Ausgabe 2/2015 SERVICE Der Mindestlohn in der Praxis – erste Erfahrungen 11 Beschäftigung von Rentnern 14 Sabbaticals – Auszeit vom Job 26 Qualifizierte Azubis finden und gewinnen EDITORIAL Beschäftigte Rentner und Praktikanten In diesem Heft wollen wir Ihnen schwerpunktmäßig Informationen zu Ihren Fragen zu den Themen Rentner und Praktikanten in einer Beschäftigung geben. Was ist bei der Beschäftigung von Rentnern zu beachten? Wie unterscheiden sich die einzelnen Praktika? Wie sind diese in Bezug auf die Versicherungspflicht zu behandeln? Die Antworten finden Sie auf den Seiten 8 bis 13 in dieser Ausgabe. Gerne beraten wir Sie auch persönlich, wenn Sie noch weitere Fragen zu diesen Themen haben. Josef Alt, Vorstand der actimonda krankenkasse Mit freundlichen Grüßen Kontakt actimonda krankenkasse 52047 Aachen Fon 0241/900 66-0 Fax 0241/900 66-9100 [email protected] www.actimonda.de SCHWERPUNKT 4 Der Mindestlohn in der Praxis − erste Erfahrungen KURZ UND KNAPP ARBEITSRECHT 3 14 Sabbaticals – Auszeit vom Job Kurzmeldungen SCHWERPUNKT 4 Der Mindestlohn in der Praxis − erste Erfahrungen 18 Aktuelle Urteile STEUERRECHT 19 Rabattgewährung von Dritten an Arbeitnehmer SOZIALVERSICHERUNG 8 Beschäftigung von Praktikanten − hierauf müssen Sie achten 11 Noch nicht zum alten Eisen – Beschäftigung von Rentnern 2 SERVICE 2/2015 24 Sucht am Arbeitsplatz: Kein Thema für Vorgesetzte? PERSONALMANAGEMENT 26 Qualifizierte Azubis finden und gewinnen 28 Generation Y – die leistungsbereiten Sinnsucher SCHLUSSPUNKT GESUNDHEIT IM BETRIEB 22 Rauf aufs Rad – gesünder zur Arbeit 30Kurzmeldungen 31 Vorschau, Impressum KURZ UND KNAPP Mehr Unterstützung für die betriebliche Berufsausbildung Der Deutsche Bundestag hat am 26. Februar 2015 eine Gesetzesänderung zur Assistierten Ausbildung und zu mehr ausbildungsbegleitenden Hilfen beschlossen. Er erfüllt damit eine Zusage aus der Allianz für Aus- und Weiterbildung. Ein wichtiges Ziel des Gesetzes ist es, die hohe Abbrecherquote der Berufsausbildungen zu verringern, die vor allem für die Betriebe mit hohen Kosten verbunden ist. Bereits ab dem kommenden Ausbildungsjahr 2015/2016 sollen so mit staatlicher Förderung mehr benachteiligte junge Menschen intensiv auf eine betriebliche Berufsausbildung vorbereitet und zum erfolgreichen Abschluss dieser Ausbildung geführt werden. Dies soll auch jungen Menschen, die bisher nur außerbetrieblich ausgebildet werden konnten, neue betriebliche Perspektiven bieten. Ausbildungsbegleitende Hilfen bieten Auszubildenden während ihrer Ausbildung zum Beispiel Hilfe zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten und zur Förderung der Fachtheorie sowie sozialpädagogische Begleitung. Die Ausbildungsbetriebe sollen in die Unterstützung eng mit einbezogen sein. Sie können zudem administrative und organisatorische Hilfen erhalten. Damit sollen nicht nur mehr Jugendliche in Ausbildung gebracht, sondern zudem mehr Betriebe dafür gewonnen werden, sich auch an die Berufsausbildung benachteiligter Jugendlicher heranzutrauen. Weitere Informationen unter: http://bit.ly/1GUsUZu. Neue Broschüre zum Wertguthaben-Modell Flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle werden zur Findung und Bindung von Fachkräften immer wichtiger. Eine Option sind sogenannte Wertguthaben. Man spart einen Teil der Arbeitszeit oder des Arbeitsentgelts an, um später bei Bedarf darauf zurückzugreifen. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat neue Hilfestellungen zu dem Modell veröffentlicht, die Arbeitgeber bei der Umsetzung unterstützen. „Wertguthaben verschaffen den Beschäftigten mehr Freiheit und Flexibilität bei der Lebensplanung”, heißt es in der neuen Broschüre. Unternehmen würden gleichfalls profitieren, da sie sich als attraktive Arbeitgeber positionieren können. Das Besondere an dem Modell ist, dass der Sozialversicherungsschutz während der Freistellungsphase erhalten bleibt. Nach einer Vorstellung des Modells geht die Broschüre getrennt auf die Fragen und Anforderungen von Arbeitgebern und Beschäftigten ein. Sie können darin beispielsweise nachlesen, wie Wertguthaben richtig angelegt, zuverlässig verwaltet und steuerlich behandelt werden. Ihre Arbeitnehmer erfahren unter anderem, wie sie Wertguthaben, etwa bei einem Stellenwechsel, übertragen können. Eine Vielzahl an Praxisbeispielen rundet den Ratgeber ab. Die Broschüre zum Wertguthaben können Sie als PDF-Datei herunterladen unter http://bit.ly/1GI55nF. +++ Neue Jobbörse für den Bereich der Eingliederungshilfe Ein neues Job-Portal richtet sich speziell an Arbeitsuchende aus sozialen, therapeutischen und pädagogischen Berufen, die mit behinderten Menschen arbeiten wollen, sowie an Arbeitgeber aus diesen Bereichen. Unter www.jobs-eingliederungshilfe. de können Unternehmen Stellenanzeigen schalten oder sich als Arbeitgeber vorstellen. Dort können Jobsuchende die Stellenangebote nach Berufsfeld oder Region filtern. Auch die Suche nach Ausbildungsplätzen und ehrenamtlichen Tätigkeiten im Bereich der Eingliederungshilfe ist möglich. +++ BMAS-Ratgeber zum neuen Pflege-Mindestlohn Vor dem Hintergrund des neuen flächendeckenden Mindestlohns hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Broschüre mit Antworten auf wichtige Fragen zum Pflege-Mindestlohn aufgelegt. Deren Inhalt befasst sich insbesondere mit der erfolgten Anhebung und der damit einhergehenden Angleichung der Löhne zwischen Ost und West. Vom 1. Oktober 2015 an wird die Gültigkeit des Pflege-Mindestlohns auch auf Betreuungskräfte von dementen Personen, Alltagsbegleiter sowie Assistenzkräfte ausgeweitet, die in Pflegebetrieben beschäftigt sind. Die BMAS-Broschüre „Mindestlohn in der Pflege” können Sie unter http://bit. ly/1Aa0L9o herunterladen. +++ Studenten planen Wohnortwechsel bei Berufseinstieg ein Viele Berufsanfänger in Deutschland rechnen damit, bei ihrem Berufseinstieg umziehen zu müssen. Das hat eine Befragung des Marktforschungsinstituts Research Now im Auftrag der Unternehmensberatung Ernst & Young unter 4.300 Studenten ergeben. In Ostdeutschland rechnen 40 Prozent fest damit, dass sie nach dem Studienabschluss innerhalb Deutschlands umziehen werden. In Westdeutschland sind es ähnlich viele (37 Prozent). Weitere 37 Prozent in Ost- und 39 Prozent in Westdeutschland halten es für „eher wahrscheinlich”, dass ein Umzug ansteht. Studenten beurteilen allerdings unterschiedlich, wohin sich ein Umzug lohnt: Zwei von drei Befragten (62 Prozent) sind zum Beispiel der Meinung, dass Bayern ihnen die besten Karriereperspektiven bietet. SERVICE 2/2015 3 SCHWERPUNKT Der Mindestlohn in der Praxis – erste Erfahrungen Im Umgang mit den neuen Vorschriften zum Mindestlohn gibt es zahlreiche Unsicherheiten. W enn ein neues Gesetz in Kraft tritt, wird üblicherweise nach 100 Tagen eine erste Bilanz gezogen. Das Gesetz zum Mindestlohn (Mindestlohngesetz – MiLoG) gilt erst seit wenigen Wochen, weshalb es für eine erste Bewertung eigentlich zu früh ist. Wären da nicht die zahlreichen Unsicherheiten im Umgang mit den neuen Vorschriften. Erste kleinere Änderungen gibt es bereits, aber in zahlreichen Branchen wünschen sich Betriebe und Unternehmen mehr Klarheit und vor allem mehr Rechtssicherheit. Was zählt zum gesetzlichen Mindestlohn? Der Gesetzgeber hat es sich einfach gemacht: Nach den gesetzlichen Bestimmungen müssen seit 1. Januar 2015 mindestens 8,50 EUR pro Stunde gezahlt werden, sofern nicht eine festgelegte Ausnahmeoder Übergangsregelung besteht. Weitere Vorgaben enthält der Gesetzestext nicht. Aber wie sollen Arbeitgeber vorgehen, deren Mitarbeiter nicht allein oder sogar kaum nach Arbeitsstunden bezahlt werden, weil Der Mindestlohn Für diese Gruppen gelten besondere Regeln Der Mindestlohn gilt für alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer. Fünf Gruppen können nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen vom Mindestlohn profitieren. 4 SERVICE 2/2015 sie zum Beispiel Provisionen erhalten? Häufig stellen sich dann solche Fragen: Ist es mit dem MiLoG vereinbar, wenn der Mitarbeiter ohne Provision weniger als 8,50 EUR pro Stunde verdient, mit Provisionen aber deutlich mehr? Sind diese umsatzabhängigen Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anzurechnen oder nicht? Nach dem Wortlaut des Gesetzes scheint dies nicht der Fall zu sein, die Vorgabe einer Mindeststundenvergütung ist zunächst eindeutig formuliert. Jedoch wird das Gesetz immer öfter so ausgelegt, dass beide Lohnbestandteile addiert werden dürfen. Es wird für zulässig erachtet, wenn sich auf diese Weise wenigstens 8,50 EUR pro Stunde für den Mitarbeiter ergeben. Ob diese Auffassung jedoch auch vor den Arbeitsgerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Das Arbeitsgericht Berlin hat bereits entschieden, dass der Mindestlohn Arbeitsleistung unmittelbar abgelten soll, deshalb dürften Urlaubsgeld und weitere Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden (ArbG Berlin, 4. März 2015 – 54 Ca 14420/14). JUGENDLICHE <18 AUSZUBILDENDE Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes. Das Gesetz regelt nicht die Vergütung von Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden. Das Bundesarbeitsministerium hat zur Klärung zahlreicher noch immer offener Fragen zwar eine Hotline eingerichtet. Jedoch dürfte zweifelhaft sein, ob man dort immer eine rechtsverbindliche Auskunft erhält. Nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden Vergütungszulagen für Arbeit zu besonderen Zeiten, wie zum Beispiel Nacht-, Wochenend- oder Feiertagszuschläge. Mindestlohn-Telefonhotline: 030 – 60 28 00 28 (Mo. – Do. von 8 – 20 Uhr) Beispiel Praxishinweis: Damit Sie als Arbeitgeber nicht Gefahr laufen, bei der nächsten Überprüfung Ihres Betriebes mit Forderungen wegen Verstoßes gegen das MiLoG belastet zu werden, kann eine Nachfrage bei der zuständigen Zollbehörde hilfreich sein. Momentan verfahren die Zollbehörden wie folgt: Gehören Zuschläge und Zulagen zur üblichen Arbeitsvergütung Ihres Mitarbeiters, werden sie auf den Mindestlohn angerechnet, andere Zulagen jedoch nicht. Auch bei einer Stücklohn- oder Akkordvergütung werden die gezahlten Zuschläge auf den Mindestlohn angerechnet, wenn sie der Mitarbeiter bei durchschnittlicher Leistungserbringung erzielen kann. Auch Einmalzahlungen wie zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld rechnen die Zollbehörden nach eigenen Angaben auf den Mindestlohn an, jedoch nur in dem Monat, in dem die Zahlung tatsächlich und unwiderruflich erfolgt. Erhält ein Mitarbeiter 10,00 EUR pro Stunde, von denen aber 2,00 EUR als Feiertagszuschlag gezahlt werden, liegt die Vergütung pro Stunde mit 8 EUR unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Lohnaufschläge für besondere Arbeitserschwernisse wie zum Beispiel Schmutzoder Gefahrenzulagen oder für Arbeiten mit Atemschutz und besondere Erfolgsprämien zählen nicht zur Mindestlohnvergütung. Gleiches gilt auch für Trinkgeld, das generell nicht zur Arbeitsvergütung gehört, die der Arbeitgeber zu zahlen hat. Wer erhält den Mindestlohn? Anhand des Gesetzestextes lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: Alle Arbeitnehmer und alle Praktikanten, sofern nicht die Ausnahmeregelungen greifen, bekommen 8,50 EUR pro Arbeitsstunde. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch gibt es einige Grauzonen, in denen nun erhebliche Unsicherheit herrscht. PRAKTIKANTEN LANGZEITARBEITSLOSE EHRENAMTLICHE Für ein (Pflicht-)Praktikum im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium, wird kein Mindestlohn gezahlt. Auch freiwillige Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten, die zur Orientierung bei der Berufs- oder Studienwahl dienen oder studienbegleitend absolviert werden, sind vom Mindestlohn ausgenommen. Bei Personen, die zuvor langzeitarbeitslos nach § 18 Absatz 1 des Dritten Sozialgesetzbuches waren, kann in den ersten sechs Monaten vom Mindestlohn abgewichen werden. Beschäftigte, für die ein Tarifvertrag gilt, werden nach Tariflohn bezahlt. Eine echte ehrenamtliche Tätigkeit stellt keine Arbeit im Sinne dieses Gesetzes dar. © Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2014 SERVICE 2/2015 5 SCHWERPUNKT Die Stellungnahme des BMAS finden Sie unter http://bit.ly/1zJSRTW. 6 SERVICE 2/2015 Sportler, Trainer und Übungsleiter beispielsweise von Sportvereinen, die nicht im Profibereich tätig sind, erhielten bisher überwiegend im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses eine Pauschale von maximal 450 EUR. Auch dieser Personenkreis müsste nun 8,50 EUR in der Stunde erhalten. Wer jedoch regelmäßig trainiert, Übungsgruppen leitet und am Wochenende aktiv spielt, kommt im Monat leicht über 53 Arbeitsstunden. Damit wäre die 450-EUR-Grenze überschritten – oder die Mindestlohngrenze unterschritten. Noch größere Schwierigkeiten bereitet die Frage, was in diesen Fällen überhaupt zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört. Müssten beispielsweise neben Training und Spiel auch die Erstellung von Trainingsplänen, Mannschaftsbesprechungen, Massage- und physiotherapeutische Termine nach der sportlichen Betätigung oder die Anreise zu Ligaspielen am Wochenende mit 8,50 EUR vergütet werden? Aus arbeitsrechtlicher Sicht spricht einiges dafür. Dies hätte für viele Breitensportvereine dramatische Folgen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat aktuell zu dieser Problematik Stellung bezogen. Demnach sollen Vertragsamateure nicht unter das Mindestlohngesetz fallen, da das zeitliche und persönliche Engagement dieser Sportler zeige, dass nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern die Förderung des Vereinszwecks und der Spaß am Sport im Vordergrund stehen. Somit ist davon auszugehen, dass es sich trotz Minijob nicht um ein Arbeitnehmerverhältnis handelt und der Mindestlohn keine Anwendung findet. Darüber hinaus soll die Zahl der Minijobs im ehrenamtlichen Bereich bei anderen Tätigkeiten (zum Beispiel Übungsleiter, Platzwarte) reduziert werden, etwa durch die Nutzung von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz. Auch im sozialen und kulturellen Bereich ist man vielerorts mit der aktuellen Situation unzufrieden. Personen, die ein freiwilliges soziales Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst ableisten, haben keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Jedoch sind in vielen Einrichtungen zahlreiche ehrenamtliche Helfer tätig, die häufig eine geringe Aufwandsentschädigung erhalten. Diese Vorgehensweise dürfte nun nicht mehr zulässig sein, weil das MiLoG für diese Tätigkeitsbereiche keine Ausnahmeregelung vorsieht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat bisher, anders als bei den oben angesprochenen Sportlern, auch nicht zu erkennen gegeben, dass sich daran etwas ändern soll. Die überwiegende Anzahl der sozialen Einrichtungen wird jedoch diesen Helfern keine 8,50 EUR in der Stunde zahlen können, was dazu führt, dass die „guten Geister” einer Einrichtung nicht einmal eine kleine Anerkennung für ihr Engagement erhalten werden. Die Forderungen nach weiteren Ausnahmeregelungen werden lauter. Praxishinweis: Solange die bestehenden Bestimmungen nicht gelockert sind, sollten Sie allen Personen, die nicht unter die gesetzlichen Ausnahmeregelungen fallen, 8,50 EUR pro Stunde zahlen. Arbeitsrechtliche Besonderheiten für bestimmte Maßnahmen Freiwillige Leistungen können Sie kürzen oder auch ganz streichen, aber nur, wenn diese nicht durch mehrmalige vorbehaltlose und unveränderte Gewährung zu einer betrieblichen Übung geworden sind. Die einseitige Kürzung von Urlaubstagen ist dagegen nur sehr selten zulässig. Auch andere vertragliche Leistungen können nicht ohne Weiteres und schon gar nicht einseitig gestrichen werden. Allenfalls können Sie eine Änderungskündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist aussprechen. Vertragliche Vereinbarungen, nach denen ein Stundenlohn von beispielsweise 7,50 EUR durch zusätzliche Sachleistungen eigener Produkte oder durch Gutscheine aufgestockt wird, dürften unzulässig sein, denn der gesetzliche Mindestlohn ist als Barlohn konzipiert. Deshalb darf auch Kost und Logis nur bei Saisonarbeitskräften und nach streng geregelten Vorgaben auf den Mindestlohn angerechnet werden. Wenig Erfolg versprechend ist es auch, den Mitarbeitern eine Art Abnutzungsgebühr für den Gebrauch von Arbeitsmitteln vom Lohn abzuziehen – vor einem Arbeitsgericht wird diese Methode der Lohnkostensenkung kaum Bestand haben. Nicht nur unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten interessant sind vertragliche Vereinbarungen, nach denen die Arbeitszeit eines Mitarbeiters als Bereitschaftszeit eingestuft wird, zum Beispiel wenn der Mitarbeiter eine bestimmte Zeitspanne, beispielsweise länger als 15 Minuten, zwar am Arbeitsort ist, aber nicht aktiv tätig wird (eine Verkäuferin wartet auf Kunden oder ein Kellner wartet auf Gäste). Bereitschaftszeiten müssen nämlich nicht mit mindestens 8,50 EUR vergütet werden. Ob diese Vorgehensweise zulässig ist oder nicht, lässt sich pauschal kaum beantworten, denn einige Branchentarifverträge enthalten sehr weitgehende Definitionen von Bereitschaftszeiten. Auch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist in diesem Punkt nicht einheitlich, allerdings deutet eine aktuelle Entscheidung des BAG sehr stark darauf hin, dass diese Vorgehensweise unzulässig ist (BAG, 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12). Nach dieser Entscheidung müssen alle Zeiträume, in denen sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um im Bedarfsfalle unverzüglich die Arbeit aufzunehmen, wie reguläre Arbeitszeit vergütet werden. Das Urteil wurde zwar vor Einfühung des MiLoG erlassen, jedoch wird der Spruch der Richter kaum an- ders auszulegen sein, als dass auch sogenannte Bereitschaftszeiten mit 8,50 EUR pro Stunde vergütet werden müssen. Ob sich der Verwaltungsaufwand aus solchen Regelungen tatsächlich lohnt, dürfte ohnehin zu bezweifeln sein. Klauseln in Arbeitsverträgen, die einen festen Arbeitszeitbestandteil pauschal als Bereitschaftszeit aufführen, werden einer gerichtlichen Überprüfung wahrscheinlich kaum standhalten können. Grundsätzlich zulässig ist es, wenn Mitarbeitern für die zu erbringende Leistung eine Stundenvorgabe gemacht wird. Kritisch wird es, wenn der Arbeitslohn nach der erteilten Vorgabe ausgezahlt wird, auch wenn der Mitarbeiter tatsächlich mehr Zeit benötigt. Die Zollbehörden haben bereits angekündigt, diese Zeitvorgaben genau zu überprüfen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Mitarbeiter die Zeitvorgaben gar nicht einhalten können, drohen Nachzahlungen. Ob und welche Möglichkeiten Sie als Arbeitgeber haben, die wirtschaftlichen Belastungen durch den Mindestlohn in Grenzen zu halten, werden wohl in nächster Zeit die Gerichte klären müssen. Bis dahin sollten Sie die neuen Vorgaben möglichst genau einhalten, damit es nach einer Überprüfung durch die Zollbehörden nicht zu Nachforderungen kommt. W Fragen und Antworten des BMAS zum Mindestlohn: www.bit.ly/1JPoTI0 „Durch den Mindestlohn erhalten 3,7 Millionen Menschen in Deutschland mehr Lohn. Viele können dadurch aus der Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen rauskommen.“ Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales SERVICE 2/2015 7 SOZIALVERSICHERUNG Beschäftigung von Praktikanten – hierauf müssen Sie achten Praktikanten haben unter bestimmten Umständen auch einen Mindestlohnanspruch. A m Lernort „Hochschule“ wird in erster Linie Theorie vermittelt. Immer mehr Hochschulen versuchen zwar, die betrieblichen Anforderungen in Seminaren und Projektarbeiten zu simulieren. Es wurde jedoch erkannt, dass dies die Praxis am Lernort „Betrieb“ nicht ersetzen kann. Da der akademische Abschluss ein berufsqualifizierendes Reifezeugnis darstellt, muss der Transfer der Theorie in die Praxis gewährleistet sein. In aller Regel soll dies durch die Ableistung eines Praktikums erreicht werden. Der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt als Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung. Praktika mit diesem Ziel unterliegen daher grundsätzlich den jeweiligen Vorschriften für die einzelnen Sozialversicherungszweige der Versicherungspflicht. Anspruch auf Mindestlohn Seit dem 1. Januar 2015 haben alle Praktikanten, die kein Pflichtpraktikum im Rahmen ihrer Ausbildung oder zur beruflichen Förderung und Orientierung ableisten, Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben Praktikanten, die bb aufgrund ihrer Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung ein Pflichtpraktikum ableisten müssen (§ 22 Absatz 1 Ziffer 1 Mindestlohngesetz – MiLoG). Gleiches gilt für eine Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie. Das Pflichtpraktikum wird in diesen Fällen der jeweiligen Ausbildung zugerechnet, bb ein maximal dreimonatiges Vorbereitungspraktikum zur Orientierung für eine spätere Berufsausbildung oder ein Studium absolvieren (§ 22 Absatz 1 Ziffer 2 MiLoG) – was im Detail der beruflichen Orientierungssuche dient, hat der Gesetzgeber offen gelassen, bb parallel zu ihrem Studium oder ihrer Berufsausbildung ein maximal dreimonati- 8 SERVICE 2/2015 ges Praktikum ableisten, das inhaltlichen Bezug zur jeweiligen Ausbildung hat. Zu beachten ist auch eine Erweiterung des in der Praxis oft nicht berücksichtigten Nachweisgesetzes. Danach haben Praktikanten, die Anspruch auf den Mindestlohn haben, einen Anspruch auf die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen. Vor Aufnahme der Praktikumstätigkeit müssen diese Bedingungen dem Praktikanten unterschrieben ausgehändigt werden. Verschiedene Formen der Praktika Bei den Praktika wird zwischen vorgeschriebenem und nicht vorgeschriebenem sowie nach Zwischen-, Vor- und Nachpraktikum unterschieden. Vorgeschriebene Praktika Vorgeschriebene Praktika liegen nur dann vor, wenn sie durch eine Ausbildungs-, Studien- oder Prüfungsordnung begründet sind. Die Verpflichtung zur Ableistung des Praktikums ist nachzuweisen. Bei den vorgeschriebenen Praktika unterscheiden Sie Vor-, Zwischen- und in seltenen Fällen auch Nachpraktikum. Zwischenpraktikum Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlich Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, sind krankenversicherungsfrei. Entsprechendes gilt für die Pflege- und in der Arbeitslosenversicherung. Denn diese Praktikanten bleiben, wenn und solange sie an einer Hochschule beziehungsweise Fachhochschule immatrikuliert sind, ihrem Erscheinungsbild nach Studenten. Die Dauer des Praktikums, die wöchentliche Arbeitszeit sowie die Höhe des während des Praktikums erzielten Arbeitsentgelts spielen dabei keine Rolle. Auch in der Rentenversicherung besteht unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit und dem monatlichen Entgelt Versicherungsfreiheit, und zwar kraft Gesetz. Vorpraktika/Nachpraktika Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit verrichten, unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Dabei ist zu unterscheiden, ob die vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit mit oder ohne Arbeitsentgelt ausgeübt wird. Vorgeschriebene Praktika gehören zu den Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung. Versicherungsfreiheit aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung kommt für solche Beschäftigungen nicht in Betracht. Wird während des vorgeschriebenen Praktikums Arbeitsentgelt erzielt, besteht Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung wie bei Arbeitnehmern. Wird das vorgeschriebene Praktikum ohne Arbeitsentgelt ausgeübt, besteht zwar ebenfalls Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, aber nach anderen Vorschriften. In diesem Fall kann aber eine eventuell bestehende Familienversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung vorrangig vor der Versicherung als Praktikant durchzuführen sein. Besteht keine Familienversicherung, sollte der Praktikant sich umgehend mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungspflicht, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt bezogen wird oder nicht. Die Vorpraktikanten unterliegen auch dann der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung, wenn das Praktikum nicht länger als drei Monate dauert. Für Praktikanten, die kein Arbeitsentgelt erhalten, ist für die Berechnung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Monat ein Betrag in Höhe von einem Prozent der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen. Dieser Beitrag (2015 = 28,35 EUR West/24,15 EUR Ost) ist allein vom Arbeitgeber zu tragen. Geringverdienergrenze Seit dem 1. August 2003 beträgt die Geringverdienergrenze 325 EUR. Sie gilt einheitlich im gesamten Bundesgebiet und nur noch für Versicherte, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Vorgeschriebene Praktika gehören zu den Beschäftigungen im Rahmen einer Berufsausbildung. SERVICE 2/2015 9 SOZIALVERSICHERUNG Durch die Regelungen für Geringverdiener soll sichergestellt werden, dass Personen mit einem ohnehin geringen Arbeitsentgelt nicht noch mit Beitragsanteilen belastet werden. Daher trägt der Arbeitgeber die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung in voller Höhe. Keine Ausnahme von der alleinigen Beitragstragung bei einem Verdienst von nicht mehr als der Geringverdienergrenze stellt der Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung dar. Arbeitgeber übernehmen für Auszubildende, die das 23. Lebensjahr vollendet haben und kinderlos sind, diesen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Prozent komplett allein. Übersteigt das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers in einem Abrechnungszeitraum den Grenzwert von 325 EUR, so sind für diesen Abrechnungszeitraum die Beiträge aus dem gesamten Entgelt grundsätzlich je zur Hälfte von Ihrem Arbeitnehmer und Ihnen aufzubringen. Der Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für Kinderlose, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, ist von dem 325 EUR übersteigenden Betrag allein von Ihrem Arbeitnehmer zu tragen. In der Krankenversicherung tragen Sie als Arbeitgeber auch die Beiträge, die sich aus dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz ergeben. Nicht vorgeschriebene Praktika Beispiele zu beschäftigten Praktikanten finden Sie im Internet unter www.bkk-dv.de/service150201. Nicht vorgeschriebene Praktika, die im Zusammenhang mit dem Studium aus Zweckmäßigkeitsgründen abgeleistet werden, unterscheiden sich in der Ausgestaltung nicht von den Praktika, die in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben sind. Aller- dings besteht keine Verpflichtung, im Rahmen der Gesamtausbildung die Ableistung des Praktikums nachzuweisen. Bei diesen Praktika sind die Regelungen über den Mindestlohn zu beachten. Zwischenpraktika Die versicherungsrechtliche Beurteilung von nicht vorgeschriebenen Zwischenpraktika, die gegen Arbeitsentgelt ausgeübt werden, ist für die Kranken-, Pflege- sowie für die Arbeitslosenversicherung entsprechend der versicherungsrechtlichen Beurteilung für die Personen vorzunehmen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlich Studierende einer Hochschule (oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule) eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausüben. Versicherungsfreiheit kommt für die Studierenden in Betracht, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werden. Für diejenigen, die ihrem Erscheinungsbild nach als Arbeitnehmer anzusehen sind, gelten die allgemeinen Regelungen über die Versicherungspflicht von Arbeitnehmern in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. In der Rentenversicherung unterliegen diese Zwischenpraktika der Versicherungspflicht. Versicherungsfreiheit besteht nur dann, wenn die Beschäftigung im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung (geringfügig entlohnt = monatliches Entgelt bis 450 EUR und Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beziehungsweise kurzfristig = auf maximal drei Monate in einem Kalenderjahr befristet) ausgeübt wird. Vor- und Nachpraktika Für nicht in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene Vor- oder Nachpraktika bestehen hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung keine Sonderregelungen. Personen, die nicht vorgeschriebene Praktika gegen Arbeitsentgelt ausüben, sind daher versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Da diese Praktika nicht zu den Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gehören, kann Versicherungsfreiheit wegen einer geringfügigen Beschäftigung in Betracht kommen. W 10 SERVICE 2/2015 Noch nicht zum alten Eisen Beschäftigung von Rentnern Bei der Beschäftigung von Rentnern gelten besondere Regelungen in der Sozialversicherung. N icht jeder kann oder will sich als Rentner ganz zur Ruhe setzen. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe. Wenn ein Rentner bei Ihnen eine Beschäftigung aufnehmen möchte, dann raten Sie ihm, sich vorab von seinem Rentenversicherungsträger über die geltenden Hinzuverdienstmöglichkeiten und -grenzen beraten zu lassen. Denn es gibt ein paar Regeln, die Ihr beschäftigter Senior beachten muss. Wie viel Ihr neuer Mitarbeiter zu seiner gesetzlichen Rente hinzuverdienen darf, ohne seinen Rentenanspruch zu gefährden, hängt vom Lebensalter ab. Wenn Ihr beschäftigter Rentner bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat, darf er unbegrenzt hinzuverdienen. Seine Beschäftigung muss er dann auch nicht mehr bei seinem zuständigen Rentenversicherungsträger melden. Für vor dem 1. Januar 1947 geborene Arbeitnehmer liegt die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren. Für seitdem Geborene wird die Regelaltersgrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Hinzuverdienst vor der Regelaltersgrenze Beabsichtigen Sie, einen Altersvollrentner schon vor Erreichen seiner Regelaltersgrenze zu beschäftigen, gelten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze besondere Hinzuverdienstregelungen bei bb Altersrente für schwerbehinderte Menschen, SERVICE 2/2015 11 SOZIALVERSICHERUNG bb Altersrente für langjährig Versicherte bb bb bb bb (35 Beitragsjahre), Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, Altersrente für Frauen, Altersrente für besonders langjährig Versicherte (45 Beitragsjahre) oder Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. PRAXISHinweis: Hat Ihr beschäftigter Rentner noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht, empfehlen Sie ihm, dass er seine Erwerbstätigkeit dem Rentenversicherungsträger meldet. Diese informiert ihn darüber, ob sein Verdienst innerhalb der rentenunschädlichen Grenzen liegt, und zeigt auf, welche Einkommens arten als Hinzuverdienst gelten. Abhängig vom Hinzuverdienst wird die Altersrente in voller Höhe oder vermindert – als sogenannte Teilrente – gezahlt. Unter Umständen kann die Rente sogar ganz entfallen. Je mehr Ihr beschäftigter Rentner hinzuverdient, desto niedriger ist der Anteil der Rente. Die Altersrente können Personen erhalten als: bb Vollrente (also in voller Höhe), bb Zwei-Drittel-Teilrente (also in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente), bb Ein-Halb-Teilrente (also in Höhe der Hälfte der Vollrente) oder bb Ein-Drittel-Teilrente (also in Höhe von einem Drittel der Vollrente). Als Hinzuverdienst gilt neben dem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt auch der monatliche steuerrechtliche Gewinn (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit und aus Land- und Forstwirtschaft) sowie vergleichbares Einkommen wie zum Beispiel Vorruhestandsgeld. Hinzuverdienstgrenzen Eine Übersicht mit den Renten- Hinzuverdienstgrenzen finden Sie im Internet unter www.bkk-dv.de/ service150202. 12 SERVICE 2/2015 Bei vorzeitigen Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten sind Hinzuverdienstgrenzen zu beachten. Werden diese überschritten, wird die Rente nur als Teilrente gezahlt. Bei Hinterbliebenen- und Erziehungsrenten wirkt sich ein Hinzuverdienst im Rahmen der Einkommensanrechnung aus. Erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze kann zu einer Altersrente unbeschränkt hinzuverdient werden. Zulässiges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze Die maßgebende Hinzuverdienstgrenze darf im Laufe eines jeden Kalenderjahres in zwei Monaten bis zum Doppelten des für einen Monat geltenden Wertes überschritten werden. Dadurch können zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gezahlt oder Überstunden vergütet werden, ohne rentenschädlich zu sein. Voraussetzung dafür ist, dass jeweils die Hinzuverdienstgrenze des Vormonats eingehalten wurde. Beschäftigte Rentner in der Sozialversicherung Altersvollrente Krankenversicherung Wird eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, besteht für den Rentner kein Anspruch auf Krankengeld. Deshalb ist für die Dauer der Beschäftigung der ermäßigte Beitragssatz für die Beiträge aus dem Arbeitsentgelt heranzuziehen (Beitragsgruppe „3000”). Der Bezug der Teilrente schließt einen Krankengeldanspruch nicht aus. Deshalb ist für die Beiträge aus dem Beschäftigungsverhältnis der allgemeine Beitragssatz (Beitragsgruppe „1000”) maßgebend. Pflegeversicherung Der Bezug einer Altersrente wirkt sich nicht auf das Versicherungsverhältnis oder den anzuwendenden Beitragssatz aus. Es gelten daher die allgemeinen Regelungen. Rentenversicherung In der Rentenversicherung sind Bezieher einer Vollrente wegen Alters versicherungsfrei. Allerdings haben Sie als Arbeitgeber aus dem Arbeitsentgelt den halben Rentenversicherungsbeitrag zu zahlen (Beitragsgruppe „0300”). Beim Bezug einer Teilrente wegen Alters tritt keine Versicherungsfreiheit ein. Von dem Arbeitsentgelt werden Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteile (Beitragsgruppe „0100”) gezahlt. Bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung als Minijobber (auch im Privathaushalt) zahlen Sie nur den Pauschalbeitrag (Beitragsgruppe „0500”) i.H.v. 15 Prozent beziehungsweise fünf Prozent des Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung, da Bezieher einer Altersvollrente in der Rentenversicherung versicherungsfrei sind. Arbeitslosenversicherung In der Arbeitslosenversicherung bewirkt der Bezug einer Altersrente keine Änderung der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Hier wird der Arbeitnehmer erst mit Ablauf des Monats, in dem er das Regelrentenalter vollendet, versicherungsfrei. Ab diesem Zeitpunkt hat der Beschäftigte keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr zu entrichten. Sie als Arbeitgeber haben allerdings weiterhin Ihren Beitragsanteil abzuführen (Beitragsgruppe „0020”) – siehe Beispiel 1. Beispiel 1 Sachverhalt: Der Arbeitnehmer Justus Baum ist am 20. Juli 1950 geboren und bezieht eine Altersvollrente. Für ihn gilt eine Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 4 Monaten. Das 65. Lebensjahr wird rechtlich mit dem Tag vor dem Geburtstag vollendet (hier: 19. Juli 2015). Die Regelaltersgrenze wird demnach mit Ablauf des 19. November 2015 erreicht. ALV-Versicherungsfreiheit besteht ab 1. Dezember 2015. Beurteilung: Der Arbeitgeber hat ab dem 1. Dezember 2015 aus dem Arbeitsentgelt den halben Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu zahlen. PGR 119 BGR 3321 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Rentner in Minijobs Krankenversicherung In der Krankenversicherung hat der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (einschließlich einer Erwerbsunfähigkeitsrente) Auswirkungen auf den maßgebenden Beitragssatz. Wird eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, besteht für den Rentner kein Anspruch auf Krankengeld. Deshalb ist für die Dauer der Beschäftigung der ermäßigte Beitragssatz für die Beiträge aus dem Arbeitsentgelt heranzuziehen (Beitragsgruppe „3000”). Pflege- und Rentenversicherung Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente wirkt sich in der Pflege- und Rentenversicherung nicht auf das Versicherungsverhältnis oder den anzuwendenden Beitragssatz aus. Geringfügige Beschäftigungen von Rentnern sind versicherungsrechtlich nach den allgemeingültigen Grundsätzen zu beurteilen. Wie bei allen geringfügig Beschäftigten sind gegebenenfalls Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen. Bei beschäftigten Rentnern mit einer Vollrente, die als Minijobber tätig sind, gilt jedoch die Besonderheit, dass sie nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sind. Für diese Beschäftigten werden ausschließlich Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung abgeführt – siehe Beispiel 2. Bitte beachten Sie, dass auch der Bezug von Renten aus dem Ausland von Bedeutung sein kann. Bei Fragen zu dieser Thematik wenden Sie sich bitte an uns oder die Deutsche Rentenversicherung. W Eine tabellarische Übersicht zu Beiträgen und Beitragsgruppen bei verschiedenen Rentenarten finden Sie im Internet unter www.bkk-dv. de/service150203. Arbeitslosenversicherung In der Arbeitslosenversicherung bewirkt der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (einschließlich einer Erwerbsunfähigkeitsrente) Versicherungsfreiheit in der Beschäftigung. Hinterbliebenenrente (Rente wegen Todes) Der Bezug einer Hinterbliebenenrente wirkt sich in keinem Versicherungszweig auf die Versicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses aus. Eine mehr als geringfügig ausgeübte Beschäftigung neben einer Hinterbliebenenrente ist daher sozialversicherungspflichtig. Die Beiträge sind wie für alle anderen Arbeitnehmer zu berechnen und abzuführen. Beispiel 2 Sachverhalt: Der 69-jährige Altersrentner Bernd Schnell arbeitet acht Stunden wöchentlich gegen ein Monatsentgelt in Höhe von 450 EUR. Beurteilung: Herr Klein ist in dieser Beschäftigung in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungsfrei. Der Arbeitgeber hat für ihn ungeachtet des Rentenbezugs und des Alters die Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung zu zahlen. Sofern eine Versicherung zu einer gesetzlichen Krankenversicherung besteht (eigene Mitgliedschaft oder Familienversicherung), sind Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung abzuführen. PGR 109 BGR 6500 SERVICE 2/2015 13 ARBEITSRECHT Sabbaticals – Auszeit vom Job Eine Auszeit vom Job kann für den Arbeitnehmer und den Betrieb Vorteile bringen. 14 SERVICE 2/2015 E ine längere Auszeit von der Arbeit – wer träumt nicht davon? Zeit für einen längeren Urlaub, zur Erledigung größerer privater Projekte (zum Beispiel Hausbau), zur Pflege von Angehörigen oder einfach nur zum Energie tanken. Tatsächlich kann ein solches Sabbatical (englische Kurzform für „Sabbatjahr“) für alle Beteiligten Vorteile bringen, wenn man einige Dinge dabei beachtet. Dem Wunsch nach einem Sabbatical begegnet oftmals das Umfeld des Mitarbeiters mit zahlreichen Vorurteilen und Vorbehalten: Der Mitarbeiter steht kurz vor dem Burnout, ist nicht leistungsfähig, hat sein Leben nicht im Griff, ist mit seinem Kopf woanders, ist unzufrieden im Job, lässt seine Kollegen im Stich und ist egoistisch, weil er nur an sich denkt. Sabbatical als Win-Win-Situation Selbst und gerade wenn solche Umstände im konkreten Einzelfall tatsächlich vorliegen, ist ein Sabbatical genau das Richtige. Denn mit dieser längeren Auszeit werden Grundbedürfnisse des Mitarbeiters befriedigt und ihm wird individuelle Wertschätzung entgegengebracht. In der Regel zahlt er dies durch größere Jobzufriedenheit, höhere Leistungsfähigkeit und stärkere Bindung an Ihr Unternehmen zurück. Gleichzeitig können Sie sich damit als familien- und mitarbeiterfreundliches Unternehmen mit einem Konzept für eine bessere Work-LifeBalance nach außen darstellen und dadurch im Wettstreit um die besten Nachwuchskräfte punkten. bb genauer Beginn und genaues Ende des Sabbaticals, bb konkrete Durchführung des Sabbaticals, bb Regelung zur Vergütung des Mitarbeiters, bb Auswirkungen bb bb bb bb bb auf den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters, Folgen bei Krankheit des Mitarbeiters, sozialversicherungsrechtliche Fragen, Folgen für betriebliche Altersversorgung, Auswirkungen auf andere Sonderleistungen von Ihnen und Aufgaben und Position des Arbeitnehmers nach seiner Rückkehr. Besonderheiten ja nach Modell Kein gesetzlicher Anspruch Trotz dieser vielen Vorteile gibt es bisher keinen gesetzlichen Anspruch auf ein Sabbatical. Das Arbeitsrecht ermöglicht eine Auszeit insbesondere nur über den allgemeinen Urlaubsanspruch. Abhängig von der besonderen Situation des Mitarbeiters gibt es das noch in Form von Elternzeit, Freistellung im Falle kranker Kinder, Pflegezeit, Familienpflegezeit und Sonderurlaub. Eine alternative Möglichkeit bietet der Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Hierzu haben einige Gerichte entschieden, dass Arbeitnehmer eine Arbeitszeitverringerung grundsätzlich auch als Reduzierung ihrer Jahresarbeitszeit mit einer verblockten unbezahlten Freistellung beanspruchen können (zum Beispiel LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2011, AZ: 11 Sa 360/11). Problematisch daran ist, dass der Anspruch nur besteht, soweit betriebliche Gründe dem nicht entgegenstehen. Das bedeutet, dass der Anspruch für den Mitarbeiter von vornherein nicht eindeutig besteht und häufig erst im Wege einer Klage durchgesetzt werden muss, wodurch das Arbeitsverhältnis belastet wird. Sabbatical schriftlich vereinbaren Daher sollte ein Sabbatical besser einvernehmlich zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitnehmer geregelt werden. Die Vereinbarung sollte aus Nachweisgründen in jedem Fall schriftlich in Form eines Zusatzvertrages zum Arbeitsvertrag getroffen werden und alle wesentlichen Punkte enthalten, wie etwa Da für ein Sabbatical grundsätzlich mehrere Modelle in Frage kommen, müssen hierbei gegebenenfalls noch weitere Besonderheiten beachtet werden: bb Beim Teilzeitmodell reduziert der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit dahingehend, dass er blockweise voll und blockweise gar nicht arbeitet. Hierbei wird durchgehend das Gehalt des Mitarbeiters gezahlt und die Sozialabgaben abgeführt, allerdings auf dem Niveau einer Teilzeitkraft. bb Beim Ansparmodell spart der Arbeitnehmer Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum auf einem Langzeitkonto an. Anschließend verwendet er das angesparte Arbeitszeitguthaben für eine längere Auszeit von der Arbeit. Während der befristeten Auszeit erhält der Mitarbeiter das volle monatliche Arbeitsentgelt, das er durch Vor- bzw. Nacharbeit erwirtschaftet hat. Auch die Sozialversicherung bleibt unverändert bestehen. bb Beim Freistellungsmodell vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein befristetes Ruhen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer des Sabbaticals. Sofern nichts anderes vereinbart wird, erfolgt dies in Form einer unbezahlten Freistellung. Nachteilig hierbei ist, dass sich der Mitarbeiter neben dem Wegfall des Gehalts auch oftmals selbst um seine Sozialversicherung kümmern muss. SERVICE 2/2015 15 ARBEITSRECHT Sabbatical im Sozialversicherungsrecht Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung Während eines Sabbaticals besteht das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung durchgehend fort, wenn die Freistellung von der Arbeitsleistung bb mit Bezug von Arbeitsentgelt und bb aufgrund einer Wertguthabenvereinbarung nach § 7b SGB IV in Anspruch genommen wird. Basiert das Sabbatical nicht auf einer Wertguthabenvereinbarung, endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis spätestens drei Monate nach dem Beginn der Freistellung – also zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer für die Freistellung angespartes Arbeitszeitguthaben aus einer sonstigen Arbeitszeitregelung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder zum Ausgleich von betrieblichen Produktions- oder Arbeitszyklen (wie Gleitzeitguthaben) verwendet. Sofern Ihr Arbeitnehmer für sein Sabbatical unbezahlten Urlaub nimmt, endet das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis spätestens einen Monat nach Beginn der Freistellung. Beispiel Sachverhalt: Der versicherungspflichtige Arbeitnehmer Till Plass lässt sich von seinem Arbeitgeber Allfinanz ab dem 1. Juni 2015 für sechs Monate beurlauben. Herr Plass verwendet für die ersten drei Monate der Freistellung ein vorhandenes Gleitzeitguthaben, ab Beginn des vierten Monats bis zum Ende seiner Freistellung erhält er keine Vergütung mehr. Beurteilung: Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis endet nach vier Monaten am 30. September 2015. Zunächst bleibt das Beschäftigungsverhältnis von Herrn Plass bis zum Ablauf der Drei-Monatsfrist und anschließend noch für einen weiteren Monat wegen unbezahlten Urlaubs erhalten. Versicherungsrechtliche Regelungen Ihr Arbeitnehmer ist während des Sabbaticals, solange ein Beschäftigungsverhältnis besteht, weiterhin versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung. Überschreitet das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt Ihres Arbeitnehmers auch während des 16 SERVICE 2/2015 Sabbaticals die Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Krankenversicherung, ist er krankenversicherungsfrei. Beitragsrechtliche Regelungen Die Sozialversicherungsbeiträge werden während der Freistellung aus dem gezahlten Arbeitsentgelt – konkret dem verwendeten Wertguthaben – entrichtet. Fällig werden die Beiträge im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitregelungen erst mit der Auszahlung des Arbeitsentgelts. Sie werden mit den zum Zeitpunkt der Auszahlung maßgebenden Rechengrößen berechnet. In der Krankenversicherung wird der allgemeine Beitragssatz angewendet. Hier wird davon ausgegangen, dass Ihr Arbeitnehmer nach dem Sabbatical die Beschäftigung wieder aufnehmen wird und er deshalb den Krankengeldanspruch nur vorübergehend nicht realisieren kann. Beiträge aus dem Wertguthaben fallen auch an, wenn das Wertguthaben aus Arbeitsentgelt herrührt, das zum Zeitpunkt seiner Erwirtschaftung in der Ansparphase die Beitragsbemessungsgrenze überschritten hat. Melderechtliche Regelungen Während des Sabbaticals geben Sie dieselben Meldungen nach der DEÜV ab wie bei einer laufenden Beschäftigung. Besonderheiten sind zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer bb sowohl im Rechtskreis Ost als auch im Rechtskreis West Wertguthaben gebildet hat und bb während des Sabbaticals ein Wechsel des Rechtskreis-Wertguthabens vorzunehmen ist, aus dem das Arbeitsentgelt für das Sabbatical entnommen wird. In diesem Fall melden Sie den Wechsel des Wertguthabens taggenau. Es ist eine Abmeldung (Abgabegrund „33”) und zum Folgetag eine Anmeldung (Abgabegrund „13”) vorzunehmen. Wenn Sie weitere Fragen zu versicherungs-, melde- und beitragsrechtlichen Regelungen während eines Sabbaticals haben, dann wenden Sie sich gern an uns. W SERVICE 2/2015 17 ARBEITSRECHT Aktuelle Urteile Kein doppelter Anspruch auf Urlaub Wechselt ein Arbeitnehmer während des laufenden Kalenderjahres die Beschäftigung und verlangt vom neuen Arbeitgeber eine Urlaubsabgeltung, muss er nachweisen, dass sein Urlaubsanspruch vom alten Arbeitgeber noch nicht vollständig erfüllt wurde. Doppelansprüche seien nämlich gesetzlich ausgeschlossen, so das BAG. Geklagt hatte ein Mann, der seit April 2010 bei einem Lebensmittelmarkt beschäftigt war. Nach der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses verlangte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung seines Urlaubs. Dieser lehnte das jedoch mit der Begründung ab, dass dem Arbeitnehmer für das Jahr 2010 schon von seinem vorherigen Arbeitgeber Urlaub gewährt worden sei. Eine Urlaubsbescheinigung legte der Mitarbeiter nicht vor. In seinem Arbeitsvertrag war zudem eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vereinbart. Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Klage ab, da die vertragliche Ausschlussfrist verfallen sei. Die Revision vor dem BAG war erfolgreich: Die Ausschlussfrist sei zwar gewahrt, allerdings wurde die Sache an das LAG zurück verwiesen. Der Mitarbeiter hat mit einer Urlaubsbescheinigung nachzuweisen, dass sein früherer Arbeitgeber seinen Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 noch nicht erfüllt hat. Wenn dieser Nachweis vorliegt, hat der Lebensmittelmarkt den Urlaub abzugelten. BAG vom 16.12.2014 – 9 AZR 295/13 Betriebsrente erst mit gesetzlicher Altersrente Einem Arbeitnehmer stehen Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung erst ab dem Zeitpunkt zu, ab dem er die gesetzliche Altersrente beansprucht. Im konkreten Fall arbeitete eine 56-Jährige seit 1991 bei ihrer Arbeitgeberin. Diese sagte ihr eine betriebliche Altersversorgung zu, die sich nach den „Regelungen zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung“ (AHV) richtete. Die AHV in der Fassung vom 5. November 1991 (AHV 18 SERVICE 2/2015 1991) sehen eine Wartezeit von fünf Jahren vor. Voraussetzung: Die Arbeitnehmerin scheidet erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Unternehmen aus (Männer ab dem 63. Lebensjahr) oder ist schon vorher dienstunfähig. Außerdem verringert sich die Betriebsrente um die gesetzlichen Rentenbeiträge. Der Arbeitnehmerin wurde Ende 2010 mitgeteilt, dass Mitarbeiter ab Jahrgang 1952 – aufgrund der geänderten Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung – die Betriebsrente frühestens ab dem 63. Lebensjahr erhalten könnten. Dagegen klagte die Mitarbeiterin erfolglos. Begründung: Die AHV 1991 lege keine „feste“, sondern eine „flexible“ Altersgrenze auf das 60. Lebensjahr fest und setze den Bezug von Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung voraus. BAG vom 13.1.2015 – 3 AZR 894/12 Mobbing: Opfer können mit Klage warten Der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings (vgl. §§ 823 Absatz 1, 253 Absatz 2 BGB i.V.m. Artikel 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG) kann zwar verwirkt werden, dafür genügt jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht. So lautet ein Urteil des BAG im Fall eines Arbeitnehmers, der gegen seinen früheren Arbeitgeber einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machte – fast drei Jahre nach dem letzten Vorfall. Er gab an, in den Jahren 2006 bis 2008 mehrmals schikaniert worden zu sein. Der letzte Vorgang habe sich im Februar 2008 ereignet. Danach war der Arbeitnehmer unter anderem wegen Depressionen nahezu durchgehend arbeitsunfähig. Seine Klage ging erst Ende Dezember 2010 bei Gericht ein. Wegen dieser Zeitspanne war das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg der Auffassung, dass mögliche Ansprüche verwirkt seien. Das BAG hob diese Entscheidung auf und definierte die Voraussetzungen an eine Verwirkung genauer. Danach sei diese nur unter „ganz besonderen Umständen“ zu bejahen. Ein bloßes „Zuwarten” sei nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Dass der Arbeitnehmer erst nach Jahren die Klage eingereicht hatte, könnte nur dann von Bedeutung sein, wenn besondere Umstände vorlägen und daher eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung bestünde. Alles andere würde nur dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen werde. BAG vom 11.12.2014 – 8 AZR 838/13 STEUERRECHT Rabattgewährung von Dritten an Arbeitnehmer Ein neuer Erlass bringt Klarheit, ob Rabatte von Fremdfirmen steuerpflichtiger Arbeitslohn sind. O ftmals erhalten Arbeitnehmer von Lieferanten oder Kunden ihres Arbeitgebers Rabatte auf deren Waren oder Dienstleistungen. Erhält ein Arbeitnehmer solche Rabatte, so ging die Finanzverwaltung in der Vergangenheit regelmäßig davon aus, dass der hierin liegende geldwerte Vorteil lohnsteuer- und in der Folge sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn darstellt. Preisvorteile eines Dritten zählen insbesondere dann zum Arbeitslohn, wenn ein konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung Ihres Arbeitnehmers vorliegt. Die Finanzverwaltung hat sich nun in einem aktuellen Verwaltungserlass konkret dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen Rabatte von Dritten einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil für Arbeitnehmer darstellen (BMF-Schreiben vom 20. Januar 2015 (Az. IV C 5 – S-2360/12/10002). Demnach wird die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) anerkannt, der zuletzt in mehreren Urteilen entschieden hat, dass Rabatte von Dritten nur unter bestimmten Voraussetzungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind. Finanzverwaltung folgt der BFH-Rechtsprechung Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH werden Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst SERVICE 2/2015 19 STEUERRECHT worden sind. Erforderlich ist nicht, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Leistung des Arbeitnehmers sind. Steuerpflichtiger Arbeitslohn kann daher auch bei einer Zuwendung in Form eines Rabatts anzunehmen sein, den ein Dritter eigenen Arbeitnehmern einräumt. Voraussetzung ist, dass der Rabatt für den Arbeitnehmer aus seiner Arbeit für den Arbeitgeber erwächst und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Der BFH hat mit Urteil vom 18. Oktober 2012 (VI R 64/11) allerdings entschieden, dass eine Mitwirkung des Arbeitgebers an der Verschaffung von Rabatten nicht in jedem Fall ausreiche, Arbeitslohn beim Arbeitnehmer anzunehmen. In einer weiteren Entscheidung vom 10. April 2014 (VI R 62/11) hat der BFH klargestellt, dass es sich nicht um einen steuerpflichtigen Rabatt von dritter Seite handelt, wenn der Dritte entsprechende Rabatte sowohl Arbeitnehmern des Arbeitgebers 20 SERVICE 2/2015 als auch einem weiteren Personenkreis einräumt. In dem Entscheidungsfall wurden Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmern weiterer Unternehmen) eingeräumt. Der BFH hat entschieden, dass hierin kein steuerpflichtiger Arbeitslohn anzunehmen ist. Arbeitgeber müssen aktiv an Rabattgewährung mitwirken Die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 20. Januar 2015 (Az. IV C 5 – S-2360/12/10002) dazu entschlossen, die neuen Rechtsprechungsgrundsätze des BFH allgemein anzuwenden. Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung konkretisiert die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben, wann von einer steuerpflichtigen Rabattgewährung eines Dritten auszugehen ist. bb Angebote Dritter an die Arbeitnehmer seines Betriebes und eventuell damit verbundene Störungen des Betriebsablaufs zu dulden oder bb die Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer zu bescheinigen oder bb Räumlichkeiten für Treffen der Arbeitnehmer mit Ansprechpartnern des Dritten zur Verfügung zu stellen. Auch die Mitwirkung des Betriebsrats oder Personalrats an der Verschaffung von Preisvorteilen durch Dritte ist für die steuerliche Beurteilung dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen und führt allein nicht zur Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn. Allgemeine Mengen- oder Großabnehmerrabatte sind unschädlich Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber aktiv mitgewirkt hat, die Preisvorteile zu verschaffen. Eine aktive Mitwirkung des Arbeitgebers in diesem Sinne liegt vor, wenn bb aus dem Handeln des Arbeitgebers ein Anspruch des Arbeitnehmers auf den Preisvorteil entstanden ist oder bb der Arbeitgeber für den Dritten Verpflichtungen übernommen hat, zum Beispiel Inkassotätigkeit oder Haftung. Steuerpflicht liegt auch dann nicht vor, wenn und soweit der Preisvorteil auch anderen fremden Dritten üblicherweise im normalen Geschäftsverkehr eingeräumt wird (zum Beispiel allgemeine Mengenoder Großabnehmerrabatte). Soweit solche üblichen Rabatte also auch den eigenen Arbeitnehmern eingeräumt werden, sind diese nicht als Vorteil für deren Beschäftigung anzusehen. Im Gegenschluss ist dann von einem steuerpflichtigen Arbeitslohn auszugehen, wenn Sie und der Dritte besondere Vereinbarungen geschlossen haben und die darin geregelten Preisvorteile einem fremden Personenkreis nicht offenstehen. W Keine aktive Mitwirkung des Arbeitgebers Eine aktive Mitwirkung des Arbeitgebers an der Verschaffung von Preisvorteilen ist jedoch nicht anzunehmen, wenn sich seine Beteiligung darauf beschränkt, bb Angebote Dritter in seinem Betrieb zum Beispiel am „schwarzen Brett”, im betriebseigenen Intranet oder in einem Personalhandbuch bekannt zu machen oder SERVICE 2/2015 21 GESUNDHEIT IM BETRIEB Rauf aufs Rad – gesünder zur Arbeit Sie können Ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, öfter mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. S ie wünschen sich mehr Leistungsbereitschaft, einen geringeren Krankenstand, mehr Motivation und Dynamik in Ihrem Unternehmen? Dazu vielleicht noch eine verringerte Umweltbelastung? Dann könnten Sie Ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, ihren Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückzulegen. Denn schon täglich eine halbe Stunde auf dem Fahrrad reduziert die Risiken, krank zu werden. Das betrifft in erster Linie die sogenannten Zivilisationskrankheiten, die durch einen bewegungsarmen Alltag und ein Zuviel an Stress verursacht werden. Wie fahrradfreundlich ist Ihr Betrieb? Damit möglichst viele Mitarbeiter ihren Arbeitsweg per Fahrrad zurücklegen, müssen auch einige Voraussetzungen im Betrieb gegeben sein. Das beginnt mit ausreichenden und vor allem zweckmäßigen – etwa überdachten – Abstellplätzen für die Räder und endet mit Möglichkeiten zum Umkleiden und Frischmachen, im günstigsten Fall sogar Duschen. Zertifizierung „Fahrradfreundlicher Betrieb“ Informationen zur ADFC-Betriebsberatung: Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ADFC-Bundesgeschäftsstelle – Betriebsberatung Friedrichstr. 200 10117 Berlin Tel.: (030) 209 1498-0 www.adfc.de Verkehrssicherheitsseminare: Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR) Tel.: (0228) 40001-0 www.dvr.de 22 SERVICE 2/2015 Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) kann ein Ansprechpartner für Sie sein, wenn Sie Ihre Mitarbeiter zu mehr Alltagsaktivität animieren wollen. Bei einem gründlichen Check-Up wie auch bei der Planung sinnvoller Maßnahmen können Sie sich Unterstützung von einem ADFC-Betriebsberater holen. Er wird vor Ort anhand eines speziell entwickelten, bundeseinheitlichen Kriterienkatalogs die Fahrradfreundlichkeit Ihres Betriebes beurteilen und mit Ihnen besprechen, wie Sie gezielt eine fahrradfreundliche Infrastruktur auf- oder ausbauen können. Bewertet der ADFC-Berater Ihren Betrieb positiv, kann Ihnen das geschützte Zertifikat „ADFC-zertifizierter fahrradfreundlicher Betrieb“ verliehen werden. Mit dieser Auszeichnung verhelfen Sie Ihrem Unternehmen zu einem positiven Firmenimage, indem Sie sich intern und extern als innovatives, gesundheitsbewusstes Unternehmen darstellen. Zum Radfahren motivieren Um Ihre Mitarbeiter zum Radfahren zu motivieren, können Sie auch – neben einer passenden „Infrastruktur“ – neue Ideen entwickeln, damit mehr Mitarbeiter ihren Arbeitsweg mit dem Rad zurücklegen. Hier einige Anregungen: bb Codierung gegen Fahrradklau: Führen Sie einen betrieblichen Aktionstag durch, bei dem Ihre Mitarbeiter ihr Fahrrad diebstahlsicher machen können: eine Registrierungsaktion bei der Polizei oder eine Codierungsaktion, bei der die von der Polizei empfohlene ADFC-Fahrradcodierung in das Sattelrohr des Rahmens eingraviert wird. Der Zahlen- und Buchstabencode enthält verschlüsselt Adresse und Initialen des Eigentümers. Das macht es der Polizei leichter, das Fahrrad zuzuordnen. bb Verkehrssicherheitsseminar: Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR) bietet bundesweit Fahrradseminare in Betrieben an. Die Inhalte der angebotenen Halbtages- oder Tagesseminare – bestehend aus einem theoretischen und einem praktischen Teil – werden auf die Bedürfnisse Ihres Betriebes zugeschnitten. bb Radler-Jackpot: Aus der Mitarbeiterdatenbank wird nach dem Zufallsprinzip pro Woche ein Kollege ausgelost. Ist er an dem betreffenden Tag mit dem Rad zur Arbeit gekommen, gewinnt er einen Preis, der vorher in der Firmenzeitung oder im Intranet bekannt gegeben wurde. Geringe Kosten – großer Nutzen Natürlich erfordert es einigen Aufwand und auch Kosten, den Betrieb fahrradfreundlich zu machen. All das wird sich aber in gesün- Checkliste: Fahrradfreundlicher Betrieb 99 99 99 99 99 99 99 99 99 Gibt es funktionale Fahrradabstellanlagen auf dem Betriebsgelände? Sind sie überdacht und eventuell sogar beleuchtet? Reicht die Anzahl der Fahrradabstellplätze aus? Sind sie günstiger platziert als Kfz-Parkplätze? Gibt es Umkleideräume und Spinde, um Fahrrad- und Dienstkleidung wechseln zu können? Gibt es Duschen oder zumindest Handwaschbecken, wo sich die Radler frischmachen können? Gibt es unter den leitenden Angestellten Vorbilder, die täglich mit dem Rad zur Arbeit fahren? Gibt es kleine Aktionen oder Belohnungsmodelle für Alltagsradler? Werden betriebliche Freizeitaktivitäten wie Betriebsausflüge mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, beispielsweise mit dem Rad, durchgeführt? Gibt es im Betrieb einen Ansprechpartner für Fahrradfragen? Stehen Hilfsmittel für Radfahrer zur Verfügung, wie Fahrradflickzeug, Luftpumpe, passende Schraubenschlüssel? deren und leistungsfähigeren Mitarbeitern auszahlen. Denn dies sind nur einige der erwiesenen Effekte regelmäßigen Radfahrens: bb Herz-Kreislauf-Prophylaxe: Das Herzvolumen nimmt zu, Ruhepuls und Blutdruck sinken, die Blutgefäße werden elastischer. Das Herz arbeitet ökonomischer. bb Fettabbau: Der Stoffwechsel wird angekurbelt und der Grundumsatz bleibt noch Stunden nach dem Radfahren deutlich erhöht („Afterburn”). Die Energie dafür gewinnt der Organismus aus dem Körperfett. Auch gegen hohe Cholesterinwerte hilft das Radeln – die Konzentration des gefäßschädigenden LDL-Cholesterins wird gesenkt, die des gefäßschützenden HDL-Cholesterins steigt. bb Blutzuckersenkung: Durch die Bewegung wird mehr Zucker verbrannt und es werden neue Muskelfasern gebildet, die den Zuckerstoffwechsel verbessern. bb Stressabbau: Der Level des Stresshormons Cortisol sinkt, stattdessen wird das Glückshormon Endorphin freigesetzt. Außerdem werden die Durchblutung des Frontalhirns und die Neubildung von Nervenzellen angeregt. Das fördert das Denkvermögen, hilft beim Stressabbau und macht wacher. Natürlich werden Sie nicht nur gesündere, sondern auch motiviertere Mitarbeiter haben, wenn diese sehen, dass ihre Bedürfnisse dem Unternehmen am Herzen liegen. W SERVICE 2/2015 23 GESUNDHEIT IM BETRIEB Sucht am Arbeitsplatz: Kein Thema für Vorgesetzte? Jeder Betrieb sollte klare Regeln beim Umgang mit Suchterkranken aufstellen. 24 SERVICE 2/2015 S uchterkrankungen sind oft ein Tabuthema – aber Wegsehen ist kontraproduktiv. Weit über sieben Millionen Deutsche, so wird geschätzt, missbrauchen legale oder illegale Substanzen – unter ihnen auch viele Arbeitnehmer. Ab einer bestimmten Intensität ist Sucht keine Privatsache mehr, sondern kann auch unter Ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber fallen. Suchterkrankte gefährden sich selbst und fügen damit Ihrem Unternehmen Schaden zu. Leider gibt es in vielen Unternehmen keine Regeln zum Umgang mit Suchterkrankten. Denkwürdig ist etwa der Fall eines alkoholkranken LKW-Fahrers, der im Sommer 2014 mit 0,64 Promille mit seinem Firmen-LKW einen schweren Auffahrunfall verursachte. Wie definiert sich „süchtig“? Ob Richtfest, Geburtstag, Firmenjubiläum oder Weihnachtsfeier – Alkoholkonsum auch im Arbeitszusammenhang ist normal. Rituale wie „Anstoßen“, „Kindpinkeln“, das Feierabendbier, aber auch die gemeinsame Zigarette wirken gruppenbildend – das gilt für jede Droge. Der Übergang zu Missbrauch und Sucht ist fließend. Die offizielle Definition von Sucht ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO die „periodische oder chronische Vergiftung [...] mit natürlichen oder synthetischen Drogen“. Zu den Kennzeichen gehören dabei auch das unbezwingbare Verlangen nach dem Suchtmittel, die Tendenz zur Dosissteigerung und die Abhängigkeit von der Wirkung der Droge trotz des Wissens um ihre Schädlichkeit. Beim Alkohol und beim Rauchen ist die Affinität oder Sucht der Betroffenen ihrer Umgebung zumeist bekannt, wird aber gern verharmlost oder sogar gedeckt. Hingegen bleiben Medikamentensüchtige, die sich mit Aufputsch- und Schlafmitteln in einen bestimmten Lebens- und Leistungsrhythmus zwingen, oft jahrzehntelang unerkannt. Wann müssen Sie als Arbeitgeber eingreifen? Wenn Sie feststellen, dass ein Mitarbeiter berauscht zur Arbeit erscheint, im Unternehmen Depots (etwa Alkoholvorräte im Spind) anlegt oder auffällig oft kurzfristig von seinen Angehörigen mit Eintageserkrankungen entschuldigt wird, sollten Sie das Gespräch suchen. Es gehört zu Ihrer Fürsorgepflicht, den Mitarbeiter und auch alle, mit denen er beruflich in Kontakt tritt, vor den Auswirkungen des Drogenkonsums zu schützen – hierzu gehört auch die verringerte Leistungsfähigkeit, Fremd- und Eigengefährdung, Unzuverlässigkeit oder ein schlechtes Image Ihres Betriebes. Beispielsweise sollten Sie einen alkoholisierten Mitarbeiter nicht nur nach Hause schicken, sondern ihn bis hinter seine Haustür begleiten lassen, um Verkehrsunfällen vorzubeugen. PRAXISHinweis: Bei Suchterkrankten muss auch nach Jahrzehnten noch mit Rückfällen gerechnet werden. Hier kommt eher die seelische als die körperliche Abhängigkeit zum Tragen, der Rückfall wird nicht selten durch eine als ähnlich empfundene Gefühls- oder Problemlage hervorgerufen. pflichten oder Alkohol aus dem gesamten Betriebsumfeld zu verbannen – sowohl aus den Gebäuden als auch aus den Fahrzeugen. Zudem sollte ein Handlungsrahmen aufgestellt werden, der in drei bis sieben Eskalationsstufen Gesprächsangebote der Vorgesetzten vorsieht – vom vorsichtigen Erfragen der Suchtproblematik über die Hinweise auf Entzugsangebote bis hin zur Kündigung. Diese sollte jedoch nicht Ziel der Gespräche sein, sondern nur das allerletzte Mittel, wenn der Mitarbeiter sein Verhalten nicht ändert. Gesprächsführung bei Suchtverdacht Die Gesprächsführung mit Suchterkrankten ist oft nicht einfach und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Am wichtigsten ist es, authentisch, konsequent und sachlich zu bleiben, keine Diagnosen zu stellen und belegbare Beobachtungen im Betrieb in Ich-Botschaften zu schildern. Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit erhalten, seine Sicht darzustellen und auch den Suchtverdacht zu widerlegen. Gelingt ihm dies nicht oder stellen Sie später erneut Auffälligkeiten fest, sollten Sie ihm im nächsten Eskalationsgespräch professionelle Hilfsangebote nahelegen. Ziel: Suchtfrei Klare Regeln und ein Stufenverfahren Jeder Betrieb kann Regeln und Verfahrensweisen zum Umgang mit Suchterkrankten aufstellen – etwa in Form einer Betriebsvereinbarung. Das zeigt nicht nur, dass sich das Unternehmen der Problematik bewusst ist, sondern nimmt auch alle Arbeitnehmer in die Pflicht. Es empfiehlt sich zum Beispiel, alle Fahrzeuglenker auf eine Null-Promille-Regelung zu ver- Die Erkenntnis, dass er abhängig ist und diese Hilfe benötigt, muss der Betreffende jedoch selbst treffen und dann die passenden Angebote aufsuchen. Hierüber könnten Sie als Arbeitgeber eine Zielvereinbarung treffen, die der Mitarbeiter unterschreibt. Darin können Sie zum Beispiel Bescheinigungen der besuchten Beratungsstelle einfordern, um die Zielerreichung zu prüfen. W Alle Beratungsstellen sind bei den jeweiligen Landesstellen Sucht über www.dhs.de/einrichtungssuche abrufbar. Auch wir helfen Ihnen bei einer betrieblichen Suchtentwöhnung gern weiter. SERVICE 2/2015 25 PERSONALMANAGEMENT Qualifizierte Azubis finden und gewinnen Für Betriebe ist es zunehmend eine Herausforderung, qualifizierte Azubis zu finden. 26 SERVICE 2/2015 W er qualifizierten Nachwuchs gewinnen will, muss rechtzeitig damit anfangen, Kontakte in die Zielgruppe aufzubauen. Dabei sollten möglichst viele Kommunikationswege genutzt werden. Viele Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel und übersehen dabei, dass dies teilweise ein hausgemachtes Problem ist. Wer sich rechtzeitig um „seinen” Nachwuchs kümmert und ihn an das Unternehmen bindet, kann dieses Problem zumindest teilweise „umschiffen”. Allerdings ist mittlerweile auch um gute Auszubildende ein „war of talents“ entbrannt, deshalb kann man gar nicht früh genug mit der Kontaktpflege anfangen. Die heutigen Schulabgänger wissen, dass sie in den Unternehmen begehrt sind, wenn sie gut und qualifiziert sind. Eine Studie, die von der Hochschule Heilbronn wissenschaftlich begleitet wurde, ergab, dass 54 Prozent der befragten Auszubildenden und Schüler der Aussage „Ich informiere mich im Vorfeld und weiß genau, was ich will“ zustimmten. Nur 17 Prozent gaben an, „Ich bin froh, wenn ich überhaupt einen Ausbildungsplatz bekomme“ und 24 Prozent fanden, „Unternehmen und Bewerber begegnen sich auf Augenhöhe“. Dies gibt realistisch die Situation wieder, in der sich die Firmen heute befinden, wenn sie Auszubildende für sich gewinnen wollen. Viele Ausbildungsberufe sind unbekannt Das größte Problem dabei ist, dass viele Schüler die meisten der rund 350 Ausbildungsberufe, die es in Deutschland gibt, gar nicht kennen und sich deshalb auf einige wenige konzentrieren. Wer also Nachwuchs für einen relativ seltenen Beruf sucht, sollte besonders früh starten, wenn seite aufbauen will, sollte man sich allerdings vorher genau überlegen, ob man wirklich die Zeit und das Personal hat, um sie regelmäßig zu pflegen, ständig neue Informationen einzustellen und schnell und flexibel auf Anfragen zu reagieren. Persönliche Kontakte aufbauen er nicht das Nachsehen haben will. Auch in Zeiten der sozialen Netzwerke ist der klassische Ort dafür die Schule – Kooperationen mit Schulen machen nach wie vor für Betriebe aller Größenordnungen Sinn. Durch Praktika Kontakte aufbauen Über Praktika können die zukünftigen Auszubildenden einen realistischen Eindruck von der Arbeit im Unternehmen bekommen und manch einer wird dadurch einen Beruf entdecken, von dem er vorher noch nichts gehört hatte. Das Unternehmen sollte diesen Kontakt für größtmögliche Transparenz nutzen und den offenen Meinungsund Erfahrungsaustausch mit den jungen Menschen suchen. Ihr unvoreingenommener Blick auf die Arbeit kann dabei helfen, Schwachstellen zu erkennen, und umgekehrt wird ein Unternehmen eher als zukünftiger Arbeitgeber in Betracht kommen, wenn sie sich als junge Persönlichkeiten ernst genommen fühlen. Gleichzeitig bietet diese Kooperation mit der Schule die Möglichkeit, die eigenen Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme vorzustellen und für sie zu werben. 90 Prozent der Schüler und Studenten sind in den sozialen Netzwerken aktiv – deshalb ist es für Personalverantwortliche heute unverzichtbar, sich damit zu beschäftigen. Wenn man dort eine Karriere- Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollten vor allem auf die Ansprache der unmittelbaren Kontaktpersonen ihrer zukünftigen Auszubildende setzen – schon deshalb, weil sie in der Regel einen Ausbildungsplatz suchen, der maximal zehn Kilometer von ihrem Wohnort entfernt ist. Für einen kleinen Betrieb ist es daher wenig effizient, über soziale Medien weit entfernt wohnende junge Menschen anzusprechen; für einen Großbetrieb mit vielen Niederlassungen sieht das sicher anders aus. Neben den Schulen und den Lehrern sind die Eltern die wichtigsten Multiplikatoren. Wenn sie von einem Betrieb und einem Berufsbild überzeugt sind, ist es leichter, auch die jungen Menschen zu erreichen. Deshalb sollten Unternehmen mit Tagen der offenen Tür und anderen Informationsveranstaltungen alle Alters- und Bevölkerungsschichten auf sich aufmerksam machen und auch auf Ausbildungsmessen präsent sein. Das gilt gerade auch für kleinere Firmen, die dagegen ankämpfen müssen, dass viele Eltern für ihr Kind einen Ausbildungsplatz in einem großen Unternehmen wünschen, weil sie glauben, dass dort die Arbeitsplätze langfristig sicherer und finanziell attraktiver sind. Eigene Azubis als Multiplikatoren Die besten Multiplikatoren sind aber die eigenen Altersgenossen. Deshalb sollte jeder, der erfolgreiches Auszubildenden-Marketing betreiben will, die eigenen Auszubildenden dabei einbeziehen, beispielsweise, indem sie in Imagefilmen die Vorzüge der Ausbildung darstellen oder auf Messen als Ansprechpartner für ihre potentiellen Nachfolger fungieren. Auch bei Aktivitäten des Unternehmens in den sozialen Netzwerken werden sie den richtigen Ton leichter finden als die meist wesentlich älteren Ausbilder und glaubwürdiger auf die Mitglieder wirken. Dabei gilt es abzuwägen, wie viel Kontrolle notwendig und wie viel Freiheit möglich ist – je unbefangener die Auszubildenden sich austauschen können, umso echter wirken sie auf ihre Zielgruppe. W SERVICE 2/2015 27 PERSONALMANAGEMENT Generation Y – die leistungsbereiten Sinnsucher Unternehmen sollten sich auf die veränderten Ansprüche der Generation Y einstellen. M it der Generation Y startet jetzt eine Generation ins Arbeitsleben, deren Werte und Erfahrungen sich deutlich von denen ihrer Eltern und Großeltern unterscheiden. Angesichts eines steigenden Fachkräftemangels werden die Unternehmen sich darauf einstellen müssen. Bereits seit einigen Jahren haben es die Personalverantwortlichen in Betrieben aller Größenordnungen mit einer ganz neuen Generation von Bewerbern zu tun, die sich oftmals schon durch ihr Auftreten von ihren Vorgängern unterscheidet. Neue Werte Es ist die erste Generation, die den Umgang mit den digitalen Medien nicht erst im mehr oder weniger fortgeschrittenen Alter gelernt hat, sondern damit aufgewachsen ist. Die Verknüpfung von virtueller und realer Welt ist ebenso Teil ihres Lebens wie der selbstverständliche Umgang mit den verschiedenen Kanälen der sozialen Netzwerke. Die Vertreter älterer Generationen mag es irritieren, dass viele der jungen Menschen ständig online sind und selbst im Gespräch nicht auf den Blick aufs Smartphone verzichten können. Andererseits müssen sie zugeben, dass sich durch die totale Öffnung der Welt durch die Nutzung des Internets früher unvorstellbare neue Möglichkeiten ergeben haben, die von vielen Vertretern der Generation Y virtuos genutzt werden. Ihr Horizont beschränkt sich nicht auf ihre unmittelbare Umgebung, sondern kann Der Begriff „Generation Y” Als „Generation Y“ werden die jungen Erwachsenen bezeichnet, die zwischen 1980 und 1995 geboren wurden und die um die Jahrtausendwende zu den Teenagern zählten. Der Buchstabe „Y“ wird im Englischen wie das Fragewort „why“ (= warum?) ausgesprochen, was auf das charakteristische Hinterfragen durch diese Generation verweisen soll. Die „Generation Y” gilt als Nachfolger der „Generation X“, also der Jahrgänge zwischen 1960 und 1980. Die Generationen davor bezeichnet man als „Baby-Boomer-Generation” (1955 bis 1960) und „Nachkriegsgeneration” (1945 bis 1955). 28 SERVICE 2/2015 die ganze Welt umfassen – es ist problemlos möglich, mit Gleichaltrigen in anderen Ländern der Welt zu kommunizieren und an ihrem Leben teilzuhaben. Ausgedehnte Auslandsreisen und Praktika in fernen Ländern sind für die Generation Y fast schon selbstverständlich – ihre Heimat ist die ganze Welt. Dazu gehört auch die Verständigung in Fremdsprachen. Das dazu nötige Selbstbewusstsein hat die Generation Y von Zuhause mitbekommen. Ihre Eltern gehören der Baby-Boomer-Generation an, die zunächst hart arbeiten musste, um sich beruflich und materiell etwas aufzubauen. Sie konnte es sich dann aber leisten, ihre Kinder zu verwöhnen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Dies gilt in erster Linie natürlich vor allem für das Viertel der Gesellschaft, das die finanziellen Möglichkeiten dazu hat, beeinflusst aber das Lebensgefühl der gesamten Generation. Geprägt von diesen vielfältigen Erfahrungen gehen die 20- bis 30-Jährigen nun mit deutlich anderen Erwartungen in die Arbeitswelt als frühere Generationen. Sie haben durch ihre Weltoffenheit eine Vielzahl anderer Lebensformen und -entwürfe kennengelernt und wollen sich nicht vorschnell auf ein Modell festlegen. Sie bieten ein hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft, erwarten aber auf der anderen Seite, dass sich ihr Engagement auch lohnt und ihnen Spaß und Selbstbestimmung ermöglicht. Neue Spielregeln bei der Suche nach Fachkräften Dabei hat die Generation Y einen starken Verbündeten auf ihrer Seite: die demografische Entwicklung. Seit den frühen 70er Jahren ist die Bevölkerungsentwicklung in allen Industrieländern rückläufig. Eine Prognos-Studie geht davon aus, dass sich die Zahl der Erwerbstätigen bis 2030 um 7,5 Prozent auf gut 38 Millionen verringern wird. Bereits heute zeichnet sich ein Fachkräftemangel in fast allen Bereichen ab. Dadurch verändern sich auch die Spielregeln bei der Suche nach neuen Mitarbei- tern. Immer häufiger ist es nicht der Bewerber, der dem Unternehmen vermitteln muss, warum es ihn einstellen sollte, sondern umgekehrt muss das Unternehmen ihm deutlich machen, warum es sich lohnt, bei ihm zu arbeiten. Work-Life-Balance wichtig Die Anreize, die in früheren Zeiten dabei besonders wichtig waren, sind heute von eher untergeordneter Bedeutung. Natürlich muss die Bezahlung stimmen, aber ein PS-starker Dienstwagen hat in Zeiten von Carsharing seine Bedeutung als Statussymbol verloren. Viel wichtiger ist es dem Vertreter der Generation Y, dass er die Verfügung über seine Zeit und seine Lebensplanung nicht an einen anonymen Apparat abgeben muss – er geht ohnehin nicht davon aus, dass er sein ganzes Leben bis zur Rente bei diesem einen Unternehmen verbringen wird. Er will nicht weniger arbeiten als seine Eltern, aber er möchte gleichzeitig auch seine Kinder aufwachsen sehen – die Gestaltung der Arbeitszeit muss ihm genügend Freiraum Das macht Unternehmen für Fachkräfte der Generation Y attraktiv: 99 99 99 99 99 99 99 individuell zugeschnittene Arbeitszeitmodelle hohe Flexibilität, Selbstbestimmung gute Work-Life-Balance inhaltlicher Anspruch der Arbeit, Coaching flache Hierarchien mitarbeiterorientierte Führung gute Arbeitsatmosphäre lassen zu entscheiden, wann und wo er arbeiten will. Schuften bis zum Herzinfarkt oder jahrzehntelanges „Sich-Durchwursteln” trotz innerer Kündigung wird es in dieser Arbeitnehmer-Generation wahrscheinlich seltener geben als bei früheren Generationen – sie ist es gewohnt, in einer Welt voller Krisen und Unsicherheiten zu leben, und wird sich eher auf etwas Neues einlassen als althergebrachte Spielregeln akzeptieren, die für sie keinen Sinn mehr machen. W Faktoren bei der Bewertung von Arbeitgebern Bei männlichen und weiblichen Studenten sind Jobsicherheit, ein gutes Gehalt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die wichtigsten Faktoren bei der Bewertung von Arbeitgebern. Quelle: Ernst & Young, Studentenstudie 2014 60 % 66 % 65 % 57 % 56 % 48% 39 % Selbständiges Arbeiten 34 % Flexible Arbeitszeiten Gehalt/Gehaltssteigerung Vereinbarkeit Familie & Beruf Jobsicherheit 39 % Aufstiegschancen Flexible Arbeitszeiten Vereinbarkeit Familie & Beruf Jobsicherheit Gehalt/Gehaltssteigerung 42 % SERVICE 2/2015 29 SCHLUSSPUNKT Luxemburger Deklaration: Betriebliche Gesundheitsförderung in der EU Gesunde Mitarbeiter in erfolgreichen Unternehmen – Manager in der EU haben längst erkannt, dass Investitionen in sichere Arbeitsplätze und für die Gesunderhaltung der Belegschaften ein wichtiger Faktor für Erfolg im globalen Wettbewerb sind. Auch kleine und mittelgroße Betriebe sollen davon profitieren. Wenn es gelingt, in den Schlüsselpositionen eines Unternehmens die Übernahme von mehr Verantwortung für Gesundheit als Teil der Unternehmenskultur zu verankern, ist ein wichtiger Schritt getan. Das kann eine Firma nach außen kommunizieren, indem sie der Luxemburger Deklaration beitritt. Bereits 1997 verabschiedete das Europäische Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung (ENWHP) die Luxemburger Deklaration. Mit diesem gemeinsamen Bekenntnis zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) haben Organisationen aus 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz den Grundstein dafür gelegt, dass gemeinsame Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Gesellschaft zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz einen höheren Stellenwert erhielten. Auch 18 Jahre nach ihrer Entstehung sind die europaweit anerkannten Grundsätze der Luxemburger Deklaration immer noch von Bedeutung. Denn die Bedingungen, auf die sich Unternehmen und Beschäftigte einstellen müssen, verändern sich stetig: Neue Beschäftigungsverhältnisse und -formen (zum Beispiel befristete Arbeitsverträge, Teilzeitarbeit, Home-Office) entstehen. Immer mehr Menschen arbeiten im Dienstleistungssektor. Neue Informationstechnologien bringen Erleichterungen, erhöhen aber auch die Informationsdichte und durch die ständige Erreichbarkeit verwischen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben. Auch der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit wird durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit in Folge der demografischen Entwicklung und vor dem Hintergrund der Zunahme chronischer Erkrankungen nicht nur für die Beschäftigten selbst, sondern auch für die Arbeitgeber immer wichtiger. Mit folgenden Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung können Arbeitgeber ihren Teil dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit und Motivation der Beschäftigten zu erhöhen und darüber hinaus ihren wirtschaftlichen Erfolg langfristig zu sichern: bb Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen, bb Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung, bb Stärkung der fachlichen, persönlichen und gesundheitlichen Kompetenzen. Bis heute haben mehr als 200 Unternehmen unterschiedlichster Branchen die Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen Gesundheitsförderung unterzeichnet. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.bkk-dachverband.de/gesundheit/luxemburgerdeklaration. 30 SERVICE 2/2015 Betriebliche Altersversorgung: Arbeitgeber verschenken Potenziale Sie ist beliebt und für mehr als die Hälfte der Beschäftigten relevant für die Wahl des Arbeitgebers – und doch führt die betriebliche Altersversorgung (bAV) ein Schattendasein. Einer repräsentativen Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) zufolge liegt das vor allem an fehlenden Angeboten und unzureichenden Informationen durch die Unternehmen. Für die Studie wurden insgesamt 1.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland befragt. Von ihnen glauben nur zwei Prozent, dass die gesetzliche Rente im Alter ihr benötigtes Einkommen abdecken wird. 58 Prozent haben für eine weitere Absicherung jedoch noch nichts unternommen. Die bAV wäre eine Option: Mit 43 Prozent ist sie PwC zufolge die beliebteste Form der Vorsorge, gefolgt von der Riester-Rente und der privaten Lebensversicherung. Wie die Studie zeigt, klafft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Drei Viertel der Arbeitnehmer würden sich für eine bAV entscheiden, tatsächlich machen nur 30 Prozent von ihr Gebrauch. 61 Prozent der Befragten, die keine Entgeltumwandlung nutzen, gaben an, „schlicht zu wenig” darüber zu wissen. Auch glaubte mehr als die Hälfte der Befragten, dass ihr Arbeitgeber kein Angebot bereithalte – obwohl es einen gesetzlichen Anspruch darauf gibt. Der Sparaufwand wird meist viel zu hoch eingeschätzt, während die Beratungskosten oft unterschätzt werden. Da die bAV für mehr als die Hälfte der Befragten relevant für die Arbeitgeberwahl ist, könnten sich Unternehmen mit einer umfassenden und nutzenorientierten Beratung zum Thema Vorsorge positiv abheben. Hier sei der direkte Weg etwa über Beratungsgespräche oder Informationsveranstaltungen am besten, so die Berater. Die Kernergebnisse der PwC-Studie können Sie als PDF-Datei herunterladen unter http://pwc.to/1Gxiv5P. Vorschau Für die nächste Ausgabe ist geplant Pflegezeit und Co. Vereinbarkeit von Beruf und Pflege Mitarbeiterüberwachung: Was dürfen Sie als Arbeitgeber? Impressum Herausgeber: BKK Dachverband e.V. Mauerstraße 85, 10117 Berlin © 2015 BKK Dachverband Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Herausgebers erlaubt. BKK ® und das BKK Logo sind registrierte Schutzmarken des BKK Dachverbandes. Verantwortlicher Redakteur: Stefan Allary Kontakt zum Herausgeber: [email protected] Redaktion: Axel-Friedrich Foerster, Susanne Görsdorf-Kegel, Sigrun Knoche, Dirk Lenzing, Agnes Mehringskötter, Ingo Mrowka, Inken Roeder Layout: Nancy Stickel Redaktionsschluss: 16.3.2015 Verlag: Ihre Meinung ist gefragt © MBO Verlag GmbH Feldstiege 100, 48161 Münster Druck: Fromm GmbH & Co. KG, Osnabrück Wir möchten gern wissen, wie die Seiten- und Themenerweiterung im SERVICE bei Ihnen ankommt. Sind die zusätzlichen Themen interessant und hilfreich für Ihre Arbeit? Es wäre schön, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen würden, einen Online-Fragebogen zu diesem Thema unter www.mbo-verlag.com/ online-umfrage auszufüllen. Falls Sie weitere Wunschthemen oder Anregungen haben, teilen Sie uns diese doch gern mit – wir werden versuchen, sie in den nächsten Ausgaben umzusetzen. „Denke nicht so oft an das, was dir fehlt, sondern an das, was du hast.“ Marc Aurel (121-180) ISSN 2192-788X Bestellung der Zeitschrift: MBO Verlag GmbH Feldstiege 100, 48161 Münster www.mbo-verlag.com Telefon: 02533/9300-300 Telefax:02533/9300-35 E-Mail:[email protected] Bildnachweise: Titel, S. 2: © Giroman/Fotolia S. 6: © by-studio/Fotolia S. 7: © SPD/Dominik Butzmann S. 9: © XiXinXing/istock/thinkstock S. 10: © Robert Kneschke/Fotolia S. 11: © endostock/Fotolia S. 12: © DaMonk/Fotolia S. 13: © bildkistl/Fotolia S. 16/17: © Brand X Pictures/iStock/thinkstock S. 18: © Gorilla/Fotolia S. 19: © Kzenon/Fotolia S. 20/21: © contrastwerkstatt/Fotolia S. 21: © devke/istock/thinkstock S. 23: © XiXinXing/istock/thinkstock S. 24: © Jörg Lantelme/Fotolia S. 25/26: © Syda Productions/Fotolia S. 29: © ekaterina7/Fotolia S. 30: © Andrey Kuzmin/Fotolia Aus Gründen der Lesbarkeit werden im SERVICE durchgehend die männlichen Wortformen verwendet, auch wenn geschlechts neutrale Aussagen getroffen werden sollen. SERVICE 2/2015 31 www.actimonda.de KASSEN SCHLAGER DER PREIS-LEISTUNGS-HIT 2015 actimonda krankenkasse | Hüttenstraße 1 | 52068 Aachen
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