PARITÄTinform - Paritätischer Landesverband Baden

PARITÄTinform
Baden-Württemberg | März 2015
Gelebte Inklusion
Landeskampagne will Öffentlichkeit sensibilisieren
Pflegestärkungsgesetz – erste Stufe der Pflegereform
E 13795
ISSN 2198-9575
Inhalt
Dazugehören
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SOZIALPOLITIK
· Gelungene Gratwanderung –
Das neue PsychKHG ist in Kraft getreten
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MITGLIEDERVERSAMMLUNG
· Wertedialog und Neuwahl des Aufsichtsrats
· Interview mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden
Dr. Günther Petry
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LANDESVERBAND
· Die GlücksSpirale förderte in 2014 eine Vielzahl
sozialer Projekte
· Partnerschaft zwischen Steuerung und Subsidiarität
Zum Verhältnis von öffentlicher und freier Jugendhilfe
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SCHWERPUNKT INKLUSION
· PARITÄTISCHER beteiligt sich mit Aktivitäten
an Inklusionskampagne des Landes
· Inklusive Erwachsenenbildung bei der Lebenshilfe
· Mehr Teilhabe durch selbstständige Nutzung des
Öffentlichen Nahverkehrs
· Netzwerk für inklusive Freizeit- und Bildungsangebote
· Neue Perspektiven: Kurse für Inklusionsbegleiter
sollen Berührungsängste abbauen
· Bewegende filmische Einblicke in das
inklusive Tanzprojekt Carmina
· Barrierefreie Ziele auf der Schwäbischen Alb
im Freizeitführer Erfahrbar
· Inklusion beim von der FreiwilligenAgentur
organisierten Freiwilligentag
· Lebenshilfe Heidelberg plant ein „Büro für Leichte Sprache“
· Fachstelle für Inklusion
Auf dem Weg in eine geregelte Schullaufbahn
Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg beteiligt
sich an der vom Land Baden-Württemberg initiierten Kampagne „DUICHWIR – Alle Inklusive“. Ziel
der auf ein Jahr angelegten Kampagne ist es, den Menschen
die Bedeutung von Inklusion näher zu bringen und das Thema
nachhaltig im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Gemeinsam mit vielen Kooperationspartnern und Multiplikatoren
soll ein möglichst breites öffentliches Echo erzielt und der Inklusionsgedanke in die Lebensbereiche der Menschen vor Ort
getragen werden.
Beginnend mit dem 5. Mai, dem Europäischen Gleichstellungstag für die Rechte von Menschen mit Behinderung, wird sich
der PARITÄTISCHEN in der Zeit bis zum 23. Mai 2015 mit zahlreichen regionalen Aktionen und Veranstaltungen, getragen
von seinen Regionalgeschäftsstellen und Mitgliedsorganisationen vor Ort, auf die Situation von Menschen mit Behinderung
aufmerksam machen und sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben
können. Zur Einstimmung präsentieren wir in dieser Ausgabe
von PARITÄTinform neben einem Ausblick auf die geplanten
verbandlichen Aktivitäten einige gelungene lokale Beispiele
gelebter Inklusion.
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PFLEGE
· Pflegereform beschlossen –
Was bringt das erste Pflegestärkungsgesetz?
· Familienpflegezeitgesetz –
Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf?
· Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege
· Fachtagung des PARITÄTISCHEN und des DRK
zur Landesheimbauverordnung
· Anthropos: Betreuung statt Entmündigung
Dieser Inklusionsprozess, der sich auf alle Bereiche des Lebens
wie barrierefreies Wohnen und Nachbarschaft, Arbeit, Schule,
Freizeit, Kultur und Sport sowie Mitbestimmen erstreckt, kann
nur vor Ort vorangebracht und erfolgreich umgesetzt werden.
Die damit verbundene, politisch gewollte Konzentration auf
überschaubare, gemeinwesenorientierte Unterstützungsangebote bringt aber auch Probleme mit sich. Wir begrüßen und
unterstützen diesen Umbauprozess ausdrücklich. Gleichwohl
müssen wir darauf achten, dass bestehende, bewährte Einrichtungs- und Betreuungsstrukturen nicht gefährdet, sondern in
diesen Wandlungsprozess miteinbezogen werden. Ein Monitoring zur Begleitung des Umsetzunsprozesses könnte, wie vom
PARITÄTISCHEN angeregt, diesen Prozess fördern und zu seinem Gelingen beitragen.
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TAGUNGEN
· Wirtschaft & Soziales =
Gemeinsam Verantwortung übernehmen (CSR)
· Fachtagung zu Entwicklungen in der
F rauenhaus- und Frauenberatungsarbeit
· Projekt: Konzept eines Beratungszentrums für
von häuslicher Gewalt betroffener Familien
Last but not least berichten wir in diesem Heft auch über unsere Mitgliederversammlung vom 6. Februar 2015. Mit der Wahl
des Aufsichtsrats konnte die Neustrukturierung des Verbandes
erfolgreich fortgesetzt werden. Dem neuen Gremium gehören
erstmals eine satzungsmäßig festgeschriebene gleich große
Zahl von Frauen und Männer sowie eine Betroffenenvertreterin
und ein Betroffenenvertreter an.
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WEITERBILDUNG
· Neues zweisemestriges Kontaktstudium Gerontologie
für Quereinsteiger
· Systemische Beratung: berufsbegleitende Akademische
Weiterbildung zertifiziert
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AKTUELLES RECHT
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IMPRESSUM
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Hansjörg Böhringer
Vorstandsvorsitzender
Sozialpolitik
Gelungene Gratwanderung
Das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG ist in Kraft getreten
STUTTGART Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg ist mit rund 85 Mitgliedsorganisationen im Bereich der Sozialpsychiatrie in allen Landkreisen präsent. Sie sind tätig im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich und bieten
Leistungen für ganz verschiedene Lebenssituationen und in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen an. Von dem am
12. November 2014 beschlossenen Gesetz, das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten
(Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG), das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, sind eine Reihe von Mitgliedsorganisationen direkt oder indirekt tangiert. Albrecht Hegener, Kernteamleitung Hilfen für Menschen mit Behinderung
im PARITÄTISCHEN, fasst nachfolgend seine Neuerungen und Chancen, aber auch Limitierungen zusammen.
Schon Ende der neunziger Jahre hatte die Liga der freien
Wohlfahrtspflege den Versuch unternommen, ein Psychiatriegesetz für Baden-Württemberg auf den Weg zu bringen und
dazu entsprechende Eckpunkte vorgelegt, die aber leider damals nicht von der Politik aufgegriffen wurden. Beim neuen
PsychKHG sind in erster Linie Teil 1 und 2 für die Sozialpsychiatrie relevant. Hier finden sich die Regelungen zu den sozialpsychiatrischen Diensten, den gemeindepsychiatrischen Verbünden, den Patientenfürsprechern/-innen, der Ombudsstelle, dem
Landesarbeitskreis Psychiatrie und dem Landespsychiatrieplan.
Gleichwohl dürfte auch Teil 3 mit Regelungen zur Unterbringung zukünftig eine Rolle spielen. Teil 4 betrifft den Maßregelvollzug, vor allem an der Schnittstelle bei der Beendigung einer
Maßnahme und im Übergang zum „normalen“ Leben.
Ziele und Grundausrichtung des Gesetzes
Grundsätzlich will das PsychKHG mit seinen Hilfen Ergänzung
zu bestehenden Rechtsvorschriften anderer relevanter Sozialgesetzbücher sein. Es setzt auf Freiwilligkeit der Hilfen und Angebote, Zwang soll lediglich als Ultima Ratio angewendet werden. Entlang den Forderungen der UN-BRK findet die Orientie-
rung am Lebensraum und an der Gemeindeorientierung statt.
Hilfen und Angebote sollen demnach wohnortnah angeboten
werden. Der Prävention psychischer Erkrankungen wird ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Ein Ziel der Hilfen nach diesem Gesetz ist beachtlich, auch
wenn es in der Folge nicht weiter spezifiziert wird: „Psychisch
kranken oder behinderten Menschen nahestehende Personen sollen entlastet, unterstützt, ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei den
Hilfen erhalten und gefördert werden. Die besondere Situation von
Kindern psychisch kranker oder behinderter Menschen soll berücksichtigt werden.“ Damit findet eine systemische Komponente
Eingang: Nicht nur Personen, die aufgrund einer psychischen
Störung krank oder behindert sind, sind Adressaten von Hilfeangeboten, sondern auch ihr unmittelbares Umfeld. Diese Zielsetzung dürfte in der Umsetzung des Gesetzes noch eine große
Rolle spielen, sowohl hinsichtlich einer konzeptionellen (Neu-)
Ausrichtung von Diensten und Angeboten als auch im Hinblick
auf die Finanzierung von möglicherweise erforderlichen spezialisierten Leistungen, beispielsweise für Kinder von Eltern mit
seelischer Behinderung. Für diese wird seit langem eine Regelfinanzierung gesucht, die auch das PsychKHG nicht bietet.
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Sozialpolitik
Sozialpsychiatrische Dienste –
Eckpfeiler einer Grundversorgung
Sozialpsychiatrische Dienste gibt es schon seit über einem Vierteljahrhundert; sie sind fester, flächendeckender Bestandteil
der sozialpsychiatrischen Landschaft im komplementären Bereich, also jenseits der Kliniken und Zentren für Psychiatrie. Im
Jahr 2013 waren die 67 Sozialpsychiatrischen Dienste Anlaufstelle für fast 26.500 chronisch psychisch Kranke. Für deren Betreuung und Begleitung standen 445 Mitarbeitende zur Verfügung. Neben der direkten Unterstützung von Betroffenen
kommt den Sozialpsychiatrischen Diensten überdies auch eine
Koordinationsfunktion zu, die sie im Rahmen der Gemeindepsychiatrischen Verbünde wahrnehmen.
Mit dem neuen Gesetz werden sie nun erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs gesetzlich geregelt, einschließlich der
Förderung durch das Land und die Stadt- und Landkreise. Zu
ihrer Rolle heißt es im Gesetz, dass sie die„ärztlich-psychiatrische
und psychotherapeutische Behandlung ergänzen“. Die damit
ein wenig zum Ausdruck kommende „Nachrangigkeit“ war im
Anhörungsverfahren kritisiert worden, denn de facto sind Sozialpsychiatrische Dienste als gleichwertige Partner im Geschehen vor Ort zu betrachten. Ihr bisheriger Auftrag wurde gesetzlich festgeschrieben: sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge
und psychosoziale Krisenintervention sowie die Vermittlung
sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke
oder behinderte Menschen. Unzureichend ist in diesem Zusammenhang die Regelung, dass den Kreisen die (Mit-)Finanzierung
„auf freiwilliger Basis“ zugestanden wurde. Gleiches gilt für die
Aufgaben der Bedarfsplanung, Koordination und finanziellen
Abwicklung.
Völlig unverständlich ist die Regelung, dass die Träger der Sozialpsychiatrischen Dienste die nicht durch Zuschüsse abgedeckten Ausgaben selbst zu finanzieren haben. Grundversorgung als Strukturelement von Daseinsvorsorge ist nach Auffassung des PARITÄTISCHEN ureigene Aufgabe der Kommunen
und daher auch von jenen zu finanzieren. Die im Gesetz zum
Ausdruck kommende „Feinfühligkeit“ gegenüber den Kreisen
ist sachlich nicht gerechtfertigt und allenfalls politischen Konstellationen und dem Konnexitätsprinzip der Landesverfassung geschuldet, welche das Land verpflichtet, einen Ausgleich
für Mehraufwendungen der Kreise zu übernehmen, wenn es
den Kommunen Aufgaben überträgt.
IBB-Stellen – neues Strukturelement
Zukünftig sind in allen Kreisen Informations-, Beratungs- und
Beschwerdestellen einzurichten, die unabhängig, trialogisch besetzt und deren Mitglieder ehrenamtlich aktiv sind. Trialogisch
meint in diesem Zusammenhang: „Die Informations-, Beratungsund Beschwerdestelle soll sich aus mindestens einer Vertretung der
Psychiatrie-Erfahrenen, der Angehörigen sowie einer Person mit
professionellem Hintergrund im psychiatrischen Versorgungssystem zusammensetzen.“ Für Aufwandsentschädigungen kommt
das Land auf und stellt hierzu Mittel zur Verfügung. Abgesehen
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davon, dass es beim Aufbau der IBB-Stellen noch Unsicherheiten
hinsichtlich des Zustandekommens, der Arbeitsweise und der
Besetzung gibt, sind diese Stellen ein wichtiges Element zur
Stärkung der Rechte Betroffener und deren Angehörigen. Anregungen und Beschwerden sollen von der IBB-Stelle entgegengenommen und einer Lösung zugeführt werden. „Des Weiteren
gibt die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle Auskunft
über die für die möglichst wohnortnahe Versorgung in Betracht
kommenden Hilfs- und Unterstützungsangebote.“
Erfreulich ist überdies, dass ein jährlich abzugebender Bericht
vorgesehen ist, der einer auf Landesebene einzurichtenden
Ombudsstelle vorzulegen ist. Auf diese Art wird eine bis dato
nicht vorhandene landesweite Transparenz hergestellt. Die
Ombudsstelle hat ihrerseits die IBB-Stellen zu beraten und „hat
Sorge zu tragen für die landesweite zentrale Erfassung von Unterbringungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen innerhalb anerkannter Einrichtungen nach § 14“. Dies sind beispielsweise die
Zentren für Psychiatrie. Die Ombudsstelle berichtet mindestens
einmal in der Legislaturperiode dem Landtag. Mit diesem „Sensor“ erhält der Landtag frühzeitig und rechtzeitig Kenntnis von
möglicherweise problematischen Entwicklungen und kann
entsprechend gegensteuern. Ein solches Monitoring kann
nicht hoch genug bewertet werden.
Aktualisierung des Landespsychiatrieplans
Nach dem PsychKHG ist ein Landespsychiatrieplan aufzustellen, der bei Bedarf fortzuschreiben ist. Die Frage, ob ein Bedarf
besteht, ist vom Sozialministerium längstens im Fünf-JahresRhythmus zu klären. Der letzte Psychiatrieplan stammt aus dem
Jahr 2000. Seither haben sich nicht nur Bestandszahlen verändert. Es sind auch neue Leistungen und Strukturen hinzugekommen, beispielsweise Soziotherapie und Integrierte Versorgung oder ambulante Rehabilitation psychisch Kranker.
Mit der Neufassung des Landespsychiatrieplans sind große
Hoffnungen und Erwartungen verbunden, zumal die Herausforderungen des demografischen Wandels immer deutlicher
erkennbar werden:
n
Welche Versorgungsformen werden für
ältere Menschen mit seelischer Behinderung
gebraucht?
n
Wie lässt sich der Ärztemangel vor allem in
dünn besiedelten Gebieten beheben?
n
Wie verändern sich die Sozialgesetze an der
Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und
Pflegeversicherung?
n
Wo können zukünftig Fachkräfte rekrutiert werden?
Das Land geht mit Ernsthaftigkeit daran, das Gesetz in puncto
Psychiatrieplan umzusetzen. In Kürze tagen die ersten Arbeitsgruppen zu Einzelaspekten, zum Beispiel zu den IBB-Stellen
und der Krisen- und Notfallintervention. Darüber hinaus wird
„Verrücktes Gesundheitswesen
Was macht mich gesund?
Was macht mich krank?“
Am 27. Juni 2015 findet in Stuttgart der vierte Landespsychiatrietag statt.
An diesem Tag erfolgt zugleich die Preisverleihung im Rahmen des Kunstwettbewerbs „so gesehen“ für Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung aus
Baden-Württemberg. Weitere Informationen unter www.landespsychiatrietag.de.
eine Dacharbeitsgruppe ins Leben gerufen, die den gesamten
Prozess in den Blick nehmen soll. Das Land hat für dieses Vorhaben die Absicht, durch Einbeziehung von Betroffenen, Fachleuten, Angehörigen und sonstigen Organisationen eine möglichst breite Beteiligung sicherzustellen.
die Sozialpsychiatrie gesellschaftlich relevanten Gruppen für
Aufgeschlossenheit sorgen, sich weiterhin für Menschen mit
seelischer Erkrankung/Behinderung einzusetzen. Der PARITÄTISCHE und seine Mitgliedsorganisationen werden auf jeden
Fall den Umsetzungsprozess aktiv begleiten.
Fazit und Ausblick
Die Dokumentation der Liga-Fachtagung vom 29. Januar 2015
„Neue Perspektiven für die Gemeindepsychiatrie – BadenWürttemberg bekommt ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“
finden Sie unter www.liga-bw.de/fachtag_psychkhg/links.html
sowie die Freiwilligen Dokumentationen der Sozialpsychiatrischen Dienste unter www.liga-bw.de/Dokumentation.163.0.html.
Mit dem neuen PsychKHG werden zum einen bereits bestehende Strukturen abgebildet und damit gesichert, aber auch neue
Akzente gesetzt. Es zieht sich die Absicht durch das Gesetz, die
unterschiedlichen Anforderungen nach wünschenswerter Innovation, Verbindlichkeit, Nachhaltigkeit und Transparenz mit
den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten in Einklang zu
bringen, bei gleichzeitiger Beachtung der Auswirkungen auf
die Haushalte. Eine Gratwanderung, die gelungen ist. Als sehr
positiv muss der Beteiligungsprozess gewertet werden, der
dem Gesetz voran ging und nun auch an anderer Stelle eine
Fortsetzung erfährt. Diese methodische Orientierung am Dialog mit denen, die es betrifft, könnte ein Modell für die weitere
Arbeit des Gesetzgebers werden. In jedem Fall ist es ein ermutigendes Zeichen des Ernstnehmens und wird sicher bei den für
Kontakt
Albrecht Hegener
Kernteamleitung
Menschen mit Behinderung
Telefon 0711 | 21 55-128
[email protected]
www.paritaet-bw.de
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Mitgliederversammlung
Appell zu „Mehr Mensch…“
Wertedialog und Neuwahl des Aufsichtsrats in der Mitgliederversammlung
STUTTGART Rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus den
Mitgliedsorganisationen des PARITÄTISCHEN Baden-Würt­
temberg haben sich am 6. Februar 2015 in der Mitglieder­
versammlung des Verbandes in Leinfelden-Echterdingen am
Wertedialog des PARITÄTISCHEN beteiligt und einen neuen
Aufsichtsrat gewählt.
Eröffnet wurde die Mitgliederversammlung in der Filderhalle
in Leinfelden-Echterdingen vom Aufsichtsratsvorsitzenden Dr.
Günther Petry. Er begrüßte die Vertreter/-innen der Mitgliedsorganisationen und die Gäste, darunter die Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann und Wilfried Klenk − seines Zeichens
neugewählter Präsident des baden-württembergischen Landtags – sowie Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des
Paritätischen Gesamtverbands.
„Mehr Mensch statt Mehrwert“
Dr. Ulrich Schneider leitete seinen Vortrag mit der Frage ein,
wozu man noch ein Konzert besuchen wolle, wenn eine CD den
gleichen Musikgenuss bringt und ein Orchester auf wenige Instrumente reduziert werden kann? In seinem Vortrag wie in seinem gleichnamigen Buch stellt er dar, wie die fortschreitende
Ökonomisierung den Sozialsektor auf einen Ausschnitt re­du­
ziert und so die ganzheitliche Sicht des Menschen aus den Augen verliert. Der Sozialsektor habe eine Ausgleichs- und Korrekturfunktion gegenüber den Märkten. Das Soziale ist das Gegenüber des Marktes und müsse seinen eigenständigen Charakter
und seine eigenen Handlungslogiken erhalten. Die Ökonomisierung des Sozialen stellt diese Balance zunehmend in Frage.
6
Den Weg des Sozialen in die Ökonomisierung zeigte Dr. Schneider in drei Phasen auf, die durch drei Leitfragestellungen beschrieben sind. Die Fragestellung in der letzten Phase der Ökonomisierung sei die Frage nach dem Sinn der Wohltätigkeit,
wodurch die Wohlfahrt an sich ihre natürliche Legitimationsbasis verliert. Vor dem Hintergrund von Einsparnotwendigkeiten
und einer neoliberalen Grundstimmung sei die ökonomische
Logik in alle Lebensbereiche eingezogen. Seinen Vortrag beendete er mit dem Appell zu „Mehr Mensch statt Mehrwert“. Der
Pfad der Ökonomisierung, der Vermessung, der Scheinvermessung und der allgegenwärtigen Empirie führe zu einem Verlust
Sabine Gwarys
Der neue Aufsichtsrat
W o f ü r ich i m Au f sich t s r a t e i n t r e t e n wi l l
Sparkassen-Kauffrau
Ich sehe meine Aufgabe darin, die Zielgruppe der Betroffenen in einem großen Sozialverband zu vertreten und
dabei eine gesunde Balance zwischen den Bedürfnissen der Betroffenen und wirtschaftlich verantwortlichem
Handeln zu finden. Wir müssen Unmögliches anstreben, um das Bestmögliche zu erreichen.
Daniel Büter
Sonderschullehrer, Geschäftsführer
Als von Hörbehinderung Betroffener setze ich mich für die Belange der Menschen mit Behinderung und die Verbesserung ihrer Lebensqualität ein. Ich bin überzeugt, diese erreichen wir nur in einem Miteinander auf Augenhöhe. Ich möchte dazu beitragen, dass wir gemeinsam weg kommen vom defizitorientierten Begriff der Behinderung hin zu einem neuen von gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung geprägten Menschenrechtsmodell. Für diesen Paradigmenwechsel brauchen wir mehr Begegnung von Menschen ohne und mit Behinderung.
Deshalb setze ich mich für eine ehrlich gemeinte, inklusive Bildungslandschaft ein.
Ingrid Hastedt
Dipl.-Haushaltsökonomin
In der derzeitigen Umbruchphase stellen die strukturelle Entwicklung des Verbands und die Stabilisierung
der Wirtschaftlichkeit Herausforderungen dar. Den hauptamtlichen Vorstand bei der Reorganisation zu
begleiten, sehe ich als aktuelle zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats.
Dr. Ursula Matschke
Sozialwissenschaftlerin
Während meiner Berufstätigkeit als Wissenschaftlerin, aber vor allem als Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart wurde und werde ich täglich mit der Vielschichtigkeit sozialer Problemlagen konfrontiert, denen Menschen im Laufe ihres Lebens ausgesetzt sind. Sie sind auf ein funktionierendes, effizientes, aber
vor allem innovatives und vernetztes wohlfahrtspflegerisches System angewiesen. Der Paritätische repräsentiert dies mit der Fülle seiner Mitglieder, seinen Grundwerten und seinem Selbstverständnis. Als Mitglied des
Aufsichtsrats würde ich seine Arbeit gerne kritisch begleiten, Innova­tionen und Gestaltungskraft unterstützen.
Dr. Claudia Schöning-Kalender
Kulturwissenschaftlerin
Im Mittelpunkt meines bisherigen beruflichen wie auch ehrenamtlichen Engagements stehen die Themen gesellschaftliche Teilhabe für alle, Chancengerechtigkeit und Leben ohne Gewalt, ob Frau oder Mann oder anders,
ob jung oder alt, ob mit oder ohne Behinderung, ob zugewandert oder alt eingesessen. Damit ist mehr oder
weniger das gesamte Feld des Paritätischen beschrieben. Im Aufsichtsrat will ich besonders auf eine gute
Einbindung der vielen kleinen Mitgliedsorganisationen achten, inhaltlich will ich meine Er­fahrung in den Themenbereichen Migra­tion, Gewalt gegen Frauen/häusliche Gewalt und Inklusion einbringen.
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Mitgliederversammlung
der Fähigkeit qualitativen Denkens. Selbstverständliche sozialpädagogische Standards blieben so auf der Strecke. Gegen­
wärtig sei es vor allem das Personal, das trotz Ökonomisierung
noch irgendwie Zeit für das Wesentliche in der Sozialen Arbeit
finde. Statt Kontrollmechanismen gehe es um eine Stärkung
der Systeme des Vertrauens. Nach einer Diskussion über Effi­
zienz und Mehrwert sei nun eine echte Wertediskussion notwendig: Was soll das Soziale in Deutschland ausmachen?
Dieser Diskussion hat sich der PARITÄTISCHE mit seinem Wertedialog angenommen. Am 26. März 2015 wird die zentrale Auftaktveranstaltung hierzu in Berlin stattfinden. Anschließend gibt
es über das Jahr verteilt eine Reihe von Regionalkonferenzen,
darunter auch am 16. Oktober 2015 in Heidelberg, zu der die
Mitgliedsorganisationen herzlich eingeladen sind.
Der kommissarische Aufsichtsrat geht davon aus, dass mit den
eingeleiteten Schritten zur Neustrukturierung und mit der getroffenen Personalentscheidung gute Voraussetzungen für eine
weitere Zusammenarbeit im Verband geschaffen worden sind.
Dr. Günther Petry bedankte sich am Ende seines Berichts bei
allen Kolleginnen und Kollegen des vormaligen Landesvorstands
und übergangsweisen Aufsichtsrats für die geleistete Ar­beit
und das eingebrachte Engagement, insbesondere auch dafür,
dass sich einige Mitglieder bei der Wahl im Sommer 2013 bereit­
erklärt hatten, für den Übergangsprozess nochmals als Vorstände zur Verfügung zu stehen. Axel Buchthal, Vorsitzender der
Freunde der Waldorfpädagogik e. V. Freudenstadt und zugleich
Vorsitzender des PARITÄTISCHEN Kreisverbandes Freudenstadt
beantrage nach dem Bericht, den Aufsichtsrat zu entlasten.
Dem stimmte die Versammlung bei nur zwei Enthaltungen zu.
Veränderte Führungsstruktur –
neue Aufgabenverteilung
Verabschiedung und Ehrung
des Landesvorstandes
In seinem Rechenschaftsbericht führte Dr. Günther Petry aus,
dass der Landesverband in der Mitgliederversammlung 2014
richtungsweisende Beschlüsse zur Satzung, zur Regionalisierung, zu den Beteiligungen des Verbandes (PMG), zu den Leistungen für Mitglieder und den Mitgliedsbeiträgen gefasst hat.
Mit der in der neuen Satzung niedergelegten veränderten Führungsstruktur ist eine neue Aufgabenteilung eingetreten. Dem
nunmehr hauptamtlichen Vorstand steht ein ehrenamtlicher
Aufsichtsrat zur Seite. Die neue Satzung regelt zudem, dass gemäß der Übergangsbestimmung in § 15 binnen eines halben
Jahres nach Gültig werden der Satzung der Aufsichtsrat neu zu
wählen ist. In der Zwischenzeit übernimmt der bisherige Landesvorstand die Funktion des Aufsichtsrats.
Danach übernahm Dr. Hermann Frank, Leiter der Stabsstelle
Grundsatzfragen in der Landesgeschäftsstelle, in Vertretung des
erkrankten Vorstandsvorsitzenden Hansjörg Böhringer die Aufgabe, die Mitglieder des bisherigen Aufsichtsrats zu verabschieden. Dr. Frank bedankte sich namens des Verbandes bei Dr.
Günther Petry, Timothy Apps, Hans Artschwager, Professorin
Dr. Monika Barz, Birgitt Bender, Tobias David, Helmut Dengel,
Professorin Christel Michel, Walter Schmid, Albrecht Schumacher und Daniela Steinhoff ganz ausdrücklich für die zuerst im
Landesvorstand und dann im Aufsichtsrat geleistete Arbeit und
Unmittelbar nach der Mitgliederversammlung 2014 hat der
Landesvorstand die anstehenden Schritte zur weiteren Umorganisation getätigt und Vorbereitungen zur Ausschreibung der
Nachfolge von Hansjörg Böhringer getroffen und in seiner neuen Funktion als übergangsweiser Aufsichtsrat den Ausschreibungs-, Bewerbungs- und Auswahlprozess in die Hand genommen. Bei der Schlussabstimmung hat sich der Aufsichtsrat für
Ursel Wolfgramm aus Hamburg entschieden. Im Dezember
wurde ein Vertrag ausgehandelt und unterschrieben. Sie wird
das Amt als hauptamtlicher Vorstand am 1. Juli 2015 antreten.
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Elke Schierer
Der neue Aufsichtsrat
W o f ü r ich i m Au f sich t s r a t e i n t r e t e n wi l l
Dipl.-Sozialpädagogin (BA), M. A., Dozentin
Für mich als Fachfrau aus dem Feld der Kinder- und Jugendhilfe ist es von wesentlicher Bedeutung, fachpolitisch
den neueren Diskurs in Bezug auf das Arbeitsfeld im PARITÄTISCHEN am Laufen zu halten und mit der Arbeit im
Aufsichtsrat darauf zu achten, dass die Hauptamtlichen die Themen besetzen und entwickeln. Die Jugendhilfe
sollte sich in den nächs­ten Jahren in den Wohlfahrtsverbänden und auch im PARITÄTISCHEN weiter für ihre
originären Themen stark machen, z.B. in Bezug auf drohenden Fachkräftemangel, Parti­zipation in den Einrichtungen der erzieherischen Hilfen, Entwicklung von Qualitätskriterien im Umgang mit unbe­gleiteten minderjährigen Flüchtlingen, um nur wenige der aktuellen Themen aufzugreifen.
Tobias David
Dipl.-Betriebswirt (BA), Geschäftsführer
Mehr Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung können im Sinne von Inklusion nur dann
in allen Lebensbereichen verwirklicht werden, wenn ein breites Spektrum an Wahl­möglich­kei­ten eröffnet wird.
Die vielfältigen Angebote der Mitglieder des Pari­täti­schen leisten hierzu einen wesentlichen Beitrag und
schaffen so einen gesellschaftlichen Mehrwert. Ich möchte mich auch weiterhin für gute Rahmenbe­dingungen
der Sozialen Arbeit einsetzen und innerhalb des Verbandes für eine wirkungsvolle Kontrolle des hauptamtlichen
Vorstandes sowie für eine basisorientierte Weiterentwicklung des Verbandes sorgen.
Timothy Apps
Geschäftsführer
Die Belange und Bedarfe der Mit­glieds­orga­nisationen stehen im Vordergrund. Eine neue Satzung, eine neue
Vorständin und ein neuer Aufsichtsrat bieten die Möglichkeit eines Paradigmenwechsels im Paritäti­schen.
Das zentrale Anliegen von mir ist dabei, die Bedürfnisse der Mitglieder im Fokus zu halten, für eine größtmögli­che
Trans­parenz in den Verbands­finanzen und Beteiligun­gen zu sorgen und den durch die Mitgliedsorganisationen
angestoßenen Ver­än­derungs­prozess kontinuierlich mit zu begleiten.
Helmut Dengel
Theologe, Sozialwirt, Geschäftsführer
Seit Jahrzehnten ist der Paritätische eine Wertegemeinschaft, die von gegenseiti­gem Res­pekt, Achtung und Wertschätzung geprägt ist.Dieses hohe Gut soll auch in Zukunft gelebt werden. Was mir wichtig ist: ein gesundes
Miteinander der Mitgliedsorganisationen und der PMG; im Paritätischen kann man seine Stärken stärken
und seine Schwächen schwächen; der Paritätische ist ein Verband, in dem man gern Mitglied ist; gesunde
Finanzen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Norber t van Eickels
Dipl.-Psychologe, Geschäftsführer
Sehr gerne engagiere ich mich für den PARITÄTISCHEN, der sich sozialpolitisch und fachlich für Menschen in
Notlagen und die selbstbestimmte Teilhabe von be­nach­tei­ligten Menschen einsetzt und seine Mitgliedsorganisationen bedarfsgerecht unterstützt. Im Fokus des Aufsichtsrats sehe ich zunächst die positive Ausgestaltung
der neuen Verbandsstruktur, insbesondere im Hinblick auf das aufgaben- und sachgerechte Zusammenwirken
der neuen Organe. Ich trete dafür ein, die Rollen­zuweisungen, die in der neuen Satzung definiert sind, in einem
fairen, konstruktiven Miteinander aller Beteiligten umzusetzen. Die innerverbandliche Transparenz strategischer
Ent­scheidungen finde ich dabei besonders wichtig.
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Mitgliederversammlung
für das dort eingebrachte ehrenamtliche Engagement. Sie repräsentieren ein facettenreiches Engagementprofil: Die Zeit
ihrer Mandate reicht von knapp zwei Jahren bis zur längsten
Amtszeit von knapp 18 Jahren – was einer Spanne zwischen
neun und etwa knapp 100 absolvierten Sitzungen entspricht,
Ausschüsse u. a. m. nicht mit gerechnet.
Alle scheidenden Vorstände bzw. Räte bekamen als Geschenk
ei­ne prall gefüllte Tasche mit „Weg­proviant“ für das leibliche
Wohl überreicht, angereichert mit einigen Er­innerungsstücken
an den PARITÄTISCHEN. Die Präsente hierzu hatte der Landesverband aus der Herstellung in den Reihen paritätischer Mitgliedsorganisationen erworben.
Den zweiten Teil der Verabschiedung bildeten die Ehrungen
langjähriger Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder. Im Auftrag
des hauptamtlichen Vorstands übereichte Dr. Hermann Frank
Hans Artschwager, Professorin Dr. Monika Barz und Birgitt Ben­
der als Auszeichnung für ihr herausragendes ehrenamtli­ches
Engagement für den PARITÄTISCHEN das höchste Ehrenab­zei­
chen des Verbandes, die Goldene Ehrennadel, und Walter Schmid
die zweithöchste Auszeichnung, die Silberne Ehrennadel.
Neuwahl des Aufsichtsrats
Ein Großteil der Veranstaltung nahm die Wahl des neuen Aufsichtsrats in Anspruch, dessen Mitglieder nach einer schriftlichen und in der Mitgliederversammlung auch persönlichen
Vorstellung aller Kandidatinnen und Kandidaten − wie in der
neuen Satzung vorgesehenen nach einzelnen Gruppen gegliedert − in jeweils getrennten Wahlgängen gewählt wurden. Geleitet von Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung
Baden-Württemberg und Mitglied des Wahlausschusses, gingen die einzelnen Wahlabschnitte zielstrebig von statten.
Die Wahl war zum jetzigen Zeitpunkt notwendig geworden,
weil die Übergangsregelung der im Sommer 2014 beschlossenen neuen Satzung vorsieht, das spätestens ein halbes Jahr
nach deren Eintragung die Wahl vorzunehmen ist. Erstmals
wurden im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg die Mitglieder
eines Gremiums gewählt, in dem die Zahl der Frauen und Männer satzungsmäßig festgeschrieben gleich groß ist und jeweils
ein Sitz für eine Betroffenenvertreterin und einen Betroffenenvertreter vorgesehen ist.
V e r l e ihu n g d e r si l b e r n e n u n d g o l d e n e n Eh r e n n a d e l n
In seiner Laudatio hob Dr. Hermann Frank hervor, dass
sich Hans Artschwager bereits seit 1991 als ausgewiesener Experte für Jugendhilfe und Jugendarbeit im PA­
RITÄTISCHEN Baden-Würt­tem­berg engagiert, zuerst im
Kreisvorstand Böblingen, von 1995 bis 2005 als Fachgruppensprecher und im Landesbeirat − und seit 2004
als Mitglied des Landesvorstandes.
Professorin Dr. Monika Barz ist als vehemente Vertreterin
frauenpolitischer Themen und des Gender mainstreaming seit Sommer 1997 Mitglied des Landesvorstandes
und seit Herbst 2014 Mitglied des Aufsichtsrats, 2000 bis
2002 hat sie in der Steuerungsgruppe des „Projekts Zukunft“ des Landesverbandes mitgearbeitet, 2003 in der
Beitragskommission, lange Zeit war sie Mitglied der Beitrags- und Prüfungskommission des Landesvorstandes.
Die Geehrten: Hans Artschwager, Prof. Dr. Monika Barz, Birgitt Bender und Walter Schmid (v.l.n.r.)
Insgesamt vierzehn Jahre hat sich Birgitt Bender, ehemalige
Bundestagsabgeordnete der GRÜNEN, insbesondere für gesundheitspolitische Belange engagiert und war als stellvertretende
Landesvorsitzende (2001 bis 2013) bzw. Mitglied im Aufsichtsrat
(2014 bis 2015) tätig. Als Mitglied des Deutschen Bundestages und
gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der GRÜNEN war
sie eine wichtige Ansprechpartnerin für den PARITÄTISCHEN, um
gesundheitspolitische Positionen und Forderungen des Ver10
bandes in die bundespolitische Ebene zu transportieren, z. B. die
Einführung einer Bürgerversicherung.
Walter Schmid ist seit 2005 Mitglied des Landesvorstandes und seit
Herbst 2014 Mitglied des Aufsichtsrats. Seit Jahren unterstützt er
intensiv die bildungspolitische Profilbildung des Lan­desverbandes
und setzt sich für die Mitgliedschaft der Waldorfschulen im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg ein.
Dr. Günther Petry, Timothy Apps, Tobias David und Helmut Dengel als Mitglieder des Aufsichtsrats hatten sich zur Wiederwahl
gestellt. Die anderen Personen sind neu im Gremium. Insgesamt
hatten sich 25 Frauen und Männer für elf Mandate zur Wahl gestellt. Innerhalb der mit der Satzung neu vorgegebenen Führungsstruktur hat der Aufsichtsrat die Funktion, die Interessen
der Mitglieder (v. a. über die Mitgliederversammlung) aufzuneh­
men und das umfassend in den Händen des hauptamtlichen
Vor­stands liegende operative Verbandsgeschäft zu überwachen.
Erstmalig gehören jetzt auch eine Vertreterin und ein Vertreter
der Betroffenen dazu. Dabei handelt es sich um Vertreter und
Vertreterinnen der Zielgruppen, die von Mitgliedsorganisatio­
nen betreut und unterstützt werden. Dies ist mit Blick auf die
Führungsstrukturen anderer Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege im Land ein Novum. Der PARITÄTI­SCHE stellt damit
die Weichen für eine neue Beteiligungskultur im Verband und
stärkt seine „anwaltschaftliche“ Funktion mit Blick auf die Anliegen der Betroffenen selbst.
Am Ende der Veranstaltung bedankte sich die Wahlleiterin
bei allen Kandidaten/-innen, dass sie sich zur Wahl gestellt
haben und beglückwünschte alle gewählten Personen zu ih­
rer Wahl. Der wiedergewählte Vorsitzende des Aufsichtsrats,
Dr. Günther Petry, bedankte sich bei der Wahlleiterin und den
weiteren Mitgliedern des Wahlausschusses, bei den Vertretern/innen der Mitgliedsorganisationen und bei den Mitarbeitern/innen der Landesgeschäftsstelle, die bei der Vorbereitung
und Durchführung der Mitgliederversammlung geholfen haben. Er wünschte allen einen guten Nachhauseweg und schloss
die Versammlung gerade mal eine Viertelstunde nach dem
Zeitplan.
Wahlleiterin Jutta Pagel-Steidl
D e r n e u g e w ä h lt e Au f sich t s r a t
Der in der Mitgliederversammlung am
6. Februar 2015 in Leinfelden-Echter­dingen
neu gewählte Aufsichtsrat.
Vorsitzender • Dr. Günther Petry
(Kehl)
Betroffenenvertreter/-in • Sabine Gwarys
(Ettenheim)
• Daniel Büter
(Stuttgart)
Weitere Mitglieder (Frauen)
Weitere Mitglieder (Männer)
• Ingrid Hastedt
(Stuttgart)
• Elke Schierer
(Esslingen)
• Timothy Apps
(Freiburg)
• Helmut Dengel
(Bretzfeld)
• Dr. Ursula Matschke
(Stuttgart)
• Dr. Claudia Schöning-Kalender
(Mannheim)
• Tobias David
(Karlsruhe)
• Norbert van Eickels
(Karlsruhe)
Die Ergebnisse im Einzelnen im Internet unter: http://www.paritaet-bw.de/content/e5142/e33284/e34515/index_ger.html
11
Interview mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden
Wir unterscheiden uns von anderen Organisationen
Mehr Transparenz und breitere Diskussionen durch die neue Verbandsstruktur
Auf den frisch gewählten Aufsichtsrat mit zahlreichen neuen Gesichtern kommen interessante Aufgaben zu. Was steht aus Ihrer
Sicht ganz oben auf der Agenda?
Wir müssen die Strukturen der Kooperation zwischen Aufsichts­
rat und Vorstand neu entwickeln. Dazu wird der Aufsichtsrat ein
Regelwerk mit den Berichtspflichten des Vorstandes an den
Aufsichtsrat beschließen, anhand dessen wir unsere Arbeit leis­
ten werden. Die Festlegung eines solchen formalen Regelwerks
ist das eine. In der Praxis wird es vor allem darauf ankommen,
eine Kultur der guten Zusammenarbeit und des gegenseitigen
Vertrauens aufzubauen und dafür passende Informations- und
Kommunikationswege zu finden und mit Leben zu erfüllen.
STUTTGART Auf der Mitgliederversammlung am 6. Februar
2015 wurde im Zuge der Neuordnung der Verbandsstrukturen satzungsgemäß ein neuer Aufsichtsrat für vier Jahre
gewählt. PARITÄTinform sprach mit dem alten und neuen
Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Günther Petry.
Herr Dr. Günther Petry, wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zur
Wahl. Sie stehen ja nun schon einige Jahre an der Spitze des PARITÄTISCHEN, als Vorstandsvorsitzender und nach der Umstrukturierung als kommissarischer Aufsichtsratsvorsitzender. Was hat Sie
bewogen, erneut zu kandidieren?
Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg befindet sich in einer
spannenden Lage: Durch eine Satzungsänderung, die im letzten Sommer auf einer Mitgliederversammlung beschlossen
wurde, hat der Verband nun einen hauptamtlichen Vorstand
und einen ehrenamtlichen Aufsichtsrat. Damit wird erreicht,
dass die Kontrolle des operativen Geschäfts des Verbandes nun
wesentlich intensiver stattfindet. Wir versprechen uns dadurch
ein Mehr an Transparenz und eine breitere Diskussion an der
Spitze des Verbandes, weil nun zwei Organe in einer durch
die Satzung bestimmten Aufgabenverteilung für die Geschicke
des Verbandes zuständig sind. Diese Umstellung der Arbeitsweise wollte ich gerne begleiten und deshalb habe ich wieder
kandidiert.
Neue Verbandsstruktur
Verein mit hauptamtlichem Vorstand
und Aufsichtsrat
Dem elfköpfigen Aufsichtsrat gehören erstmals auch eine
Betroffenenvertreterin und ein Betroffenenvertreter an.
Ein Novum zumindest im PARITÄTISCHEN. Was erwarten Sie
sich von dieser neuen Vertretungsform?
Ich halte das für eine wichtige Erneuerung, mit der wir uns von
vielen anderen Organisationen unterscheiden: Wenn auch die
Sicht der Menschen, für die unsere Mitgliedsorganisationen arbeiten, in die Meinungsbildung an der Spitze des Verbandes
einfließt, ist eine unmittelbare Rückkopplung der Interessen
der Betreuten mit den Entscheidungen des Verbandes zu erwarten. Das finde ich gut.
Mit der Nachfolgeregelung für den im Sommer 2015 scheidenden
Vorstandsvorsitzenden Hansjörg Böhringer konnte der alte Aufsichtsrat noch im Dezember 2014 eine wichtige Entscheidung
treffen. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Ja. Wir haben uns im Aufsichtsrat für Ursel Wolfgramm entschieden, weil sie nach Meinung aller Mitglieder des Gremiums
sehr gute Voraussetzungen mitbringt, um die Nachfolge von
Hahsjörg Böhringer anzutreten. Ich freue mich auch darüber,
dass wir in der Geschäftsstelle eine ausführliche Arbeitsübergabe von Herrn Böhringer auf Frau Wolfgramm organisiert haben,
in die auch die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbezogen sind. Das ist ungewöhnlich und wird den Übergang ab
dem 1. Juli 2015 erleichtern.
Besetzung (teilweise personelle Überschneidung)
Strategische Vorgaben und Kontrolle
Fachbeirat
(zwei bis drei Mal im Jahr)
Fachli
c he
Aufsichtsrat
Beratung
Gemeinsame strategische Planung
Operative Kontrolle
(ca. vier Mal im Jahr)
Verband/
Betrieb
12
Konferenz der Kreis­
verbandsvorsitzenden
(mindestens ein Mal im Jahr)
Hauptamtlicher
Vorstand
(2-3 Personen)
Operative Führung
Operatives Controlling
Landesverband
Mit einem Los Gutes tun
Die GlücksSpirale förderte eine Vielzahl sozialer Projekte im Jahr 2014
STUTTGART Jedes verkaufte Los der GlücksSpirale hilft auch
sozialen Einrichtungen. Denn die Chance auf den persönlichen Gewinn geht einher mit der Möglichkeit, Gutes für die
Allgemeinheit zu tun. Auch der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg und seine Mitgliedsorganisationen freuten sich im
Jahr 2014 über großzügige Zuschüsse.
Fördergelder der Glücksspirale ermöglichten dem PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg nach Umzug seiner Geschäftsstelle in die neuen Räumlichkeiten des Mehrgenerationenhauses in
Stuttgart-Vaihingen die Anschaffung von mehreren technischen
Geräten, zum Beispiel Tablets, Beamer und Kameras. Mit den neuen Geräten ist eine zeitgemäße, professionelle Kommunikation
mit den Mitgliedsorganisationen gegeben. Ferner konnte durch
den geförderten Relaunch der Homepage des PARITÄTISCHEN
eine einladende, moderne Gestaltung erreicht und die Benutzerfreundlichkeit wesentlich verbessert werden.
Förderung in die Unabhängigkeit –
Kooperationen gewünscht
Die Mitgliedsorganisationen des PARITÄTISCHEN stehen vor
der Herausforderung, neue Strategien entwickeln zu müssen,
um den Fortbestand ihrer Arbeit zu gewährleisten und unabhängiger von öffentlicher Förderung zu werden. Eine Möglichkeit bieten Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen. Durch
die projektierte Arbeit mit dem PARITÄTISCHEN und einem Zuschuss der GlücksSpirale wurden Veranstaltungen unter dem
Thema „Marktplatz Gute Geschäfte“ ermöglicht. Wirtschaftsunternehmen und soziale Einrichtungen kamen ins Gespräch und
entwickelten zahlreiche Ideen für Kooperationen. Zum Thema
„Wirtschaft und Soziales“ fand zusätzlich am 24. Februar 2015
eine Fachtagung in Heidelberg statt (siehe Seite 40f ).
Fachlich stark –
Fortbildung und Qualifizierung
In einer durch die GlücksSpirale unterstützten Kampagne konnte
die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
verbessert werden. Unter anderem durch Schulungen von Fachpersonal und dem Angebot von speziellen Sprachkursen.
Die GlücksSpirale unterstützte unterschiedliche Fortbildungsangebote, themenorientierte Fachtage und Veranstaltungen
des PARITÄTISCHEN. So konnten beispielsweise Qualifizierungsmaßnahmen für Fachkräfte in Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen und ein Fachtag zum Thema „Unterschiedliche Ansätze bei der Weiterentwicklung der Frauenhausarbeit“ realisiert werden. Ebenso wie Fortbildungen und Veranstaltungen
für Fachkräfte, die mit Mädchen und jungen Frauen arbeiten.
Deutsch-chinesisches Pilotprojekt
zur Berufsqualifizierung
Seit Jahren tauschen sich das Land Baden-Württemberg und
die Provinz Jiangsu in China zu zentralen Themen wie demografischer Wandel sowie der Versorgung und Pflege alter Menschen aus. Beide Länder stehen vor der Herausforderung, Fachkräfte gewinnen und Pflegekräfte qualifizieren zu müssen. Im
Rahmen der dualen Ausbildung startete in Deutschland ein
deutsch- chinesisches Pilotprojekt zur Berufsqualifizierung von
Chinesen/-innen zu examinierten Altenpflegern/-innen. Ende
September 2014 traten die ausgebildeten Krankenschwestern
nach einem Sprachkurs ihre Ausbildung in Baden-Württemberg an. Das Kooperationsmodell ist eine Win-Win-Situation für
beide Seiten. Das Ausbildungssystem für Pflegeberufe steckt in
China noch in den Anfängen. Das Know-how der Deutschen
kann wichtige Impulse geben. Auf der anderen Seite kann die
Altenpflege in Deutschland viel von der traditionellen chinesischen Medizin lernen. Die autovisuelle Dokumentation dieses
Projekts wird durch die GlücksSpirale gefördert.
n
Kontakt: Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg
Soziallotterie GlücksSpirale
Christine Banhart, Telefon 0711 | 21 55-121
[email protected], www.paritaet-bw.de
13
Landesverband
Partnerschaft zwischen Steuerung und Subsidiarität
Fotonachweis: © S. Hofschläger
Zum Verhältnis von öffentlicher und freier Jugendhilfe
Der Vorrang der freien Träger ist ein Merkmal des Kinder- und
Jugendhilfesystems, das innerhalb der Europäischen Union nur
in Deutschland so stark ausgeprägt ist, und mit dem man zumindest in der Vergangenheit eine große Innovationskraft und
die Mobilisierung von ehrenamtlichem Engagement verbinden muss. Deswegen ist eine Rückbesinnung auf den klaren
Gesetzestext, aber auch ein kritischer Diskurs der aktuell in vielen Kreisen zu beobachtenden Entwicklungen notwendig.
Zwei Impulsvorträge bei der Sitzung der PARITÄTISCHEN
Fachgruppe „Hilfen zur Erziehung“ waren hierfür Ausgangspunkt und mündeten in eine intensive Diskussion. Zum einen
legte Bernd Hemker, Jugendhilfereferent des PARITÄTISCHEN
Nordrhein-Westfalen, seine Standpunkte aus der Perspektive
der freien Jugendhilfe dar. Wolfgang Schwaab, Leiter des Kreisjugendamtes im Enzkreis, erörterte dies aus der Sicht eines
Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Ein Vertreter der Beratungsfirma IMAKA, die in Baden-Württemberg öffentliche Verwaltungen in Fragen der Organisationsentwicklung und zu
Steuerungserfordernissen berät, konnte leider nicht für eine
Teilnahme gewonnen werden.
STUTTGART Das Verhältnis der öffentlichen zur freien Jugendhilfe ist seit Jahren geklärt. Allerdings sind die Begriffe, mit denen dieses Verhältnis beschrieben wird,
manchmal vage und einer unterschiedlichen Bewertung
nach der jeweiligen Interessenlage ausgesetzt, dass oft unmerklich ihre Grundlage, die sie im Gesetzestext haben,
verlassen wird. Der Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit wird „arg strapaziert“ und auch andere Grundlagen des Kinder- und Jugendhilferechts verlieren im alltäglichen Gebrauch häufig an Kontur.
Sozialpartnerschaft oder
Geschäftspartnerschaft
Bernd Hemker fragte nach Stellenwert und Sinn eines „schillernden“ Partnerschaftsbegriffes und stellte fest, dass es sich
bei dem Verhältnis von öffentlicher und freier Jugendhilfe um
eine Sozialpartnerschaft handelt, nicht zum Selbstzweck, sondern eine Partnerschaft mit dienender Funktion, die sich aus
der Aufgabe im Verhältnis zu den Adressaten ergibt. Die Partner
müssen ihre Kooperationsbeziehungen also zum bestmöglichen Nutzen der Adressaten/-innen gestalten.
Zwischenruf
Der 16. Januar 2015 und der Name Alessio wird der Kinder- und
Jugendhilfe in Baden-Württemberg in Erinnerung bleiben. Ein
Dreijähriger wurde in Lenzkirch im Schwarzwald von seinem
Stiefvater zu Tode geprügelt.
Obwohl die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche
Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht
ist, über deren Einhaltung die staatliche Gemeinschaft – das
sind wir alle – wacht, kann dieser junge Mensch sein Recht auf
Förderung seiner Entwicklung, sein Recht auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit nicht mehr einlösen.
14
Die Kinder- und Jugendhilfe hat nicht zur Verwirklichung dieses Rechts beigetragen, zumindest nicht ausreichend. Es ist
nicht gelungen, dieses Kind vor Gefahren für sein Wohl zu
schützen, positive Lebensbedingungen konnten nicht geschaffen werden.
So die zunächst objektive Bewertung anhand der gesetzlichen
Vorgaben. Über die tatsächlichen Umstände kann und will ich
nicht urteilen – ich bedaure den Tod dieses Kindes zutiefst. Und
doch bin ich mir sicher, dass niemand, der mit dem Kind und
der Familie in unterschiedlichen Zusammenhängen zu tun hatte, dies so gewollt hat.
Den Begriff der Subsidiarität beleuchtete er mit Blick auf die geschichtlichen Hintergründe, ausgehend von einem sozialpolitischen „Kampfbegriff“ aus dem 20. Jahrhundert, der sich sowohl
im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, im Jugendwohlfahrtsgesetz
und im Kinder- und Jugendhilfegesetz aus dem Jahr 1991 wiederfindet. Der Steuerungsbegriff hingegen folgt einer einfachen
kausalen Logik: wenn x, dann y. Jugendhilfe und Steuerung wurden erstmals 1994 im Zuge der „Output orientierten Steuerung
der Jugendhilfe“ der damaligen Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung zusammengeführt, auch
mit der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung, den Mittelaufwand
in der Jugendhilfe zu reduzieren. Dieses Modell implizierte somit
auch die Steuerung der freien Jugendhilfe. Nach seiner Einschätzung prägt diese neoliberale Haltung zunehmend das Verhältnis
öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe, mit wachsendem
Misstrauen und gegenseitigen Zuschreibungen: „Die stecken
sich doch öffentliche Mittel in die eigene Tasche.“ Oder: „Die gewähren aus wirtschaftlichen Gründen keine bedarfsgerechten
Hilfen.“ Das Modell der Sozialpartnerschaft wird zusehends negativ besetzt und zu einem Modell der Geschäftspartnerschaft
mit Auftraggeber/-in auf der einen und Auftragnehmer/-in auf
der anderen Seite. Dies ist nach Auffassung von Hemker nicht zu
akzeptieren.
Kein Weisungsrecht aber Weisungspflicht
Wolfgang Schwaab beschrieb in seinem Impuls das Verhältnis
von freier und öffentlicher Jugendhilfe anhand einiger Zuschreibungen: „Ich komme mir vor wie ein Bittsteller und telefoniere
schon seit drei Tagen die Republik rauf und runter und bekomme
nirgends einen Platz für M.“ oder „Die Jugendämter wollen immer nur mehr Leistung: nur noch schwierigste Kinder, zu kurze
Hilfedauer – und dann das Feilschen um jede Zusatzleistung“.
In der Folge legte er zur Erläuterung des Verhältnisses der freien und der öffentlichen Jugendhilfe, der Partnerschaft, Vielfalt,
Beteiligung und Zusammenarbeit die einschlägigen Rechtsnormen zu Grunde. Daraus leitete er ab, dass ein öffentlicher
Träger kein Weisungsrecht gegenüber dem freien Träger besitzt, weil dies mit dem Grundsatz der Autonomie der freien
Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald richtet nun eine
Expertenkommission mit unabhängigen Fachleuten – auch aus
Justiz und Wissenschaft – ein. Auch das Sozialministerium als
oberste Landesjugendbehörde hakt nach. Die Expertenkommission soll die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe in der
Behörde untersuchen, soll Missstände aufdecken und den konkreten Fall aufarbeiten. Ob und wie dies gelingen wird, bleibt
abzuwarten. Jedenfalls ist die Kinder- und Jugendhilfe nun
nicht mehr allein Herrin des Verfahrens.
Maßstab wird der gesetzliche Auftrag sein. Daran muss gemessen werden, ob die Strukturen angemessen sind und die Aufga-
Träger nicht vereinbar ist, auch nicht als Ausfluss der Gesamtverantwortung nach § 79 SGB VIII.
Mit Blick auf die individuellen Hilfen hat der öffentliche Träger
jedoch ein Entscheidungsrecht, durch das auch Kostenverpflichtungen für den öffentlichen Träger entstehen können. Die
Gewährleistungspflicht des öffentlichen Trägers umfasst seine
Verantwortung für eine gesetzesgemäße Aufgabenerfüllung,
die er nur mittels Rechtsaufsicht wahrnehmen kann. Eine Fachaufsicht ist mit dem Grundsatz der Autonomie ebenfalls nicht
vereinbar, es kann aber eine Weisungspflicht aus einer strafrechtlichen Garantenhaftung bestehen. Als Beispiel führt er
eine sozialpädagogische Familienhilfe mit einer konkreten Gefährdungslage für ein Kind an. In diesem Fall muss sich der Mitarbeitende des öffentlichen Trägers vergewissern, dass der Mitarbeitende des freien Trägers alles tut, um Leib und Leben des
Kindes zu schützen. Daneben hat also auch der Mitarbeitende
des freien Trägers eine strafrechtliche Garantenstellung.
Aufbau von unabhängigen
Ombudsstellen wichtig
So eindeutig die Grundlagen zur Verhältnisbestimmung von freier und öffentlicher Jugendhilfe sind, so verschieden ist mancherorts der „Alltag“. Dies verdeutlichte die Diskussion, in der aber
auch klar wurde, wie wichtig der Aufbau von unabhängigen Ombuds- und Beschwerdestellen in Baden-Württemberg ist, weil sie
das partnerschaftliche Zusammenwirken der Jugendhilfeträger
strukturell ergänzen und dem Wohl und den Rechten der jungen
Menschen bzw. ihrer Familien verpflichtet sind.
Kontakt
Roland Berner
Kernteamleitung Jugend,
Bildung und Migration
Telefon 0711 | 21 55-149
[email protected]
www.paritaet-bw.de
ben fachlich und richtig wahrgenommen wurden. Fragen dürfen sich dabei nicht darauf reduzieren, ob die eigenen strukturellen Vorgaben zum Kinderschutz eingehalten wurden. Vielmehr gilt es zu überprüfen, ob diese hinreichend geeignet
waren. Möglicherweise geraten dabei auch Steuerungsvorgaben an ganz anderen Stellen in den Blick, mit Konsequenzen für
die Leistungsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe als rahmengebende Bedingungen. Diese sind ebenso kritisch wie unabhängig zu hinterfragen. Zumal die Aufarbeitung doch das Wohl
der Kinder zum Ziel hat. Hoffentlich.
Roland Berner, Leitung Kernteam Jugend, Bildung und Migration
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Schwerpunkt Inklusion
„DUICHWIR – Alle inklusive“
PARITÄTISCHER beteiligt sich mit regionalen Aktivitäten an Inklusionskampagne des Landes
STUTTGART Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg beteiligt sich an der mit dem Inklusionsprozess zusammenhängenden Öffentlichkeitskampagne „DUICHWIR – Alle Inklusive“ des Landes Baden-Württemberg. Nach einer ersten
Aktionsrunde im Dezember 2014 steht eine zweite Runde
im Mai 2015 bevor.
Mit der Öffentlichkeitskampagne „DUICHWIR – Alle Inklusive“
hat das Sozialministerium Baden-Württemberg Anfang Dezember letzten Jahres die Initiative ergriffen, um die Anliegen von
Menschen mit Behinderungen zu den Bürgerinnen und Bürgern
vor Ort zu tragen und verstärkt über Kooperationspartner/-innen
und Multiplikatoren/-innen ein möglichst großes positives öffentliches Echo zu erzielen.
Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland rechtsverbindlich. Sie beschreibt die Rechte, die Menschen
mit Behinderungen haben und die Verpflichtungen für staatliche Stellen, diese Rechte sicher zu stellen. Ein wichtiges Ziel
und zugleich Voraussetzung für das Gelingen von Inklusion ist
die Bewusstseinsbildung, denn Teilhabe findet in den verschiedenen Lebensbereichen statt, aber ebenso in den Köpfen aller
Beteiligten. In Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention
werden alle staatlichen Stellen verpflichtet, das Bewusstsein für
die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu fördern. Dem Sozialministerium
Baden-Württemberg ist es gelungen, ein breites Bündnis von
Partnern für die Kampagne „DUICHWIR – Alle inklusive“ zu gewinnen. Unter anderem gehören auch die Wohlfahrtsverbände
diesem Bündnis an. Die Schwerpunktthemen der Kampagne
sind „Barrierefreies Wohnen und Nachbarschaft“, „Freizeit, Kultur und Sport“ sowie „Mitbestimmen“. Die Aktivitäten und Informationen aller Partner der Kampagne sind auf der Kampagnenwebsite www.inklusion-duichwir.de/startseite/ zu finden.
Barrierefreiheit als wichtiger Impuls für Inklusion
Der PARITÄTISCHE hat in Verbindung
mit der Kampagne des Landes bei seinem ersten Aktionsschwerpunkt um
den 3. Dezember 2014 herum (Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung) über die Kreisverbände und Regionalgeschäftsstellen vor Ort den „BarriereChecker“ – eine Broschüre mit Hinweisen
zur Vermeidung und Abschaffung von
Barrieren – in einer größeren Stückzahl an
öffentliche Institutionen verteilt.
Die Broschüre „Der Barriere-Checker – Veranstaltungen barrierefrei planen“ listet auf, was getan werden muss, damit alle dazu
gehören. Alle sollen dabei sein und teilnehmen können. Das
klingt einfach, doch um diesem Anspruch von Inklusion gerecht
zu werden, gilt es für die Organisation von Veranstaltungen einiges zu bedenken – ganz gleich ob es sich um einen Elternabend, eine Tagung oder einen größeren Kongress handelt. Um
bei der Umsetzung von Barrierefreiheit im Rahmen von Veranstaltungen behilflich zu sein, hat der PARITÄTISCHE BadenWürttemberg die Broschüre des Landesverbandes Hessen adaptiert. Die Broschüre ist weiterhin zum Download unter
www.paritaet-bw.de auf der
Internetseite zu finden.
Netzwerk Inklusion
FREIBURG Das Netzwerk Inklusion Region Freiburg plant
für den 5. Mai 2015 mehrere inklusive Stadtführungen zu
den Themen „Das Innenstadtrathaus“, „Geschichte Freiburger Frauen“ und „Freiburg: Gässle, Bäche und Freiburger Münster“.
Zudem ist im Mai eine gemeinsame Fortbildung mit dem
PARITÄTISCHEN Kreisverband Freiburg im Rahmen des Projektes PFIFF (Projekt für inklusive Freizeit Freiburg) zum Thema „Organisation einer barrierefreien Veranstaltung“ geplant.
Diese wird am 11. Mai 2015 von 15.30 bis 18 Uhr im Green
City Hotel Vauban stattfinden. Als Referentinnen konnten
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Katja Lüke (Projekt Inklusion, Der PARITÄTISCHE Landesverband Hessen) und Daniela Schmid (Mitglied des Behindertenbeirats Freiburg) gewonnen werden. Die Weiterbildung
thematisiert die geeignete Auswahl des Veranstaltungsortes,
Tipps bei der Bereitstellung von Essen und Trinken sowie Hinweise bei Redebeiträgen und Präsentationen. Außerdem
wird auf unterschiedliche Barrieren, auf die Menschen je nach
ihrer Behinderung stoßen können, aufmerksam gemacht.
n Kontakt
Annika Beutel, [email protected]
Marktplatz für Gute Geschäfte
KARLSRUHE In Zusammenarbeit mit dem ZKM | Zentrum für
Kunst und Medientechnologie Karlsruhe veranstaltet der PARITÄTSCHE Kreisverband Karlsruhe unter dem Motto „Wirtschaft und Gemeinnützige als Partner“ am 19. Mai 2015 den
dritten Markplatz für Gute Geschäfte, gefördert von der
GlücksSpirale. Teilnehmen können alle interessierten Unternehmen und in Karlsruhe tätige gemeinnützige Organisationen aus Sport, Kultur, Bildung und Sozialwesen. Für Unternehmen findet am 23. April 2015 ein Informationsfrühstück
statt. Zur Vorbereitung der gemeinnützigen Organisationen
ist die Teilnahme an einem Workshop verbindlich.
Inklusion im Kontext des
Europäischen Gleichstellungstages
Im Mai 2015 soll im Umfeld des 5. Mai (Europäischer Gleichstellungstag für die Rechte von Menschen mit Behinderung) bis
zum 23. Mai im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg ein zweiter Kampagnenschwerpunkt im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitskampagne des Landes durchgeführt werden. Hier
stehen örtlich relevante Inklusionsthemen und -anliegen im
Vordergrund. Die Akteure im PARITÄTISCHEN wollen sich dabei
zum Grundsatz machen, diesbezügliche Aktivitäten und Aktionen jeweils mit Mitgliedsorganisationen und Betroffenen im
Bereich der Menschen mit Behinderungen auf die Beine zu stellen und dabei vor allem fürsorgerisch ausgerichtete Aktionen
(eher für statt mit Menschen mit Behinderungen) in den Hintergrund zu drängen. Wie bereits bei der Kampagne „Generationen verbinden“ bietet die Landesgeschäftsstelle einen Unterstützungsrahmen mit gemeinsamer Internetseite für die einzelnen Aktivitäten und begleitende Materialien.
Örtliche Kristallisationspunkte für Inklusionsanliegen sind im
Monat Mai schon traditionsgemäß Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Aktionstag am 5. Mai. Wie in all den Jahren zuvor
unterstützt Aktion Mensch auch in diesem Jahr wieder Aktionen, die mit dem Protesttag zur Gleichstellung von Menschen
mit Behinderung an diesem Tag verbunden werden können.
Einige der Kreisverbände und Regionalgeschäftsstellen beteiligen sich bereits seit Jahren an diesem Aktionstag entweder
solitär oder eingebunden in örtliche LIGA-Aktivitäten und sind
dabei, auch dieses Jahr wieder Vorhaben zu planen.
Auf die Situation von Menschen mit Behinderung in Deutschland aufmerksam zu machen und sich dafür einzusetzen, dass
alle Menschen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben
können, das ist das Ziel des Europäischen Protesttags zur
Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Seit 20 Jahren
veranstalten Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe rund um den 5. Mai überall in Deutschland
Podiumsdiskussionen, Informationsgespräche, Demonstrationen und andere Aktionen. Dabei geht es darum, die Kluft zwi-
Beim Karlsruher Marktplatz für Gute Geschäfte treffen gemeinnützige Organisationen in einer Art Speed Dating auf
engagierte Unternehmen, erfahren im persönlichen Gespräch, was die Unternehmen anbieten, und knüpfen sinnvolle Engagementbeziehungen. Und das alles binnen kürzester Zeit. 90 Minuten wird lebhaft gehandelt, werden
Vereinbarungen getroffen oder Visitenkarten getauscht.
Nach Geldspenden wird beim Marktplatz nicht gefragt –
das Handeln um Geld ist tabu. Vielmehr geht es um Sachspenden, Fachwissen oder Teameinsätze von Mitarbeitenden. Am Ende entstehen neue Partnerschaften, gute Taten
und viel bürgerschaftliches Engagement.
n
Kontakt
Ulrike Sinner, Der PARITÄTISCHE
Regionalgeschäftsstelle Karlsruhe
Telefon 0721 | 912 30-21, [email protected]
www.paritaet-bw.de/kvka
Fotoausstellung und „SpielBar“
HEIDELBERG Der PARITÄTISCHE und die FreiwilligenAgentur
Heidelberg planen gemeinsam mit dem Heidelberger Beirat
von Menschen mit Behinderungen (bmb) eine Fotoausstellung unter dem Titel: „anders? – engagiert!“. Portraitiert werden Menschen mit Behinderungen, die sich freiwillig/ehrenamtlich engagieren – in Engagementfeldern, die man vielleicht nicht erwartet. In Kürze gibt es weitere Informationen
unter www.anders-engagiert.de.
Der PARITÄTISCHE Kreisverband Heidelberg/Rhein-Neckar
greift das Motto „#begegnet_in“ der Aktion Mensch auf und
veranstaltet gemeinsam mit der FreiwilligenAgentur eine
„SpielBar“. Bei einem Workshop am 9. Mai 2015 soll mit Akteuren aus verschiedenen Mitgliedsorganisationen und weiteren Interessierten mit und ohne Behinderungen ein Spiel
entwickelt werden, dass das Thema Inklusion aufgreift und
für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden kann.
n
Weitere Informationen
Ralf Baumgarth, Der PARITÄTISCHE Heidelberg
Telefon 06221 | 72 62-170, [email protected]
www.paritaet-hd.de
17
Schwerpunkt Inklusion
schen dem im Grundgesetz verankerten Anspruch der Gleichberechtigung für alle Menschen und der Lebenswirklichkeit
Stück für Stück zu überwinden. Bei dieser Gelegenheit setzen
sich die Vertreter/-innen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe
gemeinsam für Fortschritte auf politischer und gesellschaftlicher Ebene ein. Es gilt aber auch, immer mehr Bürger/-innen
dafür zu gewinnen, sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung zu engagieren und den Forderungen nach einer Gesellschaft für alle Menschen Nachdruck zu verleihen.
„#begegnet_in“ – Motto der Aktion Mensch
Begegnungen ermöglichen, sich näher kennenlernen, miteinander statt übereinander reden, Unsicherheiten im Umgang
mit dem Anderen verlieren und Vorurteile beseitigen, das ist
das Ziel des diesjährigen Aktionstages am 5. Mai. Deshalb stellt
die Aktion Mensch den 5. Mai 2015 unter das Motto „#begegnet_in“. Das Motto ist gleichzeitig ein Hashtag, da nicht nur Begegnungen in der realen Welt, sondern auch im Internet gefördert werden sollen. Die Aktionen sind auf der Internetseite von
Aktion Mensch dokumentiert.
Diesem Aktionstag und einer möglichen Beteiligung auf regionaler Ebene sollte 2015 auch deshalb etwas mehr Augenmerk
geschenkt werden, weil zeitgleich die Öffentlichkeitskampagne des Landes zur Inklusion in Baden-Württemberg stattfindet und sich bei einer Beteiligung am Aktionstag eine gute
Verbindung zwischen diesen beiden Aktionsformen herstellen
lässt. So wurde dies auch Ende letzten Jahres beim Arbeitstreffen der Regionalgeschäftsstellen gesehen. Mit einer Beteiligung am Aktionstag können sozusagen zwei Fliegen mit einer
Klappe geschlagen werden. Deshalb soll vom 5. bis 23. Mai 2015
eine Beteiligung des PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg an
der Inklusionskampagne mit regionalen Schwerpunkten umgesetzt werden, die sich mehr oder weniger um den Aktionstag
zum 5. Mai gruppieren.
Über die beiden hier vorgestellten Aktionsschwerpunkte und
die Aktivitäten einzelner Regionalgeschäftsstellen gibt es in
den Reihen paritätischer Mitgliedsorganisationen – zuvorderst
im Bereich der Behindertenhilfe – viele inklusiv ausgerichtete
Aktivitäten über das ganze Jahr verteilt, die sich in einen umfassenden gesellschaftlichen Prozess einreihen und zugleich über
die Inklusionskampagne hinaus eine längerfristige Herausforderung für die Öffentlichkeitsarbeit als auch für die sozialpolitische Lobbyarbeit des PARITÄTISCHEN bleiben werden. Einige
Beispiele werden nachfolgend in diesem Heft vorgestellt.
Kontakt
Dr. Hermann Frank
Stabsstelle Grundsatzfragen
Telefon 0711 | 21 55-208
[email protected]
www.paritaet-bw.de
18
Eine Handvoll Inklusion
MANNHEIM Bei der Eröffnungsveranstaltung zur einjährigen Inklusionskampagne am 3. Dezember 2014 auf dem
Mannheimer Weihnachtsmarkt mit Sozialministerin Katrin
Altpeter und dem Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz nahmen Eva-Maria Wittmann als Vertreterin der
Reha-Südwest Regenbogen und Kreisvorstandsmitglied
an der Talkrunde unter dem Motto „Eine Handvoll Inklusion“ teil. Ebenso vertreten war der Mitgliedsverband „AG
Barrierefreiheit Rhein-Neckar e. V.“, deren Vertreterin Elke
Campioni dem Publikum im Interview mit dem SWR schilderte, welche Alltagsprobleme eine Rollstuhlfahrerin meistern muss, um wie andere gleichberechtigt am öffentlichen
Leben teilhaben zu können.
Auf dem Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters am
6. Januar 2015 im Mannheimer Rosengarten war der PARITÄTISCHE Kreisverband Mannheim zusammen mit zwölf
Mitgliedsorganisationen vertreten. Kreisverbandliches Thema war hier die Inklusionskampagne, speziell wurde die
vom Landesverband mit herausgegebene Broschüre „Der
Barriere-Checker. Veranstaltungen barrierefrei planen“ beworben und an das interessierte Publikum verteilt.
Am 8. Mai 2015 findet mit Unterstützung der PARITÄTISCHEN Regionalgeschäftsstelle Mannheim die Veranstaltung „Sechs Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – Wie
weit ist Mannheim?“ in der Mannheimer Abendakademie
statt. Prominente Referentin ist Dr. Sigrid Arnade von der Interessengemeinschaft Selbstbestimmt Leben e. V. (ISL). Sie
wird die wesentlichen Bestimmungen der Konvention in
Bezug auf Barrierefreiheit beleuchten. Gleichzeitig werden
auch Vertreter der Kommunalpolitik in den Ablauf eingebunden, um gemeinsam Aspekte einer zukünftigen inklusiven Stadtplanung zu erörtern und weiterzuentwickeln.
n Kontakt: Horst Hembera
PARITÄTISCHE Regionalgeschäftsstelle Mannheim,
Telefon 0621 | 33 67 49-9, [email protected]
www.paritaet-bw.de/kvma
Inklusive Erwachsenenbildung
Die Lebenshilfe setzt auf gemeinsame Erwachsenenbildung nah am Menschen
Inklusive Erwachsenenbildung bedeutet: Menschen mit Behinderung, Senioren,
Migranten − JEDER soll teilnehmen dürfen!
Ein junger Mann kommuniziert mit seiner Bildungsassistentin anhand
der gestützten Kommunikation.
STUTTGART „Erwachsenenbildung Inklusiv“, ein neues Projekt vom Landesverband der Lebenshilfe Baden-Württemberg, gibt es seit dem 1. Oktober 2014. Es verfolgt das Ziel,
eine Erwachsenenbildung für alle voranzutreiben und zu
entwickeln.
zugeben. Beide Dozentengruppen werden vorab anhand einer
bestehenden Handreichung didaktisch und methodisch geschult; zunächst getrennt voneinander und in einer Abschlussschulung gemeinsam. Ein wichtiger Baustein ist dabei auch die
Rolle, die man als Dozent/-in einnimmt und wie sich diese ausgestaltet.
Mit Berufung auf den Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Bildungskonzept des Lebenslangen Lernens
werden erste Schritte zur Entstehung einer inklusiven Erwachsenenbildung eingeleitet. Einer Erwachsenenbildung, die nicht
mehr unterscheidet, sondern Unterschiede zulässt und fördert.
Nun stellt sich die Frage: Was wird benötigt, um dieser Aufgabe
gewachsen zu sein? Zunächst einmal muss Barrierefreiheit auf
allen Ebenen gewährleistet sein. Dies schließt die Zugänge zu
Gebäuden − rollstuhlgerechte Zugänge, behindertengerechte
Sanitäranlagen etc. − ebenso mit ein, wie die Bereitstellung barrierefreier Materialien für eine Seminardurchführung, beispielsweise Texte in Leichter Sprache oder in Braille-Schrift.
Inklusive Tandems leiten
Bildungsveranstaltungen
Des Weiteren benötigt man Personen, die pädagogisch geschult sind, um auf didaktischer, methodischer und professioneller Ebene inklusive Bildungsangebote durchzuführen. Ein
erster Schritt ist daher, die Vorbereitung und Schulung angehender Dozenten/-innen. Das Projekt geht aber noch einen
Schritt weiter. So soll auch Menschen mit Behinderung die
Möglichkeit gegeben werden, als Dozent/-in an Bildungsveranstaltungen mitzuwirken. Dies soll in Form von sogenannten
Tandems stattfinden. Das bedeutet, dass eine Lehrperson mit
und eine ohne Behinderung gemeinsam eine Lehrveranstaltung leiten. Damit erhalten auch Menschen mit Behinderung
die Chance, Verantwortung zu übernehmen und Wissen weiter-
Einführungsveranstaltung Anfang 2015
Um dieses Vorhaben realisieren zu können, werden vor allem
Kooperationspartner aus der öffentlichen Weiterbildung benötigt, die Interesse am Entstehungs- und Entwicklungsprozess
einer inklusiven Erwachsenenbildung haben. Im Frühjahr 2015
wird es eine Einführungsveranstaltung zum Projekt geben, indem das Projekt und bisherige Projektfortschritte vorgestellt
werden. Im Laufe des Jahres werden die Schulungen für die
Dozenten/-innen angeboten, Bildungsveranstaltungen durchgeführt und diese evaluiert. Am Ende des Jahres 2015 wird es
einen Abschlussfachtag geben, indem die Ergebnisse präsentiert werden und ein Ausblick auf die Nachhaltigkeit einer inklusiven Erwachsenenbildung gewagt wird.
Das Ziel ist: Eine gemeinsame Erwachsenenbildung anzubieten, die nah an den Menschen ist, aber im öffentlichen Raum
stattfindet.
Kontakt
Dennis Kuhlmann MA
Bildungsreferent beim Landes verband der Lebenshilfe BW
Telefon 0711 | 255 89 28
[email protected]
www.lebenshilfe-bw.de
19
Schwerpunkt Inklusion
MOVE – Mobilität verbindet
Mehr Teilhabe durch selbstständige Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs
Beiratssitzung
GOMARINGEN Mobilität bietet die Möglichkeit, selbstständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und mit dabei zu sein. Inklusion ist nur durch Teilhabe möglich. Solange Menschen mit Behinderungen nicht selbstständig Ziele
wie Arbeitsstelle, Schule, Bildungseinrichtungen oder Freizeitangebote erreichen können, bleiben sie abhängig. Das
Projekt „MOVE – Mobilität verbindet“ setzt hier an und bietet Lösungen, die auf mehreren Ebenen greifen. Das Projekt
wurde mit dem mitMenschPreis 2014 des Bundesverbandes
Deutscher Behindertenhilfe ausgezeichnet.
Begleitpatenschaften
Menschen mit Behinderung werden häufig mit Sonderfahrdiensten an den Arbeitsplatz oder in die Schule gefahren. Die
Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wird aus Zeit- und Kostengründen oft nicht geübt bzw. den jeweiligen Menschen mit Behinderung nicht zugetraut. Nach langjähriger Nutzung von Sonderfahrdiensten tritt ein Gewöhnungseffekt ein, der die Motivation zum Wechsel auf öffentliche Verkehrsmittel erschwert. Im
Rahmen des Projektes MOVE wird Menschen mit Behinderung
ein/e Begleitpate/-in an die Seite gestellt, der oder die gemeinsam die gewünschten Fahrstrecken übt und die Person an die
selbstständige Nutzung heranführt. Rollstuhlfahrer/-innen
lernen beispielsweise den sicheren Einstieg in einen Bus oder
Zug mittels Klapprampe/Hublifter oder Straßenüberquerungen
über Bordsteinabsenkungen zu meistern. Menschen mit einer
geistigen Behinderung lernen, die Fahrpläne zu verstehen und
sich räumlich zurechtzufinden. Auch für Menschen mit einer
psychischen Erkrankung ist das Projekt konzipiert. Es unterstützt
sie im Fall von Ängsten zum Beispiel in überfüllten Abteilen.
Kontakt
Kai Krudewig, Projektleitung MOVE – Mobilität verbindet
Telefon 07071 | 92 05 95 33
[email protected]
Freundeskreis Mensch e.V.
Tübingen
www.freundeskreismensch.de
20
Fahrtraining im öffentlichen Nahverkehr
gibt Sicherheit und Unabhängigkeit.
Strukturveränderung im Personennahverkehr
Das Projekt MOVE hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedingungen
für Menschen mit Behinderung bei der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs zu verbessern. Aus diesem Grund
wurden Kooperationsverträge mit Verkehrsbetrieben geschlossen und partnerschaftlich Verbesserungen angeregt und umgesetzt. Die Kennzeichnung von Buslinien durch Symbole im
Stadtverkehr Tübingen, aber auch die Schulung von Bus- und
Zugfahrern/-innen sowie Zugbegleitern/-innen sind hierfür gelungene Beispiele. Um auch auf politischer Ebene die Thematik
zu platzieren und über Multiplikatoren zu verbreiten, wurde ein
Beirat ins Leben gerufen. Unter dem Vorsitz von Landrat Joachim Walter, zugleich Schirmherr des Projektes, wurden Möglichkeiten besprochen, wie Kommunalverwaltungen, Verkehrsbetriebe, Förderschulen oder Beratungseinrichtungen in ihren Bereichen Anstöße zur Verbesserung geben können. Langfristig ist
geplant, das Angebot zur Mobilität für Menschen mit Behinderung unter anderem als Teil der Leistung der Eingliederungshilfe
zu etablieren.
Mobilität verbindet – anregende Begegnungen
Um Berührungsängste in der Bevölkerung abzubauen und die
Mobilität und Teilhabe aller in das Bewusstsein zu tragen, präsentiert sich das Projekt bei vielen Veranstaltungen und informiert in zahlreichen Printmedien über Mobilität von Menschen
mit Behinderung. Das vermehrte Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln durch Menschen mit Behinderung und ihren
Begleitpaten/-innen verändert zudem die Wahrnehmung der
Bevölkerung und führt zu Begegnungen, die für beide Seiten
anregend und horizonterweiternd sind. Ganz im Sinne des Mottos: Mobilität verbindet. Das Projekt wird gefördert von Aktion
Mensch und der Paul Lechler Stiftung.
„Das war Gänsehaut pur!“
Netzwerk für inklusive Freizeit- und Bildungsangebote bei der Lebenshilfe
BRUCHSAL Seit ihrem Bestehen hat die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten vielfältige Netzwerke entwickelt. Mit dem Projekt „Soziales Netzwerk“ wurde ein innovatives, spezielles
Netzwerk geschaffen, welches Menschen mit Handicap dabei unterstützt, in ihrem Sozialraum an vielfältigen Freizeitund Bildungsangeboten teilzunehmen.
Der Aufbau des „Sozialen Netzwerkes“ der Lebenshilfe startete
vor acht Jahren mit inklusiven Kooperationen verschiedener
Vereine, Kirchengemeinden, Kommunen, Familien- und Jugendzentren sowie anderen Organisationen. Diese Projekte sollten
im gesamten Einzugsgebiet verteilt sein. Mit der Einrichtung des
Netzwerkbüros in Waghäusel wurde eine feste Anlaufstelle im
Einzugsgebiet geschaffen. Unterstützung erfährt das „Soziale
Netzwerk“ vom Landratsamt Karlsruhe. Der Bedarf hierfür steigt
stetig, da es immer mehr Menschen mit Behinderung gibt, die
im Ambulant Betreuten Wohnen leben und/oder auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten – und somit nicht in Wohnheimen
leben. Dort haben sie oft keinen Kontakt zu ihren Nachbarn/innen. Hier setzt das Projekt an.
Gut vernetzt…
Mitarbeiter/-innen des Netzwerkes sind regelmäßig in den Gemeinden präsent. Sie entwickeln gemeinsam mit Menschen mit
Handicap eine Vorstellung dessen, was sie in ihrer Freizeit unternehmen möchten und treten dann in Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Akteuren. Zunächst müssen Vereine und andere
Gruppen überzeugt werden. Menschen mit Handicap müssen
erst einmal an die Angebote herangeführt werden, um diese
kennenzulernen. So entstehen inklusive Angebote. Für die Mitarbeitenden bedeutet dies, immer die „Fühler“ auf der Suche
nach Anknüpfungspunkten auszustrecken und Schnittstellen
zu finden, wo sich Menschen mit Behinderungen aktiv im Gemeinwesen einbringen können.
Musizieren verbindet
Die Beispiele für gelebte Inklusion sind vielfältig: etwa die Kooperationen mit dem Judoverein Karlsdorf, dem Fischerverein
Graben-Neudorf, dem Flehinger Tischtennis Club 72 oder der
Guggenmusikgruppe „Die Weihwasserengel“ aus Heidelsheim.
Dort kommen Menschen jeden Alter, mit und ohne Handicap
zusammen, um gemeinsam zu musizieren und ihrem Publikum
kräftig einzuheizen. Von 50 Mitgliedern der Gruppe haben 12
Musiker ein Handicap. „Der Kontakt entstand durch Rüdiger
Lumpp, ein Mitarbeiter der Lebenshilfe mit Handicap. Er vermittelte unseren ersten Auftritt beim Fasching der Lebenshilfe. Wir
waren fasziniert von der Lebensfreude und Spontanität des Publikums. Der Begeisterung beim Spielen folgte die Einladung
zum Mitmachen“, erinnert sich Andrea Boudgoust, Gründungsmitglied der Weihwasserengel.
„Das gemeinsame Musizieren macht viel Spaß. Dieses Jahr spielten wir zum ersten Mal das Lied „Atemlos“. Bläser und Trommler
gaben alles. Das war Gänsehaut pur“, schwärmt Andrea Boudgoust.„Mir macht es einen Riesenspaß aufzutreten und wir sind
alle sehr freundlich aufgenommen worden“, erzählt Rüdiger
Lumpp. „Es macht Mut und gibt ein gutes Gefühl, etwas Öffnendes und Verbindendes zu tun, was allen Beteiligten gut tut
und Wirkung in die Gesellschaft hat“, bestätigt auch Klemens
Ellmann, Leiter der Weihwasserengel.
Fasching in der Walseehalle in Forst, zu der die Lebenshilfe seit Jahren
einlädt. Unter Mitwirkung zahlreicher Vereine aus der Region wird
dabei immer ein buntes, vielfältiges Programm geboten, bei dem
die „Weihwasserengel“ aus Heidelsheim eine feste Größe sind.
Kontakt
Claudia Schuler
Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen
Bezirk Bruchsal-Bretten e. V.
Telefon 07251 | 715-188
[email protected]
www.lebenshilfe-bruchsal.de
21
Schwerpunkt Inklusion
Neue Perspektiven gewinnen
Kurse für Inklusionsbegleiter sollen Berührungsängste auf beiden Seiten abbauen
MÖSSINGEN Wie begrüßt man bei einem gesellschaftlichen
Ereignis einen Mann ohne Arme? Wünscht und braucht die
Frau, die mit einem weißen Stock am Zebrastreifen steht,
meine Hilfe? Häufig zeigt sich in solchen eigentlich alltäglichen Situationen, dass Inklusion in unserer Gesellschaft
noch längst keine Selbstverständlichkeit ist.
Der Wunsch, eine vermeintlich peinliche Situation zu vermeiden
und ein Gefühl der Unsicherheit bezüglich des eigenen Verhaltens hält Menschen ohne Behinderung allzu oft von einer Kontaktaufnahme ab. Hemmungen kann es aber auch umgekehrt
geben, wenn eine Person mit Behinderung sich zum Beispiel in
einer ungewohnten Umgebung unsicher fühlt, sich aber ungern
mit der Bitte um Hilfestellung an eine fremde Person wendet.
Unsicherheit ist normal
„Es ist ganz normal, dass Menschen ohne Behinderung unsicher sind, wie sie eine Person ohne Arme begrüßen sollen oder
nicht wissen, in welchen Situationen sie Menschen mit Behinderung eine Hilfestellung anbieten sollen“, sagt Willi Rudolf.
Der 70-Jährige ist Vorsitzender des Landesverbandes Selbsthilfe
Körperbehinderter Baden-Württemberg (LSK) und seit seiner
Kindheit Rollstuhlfahrer. Der LSK hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit einem neuen Kursangebot im
laufenden und im kommenden Jahr zum
Abbau der wechselseitigen Berührungsängste beizutragen. „Machen Sie mit –
werden Sie Inklusionsbegleiter“ lautet
das Motto, unter dem durch Information
und gemeinsame Erlebnisse Barrieren in
den Köpfen abgebaut und gegenseitiges Verständnis gefördert werden sollen. Das Programm zielt darauf ab, in
ganz alltäglichen Situationen zu inklusivem Handeln zu motivieren.
22
Inklusion muss alltäglich werden
Die Kurse mit etwa 15 Teilnehmenden werden je nach Bedarf
und Zielgruppe eintägig oder mehrtägig abgehalten. Der praktische Umgang mit Hilfsmitteln wie dem Rollstuhl gehört ebenso zum Programm wie Informationen über die Lebenssituation
von Menschen mit Behinderung oder Inhalt und Bedeutung
der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. „Nur wer die Bedürfnisse und Grenzen des Anderen
kennt, kann im Alltag gezielt Unterstützung anbieten“, heißt es
im Flyer zum Kursangebot. Und genau das ist das Ziel: Die Teilnehmenden sollen in die Lage versetzt werden, nach dem Besuch eines Kurses als Inklusionsbegleiter/-innen im Alltag zu
wirken. Als ehrenamtliche Multiplikatoren/-innen können sie
dann in ihrem jeweiligen privaten und beruflichen Umfeld zeigen, dass Berührungsängste überflüssig sind und Kommunikation die Grundlage für gegenseitiges Verständnis ist. Außerdem
werden sie bei Veranstaltungen des LSK zur Unterstützung eingeladen und durch Folgeschulungen betreut.
Andere im Engagement unterstützen
Sich ehrenamtlich engagieren und im Lebensumfeld einbringen, möchten auch viele Menschen mit einem Handicap. Oft
sind es scheinbar kleine Barrieren, zum Beispiel baulicher Art,
die sie daran hindern. Hier könnten die Inklusionsbegleiter/innen helfen, damit sich solches Engagement von Menschen
mit Behinderung tatsächlich entfalten kann. Es besteht offenkundig Bedarf an einem solchen Angebot: Das erste LSK-Seminar zur Inklusionsbegleitung, das im April in Krautheim/
Jagst stattfindet, ist bereits ausgebucht. Weitere Seminare sind
zurzeit in Vorbereitung.
n
Das Projekt „Inklusionsbegleiter“ wird gefördert durch die
Baden-Württemberg Stiftung und wird in Kooperation mit
der Paul-Lechler-Stiftung und mit Unterstützung der Aktion
Mensch durchgeführt.
Weitere Informationen gibt es im Internet unter
www.inklusionsbegleiter.de
www.lsk-bw.de oder www.barrierefrei-2014.de
Es lebe der Unterschied
Bewegende filmische Einblicke in das inklusive Tanzprojekt Carmina
WELZHEIM „Carmina – Es lebe der Unterschied“ dokumentiert ein einzigartiges internationales Tanzprojekt der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle.
Ein Ensemble bestehend aus Menschen mit und ohne Behinderungen, Real- und Förderschülern/-innen, professionellen Tänzern/-innen und Laien bringt die Carmina Burana
von Carl Orff unter Leitung der renommierten Choreografen Wolfgang Stange, Volker Eisenach und Royston Maldoom auf die Bühne.
Der Dokumentarfilm zeigt die Proben, die Höhe- und die Tiefpunkte – aber auch ein Happy End. Gleichzeitig betritt er inhaltlich und formal unbekanntes Terrain: Dass über 300 behinderte
und nicht-behinderte Akteure in einem Tanzprojekt miteinander arbeiten, ist in dieser Form neu – hier begegnen sich Menschen, die sonst in Parallelwelten leben.
Wird der Förderschüler Lukas – ein indisches Adoptivkind – seine Berührungsängste vor den „Behinderten“ verlieren? Kann
sich der Schulabgänger Ali, der sich zunächst komplett verweigert, überwinden, ein Solo vor über 1.200 Zuschauern/-innen zu
tanzen? Es bleibt nahezu unvorstellbar, dass aus nur drei Wochen intensiver Probenarbeit eine anspruchsvolle Performance
werden soll.
Dem Dokumentarfilm liegen 80 Stunden Material zugrunde. Daraus einen berührenden Film mit dem nie abreißenden roten
Faden „Inklusion“ zu machen, war ein großes Stück Arbeit für
den Filmemacher Sebastian Heinzel. Doch es
ist gelungen. Er erntete höchstes Lob. „Ich war
an vielen Stellen sehr gerührt und an keiner
Stelle auch nur ansatzweise gelangweilt“, sagt
Es lebe der Unterschied!
der Choreograf Volker Eisenach.
“Alle reden von Inklusio
n. Dieser Film zeigt, wie
sie gelingt.”
STUTTGARTER ZEITUNG
CARMINA
n Weitere Informationen im Internet
unter www.carmina.de können
der Dokumentarfilm „Carmina –
Ein Film von SEBASTIAN
HEINZEL
Es lebe der Unterschied“ sowie der
Livemitschnitt der Open-Air-Auf führung als Doppel-DVD zum
Preis von 19,90 Euro zzgl. Porto bei
der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft
Laufenmühle e.V., Laufenmühle 8, 73642 Welzheim,
Telefon 07182 | 80 07-0, Fax 07182 | 80 07-13,
[email protected] bestellt werden.
EINE PRODUKTION VON HEINZELFILM
IN KOOPERATION MIT DER
WINNENDEN UND DER JANUSZ-KORCZAK
CHRISTOPHERUS LEBENSUND ARBEITSGEMEINSC
HAFT LAUFENMÜHLE NACH
KAMERA UND SCHNITT SEBASTIAN-SCHULE WELZHEIM MIT WOLFGANG STANGE,
CARMINA BURANA VON
VOLKER EISENACH, ROYSTON
HEINZEL ORIGINALTON ALEX
CARL ORFF UNTER MITWIRKUNG
MALDOOM, GISELA BULANT,
RUBIN ZUSÄTZLICHE KAMERA
DER ALBERTVILLE REALSCHULE
ALI LLAPJANI U.A. IDEE DIETER
NATHALIE SCHULTEN, THOMAS
EINHÄUSER PROJEKTLEITUNG
RIEDELSHEIMER, LUKAS
PHILIPP EINHÄUSER
KIPPELT, THOMAS VOGEL
BUCH UND REGIE SEBASTIAN
HEINZEL
»Unbedingt anschauen
Wir danken unseren Unterstützern
von
– sehenswert!«
Quillfeldt,
Empfehlung von Petra von
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Einfach zu schön, um daheim zu bleiben
Barrierefreie Ziele auf der Schwäbischen Alb im Freizeitführer Erfahrbar
REUTLINGEN Erfahrbar 2015/16, der Freizeitführer für barrierefreie Ziele im Biosphärengebiet Schwäbische Alb, ist erschienen. Alle Menschen, die Barrierefreiheit brauchen oder einfach nur gut
finden, können damit das Biosphärengebiet Schwäbische Alb erleben.
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www.roth-grafik.de
Die Reutlinger Computer Oldies haben
zum sechsten Mal barrierefreie Ausflugs2015 | 2016
ziele gesammelt und getestet. Dazu sind
sie mit zwei Rollstuhlfahrerinnen unterwegs. Ein Schieberollstuhl, der in vielem einem Kinderwagen
ähnelt und mit dem man ein paar Stufen mit Hilfe überwinden
kann, und einem E-Rollstuhl, der eher einem Rollator gleicht
und mit dem jede Schwelle zu einem Problem wird. Zu den
schon vorhandenen Touren, die nach Metzingen, Reutlingen,
Pfullingen, Münsingen und auf die Schwäbische Alb führen, kamen eine Tour Eninger Weide, ein Abstecher in den Schönbuch,
eine Tour Alb-Donau und neue Museen und Gaststätten in der
Region neu hinzu.
03.12.14 10:11
Erfahrbar-X bear
15.10.indd 1
Jede Tour hat Ideen zu Kultur, Natur und Kulinarischem. Ergänzt
werden die Touren durch Bäder, Hotels und Gaststätten, barrierefreie Cafés, Einkauftipps und Möglichkeiten, die Kernzone des
Biosphärengebiets rund um Münsingen näher zu erkunden.
Entdecken Sie Streuobstwiesen, historische Stadtkerne, Natur
inmitten der Stadt Reutlingen, kleine Kirchen an der Lauter und
Kunst auf Eiern im Ostereimuseum. Sie werden überrascht sein,
wie viele Möglichkeiten es für Eltern mit Kinderwagen, für
Rollifahrer/-innen und für Menschen mit Gehhilfen gibt. Dieser
Teil vom Ländle ist einfach zu schön, um daheim zu bleiben.
n Weitere Informationen im Internet unter
www.erfahrbar-rt.de
Der Freizeitführer ist kostenlos in den Rathäusern
und beim Reutlinger Generalanzeiger sowie gegen
einen Unkostenbeitrag von zwei Euro bei
Jutta Kraak, Schulstraße 11, 72805 Lichtenstein,
Telefon 07129 | 602 91, [email protected] erhältlich.
23
Fotonachweis: © Matthias Ritter
Schwerpunkt Inklusion
Fotonachweis: © Philip Rothe
Mit Engagement Begegnung ermöglichen
Inklusion beim von der FreiwilligenAgentur organisierten Freiwilligentag
HEIDELBERG Der Freiwilligentag „wir schaffen was“ der Metropolregion Rhein-Neckar ist mit knapp 300 Projekten an
fast 70 Standorten und rund 6.000 teilnehmenden Freiwilligen eine „richtig große Nummer“. Die FreiwilligenAgentur Heidelberg, vormals FreiwilligenBörse, organisierte diesen Tag für die Stadt Heidelberg und verschiedene Unternehmensteams an mehreren Standorten.
Fünf inklusive Projekte am Freiwilligentag dabei
Bei der Planung für den Aktionstag am 20. September 2014 entstand die Idee, den Freiwilligentag auch zu nutzen, um Bewusstsein für das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. „Der Freiwilligentag ist eine ideale Gelegenheit, um Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen
zu schaffen und Berührungsängste über das gemeinsame Tun
in einem Projekt abzubauen“, erläutert Ralf Baumgarth, Geschäftsführer der FreiwilligenAgentur und des PARITÄTISCHEN
Heidelberg, das Vorhaben. „Wir wollten deutlich machen, dass
Inklusion nicht nur ein Thema im Bereich der Bildung oder auf
dem Arbeitsmarkt ist − sondern auch in der Freizeit oder beim
freiwilligen Engagement.“
Das Ergebnis lässt sich sehen. Am 20. September 2014 waren in
Heidelberg insgesamt 25 verschiedene Projekte am Start – fünf
davon hatten das Thema Inklusion ganz klar im Fokus und richteten sich an Menschen mit und ohne Behinderung als Freiwillige:
Inklusiver Besserwerde-Chor/Beschwerde-Chor /
bmb – Beirat von Menschen mit Behinderungen
Menschen, die Spaß am Singen haben, besangen auf
humorvolle Weise Missstände, die in Heidelberg unbedingt geändert oder verbessert werden sollen.
n
Mach dein Radio/BiBeZ e.V.
Beim Radio-Workshop in Kooperation mit dem Bermudafunk für Frauen mit und ohne Behinderung ab 16 Jahren
ging es darum, „Beiträge zu machen“ − von der Aufnahme
bis zur technischen Bearbeitung.
n
Engagement für die Ohren/FreiwilligenAgentur Heidelberg
Inklusiv besetzte Reporterteams interviewten die
anderen Freiwilligen in den Heidelberger Projekten
beim Freiwilligentag.
n
Schlemmerrunde – inklusiv!/inklusiv leben gGmbH
Junge Erwachsene mit und ohne Handicap kochten
gemeinsam und genossen die Speisen zusammen.
n
Wir-jammen-was/Kopeli
Eine Jamsession einer Musikband, die aus Menschen
mit und ohne Behinderung bestand, und bei der
Besucher/-innen gerne zu einem Instrument greifen
und mitjammen durften.
n
Gesagt – getan: bei einem Café der Inklusion am 7. Mai 2014
unter dem Motto „Inklusion und Freiwilliges Engagement“ wurde die Anregung den Vereinen und Organisationen vorgestellt.
Bei der weiteren Vorbereitung des Freiwilligentages informierte die FreiwilligenAgentur alle Projektanbieter, stellte Materialien wie den „Barrierechecker“ zur Verfügung und bot Beratung bei der Projektentwicklung an.
24
Fotonachweis: © Philip Rothe
Fotonachweis: © Matthias Ritter
In diesen Projekten wurden rund 60 Menschen mit und ohne
Behinderung zusammengebracht. „Die Rechnung ist aufgegangen“, zieht Baumgarth ein positives Resümee.„Unsere Hoffnung, dass der Tag dazu beitragen kann, über gemeinsame Interessen in Projekten neue Kontakte zu ermöglichen, Wissen
und Erfahrungen zu teilen und auch das „Defizitdenken“ ein
bisschen verschwinden zu lassen, hat funktioniert.“
n Kontakt
Der PARITÄTISCHE FreiwilligenAgentur Heidelberg
Forum am Park
Poststraße 11, 69115 Heidelberg
Telefon 06221 | 72 62-172
[email protected]
www.freiwilligenagentur-heidelberg.de
Wie bitte?
Die Lebenshilfe Heidelberg plant ein „Büro für Leichte Sprache“
HEIDELBERG Informationen so einfach wie möglich aufzubereiten, ist ein Ziel der Offenen Hilfen bei der Lebenshilfe
Heidelberg. In Zukunft soll ein „Büro für Leichte Sprache“
gewährleisten, dass die Texte auch tatsächlich von Menschen mit geistiger Behinderung verstanden werden.
Fahrtkosten abrechnen, Texte korrigieren, einen Kaffee trinken,
den Büromops kraulen. Viel zu schnell ist er schon wieder vorbei, der halbe Bürotag von Elke Gallian. Im Büro der Offenen
Hilfen arbeitet sie seit zwei Jahren einmal die Woche donnerstags. Offiziell als „Dauerpraktikum“, wie sie ein wenig selbstironisch feststellt. Elke Gallian leistet Pionierarbeit: Als bislang
erste Testleserin für Leichte Sprache bei den Offenen Hilfen hat
sie dafür gesorgt, dass bereits Teile des aktuellen Jahresprogramms in Leichte Sprache übertragen werden konnten. Denn
um auch wirklich das Gütesiegel für „Leichte Sprache“ zu erhalten, muss ein bereits vereinfachter Text von einem Testleser mit
Behinderung gegengelesen und zusätzlich bebildert werden.
Nur dann erhält er das offizielle Logo von „Inclusion Europe“ für
Leichte Sprache. Weitere Kriterien sind unter anderem eine
Schriftgröße von 14 pt und ein anderthalbfacher Zeilenabstand,
das Fehlen von Nebensätzen und die Trennung von zusammengesetzten Hauptwörtern mit einem „Binde-Strich“.
Elke Gallian arbeitet eng mit dem Fremdsprachenkorrespondenten und Verwaltungsangestellten Steffen Schwab zusammen. Um das „Büro für Leichte Sprache“ zu gründen, sucht Steffen Schwab noch mehr Testleser/-innen mit einer geistigen
Behinderung, die Tipps zur Verbesserung des einfachen
Deutschs geben.
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Monatlich sollen Schriftstücke wie Formulare, Bedienungsanleitungen oder kurze Regelwerke geprüft und optimiert werden. Es
gibt bereits Texte, in Leichter Sprache, beispielsweise einige Abschnitte aus der Bibel, das Buch zum Film „Ziemlich beste
Freunde“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und eine Kurzfassung
von „Tschick“, einem Roman von Wolfgang Herrndorf.
Viele Menschen profitieren
von der verständlicheren Sprache
In den meisten Fällen dient die Leichte Sprache jedoch dazu,
Behördendeutsch verständlich darzustellen. Nicht nur Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Lernschwierigkeiten, auch solche mit einer Sehschwäche, Analphabeten oder
Migranten/-innen mit geringen Deutschkenntnissen profitieren
von der Leichten Sprache. Bislang existieren laut Steffen Schwab
20 bis 30 „Büros für Leichte Sprache“ in Deutschland, das erste
wurde 2004 in Bremen gegründet. Manche Übersetzungsbüros
bieten sogar das Dolmetschen in Leichter Sprache an. Ausgehend von dem Netzwerk „People First Deutschland“ wird auch
ein Wörterbuch weiterentwickelt. Parallel dazu gibt es die Webseite hurraki.de, die wie Wikipedia funktioniert und so ausgefallene Begriffe kennt wie „Fröbelstern“ und „Volksdroge“. Wie bitte? Ein Glück, dass es das auch in Leichter Sprache gibt.
Kontakt
Steffen Schwab, Büro für leichte Sprache
Lebenshilfe Heidelberg e.V.
Telefon 06221 | 339 23 12
[email protected]
www. offene-hilfen-heidelberg.de
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und den Gesundheitsbereich
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in Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg.
25
Schwerpunkt Inklusion
Fachstelle für Inklusion
Auf dem Weg in eine geregelte Schullaufbahn - 36 Schulbegleiter im Einsatz
PFORZHEIM Nicht für alle Kinder und Jugendlichen ist eine
reibungslos verlaufende Schulzeit selbstverständlich. Zunehmend sind bei vielen Schülern/-innen Beeinträchtigungen seelischer, geistiger oder körperlicher Art zu verzeichnen, die eine besondere Unterstützung notwendig machen.
Hier greift das Angebot des Vereins miteinanderleben: „Die
Nachfrage nach Schulbegleitung nimmt stetig zu“, erläutert
Bettina Schmidt, Fachberaterin für Inklusion bei miteinanderleben. Die Sozialpädagogin mit langjähriger Erfahrung
in der Behindertenhilfe ist direkte Ansprechpartnerin für
Schulen und Eltern, wenn es um die praktische Umsetzung
der gesetzlich verankerten Inklusion von Kindern mit Einschränkungen geht.
Gleichzeitig steht Bettina Schmidt den rund 36 Schulbegleitern/innen, die derzeit für miteinanderleben an verschiedenen
Schulen in Pforzheim und dem Enzkreis tätig sind, als fachliche
Beraterin zur Verfügung. „Vielfach wissen die Ratsuchenden
nicht, welche Fördermöglichkeiten es gibt“, so Schmidt. „Und
auch bei den Schulbegleitern selbst besteht ein hoher Beratungsbedarf.“ Bei miteinanderleben ist man froh, mit der Fachstelle für Inklusion ein innovatives Angebot etabliert zu haben.
Doch was konkret ist die Aufgabe der Schulbegleiter/-innen?
Um die vielfältigen Tätigkeitsbereiche der eingesetzten Kräfte
zu verdeutlichen, hilft der Blick auf einen konkreten Fall:
Der zwölfjährige Förderschüler Mert kann sich nur schwer konzentrieren und ist für jede Ablenkung offen. Häufig verweigert
er seine Mitarbeit im Unterricht. Mert hat bereits eine schwierige schulische Laufbahn inklusive Schulausschluss hinter sich.
„Im Grunde seines Herzens sehnt sich Mert nach Anerkennung
und Aufmerksamkeit durch Lehrer und Mitschüler“, erläutert
Bettina Schmidt. „Doch meistens versucht er, dieses Bedürfnis
durch auffälliges und aggressives Verhalten zu überspielen.“
Durch die Schulbegleitung werden Kinder wie Mert behutsam
an den Schulbetrieb mit seinen Regeln und Anforderungen herangeführt. „Ein Schulbegleiter hat im Gegensatz zum Lehrer
26
auch einmal die Möglichkeit, mit einem Kind in den Nebenraum oder an die frische Luft zu gehen, wenn es sich nicht mehr
konzentrieren kann“, verdeutlicht Schmidt.
Anerkennung und Erfolgserlebnisse sind wichtig
Durch solche Maßnahmen werde eine Beschulung des Kindes
oft überhaupt erst möglich. Dabei sei Schulbegleitung keine
Nachhilfe oder Lernbegleitung im eigentlichen Sinn. „Unsere
Mitarbeitenden sind eher Impulsgeber, die dem Kind einen Rahmen, Struktur und Grenzen vermitteln und hierdurch eine verlässliche Größe darstellen.“ Auch im räumlichen Sinne sind die
Schulbegleiter/-innen nah am Kind und können auf diese Weise
direkt unerwünschtes Verhalten ins Gleichgewicht bringen und
gegensteuern. Chaos bei den Schulmaterialien beseitigen, beim
Aufschreiben der Hausaufgaben Hilfestellung leisten und gezielt die Konzentration des Kindes auf die schulischen Belange
lenken – all dies zählt zu ihren Aufgaben. Häufig übernehmen
die Schulbegleiter/-innen zudem eine Vermittlerfunktion zwischen Mitschülern/-innen, Lehrern/-innen und dem Kind mit
Förderbedarf. „Viele der begleiteten Kinder sind schon abgestempelt und gelten als Störenfried und verhaltensauffällig“, so
Schmidt.„Aber auch diese Kinder benötigen Anerkennung und
Erfolgserlebnisse, damit sich Dinge ändern können und sie Zuversicht und Selbstvertrauen gewinnen.“
Oberstes Ziel der Schulbegleitung sei stets, in enger Absprache
aller Beteiligten für jede/n Schüler/-in die individuell passende
Hilfe zu gewährleisten und neue Perspektiven zu entwickeln. Bei
Mert ist dies gelungen: Durch die Schulbegleitung mit ihrer kontinuierlichen Zuwendung gingen seine Auffälligkeiten zurück,
sein Sozialverhalten hat sich gebessert. In diesem Schuljahr
konnte er von der Förderschule auf eine Regelschule wechseln.
n Kontakt: Bettina Schmidt, miteinanderleben e.V.
Fachstelle Inklusion, Telefon 07231 | 58 90 20
[email protected]
www.miteinanderleben.de
Armut auf Höchststand
Studie belegt sprunghaften Armutsanstieg in Deutschland
BERLIN / STUTTGART Die Armut in der Bundesrepublik
Deutschland befindet sich auf einem historischen Höchststand, so der Befund des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes
in seinem aktuellen Armutsbericht. Der Verband fordert von
der Bundesregierung entschlossene Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, darunter eine deutliche Erhöhung der
Regelsätze in Hartz IV sowie Reformen des Familienlastenausgleichs und der Altersgrundsicherung. Auch in BadenWürttemberg ist die Armut um 0,3 Prozent von 11,1 Prozent
(2013) auf 11,4 Prozent (2014) gestiegen. Damit ist die Armutsquote von Baden-Württemberg nach Bayern die zweitniedrigste in Deutschland.
Erstmalig beleuchtet der PARITÄTISCHE in seinem Bericht zur Armutsentwicklung auch besondere Risikogruppen. Das höchste
Armutsrisiko von allen Haushalten zeigten danach mit 43 Prozent Alleinerziehende. Bei Kindern bis 18 Jahren liegt es bei
19,2 Prozent und bei älteren Menschen bei 14,3 Prozent.
„Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch und noch nie
war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute. Deutschland ist
armutspolitisch eine tief zerklüftete Republik“, so Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
Die Armut in Deutschland sei innerhalb nur eines Jahres gera­
dezu sprunghaft von 15,0 Prozent (2012) auf 15,5 Prozent (2013)
gestiegen. Rein rechnerisch bedeutet dies einen Anstieg von 12,1
auf 12,5 Millionen Menschen. Am stärksten betroffen seien die
Bundesländer Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
Julia Holzwarth, Hina Marquart, Roland Berner,
Sozialministerin Katrin Altpeter MdL, Regina Steinkemper,
Alexander Heine Programmchef antenne1 (v.l.n.r.).
Radio RIO .
Die gravierenden regionalen Unterschiede werden besonders
deutlich, wenn man die niedrigste Armutsquote von 7, 8 Prozent in der Region BodenseeOberschwaben in Baden-Württemberg mit der höchsten von
32,6 Prozent um Bremerhafen
miteinander vergleicht. In der am stärksten betroffenen Region
ist die Armutsquote gegenüber der am wenigsten betroffenen
inzwischen viermal so hoch, 2006 war es „nur“ der Faktor drei.
In Baden-Württemberg bewegt sich die Spanne zwischen
7,8 Prozent und 14, 6 Prozent (Region Rhein-Neckar).
„Fakt bei allen Analysen ist: Der zunehmende Reichtum in unserem Land geht mit einer immer größeren Ungleichheit und
einer steigenden Armut einher. Die Armut in Deutschland ist das
Resultat politischer Unterlassungen“, betont Dr. Hermann Frank,
Grundsatzreferent beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg.
„Im Zusammenhang mit dem in der zweiten Jahreshälfte in Baden-Württemberg fertig werdenden ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Landes erwarten wir, dass die Landesregierung
auf landes- und bundespolitischer Ebene konsequente Schritte
zur Armutsbekämpfung einleitet“, so Dr. Frank.
n Den Bericht und weitere Informationen gibt es unter
www.der-paritaetische.de/armutsbericht/~
~die-zerklueftete-republik
Sozialministerin Katrin Altpeter MdL mit den
Radio RiO Reportern Sophia und und David
(oben); und mit Moderatorin Julia Holzwarth
im Studio (rechts).
Sozialministerin Katrin Altpeter zu Besuch beim Kinderradio RiO im Olgahospital
Am 21. Januar 2015 bekam Radio RiO, das Kinderklinikradio im
Olgahospital des PARITÄTISCHEN, prominenten Besuch von Sozialministerin Katrin Altpeter. Sie war gekommen, um mit den
jungen Patientinnen und Patienten im Olgahospital über Kinderrechte zu sprechen. RiO Reporterin Sophia (13 Jahre alt) und
Rio Reporter David (8 Jahre alt) hatten zusammen mit der RiO
Moderatorin, Julia Holzwarth, Volontärin bei antenne1, schon
einige Fragen vorbereitet: Warum Kinderrechte trotz der UNKinderrechtskonvention oft nicht eingehalten werden und was
sie dafür tun kann, damit die Kinder zu ihrem Recht kommen?
Welches Kinderrecht der Ministerin besonders am Herzen liegt
und wie sie die Situation von Kindern im Land weiter verbes-
sern möchte? Persönlich interessant war für die Kinder, wie sie
zum Thema Altersfreigabe bei Fernsehsendungen steht, wie
ihre Tochter damit umgeht, dass ihre Mutter Ministerin ist, und
ob sie gemeinsam über Politik sprechen. Zum Schluss hatte die
Ministerin noch einen Musikwunsch frei. Zusammen mit den
Kindern entschied sie sich für den Song „Traum“ von Cro.
n Weitere Informationen
Die Antworten der Ministerin gibt es zum nachhören
unter www.radio-rio.de.
Infos zu Radio RiO bei Hina Marquart, Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit, [email protected]
27
Pflege
Erste Stufe der Pflegereform beschlossen
Was bringt das erste Pflegestärkungsgesetz?
STUTTGART Mitte Oktober 2014 wurde das erste Pflegestärkungsgesetz vom Bundestag beschlossen und vom Bundesrat in seiner Sitzung Anfang November gebilligt. Mit dem
Gesetz erhalten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen/Bezugspersonen ab 2015 höhere finanzielle Leistungen und
verbesserte Betreuungsangebote. Um die Maßnahmen zu
finanzieren, steigt der Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte.
Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz werden die finanziellen
Leistungen an die Pflegebedürftigen um vier Prozent erhöht.
Zudem steigt die Zahl der Betreuungskräfte in vollstationären
Einrichtungen von 25.000 auf 45.000. Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Tages-, Kurzzeit- und Nachtpflege werden
ausgebaut, um Angehörige/Bezugspersonen zu entlasten. Mit
einem Pflegevorsorgefonds sollen zudem 1,2 Milliarden Euro
pro Jahr für die Zeit nach dem Jahr 2035 angespart werden. Folgende Leistungsverbesserungen werden umgesetzt:
Verhinderungspflege erweitert
Die Verhinderungspflege kann künftig für bis zu sechs Wochen
(42 Kalendertage) im Kalenderjahr in Anspruch genommen werden. Ergänzend zum Leistungsbetrag für die Verhinderungspflege können zudem künftig bis zu 50 Prozent des Kurzzeitpflegebetrags nach § 42 Absatz 2 Satz 2 SGB XI für häusliche Verhinderungspflege genutzt werden. Dies kommt insbesondere den
28
Anspruchsberechtigten zugute, die eine längere Ersatzpflege
benötigen und für die es keine Betreuung in einer geeigneten
vollstationären Kurzzeitpflegeeinrichtung gibt. Das gilt auch bei
einer Ersatzpflege durch Pflegepersonen, die mit dem/der Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm/ihr in häuslicher Gemeinschaft leben. Die
Aufwendungen, die von der Pflegekasse hierfür übernommen
werden, sind grundsätzlich auf den 1,5-fachen Betrag des Pflegegeldes der festgestellten Pflegestufe beschränkt. So können
künftig zum Beispiel bei einer Verhinderungspflege eines Pflegebedürftigen der Pflegestufe I für Aufwendungen einer Ersatzpflege bis zu 366 Euro (244 Euro plus 122 Euro) im Kalenderjahr
übernommen werden, zuzüglich eventuell entstehender notwendiger Aufwendungen bis zu einem Gesamtbetrag von 1.612
Euro. Für Anspruchsberechtigte mit erheblich eingeschränkter
Alltagskompetenz gilt das 1,5-Fache der festgelegten Pflegegeldbeträge nach § 123 SGB XI.
Tages- und Nachtpflege flexibler
gestaltet und ausgebaut
Die Ansprüche auf teilstationäre Leistungen der Tages- und
Nachtpflege nach § 41 SGB XI und die Ansprüche auf ambulante Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI und § 123 SGB XI, Pflegegeld nach § 37 SGB XI oder Kombinationsleistung nach § 38
SGB XI werden gleichrangig nebeneinander gestellt. Eine An-
rechnung der Inanspruchnahme von Leistungen der Tagesund Nachtpflege auf die ambulanten Pflegeleistungen in der
jeweiligen Pflegestufe zur Verfügung stehende Leistungsbeträge findet ebenso nicht mehr statt wie eine Anrechnung der Inanspruchnahme ambulanter Pflegeleistungen auf die für die
teilstationäre Pflege zur Verfügung stehenden Leistungsbeträge. Die komplexen Regelungen zur Kombination der Leistungen werden aufgehoben.
Kurzzeitpflege länger möglich
Die Kurzzeitpflege wird flexibler gestaltet und ausgebaut. Sie
kann um den Leistungsbetrag für die Verhinderungspflege erhöht und um bis zu vier Wochen verlängert werden. Somit können bis zu acht Wochen und Leistungen bis zu 3.224 Euro für
die Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden, sofern im
Kalenderjahr keine Leistungen der Verhinderungspflege in Anspruch genommen wurden.
Mehr Betreuungsleistungen
in der ambulanten Pflege
Versicherte mit festgestellter dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von § 45 a SGB XI können ihren Kostenerstattungsanspruch aus § 45 b Absatz 1 SGB
XI nunmehr nicht nur wie bisher für zusätzliche Betreuungsleistungen, sondern auch für zusätzliche Entlastungsleistungen
nutzen. Zusätzliche Entlastungsleistungen können sich auf die
Unterstützung im Haushalt beziehen, insbesondere bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung, auf die Unterstützung bei
der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder bei der eigenverantwortlichen
Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen. Oder sie
tragen dazu bei, Angehörige und vergleichbar Nahestehende
in ihrer Eigenschaft als Pflegende zu entlasten. Zusätzliche Entlastungsleistungen beinhalten die Erbringung von Dienstleistungen, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten
stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, organisatorische Hilfestellungen, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende, insbesondere zur Bewältigung des Pflegealltags, oder
andere geeignete Maßnahmen, die der vorgenannten Entlastung dienen. Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III, die
nicht die Voraussetzungen des § 45 a SGB XI erfüllen, erhalten
ebenfalls einen Anspruch auf zusätzliche Entlastungsleistungen
sowie erstmals auch einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI mit einem Grundbetrag von
104 Euro monatlich.
Mehr Betreuungsangebote in
stationären Pflegeeinrichtungen
Die zusätzlichen Betreuungsangebote nach § 87 b SGB XI in
voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen werden auf alle
pflegebedürftigen Personen ausgedehnt. Diese Regelung wird
nunmehr als ein zentraler Bestandteil im stationären Pflegebereich im Übergang auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
in der bestehenden Systematik bereits jetzt ausgebaut. Die
Möglichkeit des zusätzlichen Angebotes an Betreuung und Aktivierung wird nicht mehr nur auf Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz begrenzt, sondern auf alle pflegebedürftigen Bewohner/-innen ausgeweitet, auch bei Pflegestufe 0.
In Pflegesatzverhandlungen wird die Zahl des zusätzlichen Betreuungspersonals weiterhin prospektiv vereinbart. Die Vertragsparteien sollen in der Regel eine Betreuungskraft für 20
anspruchsberechtigte Personen vorsehen.
Magazin Pflegewelten
Das Bundesministerium für Gesundheit
(BMG) will mit dem eigens erstellten Magazin Pflegewelten die Pflege stärken
und den Pflegealltag aus verschiedenen
Blickwinkeln darstellen. In der ersten Ausgabe berichten Pflegende von ihren unterschiedlichen Wegen in den Beruf und
Prominente schildern ihre Sicht auf die
Pflege. Das Magazin soll nach den Worten von Gesundheitsminister Hermann
Gröhe helfen, „die Vielfalt der Profession
sichtbar zu machen – etwa die Menschen, die sich in der Alten- oder Krankenpflege mit Herz und Verstand für
andere engagieren oder auch die beruflichen Chancen, die Pflegeberufe bieten“. Pflegewelten wurde mit einem Beirat aus Pflegenden
und einem Team aus Autoren/-innen, Illustratoren/-innen
sowie Fotografen/-innen entwickelt. Es lag im Dezember
2014 in Tageszeitungen, Zeitschriften und anderen Magazinen
bei. Zudem steht es als kostenloser Download bereit und wird
unter www.pflegewelten.de durch
Videos, Bildergalerien sowie nützlichen Services ergänzt.
29
Pflege
Pflegevorsorgefonds wird aufgebaut
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Die Einnahmen aus der weiteren Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte werden zum Aufbau eines Pflegevorsorgefonds verwendet, der künftige Beitragssteigerungen abmildern soll. Dieser Fonds wird von der Bundesbank verwaltet.
n
Reformflickwerk reicht bei weitem nicht aus
Seit vor 21 Jahren, am 22. April 1994, der Deutsche Bundestag
die Einführung der Sozialen Pflegeversicherung beschlossen
hat, wurde die Pflege in der Politik stiefmütterlich behandelt.
Obwohl die strukturellen Fehlentwicklungen allen Verantwortlichen in der Sozialpolitik bekannt sind, wurden mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz im Jahr 2008 und mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz im Jahre 2012 nur kleinere Verbesserungen vorgenommen, ohne den demografischen Entwicklungen ausreichend Rechnung zu tragen. Der am 9. April 2014
vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Referentenentwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften
Buches des Sozialgesetzbuches (5. SGB XI-ÄndG) wurde am 28.
Mai 2014 vom Bundeskabinett als erstes der zwei Pflegestärkungsgesetze beschlossen. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, sodass es in der am 15. Oktober 2014 festgelegten
Fassung am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist.
Die große Koalition greift zögerlich Veränderungsmöglichkeiten auf, die aber bei weitem nicht ausreichen. Die Pflegeversicherung müsste auf einen Beitragssatz von mindestens sechs
Prozent heraufgesetzt werden, um die Probleme ernsthaft zu
lösen. Dazu gehört unter anderem, die Pflegezeit – ebenso wie
die Elternzeit – durch laufende monatliche Entgeltzahlungen
zu honorieren. Es muss endlich über realistische Personalbedarfsbemessungsinstrumente nachgedacht werden, die eine
würdevolle Betreuung und Unterstützung ermöglichen. Überdies muss die Pflege besser vergütet werden. Weiterhin sind
strukturelle Überlegungen angebracht: Hierzu müssten alle
Kompetenzregelungen im SGB V und SGB XI auf den Prüfstand
gestellt werden, um für die zu versorgenden Menschen angemessene Lösungen zu finden. Und nicht zuletzt ist eine Anpassung der Pflegeversicherung an einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff notwendig. Erst dann können mit einem erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff neue Leistungsansprüche
für die Versicherten beschrieben werden; die (neuen) Leistungen müssen dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff folgen.
Kontakt
Achim Uhl, M.Sc.
Kernteamleitung
Ältere Menschen und Pflege
Telefon 0711 | 21 55-125
[email protected]
www.paritaet-bw.de
30
Es gibt mehr und flexiblere Leistungen zur
Stabilisierung der häuslichen Pflege: Kurzzeit- und
Verhinderungspflege, Tages-und Nachtpflege.
n
Bestehende Betreuungsleistungen in der ambulanten
Pflege werden ausgebaut. Entlastungsleistungen
werden zugunsten Pflegebedürftiger und ihrer
Angehörigen eingeführt.
n
Zusätzliche Betreuungsangebote nach § 87 b SGB XI
in stationären Pflegeeinrichtungen werden ausgedehnt. Die Betreuungsrelation wird verbessert.
n
Neue Entlastungsangebote werden eingeführt,
unter anderem durch den Ausbau der Hilfen zur
Weiterführung des Haushalts.
n
Pflegebedürftige können künftig auch den ihnen
zustehenden ambulanten Sachleistungsbetrag zu
40 Prozent für niedrigschwellige Betreuungs- und
Entlastungsangebote flexibel nutzen. Dies gilt über
den für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen vorgesehenen Betrag hinaus.
n
Zuschüsse für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen werden ausgebaut und die Antragsvoraussetzungen bei der Anschubfinanzierung
für ambulant betreute Wohnformen vereinfacht.
n
Leistungsbeträge werden erhöht.
n
Ein Pflegevorsorgefonds wird aufgebaut.
Leistungsbeträge werden erhöht
Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz werden die Leistungsbeträge mit Wirkung zum 1. Januar 2015 angehoben (siehe Tabellen).
P flegegeld
P flegesachleistungen
Pflegestufe
2014 pro Monat
ab 01. Januar 2015
Pflegestufe
2014 pro Monat
ab 01. Januar 2015
0*
120,- Euro
123,- Euro
0*
225,- Euro
231,- Euro
I
235,- Euro
244,- Euro
I
450,- Euro
468,- Euro
I**
305,- Euro
316,- Euro
I**
665,- Euro
689,- Euro
II
440,- Euro
458,- Euro
II
1.100,- Euro
1.144,- Euro
II**
525,- Euro
545,- Euro
II**
1.250,- Euro
1.298,- Euro
III
700,- Euro
728,- Euro
III
1.550,- Euro
1.612,- Euro
III**
700,- Euro
728,- Euro
III**
1.550,- Euro
1.612,- Euro
Härtefall
1.918,- Euro
1.995,- Euro
Härtefall**
1.918,- Euro
1.995,- Euro
*/** Gilt für Personen mit dauerhaft erheblich eingeschränkter
Alltagskompetenz im Sinne von § 45a SGB XI – das sind vor
allem an Demenz erkrankte Menschen.
L eistungen für D ie Tages - und N achtpflege
Pflegestufe
2014 pro Monat
ab 01. Januar 2015
0*
0,- Euro
231,- Euro
I
450,- Euro
468,- Euro
I**
450,- Euro
689,- Euro
II
1.100,- Euro
1.144,- Euro
II**
1.100,- Euro
1.298,- Euro
III
1.550,- Euro
1.612,- Euro
III**
1.550,- Euro
1.612,- Euro
L eistungen für V ollstationäre P flege
Pflegestufe
2014 pro Monat
ab 01. Januar 2015
0*
225,- Euro
231,- Euro
I
1.023,- Euro
1.064,- Euro
I**
1.023,- Euro
1.064,- Euro
II
1.279,- Euro
1.330,- Euro
II**
1.279,- Euro
1.330,- Euro
III
1.550,- Euro
1.612,- Euro
III**
1.550,- Euro
1.612,- Euro
Härtefall
1.918,- Euro
1.995,- Euro
Härtefall**
1.918,- Euro
1.995,- Euro
*/** Gilt für Personen mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von § 45a SGB XI –
das sind vor allem an Demenz erkrankte Menschen.
31
Pflege
Familienpflegezeitgesetz
Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf?
STUTTGART Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Damit sollen die bestehenden Regelungen im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FamiliepflegeZG) weiter entwickelt und besser miteinander
verzahnt werden.
Neu ist, dass in einer akut auftretenden Pflegesituation für bis zu
zehn Arbeitstage Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung gezahlt wird. Weiterhin besteht der Anspruch auf Familienpflegezeit, mit der die Arbeitszeit bis zu 24 Monate lang reduziert
werden kann. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein zinsloses
Darlehen in Anspruch zu nehmen. Wesentliche Inhalte sind:
Zehntägige Auszeit im Akutfall mit Lohnersatzleistung Beschäftigte, die kurzfristig Zeit für die Organisation einer neuen
Pflegesituation benötigen, können wegen einer sogenannten
kurzzeitigen Arbeitsverhinderung bis zu zehn Tage der Arbeit
fernbleiben. Neu ist, dass dies mit einem Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, vergleichbar dem Kinderkrankengeld, verbunden wird – eine Lohnersatzleistung, die den Verdienstausfall
in dieser Zeit zu einem Großteil auffängt. Als Pflegeunterstützungsgeld werden im Grundsatz 90 Prozent des wegfallenden
Nettoentgelts gezahlt. Für die Finanzierung stellt die Pflegeversicherung bis zu 100 Millionen Euro bereit.
32
Sechs Monate Pflegezeit mit zinslosem Darlehen und
Rechtsanspruch Beschäftigte, die sich nach dem Pflegezeitgesetz für eine bis zu sechsmonatige teilweise oder vollständige
Freistellung entscheiden, haben künftig einen Anspruch auf
Förderung durch ein zinsloses Darlehen. Dieses Darlehen zur
besseren Absicherung des Lebensunterhalts kann direkt beim
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung
fehlenden Nettogehalts ab. Auf entsprechenden Antrag kann
auch ein niedrigeres Darlehen – bei einer Mindesthöhe von 50
Euro monatlich – in Anspruch genommen werden.
Familienpflegezeit mit zinslosem Darlehen und Rechtsanspruch Den Anspruch auf ein zinsloses Darlehen haben auch
diejenigen Beschäftigten, die eine Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz wünschen. Neu im Gesetzesentwurf ist die
Einführung eines Rechtsanspruchs auf Familienpflegezeit. Beschäftigte sind künftig für die Dauer von bis zu 24 Monaten bei
einer verbleibenden Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden
teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen
Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Zehntägige Auszeit im Akutfall mit Lohnersatzleistung
n
Sechs Monate Pflegezeit mit zinslosem Darlehen
und Rechtsanspruch
n
Familienpflegezeit mit zinslosem Darlehen und
Rechtsanspruch
n
Rechtsanspruch auf bis zu 24 Monate Freistellung
– Anspruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit
werden besser miteinander verzahnt
n
Begriff der „nahen Angehörigen“ wurde erweitert
n
Anspruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit werden enger miteinander verzahnt Neben der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung wird
auch die außerhäusliche Betreuung eines pflegebedürftigen
minderjährigen Kindes einbezogen. Dies gilt auch für die Begleitung von nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase.
Mit den Gesetzesänderungen werden der Anspruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit nicht nur weiterentwickelt, sondern
auch besser miteinander verzahnt. Die Gesamtdauer aller Freistellungsmöglichkeiten beträgt zusammen höchstens 24 Monate. Zieht sich die Pflege länger als 24 Monate hin, können
mehrere Angehörige die Pflegezeit oder Familienpflegezeit
nehmen – nacheinander oder parallel. Von der Ankündigung
der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, der Freistellungen nach
dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz bis
zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der
genannten Freistellungen darf der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis nicht kündigen.
Begriff der „nahen Angehörigen“ wurde erweitert Künftig
besteht der Rechtsanspruch auf Fernbleiben von der Arbeit wegen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung und auf alle Freistellungen nicht nur für die Pflege von Großeltern und Eltern,
Schwiegereltern, Ehegatten oder Partnern einer eheähnlichen
Gemeinschaft, sondern auch für Stiefeltern, Schwägerinnen und
Schwager sowie für Partner/-innen in lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften. Wie bisher sind auch Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Schwieger- und Enkelkinder als nahe Angehörige
anzusehen.
Nach der Reform ist vor der Reform
Mit der Zielsetzung der besseren Ausgestaltung der Regelungen
zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bessert die Bundesregierung vor allem das Familienpflegezeitgesetz von 2012 nach, das
derzeit mit lediglich 147 Inanspruchnahmen einer Familienpflegezeitversicherung im Jahr 2013 nahezu wirkungslos geblieben
ist (Vgl. BT-Drs. 17/ 12330 vom 14. Februar 2013). Entgegen einer
gesetzlichen Harmonisierung werden das Pflegezeitgesetz und
das Familienpflegezeitgesetz weiterhin getrennt voneinander
weiterentwickelt.
Als zentrale Zielsetzung des Gesetzes wird die zeitliche Flexibilität herausgestellt, da diese entscheidend sei, um kurzfristig ein
Pflegearrangement organisieren und trotz Berufstätigkeit die
Pflege für einen pflegebedürftigen Angehörigen übernehmen
zu können. Im Hinblick auf die flexible Ausgestaltung einer Pflegeauszeit und die damit einhergehende bessere Vereinbarkeit
von Familie, Pflege und Beruf bleibt das Gesetz hinter den formulierten Zielen und den aktuellen familienpolitischen Entwicklungen weit zurück.
Bereits im November 2014 hat der Bundestag ein Gesetz zur weiteren Flexibilisierung der im Vergleich zu Pflegezeit und Familienpflegezeit ohnehin deutlich flexibler gestalteten Elternzeit
beschlossen, um Familien eine bessere Vereinbarkeitsplanung zu
ermöglichen (Vgl. BT-Drs. 18/ 2583 vom 22. September 2014). Im
Gegensatz dazu sind die in § 2 a FPfZG vorgesehenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit sowie die
Kombinationsmöglichkeiten von Pflegezeit und Familienpflegezeit vorwiegend starr und beinhalten wenig individuellen Spielraum zur Gestaltung und Kombination von Pflegeauszeiten. Zu
nennen sind hier unter anderem:
Die Antragsfristen sind unnötig lang,
Kombinationsmöglichkeiten von Pflegezeit
und Familienpflegezeit sind fest vorgegeben,
n
Verkürzung der Inanspruchnahmedauer
bei einer Kombination ist nicht sachgerecht
(bei einer Addition wären 30 Monate möglich).
n
n
Weiterentwicklung notwendig
Die Einführung eines Rechtsanspruches auf Familienpflegezeit
und das Pflegeunterstützungsgeld sind grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch muss jegliche Form der Organisation einer
Pflege(aus)zeit vor allem das Ziel verfolgen, den pflegenden
Familien durch einen möglichst hohen Gestaltungsspielraum
einen auf ihre jeweilige Situation passenden Rahmen von Pflege zu ermöglichen. Die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen
Verbesserungen sind zur Förderung der Inanspruchnahme
grundsätzlich geeignet, jedoch werden sowohl der Ausschluss
der Anwendbarkeit für Betriebe mit weniger als 15 Beschäftigten als auch die Bindung an das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit gem. § 14 SGB XI der gegenwärtigen Bedarfssituation
nicht gerecht. Diese Lücke muss mit dem folgenden zweiten
Pflegestärkungsgesetz geschlossen werden.
nKontakt
Achim Uhl
Kernteamleitung Ältere Menschen und Pflege
Telefon 0711 | 21 55-125
[email protected], www.paritaet-bw.de
33
Pflege
Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege
Beratungsteam im Land unterstützt und initiiert Netzwerke
STUTTGART Der demografische Wandel stellt die Altenpflege in Deutschland vor neue Herausforderungen. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Altenpflege hat die Bundesregierung unter Federführung des für die Altenpflegeausbildung zuständigen Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit den Ländern,
Kommunen und den Verbänden am 13. Dezember 2012 die
Gemeinschaftsinitiative „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ gestartet.
Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung hat das Beratungsteam Altenpflegeausbildung seine Tätigkeit aufgenommen.
Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
(BAFzA)wurde beauftragt, die bundesweite Informations- und
Beratungsstelle zur Altenpflegeausbildung mit einem Team
von zirka 30 Beraterinnen und Beratern aufzubauen. Sie beraten und informieren bundesweit vor Ort zu sämtlichen Fragen
der Altenpflegeausbildung. Sie initiieren neue oder unterstützen bestehende Netzwerke, die die verschiedenen Akteure im
Beschäftigungsfeld Altenpflege zusammenführen.
Das Angebot des Beratungsteams wird im Wesentlichen nachgefragt von Altenpflegeeinrichtungen und -schulen sowie an
einer Ausbildung in der Altenpflege interessierten Personen.
Aber auch Verbände, Landes- und kommunale Behörden, die
Bundesagentur für Arbeit (Regionaldirektion wie Arbeitsagenturen), JobCenter sowie Netzwerke und Initiativen gehören zu
den Ansprechpartnern des Beratungsteams.
34
Das Beratungsteam Altenpflegeausbildung bietet
folgende Leistungen neutral und kostenfrei an:
n
Zielgruppenspezifische Informationen und Beratung
zu Ausbildungs- und Qualifizierungswegen,
betrieblicher und schulischer Ausbildung sowie
Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten.
n
Aktuelle Informationen zu Rahmenbedingungen
der Ausbildung und Qualifizierung in der Altenpflege,
insbesondere zu Kosten, Finanzierung und Fördermöglichkeiten, den gesetzlichen Grundlagen sowie aller
länderspezifischen Regelungen und Verordnungen.
n
Unabhängige Beratung über Strategien
zur Gewinnung von Auszubildenden durch
systematisches Ausbildungsmarketing.
n
Beratung zu Aufbau und zur effektiven Gestaltung von
Kooperationen und lokalen Netzwerken.
n
Unterstützung bei der Optimierung der Ausbildungsqualität durch die Bereitstellung von Qualitätsbausteinen und Arbeitshilfen für eine erfolgreiche Ausbildung.
n
Unterstützung von schul- und trägerübergreifenden
Projekten zur Verbesserung des Images der Altenpflege
sowie der Personalgewinnung und –bindung.
n
Vorträge und Workshops zum Thema Altenpflegeausbildung und zum Berufsfeld Altenpflege im Rahmen
von Tagungen, Veranstaltungen und Fortbildungen.
Um dem Fachkräftebedarf und der gesellschaftlichen Relevanz
des Themas ein Gesicht zu geben, sind die Berater/-innen auf
wichtigen Ausbildungsbörsen und Fachmessen mit eigenem
Messestand vertreten.
Motivation und Unterstützung
Das Beratungsteam motiviert und unterstützt Pflegeeinrichtungen bei der Schaffung neuer Ausbildungsplätze, insbesondere im ambulanten Bereich. An Ausbildung interessierte Personen
erhalten Auskunft über die Zugangsvoraussetzungen und werden bei Bedarf auf ihrem Weg zu einem Ausbildungsplatz begleitet. Durch die Beratung zu Aufbau und effektiver Gestaltung von
Kooperationen und lokalen Netzwerken werden die Bemühungen vor Ort zusammengeführt und unterstützt. Die Gründung von Netzwerken sowie die Mitarbeit in bestehenden Netzwerken helfen allen Beteiligten beim gemeinsamen Ziel, die regionalen Herausforderungen zu meistern.
Kooperationen im Land
Das in Baden-Württemberg aus vier Personen bestehende Beratungsteam hat seit Beginn der Tätigkeit die Zusammenarbeit
mit allen wichtigen Akteuren und Behörden im Land gesucht.
Im Laufe der Zeit entwickelten sich Kooperationen mit dem Sozialministerium, mit dem Kultusministerium, verschiedenen
Städten und Landkreisen, der Bundesagentur für Arbeit, den
Wohlfahrtsverbänden der Caritas und des PARITÄTISCHEN,
dem IQ-Netzwerk, dem Senior Experten Service mit der Initiative VerA zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen sowie
verschiedenen staatlichen und privaten Altenpflegeschulen.
IMPRESSUM
Dadurch ist es dem Beratungsteam unter anderem gelungen,
folgende Projekte erfolgreich auf den Weg zu bringen:
n
Informationsblatt zur Altenpflegehelferausbildung
in Baden-Württemberg (in Kooperation mit dem
Sozialministerium).
n
Pflegenachwuchs 2013 und 2014 (Umfrage zu Praktikum
und Ausbildung in der Altenpflege im Enzkreis und der
Stadt Pforzheim in Kooperation mit der Stadt und dem
Landkreis).
n
Umfrage zur Altenpflege bei Bundesfreiwilligen
(Abschluss und Auswertung Frühjahr 2015).
n
Gründung und Moderation von schul- und trägerüber greifenden Netzwerken in Freiburg (Ideennetzwerk Pflege
Freiburg), in Mosbach (Netzwerk Lernortkooperation) und
in Mannheim (Netzwerk Altenpflege für Ludwigshafen
und Mannheim).
n
Mitveranstalter der Messe „Gesundheit und Pflege –
(m)ein Weg zum beruflichen Erfolg“ in Freiburg 2014
und 2015 (in Kooperation mit der Arbeitsagentur,
der Stadt Freiburg, den Landkreisen Emmendingen,
Breisgau-Hochschwarzwald, der Wirtschaftsförderung,
dem IQ-Netzwerk).
n
Kreisweiter Aktionstag zur Pflege 2015 im Schwarzwald Baar-Kreis (in Kooperation mit dem Landkreis und
verschiedenen Pflegeeinrichtungen und -schulen).
PARITÄTinform Herausgeber: Redaktion: Das Nachrichtenmagazin des Paritätischen
ISSN 2198-9575
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
Landesverband Baden-Württemberg e.V.
Hauptstraße 28, 70563 Stuttgart
Telefon 0711 | 21 55-0 , www.paritaet-bw.de
E-Mail: [email protected]
Rolf Schaible (verantw.), Christine Banhart,
Ralf Baumgarth, Roland Berner, Sabine Brommer,
Dr. Hermann Frank, Albrecht Hegener,
Julia Luczkowski, Hina Marquart, Ingo Pezina,
Achim Uhl u.v.a.
Von links nach rechts: Klaus Dorda, Susanne Erb, Ute Reichelt und Andreas Boecker.
„Geschafft“ – schul- und trägerübergreifende „Freisprechungsfeier“ für die Auszubildenden in der
Altenpflege und -altenpflegehilfe in Freiburg 2014
und 2015 (in Kooperation mit dem Ideennetzwerk
Pflege Freiburg, gefördert durch das Sozialministerium).
n
Informationsveranstaltungen für Wiedereinsteigerinnen
„BiZ und Donna“ (in Kooperation mit verschiedenen
Arbeitsagenturen).
n
Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themen
wie Ausbildungskonzept, Ausbildungsmarketing,
den Bausteinen aus dem Projekt „Quesap – Qualitätsent wicklung und -sicherung in der Altenpflegeausbildung“,
„Best practice und Handlungshilfen in der Altenpflege“.
n
Das Beratungsteam steht allen Pflegeeinrichtungen und Altenpflegeschulen, Berufseinsteigern und Berufsumsteigern für eine
gezielte Beratung zur Verfügung. Weitere Informationen über
das Beratungsteam und die Offensive unter www.altenpflegeausbildung.net. Den Zwischenbericht zur Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege finden Sie unter: www.bmfsfj.de/
BMFSFJ/aeltere-menschen,did=212456.html.
nKontakt
Für die Regierungsbezirke Freiburg und Karlsruhe:
Susanne Erb, Telefon 07821 | 90 95 27
[email protected] und
Klaus Dorda, Telefon 07823 | 96 02 19
[email protected]
Für die Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen:
Ute Reichelt, Telefon 07071 | 365 91 09
[email protected] und
Andreas Boecker, Telefon07195 | 13 52 80
[email protected]
www.bafza.de und www.altenpflegeausbildung.net
Satz & Gestaltung: Kreativ plus, Gesellschaft für Werbung
und Kommunikation mbH, Stuttgart
Anzeigenmarketing: Kreativ Plus GmbH
Telefon 0711 | 21 55-105, [email protected]
Druck: ce-print Offsetdruck GmbH, Metzingen
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Bezugspreis: Im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Jahresabonnement 8,- Euro für Nichtmitglieder
Auflage: 5.000 Exemplare
Fotos: Archiv | Mitgliedsorganisationen | Verbände
bilderbox | fotolia | shutterstock | iStock
Bitte beachten Sie die Beilage der Paritätischen Akadmie Süd.
35
Pflege
Planst du noch oder (um)baust du schon?
Fachtagung des PARITÄTISCHEN und des DRK zur Landesheimbauverordnung
STUTTGART Mit dem Ablauf der Zehn-Jahres-Frist im Jahr 2019 zur Umsetzung der Landesheimbauverordnung tritt das Thema Bau und Umbau stationärer Altenhilfeeinrichtungen erneut in den Vordergrund. Die Landesverbände des PARITÄTISCHEN
und des Deutschen Roten Kreuzes widmeten diesem Thema am 3. Februar 2015 eine gemeinsame Fachveranstaltung.
Am 18. April 2011 hat das Sozialministerium Baden-Württemberg die Landesheimbauverordnung (LHeimBauVo) erlassen.
Sie trat rückwirkend zum 1. September 2009 in Kraft und ersetzt damit die bisherige LHeimBauVo. Für neu geplante stationäre Einrichtungen gelten seitdem die neuen heimrechtlichen
Vorgaben ohne Übergangsfrist. Für alle bestehenden Einrichtungen gilt eine Übergangsfrist von zehn Jahren, die unter bestimmten Voraussetzungen auf bis zu 25 Jahre verlängert werden kann. Die Landesheimbauverordnung sieht im Wesentlichen folgende Anforderungen vor:
Anforderungen an Umfeld
Wohnortnah, stadtteil-
und Infrastruktur
und gemeindebezogen
Einrichtungsbezogene
Die Gestaltung der Bau- und
Überschaubare Wohneinheiten mit
Überschaubare Einrichtungsgröße
Anforderungen
Raumkonzepte von Heimen muss
bis zu max. 15 Personen
und soll an einem Standort nicht
Zentral in der Gemeinde
erreichbar
100 Heimplätze überschreiten.
sich vorrangig an den Zielen der
Erhaltung und Würde, Selbstbestim-
Aufenthaltsbereiche mit 5 m² pro
mung und Lebensqualität orientieren.
Bewohner/-in (ein Drittel kann auf die
Aufenthaltsbereiche für regelmäßige
Heime sind in erster Linie Wohnraum.
gruppenübergreifende Aktivitäten
außerhalb der Wohngruppe entfallen
Das Raumkonzept soll sich am
Normalisierungsprinzip der
Lebensumstände orientieren.
Bewohnerbezogene
Die Zimmer sollten 14 (ohne
Möglichst jedes Zimmer soll einen
Anforderungen
Vorraum) und 16 m² (mit Vorraum)
Sanitärbereich mit Waschtisch,
betragen
Dusche und WC haben und die Lichte
Raumbreite mindestens 3,2 Meter
betragen.
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Durch öffentlichen Nahverkehr
Die Veranstalter: David Klatte, Birgit Schaer, Florian Burkhard, Achim Uhl und Albrecht Hartmann (v.l.n.r.).
Auswirkungen auf die stationäre Altenhilfe
Ende 2011 waren nach Angaben des Statistischen Landesamtes
Baden-Württemberg insgesamt 61 Prozent der vollstationären
Pflegeplätze in Einbettzimmern untergebracht, 38 Prozent entfielen auf Zweibettzimmer, ein Prozent auf Dreibettzimmer. Mit
dem Ablauf der Zehn-Jahres-Frist im Jahr 2019 zur Umsetzung
der Landesheimbauverordnung gewinnt das Thema Neu- und
Umbau für Träger der Stationären Alten- und Behindertenhilfe
an Wichtigkeit, da ein Großteil aktueller Bestandsbauten die baulichen Anforderungen ohne Sanierung oder gar einen Neubau
nicht erfüllen können.
Ein-Bett-Forderung
Als besonders problematisch wird vor allem der Abbau der
Zweibettzimmer und die Reduzierung auf eine überschaubare
Einrichtungsgröße (= 100 Plätze) angesehen. Die Landesheimbauverordnung fordert den Mindeststandard von 100 Prozent
Ein-Bett-Zimmern. Mancherorts haben Träger große Probleme,
die Zwei-Bett-Zimmer zu belegen und haben sich auf die
Marktsituation eingestellt und sich für einen Umbau entschieden. Andernorts werden auch Zwei-Bett-Zimmer nachgefragt
und konzeptuell begründet angeboten. Letztere hoffen, dass
unter Kostengesichtspunkten und angesichts eines steigenden
Versorgungsbedarfs das Zwei-Bett-Angebot zukünftig auf eine
wachsende Nachfrage treffen wird. Ungeachtet dessen stellen
die notwendigen Umbauten die Einrichtungsträger vor besondere finanzielle, strukturelle und konzeptuelle Herausforderungen. Damit einher geht eine Erhöhung der Kosten.
Refinanzierung der Investitionskosten
Zugleich hat sich die Refinanzierungssituation der Investkosten
ohnehin nicht verbessert. Während in der Vergangenheit öffentliche und gemeinnützige Träger einen Teil der Investkosten
durch Förderung des Landes finanzieren konnten, wurden diese
Förderungen zurückgenommen. Viele Träger sind darüber hinaus langfristig an eine Finanzierung oder an Miet- und Pachtverträge gebunden.
Für viele Träger ist außerdem noch unklar, ob und wie die durch
den Umbau hohen betriebsnotwendigen Investitionskosten refinanziert und in den Investitionskostenverhandlungen anerkannt
werden. Treten Sozialhilfeträger als Subsidiar-Finanzierer auf,
steht die Kostenminimierung im Vordergrund, was mit der EinBett-Regelung nicht in Einklang zu bringen ist. Hier erwarten die
Einrichtungsträger nicht nur einen Gleichklang der Politik, sondern auch eine verlässliche Zusage, dass sich ordnungsrechtlich
auferlegte Anforderungen auch bei den Verhandlungen um den
Investkostensatz niederschlagen.
Ermessenlenkende Richtlinien
zur Landesheimbauverordnung
STUTTGART Das Sozialministerium Baden-Württemberg
will mit den ermessenlenkenden Richtlinien zur Landesheimbauverordnung (ERL-LHeimBauVO), die im März
veröffentlicht werden sollen, Maßstäbe und Entscheidungsmuster für eine sachgemäße Ausübung des Verwaltungsermessens in typisierbaren Einzelfällen (Regelfällen) liefern. Außerdem sollen damit Hinweise zu Abwägungskriterien und Auslegungshilfen zu unbestimmten
Rechtsbegriffen der LHeimBauVO gegeben werden.
Die LHeimBauVO enthält Soll- und Muss-Vorschriften. Von
den Muss-Vorschriften kann nur abgewichen werden, wenn
eine Befreiung nach § 6 Absatz 1 LHeimBauVO oder eine Ausnahmeregelung im Sinne des § 6 Absatz 2 LHeimBauVO in
Betracht kommen. Dagegen kann von einer Soll-Vorschrift
auch in einem atypischen Ausnahmefall abgewichen werden. Mit der Heimaufsicht wäre bei Abweichungen von den
Vorgaben der LHeimBauVO jeweils zu klären, ob ein solcher
atypischer Ausnahmefall gegeben oder ob eine Befreiung
bzw. eine Ausnahmeregelung gemäß § 6 LHeimBauVO erforderlich und machbar ist.
In einer vom Sozialministerium eingerichteten Arbeitsgruppe, an der auch drei Vertreter der Verbände der Liga der freien
Wohlfahrtspflege beteiligt waren, wurden die Vorschläge des
Sozialministeriums zu den ERL-LHeimBauVO in mehreren Sitzungen diskutiert. Dabei konnten einige Änderungen angeregt werden, die zur praxisnahen Umsetzung der LHeimBauVO beitragen werden. Da jedoch nicht alles einvernehmlich
geklärt werden konnte, stellen die ERL-LHeimBauVO kein
gemeinsames Ergebnis der Arbeitsgruppe dar. Sie sind vielmehr verwaltungsinterne Hinweise der obersten Aufsichtsbehörde an die örtlichen Heimaufsichten als untere Aufsichtsbehörden.
Abweichende Ansichten des PARITÄTISCHEN bzw. der Leistungserbringerverbände oder ergänzende Informationen
zur Umsetzung der LHeimBauVO sollen den Mitgliedsorganisationen in Form einer Kommentierung der ERL-LHeimBauVO zur Verfügung gestellt werden.
nKontakt
Ingo Pezina, Leitung Servicebereich Recht
Telefon 0711 | 21 55-205
[email protected]
www.paritaet-bw.de
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Pflege
Drei wegweisende Fachvorträge
Den ersten Vortrag der eintägigen Fachveranstaltung hielt Bernd
Gammerl, Regierungsbaumeister beim Ministerium für Verkehr
und Infrastruktur. Er führte in die Landesbauordnung ein und
stellte die Zusammenhänge mit der Landesheimbauverordnung
dar. Der Schwerpunkt des Vortrages lag auf dem Barrierefreien
Bauen in vollstationären Altenhilfeeinrichtungen.
Ulrich Schmolz, Leiter des Referats Pflege des Sozialministeriums,
setzte als Schwerpunkt die Landesheimbauverordnung und die
damit verbundenen Ermessenslenkenden Richtlinien (ERL), die
der Heimaufsicht als Arbeitshilfe dienen sollen. „Die ERL könne
jedoch nicht als „Allheilmittel“ herhalten“, betonte Schmolz. Ausnahmeregelungen solle es laut Schmolz ausschließlich in Bestandsbauten geben. Je mehr Elemente der Landesheimbauverordnung umgesetzt würden, desto einfacher werde es, an anderer Stelle gegebenenfalls eine Ausnahme zuzulassen. Die Ausnahmegenehmigungen werden jedoch nicht ohne Eigenarbeit
der Einrichtungen möglich sein. So Schmolz weiter: „Eine Ausnahmegenehmigung muss entsprechend begründet werden
und das geht nicht nur in einem „Dreizeiler“. Hier kann man gewiss von den Einrichtungen eine konzeptuelle und/oder wirtschaftliche Darlegung erwarten.“ Er rät deshalb dringend, eine
Bestandsanalyse des eigenen Gebäudes vorzunehmen und zeitnah mit der Heimaufsicht den Diskurs aufzunehmen, um geeignete Maßnahmen und den Prozess festzulegen. Münden sollte
dies in eine vollständige Umsetzung der Landesheimbauverordnung. Aus seiner Sicht müssten sich ordnungsrechtlich auferlegte Anforderungen, die zu Mehrkosten führen, dann auch in
einem Investkostensatz widerspiegeln.
Kontakt
Birgit Schaer, Referentin
Stationäre Altenhilfe und Pflege
DRK LV Baden-Württemberg
Badstraße 39-41
70372 Stuttgart
Telefon 0711 | 55 05-154
[email protected]
www.drk-bw.de
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Richard Dressel, Architekt und Mehrheitsgesellschafter der Klotz
und Dressel GmbH, schloss mit seinem Vortrag die Fachtagung
und stellte die Analyse von Bestandsbauten an Beispielen vor.
Ziel der Bestandsanalyse sollte die Darstellung der Abweichung
von der Landesheimbauverordnung sein. In einem nächsten
Schritt könnte auf dieser Basis eine neue Weichenstellung und
Weiterentwicklung der vollstationären Altenhilfeeinrichtung
vorgenommen werden. Die Bestandsanalyse sollte aus Sicht von
Dressel auch als Grundlage für das Gespräch mit der Heimaufsicht dienen.
Fazit und Ausblick
Mit der Landesheimbauverordnung wird der Zweck verfolgt, die
Pflegeinfrastruktur nachhaltig zu beeinflussen. Durch das nahe
Ende der Zehn-Jahres-Frist im Jahr 2019 gewinnt das Thema für
Entscheider in der Altenhilfe an Wichtigkeit. Die dringend erwarteten Ermessenslenkenden Richtlinien werden hier zwar Leitplanken setzen, jedoch nicht die Grundproblematik beheben.
Diese besteht vor allem darin, dass die Bestandsbauten aus einer
anderen Epoche des Pflegeheimbaus stammen. Träger von Altenhilfeeinrichtungen sollten auf der Basis des Marktes und einer
„Bestandsanalyse“ der Frage nachgehen, ob ein Umbau, Neubau
oder eine Ausnahmegenehmigung notwendig oder möglich ist
und mit der Heimaufsicht rechtzeitig das Gespräch suchen. Darüber hinaus werden das Deutsche Rote Kreuz und der PARITÄTISCHE einen „Quick-Check“ auf der Basis der Ergebnisse der Veranstaltung erarbeiten.
Kontakt
Achim Uhl, M.Sc., Kernteamleitung
Ältere Menschen und Pflege
Der PARITÄTISCHE BW
Hauptstraße 28
70563 Stuttgart
Telefon 0711 | 21 55-125
[email protected]
www.paritaet-bw.de
Betreuung statt Entmündigung
Anthropos Betreuungsverein leistet kompetente Beratung und Betreuung
Der Besuch der alten Dame
Eine alte Dame, verwirrt, alleinlebend und ohne soziale
Kontakte lebt in Ihrer Wohnung und hat große Probleme,
ihre persönlichen Angelegenheiten zu bewältigen. Die
Kinder wohnen zu weit weg, eine Vollmacht wurde nie
aufgesetzt.
STUTTGART Der Anthropos Betreuungsverein Stuttgart wurde im Jahr 2012 gegründet. Unterstützt wird er aus Mitteln
Baden-Württembergs und Stuttgarts. Monatlich treffen sich
alle ehrenamtlichen Betreuer/-innen und Interessierte im
Rudolf-Steiner-Haus im Forum Sozialimpuls zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung.
Beim Besuch stellte sich heraus, dass es einen Berg an ungeöffneter Post, Probleme mit dem mobilen Pflegedienst
sowie Fragen zur Sozialhilfe gab. Es wurde vereinbart,
dass der Anthropos Betreuungsverein sie mit einem ehrenamtlichen Betreuer wieder besuchen würde. Zum
zweiten Besuchstermin wurde der ehrenamtliche Betreuer vorgestellt. Mit Einwilligung der alten Dame wurde
eine Betreuung durch die Hausärztin angeregt und der
geschulte Ehrenamtliche als Betreuer vorgeschlagen.
Wie kommt es zu einer angeordneten
rechtlichen Betreuung?
Kann ein Volljähriger aufgrund einer körperlichen, geistigen
oder seelischen Behinderung die persönlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen, so bestellt das
Betreuungsgericht einen Betreuer/-in.
Im Rahmen des nun eingeleiteten Betreuungsverfahrens
besuchte ein Mitarbeiter der Betreuungsbehörde die alte
Dame und überzeugte sich persönlich vom Hilfebedarf.
Letztlich wurde Sie auch gefragt, ob Sie mit der Betreuung einverstanden sei. Sie stimmte zu. Nach einiger Zeit
fertige das Betreuungsgericht den Betreuungsbeschluss
aus und nun können alle anstehenden Tätigkeiten erledigt werden. Die Dame erhält nun regelmäßig Besuch,
denn es gibt noch einiges für die Zukunft zu besprechen
und zu organisieren.
Der/die Betreuer/-in vertritt rechtlich den Klienten/die Klientin
in den ihm/ihr übertragenen Aufgabenkreisen. Gemäß § 1896
Nr. 1 a BGB darf ein/e Betreuer/-in nicht gegen den freien Willen
des Volljährigen bestellt werden. Das Betreuungsrecht ersetzt
die frühere Entmündigung. Der/die Betreute bleibt geschäftsfähig, wahlberechtigt sowie ehe- und testierfähig. Dies ergibt
sich auch aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz.
Vorsorgevollmacht immer wichtiger
Der Anthropos Betreuungsverein unterstützt auch Menschen
bei der Erstellung Ihrer Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung
und Betreuungsverfügung. Mit einer Vorsorgevollmacht kann
man für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines Vertrauens Vollmacht für alle eventuell anfallenden Rechtsgeschäfte erteilen und so die Anordnung einer Betreuung vermeiden.
Kontakt
Anthropos Betreuungsverein Stuttgart e.V.
Matthias Hübotter, Pädagogischer Leiter
Peter Schneider, Geschäftsführer
Haußmannstraße 48
70188 Stuttgart
Telefon 0711 | 83 88 46 79
[email protected]
www.betreuungsverein-stuttgart.de
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Tagungen
Wirtschaft & Soziales = Gemeinsam Verantwortung übernehmen
Große Resonanz bei Fachtagung – breitere Verankerung im PARITÄTISCHEN
HEIDELBERG Gut 60 interessierte Teilnehmer/-innen aus Mitgliedsorganisationen, Regionalgeschäftsstellen und Kreisverbänden sowie einige Gäste aus anderen PARITÄTISCHEN
Landesverbänden waren am 24. Februar 2015 zur ersten landesweiten Tagung des PARITÄTISCHEN zum Themenbereich
CSR in das Forum am Park nach Heidelberg gekommen.
Gemeinsam vorbereitet im Arbeitskreis CSR des Kernteams Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Gesundheit und organisiert von der Paritätischen Akademie Süd hatte die Tagung ein
volles und interessantes Programm zu bieten. Die Veranstaltung
bildete den Auftakt, das Themenfeld „Corporate Social Responsibility (CSR) – unternehmerisches gesellschaftliches Engagement“ im
PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg breiter zu verankern.
Immer größere Bedeutung
In seiner Begrüßung verwies Dr. Hermann Frank darauf, dass
trotz der großen Bedeutung des Bürgerschaftlichen Engagements für den Verband der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg
im genannten Themenfeld bislang noch relativ wenig und wenig systematisch unterwegs ist – abgesehen von dem regionalen Zentrum Heidelberg/Metropolregion Rhein-Neckar, wo
schon seit Jahren mit großem Ideenreichtum, viel Engagement
und hohem Vernetzungsgrad die Kooperation von Unternehmen der Wirtschaft und gemeinnützigen Organisationen vorangetrieben und erfolgreich praktiziert wird.
CSR als Beitrag zu Nachhaltiger Entwicklung
Vier zentrale Handlungsfelder
Einzelwirtschaftliche Ebene
Umwelt
Arbeitsplatz
Gemeinwesen
Unternehmerischer
Beitrag
CSR als Wettbewerbsvorteil
Im gesellschaftlichen Dialog besteht mittlerweile weitestgehend Konsens darüber: Bei CSR geht es darum, über die rechtlichen Pflichten hinaus gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. CSR ist ein freiwilliges unternehmerisches Engagement. Diese müssen selbst entscheiden können, in welchen
Bereichen sie sich engagieren. Zugleich haben sie sich beim
Verfolgen nachhaltiger Unternehmensstrategien in ihrem Umfeld der Erwartungen der Kunden und der verschiedenen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen (‚Stakeholder‘) zu vergewissern. Erfreulicherweise haben viele Unternehmen in
Deutschland und Baden-Württemberg CSR als Wettbewerbsvorteil erkannt und setzen sich in vielfältiger Weise für die Gesellschaft und die Umwelt ein. Die Ansatzpunkte, Themen und
Einstiegsmöglichkeiten in den Themenbereichen Ökonomie,
Ökologie und Soziales sind dabei für jedes Unternehmen unterschiedlich, einen Königsweg gibt es nicht. CSR liefert für Unternehmensstrategien „Spielregeln zur planbaren Übernahme
CSR-Handlungsfelder
Kein Königsweg, aber viele Ansatzpunkte
Corporate Social Responsibility
Markt
Mit dem Fachtag hat sich der Verband zum Ziel gesetzt, sich
dem Themenfeld „Wirtschaft und Soziales“, einem in den letzten Jahren besonders wichtig gewordenen Aspekt, zuzuwenden: dem sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen – auch Corporate Social Responsibility genannt und begrifflich spätestens seit der nationalen CSRStrategie der Bundesregierung auch so eingebürgert.
Markt
Lieferkette
Produktverantwortung
█ Faire Preisgestaltung
█ Verbraucherschutz
█ Verantwortliches
█
█
█
Marketing
Transparenz
█ Ausgegrenzte
Kundensegmente
█ Faire Partnerschaft mit
Geschäftspartnern
█ …
40
Ressourcenverbrauch
Energieverbrauch
█ Abfall- und Gefahr-
█
█
Gesamtgesellschaftliche Ebene
Umwelt
stoffmanagement
Klimaschutz
█ Erneuerbare Energien
█ Umweltauswirkungen
█
am Standort
Umweltbewusstsein
der Mitarbeiter/-innen
█ Umweltmanagement
█ …
█
Nachhaltige Entwicklung
Ökonomie
Ökologie
Soziales
Ökonomie
Ökologie
Arbeitsplatz
Arbeitssicherheit,
Gemeinwesen
█
Ehrenamtliches
Engagement
von Beschäftigten
█ Unternehmensstiftungen
█ Auftragsvergabe
an soziale Organisationen
█ Cause Related
Marketing
█ Sponsoring
█ Unternehmensspenden
█ Regionalentwicklung
█ …
█
Gesundheitsschutz
█ Work-Life-Balance
█ Vielfalt, Chancen gleichheit, Antidiskriminierung
█ Personalentwicklung
█ Arbeitnehmerrechte,
Vorschlagswesen
█ Faire Bezahlung,
Mitarbeiterbeteiligung
█ Menschenrechte
█ …
Soziales
Gefördert wurde die Fachtagung durch die GlücksSpirale. „Kooperationen wie
„Wirtschaft und Soziales“ nehmen einen immer größeren Stellenwert in unserer
Gesellschaft ein. Immer mehr gemeinnützige Organisationen sind auf der Suche
nach neuen Kooperationspartnern, um Unterstützung für Projekte zu finden, die
sonst nicht verwirklicht werden könnten“, erklärte Werner Kley, Geschäftsführer
der Toto-Lotto Bezirksdirektion Rhein-Neckar-Odenwald bei der Scheckübergabe
an Dr. Hermann Frank, Leiter Fachbereich Bürgerengagement beim Paritätischen
Baden-Württemberg. Foto: Natascha Biermann
von gesellschaftlicher unternehmerischer Verantwortung“, wie
es in der neuen Engagementstrategie des Landes BadenWürttemberg heißt. Viele Unternehmen tun dies übrigens auch
in verschiedenen Teilbereichen und Handlungsfeldern und
mitunter schon lange, ohne dass sie bislang die engere Verbindung zu den strategischen Inhalten von CSR hergestellt haben
oder sich der dort ausgewiesenen Methoden und Instrumente
bedienen. CSR wird der nationalen und internationalen Erfahrung und der Praxis vieler Unternehmen folgend in vier Handlungsfeldern konkretisiert: CSR am Arbeitsplatz, am Markt, im
Gemeinwesen und gegenüber der Umwelt.
Auf Vorschlag des Kernteams hat der Landesvorstand am
31. Juli 2014 den Grundsatzbeschluss gefasst, als Institution der
organisierten Bürgerschaft das Thema CSR auf Landesebene in
seine eigene Engagementstrategie aufzunehmen, die Zielsetzungen der CSR für sich und seine eigenen Sozialunternehmen
in die eigene Haltung zu übernehmen und den Verband künftig zunehmend als regionalen und überregionalen Mittler für
Kooperationen mit Unternehmen der freien Wirtschaft aufund auszubauen.
Breite Informationsplattform
Der Fachtag in Heidelberg wurde bewusst als Auftakt gewählt,
die Kreisverbände und Mitgliedsorganisationen mit dem Thema
CSR und mit den Möglichkeiten und Chancen von Unternehmenskooperationen vertraut zu machen, Erfahrungen auszutauschen, übertragbare Modelle vorzustellen, die Bezüge zu
den engagementpolitischen Diskussionen herzustellen und
Pläne für mehr und breitere Initiativen in diesem Engagementfeld innerhalb des Landesverbandes und darüber hinaus zu
schmieden. Mit dem Programm war allen Teilnehmenden eine
Art „Schaufenster“ zum Stand und der weiteren Entwicklung in
diesem Themenfeld im PARITÄTISCHEN geboten. In einer von
Martin Link, Leiter der Paritätischen Akademie Süd, moderierten
Podiumsdiskussion mit Andrea Kiefer von der IHK Rhein-Neckar,
Günther Schmid vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft
Baden-Württemberg und Dr. Hermann Frank wurden eingangs
Stand und Zukunftsperspektiven der Kooperation gemeinnütziger Organisationen mit Unternehmen der freien Wirtschaft
ausgelotet. Ralf Baumgarth, Geschäftsführer der PARITÄTISCHEN
Regionalgeschäftsstelle Heidelberg und Leiter der dortigen
Freiwilligenagentur, führte in die CSR-Begrifflichkeiten ein und
erläuterte gemeinsam mit Praktikern die einzelnen CSR-Handlungsfelder anhand von „Best Practice“-Beispielen.
Markt der Möglichkeiten
Während der Mittagszeit bot ein „Markt der Möglichkeiten“ Gelegenheit, sich im Rahmen einer kleinen Ausstellung mit den
unterschiedlichsten Formen von Kooperationen zwischen gemeinnützigen Einrichtungen und (Wirtschafts-) Unternehmen
in bereits durchgeführten Projekten und Aktivitäten vertraut zu
machen. Am Nachmittag konnten Ulrike Sinner und Dr. Ilse
Winter, Geschäftsführerinnen der Regionalgeschäftsstellen
Karlsruhe und Ulm, gemeinsam mit Teilnehmerinnen der von
ihnen durchgeführten „Marktplätze Gute Geschäfte“ eindrücklich zeigen, wie erfolgreich diese Methode interessierte Unternehmen und gemeinnützige Organisationen vor Ort zusammenbringen kann. Darüber, wie einzelne soziale Organisationen zielgerichtet auf eine Kontaktaufnahme und Kooperation
mit Unternehmen gewissermaßen „auf Augenhöhe“ vorbereitet werden können, wussten Beate Ebeling, Projektkoordinatorin beim PARITÄTISCHEN Heidelberg und Dr. Claudia SchöningKalender, geschäftsführende Vorsitzende des Frauenhauses
Mannheim, aus dem Qualifizierungsprojekt „Gute Sache“ auf
imposante Weise zu berichten.
PARITÄTISCHER als zukünftiger Unterstützer
Ein vorläufiges Fazit durch den Moderator am Ende der Veranstaltung ergab, dass es an der Zeit war, das angesprochene Thema in die verbandliche Diskussion einzubringen, und dass es
mit den eingebrachten Informationen, Erfahrungen und Anregungen nach ersten Reaktionen aus dem Teilnehmerkreis gelungen sein dürfte, in das Themenfeld einzuführen und Interesse zu wecken. Konsens war auch, den Verband nach und nach
mehr als Unterstützer und Mittler im Bereich der zivilgesellschaftlichen Kooperation mit Unternehmen in Anspruch zu
nehmen.
n Kontakt: Dr. Hermann Frank
Kernteamleitung Bürgerschaftliches Engagement,
Selbsthilfe und Gesundheit
Telefon 0711 | 21 55-208, [email protected]
Nützliche Links zum Thema: www.csr-in-deutschland.de/
www.csrgermany.de/www/csr_cms_relaunch.nsf/id/home-de
www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/~
~menschen/buergerengagement/engagementstrategie/
www.gute-geschaefte.org, www.gute-sachen.org
41
Tagungen
Sichtbar, sicher, vernetzt
Fachtagung zu Entwicklungen in der Frauenhaus- und Frauenberatungsarbeit
MANNHEIM In Deutschland hat jede vierte Frau mindestens einmal in einer aktuellen oder früheren Partnerschaft körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. 64 Prozent dieser Frauen wurden durch die Gewalttaten schwer verletzt. In 60 Prozent der Fälle sind Kinder als Zeugen oder Opfer dieser häuslichen Gewalt mit betroffen. Als vor über 30 Jahren die ersten
Frauenhäuser auf Initiative der Frauenbewegung entstanden, konnte häusliche Gewalt gegen Frauen nicht länger als Privatsache behandelt werden. Den physisch und/oder psychisch misshandelten Frauen werden seitdem Schutz und Beratung angeboten. Das ist heute nicht anders, doch die langjährigen Erfahrungen in den Frauenhäusern und Fachberatungsstellen machen es notwendig, die Angebote zu erweitern und die Konzepte weiterzuentwickeln, um die betroffenen
Frauen in ihren Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu stärken.
Wie Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen ihre Angebote
ausbauen und bisherige Konzepte weiterentwickeln können,
war Thema des Fachtages „Sichtbar, sicher, vernetzt – Entwicklungen in der Frauenhaus- und Frauenberatungsarbeit“ am 26.
Februar 2015 an der Hochschule Mannheim. Veranstalter waren der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg, das Mannheimer
Frauenhaus und die Hochschule Mannheim.
Im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg gibt es
19 Frauenhäuser und 14 Beratungsstellen bei häuslicher
Gewalt. Sie arbeiten nach den Grundsätzen der Parteilichkeit mit Wertschätzung, Empathie, Ressourcenorientierung und Empowerment für die betroffenen
Frauen und ihre Kinder. Sie bieten Schutz, Sicherheit
und Beratung.
Zu Handlungsansätzen aus Theorie und Praxis referierten Expertinnen aus dem In- und Ausland. In sechs Workshops ging
es um lokale Umsetzungsmöglichkeiten
zu Themen wie Sicherheit bei Aufgabe
der Anonymität, systemische Ansätze
in der Frauenhausarbeit, Bedarf von
hochbedrohten Frauen und Ausweitung ambulanter Beratungsangebote.
Die Veranstalterinnen begrüßten insgesamt 125 Teilnehmende, darunter neben Mitarbeiterinnen aus
Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen auch Vertreter/innen aus Täterberatungsstellen, Kinderschutzeinrichtungen,
Polizei und Allgemeinen Sozialen Diensten.
42
Impulse aus den Fachvorträgen
Im ersten Impulsvortrag referierte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der autonomen Frauenhäuser in Österreich
und des europäischen Netzwerkes WAVE (Women against violence Europe) über die Wichtigkeit europäischer Vernetzung.
Das große europaweite Netzwerk generiert ein länderspezifisches Wissen über gesellschaftliche und politische Entwicklungen, Trends, Herausforderungen und gesetzliche Maßnahmen, aber auch über Rückschritte im Kampf gegen Gewalt an
Frauen und Kindern.
Die Referentinnen Miriam Stock und Marie-Christin Schäfer aus
dem Frauenhaus in Espelkamp stellten im zweiten Vortrag das
Modellprojekt aus Nordrhein-Westfalen „Richtungswechsel –
sichtbar - sicher - selbstbestimmt“ vor und berichteten über
erste Entwicklungen und Erfahrungen. Das Konzept Richtungswechsel bedeutet einen grundlegenden Paradigmenwechsel
in der Frauenhausarbeit, da die Basis der Neuausrichtung systemische Arbeitsansätze bilden.
Referentin Maria Rösslhumer
Unter dem Motto „systemischer Ansatz in der Frauenhausarbeit“
warf die Referentin Petra Baumgärtner spannende Fragen und
Thesen auf. Beispielsweise, dass der Grundsatz der Parteilichkeit
gut und wichtig ist, aber auch seine Grenzen hat. Parteilichkeit
bedeutet, dass den Frauen Glauben geschenkt und ihnen Vertrauen und Verlässlichkeit entgegengebracht wird, es aber auch
ein vereinfachtes Denkmuster in Täter-Opfer-Schemata bietet.
Parteilichkeit hat „Fallstricke“, beispielsweise die Idee, dass allein
die Trennung vom gewalttätigen Partner vor weiterer Gewalt
schützt. Dabei kann leicht die Notwendigkeit für jede Frau übersehen werden, an den eigenen Handlungsmustern zu arbeiten
und diese biografisch einzuordnen – damit sich erlebte Gewalt
nicht in der nächsten Beziehung fortsetzt. Bedeutung gewinnt
demnach der Begriff der Allparteilichkeit, der alle am System Beteiligten mit einbezieht: Frauen, Männer und ihre Kinder. Allparteilichkeit bedeutet, Gewalt abzulehnen und deutlich zu verurteilen, aber auch, dass Opfer und Täter Verantwortung für die jeweiligen Anteile an der Eskalation übernehmen.
Themen und Erkenntnisse aus den Workshops
Workshop 1 „Sicheres Frauenhaus“ des Referats Prävention des
Mannheimer Polizeipräsidiums zum Thema „Sicherheit im Frauenhaus ohne anonyme Adresse: Sicherheitskonzepte für sichtbare Frauenhäuser in Kooperation mit der Polizei“. Es wurden
einige Punkte vorgestellt, wie die Sicherheit des Gebäudes erhöht werden, aber auch wie eine Kooperation mit der Polizei
ablaufen kann.
Workshop 2 „Lokal bekannt, vernetzt und beschützt – Das Frauenhaus Thun-Berner Oberland“ beschäftigte sich mit der Frage
„Welche Möglichkeiten hat ein Frauenhaus in einem Dorf, bestehende Wertvorstellungen zu Gunsten des Frauenhauses zu
beeinflussen? Erfahrungen und erste ermutigende Erkenntnisse nach zwei Jahren als Frauenhaus in einem Dorf“. Um das
Frauenhaus trotz bekannter Adresse im Dorf sicher zu machen,
war es notwendig, die Dorfgemeinschaft für sich zu gewinnen.
Dies gelang, indem durch einen offensiven Umgang und Kontaktpflege mit der Dorfgemeinschaft deren Vertrauen gewonnen wurde, sodass sie nun hinter dem Frauenhaus steht.
Workshop 3 „Mobile Intervention“ des BIG e.V. in Berlin. Die mobile Intervention richtet sich insbesondere an Frauen, die aufgrund eingeschränkter Mobilität, sei es wegen einer Behinderung, sozialer Isolation, Krankheit oder auch Unterbringungsschwierigkeiten für die Kinder, Probleme haben, eine Beratungsstelle oder entsprechende Einrichtungen aufzusuchen.
Mobile Intervention findet in öffentlichen Räumen oder bei
befreundeten Einrichtungen statt, jedoch niemals in einer Täterwohnung.
Workshop 4 „Paarbezogene Intervention zur Beendigung häuslicher Gewalt“ beschäftigte sich mit der spezifischen Dynamik
langjähriger Paarbeziehungen und der Möglichkeit der Veränderbarkeit durch spezielle Trainings. Ausgehend von der Frage
„Können Paare sich ändern?“ wurde ein Überblick über bestehende Paarberatungsangebote in Deutschland und Europa gegeben. Anhand von Fallbeispielen wurde exemplarisch auf
Paare geschaut, die eine Paarberatung wünschen. Bezogen auf
die Veränderbarkeit von Paaren, die in langjährigen Gewaltbeziehungen leben, wurden Kriterien vorgestellt, unter denen
eine Paarberatung sinnvoll sein kann.
Workshop 5 befasste sich mit der speziellen Frage von Papatya
Berlin: „Welche Unterstützung benötigen Mädchen und junge
Frauen, die von Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der
Ehre betroffen sind?“ Da diese Mädchen besonderen Gefahren
ausgesetzt sind, kann ihnen während des Aufenthalts in den
Schutz- und Zufluchtswohnungen kein normales Leben ermöglicht werden. Sie können nicht die Schule besuchen und
der Ausgang ist zeitlich begrenzt. Aber auch hier ist die direkte
Nachbarschaft einbezogen, gute Kontakte sind wichtig und Kooperationen sind unabdinglich, um Schutz zu gewährleisten.
Workshop 6 „Wieder Eltern werden! Das Münchner Modell im Familiengerichtlichen Verfahren“ behandelte die „Kooperation zwischen Frauenhilfe und Münchner Informationszentrum für
Männer in der Praxis“. Das Miterleben von häuslicher Gewalt
stellt für die Kinder eine extreme Belastung dar. Das Risiko, später einmal in der Rolle des Vaters oder der Mutter zur Weitergabe von Gewaltstrukturen beizutragen, ist sehr groß. Ziel des
Modells ist es, die Gewalt zu beenden und nach der Trennung
der Eltern einen gewaltfreien Umgang zu sichern. Die konfrontative Arbeit mit dem Täter ist dabei das zentrale Element.
n Kontakt
Julia Luczkowski
Werkstatt PARITÄT gemeinnützige GmbH
[email protected]
Sabine Brommer
Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg
Kernteam Krisenintervention und Existenzsicherung
[email protected]
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Projekt
Gut beraten
Konzept eines Beratungszentrums für von häuslicher Gewalt betroffener Familien
besteht auch hinsichtlich der Konzepte für Frauen, deren Ziel
nicht primär die Trennung von ihrem gewalttätigen Partner ist,
sondern die Beendigung der Gewalt und die Rückkehr in ihre
Beziehung, oder für Frauen, die nicht zu einer hochbedrohten
Gruppe gehören und für die der Aufenthalt in einem Frauenhaus mit anonymer Adresse nicht zwingend notwendig wäre
oder für Frauen, die nach der Trennung von dem gewalttätigen
Partner ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder haben.
Die Sicherheit steht an erster Stelle
Das Projekt beschäftigt sich mit der Zielgruppe von Frauen, die
nicht hochbedroht ist, aber einen geschützten Aufenthalt, Begleitung und Beratung wünschen. Es geht dabei um unterschiedliche Bausteine, zum Beispiel für eine Paarberatung und
systemische Ansätze oder für ambulante Angebote, die den
Frauen auch ergänzend zum Frauenhausaufenthalt zur Verfügung stehen und um Konzepte für einen geschützten Rahmen,
in dem Eltern den Umgang mit den gemeinsamen Kindern klären können und notwendige Unterstützung im Interesse ihrer
Kinder erhalten. Vorrangig ist dabei das Thema Sicherheit; dieses steht an erster Stelle. Daher gilt es, nicht nur ein Sicherheitskonzept für ein „sichtbares“ Frauenhaus zu entwickeln, sondern
auch eigene Sicherheitsmaßnahmen für die einzelnen Bausteine, wie bei der Einbeziehung des Partners, damit ein Paargespräch für alle Beteiligten ohne Gefahren ablaufen kann.
STUTTGART Die Werkstatt PARITÄT und der PARITÄTISCHE
Baden-Württemberg realisieren von Juli 2014 bis Dezember 2015 ein Projekt zur Entwicklung eines Konzeptes für
ein „Beratungszentrum für Familien, die von häuslicher Gewalt betroffen sind“. Mit dem Konzept sollen Entwicklungen und Ideen der Frauenhaus- und Frauenberatungsarbeit in Richtung eines Beratungszentrums bei häuslicher
Gewalt aufgegriffen, gebündelt und strukturiert dargestellt werden.
In einem Beratungszentrum sollen Frauen und Kinder sowie
auf Wunsch der Frau auch ihr gewalttätiger Partner Unterstützung erhalten, um die Gewalt in ihrer Beziehung und Familie zu
beenden. Langjährige Erfahrungen in Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen machen deutlich, dass eine Ausdifferenzierung der Angebote und eine Weiterentwicklung gültiger Konzepte wichtig sind, um auf die unterschiedlichen Bedarfe von
Frauen und Familien, die von häuslicher Gewalt betroffen sind,
reagieren zu können – immer mit dem Ziel, die Gewalt nachhaltig zu beenden und den Betroffenen ein gewaltfreies Leben zu
ermöglichen.
Eine Ausweitung bzw. Spezialisierung von Angeboten wäre zum
Beispiel möglich für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen
mit Suchtproblematiken, psychischen Beeinträchtigungen oder
körperlichen Behinderungen. Potenzial zur Weiterentwicklung
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Häusliche Gewalt beenden
Die verschiedenen Bausteine des Konzeptes werden gemeinsam mit Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen, Interventionsstellen im Rahmen eines Platzverweisverfahrens, Männerberatungsstellen/Beratungsstellen für Täterarbeit und AntiGewalt-Training, mit dem Netzwerk Straffälligenhilfe BadenWürttemberg und dem Kinderschutzbund erarbeitet und zu
einem Gesamtkonzept zusammengeführt. Dieses wird den
Einrichtungen mit ihren unterschiedlichen Bedingungen vor
Ort die Möglichkeit eröffnen, Ideen und Anregungen für neue
Ansätze und Kooperationen einzuholen – um bei Bedarf Angebote auszubauen, um auf die individuellen Situationen der von
häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Familien einzugehen und somit dem Ziel näher zu kommen, häusliche Gewalt
nachhaltig zu beenden.
n Kontakt
Julia Luczkowski
Werkstatt PARITÄT gemeinnützige GmbH
[email protected]
Sabine Brommer
Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg
Kernteam Krisenintervention und Existenzsicherung
[email protected]
Weiterbildung
Einstieg in die Welt des Alterns
Neues zweisemestriges Kontaktstudium Gerontologie für Quereinsteiger
KONTAWE Infoveranstaltung
Fotonachweis: © nerek/photocase.de
Für das KONTAWE gibt es am
11. Mai 2015 eine Infoveranstaltung
in Heidelberg.
n Weitere Informationen
Lena Bölke
Telefon 0711 | 21 55-188
[email protected]
www.kontawe.gerontologiestudium.de
STUTTGART Das Kontaktstudium Angewandte Gerontologie
(KONTAGE) ist im November 2014 zehn Jahre alt geworden
und bekommt zum Jubiläum ein kleines Geschwisterchen.
„Frau Professor Dr. Astrid Hedtke-Becker, Wissenschaftliche Leiterin von KONTAGE, und ich haben vor zehn Jahren etwas begründet, was heute bundesweit bekannt ist und für Qualität
steht, also für gerontologisches Wissen auf der Höhe der Zeit
ist“, sagt Martin Link, Geschäftsführer der Paritätischen Akademie Süd, nicht ohne Stolz. Die Paritätische Akademie Süd bietet
das KONTAGE, das im November 2014 bereits sein zehnjähriges
Jubiläum feierte, in Kooperation mit der Hochschule Mannheim
an. In dieser dreisemestrigen Hochschulweiterbildung können
sich Menschen, die bereits in der Altenhilfe tätig sind, ein breitgefächertes und tiefgehendes Wissen über die verschiedenen
Aspekte des Alterns aneignen.
Das Jubiläum wurde mit einem Festtag gefeiert. Es gab unter
anderem einen Rückblick auf die zehn Jahre KONTAGE und verschiedene Workshops, in denen die Gäste einen Einblick in das
Thema Gerontologie und das Kontaktstudium bekommen
konnten. Der Tag endete mit einer Fragerunde für die zukünftigen Teilnehmer/-innen.
Gerontologie findet Anknüpfungspunkte
in vielen Bereichen
Gerontologen/-innen werden nicht nur in der Altenhilfe, sondern mit zunehmendem Bedarf auch in der Stadtplanung, in
Unternehmen oder in der Dienstleistungsbranche gebraucht.
„Wer die demografische Entwicklung ernst nehmen will − und
das sollten wir alle tun −, benötigt in jedem Feld Fachkräfte mit
gerontologischer Expertise“, so Hedtke-Becker. Sie fasst zusammen, dass in einer Nachbefragung alle Absolventen/-innen angaben, ihre Kompetenz und ihr Erkenntnisgewinn hätten sich
positiv auf ihre weitere Laufbahn ausgewirkt. Einzelne Beispiele
seien ihr darüber hinaus näher bekannt:„Eine Freiberuflerin hat
durch ihr neues gerontologisches Profil neue Kunden und Einsatzfelder gewonnen, ein leitender Arzt wurde danach Lehrbeauftragter an einer Hochschule, die Leiterin einer kleinen Einrichtung für Senioren/-innen wurde in ihrem Unternehmen in
die Geschäftsführung auf Bundesebene berufen.“
Ein berufsbegleitendes Studium ist eine Herausforderung für
die Teilnehmenden, das ist klar. Jedoch überwiegt bei den
Absolventen/-innen des KONTAGE die Meinung, dass sich die
Teilnahme gelohnt habe. So zeigen beispielsweise die Evaluationsergebnisse des zweiten Jahrgangs, dass 65 Prozent den Besuch des Kontaktstudiums für sehr empfehlenswert halten und
35 Prozent für empfehlenswert. Teilnehmerin Adelheid von
Spee beschreibt, dass sich durch das Studium viele Anregungen
und berufliche Perspektiven ergeben hätten. „Mir scheint, dass
nahezu jede Fachdisziplin Anknüpfungspunkte in der Gerontologie finden kann.“ Absolventin Petra Imhof-Jung schließt mit
den Worten:„Obwohl ich mich über den Abschluss freue, überwiegt das Bedauern, jetzt auf den regelmäßigen hochkarätigen
Input und den Austausch mit den Kollegen/-innen verzichten
zu müssen, in der bisherigen Form zumindest.“
Ab 2015 Gerontologie für Quereinsteiger
Auf Grund des Erfolges des KONTAGE gibt es im Sommer 2015
Nachwuchs. Um den Zugang zu einem gerontologischen Studium auch Menschen möglich zu machen, die bisher nicht in der
Altenhilfe arbeiten, gibt es ab kommendem Sommer das zweisemestrige Kontaktstudium Anwendungsorientierte Gerontologie
(KONTAWE). Es richtet sich an Um- und Quereinsteiger/-innen,
die bereits eine akademische Vorbildung haben und in den gerontologischen Bereich wechseln möchten. Die zwei Semester
werden gemeinsam mit den Teilnehmern/-innen des KONTAGE
absolviert. „Die Idee ist, mit dieser Weiterbildung einen Einstieg
in die Gerontologie zu erhalten und von dem Erfahrungswissen
der in der Altenhilfe erfahrenen Teilnehmenden zu profitieren“,
hebt Martin Link die Besonderheit des KONTAWE hervor.
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Weiterbildung
Systemischer Ansatz in der Sozialen Arbeit
Akademische Weiterbildung der Paritätischen Akademie Süd zertifiziert
STUTTGART Die Systemische Beratung, eine berufsbegleitende Akademische Weiterbildung der Paritätischen Akademie Süd, wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit (DGSSA) zertifiziert. Die Paritätische
Akademie Süd sprach mit Diplom-Sozialpädagogin, Personalentwicklerin und Kursleiterin Petra Baumgärtner. Seit
1999 ist sie auch als Referentin für den PARITÄTISCHEN
Rheinland-Pfalz/Saarland tätig.
Frau Baumgärtner, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu der
Zertifizierung. Welches sind denn die Inhalte der Weiterbildung?
Die Vermittlung der theoretischen Grundlagen des Systemischen Ansatzes und deren Platzierung in der Sozialen
Arbeit bilden die Basis des Kurses. Darauf aufbauend erfolgt die Erarbeitung des klassischen systemischen Beratungsprozesses. Im mittleren Teil steht die Arbeit an der
eigenen Biografie, unter Zuhilfenahme des Gelernten. Es
folgen das Thema Krise in unterschiedlichen Dimensionen
und die Erarbeitung guter systemischer Praxis im Einzelund Familiensetting. Die letzte Veranstaltung beschäftigt
sich mit dem Abschluss von Prozessen, Abschieden, Übergängen und Trauer.
Wie ist das Verhältnis von theoretischer Wissensvermittlung und
praktischer Anwendung?
Etwa 40 Prozent der Ausbildung erfolgt in theoretischer
Wissensvermittlung in unterschiedlichen Formen. Neben
Präsentationen und Fachvorträgen wird in verschiedenen
Settings gearbeitet. Die praktische Anwendung erfolgt
ebenfalls zu 40 Prozent innerhalb der Module. Durch die
Anwendung der zahlreichen systemischen Methoden auf
der Grundlage von Praxisbeispielen, die die Teilnehmenden selbst einbringen, wird das Erlernte eingeübt und
anschließend reflektiert. Die Weiterbildungssupervision
nimmt etwa 20 Prozent ein.
Systemische Beratung, eine berufsbegleitende
Akademische Weiterbildung
Zielgruppe: Fachkräfte der sozialen Arbeit,
Pflege Erziehung und Bildung
Studienort: Heidelberg
Anmeldeschluss: 31. März 2015
Start:
17. April 2015
Beratung und Studiengangleiterin Petra Baumgärtner
n Kontakt: Jule Feldhaus
Leiterin Akademische Weiterbildung
Telefon 0711 | 21 55-184,
[email protected]
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Was unterscheidet die zertifizierte Weiterbildung der Paritätischen Akademie Süd von ähnlichen Weiterbildungsangeboten?
Sie profitiert von der Verknüpfung der drei Systeme: Hochschule, freie Systemische Berater bzw. Therapeuten und
Supervisoren mit langjähriger Praxis in der Sozialen Arbeit.
Damit bietet es ein Portfolio, welches sich wesentlich von
anderen Anbietern wie beispielsweise Hochschulstudiengängen oder Ausbildungen an Weiterbildungsinstituten
unterscheidet. Sie wurde hochschulnah entwickelt und bezieht zwei Lehrende der Hochschule als Dozenten ein. Die
Skripte orientieren sich an wissenschaftlich gültigen Standards und stehen zu jedem Modul zur Verfügung.
Für wen ist die Weiterbildung konzipiert und was bedeutet eigentlich die Zertifizierung durch die DGSSA?
Sie ist für alle Fachkräfte interessant, die sich mit Sozialer
Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik, Erziehung, Bildung,
Seelsorge, Leitung oder ähnlichen Themen beschäftigen.
Die Zugangsvoraussetzungen sind eine Ausbildung als
Erzieher/-in, ein Studienabschluss im Bereich Pädagogik,
Bildung o.ä., mindestens ein Jahr Praxiserfahrung sowie
die Möglichkeit, während der Weiterbildung in einem pädagogischen Feld tätig zu sein.
Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit
zertifiziert systemische Weiterbildungen nach ihren gültigen, verifizierbaren Standards. Damit erhält das Angebot
ein Qualitätssiegel in dem Sinne, dass sie den geforderten
Kriterien dieses Gremiums, das sich im Wesentlichen aus
Lehrenden an Hochschulen zusammensetzt, entspricht.
Aktuelles Recht
Verein als Träger einer Kindertagesstätte
Wann ist ein Träger eher ein Idealverein oder ein wirtschaftlicher Verein
STUTTGART Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts
(OLG) Stuttgart vom 3. Dezember 2014 (Az.: 8 W 447/14)
kommt es auf den Vereinszweck und die konkrete Ausgestaltung des geplanten Tätigwerdens an, ob ein Verein, der unter anderem eine Kindertagesstätte betreiben will, als „Idealverein“ anzusehen ist, der seine Rechtsfähigkeit durch die
Eintragung ins Vereinsregister erlangt, oder als „Wirtschaftlicher Verein“, der nicht ins Vereinsregister eingetragen werden kann.
Sachverhalt
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet gemäß seinen
§§ 21 und 22 in nicht wirtschaftliche Vereine („Idealvereine“) und
in wirtschaftliche Vereine, abhängig davon, ob der Vereinszweck
auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist oder
nicht.
§ 21 BGB. Nicht wirtschaftlicher Verein. Ein Verein, dessen
Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in
das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
§ 22 BGB. Wirtschaftlicher Verein. Ein Verein, dessen
Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet
der Verein seinen Sitz hat.
Der Antrag eines neu gegründeten Vereins zur Förderung der
Waldorfpädagogik auf Eintragung in das Vereinsregister wurde
vom zuständigen Amtsgericht zurückgewiesen, weil dieses der
Auffassung war, dass der Verein wegen des geplanten Betriebs
einer Kindertagesstätte kein Idealverein, sondern ein wirtschaftlicher Verein sei. Dagegen hat der Verein Beschwerde eingelegt.
Diese wurde vom Amtsgericht dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Nach der für die Entscheidung erheblichen Fassung der Satzung
dient der Verein der Förderung und Pflege moderner Erziehungsmethoden auf der Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners. Zur Durchführung dieser Aufgabe wird er unter anderem
die wissenschaftlichen und künstlerischen Grundlagen der Wal-
Kontakt
Ingo Pezina
Leitung Servicebereich Recht
Telefon 0711 | 21 55-205
[email protected]
www.paritaet-bw.de
dorfpädagogik und ihre praktische Umsetzung fördern und verbreiten, nach Möglichkeit Einrichtungen zur praktischen Anwendung der Waldorfpädagogik gründen und betreiben und mit
den benachbarten Waldorfschulen und Waldorfkindertageseinrichtungen eng zusammenarbeiten.
Entscheidung
Nach dem Beschluss des OLG Stuttgart sei für die Frage, ob ein
Idealverein oder ein wirtschaftlicher Verein vorliege, nicht nur
der Wortlaut der Satzung entscheidend, sondern auch der tatsächlich verfolgte Zweck, der sich aus einer bereits ausgeübten
oder beabsichtigten Tätigkeit ergeben könne.
Der Betrieb einer Kindertageseinrichtung sei zwar als unternehmerische Betätigung einzustufen, denn der Verein wolle damit
planmäßig und auf Dauer angelegt eine entgeltliche Betreuung
für Kinder der Mitglieder und aus der Umgebung und damit am
allgemeinen Markt und nicht nur an dem auf die Vereinsmitglieder beschränkten „Binnenmarkt“ anbieten, also am Wirtschafts- und Rechtsverkehr wie ein Unternehmer teilnehmen,
auch wenn keine Absicht bestehe, Gewinn zu erzielen. Da jedoch
in dem zu entscheidenden Fall nicht der Betrieb als solcher, sondern die Umsetzung des pädagogischen Konzeptes mittels des
Betriebes der Kindertageseinrichtung im Vordergrund stehe, sei
die unternehmerische Tätigkeit dem idealen Hauptzweck zuund untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung. Damit
sei der Geschäftsbetrieb im Rahmen der ideellen Zielsetzung lediglich Nebenzweck und es liege kein wirtschaftlicher sondern
ein nichtwirtschaftlicher Idealverein vor.
Anmerkungen
Die Frage, ob man Kindertageseinrichtungen überhaupt in der
Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e.V.) betreiben kann,
war aufgekommen, nachdem das Kammergericht Berlin in
einem anders gelagerten Fall mit Urteil vom 18. Januar 2011 (Az.:
25 W 14/10) entschieden hatte, dass ein nicht als gemeinnützig
anerkannter Verein, der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe u.a.
fördere durch den Betrieb von Einrichtungen zur Tagesbetreuung von Kindern und von Jugend- und Familienzentren, nicht
unter das Nebenzweckprivileg falle und somit nicht ins Vereinsregister eingetragen werden könne.
Das OLG Schleswig hat sich in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2012 (Az.: 2 W 152/11) detailliert mit der Rechtslage auseinandergesetzt und die Möglichkeit des Nebenzweckprivilegs für
die Kindertageseinrichtung bei einem als gemeinnützig anerkannten und aus einer Elterninitiative hervorgegangenen Verein
bejaht. Dieser Auffassung schließt sich das OLG Stuttgart im o.g.
Urteil ausdrücklich an, was sehr erfreulich ist, da damit die bisher
zahlreich erfolgte Eintragung entsprechender Vereine ins Vereinsregister als rechtmäßig bestätigt wird.
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