Position des DEHOGA NRW zur Einführung von Pflichtgebühren bei

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STELLUNGNAHME
16/2681
A18, A17
Position des DEHOGA NRW zur Einführung von Pflichtgebühren
bei amtlichen Regelkontrollen der Lebensmittelüberwachung
Stand 190313
Der DEHOGA NRW hält eine geplante Verordnung des Landes NRW zur Einführung von
Pflichtgebühren für amtliche Regelkontrollen (nach der Revision der Verordnung (EG)
882/2004) für unzulässig bzw. rechtwidrig.
Wir werden in unserer eigenen Anschauung durch ein Rechtsgutachten des DEHOGA
Bundesverband gestützt, das bereits im Mai 2014 die Verfassungsmäßigkeit der
Gebührenerhebung für nicht anlassbezogene Lebensmittelkontrollen ebenfalls verneinte:
1) Unzulässigkeit/Rechtswidrigkeit
Lebensmittelüberwachung ist Daseinsvorsorge
Im Gegensatz zu bereits heute gebührenpflichtigen Leistungen der Lebensmittelüberwachung wie Betriebszulassungen, amtlichen Bescheinigungen, Veterinärdienstleistungen oder Fleischuntersuchungen handelt es sich bei der Regelüberwachung um eine originär hoheitliche Aufgabe des Staates im Rahmen der
Daseinsvorsorge. Sie geschieht im öffentlichen Interesse und in der Verantwortung
des Staates und ist daher keine Dienstleistung der Überwachung für die
Lebensmittelwirtschaft. Aus diesem Grund bleibt die Regelüberwachung im Rahmen
der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und muss durch Steuern und nicht
etwa durch Gebühren finanziert werden. Vergleichbar ist eine Regelkontrolle im
Bereich der Lebensmittelüberwachung mit einer Polizeikontrolle im Straßenverkehr.
Absurd erscheint die Vorstellung, dass ein Autofahrer, der sich vorschriftsmäßig
verhält, eine pauschale „Kontrollgebühr“ an die Polizei entrichten muss, weil die „ja
auch bezahlt“ werden muss.
Das Verursacherprinzip
Eine Finanzierung von nicht Anlass bezogenen Regelkontrollen durch Pflichtgebühren ist auch im Hinblick auf das Verursacherprinzip nicht angemessen. So gilt
der Grundsatz, dass eine Kontrolltätigkeit nur dann gebührenpflichtig ist, wenn sie
kausal und zurechenbar ist. Der Kontrollierte darf also erst dann zum
Gebührenschuldner werden, wenn diesen eine Finanzierungsverantwortlichkeit trifft.
An einer solchen fehlt es aber gerade bei nicht anlassbezogenen Regelkontrollen, die
folglich regelmäßig zu Lasten derjenigen Betriebe gehen würden, die überhaupt
keinen Grund zur Beanstandung geben.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Darüber hinaus hielte eine Kostenerhebung für Routinekontrollen einer
verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dies gilt im Hinblick auf die
Grundrechte, insbesondere die Art. 14 Abs. 1 GG und Artikel 12 Abs. 1 GG. Im
Wesentlichen verstieße eine Regelung zudem gegen den aus dem
Rechtstaatsprinzip von Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) zu entnehmenden
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Erhebung von Gebühren für amtliche
Regelkontrollen ist weder erforderlich noch angemessen, der kontrollierte
Lebensmittelunternehmer hat insoweit keine Ursache gesetzt, auch ist er schon
durch die Zahlung von Gewerbesteuern und andere Steuern, mit denen er die
erforderliche Infrastruktur mitfinanziert, sowie durch Kosten für Eigenkontrollen (hier
hat insbesondere der DEHOGA Bundesverband eine Leitlinie für eine gute
Hygienepraxis in der Gastronomie herausgegeben), belastet.
2) Ermächtigungsgrundlage
Nach der Revision der Verordnung (EG) 882/2004 in der Fassung des Entwurfs vom
06. Mai 2013 verpflichteten die dort verankerten Grundsätze die Mitgliedstaaten zur
obligatorischen Finanzierung der amtlichen Kontrollen allein über Gebühren; sowohl
für routinemäßige amtliche Kontrolltätigkeiten, als auch für alle darüber
hinausgehenden amtlichen Kontrollen oder solche im amtlichen Auftrag (Artikel 76
Abs. 2 und 3). Nach diesseitigem Kenntnisstand wurde dieser Entwurf, der unter
italienischer Ratsherrschaft diskutiert wurde, verworfen.
Grundsätzlich lehnt der DEHOGA NRW Maßnahmen der Verwaltungsvereinfachung
und der Kosteneinsparung der öffentlichen Hand auf dem Rücken rechtskonform
arbeitender Lebensmittelunternehmen ab. Der DEHOGA NRW fordert daher die
Beibehaltung der grundsätzlichen Möglichkeit, auch steuerlich erhobene Mittel zur
Finanzierung der amtlichen Kontrollen einzusetzen.
Auch dient der neue Ansatz der Verordnung nach Ansicht des DEHOGA NRW in
erster Linie dazu, aus Verbraucherschutzgründen allen EU-Ländern zu oktroyieren,
ein funktionierendes Kontrollsystem zu installieren und durch Gebühren zu
finanzieren. Adressat sollen dabei aber Länder sein, die im Gegensatz zu
Deutschland, gerade nicht über ein bestehendes hoch funktionales System verfügen.
3) Nähere Informationen zu einer Gebühren-Staffel
In den Überlegungen der Landesregierung ist die Rede von einer GebührenStaffelung, die (weitestgehend) kostendeckend sein und sich an der
Leistungsfähigkeit der Unternehmen orientieren soll. Nähere Informationen hierzu
liegen uns genauso wenig vor wie zur Frage, was eigentlich genau testiert werden
soll und wie die finanzielle Mehrbelastung tatsächlich ausfallen würde.
Unter der Annahme, dass eine Spreizung zwischen 200 – 1.000 Euro je nach Größe
des Betriebes möglich erscheint, muss von einer empfindlichen, weil zusätzlichen
Belastung ohne weiteres gesprochen werden.
4) Abschließende Bemerkung
Neben den aufgezeigten rechtlichen Bedenken stellt sich die Frage, was mit der
Einführung der Gebührenpflicht für Regelkontrollen bezweckt werden soll:
- Geht es darum, bestehende Löcher im Haushalt auf diese Art und Weise zu
stopfen? Das würde bedeuten, dass die Regierung in Kauf nähme, die Belastung
nordrhein-westfälischer Betriebe weiter zu erhöhen. Die einzelne „Maßnahme“
-
wäre zu vernachlässigen, allerdings ergibt eine Gesamtschau der staatlich
veranlassten Belastungen der letzten Jahren – exemplarisch seien hier die
zusätzlichen Dokumentationspflichten im Rahmen des Mindestlohns und die
Allergenkennzeichnungspflicht genannt – dass das „Fass voll“ und die Grenze der
Belastbarkeit erreicht ist.
Falls das Land NRW beabsichtigen sollte, neue Prüfkapazitäten aufzubauen,
stellt sich die Frage, wofür. Legt man die Ergebnisse des Pilotprojekts
„Kontrollbarometer (Hygieneampel)“, das in den Städten Duisburg und Bielefeld
durchgeführt wird, zu Grunde, liegen weit mehr als 90 Prozent der kontrollierten
gastgewerblichen Betriebe im optimalen, sprich im „grünen“ Bereich. Daraus lässt
sich zweifelsohne erkennen, dass eine kostenintensive Ausweitung der
Prüfkapazitäten schlicht und ergreifend unnötig wäre, weil Nordrhein-Westfalen
über ein weitgehend hoch funktionales Kontrollsystem verfügt.
Vorgenannte Überlegungen hat der DEHOGA NRW Anfang Dezember im Hause des
nordrhein-westfälischen Handwerkstages im Übrigen mit Vertretern der IHKVereinigung NRW, des rheinischen Bäckerhandwerks, des Fleischerverbandes NRW,
des Unternehmerverbandes Handwerk NRW und des WKHT diskutiert.
Die generelle Einführung von Pflichtgebühren auch für die sogenannte „amtliche
Regelkontrolle“ in den Unternehmen wird von Seiten der Lebensmittelwirtschaft
insgesamt strikt abgelehnt.
Es wurde einvernehmlich die Überzeugung gewonnen, dass der überwachende
allgemeine Gesetzesvollzug und damit die generelle Einhaltung des Lebensmittelrechtes im öffentlichen Interesse aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren ist.
Verwiesen sei insbesondere auf die Gewerbesteuer, über die die erforderliche
Infrastruktur bereits mitfinanziert ist.
Neuss, 19.03.2015, MO