arbeitsmaschine sowie netz- und motorseitigen Filtern.
Stark verändert haben sich vor allem die Frequenzumrichter, mit deren Hilfe eine stetige und verlustarme Drehzahlstellung von Drehstrommotoren (ihre Vorteile sind der einfache Aufbau und damit der niedrige Preis sowie die berührungslose Übertragung der elektrischen Energie in den Läufer) realisiert werden kann. Sie enthalten Mikrorechner, deren Software es oft bereits ermöglicht,
selbstoptimierende Inbetriebnahmeverfahren anzuwenden, typische SPS-Funktionen zu übernehmen, externe Sensoren abzufragen oder einen PI-Regler für übergeordnete Prozesse nur noch
parametrieren zu müssen.
Die Drehzahlstellung kann meist auf unterschiedliche Weise erfolgen. Neben der typischen U/fKennliniensteuerung können zur Erreichung eines in allen Drehzahlbereichen befriedigenden dynamischen Verhaltens vektororientierte Regelungen mit und ohne Drehgeber über die Kommunikationsschnittstellen des Umrichters aufgerufen werden. Letztere erlauben den Einsatz auch dort,
wo bisher der Gleichstromantrieb vorherrschend war, setzen aber voraus, dass in der Steuerungssoftware Maschinenmodelle hinterlegt sind.
2 Versuchsziel
Hauptziel ist das Kennenlernen des Aufbaus und der Funktionalität eines digitalen Frequenzumrichters mit Spannungszwischenkreis (U-Umrichter), sinusbewerteter Pulsbreitenmodulation, U/fKennliniensteuerung und Vektorregelung sowie einer Vielzahl Sonderfunktionen im Zusammenwirken mit einem Drehstromasynchronmotor und einstellbarer Belastung mit Hilfe eines Gleichstrommotors.
Im Versuch eingesetzt werden:
− ein eigenbelüfteter 1,5 kW- Standardasynchronmotor mit Kurzschlussläufer in Sternschaltung
(Typenschildangaben: ∆/Y-Spannungen 240/415 V und –ströme 6,6/3,8 A; cosϕ = 0,78; Nenndrehzahl 1420 U/min; Nennfrequenz 50 Hz) und
− der Frequenzumrichter Altivar 66 Typ ATV66U41N4 (Versorgung: dreiphasige Netzspannung
400 V; Nennleistung 2,2 kW; Nennstrom 5,8 A; Maximalstrom 8 A; U/f-Kennliniensteuerung mit
IR- und Schlupfkompensation; sensorlose Vektorregelung) von Schneider Electric.
3 Versuchsaufbau
Bild 1 zeigt den Versuchsaufbau.
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Vorderansicht
ASM
Altivar 66
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Hinteransicht
Gleichstrommotor
Bild 1: Versuchsaufbau
4 Fragen zur Versuchsvorbereitung
a) Erläutern Sie die Funktionsweise eines Drehstromasynchronmotors (ASM) anhand der vereinfachten Ersatzschaltung. Wie kommt man auf die Kloss'sche Gleichung?
b) Geben Sie die Gleichungen an, nach denen Sie aus den Typenschilddaten eines ASM das
Nenndrehmoment, die elektrische Schein- und Wirkleistung sowie den Nennschlupf berechnen
können. Bestimmen Sie diese Größen für den gegebenen Motor.
c) Erläutern Sie die Begriffe Gleichrichten, Wechselrichten, Umrichten!
d) Was verstehen Sie unter sinusbewerteter Pulsbreitenmodulation? Wie hoch sollten die Pulsfrequenzen sein?
e) Was ist das Prinzip der U/f-Kennliniensteuerung?
5 Weiterführende Grundlagen
a) Die U/f-Kennliniensteuerung mit IR- und Schlupfkompensation
Bild 2 zeigt das Prinzipschaltbild eines Drehstromantriebes mit Frequenzumrichter.
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Netz
L1
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Netzstromrichter
Maschinenstromrichter
Gleichrichter
Wechselrichter
Zwischenkreis
SR1
SR2
Energiespeicher
+
V1
V3
V5
+ U
Z
C
L2
-
L3
V4
V6
V2
-
Motor
Last
M
3
Vi:
Daten
Sollwerte
Elektronik für die Steuerung , Regelung, Überwachung und
die Kommunikation
Ti
Di
Bild 2: Prinzip eines Drehstromantriebes mit Frequenzumrichter
Der Frequenzumrichter besteht aus den drei leistungselektronischen Teilen Stromrichter 1
(Netzstromrichter, Gleichrichter, SR1), Spannungszwischenkreis und Stromrichter 2 (Maschinenstromrichter, Wechselrichter, SR2) mit seinen 6 elektronischen Ventilen Vi sowie dem informationsverarbeitenden Block mit den Kommunikationsschnittstellen. Der Pfeil aus dem
Wechselrichter in die Elektronik deutet die Möglichkeit der Verarbeitung der Ströme und Spannungen am Wechselrichterausgang = Motoreingang an.
Bei einfachen Antriebsanforderungen wird mit der U/f-Kennliniensteuerung gearbeitet. Um den
Statorwiderstand R1 zu berücksichtigen, wird meist die Kennlinie U = K1 ⋅ f + Ukomp realisiert,
wobei Ukomp dem Spannungsabfall über dem Statorwiderstand entsprechen soll; er wird meist
errechnet aus dem Produkt von R1 und dem Mittelwert des Zwischenkreis-Stroms. Zusätzlich
wird oft die Spannung im unteren Frequenzbereich angehoben (“Boost”), um auch dort trotz
der stärker werdenden Wirkung der ohmschen Widerstände (warum?) einen möglichst konstanten Maschinenfluss und somit ein annähernd konstantes Drehmoment zu erhalten. Zeichnen Sie qualitativ eine Variante der so entstehenden U/f-Kennlinie.
Bei vielen Antrieben, z.B. für Pumpen und Lüfter, wird im unteren Drehzahlbereich nicht das
volle Motormoment benötigt. Dann kann in der U/f-Kennlinie die Spannung zunächst langsamer ansteigen als die Frequenz. Es fließen kleinere Ströme, die Motorverluste sind in diesem
Drehzahlbereich kleiner. Tragen Sie eine solche Energiesparkennlinie in Ihr Diagramm mit der
U/f-Kennlinie ein.
Eine weitere Verbesserung des Antriebsverhaltens mit dem Ziel, die Drehzahl bei Belastung
konstant zu halten, ist mit einer Schlupfkompensation möglich. Dabei werden der Iststrom des
Motors oder des Zwischenkreises als Maß für das Drehmoment gemessen und z.B. eine Vergrößerung des Lastmomentes in eine Erhöhung der Ständerfrequenz und der Ständerspannung umgerechnet. Zeichnen Sie eine M-ω-Kennlinie und demonstrieren Sie daran die Wirkungsweise dieser Schlupfkompensation.
a) Prinzip der Vektorregelung/feldorientierten Regelung
Bei höheren Anforderungen an die Drehzahlsteuerung und das erforderliche Drehmoment
muss das Verfahren der Vektorregelung oder feldorientierten Regelung eingesetzt werden; mit
diesem Verfahren sind anspruchsvolle Antriebsaufgaben mit Drehstromantrieben zu lösen.
Das Ziel der feldorientierten Regelung ist es, mit dem Drehstromantrieb das Verhalten eines
Gleichstrom-Antriebs nachzubilden. Hier gilt M ~ Φ • IA. Bild 3 zeigt das Prinzip einer Vektorregelung.
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Bild 3: Prinzip einer Vektorregelung (links Strom- und
Flussrichtungen, rechts Blockschaltbild)
Es werden der Magnetisierungsstrom (bestimmt den Maschinenfluss) und der Wirkstrom (bestimmt das Drehmoment) aus den Ist-Werten des Motorstromes berechnet. Der Ständerstrom
wird in einem mathematischen Modell des Motors (befindet sich in einem Rechner) in zwei
Stromkomponenten zerlegt, die einzeln und unabhängig geregelt werden können. Es sind dies
die den Maschinenfluss erzeugende Stromkomponente und die senkrecht dazu stehende
drehmomentbildende Stromkomponente. Der Prozessor berechnet aus dem einprogrammierten “Maschinenmodell”, dem elektrischen Abbild der Maschine mit den Daten von
Ständer (R1, L1) und Läufer (R2, L2) kontinuierlich die erforderlichen Regelungsdaten für den
Betrieb und bestimmt die Ständerspannung und -frequenz. Durch dieses Verfahren gelingt es,
den Fluss zu jedem Zeitpunkt konstant zu halten und das Drehmoment in einem weiten Drehzahlbereich schnell zu regeln. Soll im ganzen Drehzahlbereich eine hohe Drehzahlkonstanz
realisiert werden, wird die Motordrehzahl über einen Drehzahlistwertgeber erfasst, bei geringeren Anforderungen zusätzlich im Motormodell berechnet (“sensorlose Vektorregelung”).
b) Steuerung und Regelung des Frequenzumrichters Altivar® 66
Die Parameter des Frequenzumrichters Altivar® 66 sind in Abschnitt 2 genannt. Er kann eingestellt werden auf:
–
U/f-Kennliniensteuerung mit IR-Kompensation und Schlupfkompensation sowie der Einstellbarkeit einer Energiesparkennlinie,
–
sensorlose Vektorregelung (SVC = sensorless vector control) mit Drehmomentbegrenzung,
IR-Kompensation, Boost und Schlupfkompensation.
Zu beachten ist, dass die U/f-Kennliniensteuerung in diesem Frequenzumrichter in relativ
großen Drehzahlbereichen zufriedenstellend arbeitet, da sie teilweise Signale verarbeitet, die
aus dem Maschinenmodell für SVC stammen. Die Verarbeitung eines Drehgebersignals ist in
dieser Version nicht möglich. Eine Stromregelung, die vor allem der Strombegrenzung bei Beschleunigungsvorgängen dient, ist in beiden Varianten enthalten.
Vertiefende Literatur:
–
Schröder: Elektrische Antriebe 1, 2 und 3. Springer-Verlag 1994 bis 1996
–
Schönfeld: Elektrische Antriebe. Springer-Verlag 1995
–
Quang, N. G.: Praxis der feldorientierten Drehstromantriebsregelungen. expert verlag 1993