Information Montenegro Allgemeine Lage, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte Mai 2015 3 Urheberrechtsklausel Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, insbesondere eine Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Mikroverfilmung und/oder eine Einspeicherung und Verarbeitung, auch auszugsweise, in elektronischen Systemen ist nur mit Quellenangabe und vorheriger Genehmigung des Bundesamtes gestattet. Die Inhalte dürfen ohne gesonderte Einwilligung lediglich für den privaten, nicht kommerziellen Gebrauch sowie ausschließlich amtsinternen Gebrauch abgerufen, heruntergeladen, gespeichert und ausgedruckt werden, wenn alle urheberrechtlichen und anderen geschützten Hinweise ohne Änderung beachtet werden. Copyright statement This report/information is subject to copyright rules/ all rights reserved. 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Wurden Informationen im Rahmen sogenannter Fact-Finding-Missions in den Herkunftsländern gewonnen, erfolgte dies unter Berücksichtigung der gemeinsamen EU-Leitlinien für (gemeinsame) Fact-Finding-Missions (2010). Alle zur Verfügung gestellten Informationen wurden mit größter Sorgfalt recherchiert, bewertet und aufbereitet. Alle Quellen werden genannt und nach wissenschaftlichen Standards zitiert. Die vorliegende Ausarbeitung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Findet ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Person oder Organisation keine Erwähnung, bedeutet dies nicht, dass ein solches Ereignis nicht stattgefunden hat oder die betreffende Person oder Organisation nicht existiert. Der Bericht/die Information erlaubt keine abschließende Bewertung darüber, ob ein individueller Antrag auf Asyl-, Flüchtlings- oder subsidiären Schutz berechtigt ist. Die benutzte Terminologie sollte nicht als Hinweis auf eine bestimmte Rechtauffassung verstanden werden. Die Prüfung des Antrags auf Schutzgewährung muss durch den für die Fallbearbeitung zuständigen Mitarbeiter erfolgen. Die Veröffentlichung stellt keine politische Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dar. Diese Ausarbeitung ist öffentlich. Disclaimer The information was written according to the „EASO COI Report Methodology“ (2012), the „Common EU guidelines for processing factual COI“ (2012) and the quality standards of the Federal Office for Migration and Refugees (Bundesamt) (2013). It was composed on the basis of carefully selected and reliable information. Information from so-called fact-finding missions in countries of origin is provided in accordance with EU directives for (common) fact-finding missions (2010). All information provided has been researched, evaluated and analyzed with utmost care within a limited time frame. All sources used are referenced and cited according to scientific standards. This document does not pretend to be exhaustive. If a certain event, person or organization is not mentioned, this does not mean that the event has not taken place or that the person or organization does not exist. This document is not conclusive as to the merit of any particular claim to international protection or asylum. Terminology used should not be regarded as indication of a particular legal position. The examination of an application for international protection has to be carried out by the responsible case worker. The information (and views) set out in this document does/do not necessarily reflect the official opinion of the Bundesamt and makes/make no political statement whatsoever. This document is public. 4 Abstrakt Seit dem 19.12.2009 können auch Staatsangehörige aus Montenegro visumsfrei in die Schengen Staaten einreisen. Dennoch hatte sich zunächst – anders als bei den anderen Westbalkanländern – das Asylbewerberaufkommen nur unwesentlich erhöht und war vergleichsweise als gering zu betrachten. Seit 2014 haben sich allerdings die Zugangszahlen vervielfacht und steigen kontinuierlich an. Das relativ kleine Land mit nur etwa 625.000 Einwohnern hat seit der Unabhängigkeit 2006 seine Eigenständigkeit festigen und seine demokratischen Strukturen konsolidieren können. Es bleiben aber Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte; daneben hat das Land mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu kämpfen, die den Migrationsdruck ansteigen lassen. Als Asylgrund werden zudem Ausgrenzung und Verfolgung von ethnischen, religiösen oder sexuellen Mindertheiten vorgetragen. Der vorliegende Bericht behandelt daher die allgemeine politische und gesellschaftliche Entwicklung, die Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage. Abstract Since 19.12.2009 also nationals from Montenegro can enter Europe without a visa. Unlike the other Western Balkan countries the number of asylum applications first increased only marginally and was regarded to be low overall. Since 2014, however, the access numbers have multiplied and continue to rise. Since gaining independence the small country with approximately 625,000 inhabitants has achieved some progress but besides deficits in the field of rule of law, it has to deal mainly with economic and social problems. As grounds for asylum in addition to economic and social problems also exclusion and persecution of ethnic, religious or sexual minorities are presented. The present report deals therefore with the general political and social development, the rule of law and the human rights situation. 5 Inhalt Vorbemerkung 6 1. 7 Allgemeine Lage 1.1 1.2 1.3 1.4 Politische Entwicklung Sicherheitslage Wirtschaftliche und soziale Lage Gesellschaftliche Entwicklung und nationale Identität 7 8 8 10 2. Demokratische Strukturen und Rechtsstaatlichkeit 12 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 12 12 12 13 13 13 15 15 3. Menschenrechtslage Demokratische Strukturen Mehrparteiensystem Freie Betätigungsmöglichkeit für die Opposition Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Meinungs- und Pressefreiheit Justiz und Polizei Korruption Organisierte Kriminalität 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 Unmenschliche und erniedrigende Bestrafung / Haftbedingungen Unmenschliche und erniedrigende Behandlung / Folter Willkürliche Verhaftungen und Untersuchungshaft Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis Lage sexueller Minderheiten Situation von Frauen und Kindern Menschenhandel Lage der Minderheiten 3.8.1 3.8.2 Lage der Roma Lage der Muslime / Bosniaken Lage der Religionsgemeinschaften Lage von Flüchtlingen und intern Vertriebenen (IDP) 3.9 3.10 17 17 18 18 19 19 20 21 21 22 25 25 25 Schlussbemerkung 27 28 Anhang:Karte 6 Vorbemerkung Crna Gora, wie Montenegro (Schwarze Berge oder Schwarzes Gebirge) in der Landessprache heißt, gehört zu den Balkanstaaten, die nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre entstanden sind. Allerdings konnte es erst im Jahr 2006 seine Unabhängigkeit erreichen, nachdem sich die Bevölkerung im Rahmen eines Referendums für die Loslösung von Serbien aus dem damaligen Bundesstaat Serbien und Montenegro entschieden hatte. In der Unabhängigkeitserklärung wird das relativ kleine Land mit nur etwa 625.000 Einwohnern als „multiethnische, multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft“ beschrieben, basierend auf Recht und Marktwirtschaft. Seither hat der junge Staat dank eines im regionalen Vergleich hohen Wirtschaftswachstums, der guten Einbindung nationaler Minderheiten in die Regierung, nahezu konfliktfreier Beziehungen zu allen Nachbarstaaten und voranschreitender Reformen die Eigenständigkeit festigen und seine demokratischen Strukturen konsolidieren können. Das Land konnte sich international etablieren und erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, wovon allerdings nicht alle Landesteile und Bevölkerungsgruppen profitieren. Nicht zu übersehen sind allerdings bestehende Probleme im Bereich Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte. Bemängelt werden unter anderem eine schwache Justiz, weit verbreitete Korruption, organisierte Kriminalität, Beschränkungen der Meinungsfreiheit sowie Diskriminierungen gegenüber Minderheiten (v.a. Roma). Außerdem nehmen die wirtschaftlichen Probleme und sozialen Härten für viele Menschen spürbar zu. Weite Teile der Bevölkerung sind von Armut betroffen. Rund ein Drittel der 23- bis 30-Jährigen ist arbeitslos. Das Land kann bedingt durch die schwierige wirtschaftliche Lage die soziale Sicherheit kaum finanzieren. 7 1. Allgemeine Lage 1.1 Politische Entwicklung Die Republik Montenegro ging aus der Staatenunion „Serbien und Montenegro“ hervor1, nachdem sich bei einem Referendum 55,5% der montenegrinischen Wahlberechtigten für die Loslösung von Serbien ausgesprochen hatten. Daraufhin erklärte das montenegrinische Parlament am 03.06.2006 die Unabhängigkeit der Republik. Montenegro ist seit dem ein unabhängiger und souveräner Staat und Mitglied in UNO, OSZE, Europarat und zahlreichen weiteren internationalen Organisationen. Am 19.10.2007 hat Montenegro eine eigene Verfassung verabschiedet, die mit Hilfe der Europäischen Union und des Europarates erarbeitet wurde. Im Jahr 2009 wurde das Land in den Membership Action Plan (MAP) der NATO aufgenommen, welcher den Beitritt des Landes vorbereiten soll. Am 19.12.2009 wurde der Visumszwang für montenegrinische Staatsbürger in den SchengenRaum aufgehoben. Seit Dezember 2010 ist Montenegro offiziell EU-Beitrittskandidat. Am 29.06.2012 haben die Beitrittsverhandlungen begonnen. Die Schwerpunkte der Verhandlungen liegen auf den Gebieten Grundrechte und Justiz sowie auf dem Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption. Mittlerweile sind zwölf von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet worden, zwei davon (Wissenschaft und Forschung; Bildung und Kultur) sind bereits abgeschlossen.2 1 2 In Anerkennung des Zerfalls der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) proklamierten Serbien und Montenegro am 27. April 1992 ihren weiteren Zusammenhalt als Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ). Unter Druck der EU kam es am 14. März 2002 zur Unterzeichnung einer Übereinkunft über die Bildung einer Staatengemeinschaft aus Serbien und Montenegro anstelle der BRJ. Montenegro verzichtete für drei Jahre auf die Abhaltung einer Volksabstimmung über die von der Staatsführung angestrebte Unabhängigkeit. Am 04.02.2003 endete die staatliche Existenz Jugoslawiens und die „Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro“ trat in Kraft. Die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Montenegros fand schließlich am 21.05.2006 statt, wobei mit der EU eine Mindestwahlbeteiligung von 50% und eine Zustimmungsquote von 55% vereinbart worden war. Wirtschaftsblatt vom 30.06.2014: EU-Musterschüler oder Djukanovic Privatstaat?, http://wirtschaftsblatt.at/home/ nachrichten/europa_cee/3829722/Montenegro_EUMuster- Seit Anfang der neunziger Jahre wird Montenegro von der Demokratischen Partei der Sozialisten Montenegros (DPS) Milo Djukanovićs regiert. Auch bei den letzten Parlamentswahlen am 14.10.2012 wurde die DPS innerhalb des Wahlbündnisses „Europäisches Montenegro“ mit 47% der Stimmen wieder stärkste politische Kraft und bildet zusammen mit der Sozialdemokratischen Partei (SDP), der Bosniakischen Partei (BS) sowie einer albanischen und kroatischen Partei eine Koalitionsregierung unter Premierminister Milo Djukanović. Stärkste Oppositionsfraktion mit 20 Sitzen ist die Demokratische Front, während die Sozialistische Volkspartei (SNP) nur noch neun Sitze errang. Neu im Parlament ist die Partei „Positives Montenegro“, die sieben Mandate erzielte.3 Milo Djukanović steht seitdem wieder an der Spitze der Regierung. Er prägt das politische Leben des Landes seit 1991 fast ununterbrochen, entweder als Regierungschef oder als Staatspräsident.4 Bereits seit über einem Jahrzehnt werden Vorwürfe gegen ihn erhoben, er und seine Familie beuteten gemeinsam mit einigen wenigen anderen Familien Montenegro als „Privatstaat“ aus. Die Familie Djukanovic gilt als eine der reichsten im Lande, unter anderem gehört ihr die führende Privatbank, woher ihr Vermögen stammt, ist bis heute unklar. In den 1990er Jahren ermittelte Italien gegen Djukanovic wegen Zigarettenschmuggels, Anklage wurde aber nur gegen seine Mitarbeiter erhoben, da den damaligen Premier seine Immunität schützte.5 Als einziger demokratischer Staat Europas hat Montenegro seit dem Zusammenbruch des Kommunismus keinen Regierungswechsel erlebt. Einer Analyse der Konrad schuler-oder-Djukanovics-Privatstaat, (Abruf am 17.03.2015) 3 Hanns-Seidel-Stiftung vom 06.12.2012: Regierungsbildung in Montenegro, http://www.hss.de/fileadmin/media/ downloads/Berichte/121213_Serbien_SB.pdf, (Abruf am 17.03.2015) 4 Präsident (1998 bis 2002), Premier (1991 bis 1998, 2003 bis 2006, 2008 bis 2010 sowie erneut seit dem Jahr 2012) 5 derstandard.at vom18.03. 2012: Zehntausend Menschen bei Protesten gegen die Regierung, http://derstandard. at/1331779941887/Zehntausend-Menschen-bei-Protestengegen-Regierung, (Abruf am 19.03.2015) 8 Adenauer-Stiftung zufolge verhindere die mangelnde Kooperation zwischen Regierung und Opposition effektive Lösungen auf dringende Probleme in Politik und Wirtschaft. Die Staatsverschuldung habe sich seit 2007 mehr als verdoppelt und gehe auf die Überschreitung der Maastrichtgrenze von 60% zu. Das Gleichgewicht sei insbesondere durch die ungelösten Wirtschaftsprobleme bedroht, nicht zuletzt aufgrund des Bankrotts des mit millionenschweren Staatsgarantien versehenen Aluminiumwerks KAP. Gleichzeitig wachse die Wirtschaft des Landes nach der bis 2012 anhaltenden Rezession zu langsam (offiziellen Angaben zufolge aktuell knapp 2%), um 6 die wachsende Arbeitslosigkeit aufzuhalten. Die sich seit 2012 häufenden Proteste gegen das „System Djukanovic“ zeigen die hohe Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Situation und über die Arroganz der 7 politischen Elite. Auch die Kritik aus dem In- und Ausland über ausbleibende, bereits versprochene Reformen, wächst. So bemängelt die EU in ihrem aktuellen Fortschrittsbericht fortbestehende Defizite in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, Minderheitenschutz, sowie Schwachstellen im Finanzsektor und in der Funktionsweise der Arbeitsmärkte. Vetternwirtschaft, weit verbreitete Korruption sowie der Einfluss der organisierten Kriminalität gelten unverändert als entschei8 dende Entwicklungshemmnisse. Im Verhältnis zu seinen Nachbarn zeichnet sich Montenegro jedoch sowohl poli tisch als auch wirtschaftlich durch eine gewisse Stabilität aus. 1.2Sicherheitslage Die Sicherheitslage ist stabil. Montenegro hat ein konfliktfreies Verhältnis zu allen Nachbarstaaten und wird als ein Stabilitätsfaktor im westlichen Balkan gesehen. In Montenegro gibt es derzeit keine aus politischen Gründen bedingten Sicherheitsprobleme. Gelegentliche 6 Konrad-Adenauer-Stiftung (20.03.2014): Aktuelle Herausforderungen für Montenegro, http://www.kas.de/wf/ doc/kas_37179-1522-1-30.pdf?140320144534, (Abruf am 18.03.2015) 7 Konrad-Adenauer-Stiftung (2012): Proteste in Montenegro, http://www.kas.de/serbien/de/publications/31054/, (Abruf am 18.03.2015) 8 European Commission vom 08.10.2014: Montenegro Progress Report 2014, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/ key_documents/2014/20141008-montenegro-progressreport_en.pdf, (Abruf am 23.03.2015) Spannungen in einigen Nachbarregionen wie z.B. Kosovo 9 wirken sich nicht auf Montenegro aus. Montenegro ist das einzige Land in Ex-Jugoslawien, auf dessen Territorium kein Krieg geführt wurde und kein ernsthafter ethnischer Konflikt stattfand. Ethnische Spannungen, wie in anderen Regionen des Balkans sind kaum anzutreffen. Polizei und Sicherheitskräfte gewähren die Sicherheit im Land. Erkenntnisse über Milizen oder terroristische Orga10 nisationen oder Gruppierungen liegen nicht vor. 1.3 Wirtschaftliche und soziale Lage In den ersten Jahren der Unabhängigkeit konnte Montenegro ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum von jährlich etwa 8% verzeichnen. Besonders der Tourismussektor, Finanzdienstleistungen, Immobilien- und 11 Grundstücksgeschäfte trugen zum Wachstum bei. Die Inflation konnte gesenkt werden. Durch die globale Finanzkrise Ende 2008 sank die wirtschaftliche Dynamik. 2009 wurde ein Negativwachstum von 5,7% verzeichnet. Seit 2010 erholt sich die Wirtschaft wieder. Für 2015 wird 12 ein Wachstum von ca. 3,1% erwartet. Das Land steht jedoch weiterhin vor industriellen Strukturproblemen: Von der früheren sozialistischen Großindustrie befinden sich insbesondere die Metallindustrie, die Werften, die Holzverarbeitung und der Bergbau in einer schwierigen Lage. Einige dieser Unternehmen haben die Produktion eingestellt oder sind stark defizitär. Mit der Insolvenz des in den 1970er Jahren errichteten Aluminiumkombinats Podgorica (KAP) im Oktober 2013 ist die industrielle Basis des Landes weitgehend weggebrochen. 9 Auswärtiges Amt (Januar 2015): Länderinformationen, Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/ Laenderinformationen/00-SiHi/MontenegroSicherheit. html, (Abruf am 25.03.2015) 10 Bertelsmann Transformations Index (BTI 2014): Montenegro Country Report, http://www.bti-project.org/uploads/ tx_itao_download/BTI_2014_Montenegro.pdf (Abruf am 25.03.2015) 11 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Montenegro (Stand März 2015), http:// www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/Mittel-Ost-und-Suedosteuropa/montenegro/index.html, (Abruf am 25.03.2015) 12 Germany Trade and Investment- Wirtschaftsdaten kompakt: Montenegro (Stand: Oktober 2014), http://www.gtai. de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten/PUB/2012/11/ pub2012110880001111_17438_wirtschaftsdaten-kompakt--montenegro--november-2014.pdf, (Abruf am 25.03.2015) 9 Das Gefälle zwischen arm und reich ist sehr groß. Das Durchschnittseinkommen ist zwar gestiegen, die Kaufkraft aber weiter gering und die Verschuldung privater Unternehmen und Haushalte relativ hoch. Die NettoEinkommen der abhängig Beschäftigten betragen im 13 Durchschnitt circa 480 Euro pro Monat. Die Arbeitslo14 senquote lag Ende des Jahres 2014 bei etwa 15%. Rund ein Drittel der 23- bis 30-Jährigen ist arbeitslos. Rund 15 40% der Einwohner leben an der Armutsgrenze. Der Bevölkerungsanteil unterhalb der Armutsgrenze für 2012 16 betrug 11,3%. Montenegro kann bedingt durch die schwierige wirtschaftliche Lage die soziale Sicherheit schwer finanzieren. Die Grundlage des Sozialsystems beruht auf Versicherungen für die Bereiche Altersrente und Invalidität, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Zudem gewährt der Staat Personen Sozialhilfe, die arbeitsunfähig sind, kein ausreichendes Einkommen erzielen und nicht über ausreichende eigene Mittel zum Lebensunterhalt verfügen. Neben der Sozialhilfe (Familienbeihilfe) werden weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen an Bedürftige, z.B. eine Kinderbeihilfe, ausbezahlt. Die staatliche Versorgung durch Sozialhilfe reicht aber nicht aus, um ein Überleben zu sichern. Ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht, wenn das durchschnittliche Monatseinkommen des vergangenen Quartals folgende Beträge unterschreitet: Alleinstehende: 63,50 Euro, Paar: 76,20 Euro, Familie mit drei Mitgliedern: 91,50 Euro, Familie mit vier Mitgliedern: 108 Euro, Familie mit fünf oder mehr Mitgliedern: 120,70 Euro. Der auszuzahlende Satz beträgt im Regelfall lediglich die Hälfte des Bemessungsbetrages. Als weitere Sozialleistungen kommen im Einzelfall kostenlose Mahlzeiten, einmalige materielle Leistungen, einmalige finanzielle Leistungen zur Behebung einer aktuellen Not- 13 Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Wirtschaft (Januar 2015), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/ Laender/Laenderinfos/Montenegro/Wirtschaft_node.html, (Abruf am 25.03.2015) 14 Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Wirtschaft (Januar 2015), a.a.O. 15 Deutscher Bundestag - Bundestagsdrucksache Nr. 17/11245 vom 26.10.2012, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Montenegro auf dem Weg in die Europäische Union, http://dipbt.bundestag.de/doc/ btd/17/112/1711245.pdf, (Abruf am 26.03.2015) 16 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Montenegro (Stand März 2015), http:// www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/Mittel-Ost-und-Suedosteuropa/montenegro/index.html, (Abruf am 25.03.2015) lage, Übernahme der Beerdigungskosten oder Zuschläge im Falle besonderer Pflegebedürftigkeit in Frage. Die Grundversorgung findet in Montenegro durch die Groß17 familie statt. Bei der Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens spielen aber auch die Schattenwirtschaft und die Unterstützung durch die Diaspora eine große Rolle. Schätzungsweise 500.000 Menschen montenegrinischer Abstammung leben im Ausland und unterstützen ihre 18 Familien in der Heimatregion durch Transferzahlungen. Das öffentliche Gesundheitssystem ist überlastet, die technische Ausstattung veraltet und nicht immer einsatzbereit. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist jedoch im Großen und Ganzen sichergestellt und hat sich in den letzten Jahren verbessert. Es gibt ein Klinikzentrum in Podgorica, zwei Krankenhäuser an der Küste (Bar, Kotor), drei Krankenhäuser in Zentralmontenegro (Cetinje, Niksic, Berane), zwei im Norden (Bijelo Polje, Plevlja) und weiterhin eine Spezialklinik für Orthopädie in Risan (Küste), ein Spezialkrankenhaus für Lungenkrankheiten in der Nähe von Niksic, eine Spezialklinik für Psychiatrie in Dobrota bei Kotor sowie ein Rehabilitationszentrum in Herceg Novi (Küste). Daneben existieren sogenannte „Gesundheitshäuser“, in denen üblicherweise eine ambu lante Behandlung stattfindet, wovon sich 42 im Gebiet von Podgorica und 20 in den übrigen Gemeinden des 19 Landes befinden. Es existiert eine gesetzliche Krankenversicherung, die unabhängig von einem Arbeitsverhältnis besteht und eine kostenfreie Gesundheitsfürsorge auch bei Arbeitslosigkeit zum Ziel hat. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist eine Meldung beim Arbeitsamt. Grundsätzlich sind lebensrettende und -erhaltende Maßnahmen für alle Patienten – auch für mittellose Rückkeh20 rer aus dem Ausland – kostenlos. 17 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 18 Independent Balkan News Agency (04.06.2014): 500,000 Montenegrins live abroad, http://www.balkaneu. com/500000-montenegrins-living-diaspora/, (Abruf am 26.03.2015) 19 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 20 Auswärtiges Amt, Auskunft an das BAMF vom 12.06.2012, 5408-9-516.80/6MNE 10 1.4 Gesellschaftliche Entwicklung und nationale Identität Das heutige Montenegro ist im Geist der Stammestradition und Bruderschaften entstanden. Die Montenegriner lebten in einer anarchischen und heterogenen Stammesgesellschaft, die in vielem den Verhältnissen in Nord-Albanien ähnelte.21 Bis ins 19. Jahrhundert existierte ein streng patrilinear ausgerichtetes archaisches Gesellschaftsmodell einer Hirtengesellschaft, organisiert als Stammessystem. Handlungs- und Leitlinie war das eigentümliche gewohnheitsrechtliche Moralprinzip des cojstvo (wörtlich Mannheit), der so genannten „heroischen Humanität“. Das erste Gebot dieses ungeschriebenen patriarchalischen Sitten- und Moralkodex hieß heldischehrenhaftes Verhalten.22 Andauernde Kleinkriege und „Scharmützel“ mit den Muslimen ab dem 14. Jahrhundert sowie die den Verstrickungen der eigenen Sippe geschuldete Wachsamkeit förderten einen Männlichkeitswahn, einen Kult um Tapferkeit, Mut und Waffen. Ihre mentale Verbissenheit und ihr physisches Leistungsvermögen verliehen den Männern Montenegros über Jahrhunderte den Nimbus der unbeugsamen Kämpfer. Auch die Blutrache gehörte zu ihren Traditionen, jedoch hat sich die Bevöl kerung langsam aus diesen traditionellen Verhaftungen der Vergangenheit gelöst. Mitte des 20. Jahrhunderts begann der Urbaniserungs- und Bildungsprozess. Heute lebt gut die Hälfte der Bevölkerung (etwa 51%) in den Städten, deren Anteil auf Grund der Zuwanderung aus ländlichen Gebieten stetig ansteigt. Die Analphabetenrate ging zurück, die Emanzipation der Frau begann. Aber erst 2007 mit der neuen Verfassung und der Verabschiedung des Gesetzes über die Gleichberechtigung der Geschlechter bestätigte die montenegrinische Gesellschaft auch formal die Bereitschaft, die Gleichstellung der Frauen sicherzustellen. Die Familienstrukturen haben jedoch noch häufig patriarchalischen Charakter. Balkan eroberten. Sie konnten sich im Gegensatz zu den Serben eine gewisse Unabhängigkeit bewahren und zogen sich in die „schwarzen Berge“ zurück, die für die Eroberer nicht wichtig waren. Nach dem Berliner Kongress von 1878 entstand ein eigenes international anerkanntes Königreich Montenegro. Ob sich jemand als Montenegriner oder als Serbe fühlt, ist in erster Linie eine Frage der individuellen oder politischen Präferenzen. Die, die sich als Montenegriner bezeichnen, traten hauptsächlich für die Eigenstaatlichkeit ein. Jene, die sich als Serben betrachten, votierten überwiegend für einen staatlichen Bund mit Serbien. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2011 erklärten 45% Montenegriner und 29% Serben zu sein. Die Nordhälfte Montenegros ist zur serbischen Grenze hin vor allem von Serben besiedelt, im Landesinnern von Serben und Montenegrinern. Serben leben aber auch an der Küste. Die südliche Hälfte Montenegros zum Meer hin wird aber vor allem von Montenegrinern bewohnt.23 Die Frage der nationalen Identität war von entscheidender Bedeutung, als es 2006 um die Unabhängigkeit ging und spaltete das Land in Separatisten und Nationalisten. Aber auch noch im Wahlkampf des Jahres 2012 wurde von der Regierungspartei DPS die Furcht vor einem großserbischen Nationalismus geschürt und der politischen Opposition Landesverrat, fehlender Patriotismus und Kollaboration mit dem „Feind“ vorgeworfen. Ausgetragen wird die Auseinandersetzung vor allem auf der Ebene nationaler Symbole, wie Sprache, Nationalhymne und Flagge.24 Der nationale Gegensatz dient aber auch der politischen Instrumentalisierung, um von ökonomischen und sozialen Problemen, von Korruption, Kriminalität und Bereicherung abzulenken. In der Frage, ob die Montenegriner ein eigenes Volk oder eigentlich Serben sind, ist die Gesellschaft unverändert gespalten. Hinsichtlich Sprache, Kultur und Religion gibt es nur wenige Unterschiede. Unterschiede bestehen im Wesentlichen in der politischen Entwicklung, denn historisch betrachtet haben die Montenegriner erst dann eine eigene Entwicklung genommen, als die Osmanen den 21 Vgl. Kazarnowskis Dimitris (2011): Der kulturelle Realismus. Münster: LIT Verlag 22 Vgl. Miedling, Hans-Michael: Eine kritische Betrachtung zum Selbstverständnis der Montenegriner in der Krise, Südosteuropa Mitteilungen 06/2005 23 Konrad-Adenauer Stiftung (März 2008): Interethnische Beziehungen in Südosteuropa; http://www.kas.de/wf/doc/ kas_13999-544-1-30.pdf (Abruf am 13.05.2015) 24 NZZ vom 12.10.2012: Schattenkämpfe in Montenegro, http://www.nzz.ch/aktuell/international/uebersicht/ schattenkaempfe-in-montenegro-1.17676676, (Abruf am 26.03.2015) 11 2. Demokratische Strukturen und Rechtsstaatlichkeit Vom Bertelsmann Transformationsindex 201425 wird das Land als „defekte Demokratie“ klassifiziert. Von der NGO Freedom House26 und der Friedrich-Ebert Stiftung27 als „halb-konsolidierte“ Demokratie bezeichnet. Defizite existieren vor allem im Bereich der politischen Repräsentation und zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation sowie bei der Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit. Auch andere internationale und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Medien berichten seit Jahren über rechtsstaatliche Defizite und erhebliche Probleme mit Korruption, Klientelismus und organisierter Kriminalität. 2.1 Demokratische Strukturen Montenegro ist eine parlamentarische Demokratie, die sich auf einen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmen stützt, der weitgehend mit europäischen Grundsätzen und Normen im Einklang steht.28 Die EU-Kommission kam im Jahr 2010 zu dem Schluss, dass Montenegro im Großen und Ganzen über eine solide rechtliche und institutionelle Grundlage verfüge, im Hinblick auf das Funktionieren der demokratischen Institutionen und die Umsetzung und Anwendung von Gesetzen aber unverändert Defizite und Schwachstellen verzeichne. Die Fähigkeit des Parlaments zur angemessenen Kontrolle der Regierung sei weiterhin begrenzt. Im Bereich der Justiz werde die Gewaltenteilung nicht in vollem Umfang geachtet. Die öffentliche Verwaltung sei nach wie vor wenig leistungsfähig und in hohem Maße politisiert. In ihrem aktuellen Fortschrittsbericht stellt die EU aber auch Fortschritte in den bisher kritisierten Bereichen wie mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Schwäche des Parlaments sowie unzureichende Verwaltungsstrukturen fest. Unerlässlich seien weitere Anstrengungen, um die weit verbreitete Korruption sowie den Einfluss der organisierten Kriminalität zu bekämpfen.29 Der gesetzliche Rahmen gewährleistet grundsätzlich eine solide Basis für die Abhaltung demokratischer Wahlen. Laut dem Schlussbericht der OSZE sei die am 08.04.2013 abgehaltene Präsidentschaftswahl professionell und effizient durchgeführt worden. Die Kandidaten betrieben einen freien Wahlkampf, die Meinungs-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheiten wurden großteils respektiert. Es wurde allerdings auf bestehende Mängel des öffentlichen Vertrauens in den Wahlprozess und auf weiteren Verbesserungsbedarf zum Beispiel mit Blick auf die Wählerlisten, Überwachung der Finanzierung der Wahlkampagnen und Prüfung von Beschwerden hingewiesen.30 Das montenegrinische Parlament hat daraufhin eine Arbeitsgruppe eingerichtet, mit dem Ziel durch entsprechende Änderungen des Wahlrechts das Vertrauen der Montenegriner in den Wahlprozess zu stärken.31 25 Bertelsmann Transformationsindex (BTI 2014): Montenegro Country Report, (Abruf am 25.03.2015 http://www.bti-project.de/uploads/tx_itao_download/BTI_2014_Montenegro. pdf, (Abruf am 26.03.2015) 26 Freedom House (2014) Montenegro- Nations in Transit; https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2014/ montenegro#.VVM5_WccSUk (Abruf am 13.05.2015) 27 Friedrich-Ebert Stiftung (Februar 2012): Montenegro vor den EU-Beitritts Verhandlungen, http://library.fes.de/pdf-files/ id-moe/08919.pdf, (Abruf am 26.03.2015) 28 Europäische Kommission vom 09.11.2010: Stellungnahme der Kommission zum Antrag Montenegros auf Beitritt zur Europäischen Kommission, http://europa.eu/rapid/ press-release_MEMO-10-552_de.htm?locale=en, (Abruf am 26.03.2015) 29 European Commission vom 18.10.2014: Montenegro Progress Report 2014, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/ key_documents/2014/20141008-montenegro-progressreport_en.pdf, (Abruf am 26.03.2015) 30 Organization for Security and Cooperation in Europe vom 25.6.2013: Montenegro Presidential Election 7 April 2013; Final Report, http://www.osce.org/odihr/elections/103093, (Abruf am 26.03.2015) 31 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 12 2.2 Mehrparteiensystem Montenegro gilt als das Land Europas, welches, gemessen an der Einwohnerzahl, die meisten politischen Parteien aufweist. Vor jeder Wahl bildeten sich neue Parteien und Bündnisse. Die Regierung wird vor allem von der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) und der Sozialdemokratische Partei (SDP) getragen. 1991 entstand aus dem Bund der Kommunisten Montenegros (SKCG) die DPS. Diese spaltete sich 1998 in die fortbestehende DPS unter dem Vorsitzenden Djukanović und in die von Bulatović gegründete Sozialistische Volkspartei SNP.32 Bei der letzen Wahl 2012 traten insgesamt 13 Parteien bzw. Wahlbündnisse an.33 Das Parteienspektrum ist nicht ethnisch überdeterminiert wie etwa in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Kosovo. In der Regierungspartei DPS bekleiden viele montenegrinische Bosniaken und Albaner Führungspositionen.34 Die wichtigsten Partien sind: Demokratische Partei der Sozialisten (Demokratska Partija Socijalista Crne Gore - DPS) Sozialdemokratische Partei (Socijaldemokratska Partija Crne Gore - SDP) Bosniakische Partei (Bošnjačka Stranka - BS) Sozialistische Volkspartei (Socijalistička Narodna Partija Crne Gore - SNP) Liberale Partei Montenegros (Liberalni Partija Crne Gore - LPCG) Kroatische Bürgerinitiative (Hrvatska Građanska Inicijativa - HGI) Neue Serbische Demokratie (Nova Srpska Demokratija - NSD) Bewegung für Wechsel 32 Munzinger Online/Länder - Internationales Handbuch vom 18.06.2013: Montenegro Politik; https:// www.munzinger.de/search/document?index=mol03&id=03000MOT020&type=text/html&query. key=btahpO4N&template=/publikationen/laender/ document.jsp&preview=#03000MOT020-07, (Abruf am 26.03.2015) 33 Hanns-Seidel-Stiftung vom 06.12.2012: Regierungsbildung in Montenegro, http://www.hss.de/fileadmin/media/ downloads/Berichte/121213_Serbien_SB.pdf, (Abruf am 26.03.2015) 34 Konrad-Adenauer-Stiftung (März 2008): Interethnische Beziehungen in Südosteuropa, http://www.kas.de/wf/doc/ kas_13975-544-1-30.pdf, (Abruf am 26.03.2015) (Pokret za Promjene - PZP) Positives Montenegro (Pozitivna Crna Gora - PCG) Neue Demokratische Kraft (Nova Demokratska Snaga- Forca e Re Demokratike (FORCA) Albanische Koalition (Albanska Koalicija - AK) Demokratische Union der Albaner (Demokratska Unija Albanaca - DUA). 2.3 Freie Betätigungsmöglichkeit für die Opposition Das politische Leben in Montenegro ist durch eine starke Polarisierung zwischen der seit Jahrzehnten dominierenden Regierungsmehrheit und einer uneinigen Opposition gekennzeichnet. Ritualisierte Schlagabtausche und persönliche Verunglimpfungen sind nicht nur im politischen Alltag an der Tagesordnung sondern auch im Mediensektor und in Teilen der Zivilgesellschaft.35 Als einziger demokratischer Staat Europas hat Montenegro seit dem Zusammenbruch des Kommunismus keinen Regierungswechsel erlebt. Eine Erklärung für die Dauerherrschaft der DPS ist die Zerstrittenheit und Fragmentierung der Opposition. Diese wird immer noch mit dem Vorwurf konfrontiert, gegen die Unabhängigkeit Montenegros gestimmt zu haben. Ihre Loyalität gegenüber dem neuen Staat wird auch von großen Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt. Die politischen Gegner der DPS haben es bis heute nicht geschafft, glaubhafte und konkrete alternative Lösungsvorschläge zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen des Landes anzubieten. Eine weitere Erklärung ist die höchst effiziente Organisation der DPS mit einem feinmaschigen Netz an Mitgliedern bis in die hintersten Winkel des gebirgigen Landes. Wahlkampf in Montenegro besteht weniger aus Großkundgebungen sondern aus Hausbesuchen von Tür zu Tür. Dabei soll sich die DPS auch autoritärer Methoden bedienen, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Teils erfolge dies über Staatsmedien, teils über Sozialhilfe, die wie Bestechung funktioniere. In der Gemeinde Rozaje z.B. stimmten 43% der Bevölkerung für die DPS und ebenfalls 43% der Einheimischen beziehen staatliche Sozialhilfe. 35 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro, 01.04.2015, 508-9516.80/3 MNE 13 Außerdem würden kurz vor Wahlen stets neue Stellen und großzügig Subventionen vergeben oder Straßen in entlegenen Dörfer geteert. Wer durch regierungskritische Äußerungen auffalle, erhalte zudem von seinem Arbeitgeber nicht selten eine kleine „Gabe“, verbunden mit der Aufforderung, der Urne doch fernzubleiben.36 2.4 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ist durch die Verfassung garantiert. Die Regierung hält sich auch in der Praxis daran. Eine öffentliche Versammlung muss dem Ministerium des Innern gemeldet werden. Im Jahr 2012 sollen 59 Versammlungen nicht genehmigt worden sein, bei den meisten handelte es sich um Protestveranstaltungen von Beschäftigten oder Oppositionellen.37 Nach den letzen Wahlen im Jahr 2012 demonstrierten Zehntausende gegen die Regierung. Die letzte größere Demonstration gegen Korruption, ökonomisches Missmanagement und hohe Arbeitslosigkeit fand im Februar 2014 statt, wobei es auch zu Ausschreitungen kam. 2.5 Meinungs- und Pressefreiheit Im Allgemeinen wird die in der Verfassung garantierte Freiheit der Meinungsäußerung respektiert. Dennoch stuft die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Montenegro im Jahr 2014 in ihrer Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 114 von 180 ein. In Montenegro besteht insgesamt eine pluralistische Medienlandschaft mit allein fünf Tageszeitungen, die ein sehr breites Spektrum an Überzeugungen abbildet. Dabei entfällt auf die regierungskritischen Medien der bei weitem größte Marktanteil.38 Nach Angaben der Konrad- 36 NZZ vom 10.10.2012: Montenegro und die Tücken der Stabilität, http://www.nzz.ch/aktuell/international/uebersicht/ montenegro-und-die-tuecken-der-stabilitaet-1.17673196, (Abruf am 26.03.2015) 37 US Department of State vom 27.02.2014: Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 38 Munzinger Online/Länder – internationales Handbuch (24.03.2015): Montenegro Politik; https:// www.munzinger.de/search/document?index=mol03&id=03000MOT020&type=text/html&query. key=btahpO4N&template=/publikationen/laender/ Adenauer-Stiftung ist die Medienlandschaft jedoch stark polarisiert. Eine sachliche Diskussion aktueller Probleme zwischen den klar aufgeteilten Lagern der regierungsnahen und der regierungskritischen Stimmen erscheint immer weniger möglich.39 Der Regierung wird vorgeworfen, für Hass- und Verleumdungskampagnen gegen Journalisten verantwortlich zu sein.40 Zudem häufen sich die Fälle von Übergriffen auf die Oppositionsmedien. Auch international wird immer stärker kritisiert, dass Djukanovics Regierung diese weder verhindere noch aufkläre. Es mute in diesem kleinen Staat merkwürdig an, dass von den Dutzenden Angriffen auf Journalisten in den letzten 15 Jahren (darunter Mord, Brand- und Bombenanschläge) bisher kein einziger von den Polizeibehörden zufriedenstellend, also unter Ermittlung der jeweiligen Hintermänner, aufgeklärt werden konnte. Auf Druck der EU wurde im Dezember 2013 eine Kommission aus Medienvertretern und Vertretern von Polizei und Staatsanwaltschaft zur Aufklärung der Übergriffe eingerichtet. 2.6 Justiz und Polizei Notwendige verfassungsmäßige Änderungen betreffend Unabhängigkeit, Integrität und Verantwortlichkeit der Justiz wurden im Sommer 2013 beschlossen.41 Internationale Organisationen kritisieren aber weiterhin gravierende Mängel im Justizbereich. Laut der Analyse der amerikanischen NGO „Freedom House“ zu Montenegro 2014 ist das Justizsystem wenig effizient und politisch beeinflusst. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz fiel in den letzten zwei Jahren auf einen neuen Tiefpunkt. So war die Unabhängigkeit der Justiz auch durch ein stark zentralisiertes Finanzierungssystem eingeschränkt.42 Im document.jsp&preview=%20-%2003000MOT02007#03000MOT020-11, (Abruf am 27.03.2015) 39 Konrad-Adenauer-Stiftung (20.03.2014): Aktuelle Herausforderungen für Montenegro, http://www.kas.de/wf/ doc/kas_37179-1522-1-30.pdf?140320144534, (Abruf am 27.03.2015) 40 derStandard.at vom 23.06.2014: Montenegro – Gefährliches Pflaster für Journalisten, http://derstandard. at/2000002232205/Montenegro-Gefaehrliches-Pflaster-fuerJournalisten, (Abruf am 27.03.2015) 41 European Commission (16.10.2013): Montenegro Progress Report 2013, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2013/package/mn_rapport_2013.pdf, (Abruf am 29.03.2015) 42 Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 Montenegro, https://www.ecoi.net/local_link/281216/411482_ de.html, (Abruf am 27.03.2015) 14 EU-Fortschrittsbericht von Oktober 2013 wird die fehlende Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen kritisiert.43 Das US Departement of State berichtet von Aufhebungen gerichtlicher Beschlüsse durch oberinstanzliche Gerichte insbesondere in Verfahren gegen Kriegsverbrecher, wegen Korruption und organisierter Kriminalität.44 Straffreiheit sei insbesondere dann zu beobachten, wenn sich die Verfahren gegen Vertreter der Strafverfolgungsbehörden richteten. Dem EU-Beitrittskandidaten Montenegro wurde von der Europäischen Kommission aufgegeben, Mängel in den Bereichen Unabhängigkeit der Justiz sowie Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität zu beseitigen. Das Europarlament fordert in seinem Entschließungsantrag zum Fortschrittsbericht 2013 die Ausarbeitung und Umsetzung weiterer gesetzgeberischer und anderer Maßnahmen, um die Politisierung der Justiz in der Praxis zu verringern und die Unabhängigkeit der für Vergehen zuständigen Gerichte von der Exekutive sicherzustellen. Es begrüßt die Maßnahmen, mit denen das Gerichtssystem optimiert, die Effizienz der Rechtsprechung verbessert und der Rückstau anhängiger Verfahren weiter abgebaut wird, erklärt sich jedoch besorgt über die Dauer der Gerichtsverfahren, die mangelhafte Infrastruktur vieler Gerichte, die unzulängliche Durchsetzung zivil- und verwaltungsrechtlicher Entscheidungen und die unzureichende Mittelausstattung der Justiz- und Strafverfolgungsorgane.45 In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Europäische Kommission bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit Montenegro erstmals „den neuen Verhandlungsansatz der frühen Öffnung, vertieften Behandlung und späten Schließung der Rechtsstaatlichkeitskapitel 23 und 24 des EU-Acquis“ verfolge. Montenegro habe mit 43 European Commission (16.10.2013): Montenegro Progress Report 2013, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2013/package/mn_rapport_2013.pdf, (Abruf am 29.03.2015) 44 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices - Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 45 Europäisches Parlament (28.01.2014): Entschliessungsantrag zu dem Fortschrittsbericht 2013 zu Montenegro; http:// www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+MOTION+B7-2014-0072+0+DOC+XML+V0//DE, (Abruf am 30.03.2015) Verfassungsänderungen, Änderung der Ernennungsverfahren von Richtern und Staatsanwälten sowie mit Justizreformen wichtige Voraussetzungen geschaffen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.46 Im Bereich der Polizei wird vor allem Machtmissbrauch beklagt. Dem Menschenrechtsbericht 2013 des US Außemninisteriums zufolge sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei nur gering. Persönliche oder politische Beziehungen hätten oft Einfluss auf die Durchsetzung von Gesetzen. Polizisten seien aufgrund niedriger Einkommen anfällig für Korruption und besäßen nicht die notwendige Professionalität.47 Die Polizei soll im Jahr 2013 mehrfach Gewalt angewandt haben, um Geständnisse zu erpressen. Die Europäische Kommission zeigt sich besorgt, dass Ermittlungen in Fällen von Polizeigewalt gegen Gefangene schleppend vorangingen.48 Das US Außenministerium berichtet, dass Gerichte den Einsatz von Gewalt von Seiten der Polizei meist rechtfertigten. In den wenigen Fällen, in denen es überhaupt zu einer Bestrafung gekommen sei, wäre diese gering gewesen.49 Die Aufsicht über den gesamten Sicherheitsbereich wird durch interne Gremien wie z.B. dem „Council for Civilian Control of Police Work“, „Internal Control Department“, „Police Ethics Board“ und dem „Internal Affairs Department“ bzw. aus parlamentarischen und unabhängigen Einrichtungen wie dem „Parliamentary Security and Defense Committee“ wahrgenommen. Auch öffentliche Einrichtungen wie der „Ombudsmann“, die „Private Data Protection Agency“ oder die „State Audit Institution“ gehören dazu. Alle Institutionen verfügen über ausreichende Ressourcen und Instrumente (so sind z.B. auch Durchführungsbestimmungen in Kraft getreten). Das größte Problem dieser Kontrollmechanismen ist aber die mangelnde Zusammenarbeit der Einrichtungen untereinander. Trotz 46 Bundestagsdrucksache (24.04.2014) 18/1216: Antwort der Bundesregierung (2014) auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke: Deutsch-montenegrinische Beziehungen angesichts der rechtsstaatlichen Verhältnisse in Montenegro 47 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 48 European Commission: Commission staff working document Montenegro 2013: Progress report accompanying the document Communication from the Commission to the European Parliament and the Council Enlargement Strategy and Main Challenges 2013/2014 (COM(2013) 49 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices - Montenegro 2013, a.a.O. 15 dieser Kontrollinstitutionen ist das Vertrauen der Bürger in die Polizeiarbeit schwach ausgebildet.50 2.7 Korruption Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2014 von Transparency International belegte Montenegro Platz 76 von 175 Ländern.51 Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet. Der letzte Fortschrittsbericht der EU kommt zu dem Schluss, dass insbesondere die Bereiche Bau und Raumplanung, Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentliche Auftragsvergabe „extrem anfällig“ für Kor ruption seien. Der Stiftung Wissenschaft und Politik zufolge sind die informelle Netze, die sich in der turbulenten Transformation herausgebildet haben, weiter intakt ebenso wie Protektionismus und Korruption weite Teile des montenegrinischen Lebensalltags bestimmen. Die regierende DPS trägt immer noch die Züge der alles durchdringenden Staatspartei. Im Mai 2012 veröffentlichte die BBC einen Bericht über Korruption und Nepotismus in der Regierungselite, in dem von Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Krediten und von Veruntreuung von Staatsgeldern berichtet wird, wobei vor allem Angehörige und Freunde der Familie Djukanovic von dieser Praxis profitiert haben sollen.52 Laut Freedom House sind aufgrund mangelnden politischen Willens Untersuchungen, Verfolgungen und Verurteilungen prominenter Fälle von Korruption eher selten. Es gab zwar Verfahren gegen Direktoren öffentlicher Unternehmen, Richter, Polizei- und Zollbeamte, doch endgültige Entscheidungen dauerten oft sehr lange, was wiederum das Vertrauen der Bürger in das Bekenntnis der Regierung, Korruption bekämpfen zu wollen, verminderte.53 Die Bereiche „Rechtsstaatlichkeit und Korruption“ wurden bereits am Anfang der EU-Beitrittsverhandlungen eröffnet, nachdem das Parlament im Sommer 2013 50 OSCE (10/2012): Police Reform in Montenegro 2006-2011: Assessment and Recommendations, http://www.osce.org/ montenegro/97001, (Abruf am 30.03.2015) 51 Transparency International: Corruption by country / territory: Montenegro, http://www.transparency.org/ country#MNE, (Abruf am 30.03.2015) 52 Stiftung Wissenschaft und Politik (Juni 2012): Montenegro: Klein, aber gar nicht fein?, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A36_rsv.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 53 Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 – Montenegro, https://www.ecoi.net/local_link/281216/411482_ de.html, (Abruf am 30.03.2015) die lange geforderten, notwendig gewordenen Verfassungsänderungen zur Stärkung einer unabhängigen Justiz endlich beschlossen hatte. Noch kann die EU aber keine wesentlichen Fortschritte im Kampf gegen die Korruption erkennen, auch wenn Montenegro wichtige Gesetzesreformen zur Stärkung rechtsstaatlicher Struk turen und zur Bekämpfung der Korruption auf den Weg gebracht hat. „Aktionspläne könne das Land zwar erstellen, bei der Umsetzung bestünden jedoch Defizite“, heißt es.54 Bis heute kann Montenegro keine Verurteilung in hochrangigen Korruptionsfällen vorweisen. Der Verdacht politischer Einflussnahme auf die Justiz hat sich zudem bei der internationalen Gemeinschaft als auch in der Bevölkerung verstärkt, nachdem Tonbandaufnahmen an die Öffentlichkeit gelangten, die eine unzulässige Einflussnahme von DPS-Funktionären auf die Wahlentscheidung Staatsbediensteter während der vergangenen Präsidentschaftswahlen nahelegten. Der damalige Staatsanwalt wollte jedoch keinen Hinweis auf strafrechtliche Relevanz erkennen, eine parlamentarische Untersu chungskommission verlief aufgrund nicht kooperierender DPS-Abgeordneter im Sande.55 Demonstrationen zeigen, dass der Unmut in der Bevölkerung wächst. NGOs und andere Gruppen der Zivilgesellschaft beteiligten sich aktiv bei der Stärkung des öffentlichen Bewusstseins gegen Korruption. Sie reichen Vorschläge ein und decken Korruptionsfälle insbesondere im öffentlichen Auftragswesen auf. Vor allem junge Leute sind von dem „System Djukanovic“ enttäuscht. 2.8 Organisierte Kriminalität Mit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien entwickelte sich Montenegro zu einem zentralen Umschlagplatz für den internationalen Drogen- und Zigarettenschmuggel. Als enger Verbündeter Serbiens war das Land vom Waffen- und Handelsembargo der UN in den 90er-Jahren betroffen, was das organisierte Verbrechen in der Region aufblühen ließ. Mit Aufhebung der Sanktionen wurden Geldwäsche und Drogenhandel die wichtigsten Aktivitä- 54 Wirtschaftsblatt (30.06.2014): EU-Musterschüler oder Djukanovics Privatstaat?, http://wirtschaftsblatt.at/home/ nachrichten/europa_cee/3829722/Montenegro_EUMusterschuler-oder-Djukanovics-Privatstaat, (Abruf am 30.03.2015) 55 Konrad-Adenauer-Stiftung (20.03.2014): Aktuelle Herausforderungen für Montenegro, http://www.kas.de/wf/ doc/kas_37179-1522-1-30.pdf?140320144534, (Abruf am 18.03.2015) 16 ten. Europol zufolge werden über die montenegrinischen Häfen seit Jahren große Mengen an Kokain nach Europa geschleust.56 Montenegro gilt auch als idealer Standort für Geldwäsche. Mit dem Euro als offiziellem Zahlungsmittel57 können unregistrierte Euro-Noten mit Hilfe des Bankensystems erworben und durch Noten aus anderen Zuständigkeitsbereichen gewaschen werden. Auch die Geschäfte im Immobiliengewerbe an der Küste bieten sich zur Geldwäsche an. Bis in die höchsten Regierungskreise sollen die Verbindungen zur organisierten Kriminalität reichen.58 In einem Artikel der amerikanische Politikzeitschrift Foreign Affairs wurde Montenegro 2012 als „Mafia-Staat“ bezeichnet. Regierungschef Milo Djukanovic, Spitzname „König Milo“, ist immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt. Ein Bericht der italienischen Polizei wirft ihm vor, dass er das Land in ein „Paradies für Schmuggler“ verwandelt habe.59 Die Fortschritte beim Kampf gegen Korruption und die Organisierte Kriminalität in Montenegro sind begrenzt, allerdings geben jüngste Erfolge Anlass für eine „vorsichtig positivere Einschätzung“. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke kommt zu dem Schluss, „dass die in Montenegro lange vorherrschende Kultur der Straflosigkeit“ ein Ende findet wie die Festnahmen des „Drogenbarons“ Darko Saric, eines Bürgermeisters und eines Beraters des Premiers zeigen.60 56 Stiftung Wissenschaft und Politik (Juni 2012): Montenegro: Klein, aber gar nicht fein?, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A36_rsv.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 57 Montenegro gehört zu den Staaten, die den Kurs ihrer eigenen Währung über ein Wechselkurssystem an den Euro gekoppelt oder als Nicht-EU-Mitgliedstaaten einseitig den Euro eingeführt haben, weil sie auch schon vor der Währungsumstellung die Währung eines späteren EurozonenKern-Landes genutzt haben (D-Mark, Lire, Franc). 58 FAZ.NET (20.06.2011): Geldwäsche in Montenegro: Kandidat in Handschellen, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/geldwaesche-in-montenegro-kandidat-in-handschellen-1656870.html, (Abruf am 30.03.2015) 59 SZ Magazin (2013): Der Mafia Staat, http://sz-magazin. sueddeutsche.de/texte/anzeigen/40063/3/1, (Abruf am 30.03.2015) 60 Bundestagsdrucksache (24.04.2014) 18/1216: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke: Deutsch-montenegrinische Beziehungen angesichts der rechtsstaatlichen Verhältnisse in Montenegro. 17 3.Menschenrechtslage Die Verfassung des Landes definiert Montenegro als einen demokratischen, sozialen und ökologischen Staat und betont den Schutz der Menschen- und Minderheitenrechte. Die Regierung achtet grundsätzlich die Menschenrechte ihrer Bürger und zeigt eine erhöhte Aufmerksamkeit im Hinblick auf den Menschenrechtsschutz. Der politische und rechtliche Rahmen zur Regelung von Fragen der Menschenrechte und der Achtung und des Schutzes von Minderheiten ist weitgehend vorhanden und entspricht im Großen und Ganzen den einschlägigen europäischen und internationalen Standards. Im Jahr 2011 wurde eine Ombudsstelle eingerichtet. Allerdings sind bei der Anwendung von Gesetzen und der Umsetzung der bestehenden Strategien und Aktionspläne Defizite zu verzeichnen. Fällen Verstöße gegen die Menschenrechte identifiziert. Die meisten dieser Fälle bezogen sich auf das Recht auf ein faires Verfahren, die Dauer von Verfahren und die fehlende Umsetzung von Gerichtsbeschlüssen, sowie auf Eigentumskonflikte.63 Für die Verbesserung des Menschenrechtsrechtsschutzes wurde bei der Regierung das Büro des Ombudsmanns eingerichtet. Die Effektivität des Rechtssystems wird zudem von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen aufmerksam und kritisch beobachtet, die insbesondere über Einzelfälle von Menschenrechtsverletzungen berichten.64 Der Menschenrechtsbericht des US Department of State für 2013 listet folgende Problemfelder auf: Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit, Korruption, Menschenhandel, Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten, Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, Polizeigewalt und schwierige Haftbedingungen.61 Das Verbot der Todesstrafe ist in Art. 26 der Verfassung verankert. Die Todesstrafe wurde schon im Juni 2002 abgeschafft. Die Situation in den Gefängnissen und Haftanstalten ist allgemein schwierig. So sind laut dem Jahresbericht des US Department of State im Jahr 2014 die Untersuchungsgefängnisse meistens in einem desolaten Zustand und viele Gefängnisse sind überfüllt. Laut letztem Lagebericht des Auswärtigen Amtes hat sich aber das Problem der Überbelegung in den vergangenen zwei Jahren durch frühzeitige Haftentlassungen und den verstärkten Gebrauch alternativer Sanktionen wie z.B. gemeinnütziger Arbeit entspannt. Als weiterhin mangelhaft werden insbesondere die medizinische Versorgung in Gefängnissen sowie das Fehlen von Besuchsräumen bewertet.65 Beschwerden können unzensiert an Justizorgane oder den Ombudsmann gerichtet werden. Bei der Ombudsstelle gingen bis September 2012 46 Beschwerden ein, die meisten davon betrafen das (Fehl)Verhalten Die Verfassung sieht die Möglichkeit vor, sich im Falle einer Grundrechtsverletzung nach Ausschöpfung des Rechtsweges an das Verfassungsgericht zu wenden (Art. 149, Ziffer 3). Die Praxis des Verfassungsgerichts im Umgang mit individuellen Verfassungsbeschwerden ist jedoch uneinheitlich. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sind Hunderte Klagen seitens montenegrinischer Staatsbürger anhängig.62 In den ersten acht Monaten des Jahres 2013 wurden vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof 377 Beschwerden gegen Montenegro untersucht und in 27 61 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 62 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 3.1 Unmenschliche und erniedrigende Bestrafung / Haftbedingungen 63 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices - Montenegro 2013 a.aO. 64 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro a.a.O. 65 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 18 des Personals und der Gefängnisverwaltung. Bauliche Maßnahmen führten zu einigen Verbesserungen.66 3.2 Unmenschliche und erniedrigende Behandlung / Folter Die Verfassung schützt die physische und mentale Integrität der Menschen und verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Montenegro hat das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert.67 Das im Juli 2011 verabschiedete Gesetz über die Ombudsmanninstitution ermächtigt diese als nationaler Präventionsmechanismus zu fungieren. Diese ist gemäß dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter auch befugt, unangekündigte Besuche in Haftanstalten vorzunehmen.68 Folter und Misshandlung sind Straftatbestände. Die justizielle Aufarbeitung von Missbrauchsfällen kommt nach Einschätzung sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch der Europäischen Kommission nur schwerfällig voran. Die Effektivität des Rechtssystems wird vom Büro des Ombudsmanns und von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen aufmerksam und kritisch beobachtet. Fälle von Folter sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Einzelfälle von Misshandlungen in Gefängnissen oder durch Polizeibeamte wurden von Menschenrechtsorganisationen dokumentiert. Die für 2011 seitens der montenegrinischen NGO Građanska Alijansa dokumentierten Fälle umfassten 21 Vorwürfe des 66 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 67 Council of Europe (22.05.2014): Report to the Government of Montenegro on the visit to Montenegro carried out by the European Committee for the Prevention of Torture an Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 13 to 20 February 2013, http://www.cpt.coe.int/documents/ mne/2014-16-inf-eng.htm, (Abruf am 29.03.2015) 68 Amnesty International (24.05.2012), Amnesty Report 2012 Montenegro; https://www.amnesty.de/jahresbericht/2012/ montenegro?destination=node%2F2983 (Abruf am 11.05.2015) Missbrauchs physischer Gewalt und 13 Vorwürfe der herabwürdigenden Behandlung.69 Laut dem Bericht des Antifolter-Komitees des Europarates vom Mai 2014 der sich auf eine Besuchsreise der Gefängnisse und Polizeistationen im Februar 2013 bezieht, erhielt die Delegation zahlreiche Beschwerden über Misshandlungen im Polizeigewahrsam, überwiegend um Geständnisse oder Informationen zu erhalten. In einigen Fällen waren die behaupteten Vorwürfe von Misshandlungen derart gravierend, dass diese als „Folter“ eingestuft werden müssen. Die Maßnahmen, die bisher von den montenegrinischen Behörden ergriffen wurden, um Misshandlungen entgegen zuwirken, werden vom Komitee als nicht wirksam genug beschrieben.70 Ebenso berichtet das US Department of State71, dass Untersuchungen von Missbrauchsfällen wenig effektiv sind und die verhängten Strafen zu milde. Es wurden zwar Schritte zur Verfolgung und Bestrafung von Korruption und Polizeigewalt, Straflosigkeit unternommen, strafrechtliche Verfahren wegen Polizeiübergriffen wurden aber nur selten eingeleitet. Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei werden aus Furcht vor Repressalien kaum angezeigt. 3.3 Willkürliche Verhaftungen und Untersuchungshaft Die Verfassung verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, die Behörden halten sich in der Regel daran.72 Laut Strafprozessordnung muss eine Verhaftung innerhalb von 12 Stunden einem Staatsanwalt gemeldet werden und darf ohne weitere richterliche Anordnung 48 Stunden nicht überschreiten. Nach den Erkenntnissen des Antifolter-Komitees des Europarates werden die gesetzlichen Fristen in der Regel respektiert.73 69 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 70 Council of Europe (22 May 2014): Report to the Government of Montenegro on the visit to Montenegro carried out by the European Committee for the Prevention of Torture an Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 13 to 20 February 2013, a.a.O. 71 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 72 US Department of State (27.02.2014), a.a.O. 73 Council of Europe (22 May 2014): Report to the Government of Montenegro on the visit to Montenegro carried out by the 19 3.4 Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis Wert mit 6 % für Russland). Montenegro erhielt im Jahr 2014 einen Durchschnittswert von 47 %.78 Es liegen keine Erkenntnisse für eine diskriminierende Strafverfolgungs-und Strafzumessungspraxis vor. Ungeachtet der verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen sind gesellschaftliche Vorurteile gegenüber LGBTTI-Personen weit verbreitet. Ressentiments werden auch von der einflussreichen serbisch-orthodoxen Kirche (nicht von der montenegrinisch-orthodoxe Kirche) geschürt. Auch sollen laut EU-Fortschrittsbericht 2013 Gewalt und Hassreden gegen LGBTTI-Personen zugenom men haben. Besonders Aktivisten würden diskriminiert. Übergriffe würden jedoch nur selten zur Anzeige gebracht. Bei der im Juli 2013 durchgeführten Pride-Parade in Budva zeigte sich das hohe Maß an Homophobie im Land. 32 Personen wurden festgenommen.79Amnesty International berichtete, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle weiterhin diskriminiert würden. Im September 2012 seien drei Männer von Mitgliedern eines Fußball-Fanclubs aus Podgorica tätlich angegriffen worden. Zwei der angegriffenen Männer, ein Schauspieler und ein Regisseur, waren an der Produktion eines Videos gegen Homophobie beteiligt. Obwohl der Schauspieler Todor Vujosevic mehrfach um Polizeischutz bat, wurde er im Oktober 2012 erneut überfallen.80 3.5 Lage sexueller Minderheiten Die montenegrinische Verfassung und auch die Gesetzgebung verbieten Diskriminierung auf Grund von Rasse, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, Geschlecht, Behinderung, Sprache und sozialer Herkunft. Im Juli 2010 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Im Juli 2012 wurde das montenegrinische Strafgesetzbuch abgeändert. Rassismus, Homophobie und religiöse Intoleranz bilden nun ein straferschwerendes Merkmal bei Verbrechen.74 Im Mai 2013 verabschiedete die montenegrinische Regierung eine Strategie zur Verbesserung der Lebensqualität der LGBTTI75-Gemeinschaften.76 Sie trat dem Projekt des Europarats „Combating discrimination based on sexual orientation and gender identity“ bei und schuf eine Arbeitsgruppe. Die Regierung unterstützte die Organisation der ersten Pride-Parade im Küstenort Budva und verabschiedete ein Gesetz, das Transsexuellen eine staatlich finanzierte Geschlechtsumwandlung ermöglichen soll.77 Ein Gesetz, das eingetragene Partnerschaften unter Gleichgeschlechtlichen ermöglichen soll, wird ebenfalls in Erwägung gezogen. Die internationale Organisation ILGA erstellt eine jährliche Punkteliste der Menschenrechtssituation für LGBTTI-Gemeinschaften. Der Durchschnittswert in Europa liegt demzufolge bei 46 % (bester Wert mit 82 % für Großbritannien, niedrigster European Committee for the Prevention of Torture an Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 13 to 20 February 2013, a.a.O. 74 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 75 LGBTTI = Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Transgender, Intersexual 76 Government of Montenegro: Government adopts Strategy for Improving Quality of Life of LGBT Population for period 2013-2018, 9.05.13, http://www.gov.me/en/homepage/ cabinet-meetings/122221/Government-adopts Strategyfor-Improving-Quality-of-Life-of-LGBT-Population-forperiod-2013-2018.html, (Abruf am 20.03.2015) 77 US Department of State (27.02.2014), a.a.O. Das Europarlament zeigt sich in seinem Entschließungsantrag zum Fortschrittsbericht 2013 besorgt darüber, dass in Montenegro gegenüber Homosexualität in erheblichem Ausmaß Intoleranz herrscht, die in häufigen Akten und Androhungen von Gewalt sowie Hassreden gegen Aktivisten für die Rechte von Schwulen zum Ausdruck kommt. Es begrüßt zwar die neue Strategie der Regie rung zur Verbesserung der Lebensqualität von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen, betont aber, dass diese Strategie auch umgesetzt werden muss. Weiterhin erachtet das Europaparlament es insbesondere als notwendig, die Öffentlichkeit aufzuklären und zu informieren, um einen Wandel der Einstellungen voranzubringen und mahnt die Staatsorgane, die Toleranz 78 ILGA Europe International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans & Intersex Association (2014), http://www.ilga-europe.org/ home/news/for_media/media_releases/rainbow_europe_2014, (Abruf am 30.03.2015) 79 European Commission (16.10.2013): Montenegro Progress Report 2013, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2013/package/mn_rapport_2013.pdf, (Abruf am 29.03.2015) 80 Amnesty International (27.05.2013): Amnesty Report 2013 Montenegro, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/ montenegro, (Abruf am 30.03.2015) 20 gegenüber LGBTI-Personen auch künftig zu fördern und Straftaten zügig strafrechtlich zu verfolgen.81 Positiv ist zu vermerken, dass die Regierung in den vergangenen Jahren durch öffentliche Stellungnahmen und in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen ein verstärktes Engagement gezeigt hat, Vorbehalte gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender abzubauen. Diese Schutzbereitschaft wurde durch ein großes Polizeiaufgebot und einen professionell geführten Einsatz anlässlich der ersten „Pride Parade“ in Montenegro am 23.07.2013 unter Beweis gestellt. Zahlreichen gewaltbereiten Gegendemonstranten drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen. Die im November 2014 stattgefundene dritte Pride-Parade verlief im Gegensatz zu den vorherigen in einer friedlichen Atmosphäre, auch dank eines großen Polizeiaufgebots.82 3.6 Situation von Frauen und Kindern Die Verfassung schützt die Gleichheit der Geschlechter und enthält einen Auftrag zur tatsächlichen Herstellung von Chancengleichheit. Dies wird in zahlreichen Gesetzen konkretisiert, etwa im Familienrecht, im Arbeitsrecht oder im Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Vergewaltigung kann mit bis zu zehn Jahren Haft, Gewalt gegen Frauen mit Geld- oder Haftstrafen belangt werden. Die montenegrinische Gesellschaft ist noch sehr traditionell. Führungsverantwortung vor allem in Politik und Wirtschaft haben Männer inne. Frauen übernehmen demgegenüber die häuslichen Verpflichtungen und die Kindererziehung. Allerdings ist die Erwerbstätigkeit der Frauen noch aus der sozialistischen Zeit eine Selbstverständlichkeit.83 Die besonderen Rechte der Kinder werden im Familiengesetz geschützt. Eltern dürfen das Kind keinen er- 81 Europäisches Parlament (28.01.2014): Entschliessungsantrag zu dem Fortschrittsbericht 2013 zu Montenegro, http:// www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+MOTION+B7-2014-0072+0+DOC+XML+V0//DE, (Abruf am 30.03.2015) 82 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 83 Konrad-Adenauer Stiftung (2008): Zur Situation von Frauen weltweit, http://www.kas.de/upload/Publikationen/2008/ frauenfoerderung/frauen_montenegro.pdf, (Abruf am 30.03.2015) niedrigenden Behandlungen und Strafen unterziehen, welche die Menschenwürde des Kindes verletzen. Sie sind verpflichtet, das Kind vor solchen Behandlungen durch andere Personen zu schützen. Die Eltern dürfen das Kind im Vorschulalter nicht ohne Aufsicht lassen. Es besteht Schulpflicht. Falls die Eltern ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, ist das Einschreiten des örtlichen Jugendamts gesetzlich geregelt. Insgesamt kann von einem funktionierenden Schutz der Rechte der Kinder gesprochen werden.84 Das Europarlament stellt in seinem Entschließungsantrag zum Fortschrittsbericht 2013 fest, dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft Montenegros immer noch unterrepräsentiert sind. Es fordert die Regierung auf, ihre Bemühungen um die Verbesserung der Geschlechtergleichstellung zu intensivieren, die einschlägigen finanziellen und personellen Mittel aufzustocken, für die Umsetzung des Aktionsplans zur Geschlechtergleichstellung Sorge zu tragen, den Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit einzuführen und Frauen zu mehr Teilhabe – insbesondere in der Politik – anzuregen. Es äußert sich besorgt darüber, dass das Problem der Gewalt gegen Frauen und Kinder fortbesteht und viele die Gewalt auch für gesellschaftlich akzeptabel halten. Das Europaparlament fordert die Regierung auf, die Öffentlichkeit stärker für Gewalt in der Familie und gegen Frauen sowie für das Recht des Kindes auf Schutz vor jeglicher Form der Misshandlung, Vernachlässigung oder Ausbeutung zu sensibilisieren. Es begrüßt die neuen Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt, zur Stärkung der Rechte der Kinder und zur Verbesserung der Berufsausbildung. Es fordert jedoch weitere Maßnahmen zur wirksamen Umsetzung des Gesetzes zum Schutz vor Gewalt in der Familie, was den Schutz und die Unterstützung von Opfern sowie ihren Zugang zur Justiz, die Ausarbeitung und Koordinierung von Präventionsprogrammen und eine stärkere Rechenschaftspflicht der Täter betrifft.85 Auch das US State Department berichtet, dass häusliche Gewalt und der Schutz der betroffenen Frauen nach wie 84 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 85 Europäisches Parlament (28.01.2014): Entschliessungsantrag zu dem Fortschrittsbericht 2013 zu Montenegro, http:// www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+MOTION+B7-2014-0072+0+DOC+XML+V0//DE, (Abruf am 30.03.2015) 21 vor ein Problem sei. Die Bemühungen der Regierung um Opferschutz seien noch unzureichend; staatlich geführte Wohlfahrtszentren reagierten nicht adäquat auf Ansuchen um Hilfe. Polizei und Justiz handelten im Vergleich zu früher aber wesentlich aktiver und sensibler. Trotzdem würden viele Vorfälle nicht angezeigt. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2012 gingen 139 Meldungen von familiärer Gewalt ein, gegen 145 Personen wurden Strafanzeigen erstattet.86 In vier Städten (in Podgorica, Niksic, Ulcinj und in Bijelo Polje) gibt es Hotlines, an die sich betroffen Frauen wenden können. Die „SOS Hotline for Women and Children Victims of Family Violence” erhielt innerhalb der ersten sechs Monate 2012 479 Telefonanrufe, wobei es in über 80% der Anrufe um physische Gewalt ging. Es gibt drei Frauenhäuser mit 38 Plätzen, die von NGOs geführt werden.87 Darüber hinaus versuchen Frauenrechtsgruppen durch Kampagnen die Öffentlichkeit für diese Problematik zu sensibilisieren und stellen betroffenen Frauen auch Rechtshilfe zur Verfügung.88 3.7Menschenhandel In Bezug auf Menschenhandel ist Montenegro Transit, Ursprungs- aber auch Zielland. Montenegro hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels ergriffen, um das Problem zu bekämpfen. Eine neue nationale Strategie (2012- 2018) und ein Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels wurden verabschiedet. Das Strafgesetzbuch wurde entsprechend geändert und enthält nun auch Bestimmungen zu Sklaverei und Zwangsheirat in Verbindung mit Menschenhandel.89 86 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 87 CEDAW (2013): Montenegro, Country Report 2013; http://www.wave network.org/sites/default/files/03%20 Montenegro.pdf (Abruf am 18.09.2014) 88 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 89 European Commission (28.11.2013): Fourth Report on the Post-Visa Liberalisation Monitoring for the Western Balkan Countries in accordance with the Commission Statement of 8 November 2010,http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=COM:2013:0836:FIN:EN:PDF, (Abruf am 30.03.2015) 3.8 Lage der Minderheiten In Montenegro gibt es eine montenegrinische bzw. serbisch-montenegrinische Bevölkerungsmehrheit (Südslawen) von etwa 75%, den übrigen Bevölkerungsanteil bilden Bosniaken (slawische Muslime), Albaner, Roma und Kroaten. Die letzte Volkszählung im April 2011 ergab bei rund 625.000 Einwohnern folgendes Bild: 45% Montenegriner, 29% Serben, 12% Bosniaken bzw. slawische Muslime, 5 %Albaner, 1% Kroaten, 3% Roma /Ägypter . Entsprechend dem Minderheitengesetz sind als Minderheiten diejenigen ethnischen Gruppen zu betrachten, die zahlenmäßig kleiner sind, als die Bevölkerungsmehrheit („predominant population“). Dementsprechend gehören in Montenegro fast 55% der Bevölkerung einer Minderheit an. Dass der Anteil der Minderheiten an der montenegrinischen Bevölkerung in Wirklichkeit die Be völkerungsmehrheit stellt, macht das Land in ethnischpolitischer Hinsicht zu einem Sonderfall. Nationale Minderheiten sind häufig in bestimmten Gemeinden konzentriert. Dies trifft vor allem auf Bosniaken und Albaner zu. Erstere leben im montenegrinischen Teil der Sandzak-Region, wo sie in zwei Gemeinden (Plav und Rozaje) die Mehrheit der Bevölkerung bilden.90 Albaner leben vor allem in den Gebieten längs der Grenze zu Albanien und Kosovo, wo sie sich im Wesentlichen auf zwei größere Orte konzentrieren, in denen sie in der Mehrheit sind: nämlich Tuzi bei Podgorica und Ulcinj (mit ca. 75%), die „Hauptstadt“ der montenegrinischen Albaner.91 Montenegro hat als Mitglied der ehemaligen Staatenunion Serbien und Montenegro sämtliche völkerrechtlichen Übereinkünfte im Bereich Minderheitenrechte unterzeichnet. Das Land hat das Rahmenübereinkommen über 90 Silvija Railić, Minderheitenschutz im östlichen Europa Serbien und Montenegro, Kompetenzzentrum Südosteuropa, Karl-Franzens-Universität Graz, http://www.kfunigraz.ac.at/ suedosteuropa, (Abruf am 30.03.2015) 91 Vgl. BAMF (Juli 2006): Information, Montenegro nach der Unabhängigkeit 22 den Schutz nationaler Minderheiten und auch die Europäische Charta der Lokal- und Regionalsprachen ratifiziert. Seit 1999 gibt es ein Ministerium für Minderheiten schutz. Im April 2006 wurde ein neues Minderheitenrecht verabschiedet. Mittlerweile arbeiten nationale Minderheitenräte. Im Juli 2010 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Artikel 79 und 80 der montenegrinischen Verfassung widmen sich dem Schutz ethnischer Minderheiten. Ihren Angehörigen wird u.a. das Recht auf Bildung in der Muttersprache, auf Gebrauch dieser Sprache gegenüber Behörden und auf Verwendung ihrer nationalen Symbole sowie auf angemessene Vertretung im Staatsapparat garantiert. Die Verfassung von 2007 bestimmte als Amtssprache eine zuvor nicht gegebene montenegrinische Sprache und sieht vor, dass auch Serbisch, Bosnisch, Albanisch und Kroatisch benutzt werden können. Nach langen Auseinandersetzungen einigten sich Regierung und Opposition 2011 auf ein Schulfach „montenegrinisch-serbische, bosnische und kroatische Sprache und Literatur”.92 Im Mai 2011 hat das Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte eine Antidiskriminierungskampagne verabschiedet. Im Juli 2011 wurde ein Nationaler Rat zum Schutz vor Diskriminierungen gegründet. Während eine gewisse Sensibilisierung der Gesellschaft für den Umgang mit Minderheiten wie z. B. den Roma, aber insbesondere auch mit Homosexuellen und Menschen mit Behinderungen feststellbar ist, hat sich an deren Lebenssituation bisher wenig geändert. Montenegro zeichnet sich aber durch ein weitgehend spannungsfreies Zusammenleben der ethnischen Minderheiten und ein hohes Maß an Integration aus. Lediglich die Frage der Verwendung und Bezeichnung der Sprache, der verfassungsrechtliche Anspruch einer proportionalen Repräsentanz im öffentlichen Dienst sowie der Status von Gemeinden mit hohem Bevölkerungsanteil ethnischer Minderheiten sorgen für politischen Zündstoff, ohne das insgesamt friedliche Miteinander der ethnischen Minderheiten in Frage zu stellen. Alle Minderheiten, vor allem auch die albanische Bevöl kerungsgruppe, sind in das politische Leben mit einbezogen. Die Repräsentation von Minderheiten im Parlament wurde in der Verfassung neu geregelt. Albaner, Bosniaken und Kroaten sind durch eigene Parteien im Parlament vertreten, die seit Jahren einen Teil der Regierungskoalition bilden. Problematisch ist lediglich die Stellung der Roma. Auch die rund 11.300 dauerhaft in Montenegro lebenden Flüchtlinge und Internal Displaced Persons (IDP) aus Kosovo, Kroatien, Bosnien und Herzegowina sind nicht integriert.93 3.8.1 Lage der Roma Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2011 bezeichneten sich 6.251 Personen der Bevölkerung als Roma und 2.054 als Ägypter.94 Von 4.312 Personen, die erklärten staatenlos zu sein, waren 38% (1.641) Roma. Nach Schätzungen soll die Gesamtzahl der Roma in Montenegro jedoch zwischen 15.000 bis 20.000 liegen.95 Die Mehrheit lebt in Podgorica, sowie in der nördlichen Kreisstadt Berane, die ebenfalls wie Podgorica, eine größere Gemeinschaft von Binnenvertriebenen aus Kosovo beheimatet. Auch im nördlichen Bijelo Polje und in der Industriestadt Nikišić leben jeweils einige hundert Roma.96 Roma sind nach allen Berichten die am meisten gefährdete und marginalisierte Minderheit im Land. Sie leben am Rande der Gesellschaft, ihre wirtschaftliche Position ist schwach, ihr Bildungsniveau niedrig. Nur wenige Roma haben eine Arbeit, ihre Unterkünfte sind nicht angemessen. Zudem sind sie mit Vorurteilen konfrontiert, die die Regierung zum Teil auf ihren „spezifischen Lebenswandel“ zurückführt.97 Laut UN-Angaben waren 2011 etwa 44% der Roma arbeitslos98, 36% lebten unter 93 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 94 Dailynewsmontenegro, Montenegrin Census Results (14.07.2011): http://www.dailynewsmontenegro.com/montenegrin-census-results.html, (Abruf am 30.03.2015) 95 Europäische Kommission, Rahmen für nationale Strategie zur Integration der Roma bis 2020, Brüssel, den 5.4.2011, http://ec.europa.eu/justice/policies/discrimination/docs/ com_2011_173_de.pdf 96 Government of Montenegro (2013): Report on improved position of Roma an Egyptians in Montenegro 2013, http:// www.romadecade.org/cms/upload/file/9762_file9_mo-2013. pdf, (Abruf am 30.03.2015) 97 Government of Montenegro (2013): Report on improved position of Roma an Egyptians in Montenegro 2013, a.a.O. 92 Munzinger Online/Länder – Internationales Handbuch, Montenegro – Grunddaten, Geographie, Bevölkerung” http://www.munzinger.de/document/03000MOT010, (Abruf am 30.03.2015) 98 UNDP (2011): Roma Data, http://www.eurasia.undp.org/ content/rbec/en/home/ourwork/povertyreduction/romain-central-and-southeast-europe/roma-data/, (Abruf am 30.03.2015) 23 halb der Armutsgrenze.99 Die Schwierigkeiten der Roma auf dem Arbeitsmarkt sind neben dem niedrigen Ausbildungsniveau auch auf eine geringere Bereitschaft zurückzuführen, Roma einzustellen.100 Nach Angaben des Präsidenten des nationalen RomaRats wohnten rund 6.000 ansässige (domiciled) Roma und 2.000 vertriebene (displaced) Roma in Montenegro. Rund 70% der lokalen Roma lebten unter recht guten Bedingungen.101 Auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) stellte fest, dass die meisten der lokalen Roma relativ gut in die Gesellschaft integriert seien. Sie wohnten meist in Standardhäusern in gemischten Gemeinden. Probleme gäbe es in den Bereichen Bildung, Diskriminierung und Arbeit. Schwierig sei die Situation der Roma aus Kosovo. Viele davon lebten in illegalen Siedlungen, ohne ausreichende Wasser- oder Stromversorgung. Die überwiegende Mehrheit der aus Kosovo geflüchteten Roma (ca. 3.200) wohne nach wie vor in Flüchtlingslagern und Behelfsunterkünften insbesondere in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica und im nördlichen Berane. Im Camp Konik I wohnten noch immer 1.156 Roma, in Konik II sind es 316102 (vgl. unter 3.10 Lage von Flüchtlingen). Die Situation in den Roma-Flüchtlingslagern Konik I und Konik II zeichnet sich durch weitverbreitete Lethargie der Insassen, Abhängigkeit von humanitärer Hilfe und häufige häusliche Gewalt, Kinderehen und Kinderarbeit statt Schulbesuch aus. Die Einwohner sind für ihren Lebensunterhalt weitgehend auf Betteln in der Öffentlichkeit und Müllsammeln mit dem Ziel der Wiederverwertung angewiesen.103 Konik camp, Podgorica, März 2014 (Quelle: Europarat) Konik camp, Podgorica, März 2014 (Quelle: Europarat)104 99 US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 102ECRI Report on Montenegro (12.02.2012), http://www.coe. int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Montenegro/MNE-CbC-IV-2012-005-ENG.pdf 100 Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 103Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE 101 Council of Europe: Honouring of obligations and commitments by Montenegro. Information note by the corapporteurs on their fact-finding visit to Podgorica (8-10 July 2013), http://website-pace.net/documents/19887/283216/ AS-MON-2013-21-EN.pdf/da8fd972-6f7c-4f83-8eb7b478d9e360c3, (Abruf am 30.03.2015) 104Council of Europe (21.03.2014): Montenegro needs to do more to address past human rights violations and ensure media freedoms, http://www.coe.int/ka/web/commissioner/-/montenegro-needs-to-do-more-to-address-past-human-rights-violations-and-ensure-media-freedoms (Abruf am 13.05.2015) 24 Auf der Grundlage einer umfassenden Strategie zur Integration und wirtschaftlichen Förderung der Roma, die im Rahmen der Dekade der Roma-Integration 2005-2015 noch vom Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte der ehemaligen Staatenunion Serbien und Montenegro ausgearbeitet wurde, haben die montenegrinischen Behörden 2005 einen getrennten ersten Aktionsplan für Montenegro ausgearbeitet. Im Jahr 2007 wurde die „Strategy for Improvement of Position of RAE population in Montenegro 2008-2012“ verabschiedet. Im April 2008 ein Roma-Rat ins Leben gerufen. Im Januar 2013 wurde die “Strategy for Improvement of Position of RAE population in Montenegro 2012- 2016” angenommen.105 Hierzu sollen jährliche Aktionspläne erstellt werden. Lokale Aktionspläne (LAP) zur Integration der Roma wurden mittlerweile in verschiedenen Gemeinden (Herceg Novi, Kotor, Tivat, Bijelo Polje, Berane, Ulcinj) verabschiedet.106 Die Implementierung der Strategie- und Aktionspläne vollzieht sich langsam. Trotz punktueller Verbesserungen etwa der Wohnsituation in einigen Gemeinden sowie der Einschulungsrate unter Roma-Kindern aus dem Flüchtlingslager Konik in Podgorica konnte der Teufelskreis aus ungeregeltem Rechtsstatus, sozialer Ausgrenzung, Bildungsferne und Arbeitslosigkeit bisher nicht generell durchbrochen werde. Mittlerweile genießt aber die Problematik sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Regierung und Gemeinden eine große Aufmerksamkeit, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Europäische Union eine Verbesserung der Lebenssituation der Roma im Dezember 2011 zu einer der sieben Schwerpunkte für den Beitrittsprozess erklärt hat.107 Ein OSZE Bericht aus dem Jahr 2013 beschreibt konkrete Projekte und Maßnahmen, die im Rahmen der Roma-Strategie durchgeführt wurden, so z.B. über das Projekt „Action against Early and Forced Marriages in the Roma and Egyptian Community“, das die NGO „Centre for Romani Initiatives“ durchgeführt hat. Während dieser Aktion besuchten Ro- 105 Government of Montenegro (March 2012): Strategy for improvement of position of Roma and Egyptians in Montenegro 2012-2016, http://www.romadecade.org/cms/upload/ file/9310_file2_strategy-for-improving-the-position-ofroma-and-egyptia.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 106European Commission (08.10.2014): Montenegro Progress Report 2014, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/ key_documents/2014/20141008-montenegro-progressreport_en.pdf, (Abruf am 23.03.2015) 107Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Montenegro vom 01.04.2015, 508-9-516.80/3 MNE ma-Frauen mit entsprechenden Erfahrungen insgesamt 17 Roma-Siedlungen. Die Finanzierung erfolgte durch die Gleichstellungsabteilung des Justizministeriums und durch das Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte. Im Rahmen des Projekts „Ombudsperson´s Days“ wurden regelmäßige Besuchstage von Mitarbeitern des Ombudsmanns im ganzen Land durchgeführt. Die direkten Kontakte dienten der Sammlung von Informationen und Beschwerden.108 In den vergangenen Jahren hat sich die Bildungssituation der Roma aufgrund von Programmen internationaler und nationaler Organisationen leicht verbessert. So konnte die Einschulungsrate erhöht werden. Lag die Zahl der Grundschüler im Schuljahr 2001/2002 noch bei 536, betrug sie 2012 /2013 immerhin 1.853.109 Allerdings besuchten nur 75 Schüler die Oberstufe und nur 13 Studenten eine Hochschule. Insgesamt besuchen nach wie vor nur knapp mehr als die Hälfte aller Roma zwischen 7 und 15 Jahren eine Schule.110 Die staatlichen Anstrengungen richten sich insbesondere auf die Verbesserung der Schulsituation der Kinder der Camps Konik I und II. Unter anderem wurden dort 969 Schulbuchsets kostenlos zur Verfügung gestellt und für 140 Schüler ein kostenloser Transport eingerichtet. Freiwillige Helfer (72 Studenten) unterstützen 340 Schüler.111 Roma in Montenegro sind nur schwach organisiert. Sie sind weder im Parlament noch in der Verwaltung oder durch politische Parteien vertreten. Seit 2008 existiert ein nationaler Roma-Rat mit 17 Mitgliedern. Es gibt einige wenige Roma-NGOs: Democratic Roma Center, Center for Roma Initiative , Romanski Krug (Romakreis), Roma Association of Montenegro, Roma Association “Pocetak”, Mladi Romi, Young Roma. 108OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (5.2013): Best Practices for Roma Integration Regional Report on Anti-discrimination and Participation of Roma in Local Decision-Making, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1370359982_102083.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 109Government of Montenegro (March 2014): Report on improved position of Roma and Egyptians in Montenegro in 2013, http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2012/ package/mn_rapport_2012_en.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 110UNDP-WB-European Commission regional Roma survey 2011, http://www.eurasia.undp.org/content/rbec/en/home/ ourwork/povertyreduction/roma-in-central-and-southeasteurope/roma-data/, (Abruf am 30.03.2015) 111Government of Montenegro (2013): Report on improved position of Roma an Egyptians in Montenegro 2013, http:// www.romadecade.org/cms/upload/file/9762_file9_mo-2013. pdf, (Abruf am 30.03.2015) 25 3.8.2 Lage der Muslime / Bosniaken Laut der letzten Volkszählung von 2011 bezeichneten sich 53.605 Personen (8,65%) als Bosniaken und 20.537 als slawische Muslime (3,31%). In der Region „Sandzak“, durch die die Grenze zwischen Serbien und Montenegro verläuft, leben traditionell viele Muslime, die sogenannten Sandzak-Muslime. Im montenegrinischen Teil des Sandzak bilden die Muslime in den Gemeinden Rozaje und Plav die Bevölkerungsmehrheit. Bei der größten Minderheit, den vor allem im Norden des Landes im montenegrinischen Teil des Sandzaks lebenden Bosniaken bzw. slawischen Muslimen gibt es unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Bezeichnung ihrer Nationalität. Bei den slawisch-sprachigen Muslimen handelt es sich um alteingesessene Bevölkerungen, die während der osmanischen Herrschaft zum Islam konvertierten. Die Muslime im Sandzak betrachten sich teilweise als Bosniaken, Serben oder als Muslime im nationalen Sinne.112 Sandzak Muslime beklagen Benachteiligungen, wie Unterrepräsentierung in Polizei, Justiz und Verwaltung. Hinweise auf massive, gezielte staatliche Repressionen gegen Muslime gibt es aber schon lange nicht mehr. Für die Unzufriedenheit der Muslime und den weiterhin bestehenden Migrationsdruck ist vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich. Montenegro ist das einzige Land im ehemaligen Jugoslawien, auf dessen Territorium kein Krieg geführt wurde und kein ernsthafter ethnischer Konflikt stattfand. Alle Minderheiten in Montenegro wurden in das politische Leben des Staates mit einbezogen. So spielten auch gerade die Minderheiten bei der Abstimmung zur Unabhängigkeit eine entscheidende Rolle. In der Hochburg der Bosniaken, Rozaje, stimmten mehr als 91% der Wähler für die Unabhängigkeit. 3.9 Lage der Religionsgemeinschaften Die Volkszählung des Jahres 2011 ergab folgende Anteile nach Bekenntnissen: 72,1% orthodoxe Christen, 19,1% (meist sunnitische) Muslime (vor allem Bosniaken und Albaner), 3,5% Katholiken (Albaner, Kroaten), 1,2% Atheisten, 112vgl. BAMF (Juli 2006): Information, Montenegro nach der Unabhängigkeit 1,5% Anhänger sonstiger Glaubensrichtungen, 2,6% ohne Religionsangabe. Kirche und Staat sind getrennt, alle gesetzlich anerkannten Glaubensgemeinschaften sind gleichberechtigt. Neben den vier großen Religionsgemeinschaften sind noch die Evangelische Kirche, die Kirche der SiebententagsAdventisten und die Zeugen Jehovas registriert.113 Religions- und Glaubensfreiheit sind garantiert, soweit sie den Interessen des Staates nicht entgegenstehen. Diese Prinzipien verhinderten aber nicht, dass die religiöse Gesamtsituation in hohem Maße politisiert wurde. Die Orthodoxie ist gespalten: Die Mehrheit stellen Anhänger der Serbisch- Orthodoxen Kirche, die Minderheit zählt zur 1993 wiederhergestellten autokephalen Montenegrinisch- Orthodoxen Kirche. Im Grenzgebiet zu Albanien leben katholische und muslimische Bevölke rungsgruppen problemlos zusammen. 3.10 Lage von Flüchtlingen und intern Vertriebenen (IDP) Montenegro öffnete während der Kriege die Pforten für Flüchtlinge und Binnenvertriebene aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo. Diese Flüchtlinge machten seinerzeit 20% der gesamten Einwohnerschaft Montenegros aus. Nach Angaben der montenegrinischen Regierung befanden sich Ende November 2013 noch 8.881 IDPs und Flüchtlinge in Montenegro ohne gesi cherten Aufenthaltsstatus. Davon stammten 7.342 aus Kosovo und 1.539 aus Bosnien und Kroatien. Insgesamt 7.641 Personen hatten bis zu diesem Zeitpunkt einen dauerhaften Aufenthaltstitel als Ausländer erworben. 1.100 Personen erhielten die montenegrinische Staatsangehörigkeit. Aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2009 mussten sich alle Vertriebenen und Flüchtlinge registrieren lassen oder einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel stellen. Am 31.12.2013 lief die Frist ab, bis zu der sich Flüchtlinge und Binnenvertriebene um einen dauerhaften Aufenthaltstitel bewerben konnten. Im November 2013 teilte das montenegrinische Innenministerium mit, dass nur 16% der Bewohner des Flüchtlingslagers Konik einen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten hatten.114 Die 113KIRCHE IN NOT-Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014, http://www.kerkinnood.nl/religiousfreedom2014/deu/pdf/ montenegro.pdf, (Abruf am 08.04.2015) 114US Department of State (27.02.2014): Country Report on Human Right Practices- Montenegro 2013, http://www. 26 Bedingungen, um einen Aufenthaltstitel zu erwerben, waren extrem schwierig. Besonders Roma hatten Probleme, die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, da viele von ihnen entweder nie Geburtsunterlagen besessen hatten oder diese während des Kriegs verlorengegangen waren.115 Nach dem Großbrand im Roma-Flüchtlingslager Konik I in Podgorica im Juli 2012 hat die Regierung sofort reagiert und in Zusammenarbeit mit internationalen Akteuren Unterstützung geleistet. Etwa 800 Personen, die ihre Häuser verloren haben, wurden temporär in mobilen Containern untergebracht, die auch an das Stromnetz angeschlossen sind. Im Rahmen des “National Housing Programme for the most vulnerable refugees and displaced persons”, das in mehr als 13 montenegrinischen Gemeinden umgesetzt werden soll, ist der Bau von 97 Wohneinheiten und 60 Fertighäusern vorgesehen, für 120 Wohneinheiten soll Baumaterial zur Verfügung gestellt werden. Der Minister für Menschenrechte und Minderheiten hofft, dass dadurch die Situation der vertriebenen Roma bis 2015 verbessert wird.116 state.gov/documents/organization/220523.pdf, (Abruf am 27.03.2015) 115Government of Montenegro (2013): Report on improved position of Roma an Egyptians in Montenegro 2013, http:// www.romadecade.org/cms/upload/file/9762_file9_mo-2013. pdf, (Abruf am 30.03.2015) 116Council of Europe: Honouring of obligations and commitments by Montenegro. Information note by the co-rapporteurs on their fact-finding visit to Podgorica (8-10 July 2013), http://www.assembly.coe.int/CommitteeDocs/2013/amondoc21_2013.pdf, (Abruf am 30.03.2015) 27 Schlussbemerkung Trotz vorhandener Schwachstellen vor allem in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung der Korruption und Medienfreiheit werden in Montenegro die Menschenrechte im Allgemeinen respektiert. Der angestrebte EU-Beitritt trägt dazu bei, auch in den verbliebenen Problembereichen wie Korruption oder Justiz Reformen durchzuführen. Eine gezielte und systematische Unterdrückung bestimmter Gruppen wegen ihrer ethnischen Zuge hörigkeit, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung findet nicht statt. Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafen. Bei Verstößen steht der Rechtsweg offen. Es gibt keine Anzeichen für eine diskriminierende Strafverfolgungs-und Strafzumessungspraxis. Montenegro hat sämtliche völkerrechtlichen Übereinkünfte im Bereich Minderheitenrechte unterzeichnet. Das Land hat das Rahmenübereinkommen über den Schutz nationaler Minderheiten und auch die Europäische Charta der Lokal- und Regionalsprachen ratifiziert. Seit 1999 gibt es ein Ministerium für Minderheitenschutz. Im April 2006 wurde ein neues Minderheitenrecht verabschiedet. Mittlerweile arbeiten nationale Minderheitenräte. Im Juli 2010 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Angehörige ethnischer Minderheiten unterliegen in Montenegro allein wegen ihrer Volks- und Religionszugehörigkeit keiner staatlichen Verfolgung. Die Sicherheitslage und die politischen Verhältnisse sind stabil. 28 Anhang: Karte Kalinovik Priboj 19o Rataja ac 20o Foca MONTENEGRO Nova Varoš Boljanici Boljanici é Dr B OS N I A AND BOSNIA HE R Z E GO VI NA HERZEGOVINA Prijepolje Popov Do in a Potoci Uv 18 o Pljevlja Raška Sjenica Odzac š Nevesinje Duga Poljana T ara Pivsko Jezero Pluzine š Avtovac Ridinice Bukovac O A Brsecine T I A Nj š Bileca Ba nj a ito r Gornja Bukovica Dubrovsko jaje vin a i c a Šavnik Boan Sjenoste a n Mojkovac Zagrad Zagrad Gvozd Prek Ubli orn i c a Tuzi Crkvice Danilovgrad C Ševo Risan Kotorski Zaljev HercegNovi Dobrota Podgorica Kotor Srpska Tivat Cetinje k rs oto Mahala Boka K Budva Petrovac rs Gusinje Junik Bajram Curri D Town, village r in Major airport International boundary Shkodër Railroad Lejthizë ro Map No. 4274 UNITED NATIONS July 2006 (Colour) National capitalOrahovac Š Z urroad Secondary ze Ulcinj 19 -Dakovica ALBANIA AL B ANI A 0 Pukë Krute Pistula 18 Pec š Plav Main road Bobovište o o Istok ko Je 42 da Kosovska Mitrovica Rozaje š Kalicane š Andrijevica Murino a Ska Bar Banje Trpezi Bolesestra M O N T E N EG R O 43o š Crnca Mateševo Gruda Adriatic Sea SERBIA S E RB I A k a z Kolašin Velje Duboko Trubjela d Berane Morakovo Grahovo Dubrovnik S Bijelo Polje Sin c Nikšié Vilusi Trebinje e gos Novi Pazar Pavino Polje Rastovac ni R Dobromani arn m Plana C rm Ko Fatnica 43o Du šš Berkovici Stolac Kovren Lever Š ZZabljak abljak 0 Trush Nenshat o Lambert Conformal Conic Projection WGS-84 Central Meridian, 19.4189 E Reference Parallel, 42.75 N Standard Parallel #1, 42.25 Standard Parallel #2, 43.25 N 20 o Kukës 10 20 km 10 mi 42o The boundaries and names shown and the designations used on this map do not imply official endorsement or acceptance by the United Nations. Department of Peacekeeping Operations Cartographic Section Impressum Herausgeber Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Frankenstr. 210 90461 Nürnberg Bezugsquelle/Ansprechpartner Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Frankenstr. 210 90461 Nürnberg [email protected] www.bamf.de Tel. +49 911 943-0 Fax +49 911 943-1000 Stand Mai 2015 Druck BAMF, Zentraler Service Gestaltung BAMF, Zentraler Service, Publikationen, Veranstaltungsmanagement, Besucherdienst, Claudia Sundelin Bildnachweis iStock: Titel Verfasser Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Referat 225 - Länderanalysen Tel.: +49 911 943 7201 Fax: + 49 911 943 7299
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