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Political Peaking?
Eine geopolitische Analyse der wichtigsten Erdölregionen
Das Fördermaximum beim konventionellen Erdöl wurde 2006 erreicht. Dies wurde Ende
2011 von der Internationalen Energieagentur (IEA) bestätigt. Seither bewegt sich die
Förderung auf einem leicht sinkenden Plateau. Gemäss World Energy Outlook (WEO) der
IEA vom November 2012 betrug die Fördermenge von konventionellem Erdöl im Jahr 2005
noch 70 Mio. Fass pro Tag, im Jahr 2012 lag sie bei 68.5 Mio. Fass pro Tag.
Abbildung 1: Länder mit bewiesenen Erdölreserven von über 10 Milliarden Fass
Land Erdölreserven In Mrd. Fass 2013 Flüssigbrennstoffe* Fördermenge in Mio. Fass/Tag 2013 Erdölförderung In Mio. Fass/Tag 2013 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Venezuela Saudi-­‐Arabien Kanada Iran Irak Kuwait VAE Russland Libyen Nigeria USA Kasachstan Katar China Brasilien Algerien Angola Mexiko 297.6 (19.1%) 267.9 (17.2%) 173.1 (11.1%) 154.6 (9.9%) 141.4 (9.1%) 104.0 (6.7%) 97.8 (6.3%) 80.0 (5.1%) 48.0 (3.1%) 37.2 (2.4%) 33.4 (2.1%) 30.0 (1.9%) 25.4 (1.6%) 23.7 (1.5%) 13.2 (0.8%) 12.2 (0.8%) 10.5 (0.7%) 10.3 (0.6%) 1‘560.3 (100%) 2.681 (3.6%) 11.702 (15.6%) 4.074 (5.4%) 3.192 (4.3%) 3.058 (4.1%) 2.812 (3.8%) 3.441 (4.6%) 10.764 (14.4%) 0.984 (1.3%) 2.372 (3.2%) 12.343 (16.4%) 1.658 (2.2%) 2.067 (2.8%) 4.459 (5.9%) 2.694 (3.6%) 1.762 (2.4%) 1.889 (2.5%) 2.908 (3.9%) 74.860 (100%) 2.500 (4.0%) 9.693 (15.5%) 3.325 (5.3%) 3.113 (4.9%) 3.054 (4.8%) 2.650 (4.2%) 2.820 (4.5%) 10.053 (15.9%) 0.918 (1.4%) 2.367 (3.7%) 7.441 (11.8%) 1.573 (2.5%) 1.553 (2.5%) 4.164 (6.6%) 2.023 (3.2%) 1.462 (2.3%) 1.831 (2.9%) 2.562 4.1%) 63.067 (100%) * Erdöl, Biotreibstoffe, Flüssiggas und Raffineriegewinne
Quelle: U.S. Energy Information Administration Die Energiebranche hofft vorläufig noch, dass die kontinuierlich abnehmende Fördermenge
von konventionellem Erdöl durch zusätzliche Förderkapazitäten bei den nicht
konventionellen Kohlewasserstoffen kompensiert werden kann. Die hauptsächlichen Formen
von unkonventionellem Erdöl sind das Tiefsee-Öl, das Schieferöl (Light Tight Oil), Polares Öl
und die Ölsande. Unkonventionelles Erdöl ist aber relativ teuer und oft schwer zugänglich.
Neben der Herausforderung durch eine abnehmende konventionelle Förderung und hohen
Kosten bei der unkonventionellen Förderung ist die Versorgungssicherheit aber auch durch
politische Konflikte bedroht. Im Folgenden soll deshalb die geopolitische Lage in den
wichtigsten Erdölförderregionen genauer analysiert werden. Da die weitaus grössten
bewiesenen und mit heutiger Technologie förderbaren Erdölreserven nach wie vor in den
Lagerstätten von konventionellem Erdöl zu finden sind (siehe Abbildung 1), liegt der
Schwerpunkt der Analyse auf den konventionellen Fördergebieten.
Naher Osten
Die einzige Region, welche noch über grosse Reserven an günstigem Öl verfügt, ist der
Nahe Osten. 51% (oder 791 Milliarden Fass) der bewiesenen Erdölreserven befinden sich in
6 Ländern am Persischen Golf (Saudi-Arabien. Iran, Irak, Kuwait, Vereinigte Arabische
Emirate und Katar). Die grossen Vorkommen befinden sich auf der „Bruchlinie“ zwischen
dem Iran und Saudi Arabien. Obwohl die Spannungen zwischen diesen beiden Ländern nicht
Ausdruck eines Religionskonflikts im herkömmlichen Sinn sind, so sehen sich die beiden
Länder doch als Schutzmächte für die Schiiten (Iran), respektive Sunniten (Saudi-Arabien).
Abbildung 2: Sunnitische und schiitische Bevölkerungsgruppen im Nahen Osten
Quelle: The Economist (Printausgabe), 28. März 2015. Beide Länder sind militärisch hochgerüstet und befinden sich auf mehreren
Kriegsschauplätzen (Syrien, Irak, Jemen) indirekt auf Konfrontationskurs.
Etwas im Hintergrund stehen die USA als Verbündete von Saudi-Arabien und „NochSchutzmacht“ im Irak, sowie Russland als Verbündeter der syrischen Regierung und
Waffenlieferant des Iran.
Das Bündnissystem in der Region ist chaotisch und gestaltet sich je nach Konflikt
unterschiedlich. Während die USA und Iran gemeinsam die schiitisch dominierte Regierung
des Irak gegen den Islamischen Staat unterstützen, helfen die USA Saudi-Arabien in seinem
militärischen Kampf gegen die von Iran unterstützten Huthi-Milizen, die im Februar 2015
offiziell die Macht im Jemen übernommen haben, wodurch wiederum die radikal-sunnitische
Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel gestärkt wird.
Während das offizielle Washington weiter den Regimewechsel in Syrien fordert,
intervenieren die amerikanischen Streitkräfte gegen die islamistischen Feinde eben dieses
Regimes in Damaskus, welches von amerikanischen Luftangriffen verschont bleibt Noch sind
Israel und Saudi Arabien die wichtigsten Alliierten der USA im Nahen Osten. Aber
gleichzeitig sucht die US Regierung den Ausgleich mit dem Iran, dem Erzfeind von Israel und
Saudi Arabien.
Abbildung 3: Die geostrategischen Beziehungen im Nahen Osten
Quelle: The Economist (Online-­‐Ausgabe), 3. April 2015. In der aktuellen Konstellation wird der Nahe Osten nicht so schnell zur Ruhe kommen.
Inwiefern sich diese Situation auf die Versorgungssicherheit beim Erdöl auswirkt, bleibt
jedoch ungewiss.
Der Islamische Staat hat keine direkte Kontrolle über grosse Erdölfelder im Irak und in Syrien
ist die Erdölförderung eherbescheiden. Andererseits befinden sich auf dem Gebiet des IS im
Irak die grösste Raffinerie des Landes und wichtige Erdölpipelines, welche das kurdische
Erdöl in den Südosten transportierten. Es bleibt also fragwürdig, ob die Erdölindustrie unter
diesen Umständen die gewaltigen Investitionen tätigen wird, die schon bald für den nötigen
und fest eingeplanten Ausbau der irakischen Förderung erforderlich werden.
Es ist auch nicht auszuschliessen, dass in den Golfstaaten vor dem Hintergrund der
Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten neue Unruhen ausbrechen könnten, vor allem
in den wichtigen Erdölgebieten im Osten Saudi-Arabiens.
Libyen
Libyen und Algerien haben zusammen beachtliche 3.9% (60 Milliarden Fass) der weltweit
bewiesenen Erdölreserven. Sie sind ein wichtiger Lieferant Europas. Erstens wegen der
geographischen Nähe und zweitens wegen der Qualität des Erdöls, auf die die europäischen
Raffinerien ausgelegt sind.
Seit etwas über einem Jahr befindet sich Libyen wieder in einem bürgerkriegsähnlichen
Zustand, der massgeblich durch das Erdöl befeuert wird. Die Blockaden von
Erdöleinrichtungen durch die Konfliktparteien haben vorübergehend zu einem Einbruch der
Erdölförderung von 1.4 Mio. Fass pro Tag auf 230‘000 Fass pro Tag geführt. Von der UNO
organisierte Friedensgespräche zwischen den zwei Hauptkriegsparteien kommen nur
schleppend voran und konnten die Lage nicht stabilisieren. Auch in Libyen wird zudem ein
regionaler Stellvertreterkonflikt ausgefochten, der eine diplomatische Lösung zusätzlich
erschwert. Während die eine Konfliktpartei von Ägypten und den Vereinigten Arabischen
Emiraten militärisch unterstützt wird, erhält die andere zumindest finanzielle und
propagandistische Hilfe von Katar. Zu allem Überfluss trat Anfang 2015 auch noch eine mit
dem Islamischen Staat alliierte Gruppierung (Ansar al-Sharia) mit Attentaten, Geiselnahmen
und Hinrichtungen vermehrt in Erscheinung. Wann Libyen wieder zu einem verlässlichen
Erdöllieferanten für Europa werden kann, bleibt ungewiss.
Abbildung 4: Bewaffnete Gruppen in Libyen
Quelle: The Economist (Online-­‐Ausgabe), 20. Oktober 2014. Abbildung 5: Erdöl- und Erdgasinstallationen in Libyen
Quelle: The Economist (Printausgabe), 19. Mai 2011. Westafrika
Mit rund 55 Milliarden Fass an bewiesenen Erdölreserven und einer Förderrate von gegen
5.4 Millionen Fass pro Tag ist die Region um den Golf von Guinea ein wichtiger
Erdölproduzent.
Abbildung 6: Erdölreserven in Westafrika
Land Erdölreserven In Mrd. Fass 2013 Flüssigbrennstoffe* Fördermenge in Mio. Fass/Tag 2013 Erdölförderung In Mio. Fass/Tag 2013 1 2 3 4 5 6 Nigeria Angola Gabun Kongo Tschad Äquatorialguinea 37.2 (67.8%) 10.5 (19.1%) 2.0 (3.6%) 1.6 (2.9%) 1.5 (2.7%) 1.1 (2.0%) 2.372 (44.2%) 1.889 (35.2%) 0.239 (4.5%) 0.279 (5.2%) 0.098 (1.8%) 0.291 (5.4%) 2.367 (44.9%) 1.831 (34.8%) 0.239(4.5%) 0.265 (5.0%) 0.098 (1.8%) 0.270 (5.3%) 7 8 9 10 Ghana Kamerun Elfenbeinküste Benin Westafrika 0.7 (1.3%) 0.2 (0.4%) 0.1 (0.2%) <0.1 54.9 (100%) 0.099 (1.8%) 0.063 (1.2%) 0.038 (0.7%) 0 5.368 (100%) 0.098 (1.8%) 0.063 (1.2%) 0.037 (0.7%) 0 5.268 (100%) * Erdöl, Biotreibstoffe, Flüssiggas und Raffineriegewinne
Quelle: U.S. Energy Information Administration Mit zusammen 87% der Reserven und 80% der Förderung sind Nigeria und Angola
unangefochten die Schwergewichte in der Region. Durch die geographische Distanz
zwischen den beiden Ländern ist auch dafür gesorgt, dass sie sich gegenseitig nicht „ins
Gehege“ gelangen.
Nigeria ist sowohl bevölkerungsmässig, wirtschaftlich wie auch militärisch eine regionale
Supermacht. Nigeria wird daher seine Interessen im Golf von Guinea ohne grössere
Probleme verteidigen können. Grössere Probleme stellen Piraterie, Banditismus und lokale
Unruhen im Nigerdelta dar. Dies sind jedoch Jahrzehnte alte Phänomene, welche auch in
der Vergangenheit Verluste von bis zu 10% bei der Förderung verursachten. Boko Haram,
im äussersten Nordosten Nigerias aktiv, wird die Stabilität Nigerias und dessen Erdölgebiete
nicht entscheidend gefährden und stellt für Kamerun und den Tschad eine grössere Gefahr
dar.
Gemäss dem WEO 2014 der IEA wird die gesamthafte Ölförderung aller afrikanischer
Länder südlich der Sahara nach einem Peak von gut 6 Millionen Fass im Jahr 2020 bis 2040
auf 5,3 Millionen zurückgehen.
Einzig Sudan und Südsudan, mit zusammen 5 Milliarden Fass bewiesenen Erdölreserven,
haben heute noch Potenzial, ihre Fördermenge zu steigern. Durch die bürgerkriegsähnliche
Situation im Südsudan bleibt die Förderrate jedoch bei bescheidenen 250‘000 Fass pro Tag.
Ein weiterer Kandidat für Erdölexporte in Ostafrika ist Uganda, das über Reserven von rund
2.5 Milliarden Fass verfügt. Jedoch ist die Erdölinfrastruktur dieses Binnenlands noch stark
unterentwickelt und untauglich um Öl im grossen Stil zu exportieren.
Arktis
Gemäss dem US Geological Survey könnten nördlich des Polarkreises etwa 50 Mrd. Fass
Erdöl erschlossen werden. Zum heutigen Zeitpunkt lohnen sich aber die enormen
Investitionen nur für die ganz grossen Felder.
Abbildung 7: Territoriale Ansprüche der Arktis-Anrainerstaaten
Quelle: The Economist (Printausgabe), 20. Dezember 2014. Die durch die Klimaerwärmung verbesserte Zugänglichkeit hat trotzdem bereits einen
regelrechten Wettlauf um die Erdöl- und Erdgasreserven der Arktis entfacht. Obwohl sich die
Anrainerstatten des Arktischen Ozeans regelmässig im „Arctic Council“ treffen, bleiben die
Hoheitsrechte ausserhalb der Territorialgewässer unklar.
Russland vertritt relativ aggressiv seine Ansprüche auf die Bodenschätze der Arktis und hat
erst kürzlich wieder verlassene Militär- und Marinebasen in der Polarregion in Betrieb
genommen. Vor einem Monat hielt Russland ein fünftägiges Manöver mit 38‘000 Soldaten,
50 Schiffen und 110 Flugzeugen im Nordpolarmeer ab.
Das im April 2015 im Norden Kanadas über die Bühne gegangene Gipfeltreffen des „Arctic
Council“, in dem neben Kanada auch Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Russland,
Schweden und die USA vertreten sind, stand im Schatten der Spannungen zwischen
Russland und den NATO-Staaten.
Südchinesisches Meer
Die vermuteten Erdölreserven im Südchinesischen Meer werden auf rund 12 Milliarden Fass
geschätzt. China vertritt aggressiv seine Interessen in dieser Weltregion und hat jüngst damit
begonnen, künstliche Inseln auf Riffen aufzuschütten. Abgesehen von den Erdölressourcen
ist das Südchinesische Meer auch von strategischem Interesse als Transportkorridor für die
Industriestandorte an der chinesischen Küste.
Abbildung 8: Territoriale Ansprüche der Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer
Quelle: The Economist (Printausgabe), 28. Februar 2015. Inwiefern die Territorialkonflikte im Südchinesische Meer zu einer Konfrontation zwischen
China und den USA führen kann, bleibt ungewiss. Mehrere der Anrainerstaaten pflegen
jedenfalls eine enge Kooperation mit den USA.
Andere wichtige Erdölregionen
Die beachtlichen Ölsand-Vorkommen Kanadas (175 Mrd. Fass), obwohl weder wirtschaftlich
noch ökologisch nachhaltig abbaubar, haben einen gewichtigen Vorteil: Sie befinden sich in
einem politisch stabilen Land und zumindest für die USA in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Obwohl der Peak Oil bei der nationalen Förderung 2005 erreicht wurde, exportiert Mexiko
nach wie vor etwa 1 Mio. Fass pro Tag. Als „Hinterhof“ der USA wird die Stabilität im Golf
von Mexiko in nächster Zukunft kaum gefährdet sein.
Venezuela hat den Peak bei der Erdölförderung 1995 erreicht, bleibt aber mit nahezu 2 Mio.
Fass pro Tag exportiertem Erdöl und beinahe 300 Mrd. Fass Reserven ein Schwergewicht
im Erdölgeschäft. Obwohl innenpolitisch instabil ist Venezuela geostrategisch kein
Unsicherheitsfaktor.
Die Tiefseeöl-Vorkommen Brasiliens sind zwar schwierig zu erschliessen, stellen aber kein
internationales Konfliktpotenzial dar. Zudem ist Brasilien (noch) ein Nettoimporteur von
Erdöl.
Russland ist mit 80 Mrd. Fass Reserven und Nettoexporten von über 7 Mio. Fass pro Tag
eines der ganz grossen Erdölländer. Der Peak Oil ist wohl noch nicht erreicht. Ein grosses
Problem stellen jedoch die Wirtschaftssanktionen dar, welche den Zugang Russlands zu
Technologien und Kapitalmärkten einschränken.
In der Nordsee weisen Norwegen und Grossbritannien zusammen nach wie vor etwa 8.5
Mrd. Fass an Reserven aus. Die Förderrate beträgt zusammen 2.35 Mio. Fass pro Tag.
Beide Förderländer haben den Peak Oil überschritten, Norwegen 2002 und Grossbritannien
im Jahr 2000.
Aserbaidschan und Kasachstan am Kaspisches Meer sind mit zusammen 37 Mrd. Fass
Reserven und einer Förderung von 2.5 Mio. Fass pro Tag wichtige Erdölländer, vor allem
auch für die Schweiz, die einen Grossteil ihres Erdölbedarfs aus dieser Region bezieht.
Aserbaidschan hat den Peak Oil 2011 erreicht, in Kasachstan stagniert die Förderung bei 1.5
Mio. Fass pro Tag. Zudem sind beide Länder beim Export auf Russland oder die unstabile
Region im Südkaukasus angewiesen.