Geschäftsbericht - Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen

Geschäftsbericht
2014 / 2015
erstattet der Mitgliederversammlung
des Arbeitgeberverbandes Deutscher Eisenbahnen e.V.
am 12. Mai 2015 in Konstanz
von
Verbandsdirektor Dr. Hans-Peter Ackmann
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Sehr geehrter Herr Vorsitzender Schweizer,
sehr geehrte Herren Ehrenvorsitzende Bollhöfer, Dr. Ludwig und Dr. Schiff,
verehrte Gäste,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der diesjährige Geschäftsbericht umfasst den Zeitraum der ereignisreichen 12 Monate, die seit unserer letzten Hauptversammlung in Münster vergangen sind (Mai
2014 bis April 2015).
Ich beginne traditionsgemäß mit einem knappen Überblick über die allgemeine
wirtschaftliche und tarifpolitische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.
Anschließend wende ich mich eingehender den bedeutsamen Entwicklungen speziell im Bereich unseres Verbandes zu.
I. Wirtschaftspolitische Lage der Bundesrepublik Deutschland
1. Wirtschaftswachstum und Staatsverschuldung 2014
Bezüglich des Wirtschaftswachstums stand Deutschland 2014 besser als
fast alle anderen Euro-Länder da. Das Wirtschaftswachstum betrug hier
immerhin 1,6 %, nach nur 0,4 % im Jahr 2013.
Zweifellos haben zu dieser Verbesserung die massiven Stützungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihrer ultra-lockeren Geldpolitik, rekord-niedrigen Zinsen und einem deutlich schwächeren Euro sowie die stark gesunkenen Preise für Öl/Energie wesentlich beigetragen.
Freilich sollten wir uns nicht dem Irrglauben hingeben, damit sei die gravierende Staatsschulden- und Bankenkrise in Europa bereits überwunden.
Denn die Staatsverschuldung ist auch im letzten Jahr wieder in den meisten europäischen Ländern weiter gestiegen, auch wenn zahlreiche Länder
wenigstens den jährlichen Umfang der Neuverschuldung weiter reduzieren
konnten. Die Schuldenquote der Euro-Länder lag Ende 2014 durchschnittlich bei etwa 92 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), während nach den europäischen Verträgen eigentlich eine Obergrenze von 60 % des BIP gilt;
die Quote ist 2014 nochmals um 1 % angestiegen, was eine zusätzliche
Neuverschuldung um 260 Milliarden € bedeutet. Zur Erreichung eines
„Normalzustands“ wären mindestens 10 Jahre lang gewaltige Sparanstrengungen erforderlich (nicht nur, aber vor allem in Griechenland, Italien, Portugal und Irland, wo die Schuldenquote jeweils deutlich über 100 % liegt).
Man muss schon ein großer Optimist sein, um daran zu glauben, dass die
Euro-Länder noch über so viele Jahre einen strikten Sparkurs einhalten
werden. Insbesondere auch die großen und wichtigen Länder Spanien, Italien und Frankreich tun sich damit ganz offensichtlich enorm schwer.
Zweifellos steht Deutschland in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich
gut da:
Bei uns ist die „offizielle“ gesamtstaatliche Verschuldung im Jahr 2014 erstmals seit 1969 (!) nicht mehr gestiegen, sondern um 6,4 Milliarden € gesunken. Unsere Schuldenquote hat sich auf rund 74 % des BIP verringert.
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Der Bund erzielte ein Plus von 2,3 Milliarden €, die Sozialversicherungen
erzielten ein Plus von 3,0 Milliarden € und die Länder erzielten ein Plus von
1,6 Milliarden €. Nur die Kommunen hatten mit 0,5 Milliarden € Neuverschuldung eine leicht „rote“ Bilanz (so die Zahlen des statistischen Bundesamtes).
Zu bedenken ist allerdings, dass der leichte Überschuss des GesamtStaatshaushalts nicht etwa auf einer konsequenten Sparpolitik, sondern
vor allem auf unerwartet hohen Steuereinnahmen (wegen der guten Konjunktur), auf den derzeit ultra-niedrigen Zinsen für den vorhandenen Schuldenberg von 2.168 Milliarden € und auf der sehr positiven Arbeitsmarktentwicklung beruht; alle drei Faktoren könnten sich künftig auch wieder
negativ verändern und neue Schulden auslösen.
2. Wachstumsprognose für 2015 und 2016
Für das Jahr 2015 besteht in Politik und Wirtschaft allgemeiner Optimismus. Es wird mit einem deutschen Wirtschaftswachstum von bis zu 2,0 %
gerechnet; ein nahezu gleich hohes Wachstum wird auch für 2016 prognostiziert (ca. 1,8 %). Der Wachstumsschub steht auf einem relativ breiten
Fundament. Der Export profitiert von der positiven Entwicklung in den
USA, der langsamen Erholung in Europa und dem binnen der letzten 12
Monate deutlich abgewerteten Euro. Die Binnennachfrage wird durch die
sehr lockere Geldpolitik der EZB, die infolgedessen sinkende Sparneigung
der Verbraucher, die deutlich gesunkenen Energiepreise und die kräftigen
Lohnerhöhungen, die für 2014 und 2015 vereinbart wurden, stimuliert. Risiken ergeben sich allerdings aus dem schwächeren Wachstum in den
Schwellenländern, verschiedenen geopolitischen Krisenherden sowie der
sich zuspitzenden Griechenland-Staatspleite.
3. Inflation
Inflation ist aktuell in Deutschland trotz der verbesserten Konjunktur und
trotz der bedenklich expansiven Geldpolitik aller Zentralbanken keine Gefahr.
Im Jahresdurchschnitt 2014 lag die Inflationsrate mit stetig sinkender Tendenz bei 0,9 % (2013: 1,5 %; 2012: 2,0 %).
Im bisherigen Verlauf des Jahres 2015 ist die deutsche Inflationsrate weiter
zurückgegangen. Im Durchschnitt der Monate Januar bis April 2015 lag sie
bei 0,1 %. Im Jahresdurchschnitt 2015 können wir daher in Deutschland,
bei moderat steigender Tendenz, mit einer Inflationsrate von deutlich unter
1,0 % rechnen.
Im Euro-Raum war die Inflation in den Monaten Januar bis April 2015 mit
durchschnittlich – 0,25 % sogar negativ und damit noch niedriger als in
Deutschland; auch hier spielen die stark gesunkenen Energiepreise eine
große Rolle. Die Gefahr einer echten Deflation (Sinken der Preise auf breiter Front) ist angesichts der im gesamten Euro-Raum langsam anspringenden Konjunktur jedoch sehr klein.
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4. Arbeitsmarktentwicklung
Wie schon in den vorangegangenen neun Jahren, war die deutsche Arbeitsmarktentwicklung auch im Jahr 2014 ausgesprochen positiv.
Immerhin hat die Zahl der Arbeitslosen im Jahr 2014 um weitere 110.000
Personen abgenommen. Im Jahresdurschnitt 2014 waren 2,90 Millionen
Menschen arbeitslos, 52.000 weniger als im Jahresdurchschnitt 2013
(dadurch wurde der leichte Anstieg der Arbeitslosenzahl im Jahr 2013
exakt wieder ausgeglichen). Die Arbeitslosenquote ging dadurch wieder
um 0,2 Punkte auf 6,7 % im Jahresschnitt zurück.
Nachdem die Arbeitslosigkeit binnen zehn Jahren um gut 2 Millionen Menschen zurückgegangen ist, sind die jetzt noch verbliebenen Arbeitslosen allerdings anscheinend nur sehr schwer vermittelbar. Sehr viele Arbeitslose
entsprechen nicht den Anforderungen der Unternehmen. Ganz besonders
gilt dies für die vielen Geringqualifizierten und für die über 50 Jahre alten
Langzeitarbeitslosen (vor allem in den neuen Bundesländern), von denen
zwei Drittel bereits seit mehr als vier Jahren „Hartz IV“ beziehen.
Die offenen Stellen wurden deshalb schon in den Jahren 2010 bis 2014
meist nicht durch Arbeitslose, sondern durch Zuwanderer und durch neu in
den Arbeitsmarkt eintretende Frauen besetzt. Auf diese Weise konnte die
Zahl der Erwerbstätigen (Arbeitnehmer, Beamte, Soldaten und Selbstständige) in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2014 mit 42,6 Millionen einen
neuen Rekordwert erreichen, was einen Zuwachs um 370.000 gegenüber
dem Vorjahr bedeutete. Im vierten Quartal 2014 waren sogar erstmals
mehr als 43 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Jahresdurchschnitt 2014 gegenüber dem Vorjahr um gut 600.000 auf über 30 Millionen
gestiegen.
Für das Jahr 2015 wird wegen der stabilen Konjunktur bei der Arbeitslosenzahl mit einer weiteren Verbesserung (um bis zu 150.000 Personen)
gerechnet. Bei der Erwerbstätigenzahl wird mit einem Jahresschnitt von
über 43 Millionen und einem Zuwachs um etwa 350.000 ein neuer Rekord
erwartet. Auch bei den sozialversicherungspflichtigen Stellen wird mit deutlich über 30 Millionen ein neuer Höchstwert vorhergesagt.
Im April 2015 sank die Arbeitslosenzahl auf 2,84 Mio. und damit auf den
niedrigsten April-Wert seit 1991 (um 100.000 niedriger als im April 2014).
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse ist innerhalb
der letzten 12 Monate um rd. 530.000 gestiegen, die Zahl der Minijobs allerdings um rd. 80.000 gesunken.
Immer noch bersorgniserregend hoch, und nur sehr langsam zurückgehend, ist die Arbeitslosigkeit demgegenüber in Südeuropa (Griechenland
26 %, Spanien 25 %, Portugal 15 %, Italien 13 %), vor allem auch im Bereich der „Jugend“ (Griechenland und Spanien über 50 %). Die Arbeitnehmer in diesen Ländern zahlen mit rund 4 Millionen in der Euro-Krise seit
2007 verlorenen Jobs einen hohen Preis für die völlig überzogenen Lohnsteigerungen der Jahre 1997 bis 2007, die wesentlich zur mangelnden
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in ihren „Krisenländern“ beigetragen haben; für 2015 wird hier nur eine leichte Besserung erwartet.
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5. Bedeutung des demografiebedingt in den nächsten 20 Jahren stetig zunehmenden Arbeitskräftemangels für die künftige Personal- und Tarifpolitik
In den letzten 20 Jahren ging es vielen unter Wettbewerbsdruck stehenden
Arbeitgebern in Deutschland häufig um mehr „Flexibilität“ am Arbeitsmarkt
und um möglichst geringe Personalkostensteigerungen. Themen wie Lockerung des Kündigungsschutzes, erleichterte Befristungsmöglichkeiten,
Fremdvergaben an billiger arbeitende Subunternehmer, Fremdvergaben
über Werkverträge, Einsatz von Leiharbeitnehmern, usw. beherrschten unsere Agenda.
In jüngster Zeit ändert sich zunehmend die Perspektive in der Personalpolitik: Der demografiebedingt in den nächsten 20 Jahren immer mehr zunehmende Arbeitskräftemangel (die besonders geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge 1952 bis 1966 gehen dann in Rente und müssen durch
Arbeitnehmer aus wesentlich geburtenschwächeren Jahrgängen ersetzt
werden!), insbesondere der schon heute zum Teil bestehende Fachkräftemangel, zwingt zu einem Umdenken. Es wird in den nächsten Jahren vermutlich viel intensiver als in letzten 20 Jahren darum gehen, vorhandene
qualifizierte Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden und neue qualifizierte Arbeitnehmer am Markt zu gewinnen bzw. selbst qualifiziert auszubilden. Dieser durch eine klar vorhersehbare Entwicklung bedingte Perspektivwechsel wird auch die künftige Tarifpolitik nachhaltig beeinflussen.
Es ist kaum zu erwarten, dass die auf uns zukommende Entwicklung zu einer Mäßigung bei den Gewerkschaftsforderungen und zu sonderlich moderaten Personalkostensteigerungen führen wird: Zunehmend schwierige Zeiten stehen also für die im Wettbewerb um immer weniger Fachkräfte stehenden Arbeitgeber und ihre tarifschließenden Verbände bevor. Die im
letzten Jahr eingeführte abschlagsfreie „Rente mit 63“ hat die Problematik
wider alle Vernunft noch verschärft; binnen acht Monaten haben schon
über 250.000 Personen diese Frührente beantragt.
6. Bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 €/Stunde (seit 01.01.2015)
und Mindestlohn-Bürokratie
Der seit Jahresbeginn bundesweit und branchenübergreifend geltende
(„flächendeckende“) Mindestlohn von zunächst (bis Ende 2017) 8,50 € pro
Stunde hat bislang noch keine deutlich sichtbaren negativen Auswirkungen
am Arbeitsmarkt gehabt.
Das liegt natürlich nicht zuletzt an der momentanen guten Wirtschaftslage.
In den besonders stark betroffenen Branchen (Taxigewerbe, Haushaltshilfen, Friseure, Wasch- und Bügelservice, Gaststätten, Hotelhilfskräfte) sind
allerdings die Preise für die Kunden zum Teil kräftig gestiegen; wegen der
ansonsten sehr niedrigen Inflation ist auch das aber nicht besonders negativ vermerkt worden.
Nach dem Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute von April 2015 wird
der Mindestlohn allerdings bis Ende 2016 zum Abbau von etwa 220.000
Minijobs führen, vor allem in den neuen Bundesländern. Ein Teil der Minijobber dürfte in sozialversicherungspflichte Beschäftigungen wechseln, ein
Teil wird den Arbeitsplatz verlieren.
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Besonders viel Verdruss bereitet den Unternehmen die neue MindestlohnBürokratie mit ihren umfangreichen Melde- und Aufzeichnungspflichten.
Trotz heftiger Kritik hieran ist es im Koalitionsausschuss Ende April 2015
nicht gelungen, hier auch nur die notwendigsten Änderungen gegen Ministerin Nahles und die SPD durchzusetzen.
Wenn man sich vor Augen hält, dass selbst ein Arbeitnehmer, der ständig
die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden (§ 3 ArbZG) zum
Mindeststundenlohn von 8,50 € arbeitet, nur rund 1.770 € brutto monatlich
bekommen muss, stellt sich doch die Frage, warum die Dokumentationspflichten bis zu einer monatlichen Verdienstgrenze von 2.958 € gelten.
Abgesehen von diesen bürokratischen Ärgernissen spielt der neue gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € im Bereich der AGVDE-Mitgliedsunternehmen
freilich keine große Rolle (außer gelegentlich bei Aushilfskräften). Denn bei
unseren Mitgliedsunternehmen verdienen nach den seit August (ETV) bzw.
Dezember (SBT) 2014 geltenden Vergütungstabellen der Flächentarifverträge (ETV und SBT) sowohl die Angestellten mit einfachsten Tätigkeiten
(ETV: 10,28 €; SBT: 9,80 €) als auch die ungelernten Arbeiter (ETV: 11,84
€; SBT: 11,93 €) deutlich mehr als 8,50 € pro Stunde, selbst wenn man die
nackten Monatstabellenvergütungen zugrunde legt (ohne Zulagen, Zuschläge, Sonderzahlungen, Altersversorgung, u.a.). Nichts anderes gilt für
die untersten Vergütungsgruppen bei unseren zahlreichen firmenbezogenen Verbandstarifverträgen.
Jedoch birgt der neue flächendeckende gesetzliche Mindestlohn neben
den künftig regelmäßig drohenden Anhebungen die große Gefahr, dass die
Gewerkschaften in den einzelnen Branchen viel Ehrgeiz entwickeln werden, die tarifvertraglichen Einstiegslöhne insbesondere für einfache Arbeiten überproportional nach oben zu treiben, um ihre Daseinsberechtigung
durch möglichst großen Abstand vom gesetzlichen Mindestlohn nachzuweisen. Die letzten Vergütungsrunden im öffentlichen Dienst (Bund/Kommunen und Länder) mit ihren extrem hohen Sockelbetrags-Forderungen
waren dafür bereits besorgniserregende Beispiele.
7. Zunehmende Einmischung des Staates in die Lohnpolitik
An dieser Stelle möchte ich nochmals auf ein hoch brisantes Thema zu
sprechen kommen, das uns in den nächsten Jahren voraussichtlich noch
allergrößte Schwierigkeiten machen wird:
Die in rapidem Tempo zunehmende und bis vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar intensive Einmischung des Staates in die Lohnpolitik der freien
Wirtschaft.
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Herr Dulger, hat
es vor einem Jahr im Handelsblatt (vom 28.04.2014, Seite 32 oben) wie
folgt prägnant zusammengefasst:
„Unsere Tarifautonomie ist stärker in Gefahr, als sie es jemals
war. Die Gewerkschaften neigen in letzter Zeit dazu, einen
Teil ihrer ureigenen Aufgaben der freundlich gesinnten Politik
zu überlassen.“
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In der Tat sind der Staat (Bund und Länder) einerseits und die Tarifparteien andererseits neuerdings zu gleichzeitigen Akteuren in der Lohnpolitik
geworden. Das ist für die deutsche Wirtschaft in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber ein höchst gefährlicher Weg, der an den Grundfesten der Sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie seit jetzt 65 Jahren kennen, rüttelt. Es gibt
in Deutschland kein Grundrecht, das von der Politik in den letzten Jahren
ohne hinreichenden sachlichen Grund derart stark eingeschränkt worden
wäre wie das Grundrecht der Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Abs. 3 des
Grundgesetzes. Es wird höchste Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht
als Hüter des Grundgesetzes diesem politischen Treiben klare Schranken
setzt, denn in einem Hochlohnland wie Deutschland brauchen wir diese
politische Bevormundung wirklich nicht.
Es liegt auf der Hand, dass der bisher allein in der Hand der Tarifparteien
liegende Lohnfindungsprozess künftig auch in Deutschland auf schädliche
Weise dauerhaft politisiert werden wird. Das gilt sowohl für das künftig zu
erwartende Gezerre um die angemessene Höhe des branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohns als auch für die verschiedenen Formen
der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für einzelne Branchen, bei der nicht nur die negative Koalitionsfreiheit de facto beseitigt
wird, sondern auch kleinere Tarifpartner mit ihren konkurrierenden Tarifverträgen „verdrängt“ werden.
Neben dem neuen Mindestlohngesetz ist hier besonders das sog. „Tarifautonomiestärkungsgesetz“ zu nennen. Der Titel dieses Gesetzes ist vollkommen irreführend, richtigerweise müsste es „Tarifautonomiebeerdigungsgesetz“ heißen. Durch eine Fülle von sehr wichtigen Detailänderungen in mehreren einschlägigen Gesetzen soll es dem Bundesarbeitsministerium künftig viel leichter als bisher möglich sein, zahlreiche Tarifregelungen für allgemeinverbindlich zu erklären und auf diese Weise deren Wirkung auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erstrecken, die überhaupt nicht
Mitglied des betreffenden Arbeitgeberverbands und der betreffenden Gewerkschaft sind.
Hinzu kommen noch die gerade auch für unsere Branche immer mehr um
sich greifenden Tariftreuegesetze der Bundesländer mit ihrer ungerechtfertigten (und nach unserer Überzeugung verfassungswidrigen) Privilegierung
angeblich „repräsentativer“ Tarifverträge; hierauf komme ich später noch
zurück.
8. Bundes-Tarifeinheitsgesetz (Entwurf)
Im Dezember 2014 hat die Bundesregierung den von der Kanzlerin bereits
vor drei Jahren angekündigten Entwurf des sog. Tarifeinheitsgesetzes in
das Gesetzgebungsverfahren übergeleitet. Das Gesetz soll noch im Juni
2015 vom Bundestag verabschiedet werden und anschließend im Juli 2015
den Bundesrat passieren. Es könnte dann zum 01.09. oder 01.10.2015 in
Kraft treten.
Das Gesetz hat zum Ziel, die „Tarifeinheit in Betrieben“ wieder herzustellen, die aufgrund einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
07.07.2010 nach jahrzehntelanger Geltung aufgegeben wurde.
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Im Falle einer sog. Tarifkollision, d.h. wenn für dieselben Arbeitnehmer
(z. B. Lokführer oder Zugbegleiter) inhaltlich unterschiedliche Tarifverträge
konkurrierender Gewerkschaften bei einem Arbeitgeber bestehen und die
Gewerkschaften die Überschneidung nicht einvernehmlich beseitigen, soll
nach dem Gesetzentwurf im Betrieb nur der Mehrheitstarifvertrag anwendbar sein. Für die Mehrheit soll die Gesamtbelegschaft des Betriebes maßgeblich sein (nicht die Mehrheit in der spezifischen Arbeitnehmergruppe).
Die Regelungsproblematik ist in unserer Branche bestens bekannt, insbesondere aus der Konkurrenz von GDL und EVG bei der Deutschen Bahn
und bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen.
Die vorgesehene Regelung ist politisch und verfassungsrechtlich umstritten, weil sie zweifelsfrei die Entfaltungsmöglichkeiten der sog. Spartengewerkschaften, die nur relativ kleine Berufsgruppen einer größeren Gesamtbelegschaft vertreten, einschränken soll.
Ob die vorgesehene Regelung, der viele Fachleute auch handwerklichrechtstechnische Mängel und praktische Untauglichkeit (z.B. im Verfahren
zur Feststellung der Mehrheitsverhältnisse) vorwerfen, erforderlich und
verhältnismäßig ist, wird letztlich vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden sein, das gewiss bald nach Inkrafttreten des Gesetzes von einer
der betroffenen Spartengewerkschaften angerufen wird.
Viele Kenner des Arbeitsrechts sind der Meinung, dass der Gesetzgeber
die Problematik konkurrierender Gewerkschaften mit hoher Streikbereitschaft, insbesondere im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge (wäre
näher zu definieren), auf der Ebene des Arbeitskampfrechts regeln sollte
und nicht auf der Ebene des Tarifrechts. Viele halten besondere Beschränkungen des Streikrechts im Bereich der Daseinsvorsorge für zulässig, weil
hier die Öffentlichkeit (z.B. bei Verkehrsunternehmen, Kliniken, Kindertagesstätten) massiv betroffen ist, quasi zur Geisel genommen wird, und
sehr hohe volkswirtschaftliche Schäden bei Dritten verursacht werden.
Denkbare Beschränkungen sind etwa eine Streiks stets vorgeschaltete
Schlichtung (ohne verbindlichen Schlichterspruch), verbindliche Streikankündigungsfristen von mehreren Tagen, das Verbot bloßer Warnstreiks
(d.h. Streiks nur nach Urabstimmungen mit evtl. hohen Mehrheitsanforderungen) und letztlich sogar echte Zwangsschlichtungen. Freilich müssten
diese unterschiedlich intensiven Beschränkungen und ihre präzisen Voraussetzungen im Gesetz klar und unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes geregelt werden.
Angesichts des massiven Widerstandes aus den Gewerkschaften gegen
jede gesetzliche Einschränkung des (vom Bundesarbeitsgericht richterrechtlich gerade auch in den letzten Jahren extrem großzügig ausgelegten)
Streikrechts ist derzeit nicht zu erwarten, dass die Bundesregierung und
die sie tragenden Fraktionen (CDU/CSU und SPD) diesen fachlich an sich
richtigen Weg beschreiten werden. Vielmehr wird man den vorliegenden
Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes, mit allenfalls kleinen Modifikationen, als
derzeit einzig mehrheitsfähige Lösung durchbringen. Erst nach einer möglichen Intervention des Bundesverfassungsgerichts wird der Gesetzgeber
dann vielleicht noch einmal einen neuen und fachlich überzeugenderen
Anlauf nehmen.
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9. Zusammenfassend komme ich, wie bereits im Vorjahr, zu folgender Bewertung:
In ihrer Gesamtheit droht die seit Anfang 2014 betriebene Renten- und Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition die Reformerfolge, die Deutschland
in den letzten 10 Jahren erzielen konnte, ernsthaft zu gefährden (so schon
der Sachverständigenrat im November 2013). Die negativen Folgen werden derzeit allerdings noch durch die gute Wirtschaftsentwicklung überdeckt.
Die deutsche Politik hat, mit anscheinend ganz wenigen Ausnahmen, offenbar den Glauben an die wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft und eine
vorsichtige Deregulierung auch des Arbeitsmarktes verloren und sucht ihr
Heil jetzt wieder verstärkt in staatlicher Regulierung und Bürokratisierung.
Dabei wird offenbar vergessen, dass die zuweilen schmerzhaften marktwirtschaftlichen Reformen der letzten 15 Jahre es waren, die ganz maßgeblich dazu beigetragen haben, Deutschland vom „kranken Mann Europas“ (Economist 1999) zum Stabilitätsanker und zur Wachstumslokomotive
des Kontinents zu machen.
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II.
Tarifpolitische Großwetterlage im Frühjahr 2015
1. Entwicklung der Arbeitnehmervergütungen 2014
Die Entwicklung der Arbeitnehmervergütungen im Jahr 2014 war (aus Arbeitnehmersicht), wie auch schon in den Jahren 2012 und 2013, erfreulich.
Die Tarifvergütungen stiegen in 2014 durchschnittlich um etwa 2,9 %
(2012: 2,6 %; 2013: 3,0 %). Angesichts einer Jahresinflationsrate von nur
0,9 % bedeutete dies durchschnittlich einen kräftigen realen Tariflohnzuwachs von 2,0 % (2012: 0,6 %; 2013: 1,5 %).
Unabhängig von dieser reinen Durchschnittsbetrachtung waren die Tarifabschlüsse in den verschiedenen Wirtschaftszweigen natürlich sehr unterschiedlich (zwischen 2 und 4 %).
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stiegen die Reallöhne aller
Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2014 um 1,8 %. Bei dieser Auswertung sind nicht nur die Tarifabschlüsse des laufenden Jahres relevant, sondern die Brutto-Monatsverdienste sämtlicher Arbeitnehmer (auch der nicht
unter Tarifverträge fallenden bzw. nicht freiwillig nach Tarifverträgen bezahlten) sowie sämtliche (auch außertariflichen) Sonderzahlungen. Nach
Angaben des statistischen Bundesamts stiegen die Gesamtvergütungen aller Arbeitnehmer in 2014 um 2,7 %, was bei einer Inflation von 0,9 % einen
Reallohnzuwachs von 1,8 % bedeutete.
Das relativ deutliche Auseinanderklaffen von mäßigem Wirtschaftswachstum (0,7 %, 0,4 % und 1,6 % = 2,7 %) einerseits und sehr deutlichen Lohnerhöhungen (2,6 %, 3,0 % und 2,9 % = 8,5 % im Durchschnitt) in den Jahren 2012, 2013 und 2014 muss Bedenken hervorrufen. Als vorübergehende Erscheinung ist das Phänomen vielleicht noch akzeptabel, insbesondere wenn man an die sehr günstige Wirtschaftsentwicklung der Jahre 2010
und 2011 zurückdenkt, die seinerzeit vor allem in den exportorientierten
Branchen zu einem kräftigen Anstieg der Umsätze und der Gewinne geführt hat, und wenn man die dadurch verursachte Belebung der Binnennachfrage (Konsum) in Betracht zieht.
2. Entwicklung der Arbeitnehmervergütungen 2015
Bereits heute zeichnet sich aber auch für das Jahr 2015 ab, dass die Arbeitnehmervergütungen mit durchschnittlich etwa 2,5 % stärker steigen
werden als das voraussichtliche Wirtschaftswachstum von etwa 2 %. Sollte
sich diese Tendenz übermäßiger Lohnzuwächse auch in den Folgejahren
fortsetzen, muss mit einer erneuten Verschlechterung der internationalen
Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen gerechnet werden. Es besteht die Gefahr, dass die Erfolge der langjährigen tarifpolitischen Mäßigung jetzt langsam aber sicher wieder verspielt werden.
- 10 Bislang liegen die Tariferhöhungen für 2015 (und häufig auch schon für
2016) in der Regel zwischen 2,3 und 2,8 %, gerechnet auf 12 Monate,
während die Gewerkschaftsforderungen meist zwischen 5,0 und 6,0 % für
12 Monate lagen. Relativ häufig sind Tarifabschlüsse mit einer Gesamtlaufzeit von etwa 24 Monaten und zwei Vergütungsanhebungen. Angesichts der momentan extrem niedrigen Inflation dürften die Tarifvergütungen durchschnittlich auch im Jahr 2015 wieder real um etwa 2 % steigen.
Von besonderer Bedeutung waren die folgenden drei Abschlüsse aus Februar und März 2015:
a) Ein erstes deutliches Signal setzte am 24.02.2015 die Metall- und Elektroindustrie. Hier wurde für eine Laufzeit von 15 Monaten, bei einer Einmalzahlung von (nur) 150,-- € für die ersten drei Monate, eine Vergütungsanhebung um 3,4 % vereinbart. Umgerechnet auf eine 12-monatige Laufzeit
bedeutet dies eine dauerhafte Entgelterhöhung um etwa 2,7 %. Der Abschluss enthält daneben Vereinbarungen zur Altersteilzeit und zur Weiterbildung.
b) In der chemischen Industrie wurde am 27.03.2015 ein weiterer wichtiger
Tarifabschluss erzielt. Hier wurden, mit einem Nullmonat zu Beginn, Vergütungserhöhungen um 2,8 % für eine Laufzeit von 17 Monaten sowie eine Erhöhung des sog. Demografiebetrags auf 550,-- € für 2016 und
750,-- € für 2017 vereinbart. Insgesamt hat der Abschluss ein Gesamtvolumen von etwa 3,7 % für 17 Monate, was rund 2,6 % für 12 Monate entspricht.
c) Einen weiteren wichtigen Akzent setzte sodann der Tarifabschluss des
öffentlichen Dienstes (Länder) vom 28.03.2015, der nach mehreren
Warnstreiks erzielt wurde. Dieser Abschluss sieht bei einer Gesamtlaufzeit von 24 Monaten (01.01.2015 bis 31.12.2016), nach zwei Nullmonaten, Entgeltanhebungen um 2,1 %, ab März 2015 und um weitere 2,3 %,
mindestens 75,00 €, ab März 2016 vor. Umgerechnet auf eine 12-monatige Laufzeit, bedeutet dieser Abschluss (wegen des Mindestsockelbetrags von 75,00 € für 2016) durchschnittliche Vergütungsanhebungen
von etwa 2,4 %. Dieser Abschluss dürfte, wenn man nur die Monatsvergütungen betrachtet, in seinem Belastungsvolumen um mindestens
0,5 % unter dem letztjährigen Abschluss von Bund und Kommunen liegen.
Allerdings wurden, um die Rentenleistungen aus der VBL auch bei steigender Lebenserwartung und sinkenden Zinserträgen für die Zukunft zu
sichern, die VBL-Beiträge für die Länder-Arbeitgeber und für ihre Arbeitnehmer im Westen zum Juli 2015 um 0,2 % sowie für 2016 und 2017
um jeweils weitere 0,1 % und im Bereich der VBL-Ost zu denselben
Zeitpunkten um jeweils 0,75 % angehoben. Zum Ausgleich wurde im
Osten die Jahressonderzahlung in fünf Schritten auf das Westniveau
angehoben. Hieraus ergeben sich weitere erhebliche Belastungen der
Länderhaushalte, ganz besonders in den Ost-Bundesländern.
d) Auf die Einzelheiten bei den seit vielen Monaten völlig verfahrenen DBTarifverhandlungen mit EVG einerseits und GDL andererseits, deren
Verlauf mit nahezu endlosen GDL-Streiks bestens bekannt ist, möchte
ich hier aus Zeitgründen nicht näher eingehen. Nach einem DB-Abschluss mit der GDL ist allerdings zu befürchten, dass die GDL auch bei
unseren Bahnen mit aller Macht versuchen wird, entsprechende Forderungen durchzusetzen.
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III. Tarifpolitische Situation im AGVDE im Frühjahr 2015
1. ETV-Tarifrunde 2014/2015/2016
Unser letzter ETV-Tarifabschluss mit ver.di und EVG vom 25.06.2014 besteht im Wesentlichen aus folgenden Elementen:
-
Erhöhung aller Tabellenvergütungen um 3,0 % (mindestens 75,-- €) für
12 Monate mit Wirkung zum 01. August 2014,
-
weitere Erhöhung aller Tabellenvergütungen um 3,0 % für 13 Monate
mit Wirkung zum 01. August 2015,
-
Erholungsbeihilfen (jeweils 156,-- €) für die Jahre 2014, 2015 und 2016,
-
Öffnungsklauseln zu §§ 16 und 16a ETV,
-
Gesamtlaufzeit von 27 Monaten (01.06.2014 bis 31.08.2016).
Inklusive der Erholungsbeihilfen, die einem Volumen von etwa 0,5 % entsprechen (allerdings nur bis 2016 und nicht dauerhaft wirken), liegt das Belastungsvolumen aus diesem ETV-Abschluss bei durchschnittlich etwa 2,9 %, gerechnet auf 12 Monate (3,0 + 3,0 + 0,5 : 27 x 12), in den „ETV neu“-Unternehmen wegen des erhöhten Mindestanhebungsbetrages von 85,-- € (statt
sonst 75,-- €) für Busfahrer etwas höher. Das entspricht exakt dem für 2014
ermittelten Durchschnittswert aller Tariflohnerhöhungen (siehe oben Seite 9).
Die nächste ETV-Verhandlungsgrunde steht erst im Spätsommer 2016 an.
Da unser „Eisenbahntarifvertrag“ (ETV), trotz zahlloser zwischenzeitlicher
Änderungen, am 15.12.2016 seinen 50. Geburtstag feiern kann, ist es vielleicht an der Zeit, mit Wirkung zum 01.01.2017 das gesamte ETV-Tarifwerk
im Rahmen des nächsten Abschlusses mit neuem Abschlussdatum zu versehen (und dabei vielleicht auch die eine oder andere redaktionelle Anpassung vorzunehmen).
2. Seilbahntarifvertrag (SBT)
Für den Bereich der Seilbahnen ist hier über den letzten SBT-Tarifabschluss mit der EVG vom 12.09.2014 zu berichten.
Dieser Abschluss sieht im Kern bei einer Gesamtlaufzeit von 24 Monaten
(01.09.2014 bis 31.08.2016) für die ersten drei Monate eine Erholungsbeihilfe 2014 in Höhe von 156,-- € (Vollbeschäftigte) vor, sodann eine erste lineare Erhöhung aller Tabellenvergütungen um 3,0 % zum 01.12.2014 und
eine weitere lineare Erhöhung aller Tabellenvergütungen um 2,3 % zum
01.12.2015.
Die relativ hohe erste lineare Anhebung um 3,0 % wurde gegenfinanziert
durch eine Abschaffung des bisherigen Urlaubsgeldes von 205,-- € jährlich
(entsprach durchschnittlich etwa 0,7 % der Jahresvergütung).
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Um zu einem Abschluss zu gelangen, musste die Arbeitgeberseite schließlich zugestehen, ab dem Jahr 2015 eine Erholungsbeihilfe von 156,-- €
(Vollbeschäftigte) jährlich als dauerhafte Leistung zu gewähren; die zusätzliche Belastung hieraus beträgt etwa 0,5 %.
Gerechnet auf 12 Monate führt dieser SBT-Abschluss zu Personalmehrkosten von rund 2,6 %.
Der SBT-Abschluss hat noch eine Laufzeit bis Ende August 2016. Die
nächste SBT-Vergütungstarifrunde wird daher voraussichtlich erst Ende
August oder Anfang September 2016 beginnen (rechtzeitig zum 40. Geburtstag des SBT am 20.10.2016).
3. Firmenbezogene Verbandstarifverträge
Auch in den vergangenen 12 Monaten hat es wiederum eine große Zahl
firmenbezogener Tarifverhandlungen und Verbandstarifabschlüsse gegeben. Hierbei haben sich unsere jeweiligen Verhandlungsführer (Dr. Ackmann, Jaeger-Beschorner, Hänse, Pütz und Frau Klahold), wie seit vielen
Jahren üblich, stets intensiv und oft auch erfolgreich bemüht, den jeweiligen individuellen Verhältnissen des betreffenden Mitgliedsunternehmens
Rechnung zu tragen. In der Regel gelingt dies bei firmenbezogenen Tarifverhandlungen deutlich leichter als bei Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag, der für eine relativ große Zahl von Mitgliedsunternehmen mit
unterschiedlichen Ausgangsverhältnissen und Interessen gilt.
a) Aus dem Bereich der von mir (Dr. Ackmann) persönlich geführten firmenbezogenen Tarifverhandlungen sind insbesondere zu nennen:
-
Die getrennten Verhandlungen mit EVG einerseits und GDL andererseits für den Bereich der AKN Eisenbahn AG mit Abschlüssen nach 5
Verhandlungsrunden,
-
die Verhandlungen mit ver.di für die Verkehrsbetriebe Bergisches Land
(VBL, Gummersbach) mit Abschluss nach 2 Verhandlungsrunden,
-
die Verhandlungen mit der EVG für die HLB Hessenbus (Abschluss
nach einer Verhandlungsrunde),
-
die Verhandlungen mit der EVG für die TRANSA mit Abschluss vom
04.05.2015 nach 2 Verhandlungsrunden,
-
die Verhandlungen mit der GDL für die HLB Basis und die HLB Hessenbahn (kein Abschluss nach 4 Verhandlungsrunden, nächster Termin
am 12.06.2015),
-
die Verhandlungen mit der GDL für den Bereich des metronom (Verhandlungen ohne Ergebnis mit der GDL abgebrochen; vorläufig streikfreie Lösung auf betrieblicher Ebene).
In Kürze stehen außerdem an Verhandlungen mit ver.di über einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag bei der Karl Köhne GmbH (Extertal) und
Verhandlungen mit der EVG über einen firmenbezogenen Zusatztarifvertrag („ETV mit Abweichungen“) bei der Havelländischen Eisenbahn (Berlin).
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b) Aus dem Bereich der sehr vielen von Herrn Jaeger-Beschorner selbständig
geführten Tarifverhandlungen seien hier hervorgehoben:
- Die Verhandlungen mit der GDL für den Bereich der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG, Karlsruhe). Nachdem hier erstmals im Jahr 2012 ein
GDL-Tarifvertrag abgeschlossen werden musste, hat man sich in wiederum schwierigen Verhandlungen auf einen komplett neu gefassten Tarifvertrag (sog. Teiletarifvertrag) geeinigt. Der Abschluss gilt bezüglich
Entgelt und Arbeitszeit nur bis Ende Juni 2015, bezüglich der sonstigen
Mantelbestimmungen bis Ende Juni 2016.
- In Verhandlungen mit der EVG für den Bereich der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) wurde ein komplett neues Eingruppierungsverzeichnis ausgehandelt. Außerdem konnte im August 2014 ein Vergütungstarifabschluss
mit einer Laufzeit von 28 Monaten bis Ende Januar 2017 erzielt werden.
- In Verhandlungen mit ver.di konnte für den Bereich der Verkehr und
Wasser GmbH (VWG) und deren Tochterunternehmen NordBus (beide
Oldenburg) im Juli 2014 ein Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 24
Monaten erzielt werden.
- Besonders kompliziert sind die Verhandlungen mit der GDL über den
BuRa-Lokomotivführertarifvertrag für den Bereich der Schienengüterverkehrsunternehmen. Hier vertritt der AGVDE seine beiden Mitgliedsunternehmen SBB Cargo und Westfälische Landes-Eisenbahn (WLE).
Die anderen vier Unternehmen, die nicht Mitglied des AGVDE geworden
sind, werden nunmehr durch einen eigenen Verhandlungsführer vertreten. Die Abstimmung zwischen den insgesamt sechs Unternehmen und
den beiden Verhandlungsführern ist schwierig und zeitraubend. In den
Verhandlungen fordert die GDL (wie bei der DB) die Reduzierung der
Arbeitszeit, die Einführung weiterer Stufen, die Erhöhung des Nachtarbeitszuschlags und die Erhöhung des Zeitzuschlags für Nachtarbeit.
Außerdem sollen nach dem Willen der GDL für den Fall der Fahrdienstuntauglichkeit Schutzregelungen eingeführt werden, wie sie kürzlich für
den Bereich der DB vereinbart wurden (mit Anspruch auf Abfindung bis
zu 24 Monatsgehältern). Die Verhandlungen stocken derzeit, weil bislang auch die Verhandlungen bei der DB über diese Forderungen nicht
abgeschlossen werden konnten. Im Dezember 2014 hat man sich auf
eine Zwischenlösung bis Ende September 2015 verständigt (Erhöhung
der Tabellenvergütungen um 3,0 %). Zusätzliche Probleme verursacht
in diesem Bereich das Nebeneinander von gemeinsamem Rahmentarifvertrag (BuRa) einerseits und ergänzenden Haustarifverträgen für jedes
einzelne der sechs Unternehmen andererseits; die GDL lässt es sich
„natürlich“ nicht nehmen, in beiden Bereich in bekannter Manier horrende Forderungen zu stellen. Den betroffenen Unternehmen ist es bislang
noch nicht gelungen, für diese Problematik eine überzeugende Lösung
zu finden.
- In Verhandlungen mit der EVG wurde im Jahr 2014 für den Bereich der
Erfurter Bahn und der Süd-Thüringen Bahn ein neues Arbeitszeitkontenmodell ausgehandelt und tarifiert. Derzeit sind für diese beiden Unternehmen die Vergütungen gekündigt. Ein Abschluss wird hier wohl
erst erzielt werden können, wenn es auch für den Bereich des Branchentarifvertrags SPNV (mit der EVG) einen Abschluss geben wird.
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- In Verhandlungen mit ver.di konnte für den Bereich der RLG-Verkehrsdienst GmbH (WVG-Gruppe, Münster) und für die VSM (Tochtergesellschaft der Stadtwerke Münster), deren Tabellenentgelte im Grundsatz
an den TV-N Nordrhein-Westfalen gekoppelt sind, insofern ein Erfolg
ausgehandelt werden, als der im öffentlichen Dienst vereinbarte Mindesterhöhungsbetrag von 90 € für 2014 nicht übernommen werden
musste, sondern man sich auf andere (aus Arbeitgebersicht besser verkraftbare) Lösungen verständigen konnte.
c) Aus dem Bereich der zahlreichen von Herrn Hänse selbständig geführten
Verhandlungen seien hier genannt:
- Die bereits in der vergangenen Berichtsperiode begonnenen Tarifverhandlungen zur Einführung eines neuen, modernen und einheitlichen
Tarifwerks (Mantel- und Entgelttarifvertrag) für die TWE-Bahnbetriebsgesellschaft, die Farge-Vegesacker Eisenbahn und die Bayerische
Cargo Bahn (alles Tochtergesellschaften der Captrain-Gruppe) konnten mit der EVG nach einer Vielzahl von Verhandlungsrunden erfolgreich abgeschlossen werden. Begleitend wurden jeweils Überleitungstarifverträge für die Arbeitnehmer der einzelnen Gesellschaften vereinbart. Zwischenzeitlich musste ein weiterer Überleitungstarifvertrag für
die Arbeitnehmer der BCB vereinbart werden, da die BCB rückwirkend
zum 01. Januar 2015 auf die TWE verschmolzen wurde.
- Für die Hörseltalbahn (Tochtergesellschaft der Captrain-Gruppe) konnten Entgelttarifverhandlungen mit der EVG erfolgreich geführt werden.
- Für die Regiobahn Bitterfeld Berlin (Tochtergesellschaft der CaptrainGruppe) konnte nach drei Verhandlungsrunden ein neuer Entgelttarifvertrag vereinbart werden.
- Für die Industriebahn-Gesellschaft Berlin (Tochtergesellschaft der Captrain-Gruppe) konnten Änderungen des Manteltarifvertrags mit der
EVG ausgehandelt werden.
- Für die Südwestdeutsche Verkehrs-Aktiengesellschaft (SWEG) konnte
mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di in mehreren Verhandlungsrunden ein Überleitungstarifvertrag erfolgreich verhandelt werden, um
den Betriebsübergang der Ortenau-S-Bahn (OSB) auf die SWEG tarifvertraglich zu regeln.
- Sehr schwierig und sehr zeitintensiv waren die mit der GDL geführten
Tarifverhandlungen für die RegioTram Gesellschaft (gemeinsames
Tochterunternehmen der HLB und der Kasseler Verkehrsgesellschaft).
Nach einer Vielzahl von Verhandlungen – unterbrochen durch Streiks –
konnte letztlich ein sehr umfassender Tarifabschluss herbeigeführt
werden, der noch unter dem Vorbehalt abschließender Redaktionsverhandlungen steht.
- 15 -
d) Herr Pütz hat in der Berichtsperiode die Vergütungstarifverhandlungen mit
ver.di für den Bereich der Regionalverkehr Köln (RVK) und für den Bereich
der Kraftverkehr Emsland (KE) zum Abschluss gebracht.
Für den Bereich der Mecklenburgischen Bäderbahn Molli konnten die Verhandlungen mit der GDL wegen deren überzogener Forderungen nicht zum
Abschluss gebracht werden; hier wurde statt dessen eine für Arbeitgeber
und Arbeitnehmer akzeptable Lösung, die bis Ende 2016 gilt, auf einzelvertraglicher Basis gefunden.
e) Frau Klahold hat in der Berichtsperiode die zeitraubenden Tarifverhandlungen mit der GDL für den Bereich der WestfalenBahn geführt. Der im August 2014 erfolgte Abschluss sieht einen sog. Teiletarifvertrag (mit den
BuRa-Regelungen in Teil A) vor. Bezüglich der Formulierung einer Reihe
von Inhalten dieses Tarifvertrags besteht allerdings noch immer kein Einvernehmen mit der GDL; die „Redaktionsverhandlungen“ dauern an. Außerdem wurde hier ein besonderer Tarifvertrag für Lokomotivführer in Ausbildung mit der GDL ausgehandelt, der bereits in Kraft getreten ist.
Frau Klahold hat außerdem am 28.04.2015 (in erster Runde) mit ver.di einen Vergütungstarifabschluss für den Bereich der Verkehrsgesellschaft
Südharz (VGS) ausgehandelt, der ab März 2015 und ab März 2016 jeweils
Vergütungserhöhungen um 2,5 % bei einer Gesamtlaufzeit von 24 Monaten vorsieht.
f)
Die vorstehende, umfangreiche Auflistung macht eindrucksvoll deutlich,
dass die Betreuung und ständige Fortentwicklung unserer nach wie vor
sehr zahlreichen firmenbezogenen Verbandstarifverträge einen starken
Schwerpunkt der AGVDE-Tätigkeit ausmacht – im Interesse einer an den
regionalen und unternehmensspezifischen Gegebenheiten orientierten Tarifpolitik! Hierfür sollten wir – gegen den politischen Trend zu teuren Einheitstarifverträgen (auf Landes- oder künftig gar Bundesebene) - im Interesse unserer Mitglieder unbedingt weiter kämpfen.
- 16 -
IV. Tariftreuegesetze der Bundesländer
Bereits auf früheren Mitgliederversammlungen habe ich mehrfach über
die in einer ständig zunehmenden Zahl von Bundesländern (insbes. „rotgrün“ regierten) auf den Weg gebrachten und mittlerweile in 14 Bundesländern (allen außer Bayern und Sachsen) in Kraft getretenen LandesTariftreuevorschriften berichtet, die sich typischerweise aus einem Tariftreuegesetz, einer dazu erlassenen Rechtsverordnung sowie Entscheidungen des zuständigen Landesministeriums über die (angeblich) „repräsentativen“ Tarifverträge in der Verkehrsbranche, unterteilt nach Busverkehr und Schienenpersonennahverkehr, zusammensetzen. Bei künftigen
Vergaben öffentlicher Personenverkehre müssen sich die anbietenden
Unternehmen danach verpflichten, „das in einem der einschlägigen und
repräsentativen … Tarifverträge vorgesehene Entgelt … zu zahlen und
während der Ausführungslaufzeit Änderungen (dieser Tarifverträge)
nachzuvollziehen“ (so z.B. § 4 Abs. 2 TVgG NRW). Allerdings unterscheiden sich die Landesvorschriften in zum Teil wichtigen Details durchaus
voneinander.
Sieht man einmal von den zahlreichen und teilweise gravierenden Auslegungsproblemen dieser oftmals unklar gefassten Vorschriften ab, so besteht ihr Kardinalmangel darin, dass allen vom zuständigen Landesministerium nicht für repräsentativ erklärten Tarifverträgen, von denen es gerade in der traditionell durch große Tarifvielfalt geprägten Verkehrsbranche sehr viele gibt, faktisch in ihrer Kernregelungskompetenz, der „Entgeltfrage“, eine fremde Tarifregelung übergestülpt wird. Dies stellt einen
sehr schweren Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie
(Art. 9 Abs. 3 GG) der betroffenen Verbände und Unternehmen dar, für
den ein hinreichender sachlicher Grund weit und breit nicht erkennbar ist,
weil es dabei angesichts des in unserer Branche üblichen Vergütungsniveaus eben nicht um die Bekämpfung von „Dumping-Löhnen“ geht.
1. Nordrhein-Westfalen
Nachdem das Land Nordrhein-Westfalen seine einschlägigen Tariftreuevorschriften im Laufe des Jahres 2012 erlassen hatte, hat das
hierfür zuständige Arbeitsministerium die nach seiner Auffassung in
NRW „repräsentativen“ Tarifverträge für die Bereich Bus einerseits
und Schiene andererseits festgelegt. Sämtliche Tarifverträge des
AGVDE, also sowohl der Flächentarifvertrag „ETV“ als auch sämtliche
firmenbezogene Verbandstarifverträge, wurden nicht für repräsentativ
erklärt.
Der AGVDE hat daraufhin, nach entsprechenden Entscheidungen
seiner Gremien, Anfang März 2013 eine Klage vor dem dafür zuständigen Verwaltungsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 6 K 2894/13)
gegen die Tariftreuevorschriften des Landes NRW erhoben. Ziel der
Klage ist es, die Verfassungswidrigkeit (Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3
GG) der uns betreffenden Vorschriften der Tariftreue-Rechtsverordnung, und inzident des dahinterstehenden Tariftreuegesetzes, feststellen zu lassen; Folge einer solchen Feststellung wäre die Nichtigkeit, d.h. Unanwendbarkeit, dieser Vorschriften.
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Unsere Klageschrift und die weiteren Schriftsätze der Jahre 2013 bis
2015 sind von uns auf den Internet-Seiten des AGVDE (unter „Aktuelles“) im Volltext zugänglich gemacht worden.
Leider muss der langwierige Verwaltungsrechtsweg durchlaufen werden, bevor wir das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen
können. Um sich vor einer uferlosen Überlastung zu schützen, verlangt das Bundesverfassungsgericht, das letztendlich über die Frage
der Verletzung des Koalitionsgrundrechts (Art. 9 Abs. 3 GG) entscheiden wird, dass ein Kläger zunächst den Rechtsweg vor den Fachgerichten (hier den Verwaltungsgerichten) vollständig ausschöpft. Erst
danach ist eine Verfassungsbeschwerde zulässig.
Genau aus diesem Grund sind auch andere Kläger (Unternehmen
aus Nordrhein-Westfalen) mir ihren direkt beim Bundesverfassungsgericht eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen das NRW-Tariftreuegesetz schon Ende 2013 gescheitert. Eine aus drei Richtern bestehende Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat
diese Verfassungsbeschwerden durch Beschluss vom 23.12.2013
(Aktenzeichen: 1 BvR 1250/13) als unzulässig zurückgewiesen (weil
eben der normale Rechtsweg zuvor nicht ausgeschöpft wurde).
Zwei Jahre nach unserer Klageerhebung hat, nach einer von uns erfolgreich bekämpften vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens
durch das Verwaltungsgericht, am 30.04.2015 endlich die mündliche
Verhandlung stattgefunden.
Nachdem das Verwaltungsgericht in den vorausgegangenen Wochen
durch mehrere Hinweisbeschlüsse recht deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass es starke Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des
NRW-Tariftreuegesetzes hat, insbesondere im Bereich des ÖPNVSPNV keinen Dumpinglöhne-Missstand erkennen kann, der vom Landesgesetzgeber mit „repräsentativen“ Tarifverträgen bekämpft werden
müsste, war der Verlauf der mündlichen Verhandlung für uns dann
doch ziemlich enttäuschend, weil das Gericht zu dieser eigentlichen
Kernfrage gar nicht vordrang.
Stattdessen hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf eine formale Hürde darin gesehen, dass unsere Mitgliedsunternehmen über ihre Gesellschafter/Aktionäre ganz überwiegend öffentlich-rechtlich dominiert
sind. Da öffentlich-rechtliche Körperschaften (Länder, Kreise, Kommunen) und von diesen mehrheitlich oder ganz beherrschte Unternehmen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nicht Träger von Grundrechten (wie Art. 9 GG) sein können, soll es
auch dem AGVDE verwehrt sein, sich auf das Grundrecht des Art. 9
Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit) zu berufen. Wir sind demgegenüber der
Auffassung, dass der AGVDE als privatrechtliche Vereinigung und
Tarifvertragspartei eigene Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG hat und geltend machen kann. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat unsere
Klage, ohne in den Urteilsgründen auf die Frage der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes einzugehen, wegen fehlender Grundrechtsfähigkeit als unzulässig abgewiesen; es hat allerdings wegen der insoweit
bislang höchstrichterlich ungeklärten Rechtslage die Berufung ausdrücklich zugelassen.
- 18 -
Nach Vorliegen des Urteils werden wir jetzt die Aussichten eines Berufungsverfahrens durch unsere Anwälte sorgfältig prüfen lassen und
dann voraussichtlich Berufung einlegen, um das Klageverfahren vor
dem Oberverwaltungsgericht Münster fortzusetzen.
Über die parallel zur Klage des AGVDE eingereichte Klage des Verbandes der Nordrhein-Westfälischen Omnibusunternehmer (NWO)
hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf bisher noch nicht entschieden.
Die eigentlich ebenfalls für den 30.04.2015 anberaumte mündliche
Verhandlung in diesem Verfahren wurde vom Verwaltungsgericht wenige Tage vor dem Termin abgesagt und ohne genaueres Datum auf
den Sommer 2015 verschoben. Das Verwaltungsgericht hat den
NWO und das Land NRW in diesem Parallelverfahren schriftlich aufgefordert, zu der in unserem Prozess zentralen Frage der Verfassungswidrigkeit des NRW-Tariftreuegesetzes schriftlich Stellung zu
nehmen; anders als wir hat der NWO primär auf Aufnahme in die Liste der repräsentativen Tarifverträge geklagt und daher die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes und der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnung sowie Verwaltungsentscheidungen bislang
noch gar nicht geltend gemacht. Dies wird der NWO jetzt im Laufe
des Monats Mai durch seinen Anwalt nachholen (und dabei weitgehend auf unsere Schriftsätze zurückgreifen können). Da der NWO
wegen seiner nicht öffentlich-rechtlich dominierten Mitgliedschaft das
Problem der Grundrechtsfähigkeit (anders als wir) nicht haben wird,
ist in dem NWO-Klageverfahren eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zur Kernfrage der Verfassungswidrigkeit des
NRW-Tariftreuegesetzes zu erwarten. Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen, dass das Verwaltungsgericht entweder
dem Bundesverfassungsgericht oder dem NRW-Verfassungsgerichtshof die Frage der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Entscheidung vorlegen wird (sog. Richtervorlage; ein „normales“ Gericht ist
nämlich nicht befugt, ein Bundes- oder Landesgesetz selbst abschließend für verfassungswidrig und damit nichtig zu erklären).
Schnelle Fortschritte sind von einem Anfang Februar 2014 bekannt
gewordenen Gerichtsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
(VerfGH) des Landes Nordrhein-Westfalen (Az.: 3/14), das der Märkische Kreis, der Kreis Paderborn und die Kreisstadt Euskirchen im
Wege der Landes-Verfassungsbeschwerde gegen § 4 Abs. 2 Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen und die dazu erlassene Verordnung erhoben haben, nicht zu erwarten, weil dieses Verfahren für Verhandlungen über einen finanziellen Ausgleich durch das
Land ausgesetzt wurde. Nach Ansicht der Antragsteller verstoßen die
Tariftreue-Regelungen gegen die Vorschriften der Landesverfassung
über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung. Sie beanstanden insbesondere, dass kein Kostenausgleich nach dem Konnexitätsprinzip (Artikel 78 Abs. 3 NRW-Landesverfassung) gewährleistet
werde.
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Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein weiteres Gerichtsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, in dem
sich eine seit längerem erwartete Entscheidung allerdings auch immer weiter hinauszögert. Das OLG (Az.: VII-Verg 30/13) entscheidet
hier in einem Vergabenachprüfungsverfahren, welches die go.on Busund Schienenverkehr GmbH gegen den Nahverkehrsverbund Paderborn/Höxter angestrengt hat. In der mündlichen Verhandlung vom
15.01.2014 hatten die Richter des OLG schon mehr als einem Jahr
ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie große Bedenken
gegen die Entscheidung des NRW-Arbeitsministers haben, im Bereich der Busverkehre lediglich den Spartentarifvertrag TV-N für repräsentativ zu erklären. Leider konnte sich das OLG damals aber
dann doch nicht dazu entschließen, eine entsprechende Entscheidung zu fällen. Auch die damalige Absicht des OLG, den Rechtsstreit
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorzulegen,
damit dieser prüfen kann, ob das NRW-Tariftreuegesetz nicht wegen
Verstoßes gegen Europarecht nichtig ist, wurde bislang nicht in die
Tat umgesetzt. Ein für Februar 2015 vorgesehener Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wurde auf den 19.05.2015 verschoben. Nach Auskunft des NWO ist derzeit nicht erkennbar, ob und
ggf. wie das OLG Düsseldorf im Anschluss an diesen Termin entscheiden wird.
Insgesamt muss man den Eindruck gewinnen, dass die mit dem
NRW-Tariftreuegesetz befassten Gerichte sich nicht gerade darum
reißen, die notwendigen Entscheidungen zügig zu treffen. Dies dürfte
nicht zuletzt auf die politische Brisanz dieser Verfahren zurückzuführen sein, deren Ergebnis ja nicht nur Auswirkungen für NordrheinWestfalen, sondern auch für die ähnlichen Tariftreuegesetze der anderen Bundesländer hätten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die NRW-Tariftreuevorschriften und ihre praktische Anwendung unter massives juristisches
Feuer geraten sind und es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass diese
Vorschriften und ihre Handhabung von den Gerichten sehr kritisch betrachtet werden. Die Mühlen der Justiz mahlen aber bekanntlich ziemlich langsam, so dass es bis zu einer endgültigen Entscheidung all
dieser Gerichtsverfahren möglicherweise noch mehrere Jahre dauern
wird. Dieser lange Schwebezustand ist natürlich sehr unbefriedigend.
Sofern Mitgliedsunternehmen in neuen Vergabeverfahren mit der Tariftreue-Verpflichtung konfrontiert werden, sollte dies unter Hinweis
auf die Verfassungswidrigkeit und Europarechtswidrigkeit unverzüglich gerügt werden und, sofern die Rüge keinen Erfolg hat, der Weg
eines Vergabenachprüfungsverfahrens beschritten werden. Im Hinblick auf die zu erwartenden Entscheidungen des OLG Düsseldorf
und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf dürften die Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens nicht schlecht sein.
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2. Niedersachsen
Bereits zum Jahresbeginn 2014 ist das Niedersächsische Tariftreueund Vergabegesetz vom 31.10.2013 (Nds. GVBl. 2013, Seite 259) in
Kraft getreten, das für die Neuvergabe öffentlicher Aufträge im Bereich des ÖPNV/SPNV u.a. Tariftreueerklärungen von anbietenden
Verkehrsunternehmen verlangt. Nach dem Gesetz dürfen nunmehr
Vergaben nur noch an Unternehmen erfolgen, wenn das anbietende
Unternehmen (Auftragnehmer) sich verpflichtet, sog. repräsentative
Tarifverträge anzuwenden.
Auf der Basis des Tariftreuegesetzes hat das Land Niedersachsen
sodann eine „Verordnung zu § 5 Abs. 4 und § 6 Abs. 2 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes“ erlassen, in der das
Verfahren für die Feststellung, welche Tarifverträge als „repräsentativ“
für den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Straße und
Schiene anzusehen sind, festgelegt ist. Nach dieser Verordnung trifft
das für Arbeitsrecht zuständige Ministerium die entsprechende Feststellung und beteiligt dabei (spätestens ab 2015) einen hierfür berufenen ehrenamtlichen Beirat, der mit 5 Gewerkschafts- und 5 Arbeitgeberverbandsvertretern besetzt ist. An die Empfehlungen des Beirats
ist das Ministerium aber nicht gebunden.
Auf der Basis dieser Verordnung (ohne Beteiligung des noch nicht
gebildeten Beirats) hat sodann das Niedersächsische Ministerium für
Wirtschaft, Arbeit und Verkehr eine „Liste der repräsentativen Tarifverträge des öffentlichen Personenverkehrs“ veröffentlicht. Für den
Verkehr auf der Straße wurde ausschließlich der TV-N Niedersachsen
für repräsentativ erklärt. Für den Verkehr auf der Schiene wurden nur
der Branchentarifvertrag SPNV (EVG), der BuRa-LfTV (GDL) sowie
Lokomotivführer-Tarifverträge des DB-Konzerns für repräsentativ erklärt. Die Situation ähnelt auffällig der in Nordrhein-Westfalen.
Die Tarifverträge des AGVDE wurden demgegenüber nicht für repräsentativ erklärt. Dies gilt sowohl für unseren bundesweit (also natürlich auch in Niedersachsen) geltenden Flächentarifvertrag „ETV“ als
auch für alle firmenbezogenen Verbandstarifverträge, die jeweils nur
für ein bestimmtes Mitgliedsunternehmen gelten.
Alle Bemühungen des AGVDE, die weitere problemlose Anwendbarkeit der AGVDE-Tarifverträge im Land Niedersachsen sicherzustellen,
waren von Anfang an aussichtslos. Schon während des Gesetzgebungsverfahrens war überdeutlich, dass das gesamte Vorhaben der
rot-grünen Landesregierung eine völlig einseitige politische Ausrichtung hatte, die allein den Interessen der Gewerkschaften einerseits
und des DB-Konzerns bzw. im Bereich der Busverkehre der TV-NAnwender andererseits diente. Die von uns mehrfach schriftlich vorgetragenen rechtlichen Bedenken wurden ignoriert.
Vorsorglich haben wir uns in dem Schreiben vom 29.10.2013 aber
auch bereit erklärt, in dem vorgesehenen Tariftreue-Beirat mitzuwirken. Zugleich haben wir beanstandet, dass der Beirat bei der erstmaligen Feststellung repräsentativer Tarifverträge noch nicht mitwirken
sollte.
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Der Niedersächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat,
unserem Vorschlag entsprechend, sodann mit Urkunde vom 10.04.
2014 den Verbandsgeschäftsführer Dr. Ackmann zum ordentlichen
Mitglied des Tariftreue-Beirats und Frau Ass. jur. Klahold zum stellvertretenden Mitglied des Tariftreue-Beirats für die Zeit von Mai 2014 bis
April 2017 berufen.
Den Antrag des AGVDE vom 06.05.2014, sämtliche in Niedersachsen
geltenden AGVDE-Tarifverträge (ETV und firmenbezogene Verbandstarifverträge) in die Liste der „repräsentativen“ Tarifverträge aufzunehmen, hat der Tariftreue-Beirat in seiner ersten Sitzung am 03.06.
2014 – angesichts seiner Zusammensetzung erwartungsgemäß – mit
großer Mehrheit abgelehnt. Eine förmliche Ablehnungsentscheidung
durch das zuständige Ministerium ist allerdings nie ergangen.
Für den Fall, dass das Arbeitsministerium unseren Antrag formell ablehnen sollte, bliebe für den AGVDE als Verband nur der Rechtsweg
zu den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen (analog zu unserem
Vorgehen in Nordrhein-Westfalen). Der Gesamtvorstand des AGVDE
hatte bereits in seiner Sitzung am 25.02.2014 auf Vorschlag des Verbandsgeschäftsführers den Weg für eine solche Klage in Niedersachsen freigemacht. Die Klage soll aber natürlich vom AGVDE nur erhoben werden, wenn die betroffenen Mitgliedsunternehmen in Niedersachsen dies auch wünschen. Alternativ oder kumulativ könnte sich
ein Vergabenachprüfungsverfahren durch ein konkret betroffenes niedersächsisches Verbandsmitglied anbieten, das über die Vergabekammer dann zum Oberlandesgericht führt und möglicherweise
schneller ein Ergebnis erbringt als der Verwaltungsrechtsweg (vgl. die
Erfahrungen in NRW).
Bislang hat der AGVDE in Abstimmung mit dem VDV-Landesvorsitzenden von Niedersachsen (Herr Berends, Bentheim) auf die Erhebung einer Klage verzichtet. Solange kein AGVDE-Mitgliedsunternehmen in Niedersachsen konkret negativ von der Anwendung des Tariftreuegesetzes betroffen ist, soll zunächst der Ausgang der verschiedenen Klageverfahren in Nordrhein-Westfalen abgewartet werden.
3. Schleswig-Holstein
Ähnlich stellt sich seit kurzem auch die Situation in Schleswig-Holstein dar, wo unsere Tarifverträge ebenfalls nicht in die Liste der „repräsentativen“ Tarifverträge aufgenommen wurden; der AGVDE wurde dort auch nicht im Tariftreue-Beirat berücksichtigt. Nicht einmal eine Anhörung bzw. Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme wurde
unserem Verband in dem dort sehr überhasteten Verfahren gewährt.
Betroffen sind in Schleswig-Holstein unsere Mitgliedsunternehmen
AKN (firmenbezogene Tarifverträge mit EVG und GDL), VK Plön
(ETV/ETV neu) und NEG (ETV mit Zusatztarifvertrag). Auch hier soll
vor weiteren Schritten zunächst der Ausgang der Klageverfahren in
Nordrhein-Westfalen abgewartet werden.
- 22 -
4. Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg, wo sechs AGVDE-Mitgliedsunternehmen mit
insgesamt ca. 1.800 Arbeitnehmern betroffen sind, auf die ganz überwiegend der Flächentarifvertrag „ETV“ Anwendung findet, gilt das
Landestariftreuegesetz vom 16.04.2013 in Verbindung mit einer Verordnung des Sozialministeriums zur Feststellung der repräsentativen
Tarifverträge vom 20.06.2013.
Auf der Basis dieser Vorschriften und nach Beteiligung des dafür vorgesehenen Beirats, der sich aus 5 Gewerkschafts- und 5 Arbeitgeberverbandsvertretern (inkl. eines Vertreters des AGVDE, nämlich Dr.
Ackmann bzw. im Vertretungsfall Jaeger-Beschorner) zusammensetzt, hat das an die Beschlüsse nicht gebundene Sozialministerium
im November 2013 die „Liste der repräsentativen Tarifverträge im
ÖPNV (Straße und Schiene)“ bekannt gemacht (GABl 2013, S. 552
ff.), die als Verwaltungsvorschrift am 28.11.2013 in Kraft getreten ist
und am 30.11.2020 wieder außer Kraft tritt.
Obwohl eine große Mehrheit des Beirats nach heftigen Diskussionen
den „ETV“ des AGVDE weder für den Bereich Schiene noch für den
Bereich Straße als repräsentativ anerkennen wollte, hat das an dieses Votum nicht gebundene Sozialministerium den „ETV“ für den Bereich Schiene in die Liste der repräsentativen Tarifverträge aufgenommen.
Für den Bereich Straße ist dies hingegen nicht geschehen, da nicht
genug Arbeitnehmer aus diesem Bereich (grundsätzlich sind 15 % erforderlich) unter den „ETV“ fallen. Der AGVDE und seine badenwürttembergischen Mitgliedsunternehmen, die Busverkehr betreiben,
können damit jedoch leben, weil neben dem baden-württembergischen TV-N für kommunale Unternehmen auch der Tarifvertrag des
privaten Omnibusgewerbes von Baden-Württemberg (WBO) im Bereich Straße für repräsentativ erklärt wurde; dies unterscheidet die
Lage in Baden-Württemberg entscheidend von der Lage in NRW und
Niedersachsen, wo die jeweiligen Tarifverträge des privaten Omnibusgewerbes nicht anerkannt wurden. Da das Tarifniveau des WBOTarifs in Baden-Württemberg für Busfahrer nicht über dem ETV-Bezahlungsniveau unserer Mitglieder in Baden-Württemberg liegt, entsteht aus einer Verpflichtung zur Tariftreue keine materielle Mehrbelastung, wenn man von der Lästigkeit eines regelmäßigen Tarifniveauvergleichs zwischen WBO und ETV (für Busfahrer) absieht.
Wir haben deshalb auch keine Veranlassung gesehen, gegen die Entscheidung des baden-württembergischen Sozialministeriums gerichtlich vorzugehen.
Die für den 18.09.2014 einberufene nächste Sitzung des „TariftreueBeirats“ hat das Sozialministerium seinerzeit auf Bitte der DB-Vertreter abgesagt, weil die Verhandlungen der DB mit EVG und GDL
noch liefen. Da dies bekanntlich noch immer der Fall ist, wurde bislang auch kein neuer Termin für eine Sitzung des baden-württembergischen Tariftreue-Beirats angekündigt. Mit einer Sitzung im 2.
Halbjahr 2015 ist aber zu rechnen. Diesen wichtigen Termin wird
dann der Verbandsgeschäftsführer Dr. Ackmann wahrnehmen.
- 23 -
V. Anmerkungen zur aktuellen Lage der Pensionskasse Deutscher
Eisenbahnen und Straßenbahnen (PKDES)
Viele AGVDE-Mitgliedsunternehmen sind an der Pensionskasse
(PKDES) „beteiligte Arbeitgeber“; vielfach ergibt sich dies schon aus der
tarifvertraglichen Verpflichtung des § 6 ETV; in anderen Fällen wurde die
Abteilung Z 2002 der PKDES als Durchführungsweg für die Entgeltumwandlung mit oder ohne Arbeitgeberleistung gewählt.
Hier zunächst die guten Nachrichten:
Aktuell besteht für die an der PKDES beteiligten Arbeitgeber kein Anlass
zur Sorge. Denn unsere PK hat im Geschäftsjahr 2014 mit einer Durchschnittsrendite von 3,60 % auf das Gesamtanlagevermögen (600 Mio. €)
ein unter den gegebenen Bedingungen sehr respektables Ergebnis erzielen können. Zugleich sind in 2014 die stillen Reserven in den Vermögensanlagen der Kasse aufgrund des erneuten Rückgangs des allgemeinen
Zinsniveaus an den Rentenmärkten von 26 Mio. € auf 52 Mio. angestiegen, so dass diese jetzt fast 9 % des Bilanz-Buchwerts der Vermögensanlagen ausmachen. Der in den letzten 14 Tagen überraschend starke
Wiederanstieg des Zinsniveaus (z.B. bei 10-jährigen Bundesanleihen von
0,07 auf 0,60 %) zeigt allerdings, wie schnell diese stillen Reserven in
den festverzinslichen Wertpapieren auch wieder „verschwinden“ können.
Angesichts des seit vielen Jahren extrem niedrigen Zinsniveaus für solide
festverzinsliche Wertpapiere dürfte eine durchschnittliche Jahresrendite
von 3,4 bis 3,5 % für die Jahre 2015 und 2016 realistisch sein. Dieser
realistische Erwartungswert liegt nur relativ knapp über dem durchschnittlichen Garantiezins für die Versicherungsverträge der PKDES (derzeit
3,35 % bei nur sehr langsam sinkender Tendenz, da nur für neue Versicherte (seit 2007) und deren Beiträge der niedrigere Garantiezins von
2,25 % gilt). Daraus wird deutlich, dass das in den stillen Reserven liegende „Polster“ zukünftig in ungünstig verlaufenden Geschäftsjahren
durchaus gebraucht werden könnte und nicht etwa zur Verteilung an die
Versicherten bereit steht.
Für die Solidität unserer Pensionskasse (selbst in diesen schwierigen Zeiten) spricht übrigens auch, dass sie trotz der problematischen Rahmenbedingungen die als „Sicherheitspolster“ gesetzlich vorgeschriebene Solvabilitätsrücklage (immerhin fast 25 Millionen €) voll gebildet hat, und zum
Stichtag 31.03.2015 erneut alle vier Varianten der von der Aufsichtsbehörde (BaFin) vorgeschriebenen „Stress-Tests“ bestanden hat.
Nun zu einigen Problemen:
Das derzeit ultra-niedrige Zinsniveau macht die Neuanlage frei werdender
Vermögenswerte (in 2015 sind das gut 70 Mio. €) zu Bedingungen, die
den Garantiezins mittel- und längerfristig sicherstellen, extrem schwierig,
wenn nicht sogar unmöglich. Jedenfalls müssen alle institutionellen Investoren immer höhere Risiken eingehen, um ihre Garantiezinsverpflichtungen auch mittel- und langfristig noch erfüllen zu können. Die sich daraus
ergebenden Verlustgefahren sind ebenso unverkennbar wie leider unvermeidlich.
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In Anbetracht der Einstandspflicht der Arbeitgeber für die erteilten Altersversorgungszusagen, über die ich an dieser Stelle in den beiden Vorjahren eingehender berichtet habe, versucht der Vorstand der PKDES natürlich, die Risiken so klein wie eben möglich zu halten. Nahezu risikolose
Renditen gibt es aber längst nicht mehr – eher schon (nahezu) renditelose Risiken.
Sollten die Zinsen nicht bald wieder deutlich steigen, wird der Vorstand
der PKDES voraussichtlich spätestens im Jahr 2016 Beschlüsse herbeiführen müssen, durch welche die Garantieverzinsung für ab dem 01.01.
2017 neu begründete Versicherungsverhältnisse von derzeit noch 2,25 %
auf vermutlich 1,00 % abgesenkt wird; für Ende 2016 bereits bestehende
PK-Versicherungsverhältnisse wird das natürlich nicht gelten.
Ein erhebliches zusätzliches Haftungsrisiko für die an der PKDES beteiligten Arbeitgeber wird infolge einer bereits in Vorbereitung befindlichen
Änderung des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG), die noch in diesem
Jahr in Kraft treten soll, wohl nicht zu Buche schlagen. Durch diese Gesetzesänderung sollen die Auswirkungen von zwei kürzlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 30.09.2014,
Az: 3 AZR 317 u. 318/12) beseitigt werden. Über diese BAG-Entscheidungen zur Anpassungspflicht von Arbeitgebern, die Altersversorgungszusagen über eine regulierte Pensionskasse gemacht haben, hat die
PKDES kürzlich mit ihrem Rundschreiben Nr. 350 vom 28.04.2015 eingehend berichtet. Ich möchte auf diese brisante Problematik deshalb hier
nicht näher eingehen, zumal der Gesetzgeber sie kurzfristig lösen will.
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VI. Sonstige Aktivitäten der Verbandsgeschäftsstelle
Mit unseren regelmäßigen Rundschreiben haben wir Sie auch in den letzten
12 Monaten ständig über viele Entwicklungen in der arbeits- und sozialrechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung unterrichtet. Dass die Arbeitgeber
im Bereich des Arbeitsrechts von der Großen Koalition wenig Gutes zu erwarten haben, dürfte bereits deutlich geworden sein.
Leider gilt dies oftmals auch für die höchstrichterliche Rechtsprechung, über
die wir insbesondere in unserem arbeitsrechtlichen Fortbildungsseminar eingehend berichten (die entsprechenden Referate stehen allen Mitgliedern auf
den mitgliederinternen Internetseiten des AGVDE zur Verfügung!).
Ende Oktober 2014 haben wir, dieses Mal in Köln, wieder ein zweitägiges arbeitsrechtliches Fortbildungsseminar für 50 Teilnehmer/innen aus unseren
Mitgliedsunternehmen veranstaltet. Die sehr aktuellen Seminarthemen und
die auch schriftlich ausformuliert vorgelegten Referate sind wieder auf reges
Interesse gestoßen. Im Jahr 2015 werden wir erneut eine entsprechende Veranstaltung durchführen, und zwar am 11./12. November 2015 in Würzburg.
Viele Mitglieder unseres Verbands haben auch im vergangenen Jahr von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, uns mit der Prozessvertretung vor den Arbeitsgerichten zu beauftragen, die wir auch in den 39 neuen Verfahren des
Jahres 2014 gerne und in den allermeisten Fällen mit gutem oder wenigstens
recht gutem Ergebnis übernommen haben.
Damit komme ich zum Ende meines Geschäftsberichts. Allen Mitgliedern und
Verbandsorganen möchte ich den Dank der Geschäftsstelle für die auch im
Jahr 2014/2015 stets vertrauensvolle Zusammenarbeit aussprechen.
Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Geschäftsstelle, Herrn
Jaeger-Beschorner, Herrn Hänse, Herrn Pütz, Frau Klahold, Frau Walter und
Frau Kanski, möchte ich auch in diesem Jahr wieder für ihre große Einsatzbereitschaft und Flexibilität und die im jeweiligen Aufgabenbereich geleistete optimale Arbeit herzlich danken!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle
und ich hoffen auch in den kommenden zwölf Monaten auf eine stets gute
und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ihnen allen.
Vielen Dank !
Dr.A.
08.05.2015