Brief an die Rostocker

„Man darf ja auch heute nicht seine Meinung sagen in Deutschland. Versuchen Sie das doch mal!
Ein Schritt vom Wege, und Sie sind erledigt.“
Walter Kempowski, 2007
An die freien Bürger der Hansestadt Rostock
Mit großem Befremden haben wir den Beschluss des Hauptausschusses der
Rostocker Bürgerschaft über die fristlose Entlassung des Intendanten des Rostocker
Volkstheaters, Sewan Latchinian, zur Kenntnis genommen.
Wir sehen darin ein alarmierendes und kulturpolitisch nicht hinnehmbares Signal. Wir
hoffen sehr, dass die Rostockerinnen und Rostocker bei ihrer Haltung des Protests
und des offenen Widerstandes gegen diese (historisch nicht ganz unbekannte) Praxis
des Absetzens von unbequemen und kritischen Köpfen bleiben.
Die fristlose Kündigung steht in keinem Verhältnis zu den Äußerungen Latchinians
oder seiner Haltung gegenüber den drohenden Spartenschließungen am Volkstheater.
Das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, beschränkt sich nicht nur auf die
Hansestadt Rostock, sondern wirkt auf die gesamte kulturelle Landschaft der
Bundesrepublik und verstärkt die gefährliche Tendenz des Kulturabbaus aus
Sparzwängen.
Das wird sich rächen an unseren Kindern und Kindeskindern, darüber herrscht
weitgehend Einigkeit. Lassen wir das nicht zu. Zeigen sie, dass sie als Bürger der
Stadt diesen Beschluss ihrer Bürgerschaft nicht akzeptieren.
Im Namen des Ensembles und mit herzlichen Grüßen von der Elbe an die Warnow,
Cornelia Crombholz
Schauspieldirektorin
Theater Magdeburg