Der Jahresbericht 2014 LAGEBILDBEURTEILUNG AUS DER LUFT +++ KRISENINFORMATIONEN AUS DEM UNDES +++ LAGEBILDBEURTEILUNG AUS DER LUFT +++ KRISENINFORMATIONEN ILDBEURTEILUNG AUS DER LUFT +++ KRISENINFORMATIONEN AUS DEM SOCIAL +++ LAGEBILDBEURTEILUNG AUS DER LUFT +++ KRISENINFORMATIONEN AUS DES BUNDES +++ BEVÖLKERUNGSSCHUTZ GEHT ALLE AN +++ KRISENINFORHEN TASK FORCE DES BUNDES +++ LAGEBILDBEURTEILUNG AUS DER LUFT +++ BBK. Gemeinsam handeln. Sicher leben. Zahlen und Fakten 1.700.000 Helferinnen und Helfer engagieren sich ehrenamtlich 257 Einsätze seit Einrichtung der Koordinierungsstelle NOAH Der Jahresbericht 35.368 Einsätze der Zivilschutz-Hubschrauber des Bundesministeriums des Innern 1.864.426 Besuche auf www.bund.bbk.de belegen wachsendes Interesse am Bevölkerungsschutz 2014 10.760 Teilnehmer und Teilnehmerinnen und 356 Seminare an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) 4 | JAHRESBERICHT 2014 | K APITEL K APITEL Inhalt 06 Vorwort Dr. Thomas de Maizière 08 Vorwort Christoph Unger 10 Üben 16 Helfen 28 Schützen 44 Ausbilden 48 Forschen 52 International vernetzen 58 Gestalten 63 Impressum | 5 6 | JAHRESBERICHT 2014 | VORWORT VON DR. THOMAS DE MAIZIÈRE Liebe Leserinnen und Leser, unter dem Motto „Wer informiert ist, kann sich schützen“ blickt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in seinem Jahresbericht 2014 auf Arbeitsschwerpunkte des letzten Jahres zurück. Ein wichtiger Bereich war die technische Weiterentwicklung der Warnung der Bevölkerung. Seit Juli 2013 steht hierfür auf Bundes- und Landesebene das sogenannte Modulare Warnsystem (MoWaS) zur Verfügung. Es ermöglicht auf Ebene von Bund und Ländern eine georeferenzierte Auslösung von Warnmeldungen, die in Sekundenschnelle via Satellit an Rundfunk, TV, Paging, Internet und die Deutsche Bahn AG mit ihren Lautsprecherdurchsagen übertragen und von hier aus weiter verbreitet werden können. Im vergangenen Jahr hat das BBK daran gearbeitet, dieses System um ein zusätzliches Warnmittel zu ergänzen, das unmittelbar bei den Betroffenen ankommt und einen echten Weckeffekt erzielt. Hierzu wurde die WarnApp NINA entwickelt, mit der über MoWaS Warnmeldungen und zusätzliche Verhaltenshinweise unmittelbar an die Bevölkerung übermittelt werden können. Vorwort Durch richtiges Verhalten können Schäden verhindert oder ihr Ausmaß gering gehalten werden. Die Fähigkeit der Bevölkerung, sich selbst zu schützen und sich von Dr. Thomas de Maizière, MdB bei Schadensereignissen auch gegenseitig zu helfen, Bundesminister des Innern ist die Basis des Zivil- und Katastrophenschutzes. Denn bis zum Eintreffen professioneller Hilfe sind die Menschen auf sich selbst angewiesen. Es gibt zahlreiche Angebote des BBK, die auf eine Stärkung entsprechender Fähigkeiten abzielen, seien es Erste-Hilfe-Kurse mit Selbstschutzinhalten, Informationspublikationen, beispielsweise die Broschüre „Katastrophenalarm“, oder, speziell für Kinder, das DVD-Projekt „Rettet die Retter“ sowie das Internet-Angebot „Max und Flocke“. Diese Angebote gilt es weiter auszubauen. Selbstschutz und Selbsthilfe müssen zentrale Zukunftsthemen des BBK sein. Sie gewinnen in dem Maße an Bedeutung, wie sich der demografische Wandel auf die verfügbaren Einsatzkräfte in unserem ehrenamtlich getragenen Zivil- und Katastrophenschutz auswirkt. Die Förderung des Ehrenamtes war und bleibt eine zentrale Aufgabe des BBK. Ein vom Bund initiiertes und vom BBK betreutes Forschungsvorhaben zur langfristigen Sicherstellung der ehrenamtlichen Strukturen kam im Jahr 2014 zum Abschluss. Die Ergebnisse zeigen, dass wir in vielen Bereichen schon auf dem richtigen Weg sind, so etwa beim Ausbau von Kooperationen zwischen den mitwirkenden Organisationen und mit Organisationen aus anderen Ehrenamtsbereichen. Auch Anreize und Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement sind keine neue, aber eine wichtige Empfehlung. Mit dem Förderpreis „Helfende Hand“ VORWORT VON DR. THOMAS DE MAIZIÈRE „Wer informiert ist, kann sich schützen“ | 7 zeichnet das Bundesministerium des Innern einmal jährlich herausragende Projekte rund um das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz aus. Damit werden die Leistungen der Ehrenamtlichen öffentlichkeitswirksam gewürdigt und zugleich gute Ideen verbreitet. Am 1. Dezember 2014 habe ich den Preis in Berlin persönlich verliehen und freue mich schon auf die „Helfende Hand 2015“. Mit seinen Einrichtungen und seiner Expertise unterstützt das BBK national die Länder bei der Vorbereitung auf Großschadensereignisse und bei deren Bewältigung. Gleichzeitig engagiert sich die Behörde auch international. Gefragte Bereiche sind der Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren (CBRN-Schutz) und der Aufbau ehrenamtlicher Hilfeleistungsstrukturen. Aus dem vergangenen Jahr sind Projekte mit Tunesien und Jordanien hervorzuheben. Hier ging es insbesondere um die Ausbildung von Einsatzkräften und Multiplikatoren. Wichtige Arbeit leistet das BBK auch im Bereich der psychosozialen Notfallversorgung. Mit der dort eingerichteten zentralen Stelle zur Koordinierung der Nachsorge-, Opferund Angehörigenhilfe für Deutsche, die im Ausland durch schwere Unglücksfälle oder Terroranschläge zu Schaden kommen, kurz NOAH, bedient die Behörde die wichtige Schnittstelle zwischen Ausland und Inland. So kam NOAH auch beim Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich zum Einsatz. Die Mitarbeiter übernahmen noch am Unglückstag die Koordination der psychosozialen Notfallhilfe in Deutschland. Zwei Wochen lang waren durchgehend erfahrene Psychologen zur Betreuung deutscher Staatsangehöriger an der Unfallstelle bzw. dem Familienbetreuungscenter vor Ort im Einsatz, insbesondere und verstärkt über das Osterwochenende. Von NOAH koordinierte Psychologen unterstützten Anfang April bei einem ersten Angehörigentreffen sowie aus Anlass des zentralen Traueraktes im Kölner Dom am 17. April 2015. Neben der Tätigkeit der Identifizierungskommission (IDKO) des Bundeskriminalamtes vor Ort in Frankreich stellt die Tätigkeit von NOAH, Angehörigen in dieser Zäsur ihres Lebens eine Begleitung anzubieten, eine erhebliche Herausforderung dar. Diese Arbeit gilt es zu würdigen. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BBK ganz herzlich für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit. Für die anstehenden Aufgaben wünsche ich Ihnen und uns allen Erfolg und gutes Gelingen! Ihr Dr. Thomas de Maizière, MdB Bundesminister des Innern 8 | JAHRESBERICHT 2014 | VORWORT VON CHRISTOPH UNGER D eutschland ist Fußball-Weltmeister! Bei dem Turnier in Brasilien war das BBK von Anfang an dabei: Noch wenige Monate vor Anpfiff der Spiele haben wir gemeinsam mit anderen Partnern mehrere brasilianische WM-Städte für die Bewältigung großer Schadensereignisse fit gemacht. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Stabilisierung der Rettungskette vom Schadensort bis ins Krankenhaus bei einem Massenanfall von Verletzten. Inzwischen hat sich daraus eine nachhaltige Kooperation mit den brasilianischen Kolleginnen und Kollegen entwickelt, die wir zum Beispiel beim Umgang mit Ebola unterstützen. Wie wichtig internationale Kooperation im Bevölkerungsschutz ist, zeigte sich im vergangenen Jahr besonders deutlich: Unser erfolgreiches Projekt mit Tunesien konnte fortgesetzt werden. Fahrt aufgenommen hat zudem ein Gemeinschaftsvorhaben mit den jordanischen Zivilschutz- und Gesundheitsbehörden, das den dortigen Schutz vor C-Gefahren verbessern wird. Die hierbei gewonnenen Erfahrungen sind die Grundlage für erste Abstimmungsgespräche von Christoph Unger, Präsident des zu einem ähnlichen Projekt in der Ukraine, bei Bundesamtes für Bevölkerungsschutz dem es gleichfalls um die Bewältigung von und Katastrophenhilfe C-Lagen gehen soll. Vorwort Unabhängig von den aktuellen Entwicklungen in Europa und der Welt haben wir 2014 damit begonnen, unser Verständnis vom originären Aufgabenfeld des BBK – nämlich Zivilschutz im Sinne des Grundgesetzartikels 73 – kritisch zu überprüfen und an neue Szenarien anzupassen. So werden wir die konzeptionellen und rechtlichen Grundlagen für den Zivilschutz und die Zivilverteidigung entsprechend modernisieren. Eine Gefahr ganz anderer Art: die Ebolaepidemie in Westafrika. Die von dort ausgehenden weltweiten Risiken können nur am Ursprungsort eingedämmt werden. Umso anerkennenswerter ist der selbstlose Einsatz der vielen Freiwilligen aus Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“, DRK und THW. Das BBK war vor Ort zwar nicht selbst aktiv, konnte aber das THW bei der psychologischen Betreuung von Einsatzkräften und ihren Familien unterstützen. Die erschütternden Bilder aus Westafrika sowie Nachrichten über Ansteckungen in VORWORT VON CHRISTOPH UNGER „Jetzt gilt es, auch die konzeptionellen und rechtlichen Grundlagen für den Zivilschutz und die Zivilverteidigung zu modernisieren.“ | 9 Spanien und den USA – das alles hat verständlicherweise auch hierzulande Ängste ausgelöst. In der Bevölkerung, aber auch unter Beschäftigten auf Flughäfen oder in Flüchtlingsunterkünften wurde die Frage nach einem möglichen Infektionsrisiko laut. Vor diesem Hintergrund organisierte das BBK gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut innerhalb von nur wenigen Wochen eine Konferenz zum Umgang mit Ebola, die auf breite Resonanz stieß. Aufgrund der geringen Fallzahlen sind Ebolafälle in der Bundesrepublik zweifellos im Rahmen der föderalen Zuständigkeitsverteilung gut beherrschbar. Dennoch: Aus der Sicht eines querschnittsorientierten Bevölkerungsschutzes, dem der Gedanke eines Systems der vernetzten Sicherheit zugrunde liegt, ist die frühzeitige Auseinandersetzung mit dieser Thematik unabweisbar. Dabei dürfen die Ebola-Schlagzeilen den Blick auf andere gefährliche Infektionskrankheiten nicht verstellen, die weltweit auf dem Vormarsch sind. Malaria und das Dengue-Fieber etwa fordern global weit mehr Todesopfer als Ebola. Insofern kann der jüngste Ebolaausbruch als ein Menetekel gesehen werden, das uns die immensen Bedrohungen dieser Gefahrenklasse deutlich vor Augen führt. Noch etwas Positives war 2014 für uns von Bedeutung: Das BBK feierte seinen zehnten Geburtstag. Für mich ein willkommener Anlass, allen Angehörigen der Behörde, ihren Freunden und Förderern, Partnern und konstruktiv-kritischen Weggenossen für ihre Unterstützung zu danken. Gemeinsam konnten wir die „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ ein gutes Stück voranbringen. Als besonderen „Geburtstagsgast“ durften wir im vorigen Jahr die Bundeskanzlerin begrüßen. Dr. Angela Merkel sprach hier bei uns in Bonn haupt- und ehrenamtlich engagierten Einsatzkräften ihre Anerkennung aus. Darüber haben sich alle im BBK sehr gefreut. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Ihr Christoph Unger Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 10 | JAHRESBERICHT 2014 | ÜBEN Üben Auf jeden Ernstfall vorbereitet ÜBEN | 11 Auch das Undenkbare wird geübt 2014 feierte ein Großprojekt Geburtstag – die länderübergreifende Krisenmanagementübung LÜKEX. Seit zehn Jahren wird damit ein strategischer Übungsansatz verwirklicht, der sich auf die obersten Krisenstäbe in Bund und Ländern konzentriert. Inzwischen hat sich LÜKEX als fester Baustein im nationalen Krisenmanagement etabliert. Aber auch für die Einübung operativer Fähigkeiten war 2014 ein wichtiges Jahr. So erprobte die Medizinische Task Force des Bundes in einer groß angelegten Praxisübung, wie gut sich ihre Konzepte bei einem massenhaften Anfall von Verletzten bewähren. Außerdem wurden während dieser Übung neuartige Methoden der Informationsgewinnung getestet, die dem Lagebild zum Beispiel nach einer Großexplosion entscheidende Fakten hinzufügen. 12 | JAHRESBERICHT 2014 | ÜBEN 10 Jahre LÜKEX LÜKEX ist anders als situationen in einem andere Katastrophenexemplarischen Praxistest Eine Erfolgsgeschichte feiert Geburtstag schutzübungen: Im zu überprüfen. Zugleich Vordergrund steht nicht fördern die Übungen die die operative KrisenbewälEntwicklung eingespielter tigung, sondern die VerbesseAbstimmungs- und Entscheirung von Kommunikations- und dungsprozesse zwischen BundesEntscheidungsprozessen zwischen und Landesbehörden, Wirtschaftsunterstaatlichen und nicht staatlichen Akteuren – und nehmen, Forschungsinstituten und anderen zwar auf höchster strategisch-politischer Ebene. Kooperationspartnern. LÜKEX-Übungen finden im Vorrangiges Ziel von LÜKEX ist es, die übergreifende Zweijahresrhythmus anhand eines jeweils eigens Reaktionsfähigkeit in außergewöhnlichen Krisenentwickelten Krisenszenarios statt. ÜBEN A ls vor einem guten Jahrzehnt das Thema der ersten LÜKEX-Übung feststand, wurden damals auch skeptische Stimmen laut: Ein so massiver Wintereinbruch, dass die Stromversorgung großflächig zusammenbricht? Dergleichen sei in Deutschland gar nicht möglich. Wenig später jedoch, zu Beginn der Adventszeit 2005, wurde genau dieses Krisenszenario im Münsterland Realität. Zwölf Stunden lang schneite es ununterbrochen, die gesamte Region versank in feuchtem Schnee. Mehr als 80 Leitungsmasten brachen unter der Eis- und Schneelast zusammen. Es folgte der größte Blackout in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine Viertelmillion Menschen war plötzlich ohne Strom – manche von ihnen mehrere Tage lang. Vom Terroranschlag bis zur Pandemie Sechs weitere LÜKEX-Übungen wurden seither erfolgreich durchgeführt – mit einem thematisch weit gespannten Bogen: vom Terroralarm bei Großveranstaltungen über Anschlagsdrohungen mit konventionellen oder „schmutzigen“ Bomben, dem Szenario einer weltweiten Influenza-Pandemie bis hin zu Cyber-Angriffen auf kritische Infrastrukturen, etwa zur Wasser- oder Stromversorgung. Die jüngste Übung im Jahr 2013 basierte auf einem biologischen Krisenszenario. Inzwischen laufen bereits die Vorbereitungen auf die nächste LÜKEX-Übung im November 2015. Sie werden von einer ressortübergreifenden Projektgruppe im BBK koordiniert. Thematischer Schwerpunkt wird diesmal eine Nordseesturmflut sein. Bei LÜKEX 15 gehören daher die potenziell betroffenen Küstenländer Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein zur Kerngruppe der IntensivÜbenden. Hinzu kommen noch fünf Binnenländer und Ostseeanrainer, die bei einer katastrophalen Nordseeflut von Kaskadeneffekten betroffen sein könnten. Auf Bundesebene sind neben dem Innenministerium auch das Verkehrs- und das Verteidigungsressort beteiligt. Weitere Teilnehmer kommen im Lauf der Vorbereitungsarbeiten hinzu. | 13 Das fiktive Sturmflutszenario wird bewusst so gestaltet sein, dass die dadurch verursachte Katastrophe ein solches Ausmaß erreicht, dass es von den betroffenen Ländern allein aus eigener Kraft nicht zu bewältigen wäre. Wie die Realität zeigt, treten immer wieder Krisensituationen auf, die bis dahin als gänzlich unrealistisch galten. Die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima ist nur ein Beispiel dafür. Bis zum März 2011 schien auch diese Katastrophe für kaum jemanden vorstellbar. Deshalb wird bei der Themenwahl für LÜKEX auch das scheinbar Undenkbare mitgedacht. Dahinter steht noch ein anderer Gedanke: Wenn die verantwortlichen Krisenstäbe in einer derart extremen Situation reibungslos zusammenarbeiten, dann gelingt ihnen dies erst recht beim Krisenmanagement in minderschweren Schadenslagen. Das Credo: Gemeinsam Sicherheit gestalten Der LÜKEX-Gedanke baut auf der Erkenntnis auf, dass Krisenmanagement nur dann erfolgreich und nachhaltig sein kann, wenn alle Beteiligten in einem Netzwerk kooperieren. Das betrifft nicht nur die staatlichen Akteure, sondern zum Beispiel auch Wirtschaftsunternehmen wie die Betreiber kritischer Infrastrukturen oder Verbände und Organisationen aus Wissenschaft und Forschung. Allein die Anzahl der Teilnehmer macht LÜKEX zu einem Großprojekt von beeindruckender Dimension: Bei der eigentlichen Übung, die alle zwei Jahre meist im November stattfindet, sind bis zu 3.000 Personen involviert. Und diese Hauptübungstage sind nur der Höhepunkt eines lang andauernden Übungszyklus. Schon im Vorfeld und auch in der nachgelagerten Auswertungsphase kommen regelmäßig mehrere Hundert hochrangige Vertreter aus unterschiedlichen Organisationen in etlichen Tagungen, Konferenzen und Workshops zusammen. Außer den fachlichen Erkenntnissen zur Stärkung des Krisenmanagements hat LÜKEX somit einen weiteren wichtigen Effekt – nämlich die Herausbildung eines gesamtgesellschaftlichen Netzwerks zur Krisenbewältigung in Deutschland. 14 | JAHRESBERICHT 2014 | ÜBEN Blick auf den fertigen Behandlungsplatz Medizinische Hilfe im Katastrophenfall Am letzten Oktoberwochenende 2014 wurde ein Truppenübungsgelände der Bundeswehr in der Nähe von Potsdam zum Schauplatz der ersten Praxiserprobung „Flinker Oktopus“ der Medizinischen Task Force des Bundes (MTF). Das Übungsszenario: In einer Düngemittelfabrik hat sich eine schwere Explosion ereignet. Rund 120 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die örtlichen Erstversorger benötigen dringend Unterstützung – und alarmieren Einheiten der MTF. durchzuspielen, wie Verletzte in einem solch schweren Schadensfall bestmöglich versorgt werden können. Die theoretischen Konzepte der MTF kamen in Lehnin praxisnah erstmals auf den Prüfstand – wobei auch die zugehörigen Ausbildungsrichtlinien und die vom Bund bereitgestellte Ausrüstung ihre Tauglichkeit und Funktionalität im praktischen Einsatz beweisen mussten. Der Truppenübungsplatz bei Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark bot eine ideale Kulisse für den „Flinken Oktopus“, obgleich es hier in Wirklichkeit keine Düngerfabrik gibt. Dafür aber die realistisch wirkende Szenerie einer zerstörten Stadt. Die rund 130 Helferinnen und Helfer aus Brandenburg, Berlin, Rheinland-Pfalz und Hessen trafen schon am Freitag, dem 24. Oktober, in einer nahe gelegenen Kaserne ein. Hier wurden sie vorab mit den Übungsinhalten und dem geplanten Ablauf vertraut gemacht. Ziel der Praxiserprobung war es, Exkurs: Warum brauchen wir die MTF? Aufgabe der neu geschaffenen MTF-Einheiten ist die präklinische Versorgung von Erkrankten und Verletzten im Katastrophen- und Zivilschutzfall. Die Medizinische Task Force ist für Einsätze innerhalb Deutschlands konzipiert, und zwar in dynamischen Flächenlagen in der Versorgungsstufe 3 und 4. Die MTF wird insbesondere dann aktiv, wenn Infrastrukturen zerstört sind und die örtliche Gefahrenabwehr nicht mehr funktionsfähig ist. Bundesweit sind mittlerweile 61 solcher arztbesetzter sanitätsdienstlicher Einsatzverbände aufgestellt. Jeder von ihnen setzt sich aus folgenden fünf Teileinheiten zusammen: • Führung • Dekontamination Verletzter (Dekon-V) • Behandlung • Patiententransport • Logistik. Für die Teileinheiten Führung, Behandlung und Patiententransport liegen Ausstattungskonzepte und Ausbildungsinhalte fast vollständig vor. Auf sie war die Praxiserprobung „Flinker Oktopus“ zugeschnitten. Für die Teileinheiten Dekon-V und Logistik arbeitet das BBK derzeit in enger Kooperation mit Experten der Hilfsorganisationen und der Feuerwehren in Pilotstandorten verschiedener Bundesländer das zugehörige Feinkonzept aus. Die fachliche Reife von Dekon-V wird für Mitte 2015 erwartet. Bei der Teileinheit Logistik wird dies voraussichtlich gegen Sanitäterteam entlädt Geräte, um ad hoc einen Behandlungsplatz aufzubauen ÜBEN | 15 Wer braucht am dringendsten medizinische Hilfe? Ticketsystem und Farbmarkierung sorgen für schnelle Übersicht. Jahresende 2015 der Fall sein, da die Grundlagenarbeit hierbei auf den Ergebnissen aller anderen Teileinheiten aufbaut. Weil es um jede Minute geht Am Sonnabendnachmittag war es dann so weit: Alarm für die MTF 34. Der Einsatzauftrag lautete, zur Schadensstelle oder zum Schadensgebiet zu fahren, dort Kontakt zur örtlichen Einsatzleitung aufzunehmen und sich für eine mögliche katastrophenmedizinische Schadenslage in Bereitschaft zu halten. Nach der Ankunft erkundete die Führungsgruppe das Gelände und bestimmte eine geeignete Stelle für die Einsatzleitung und den Behandlungsplatz (BHP). Nun rückten die Helferinnen und Helfer mit Einsatzfahrzeugen nach, bauten den BHP auf und meldeten ihn betriebsbereit. Kaum waren sie damit fertig, wurden die ersten Verletzten mit Krankentransportwagen oder Rettungsmitteln der MTF 17, 19 und 40 oder auf Tragen transportiert. Jetzt konnte die Eingangssichtung der überaus realistisch geschminkten Notfalldarsteller beginnen. Es galt Transport- und Behandlungsprioritäten festzulegen und danach die ärztliche Versorgung beziehungsweise die Verlegung transportfähiger Patienten in umliegende Krankenhäuser einzuleiten. Die Erstversorger hatten die Unfallopfer bereits regelgemäß in eine der vier Sichtungskategorien eingeteilt und dementsprechend mit farbigen, um den Hals gehängten Karten gekennzeichnet: grün bei leichten, gelb für mittelschwere Verletzungen (mit vitaler Gefährdung), rot für Schwerverletzte (mit akuter vitaler Gefährdung) und blau bei so schweren Verletzungen, dass nur mit sofortiger intensivmedizinischer Behandlung überhaupt noch eine Überlebenschance bestand. Im Sichtungszelt des BHP wurde die Vergabe der Sichtungskategorie der Erstversorger noch einmal überprüft: Klagte beispielsweise ein Patient der Sichtungskategorie Grün mit einer Bruchverletzung am Bein nun auch über Taubheitsgefühle im unverletzten Bein, lag der Verdacht einer Wirbelsäulenverletzung nahe – was zur Änderung in die rote Sichtungskategorie führte. Dabei sorgte ein einfach handhabbares Ticketsystem dafür, dass die zentrale Koordinierungsstelle umgehend informiert wurde und eine schnelle medizinische Versorgung oder den Abtransport ins Krankenhaus einleiten konnte. Bis zum frühen Abend brachten 18 Krankentransportwagen insgesamt 87 Verletzte zur Eingangssichtung des BHP. Kurz nach 18 Uhr erklärte die Übungsleitung die Praxiserprobung dann für beendet. Rahmenkonzept hat sich bewährt Am Sonntag, dem 26. Oktober, kamen vormittags noch einmal alle Einsatzkräfte zu einer ersten Auswertung zusammen. Inzwischen hat die umfassende Detailauswertung gezeigt: Die gemeinsame konzeptionelle Arbeit der MTF-Pilotstandorte und des zuständigen BBK-Referats hat ihren ersten Praxistest eindrucksvoll bestanden. Dabei sind viele Detailerkenntnisse weiterer Auswertungsschritte inzwischen auch in die Zusatzausbildung der Verbandsführer und der medizinischen Leiter der MTF an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ), in das Rahmenkonzept MTF sowie in die Handlungsempfehlungen für den BHP eingeflossen. Bestätigt hat die Übung aber auch, wie wichtig die organisationsübergreifende Kooperation mit Hilfsorganisationen für katastrophenmedizinische Einsätze ist. Das Engagement der vielen ehrenamtlichen Übungsteilnehmer war ganz klar ein bedeutender Erfolgsfaktor für den „Flinken Oktopus“. Im Übrigen hat die Anregung, den achtarmigen Tintenfisch als Namenspatron für die erste MTFPraxiserprobung auszuwählen, folgenden Hintergrund: Forscher attestieren den Weichtieren eine überraschend hohe Intelligenz. Sie lernen vermutlich nicht nur durch Konditionierung, sondern auch durch Beobachtung – was ihre erstaunliche Fähigkeit erklärt, Probleme situationsgerecht zu lösen. Das Beiwort „flink“ kam hinzu, weil es bei MTF um Leben und Gesundheit von Menschen geht. Und da kommt es auf jede Minute an. 16 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN Helfen Schneller wissen, was geschieht HELFEN Lagebild im Perspektivenwechsel Ob Sturmflut, Großbrand oder Erdbeben – Rettungskräfte können umso schneller vor Ort sein und helfen, je schneller fundierte Informationen zur umliegenden Verkehrslage zur Verfügung stehen. In enger Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung geht das BBK neue Wege, um in Krisensituationen schnell und präzise ein aktuelles Lagebild aus verschiedenen Blickwinkeln zu gewinnen. So wurden im letzten Jahr neu entwickelte Kamerasysteme im Übungseinsatz erfolgreich erprobt. Aber auch Technologien wie ein 3D-Drucker, die mit der Lagebildgewinnung nicht direkt in Verbindung stehen, können dem Lagebild eine entscheidende Perspektive hinzufügen. Zudem werden soziale Netzwerke immer wichtiger – nicht nur für die Krisenkommunikation mit der Bevölkerung, sondern ebenso für neue Sichtweisen auf das aktuelle Krisengeschehen. Aus all dem entsteht gleichsam das neue „Lagebild 2.0“. | 17 Blick von oben Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) nutzte die Übung der Medizinischen Task Force (MTF) „Flinker Oktopus“ auch zur Erprobung neuer Formen der Informationsbereitstellung für das Krisenmanagement. So lieferte ein Helikopter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) während der Übung aktuelle Verkehrs- und Lageinformationen aus der Vogelperspektive. Der Hubschrauber vom Typ BO-105 hatte dafür ein hochauflösendes Kamerasystem an Bord und sandte seine Bilder nahezu in Echtzeit an eine mobile Bodenstation. Außerdem im Einsatz: terrestrische Sensorik, GPS-Tracking und Webcams. Aufgabe dieses Gesamtsystems ist es, Krisenstäbe und Einsatzkräfte ohne Zeitverzug mit präzisen Verkehrs- und Umgebungsinformationen zu versorgen. Im Katastrophenfall, aber auch bei Großveranstaltungen kommt es auf ein funktionstüchtiges Verkehrssystem an, damit Rettungskräfte schnellstmöglich zum Einsatzort gelangen und die Verletzten ebenso schnell in das nächstliegende Krankenhaus gebracht werden können. Darüber hinaus gilt es, umliegende Verkehrsströme und damit die Mobilität der Bevölkerung und den Wirtschaftsverkehr aufrechtzuerhalten. Während der MTF-Übung wurden dafür nicht nur eigens entwickelte Sensoren getestet, sondern auch die zugehörigen Datenübertragungswege. Dabei sandte der BO-105 die Luftbilder per Mikrowellenverbindung direkt an die Einsatzleitung. Dort wurden die Bilder als Zusatzinformation für die Lageerfassung visualisiert und am Bildschirm in das digitale Kartenmaterial eingefügt. Insgesamt kreiste der Helikopter drei Stunden lang über dem Einsatzgelände. Ergänzend dazu lieferten Kameras am Boden und eine kamerabestückte Drohne weitere Perspektiven auf das Übungsgeschehen. Soziale Netzwerke als Informationsquelle Krisenkarten aus dem Internet – das mag ein ungewohnter Gedanke sein. Dennoch kann die 18 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN spontane Bereitstellung von Geodaten durch viele freiwillige Helfer im Netz die Lagebildgewinnung in Krisensituationen entscheidend bereichern. Spätestens das Hochwasser 2013 hat gezeigt, dass Menschen auch hierzulande in großer Zahl dazu bereit sind. Via Google Maps waren seinerzeit überflutete Gebiete rund um Dresden, Magdeburg und Halle an der Saale für jeden öffentlich einsehbar. Das zugrunde liegende Kooperationsprinzip CrowdSourcing ist in sozialen Netzwerken längst gang und gäbe. Und auch die kollektive Pflege einer geografischen Datenbasis ist in der Web 2.0-Community alles andere als ein neues Phänomen, wie das Gemeinschaftsprojekt „OpenStreetMap“ zeigt. Frei zugängliche Crowd-Sourcing-Krisenkarten entstanden unter anderem 2010 während der Erdbebenkatastrophe in Haiti: Anhand von Satellitenbildern kartierten damals Freiwillige die Haupt- stadt Port-au-Prince. Ein virtuelles Helferteam in Boston nutzte das digitale Kartenmaterial, um die vor Ort gesammelten Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Via Facebook, Twitter und SMS hielten die Bostoner Helfer beständig Kontakt mit den Betroffenen in Haiti, um Hilfeleistungen besser zu koordinieren. Wie valide sind Informationen aus dem Web 2.0? Für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben können kollektiv geschaffene Web 2.0-Krisenkarten zweifellos eine zusätzliche Informationsquelle zur Komplettierung des Lagebilds darstellen. Umgekehrt eignen sie sich aber auch als Kommunikationsmedium, um in Krisenfällen die Bevölkerung zu informieren. Allerdings erhebt sich hier die Frage nach der Verlässlichkeit einer überwiegend von Laien zusammengestellten Informationssammlung. Hinzu kommt die Gefahr einer bewussten Manipulation öffentlich zugänglicher Krisenkarten – etwa um bestimmte Hilfsleistungen zum eigenen Vorteil umzulenken. Auch juristische Aspekte wie Datenschutz und Lizenzrechte sind in diesem Kontext zu berücksichtigen. Seit 2014 untersucht das BBK die Potenziale öffentlicher Krisenkarten mit wissenschaftlichen Methoden – mit dem Ziel, fundierte Aussagen hinsichtlich der Chancen und Grenzen von Crowd-Sourcing für die behördliche Informationsgewinnung treffen zu können. Gemeinsamer Blick auf das Krisengeschehen Um Krisenstäbe bei der Lagebildgewinnung bestmöglich zu unterstützen, betreibt das BBK bereits seit Juni 2006 das Notfallvorsorge-Informationssystem deNIS IIplus. Die Lösung wurde speziell für Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene konzipiert, um das standortübergreifende Krisenmanagement bei großflächigen Schadenslagen zu optimieren. Das gelingt natürlich umso besser, Ansicht aus luftiger Höhe: Hubschrauber oder Drohnen ergänzen das Lagebild HELFEN | 19 Bild oben: Kamerabestückte Drohne startet zum Flug über das Einsatzgebiet Bild unten: Informationen aus verschiedenen Quellen fließen in einer digitalen Karte zusammen je aussagekräftiger und aktueller die zugrunde liegende Datenbasis ist. Bei der Weiterentwicklung des Systems liegt deshalb ein Schwerpunkt auf der Integration zusätzlicher Informationen. Im vergangenen Jahr konnten insbesondere neue Geo-Informationsquellen eingebunden werden. Zudem sorgen seit 2014 auch Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für höhere Aussagekraft und Aktualität bezüglich drohender Extremwetterlagen. Der DWD sendet dazu Messdaten rund um die Uhr über eine abgesicherte Datenleitung an das BBK. Hier werden die Wetterdaten zunächst von einem Schleusenrechner überprüft, bevor sie in das abgeschirmte System deNIS IIplus gelangen. Im System selbst werden dann beispielsweise Unwetterwarnungen des DWD als farbige Flächen in der Kartendarstellung angezeigt. Bei Bedarf sind diese Informationen aber auch als Textmeldung aufrufbar. Alle 15 Minuten werden überdies Niederschlagsradarbilder in deNIS IIplus eingespielt. Als hilfreich haben sich nicht zuletzt auch Satellitenbilder erwiesen. Sie werden zum Beispiel bei einem Hochwasser in digitalen Karten als soge- nannte Flutmasken dargestellt und lassen so auf einen Blick das Ausmaß der Überflutung erkennen. Dynamik der Schadenentwicklung wird sichtbar Bei der Nutzung von Satellitenbildern arbeitet das BBK eng mit dem Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation ZKI zusammen, das beim DLR angesiedelt ist. Mit deNIS IIplus wurde ein elektronisches Netzwerk auf der oberen Verwaltungsebene etabliert, das den innerbehördlichen Informationsaustausch in außergewöhnlichen Gefahrensituationen erheblich intensiviert hat. Besonders vorteilhaft für die Lagebeurteilung: Mit deNIS IIplus lässt sich auch die Dynamik einer Schadenentwicklung zeitnah abbilden, sodass Krisenstäbe proaktiv agieren können. Für ein kooperatives Krisenmanagement wird der Datenaustausch zwischen unterschiedlichen IT-Systemen über Bundesund Länderebene hinweg immer wichtiger. Deshalb hat Datenstandardisierung im BBK eine hohe Priorität. Konkret schlägt sich dies zum Beispiel im Vorhaben „XKatastrophenhilfe“ nieder, bei dem es um die 20 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN Modell von Köln aus dem 3D-Drucker Entwicklung, Pflege und Fortschreibung einer universellen Datenaustauschschnittstelle (Extensible Markup Language – XML) geht. 3D-Drucker im Bevölkerungsschutz? 3D-Druck hat für viele Menschen etwas Faszinierendes: Nahezu beliebig geformte Objekte wachsen in die Höhe, indem Material wie beim herkömmlichen Laserdruck aus einer computergesteuerten Düse schichtweise aufgetragen wird. In der Zahnmedizin bewährt sich das Verfahren seit Langem zur Herstellung von Kronen oder Inlays. Die Möglichkeit, unterschiedlichste Werkstücke quasi ad hoc aus dem Computer zu holen, birgt Experten zufolge ein immenses Potenzial auch für die industrielle Produktion, da Unikate dann nicht mehr teurer sein müssten als gleichartige Serienprodukte. Auch Prothesen aus dem 3D-Drucker sind keine Science Fiction mehr: In der Dortmunder Klinik für Orthopädie sind zum Beispiel Entwicklungen zur individuellen Herstellung künstlicher Kniegelenke aus dem 3D-Drucker inzwischen weit vorangekommen. An den Bevölkerungsschutz denkt indes kaum jemand, wenn von 3D-Druck die Rede ist. Sehr zu Unrecht, wie Evaluierungen des BBK aus dem letzten Jahr zeigen. In Katastrophengebieten könnte die medizinische Versorgung von Verletzten durch vor Ort gefertigte 3D-Hilfsmittel signifikant verbessert werden. Doch auch für die Lagebeurteilung in Krisensituationen eröffnet die 3D-Technologie im Wortsinne neue Perspektiven: Theoretisch lassen sich 3D-Modelle des Einsatzgebietes spontan als reliefartiger Kartenausschnitt per 3D-Drucker produzieren – etwa auf der Basis hochaktueller Luftbilder, die in Echtzeit von einer kamerabestückten Drohne gesendet werden. Auf diese Weise würde die 3D-Karte dann auch eventuelle Gebäudeschäden darstellen können, und Krisenstäbe könnten Hilfs- und Rettungsaktionen vorab deutlich genauer planen als ohne die dreidimensionale Darstellungsmöglichkeit. Vielversprechend erscheint außerdem die Option, einsatzspezifische Hilfsmittel je nach konkreter Vor-Ort-Anforderung herzustellen: Da 3D-Drucker auch vollständig geschlossene Körper hervorbringen können, sind unter anderem stabile Hüllen denkbar, die sensible Sensorik vor äußeren Einflüssen schützen wie Wasser, aggressiven Chemikalien oder extremer Staubbelastung. Prinzipiell ist sogar ein bedarfsgerechter 3D-Druck von roboterähnlichen Automaten vorstellbar. Ein sinnvolles Anwendungsszenario für solche 3D-Roboter wäre beispielsweise die Lageerkundung auf chemisch, biologisch oder radioaktiv verseuchtem Terrain. Steckbrief „XKatastrophenhilfe“ Zur Krisenbewältigung sind in Deutschland sehr heterogene IT-Systeme im Einsatz. Bund, Länder und Kommunen verarbeiten relevante Daten in unterschiedlichen Formaten. Eine umfassende Informationsplattform für den Bevölkerungsschutz ist jedoch auf einen behördenübergreifenden Datenaustausch über Systemgrenzen hinweg angewiesen. Das probate Mittel dafür ist eine Integrationsschnittstelle, die wie ein Dolmetscher die Kommunikation zwischen heterogenen IT-Systemen ermöglicht. Ebendies ist die Aufgabe der XML-Schnittstelle „XKatastrophenhilfe“. HELFEN | 21 Ebolavirus: Der zu den Filoviren zählende Erreger ist auch zwischen Tier und Mensch übertragbar Seuchenhygienische Vorsorge in Deutschland Die in Westafrika noch immer grassierende Ebolafieber-Epidemie hatte ihren Ursprung schon Ende 2013 in Guinea. Sie breitete sich über Liberia nach Sierra Leone aus und erreichte im Juli 2014 Nigeria. Am 29. August 2014 meldete Senegal einen Fall, der jedoch ohne weitere Ansteckungen blieb. Seit Ausbruch der Epidemie registrierte die Weltgesundheitsorganisation weit mehr als 26.000 Krankheits- oder Verdachtsfälle. Im Verlauf des Jahres 2014 starben in Westafrika rund 8.000 Menschen an Ebola. Bis Anfang April 2015 stieg die Zahl der Todesopfer auf nahezu 11.000. Auch wenn ein Import einzelner Krankheitsfälle nicht ausgeschlossen werden kann, sind sich das Robert-Koch-Institut in Berlin (RKI) und das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin darin einig, dass für die Bevölkerung in Deutschland von der derzeitigen Ebolafieber-Epidemie in Westafrika keine Gefahr ausgeht. Auf eine umgehende Isolation und Behandlung von einreisenden Erkrankten oder Infizierten sind die zuständigen Behörden und Gesundheitseinrichtungen in der Bundesrepublik grundsätzlich vorbereitet. Dabei stellt ein breites Netzwerk aus Kompetenz- und Behandlungszentren (StAKoB) das klinische und seuchenhygienische Management sicher. Die großen Flughäfen in Düsseldorf, München, Hamburg und Frankfurt am Main haben sorgfältig Vorsorge getroffen für eine mögliche Ankunft von Menschen mit hochinfektiösen und / oder -pathogenen Krankheiten: Dank dezidierter Notfallpläne und medizinisch-diagnostisch vollausgestatteter Untersuchungsräume können mögliche Infektionen dort schnell erkannt und die Infizierten umgehend in Spezialbehandlungszentren überführt werden. Aufklärung stößt auf breite Resonanz Im Rahmen seiner zentralen Schnittstellenfunktion für den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz beobachtete das BBK frühzeitig die Ebolafieberausbreitung in Westafrika und wertete diese aus. Es galt, auf jede denkbare Entwicklung vorbereitet zu sein. Am 15. Oktober 2014 formierte sich im BBK das „Ereignisteam Ebola“. Denn nicht nur in der Bevölkerung nahm der Informationsbedarf unablässig zu, sondern auch bei Organisationen und Behörden, die im Bereich Gesundheit und Katastrophenschutz Verantwortung tragen. Aus diesem Grunde wurde das Ereignisteam mit der Organisation einer groß angelegten Aufklärungsund Informationsveranstaltung beauftragt, dem 22 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN „Sonderforum Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz: Ebolafieber – Maßnahmen in Deutschland“. Im Vorfeld erhielten alle Gesundheits- und Katastrophenschutzbehörden den gemeinsam vom BBK und dem RKI herausgegebenen Band „Biologische Gefahren I“. Ergänzend zur Druckfassung gehört dazu eine beiliegende CD, die verschiedene Kurzfilme unter anderem zum richtigen Umgang mit der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) enthält. Diese Filme stießen auch international auf großes Interesse. Das BBK stellte sie inzwischen mehreren ausländischen Organisationen zur Verfügung. Nur dreieinhalb Wochen nach Gründung des Ereignisteams fand am 9. und 10. November 2014 das gemeinsam mit dem RKI organisierte Sonderforum mit rund 300 Teilnehmern statt. Trotz der ungewöhnlich kurzfristigen Ankündigung stieß das Sonderforum Ebola in der Fachwelt auf breite Resonanz und war innerhalb weniger Tage ausgebucht. Die führenden Experten auf diesem Gebiet haben sich unter der Federführung des BBK als Moderatoren und Referenten zur Verfügung gestellt. Umfassender Wissenstransfer Das Themenspektrum der insgesamt fünf Informationsblöcke reichte von möglichen Risiken für Deutschland über den Umgang mit EbolafieberVerdachtsfällen und bereits erkrankten Menschen bis hin zum Risiko-, Krisen- und EinsatzkräfteManagement. Um einen möglichst umfassenden Wissenstransfer auf dem Forum in Gang zu setzen, hatte das Ereignisteam für das Sonderforum ein spezielles Frage-Antwort-Modul entwickelt: Teilnehmer hatten die Möglichkeit, ihre Fragen während der Veranstaltung an thematisch gegliederte Stellwände zu heften. Nach den Vorträgen und insbesondere in den abendlichen Diskussionsforen wurden diese Fragen dann von Experten beantwortet. Schwerpunkte der Diskussionsforen waren unter anderem klinische und seuchenhygienische Maßnahmen, psychosoziales Krisenmanagement sowie PSA, Arbeitsschutz und Versicherung. Die Ergebnisse der verschiedenen Themenblöcke lassen sich zu folgenden Kernaussagen zusammenfassen: • Der Kampf gegen diese Ebolafieber-Epidemie kann nur in Westafrika gewonnen werden. • Das Virus verzeiht kei ne Fehler bei der Hygiene und beim Eigenschutz. • Wenn jeder alles richtig macht, kann sich das Virus nicht ausbreiten. • Training zum Umgang mit der PSA ist für die Eindämmung der Epidemie essenziell. • Die Ebolafieber-Epidemie in Westafrika führt in der deutschen Bevölkerung zu Verunsicherung und sozialen Reaktionen wie Ausgrenzung und Stigmatisierung. • Eine auf diese Reaktionen angemessene Risiko- und Krisenkommunikation setzt eine genaue Analyse voraus. Interdisziplinärer Dialog in Gang gesetzt Viele Erkenntnisse aus den Expertendiskussionen auf dem Sonderforum zum Ebolafieber lassen auf die Notwendigkeit einer sozialwissenschaftlichen Analyse von Ängsten in der Bevölkerung und in der Fachöffentlichkeit, etwa bei niedergelassenen Ärzten oder Behörden, schließen. Auch eine zielgruppenorientierte Risiko- und Krisenkommunikation, die über die reine Vermittlung medizinisch-naturwissenschaftlicher Fakten HELFEN | 23 Makoua, Kongo: Ein Schild warnt vor dem Betreten eines Ebola-Infektionsgebiets Ebola – die tödliche Gefahr? Seinen Namen verdankt das Ebola-Virus dem gleichnamigen Fluss, der im Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo durch dichte Waldgebiete fließt. An seinen Ufern wurde 1976 erstmals ein Ausbruch der Krankheit beobachtet. Sämtliche vor 2014 beschriebenen Ebolafieberausbrüche waren selbstlimitierend. Der größte bisher bekannte Ausbruch zählte 425 Erkrankte. Die seit 2014 in weiten Teilen Westafrikas wütende Epidemie ging wahrscheinlich von Flughunden oder Fledermäusen aus. Das Ebolavirus kann zwischen Tier und Mensch durch engen Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen werden, zum Beispiel beim Zerlegen von Wildbret. Von Mensch zu Mensch wird das Ebolafieber vor allem durch Blut oder Erbrochenes übertragen. Die Symptome lassen zunächst an eine beginnende Grippe denken, schlagen dann aber schnell in die spezifischen Ebolafiebersymptome um, zu denen auch das sogenannte hämorrhagische Fieber gehört. Je nach Erregerstamm enden 25 bis 80 Prozent aller Krankheitsfälle tödlich. Zurzeit ist noch nicht absehbar, wann ein gezielt wirkendes Medikament gegen das Ebolafieber verfügbar sein wird. Gleichwohl erproben mehrere Länder bereits Impfstoffe gegen das Ebolavirus. hinausgeht, ist nicht nur im Fall von Ebolafieber geboten, sondern ebenso bei Bedrohungen durch andere hochpathogene Krankheiten. Noch im Verlauf des Sonderforums gründete sich der neue „Arbeitskreis biologische Gefahren im Gesundheitlichen Bevölkerungsschutz“ (ABiGeB). Darin engagieren sich unter Federführung des BBK unter anderem Vertreter aus dem RKI, der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf (Akad.ÖGD) sowie aus dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main. Ziel des ABiGeB ist es, eine bundesweit einheitliche Ausbildung zum Schutz vor biologischen Gefahren insbesondere im Umgang mit PSA zu entwickeln. Dabei geht es weniger um Neuentwicklungen, sondern primär um die Harmonisierung bestehender Standards und Vorgehensweisen. Konkret ist bereits geplant, einen speziellen Lehrplan auszuarbeiten und Multiplikatoren-Schulungen anzubieten. Vor dem Hintergrund der EbolafieberEpidemie sieht das BKK seine vorrangige Aufgabe in der Optimierung der interdisziplinären Vorbereitung auf Gefahren, die ganz allgemein von hochpathogenen Krankheitserregern ausgehen. 24 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN Rekordjahr für einen Förderpreis Es liegt auf der Hand: Das Rückgrat des Bevölkerungsschutzes ist das Ehrenamt. Ebenso klar ist die Symbolik der „Helfenden Hand“, die für gemeinsames Vorgehen und koordinierte Zusammenarbeit steht. regionalen Gruppen und Hilfsorganisationen. Die Aktion erbrachte einen Bewerberrekord von 238 Einsendungen. Täglich bis zu 68.000 FacebookUser erfuhren von der „Helfenden Hand“. Viele von ihnen fühlten sich zu Gefällt-mir-Interaktionen oder zu Kommentaren angeregt. Zudem generierte die Kampagne mehr als 3.500 neue Fans für die Facebook-Seite der „Helfenden Hand“. 2014 ging der jährliche Förderpreis „Helfende Hand“ des Bundesministeriums des Innern in die sechste Runde. Dabei hat sich erneut bestätigt: Ehrenamt ist keine heldenhafte, lebensferne Tat, sondern etwas, das jeder Einzelne von uns im Alltag selbst tun und erfahren kann. Die Preisverleihung in insgesamt drei Preiskategorien durch den Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière ist als stellvertretender Dank all jener Menschen zu verstehen, die sich auf die Hilfe von rund 1,7 Millionen freiwilliger Helfer und Helferinnen in Deutschland verlassen können. Dem BKK gelang es 2014 mit einer ungewöhnlichen Aktion, mehr öffentliche Aufmerksamkeit für den Wettbewerb zu gewinnen – und zwar durch eine direkte Facebook-Ansprache von Starke Motivation für das Ehrenamt In der Kategorie „Jugend- und Nachwuchsarbeit“ ging der erste Preis 2014 an den Landesfeuerwehrverband und die Jugendfeuerwehr in Bremen. Gemeinsam hatten sie einen besonders motivierenden Leitfaden mit dem Titel „Ehrensache! Ich mache weiter.“ für jugendliche Feuerwehrleute entwickelt. Mit ihrer Plakatkampagne „Kämpfe mit uns!“ errangen die Hamburger Malteser den zweiten Preis. Ihr Aufruf für ehrenamtliches Engagement fand in der Hansestadt ein breites Echo. Den dritten Preis vergab die Jury 2014 zweimal: an das Jugendeinsatzteam des Landesverbands Berlin der Deutschen Lebens-RettungsGesellschaft und an die Jugendfeuerwehr im nordhessischen Deisel. Unter dem Motto „Laufen statt Saufen“ hatten die Deiseler eine 100 Meter lange Schlauchleitung so schnell wie nur möglich verlegt. Sie filmten ihre Aktion und forderten in sozialen Netzwerken andere Jugendfeuerwehren zum Nachmachen auf. Mehr als 280 Feuerwehren im In- und Ausland nahmen diese Herausforderung an. HELFEN | 25 Gruppenbild der Preisträger „Helfende Hand 2014“ Ehrenamt in der alternden Gesellschaft Die „Helfende Hand“ 2014 zeugt von der ungebrochenen Kreativität des freiwilligen Engagements in Deutschland. Das darf jedoch nicht den Blick auf die großen Herausforderungen verstellen, vor denen dieses Engagement steht: Welche Auswirkungen hat beispielsweise der demografische Wandel auf das Ehrenamt im Zivil- und Katastrophenschutz? Sinkende Bevölkerungszahlen und steigender Altersdurchschnitt der Gesellschaft erschweren die Rekrutierung von Freiwilligen. Zu dieser Problematik vergab die Innenministerkonferenz der Länder einen Forschungsauftrag, der sich unter der Regie des BBK in sechs Teilstudien untergliederte. Eine zeitlich nachgelagerte siebte Studie vom Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. wertete die Teilstudien 2014 analytisch aus und verdichtete ihre Ergebnisse zu konkreten Handlungsempfehlungen. Als zentrale Befunde benennt die iso-Studie die Tatsache, dass Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen sowie Senioren und Seniorinnen stark unterrepräsentierte Zielgruppen sind – und somit ein bislang unausgeschöpftes Potenzial für ehrenamtliches Engagement darstellen. Allerdings geben die Studienautoren bei der Erarbeitung zielgruppenbezogener Strategien zu bedenken, dass die Rekrutierung von Freiwilligen für den Zivilund Katastrophenschutz in Konkurrenz zu anderen Organisationen geraten kann, die ebenfalls gesellschaftlich wünschenswerte Ziele verfolgen. Den Hilfsorganisationen wird empfohlen, ihre Außendarstellung zu optimieren und insbesondere die kulturelle Öffnung weiter voranzutreiben. Zudem sollten Prozesse so umgestaltet werden, dass auch niedrigschwellige Engagementmöglichkeiten erleichtert werden. Auch für politische Entscheidungsträger enthält die Studie eindeutige Handlungsempfehlungen – zum Beispiel die Verbesserung von Anreizen für das bürgerschaftliche Engagement. Auch sollten Wirtschaftsverbände und Unternehmen darin stärker eingebunden werden. Für die praktische Umsetzung ihrer Empfehlungen raten die Studienautoren zur Einrichtung einer Monitoring- und Koordinierungsstelle unter Beteiligung aller involvierten Akteure. Dieser Aufgabe widmet sich das BBK bereits in Abstimmung mit den Ländern und Hilfsorganisationen. 26 | JAHRESBERICHT 2014 | HELFEN I sitäten, Forschungszentren und Einrichtungen n den meisten Gefährdungslagen können der PSNV in Dänemark, Norwegen, Spanien, der Menschen mit Sinnesbehinderungen zu den Tschechischen Republik und Israel. EUNAD Betroffenen gehören, die ebenso wie alle startete Anfang 2013 und konnte im Dezember anderen gerettet, evakuiert oder medizinisch 2014 erfolgreich abgeschlossen werden. betreut werden müssen. Gleichwohl fanden die besonderen psychosozialen Bedürfnisse Selbsthilfefähigkeit stärken von Menschen mit eingeschränktem Ausgangspunkt des Projekts Seh- oder Hörvermögen in waren Fragen, die für eine Einsatzkonzepten der effektive psychosoziale Notfall- und KatastroBetreuung von Menschen phenvorsorge bislang nur mit Seh- und Höreinvereinzelt Berücksichtischränkungen essenzigung. Dies gilt auch für ell sind. Was verbessert die Psychosoziale beispielsweise ihre Notfallversorgung Sicherheit und was ihr (PSNV). Internationale Menschen mit Sinnesbehinderungen subjektives SicherheitsLeitlinien zum psychoerleben? Was trägt in sozialen Krisenmanageeinem Notfall zu ihrer ment fordern zwar schon Beruhigung bei? Vor allem lange eine stärkere aber: Wie lässt sich ihre Betrachtung dieser ZielgrupHandlungsfähigkeit und pe – konkrete HandlungsempSelbstständigkeit während und fehlungen standen bislang jedoch nach einer Krisensituation schnellstmögweitgehend aus. lich wiederherstellen? In der Regel gestalten die meisten Menschen mit einer Hör- oder SehVor diesem Hintergrund stellte sich das BBK die behinderung ihr Alltagsleben unabhängig und Aufgabe, eine PSNV speziell für Menschen mit selbstbestimmt. Hör- und Sehbehinderungen zu konzipieren, passende Trainingskonzepte zu entwickeln und Das Problematische einer Notfallsituation ergibt entsprechende Schulungen auf den Weg zu sich vor allem aus der oft abrupten, nicht schnell bringen. Den Rahmen dafür bot das von der genug wahrnehmbaren Änderung der UmgeEuropäischen Kommission geförderte Projekt bungsbedingungen. Wichtigstes Anliegen der „European Network for Psychosocial Crisis psychosozialen Akuthilfe für Menschen mit Management – Assisting Disabled in Case of Sinnesbehinderungen muss es daher sein, KontDisaster” – kurz EUNAD. Zu den Projekt- und rollverlust zu vermeiden und SelbsthilfekompeKooperationspartnern gehören neben dem BBK tenzen durch eine geeignete Risiko- und Krisenauch das Zentrum für Psychotraumatologie der kommunikation zu stärken. Alexianer Krefeld GmbH sowie mehrere Univer- Im Fokus HELFEN Menschen mit einer Hör- oder Sehbehinderung haben in Notsituationen dieselben Grundbedürfnisse wie jeder andere Mensch auch: Schutz und Sicherheit, Orientierung und Information, Kontrolle und Selbstbestimmtheit sowie Kontakt zu anderen Menschen. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, sind bei Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit manchmal jedoch spezifische Lösungen erforderlich. Dabei gilt stets die unbedingte Forderung von Menschen mit Behinderung: „Nothing about us without us“. In diesem Kontext macht sich das BBK für einen breiten Dialog zwischen Fachorganisationen aus dem Bereich der PSNV und den Behindertenverbänden stark, um gemeinsam Konzepte für eine optimale Notfallvorbereitung einschließlich der Verbesserung von Selbsthilfefähigkeiten und der psychosozialen Akuthilfe zu entwickeln. Trainingsbedarf: Kommunikationskompetenz Ausgehend von den EUNAD-Projektergebnissen erarbeitete das BBK gemeinsam mit dem Deutschen Schwerhörigenbund, dem Deutschen Gehörlosen-Bund und dem Deutschen Blindenund Sehbehindertenverband konkrete Handlungsempfehlungen. Diese beziehen sich zum Beispiel auf die Tatsache, dass einem ertaubten Menschen seine Wahrnehmungseinschränkung in einer Not- und Krisensituation nicht sofort anzusehen ist. Bei fehlender Reaktion etwa auf | 27 eine Handlungsanweisung sollten Einsatzkräfte stets auch ein möglicherweise eingeschränktes Hörvermögen in Erwägung ziehen. In diesem Fall sind spezielle Kommunikationskompetenzen gefragt: Blickkontakt ist essenziell. Ebenso möglichst kurze Sätze, die laut und deutlich artikuliert sein sollten. Oft helfen auch Stift und Papier bei der Mitteilung wichtiger Informationen. Idealerweise haben Einsatzkräfte sogar ein Wörterbuch mit Gebärdensprache zur Hand. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, warum das BBK so viel Wert auf maßgeschneiderte Ausbildungs- und Trainingskonzepte für die psychosoziale Notfallbetreuung von Menschen mit Sinneseinschränkungen legt. Handlungsbedarf für PSNV Überraschend viele Menschen nehmen akustische Eindrücke nur eingeschränkt oder überhaupt nicht wahr. Expertenschätzungen zufolge sind allein in Deutschland mehr als 16 Millionen Menschen in unterschiedlichem Grade hörgeschädigt – das sind rund 20 Prozent der Bevölkerung. Das Statistische Bundesamt nennt zwar deutlich geringere Zahlen, doch liegt das laut dem Deutschen Schwerhörigenbund daran, dass viele Betroffene keinerlei staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und in offiziellen Registern deshalb nicht verzeichnet sind. Sie alle gehören zur Zielgruppe des EUNAD-Projekts. 28 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Schützen Das geht alle an SCHÜTZEN | 29 Wachsende Herausforderungen Bevölkerungsschutz schließt als wesentlichen Bestandteil den Schutz unserer Lebensgrundlagen ein. Dazu zählen insbesondere Kritische Infrastrukturen (KRITIS) wie die Wasseroder Stromversorgung. Doch welche Segmente dieser Infrastrukturen sind tatsächlich lebensnotwendig, sodass sie auch im Katastrophenfall unbedingt funktionstüchtig sein müssen? Valide Antworten auf diese Frage sind die Voraussetzung für wirksame und zugleich bezahlbare Schutzmaßnahmen. Schützen müssen wir uns und die Umwelt aber auch vor wachsenden Gefahren, die zum Beispiel von der unfallbedingten oder vorsätzlichen Freisetzung von radioaktiven, biologischen oder chemischen Substanzen ausgehen. 30 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Schnellere Reaktion bei CBRN-Gefahren Der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren durch chemische, biologische, radiologische oder nukleare Stoffe (CBRN) hat für das BBK seit jeher einen hohen Stellenwert. Gelangen solche Substanzen in die Umwelt, sind in erster Linie die Gefahrgutzüge der Feuerwehren gefragt: Auch die vom BBK bereitgestellten Erkundungs- und Dekontaminationsfahrzeuge sind in diese Einheiten integriert. Neben Rettungsmaßnahmen und der Beseitigung der akuten Gefahrenquellen – zum Beispiel durch Abdichten von Leckagen – kommt es in CBRN-Lagen generell darauf an, so schnell und so genau wie möglich möglichst genaue Informationen über die Art der Gefährdung und die freigesetzten Substanzen zu erhalten. Unterstützung erhalten die verantwortlichen Feuerwehren dabei von der Analytischen Task Force des Bundes. Für biologische Gefahren ist die ATF-B verantwortlich, während die ATF C-RN schwerpunktmäßig für chemische Gefahrenlagen ausgestattet ist und in radiologischen Lagen grundlegende Unterstützung leisten kann. Personell rekrutieren sich die Einheiten der ATF aus Experten der Länder und Städte. Die Aus- und Fortbildung dieser Fachkräfte koordiniert das BBK. Außerdem stattet das BBK die ATF-Standorte mit leistungsfähiger Messtechnik und Spezialfahrzeugen im Gesamtwert von etwa zehn Millionen Euro aus. Auch an den Unterhaltungskosten der bereitgestellten Ausrüstung beteiligt sich das BBK. Mit Standorten bei den Feuerwehren Hamburg, Mannheim, Dortmund, Köln und München sowie dem Landeskriminalamt (LKA) in Berlin und dem im Aufbau befindlichen Standort bei der Feuerwehr Leipzig ist heute fast an jedem Punkt der Bundesrepublik gewährleistet, dass die ATF C-RN spätestens innerhalb von drei Stunden nach ihrer Alarmierung vor Ort Hilfe leisten kann. Gemeinsames Konzept von Bund und Ländern Im März 2014 stimmte der Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile GPS-Positionsbestimmung inklusive: Hochmodernes Messgerät ermöglicht mobile Nuklidbestimmung im Gelände Verteidigung (AFKzV) der „Rahmenkonzeption für den CBRN-Schutz (ABC-Schutz) im Bevölkerungsschutz“ zu. Damit liegt in Deutschland erstmals eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Grundlage für diesen Schutzbereich vor. Erarbeitet wurde das Papier unter Federführung des BMI von einer ministeriellen Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit aktiver fachlicher Unterstützung des BBK. Vorrangiges Ziel der Rahmenkonzeption ist es, auf allen föderalen Ebenen bei den Verantwortlichen im Bevölkerungsschutz ein gemeinsames Verständnis über die Vorgehensweise bei der Bewältigung von CBRN-Gefahren und -Schadenslagen herzustellen. Die Konzeption ist primär fähigkeitsorientiert und nicht an Zuständigkeiten oder Strukturen ausgerichtet. Sie beschreibt nicht das Bestehende, sondern das Erforderliche. Um das konzeptionell beschriebene und begründete Fähigkeitsprofil für den CBRNSchutz in der Praxis mit Leben zu erfüllen, gilt es nun, zwischen Bund und Ländern einen einvernehmlichen Umsetzungsprozess zu gestalten. Mobile Messtechnik für den Geländeeinsatz Die analytischen Fähigkeiten der ATF C-RN verbesserte das BBK im vergangenen Jahr durch die Beschaffung fortgeschrittener Messtechnik, die im Dezember 2014 abgeschlossen wurde. Dabei handelte es sich um sieben tragbare Geräte zur Nuklidbestimmung beziehungsweise zur Messung von Gammastrahlen: Mit dem neu entwickelten Gammaspektro- SCHÜTZEN skopiegerät RIIDEye X kann die ATF C-RN bei Verdacht auf radioaktive Kontamination bereits vor Ort eine erste Isotopenbestimmung vornehmen. Durch ein GPS-Modul ermöglicht das Gerät neben der Nuklidbestimmung und Gammastrahlungsmessung auch gleich eine Standortlokalisierung. Je nach Messergebnis kann die ATFC-RN gezielt Spezialkräfte hinzuziehen und ihnen vorab bereits entsprechende Lageinformationen übermitteln. In den Monaten zuvor hatte die ATF bereits andere Nachweisgeräte vom BBK erhalten – unter anderem zur Feststellung radiologischer Kontaminationen mit Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung an Menschen sowie Gegenständen. Komplettiert wird das Messgerätearsenal schließlich durch eine neue Sonde zum schnellen Auffinden von Strahlungsquellen und ein Schnellnachweisgerät, das den persönlichen Schutz der Einsatzkräfte verbessert. Somit ist die ATF-CRN heute in der Lage, alle Strahlungsarten schnell und präzise nachzuweisen. Im Vorfeld mussten alle neu beschafften Geräte einen intensiven Eignungstest im physikalischen Labor des BBK bestehen. Praxistest: Breit angelegte Messkampagne Ihre Sensitivität und Zuverlässigkeit bewies die Nachweistechnik der CBRN-Erkundungswagen des Bundes einmal mehr im Juni vorigen Jahres auf dem Außengelände des Instituts der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen (IdF) in Handorf/Telgte: Das BBK nahm dort an einer breit angelegten Messkampagne teil, die der Erprobung und Weiterentwicklung von fahrzeuggestützten Systemen zur Suche und Identifikation von radioaktivem Material diente. Auf dem Testgelände waren Strahlungsquellen versteckt worden, die es aufzuspüren und in digitale Karten auf dem Bordcomputer des Erkundungswagens einzutragen galt. An der Kampagne beteiligten sich neben dem IdF und dem BBK unter anderem auch das FraunhoferInstitut für Naturwissenschaftlich-Technische | 31 Digital kartiert: Strahlungsintensitäten auf radioaktiv kontaminiertem Areal sind in verschiedenen Farben dargestellt Trendanalysen (Fraunhofer INT) sowie Partner des deutsch-französischen Kooperationsprojekts ANCHORS (UAV-Assisted Ad Hoc Networks for Crisis Management and Hostile Environment Sensing). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt dient der schnellen und effektiven Lageerkundung mithilfe autonomer, unbemannter Systeme. Bei der Kampagne in Handorf/Telgte war beispielsweise ein Octocopter mit entsprechender Messtechnik im Einsatz. Neben dem INT und dem BBK nahmen auch weitere RN-Spezialisten wie die Deutsche Bahn AG, die Kerntechnische Hilfsdienst GmbH oder der NRW-Erkunder des LIA NRW sowie zwei CBRN-Erkunder aus dem Kreis Coesfeld an der Messkampagne teil. Schnell und zuverlässig aufspüren Biologische Gefahren bedrohen in hohem Maße die Gesundheit der Bevölkerung und können schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben. Spätestens die Briefe mit Anthraxsporen, die 2001 in den USA für Schlagzeilen sorgten, führten der Öffentlichkeit auch hierzulande die reale Bedrohung, die von bioterroristischen Anschlägen ausgeht, eindringlich vor Augen. Umso wichtiger ist für Zivilschutzkräfte die Fähigkeit, gefährliche BioAgenzien schnell und zuverlässig aufzuspüren und genau zu klassifizieren. Nur so ist ein wirksamer Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen möglich. Vor diesem Hintergrund startete das BBK im Jahr 2013 ein zweijähriges Pilotprojekt, das den 32 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Regelbetrieb einer bundesweiten ATF-B zur Abwehr biologischer Gefahren vorbereiten sollte. 2014 hat das ATF-B-Projekt bemerkenswerte Fortschritte gemacht: Zum einen konnte die Erarbeitung abgestimmter Fach- und Ausbildungskonzepte weiter vorangetrieben werden. Zum anderen gelang es, die Kommunikations- und Kooperationsstrukturen mit Gesundheitseinrichtungen, Partnerbehörden und spezialisierten Laboren entscheidend zu festigen. Beispielhaft dafür steht eine gemeinsame Praxisübung des BBK mit den Beteiligten des Pilotprojekts, wie zum Beispiel Vertretern des Robert-Koch-Instituts, des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, dem Uniklinikum Essen und den Berufsfeuerwehren Hamburg und Frankfurt am Main. Das LKA Berlin und die Berufsfeuerwehr Essen als Pilotstandorte der ATF-B übten aktiv. CBRN-Schutz komplettiert Ziel der Übung war es, die bisher erarbeiteten Personalansätze und Vorgehensweisen sowie das logistische Anforderungsprofil für die ATF-B hinsichtlich Detektions- und Fahrzeugausstattung im praktischen Einsatz zu überprüfen. Als Szenario lag dem eine Freisetzung von Aerosol in einem Übung der ATF-B: Probennahme und immunologische Analyse im Feld Fernreisebus zugrunde. Für die Übenden galt es nun, schnellstmöglich Proben zu nehmen. Noch in der Gefahrenzone wurden die verdächtigen Substanzen immunologisch beziehungsweise molekularbiologisch untersucht und für den sicheren Transport in ein Speziallabor vorbereitet. Mit der Übung ist die ATF-B des Bundes ihrem Regelbetrieb ein gutes Stück näher gekommen. Insbesondere erbrachte die Ergebnisauswertung eine allgemeingültige Funktionsbesetzung sowie wertvolle Erkenntnisse, die zwischenzeitlich in die weitere Verfeinerung des Ausstattungskonzepts für ATF-B eingeflossen sind. Mit Bravour bestanden: Praxistest für Bio-Analytik Die Funktionstüchtigkeit technologisch ausgefeilter Analytik-Hardware im Labor ist das eine. Doch wie handhabbar und leistungsfähig sind solche Geräte unter realen Einsatzbedingungen? Zum Beispiel, wenn ATF-Kräfte vor Ort eine Schutzausrüstung tragen, um sich vor Kontaminationen mit gefährlichen Bio-Agenzien zu schützen. Diese Frage stand Ende 2014 im Mittelpunkt einer vom BBK ausgerichteten Gemeinschaftsübung der ATF-Standorte Essen, Mannheim, Hamburg und SCHÜTZEN | 33 Berlin. Unterstützt haben dabei die Projektpartner vom Robert-Koch-Institut, vom Commissariat à l'énergie atomique et aux énergies alternatives sowie die beteiligten Entwicklerfirmen Bruker Daltonics und Bertin Technologies. Die Übung erfolgte unter dem Dach eines dreijährigen deutsch-französischen Kooperationsprojektes mit dem Kurztitel GEFREASE. Gegenstand des Projekts: Die Entwicklung eines integrierten Detektionsansatzes zur sicheren Erkennung biologischer Gefahrenstoffe vor Ort. Portabler Toxindetektor weist Bio-Gefahren durch Antikörperreaktionen nach Die während der Übung getesteten Messgeräte stützen sich beide auf ein antikörperbasiertes Detektionsverfahren: Der Nachweis biologisch wirksamer Substanzen – beispielsweise eines Virusproteins – erfolgt dabei anhand von enzymatischen Antikörperreaktionen. Die Geräte der Firmen Bruker Daltonik aus Leipzig und Bertin Technologies aus Paris arbeiten mit speziellen Antikörpern, die vorher im Projekt GEFREASE entwickelt worden waren. Beide Geräte absolvierten erfolgreich ihre Tauglichkeitsprüfung unter realen Feldbedingungen. Auch die Tests mit unterschiedlicher Schutzkleidung bestanden sie mit Bravour. Projekt-Steckbrief GEFREASE Das Akronym GEFREASE steht für „German French Equipment for Analysis and Surveillance of Biothreats in the Environment“. Das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt suchte nach Wegen, den Nachweis von biologischen Gefahrenstoffen zu verbessern: Je schneller das ursächliche Agens identifiziert ist, desto schneller können Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zur Schadensbegrenzung eingeleitet werden. Vorrangiges Ziel von GEFREASE war es, den Reagenzien-Pool für eine Detektion zu vergrößern, um das Spektrum mobil nachweisbarer Bio-Gefahren zu erweitern. Vor-Ort-Analytik bedeutet einen wertvollen Zeitgewinn, um erste Gegenmaßnahmen einzuleiten; eine bestätigende Diagnostik hat parallel immer in einem stationären Labor zu erfolgen. Die Mobilität der Nachweistechnik wiederum erforderte eine miniaturisierte Lösung, bei der die Reagenzien zum Beispiel auf elektrochemisch auslesbaren BioChips implementiert sein können. Ein weiterer Projektfokus lag auf der Weiterentwicklung massenspektroskopischer Analytik – mit dem Ziel, komplexe Proben unbekannter Zusammensetzung auf potenziell gefährliche Toxine, Viren und Bakterien testen zu können. Das vom BMBF geförderte Projekt startete im April 2012 mit einer geplanten Laufzeit bis März 2015. Das Projekt wurde bis Ende Dezember 2015 verlängert. 34 | JAHRESBERICHT 2014 | K APITEL „Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.“ Definition des BMI aus der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen SCHÜTZEN Welche Infrastruktur ist kritisch? Kritische Infrastrukturen (KRITIS) versorgen die Bevölkerung mit unverzichtbaren Dienstleistungen und Gütern. Ihr Schutz ist somit ein essenzieller Baustein im deutschen Bevölkerungsschutz. KRITIS müssen ihre Versorgungsaufgaben unter allen Umständen erfüllen, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung decken zu können – das betrifft etwa Trinkwasser, Strom und Transportdienstleistungen. Hinzu kommen sozioökonomische Dienstleistungsinfrastrukturen, die für den Erhalt unserer rechtsstaatlichen Grundordnung, der öffentlichen Sicherheit, aber auch für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat unabdingbar sind. Darunter fallen zum Beispiel Einrichtungen der Justiz, aber auch besonders symbolträchtige Bauwerke wie der Kölner Dom. Doch welche Anlagen oder Bauten besitzen konkret ein so hohes Maß an Kritikalität, dass ihr Ausfall zu massiven Versorgungsengpässen, zu schweren Schäden in der Wirtschaft oder für die Umwelt oder zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit führen würde? Bislang gab es in der Bundesrepublik keine einheitlichen Bewertungsmaßstäbe für Entscheidungen, ob eine bestimmte Einrichtung als kritisch zu gelten hat oder nicht. Entsprechende Einstufungen blieben in der Vergangenheit mehr oder weniger dem Bauchgefühl der jeweils Verantwortlichen überlassen. | 35 36 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Neues Vorgehensmodell zur Kritikalitätsbewertung Es wundert daher nicht, dass von verschiedenen Akteuren im Bevölkerungsschutz, von Infrastrukturbetreibern ebenso wie von Bundesländern, der Bedarf nach einer einheitlichen Systematik zur Identifizierung und Priorisierung Kritischer Infrastrukturen immer wieder artikuliert wurde. Das BBK antwortete auf diesen Bedarf mit der Erarbeitung einer Verfahrensmethodik namens KritisKAT. Mit KritisKAT liegt erstmals eine vergleichbare Herangehensweise zur Voranalyse konkreter Kritischer Infrastrukturen und ihrer Bestandteile auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vor. Für den Bevölkerungsschutz bedeutet dies zweierlei: Zum einen verfügen verantwortliche Behörden auf allen Ebenen nun über ein einheitliches verfahrenstechnisches Instrument, das ihnen eine zielgenaue Analyse der neuralgischen Punkte ermöglicht. Zum anderen schafft KritisKAT damit zugleich auch die Grundlage für eine gezielte Optimierung bestehender Schutzvorkehrungen. Warum ist ein einheitliches Verfahren für die Priorisierung Kritischer Infrastrukturen so bedeutsam? Weil nur so mögliche Schutzlücken auf systematische Weise und daher zuverlässiger als bisher erkannt werden können – und zwar durch einen Abgleich aller existierenden Schutzmaßnahmen mit den Ergebnissen der Kritikalitätsanalyse. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch im Bevölkerungsschutz die finanziellen und personellen Ressourcen begrenzt sind. Nicht hinreichend fundierte KRITISEinstufungen führen unter Umständen zu höheren Schutzanforderungen und somit zu höheren Kosten – Geld, das an anderer Stelle kein zweites Mal ausgegeben werden kann. In Zeiten restriktiver Haushaltsführung kommt es umso mehr darauf an, die verfügbaren Mittel so zielgerichtet wie möglich einzusetzen. Eben dazu ebnet KritisKAT im Bevölkerungsschutz den Weg. Schutzziele sind entscheidend Grundlage von KritisKAT ist eine Kritikalitätsanalyse, die bei den möglichen Konsequenzen eines Ausfalles der unverzichtbaren Güter und Dienstleistungen ansetzt. Als kritisch einzustufen wäre eine Anlage oder Einrichtung demnach, wenn ihr Ausfall zu nicht tolerierbaren Prozessunterbrechungen führen könnte. Die Kritikalitätsanalyse bezieht alle Bestandteile der jeweils betrachteten Infrastruktur ein und untergliedert diese in zwei Gruppen: jene, deren Ausfall unter Umständen zwar negative, aber noch tragbare Auswirkungen haben könnte, und solche, bei denen die Ausfallfolgen nicht mehr beherrschbar und daher nicht hinnehmbar wären. Die Grenze zwischen tolerierbar und nicht tolerierbar leitet sich dabei stets aus einem bestimmten Schutzziel ab. Im Bevölkerungsschutz besteht das Schutzziel darin, das Überleben der Bevölkerung zu sichern. Die Konkretisierung dieses strategischen Schutzziels fällt auf kommunaler Ebene mit regional begrenzter Perspektive naturgemäß anders aus als auf Bundesebene, wo eher eine systemübergreifende Sichtweise vorherrscht. So werden kritische Dienstleistungen identifiziert Das Vorgehen nach KritisKAT ist zweigeteilt – in die Bestimmung kritischer Dienstleistungen und darauf aufbauend die Identifizierung kritischer Prozesse und Elemente. Als kritische Dienstleistungen gelten alle für den Versorgungsauftrag der betrachteten Infrastruktur relevanten Oberprozesse. So ist zum Beispiel die Erdgasversorgung ein Oberprozess der Energieversorgung. Alle identifizierten Oberprozesse werden dann anhand folgender Fragestellung überprüft: Ist die erbrachte Dienstleistung so essenziell für die Bevölkerung, dass sie auch in einer Krise erbracht werden muss? Dies ist immer dann anzunehmen, wenn mindestens die ersten beiden der folgenden Aussagen zutreffen: SCHÜTZEN • Die Dienstleistung gehört zu einem Sektor der Kritischen Infrastrukturen. Auf Bundesebene zählen dazu bislang neun Sektoren mit 29 Branchen. • Die Dienstleistung hat herausragende Bedeutung für die Bevölkerung im Hinblick auf Leib und Leben, die öffentliche Ordnung, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Umwelt oder Kultur. | 37 • Von der Dienstleistung hängen weitere wichtige Dienstleistungen ab, sodass ein Ausfall Domino- effekte nach sich ziehen könnte. • Die Dienstleistung ist nicht ersetzbar – das heißt, sie lässt sich innerhalb der Infrastruktur nicht anderweitig erbringen. Je mehr dieser Punkte erfüllt sind, desto höher ist die Kritikalität der betreffenden Dienstleistung zu bewerten. Die Liste aller als kritisch erkannten Dienstleistungen geht dann als Grundlage in den zweiten Analyseschritt ein, nämlich die Identifizierung aller kritischen Elemente und Prozesse der betrachteten Infrastruktur. Die Kriterien: Qualität, Quantität, Zeit Die Elemente und Prozesse werden für jede kritische Dienstleistung nach den drei Kriterien Qualität, Quantität und Zeit untersucht. Die Qualität – auch Systemwert genannt – bemisst sich in diesem Fall danach, ob durch den Wegfall des untersuchten Elements oder Prozesses die Dienstleistung nachhaltig beeinträchtigt werden könnte. Das Kriterium Quantität bezieht sich auf die Anzahl der von einem Ausfall potenziell Betroffenen. Das Kriterium Zeit schließlich bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der sich ein Prozess- beziehungsweise Elementausfall auswirken würde. Insbesondere ist hierbei zu fragen, ob ein Ausfall unmittelbare Auswirkungen auf die Bevölkerung haben könnte. Die Ergebnisse aus der Kritikalitätsanalyse sind sowohl für das Notfall- als auch das Risikomanage- ment unmittelbar nutzbar. Sie können unter anderem als eine Grundlage für die Notfallplanung Stromausfall genutzt werden, um beispielsweise die Verteilung von Notstromkapazitäten zu priorisieren. Stromausfall: Katastrophe versus Kerzenschein In der Bundesrepublik muss die Bevölkerung durchschnittlich 15 bis 20 Minuten pro Jahr ohne elektrischen Strom auskommen. Meist handelt es sich um lokale Stromausfälle von einigen Minuten oder Stunden – zum Beispiel infolge von Tiefbauarbeiten oder einem Unwetter. Für viele Menschen hat die kurze Alltagsstörung oft einen Anflug von Urlaub oder Abenteuer: Man sitzt plötzlich bei Kerzenschein und vergisst für einen Moment, was einem gerade noch dringlich erschien. Ganz anders verhält es sich bei einem lang anhaltenden großflächigen Stromausfall. Wie Studien belegen, käme es dabei zu dramatischen Folgen. Denn eine Vielzahl lebenswichtiger Güter und Dienstleistungen hängen von einer kontinuierlichen Elektrizitätsversorgung ab: Informationstechnik und Telekommunikation, Wasserversorgung und 38 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Achtung! Kraftstoffqualität für Netzersatzanlagen kann nach Langzeitlagerung zu Problemen führen Bild unten: Anschaltepunkt für eine mobile Netzersatzanlage Transport oder auch die Medizintechnik in Krankenhäusern – all diese Systeme stünden auf einen Schlag still. Nicht umsonst ist die Stromversorgung ein geradezu klassisches Beispiel für KRITIS. Das BBK zog bereits vor einigen Jahren die Schlussfolgerung, dass ein Gesamtkonzept für die Bewältigung anhaltender großflächiger Stromausfälle entwickelt werden muss. Das Rahmenwerk dafür liefert das Projekt KritisNOTSTROM mit Lösungen und Lösungsansätzen für Verantwortliche auf allen administrativen Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden. Kern dieses Gesamtpakets ist ein Minimalkonzept, das beschreibt, wie die Mindestversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen im Falle fehlender Elektrizität von staatlicher Seite aus gewährleistet werden kann. KritisNOTSTROM – ein Work in Progress Ein Ergebnis von KritisNOTSTROM ist beispielsweise die Überarbeitung des BBK-Leitfadens für die Planung, Einrichtung und den Betrieb einer Notstromversorgung für Unternehmen und Behörden im Jahr 2014. Das BBK veröffentlichte damit ergänzende Empfehlungen hinsichtlich der Gewährleistung einer mindestens 72-stündigen Notstromversorgung ohne weitere Kraftstoffzufuhr. Begründen lässt sich diese Zeitspanne durch die Tatsache, dass viele Störungen innerhalb dieser Frist behoben werden können beziehungsweise dass 72 Stunden im Allgemeinen ausreichend sind für eine Kraftstoffnachlieferung. Allerdings kann für besonders kritische Geschäftsprozesse auch eine längere Notversorgungsdauer sinnvoll sein. Hier sind branchenspezifische Regelungen zu beachten. Eine weitere Konkretisierung der Empfehlungen betrifft die Langzeitlagerung von Kraftstoff für Netzersatzanlagen. Denn deren zuverlässige Einsatzbereitschaft ist mit marktüblichen Dieselkraftstoffen nicht unbedingt sichergestellt: Auch bei fachgerechter Lagerung sind Verunreinigungen nicht auszuschließen – man spricht hier von der sogenannten Dieselpest. Als unmittelbare Handlungsempfehlung ergibt sich daraus, Überwachungsverträge zur Sicherung der Kraftstoffqualität abzuschließen und einen Kraftstoff möglichst ohne Biodieselanteil einzusetzen. SCHÜTZEN Tunnel und Brücken – die neuralgischen Punkte im Straßennetz Funktionierende und sichere Verkehrsinfrastrukturen sind die Lebensadern unserer mobilen Gesellschaft und zugleich der Garant für die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung. Neben Schienen und Wasserwegen ist das Straßennetz in der Bundesrepublik ein Hauptbestandteil der Verkehrsinfrastruktur. Innerhalb des Straßennetzes wiederum bilden Brücken- und Tunnelbauwerke sozusagen die neuralgischen Punkte: Egal, ob Massenunfall, Anschlag oder Naturereignis – der Ausfall eines einzigen Tunnels kann unter Umständen den Verkehrsfluss des gesamten Straßennetzes gravierend beeinträchtigen. Durch Ausfallzeiten und Wiederherstellungskosten droht überdies ein beträchtlicher volkswirtschaftlicher Schaden. Vor allem aber sind die Menschen, die den Tunnel während eines Ereignisses passieren, erheblichen Gefahren ausgesetzt. Hinzu kommen die indirekt Betroffenen – all jene, die zum Beispiel als Berufspendler oder Anwohner von Umleitungen und erhöhter Verkehrslast auf Ausweichstrecken betroffen wären. Tunnelbauten sind folglich aus vielen Gründen in hohem Maße schutzwürdige Einrichtungen. | 39 40 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Mensch bleibt wichtigster Sicherheitsfaktor Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderte und von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) als Konsortialführer geleitete Projekt „Schutz kritischer Brücken und Tunnel im Zuge von Straßen“ (SKRIBT) hat erstmals in Deutschland Brücken und Tunnel aus der Perspektive der zivilen Sicherheitsforschung untersucht. Als einer von zehn Partnern des Projekts hat sich das BBK speziell mit den organisatorischen Aspekten zur Bewältigung von Schadensereignissen in Straßentunneln befasst. Ziel war es, bestehende Strukturen der Gefahrenabwehr darzustellen und angesichts neuer Bedrohungslagen weiteren Handlungsbedarf für das Ereignismanagement abzuleiten. Obgleich das Sicherheitsniveau in Straßentunneln weitgehend durch immer komplexere technische Systeme bestimmt wird, bleibt der Mensch dennoch der wesentliche Faktor: Er ist es, der im Ernstfall die Lage erfassen, bewerten und die richtigen Entscheidungen treffen muss. Die Ergebnisse des vom BBK betreuten Teilprojektes mündeten 2013 in die Publikation einer Broschüre mit dem Titel „Ereignismanagement für Straßentunnel – Empfehlungen für Betriebs- und Einsatzdienste“, die mittlerweile in dritter, inhaltlich erweiterter Auflage vorliegt. Risikoanalysen für Tunnelleitzentralen Im Ereignisfall in einem Straßentunnel ist bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte die jeweilige Tunnelleitzentrale (TLZ) für die Erstmaßnahmen zuständig. Nach der Alarmierung besteht ihre vordringliche Aufgabe in der Unterstützung der Selbstrettung betroffener Tunnelnutzer. Hierzu zählen beispielsweise das Anschalten der Belüftung und Beleuchtung oder auch Sperrungen. Zudem obliegt es der TLZ, den Einsatzkräften möglichst schnell wichtige Lageinformationen zu übermitteln – etwa über die Richtung der Rauchausbreitung bei einem Brand. Sobald die Einsatzkräfte eingetroffen sind, wirkt die TLZ unterstützend auf Weisung der jeweils zuständigen Polizei oder Feuerwehr. Deutschland zeichnet sich durch eine besonders hohe Verkehrsdichte aus. Oft sind Tunnel und Brücken aufgrund geografischer Gegebenheiten gewissermaßen ein Flaschenhals in unserem Straßennetz. Gleichzeitig sind gerade diese Bauwerke störanfällig und bergen bei einer Störung zudem erhebliche Rückkopplungsrisiken für das gesamte Straßennetz. Aus diesem Grund hat der Schutz von derzeit etwa 240 deutschen Straßentunneln sowie 39.000 Brücken im Zuge der Bundesfernstraßen aus der Sicht des BBK eine besonders hohe Priorität. Ein Ausfall der TLZ hätte erhebliche Konsequenzen für den sicheren Tunnelbetrieb. Von Bedeutung sind hier vor allem die Energieversorgung sowie informations- und kommunikationstechnische Systeme. Deren Funktionsfähigkeit kann heute nicht nur durch technische oder naturbedingte Störungen beeinträchtigt werden, sondern auch durch gezielte Cyberangriffe. Aus diesem Grund hat das BBK im Nachfolgeprojekt SKRIBT PLus eine Methodik für die Durchführung einer Risikoanalyse entwickelt. Diese beinhaltet eine Anleitung zur systematischen Ermittlung der Verwundbarkeiten von Systemelementen und TLZ-Prozessen inklusive einer Gegenüberstellung möglicher Gefährdungen, die zu einem Betriebsausfall führen könnten. Mit dem Projektergebnis von SKRIBT Plus gelang es dem BBK im Verlauf des letzten Jahres, einen wichtigen Baustein für das betriebliche Risikomanagement von TLZ zu ergänzen. Dahinter steht das übergeordnete Ziel, die Betriebsabläufe der TLZ ausfallsicherer zu gestalten. Letztlich bedeutet dies: höhere Stabilität für straßengebundene Verkehrsströme sowie verbesserte Fähigkeiten, im Ereignisfall mögliche Schäden von der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Umwelt abzuwenden. SCHÜTZEN Selbstschutz: Basis des Bevölkerungsschutzes Wenn jeder Einzelne sich auf eine Notsituation bestmöglich vorbereitet, wächst die Widerstandskraft der gesamten Gesellschaft im Katastrophenfall. Das BBK setzte 2014 deshalb seine Bemühungen fort, das Thema Selbstschutz fest im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu verankern und zugleich praktische Unterstützung für die Steigerung der Selbsthilfefähigkeit jedes und jeder Einzelnen anzubieten. | 41 Ursula Fuchs, wie man sich und seine Familie auch in Notsituationen angemessen ernähren kann. Allerdings muss dafür Vorsorge getroffen sein. Der Beitrag informierte zum Beispiel darüber, welche Lebensmittel auch ohne Kühlung lange haltbar sind und daher in jedem Haushalt vorrätig sein sollten. Denn ist ein Notfall eingetreten, ist es für Vorbereitungen zu spät. Mit Erfolg: Der aktuelle BBK-Ratgeber „Katastrophenalarm – Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ stieß bei Kommunen, Hilfsorganisationen und Privatpersonen im vergangenen Jahr auf breite Resonanz. Neben Verhaltenstipps bei Unwetter und Bränden gibt der BBK-Ratgeber auch Auskunft über die persönliche Vorsorge für den Katastrophenfall, unter anderem mit Checklisten über die sinnvolle Bevorratung von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten. Per Internet, TV und im direkten Kontakt zu den Menschen „Kochen ohne Strom“, so hieß ein Fernsehbeitrag, den der WDR am 13. Oktober 2014 anlässlich des Welttages der Katastrophenvorbeugung ausstrahlte. In der Sendung demonstrierte und erläuterte BBK-Pressesprecherin Die Pressesprecherin des BBK, Ursula Fuchs (links), gibt in einer Fernsehsendung Tipps zur persönlichen Notfallvorsorge Speziell an Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren richtet sich das BBK mit seiner Internetseite www.max-und-flocke-helferland.de. Die Seite klärt altersgerecht und auf spielerische Art über alltägliche Gefahren auf – zum Beispiel mit Quizund Abenteuerspielen. „Max und Flocke im Helferland“ spricht aber auch Eltern und Lehrer an, die hier unter anderem didaktisch aufbereitete Arbeitsblätter zum Thema finden. Die Selbsthilfefähigkeit bei Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren fördert das BBK vor allem bei den Lehrgängen für medizinische Erstversorgung mit Selbsthilfeinhalten. Pro Jahr erlernen etwa 90.000 bis 100.000 Jugendliche in Deutschland, wie sie in Notfällen richtig handeln und helfen können. 42 | JAHRESBERICHT 2014 | SCHÜTZEN Doch nicht nur über das Fernsehen und im Web sucht das BBK Kontakt zu den unterschiedlichen Zielgruppen, sondern auch durch unmittelbare Begegnungen auf verschiedensten Veranstaltungen. Hier die Highlights: ER SEPTEMB J U NI A PR I L Der r ung ssc h ut z t ag im Dialo gmuseu m Frankfu rt lockte r und 250 Kin der an Bevölke d W-Tagen un Auf den NR t ad rfeier der St der 80 0 -Jah BBK sentier te das Bielefeld prä en ttungszentr seine Luftre ielt h d n d Kassel u Bielefeld un in K der ngebote für at trak tive A unter auch bereit – dar rland“ ocke im Helfe „Max und Fl AUGUST Tag der offenen Tür im Bundesministerium des Innern, an dem auch das BBK als nachgeordnete Behörde für Bürger und Bürgerinnen teilnahm Im Dialog mit Kommunen Krisenartige Situationen können jederzeit an jedem Ort auftreten. Doch nicht immer löst das Geschehen sofort eine überregionale Reaktion aus. Oftmals müssen die Verantwortlichen somit vor Ort selbst entscheiden, um rechtzeitig Schäden abzuwenden. Handlungsoptionen dafür standen im Mittelpunkt des Bürgermeisterkongresses, den die Verlagsgruppe „Behörden Spiegel“ im Frühling 2014 schon zum siebten Mal ausrichtete. Wie in jedem Jahr war das BBK auch diesmal maßgeblich an der inhaltlichen Kongressgestaltung beteiligt. Die Veranstaltung wendet sich generell an Füh- rbeit am BBK-Mita äischen 10. Europ kongress ngsschutz ru e lk ö v e B gel“, rden Spie des „Behö Thema s auch da ls a tm rs der e für ngsschutz Bevölkeru inderung n mit Beh Mensche e behandelt SEPTEM BER Kinderp rogramm des BBK auf dem Bürgerfe st des Bund espräsid enten Joachim Gauck im Garte n des Be rliner Schlosse s Bellevu e rungskräfte aus Städten, Gemeinden und Landkreisen. Dabei liegt der Fokus primär auf verbesserten Selbsthilfefähigkeiten in außergewöhnlichen Situationen unterhalb der Katastrophenschwelle. Alle Menschen einbeziehen! Die Selbsthilfefähigkeit verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen lässt sich umso besser fördern, je mehr Informationen zum Status SCHÜTZEN | 43 Bevölkerungsschutz geht alle an: das BBK auf den NRW-Tagen in Bielefeld quo in der jeweiligen Zielgruppe vorliegen. Die Forschungsgesellschaft für Gerontologie mit Sitz an der TU Dortmund untersuchte deshalb im Auftrag des BBK die Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit von Senioren- und Pflegeheimen. Die Kurzstudie untersuchte die aktuelle Selbstschutzsituation in stationären Altenpflegeeinrichtungen bezogen auf ausgewählte Szenarien wie anhaltender Stromausfall, Brand, Evakuierung oder Pandemie. Im Auftrag des BBK beschäftigte sich das Institut für Sozioökonomische und Kulturelle Internationale Analyse mit einer schwerwiegenden Schutzlücke in Deutschland – der unzureichenden Selbsthilfefähigkeit von Personen mit einer Beeinträchtigung. 44 | JAHRESBERICHT 2014 | K APITEL Ausbildungsprämissen im Wandel Bevölkerungsschutz ist eine umfassende Gemeinschaftsaufgabe verschiedener Akteure. Gefahren können aus der Natur resultieren oder technischen Ursprungs sein. Angesichts der aktuellen Weltlage müssen aber auch terroristische Bedrohungen sowie die Möglichkeit zwischenstaatlicher Konflikte stärker als bisher berücksichtigt werden. Frühzeitig Hinweise erkennen und systematisch Aufklärung betreiben – das ist die Aufgabe der Nachrichtendienste. Für den Schutz vor Angriffen von außen ist das Militär verantwortlich. Der Schutz im Inneren fällt in den polizeilichen Zuständigkeitsbereich. Die Betreiber kritischer Infrastrukturen sorgen für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen, während die Kräfte des Bevölkerungsschutzes die Aufgabe haben, mögliche Schäden zu vermeiden, zu mindern und zu beseitigen. Die BBK-eigene Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) ist deshalb bestrebt, ihre Ausbildungskonzepte für den nationalen Zivil- und Katastrophenschutz permanent an ein gewandeltes Sicherheitsumfeld anzupassen. AUSBILDEN | 45 Rollenspiel: Künftige Kräfte des höheren Polizeidienstes nehmen in der AKNZ-Übung nacheinander verschiedene Funktionen im Führungsstab ein Administrative Stabsausbildung nagement eine immer höhere Bedeutung. Die Krisen lassen sich niemals gegen die Medien, Spezifik der Krisenkommunikation in sozialen sondern nur gemeinsam mit ihnen meistern: Netzwerken schlug sich deshalb im vergangenen Verantwortlich dafür sind die Pressesprecher und Jahr verstärkt auch in der Konzeption für die Pressesprecherinnen. Sie übernehmen im Krisenadministrative Stabsausbildung nieder. stab die Leitung für die Bereiche Bevölkerungsinformation und Medienarbeit. Ihre Aufgabe ist Bewährtes wird weiterentwickelt es, die einschlägige Medienberichterstattung Das Grundkonzept der Stabsausbildung hat sich auszuwerten und eine aktive Krisenüber die letzten Jahre hinweg hervorrakommunikation zu koordinieren. gend bewährt und konnte weitgeDie Stabsausbildung ist in hend beibehalten werden. Das diesem Punkt besonders Wesentliche an diesem darauf ausgerichtet, dass Konzept: Jedes Seminar die Krisenkommunikatiund jede Übung ist on in Form und Inhalt individuell auf den an die Kommunikation jeweiligen Stab zugevor dem Kriseneintritt schnitten. Föderalisanknüpft. Das ist auch mus und kommunale Kommunikation, der Schlüssel zum Erfolg der Grund, warum Selbstverwaltung Pressesprechern und bedingen hier indiviPressesprecherinnen duelle Strukturen. diese Aufgabe obliegt. Sie Gleichfalls individuell kennen am besten die sind stets auch die bisher verfolgte KommuniÜbungsszenarien, die aus kationsstrategie. vorangegangenen Risikoanalysen abgeleitet werden. Auf diese Der Verwaltungsstab ist im Krisenfall die Weise lassen sich die Übungsergebnisse zentrale Kommunikationsschnittstelle zur Bevöldirekt für die weitere Planung verwenden. kerung. Zum Handwerkszeug dafür gehören zum Beispiel Pressekonferenzen, Kurzstatements und Ein wichtiger Trend der letzten Jahre betrifft das andere krisenbezogene Publikationsformate. Sie stärkere Gewicht, das bei der Weiterentwicklung sind daher auch Inhalt dedizierter Stabsausbildes Stabes auf der Nachbesprechung realer Ereigdungsseminare an der AKNZ für Pressesprecher nisse liegt – zum Beispiel Hochwasser, Sturm, und Pressesprecherinnen. Von Bedeutung ist dabei EHEC, Trinkwasserkontamination oder Legionelauch folgender Aspekt: Neben Radio, TV und Print lengefahr. Dieses Vorgehen garantiert zum einen, spielen neue Medien wie Facebook und Twitter im dass an der AKNZ Erlerntes in der Praxis unmitLeben der Menschen eine zunehmend wichtige telbar anwendbar ist. Zum anderen fließen Rolle. Sie gewinnen folglich auch für das KrisenmaErkenntnisse aus den realen Ereignissen nun Ausbilden 46 | JAHRESBERICHT 2014 | AUSBILDEN direkt in die Lehre zurück. Seminare in Stabsform können oftmals auch gleich für die Fortschreibung der Notfallplanung genutzt werden. Intensiviert hat sich im vergangenen Jahr nicht zuletzt auch die Zusammenarbeit der Verwaltungsstäbe mit anderen Akteuren – vor allem mit den Betreibern kritischer Infrastrukturen, mit kreisangehörigen Kommunen sowie mit Oberbehörden. Der Verwaltungsstab ist hierbei nicht nur die Schnittstelle zur operativ-taktischen Komponente, sondern koordiniert zugleich alle Maßnahmen mit den Gemeinden, mit Unternehmen im Bereich kritischer Infrastruktur, dem Kreisverbindungskommando der Bundeswehr, den Oberbehörden und den Nachbarkreisen. Insbesondere Szenarien mit Gesundheitsgefahren haben deutlich gezeigt, dass sich der Krisenstab auch jenseits sogenannter Blaulichtlagen – also ohne die Beteilung vieler Einsatzkräfte – in der Koordination komplexer Bedrohungssituationen bewähren muss. Darüber hinaus ist der Verwaltungsstab als Ansprechpartner für Unternehmen inzwischen zu einer festen Größe geworden. Vor diesem Hintergrund wurde unter anderem auch eine neue Übungssequenz in das Seminarangebot zur Trinkwassersicherstellung integriert. Polizeiliche Ausbildung an der AKNZ Egal, ob Naturkatastrophe oder Terroranschlag: Ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Akteuren ist nur dann möglich, wenn sich alle Beteiligten sowohl untereinander kennen als auch ihre jeweiligen Aufgabenfelder und Zuständigkeitsgrenzen. Genau darauf fokussiert die Schulung von zukünftigen Polizei- und Kriminalrätinnen und -räten an der AKNZ: Jedes Jahr sind Studierende der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) aus Münster dazu eine Woche lang an der AKNZ in Ahrweiler zu Gast. Das realitätsnahe AKNZ-Training zur Bewältigung von Großschadenslagen gehört an der DHPol seit 2004 zum festen Bestandteil des Masterstudiengangs für den höheren Polizeivollzugsdienst. Neben der Vermittlung grundlegender Informationen über die Strukturen des Bevölkerungsschutzes in Deutschland bilden spezielle Übungen den Kern der Ausbildungswoche an der AKNZ. Dabei nahmen 2014 insgesamt 148 Studierende in bis zu sechs verschiedenen Übungsräumen nacheinander all jene Funktionen ein, die in einem Polizeiführungsstab erforderlich sind. Im Nebenraum saß die jeweilige Übungsleitung – besetzt mit einem fachlich breiten Spektrum unterschiedlicher Professionen: So saß zum Beispiel ein Polizist neben einer Verwaltungsexpertin, eine THW-Vertreterin neben einem Notarzt und ein Feuerwehrmann neben einer Chemikerin. Ergänzend kamen Personen hinzu, die in verschiedenen Rollen die Öffentlichkeit repräsentierten und beispielsweise Angehörige von Verkehrsbetrieben oder der Medien aus eigener Erfahrung heraus überzeugend darstellen konnten. Auf diese Weise gelang es, für die Studierenden ein überaus realistisches Übungsumfeld zu gestalten. Inhaltlich lag der Schwerpunkt der Stabsrahmenübung im letzten Jahr auf dem übergreifenden Management von Großveranstaltungen anhand zweier Szenarien. Der fiktive Hergang: Bei Veranstaltungen in Münster (Szenario 1) und Dortmund (Szenario 2) treten plötzlich Schadensereignisse ein, die von den übenden Stäben zu bewältigen sind – und zwar in engmaschig abgestimmtem Zusammenwirken mit nicht polizeilichen Akteuren des Bevölkerungsschutzes wie Feuerwehr und Rettungsdiensten. Zu den Szenarien gehörten dabei auch fiktive Social-Media-Beiträge via Twitter und Facebook. Trainiert wurden die angehenden Polizeiführungskräfte gemeinsam von Dozenten der DHPol und AKNZ sowie von Angehörigen verschiedener AUSBILDEN Feuerwehren, Polizeidienststellen und Verwaltungseinrichtungen. Insgesamt waren rund 220 Personen an der einwöchigen Übung beteiligt. Viel Raum für Kreativität Während des Trainings mussten die Übenden selbstständig eine vorgegebene Lage beurteilen, die jeweils notwendigen Maßnahmen ableiten, diese veranlassen und ihre Durchführung kontrollieren. Dabei durften und sollten sie durchaus kreativ vorgehen. Das Übungskonzept legt es geradezu darauf an, dass Studierende eigene Ideen entwickeln und ausprobieren können. Die Aufgabe der Übungsleitung bestand hierbei darin, dieses freie Spiel zu fördern und in die richtigen Bahnen zu lenken. Für die künftigen Polizeiführungskräfte in Bund und Ländern ist die Woche an der BBK-eigenen AKNZ in Ahrweiler stets eine wertvolle Erfahrung: Sie erleben hier hautnah, wie sich die Bewältigung einer komplexen Schadenslage in unterschiedlichen Rollen anfühlt. Ein wichtiges Anliegen der AKNZ ist es in diesem Kontext generell, Studierende zu motivieren, in ihrer künftigen Position als Polizist oder Polizistin so schnell wie möglich den Kontakt zu den lokalen Partnern des Bevölkerungsschutzes zu suchen. Ganz nach dem Motto „Köpfe kennenlernen, Netzwerke bilden“. Mittlerweile haben bereits mehr als 1.500 zukünftige Kräfte des höheren Polizeidienstes ihre Woche an der AKNZ erfolgreich absolviert. Etliche von ihnen kehrten seither für weitere Fortbildungen nach Ahrweiler zurück. Noch mehr haben mittlerweile im Berufsleben ihre persönlichen Knoten in das Netzwerk der deutschen Sicherheit eingefügt. An dieser Stelle zeigt sich erneut, wie das BBK den gesamtstaatlichen Ansatz einer vernetzten Sicherheitsarchitektur in Deutschland auch in der Ausbildung mit Leben erfüllt. | 47 AKNZ als breit vernetzte Kooperationsplattform Die AKNZ des BBK ist die zentrale Aus- und Fortbildungseinrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz. Ihr Bildungsangebot richtet sich an alle, die in der zivilen Sicherheitsvorsorge als Entscheidungsträger oder Multiplikatoren Verantwortung tragen. Angesichts der sicherheitspolitischen Entwicklung der letzten Jahre löst sich die vormals scharfe Trennlinie zwischen innerer und äußerer Sicherheit zusehends auf. Umso mehr muss staatliche Sicherheitsvorsorge als eine ganzheitliche Aufgabe verstanden werden, die ein enges Zusammenspiel zwischen komplementären Fähigkeiten aus so unterschiedlichen Bereichen wie Nachrichtendienste, Polizei, Streitkräfte, Bevölkerungsschutz sowie Kritische Infrastrukturen verlangt. Aufgrund seiner föderalen Struktur und der starken Rolle der Wirtschaft im Bereich der Kritischen Infrastrukturen benötigt Deutschland eine allseits akzeptierte Plattform für den Wissensaustausch und die Kooperation innerhalb des hoch vernetzten Sicherheitssystems. Die AKNZ hat sich im Lauf der letzten Jahre zu eben dieser Plattform entwickelt: Sie ist weithin respektiert als Wissensdrehscheibe für Fragen der staatlichen und nicht staatlichen Sicherheitsvorsorge. Sie hat sich darüber hinaus im Rahmen des nationalen Krisenmanagements als Integrationsstelle für alle einschlägigen Stellen in Bund, Ländern und der Wirtschaft etabliert. Mit der Übungsreihe LÜKEX trägt die AKNZ überdies seit 2004 kontinuierlich zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Risiko- und Krisenmanagement von Bund und Ländern auf politisch-administrativer Entscheidungsebene bei. 48 | JAHRESBERICHT 2014 | FORSCHEN Forschen für mehr Sicherheit auf Großveranstaltungen FORSCHEN Bad in der Menge Ob Fußballfinale, Open-Air-Konzert oder Silvester am Brandenburger Tor – atmosphärisch hat eine Großveranstaltung stets etwas Einzigartiges. Nur hier kann man so richtig in die Menge eintauchen und seine Emotionen mit vielen anderen Menschen teilen. Doch wie ist es um die Sicherheit auf der Veranstaltung bestellt? Spätestens die tragischen Ereignisse auf der Love Parade 2010 in Duisburg haben dem kollektiven Bewusstsein eingeprägt, wie wichtig ein fundiertes Sicherheitskonzept für jede Form von Massenveranstaltung ist. | 49 50 | JAHRESBERICHT 2014 | FORSCHEN Damit es zu keinem gefährlichen Gedränge kommt Große Events werden immer beliebter – nicht nur in großen Metropolen, sondern ebenso in vergleichsweise kleinen Städten. Und dies, obgleich Veranstaltungen, bei denen sehr viele Menschen auf relativ engem Raum zusammenkommen, spezifische Risiken für Leben und Gesundheit bergen. So kann es bereits beim Zugang zur Veranstaltung, an der Ticketabfertigung, zu gefährlichem Gedränge kommen. Zu- und Ausgangsschleusen gelten daher als besonders gefährdete Zonen auf dem Veranstaltungsareal. Die Sicherheit von Großveranstaltungen hängt von sehr verschiedenen Faktoren ab – entsprechend vielfältig sind die Ansätze für das Sicherheitsmanagement von Massenevents. Derzeit gibt es dafür kein bundesweit einheitliches Vorgehen. Und auch bei der Qualifikation und dem Erfahrungshorizont der verantwortlichen Akteure gibt es noch große Unterschiede. Nach dem Baukastenprinzip Vor diesem Hintergrund ging 2012 das Projekt „Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ – kurz BaSiGo – an den Start. Finanziert wird das Verbundvorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), wobei das Projektbudget über eine Laufzeit von drei Jahren bei sechs Millionen Euro liegt. Beteiligt sind insgesamt zehn Partner aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, polizeiliche sowie nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr und dem BBK. Ziel von BaSiGo ist es, gemeinsam praktikable Lösungen und Instrumente zu entwickeln, die der Verschiedenartigkeit hinsichtlich Ausrichtung und Größe unterschiedlicher Veranstaltungstypen Rechnung tragen. Dafür wurden insgesamt elf Arbeitspakete geschnürt und je nach fachlicher Spezialkompetenz auf die beteiligten Partner verteilt. Die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des BBK übernahm dabei die Federführung für das neunte Arbeitspaket „Ausbildung“. Die Ergebnisse sämtli- cher Pakete sind im sogenannten „BaSiGo-Guide“ gebündelt. Weitere Produkte des Forschungsprojektes sind die BaSiGo-Simulation, das BaSiGoSupport-System und das BaSiGo-Training. Querschnittsaufgabe Ausbildung Für das Produkt BaSiGo-Training erarbeitete die AKNZ ein Ausbildungsmodell, das im Verlauf des Jahres 2014 mit drei Pilotseminaren erstmals praktisch erprobt werden konnte. Vorabrecherchen hatten ergeben, dass trotz vereinzelter Ausbildungsangebote zum Thema Veranstaltungssicherheit in Deutschland bislang kein überregionales und interdisziplinäres Konzept existierte. Aus Sicht der Forschungspartner ist ein standardisiertes Ausbildungsvorgehen jedoch absolut notwendig, um die Sicherheit auf Großveranstaltungen nachhaltig zu erhöhen. Wichtigste Grundlage für das neue Ausbildungsmodell der AKNZ sind die Forschungsergebnisse der anderen BaSiGo-Arbeitspakete. Hierbei spielen Erkenntnisse und Methoden sowohl aus der Psychologie als auch aus den Sozial- und Ingenieurwissenschaften eine Rolle. Evaluiert wurden zudem Elemente ausländischer Ausbildungsmodelle mit Blick auf eine mögliche Verwendbarkeit. Der Fokus von BaSiGo-Training liegt darauf, theoretisches Wissen mit praktischen Fertigkeiten zu vereinen. Inhaltlich deckt die BaSiGo-Ausbildung alle Phasen einer Großveranstaltung ab – von der Planung und Genehmigung über die Durchführung bis hin zur Nachbereitung. Die thematische Spannbreite umfasst dabei •Sicherheitskonzept •Risikomanagement •Notfallplanung •Kommunikation • Infrastruktur- und Raumplanung • Crowd Management •Simulation •IT-Support. FORSCHEN | 51 Sicherheitsbausteine Polizeiliche Sicherheitsaspekte Sicherheit Nicht polizeiliche Sicherheitsaspekte Veranstaltungsbezogene Sicherheitsaspekte BaSiGoSimulation Rechtliche Analyse Simulation BaSiGoGuide TeilnehmerKommunikation Ausbildung BaSiGoSupport System BaSiGoTraining Interorganisationale Zusammenarbeit Planbarkeit Consulting Veranstalter pol. und nicht pol. Gefahrenabwehr Von zentraler Bedeutung für BaSiGo ist das Konzept der sogenannten Sicherheitsbausteine. Dabei handelt es sich um Module mit Lösungsvorschlägen und Empfehlungen, die auf unterschiedliche Kommunen Veranstaltungstypen übertragbar sind. Potenziellen Gefährdungen werden stets empfohlene Maßnahmen samt geeigneter Werkzeuge gegenübergestellt. Interdisziplinäre Ausrichtung Die Zielgruppe erstreckt sich auf Veranstalter, Ordnungs- und Sicherheitsdienste ebenso wie auf Verwaltungen und Gefahrenabwehrbehörden. Das AKNZ-Seminar „Interdisziplinäre Grundlagenausbildung zur Sicherheit bei Großveranstaltungen“ erweitert einerseits die Handlungskompetenzen der Teilnehmer. Andererseits bietet es ihnen die Möglichkeit, Netzwerke zu bilden und an den Erfahrungen anderer Teilnehmer zu partizipieren. Diese interdisziplinäre Ausrichtung der BaSiGoAusbildung an der AKNZ ist deutschlandweit bislang einmalig. Das Motiv dahinter: Die interorganisationale Zusammenarbeit der Teilnehmer soll nachhaltig verbessert werden. Begleitet wurden die Kurse von einer parallel laufenden Evaluierung, die ein externes Dienstleistungsunternehmen vornahm: Die Teilnehmer waren angehalten, sowohl Inhalte als auch Methoden des Seminars zu bewerten. Auf diese Weise konnten Entwicklungspotenziale des Ausbildungsmodells sehr zeitnah identifiziert werden. Die Evaluierungsergebnisse schlugen sich unter anderem in einem weitgehend überarbeiteten Aufbau der Oktoberveranstaltung gegenüber den vorangegangenen Kursen im März und Mai 2014 nieder. Dabei wurden zum Beispiel auch sogenannte Table Top Exercises implementiert, wodurch die Teilnehmer ihre frisch erworbenen Theoriekenntnisse unmittelbar praktisch anwenden konnten. Eine Weiterentwicklung im didaktischen Vorgehen bestand zudem in der Einführung der CoTeaching-Methode: Hierbei wurden ausgewählte Themenblöcke von zwei Dozenten gemeinsam unterrichtet. Die Neuerungen im Ausbildungskonzept stießen bei den Teilnehmern des dritten Seminars durchweg auf positive Resonanz. 52 | JAHRESBERICHT 2014 | INTERNATIONAL VERNETZEN International vernetzen Bevölkerungsschutz jenseits der Landesgrenzen INTERNATIONAL VERNETZEN | 53 Weltweit anerkannt Deutsches Krisenmanagement hat im Ausland ein hohes Renommee: Zivilschutzkonzepte made in Germany sind inzwischen quasi zum Exportschlager geworden. In vielen Ländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass internationale Kooperation bei der Prävention und Krisenbewältigung von großem Vorteil für alle Seiten ist. Das BBK treibt seit Jahren den Aufbau eines internationalen Beziehungsnetzwerks voran – sowohl bilateral zu Katastrophenschutzbehörden und Hilfsorganisationen anderer Länder als auch auf multilateraler Ebene, zum Beispiel durch eine direkte Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen der Vereinten Nationen und der NATO. 54 | JAHRESBERICHT 2014 | INTERNATIONAL VERNETZEN Krisen am Ursprung bewältigen Was macht deutsches Krisenmanagement so interessant für Länder wie China und – besonders aktuell – für Jordanien und Tunesien? Sicherlich spielen hierbei die klaren Strukturen der deutschen Krisenbewältigungsorganisation eine Rolle. Oder die ausgefeilten Werkzeuge und Methoden, die in der Bundesrepublik über Jahre hinweg für den Zivil- und Katastrophenschutz entwickelt wurden. Auch die zupackende Herangehensweise deutscher Krisenmanager wird im Ausland wahrgenommen. Vermutlich aber ist keiner dieser Faktoren allein für die positive Resonanz verantwortlich, sondern ihr wechselseitiges Zusammenspiel. Auch für die Tatsache, dass sich das BBK buchstäblich vom ersten Tage an für die Verbesserung des Katastrophenschutzes auch außerhalb Deutschlands einsetzt, gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Zum einen bleibt längst nicht jede Krisensituation auf das Territorium der Bundesrepublik begrenzt. Das gilt nicht nur für „klassische“ Katastrophen wie eine Hochwasserflut, von der auch Anrainerstaaten betroffen sein können. Von wachsender Bedeutung sind auch Dominoeffekte – etwa bei einem großflächigen Stromausfall oder einer massiven Störung der informationstechnischen Infrastruktur. Auf der anderen Seite ist das BBK eingebunden in die generelle Strategie des Bundes, die darauf abzielt, Krisen möglichst nah an ihrem Ursprungsort zu bekämpfen. Dahinter steht auch die Idee: Wir gehen zum Krisenherd – bevor die Krise zu uns kommt. INTERNATIONAL VERNETZEN | 55 Rollenspiel während des High Level Coordination Course: Empfang des Botschafters der EU-Delegation EU-weite Ausbildungspartnerschaft Katastrophen wie das Reaktorunglück im japanischen Fukushima oder das verheerende Erdbeben in Haiti verdeutlichen, dass die nationalen Kräfte zur Krisenbewältigung in manchen Situationen auf Expertenhilfe aus dem Ausland angewiesen sind. Die Ausbildung solcher Experten erfolgt im Rahmen von EU-Partnerschaften, in deren Rahmen sich das BBK aktiv engagiert. Konkret ist die BBK-eigene Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in die Ausbildung der EU-Experten eingebunden, die dann übrigens auch außerhalb von EU-Mitgliedsstaaten zum Einsatz kommen können. Während der Ausbildung durchlaufen die Expertenteams in der Regel ein dreistufiges Trainingsprogramm. Die AKNZ veranstaltet dafür bereits seit 2005 regelmäßig einen sogenannten High Level Coordination Course (HLC), der zur höchsten Ausbildungsstufe im EU-Trainingsprogramm gehört. Das viereinhalbtägige HLC-Seminar wurde dabei zum Ausgangspunkt für vielfältige Ausbildungskooperationen zwischen dem BBK und unterschiedlichen Partnerorganisationen in anderen EU-Ländern, so zum Beispiel mit der polnischen Nationalen Akademie der Feuerwehr oder mit der Sicherheitsakademie des österreichischen Innenministeriums. Länderübergreifende Zusammenarbeit ist aber nicht nur die Grundlage einer erfolgreichen Durchführung der Kurse an der AKNZ, sondern ist auch inhaltlich ein Schwerpunkt von HLC: Während der Ausbildung erwerben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gezielt auch Kompetenzen für die Kooperation auf internationalem Parkett – etwa mit Regierungsvertretern des betroffenen Landes, mit Militär- und Polizeiangehörigen oder Sanitätsausbildung während des Safety-and-SecurityKurses: Erste Hilfe leisten unter erschwerten Bedingungen Akteuren aus den Vereinten Nationen, dem Roten Kreuz und anderen humanitären Organisationen. Auch der Umgang mit Medien und Basiswissen zum diplomatischen Verhaltenskodex sind Bestandteil der Seminarinhalte. Neben den HLC-Seminaren führt die AKNZ seit 2012 eine weitere Seminarreihe der höchsten Stufe des EU-Ausbildungsprogramms durch, nämlich den seinerzeit neu entwickelten Head-of-TeamKurs. Beide Seminarblöcke richten sich an Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus 15 Mitgliedsstaaten der EU. Viele Absolventen konnten die in Ahrweiler erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bereits kurz nach der Ausbildung in der Praxis anwenden – entweder als Koordinator, Assessmentbeauftragter oder als Teamleiter bei Einsätzen auf der Grundlage des EU-weiten Katastrophenschutzprogramms European Union Civil Protection (EUCP). 56 | JAHRESBERICHT 2014 | INTERNATIONAL VERNETZEN Nachhaltig helfen: Hilfe zur Selbsthilfe Neben der Katastrophenhilfe durch Experten aus verschiedenen EU-Ländern fokussiert das BBK mit internationalen Partnerschaften auch auf bilaterale Hilfe zur Selbsthilfe. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Schutz und Rettung von Menschen“, das im Rahmen der deutsch-tunesischen Transformationspartnerschaft im Herbst 2012 an den Start ging. Eines der Teilprojekte, in dem sich das BBK engagiert, beschäftigt sich mit der Implementierung eines übergreifenden Krisenmanagementsystems sowohl auf nationaler wie auch auf Gouvernements-Ebene des nordafrikanischen Landes. Die tunesischen Gouvernements entsprechen in etwa der Länderebene der Bundesrepublik. Das BBK arbeitet in diesem Projekt eng mit seinem tunesischen Pendant, dem Office National de la Protection Civile (ONPC), zusammen. 2014 lag der Fokus in Tunesien vor allem auf der Ausbildung von Multiplikatoren des ONPC im Bereich des administrativ-strategischen Krisenmanagements. Ein zweiter Schwerpunkt richtete sich auf die Verbesserung der Ausstattung mit Fahrzeugen und Ausrüstung zur Waldbrandbekämpfung. Das BBK hatte schon unmittelbar nach dem Start des Projektes damit begonnen, gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main und mit dem ONPC Ausstattungskonzepte zu entwickeln, deren Ergebnisse heute an verschiedenen Standorten in Tunesien sichtbar sind. 2014 erhielt der Standort Siliana im Nordwesten des Landes moderne Feuerwehr-Pick-ups zur Waldbrandbekämpfung. Die Pick-ups in Siliana sind Teil eines größeren Verbundsystems, zu dem auch die technische Ausrüstung des Standorts El Kef gehört, die das BBK im Vorjahr geliefert hatte. Stabsübung als krönender Abschluss Bei der Multiplikatorenausbildung wurde den Partnern das deutsche Modell aber nicht einfach übergestülpt. Vielmehr wurden Ausbildungsinhalte und die Methodik gemeinsam mit dem ONPC an die tunesischen Bedürfnisse angepasst – unter anderem in Bezug auf rechtliche Aspekte. 2014 hielt das BBK drei Seminarreihen in verschiedenen tunesischen Städten ab. Die Abschlussseminarreihe stand unter dem Titel Technische Einweisung für tunesische Zivilschutzkräfte INTERNATIONAL VERNETZEN „Von der Planbesprechung zur Stabsübung“ und fand im November in Monastir statt. Die wichtigsten Lernziele dieses Seminars: Lagebeurteilung, Problemfelder erkennen, Prioritäten setzen sowie effiziente Entscheidungsprozesse etablieren. Da die Kursteilnehmer als Ausbilder des ONPC in Zukunft selbst praxisbewährte Kenntnisse und Fähigkeiten weitertragen sollten, lag neben der Entwicklung von Szenarien für Stabsübungen ein besonderes Gewicht auch auf der Vermittlung von methodisch-didaktischem Wissen. Das Finale der letzten Seminarreihe war eine ganztägige Stabsübung mit dem administrativen Stab des Gouvernements Monastir. Anwesend waren hierbei auch BBK-Präsident Christoph Unger sowie der Generaldirektor des ONPC Moez Dachraoui, der den Stab der Gouvernementregierung Monastir während der Übung leitete. Dem Übungsszenario lag ein für die Region durchaus typisches Ereignis zugrunde: die Überflutung des Gouvernements Monastir nach anhaltenden Regenfällen, inklusive schwerwiegender Folgen wie großflächiger Stromausfall, Trinkwasserverschmutzung, Verkehrsbeeinträchtigung, Infrastrukturschäden, notleidende Bevölkerung und nicht zuletzt eine hohe Anzahl betroffener Touristen. Große Resonanz fand die Stabsübung nicht nur bei Beschäftigten im tunesischen Katastrophenschutz, sondern auch bei der Presse des Landes. Einhellig hoben die Beobachter die profunde Ausbildungsmethodik hervor und lobten die Fähigkeit, alle verantwortlichen Akteure im Katastrophenfall an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam schnell und fundiert entscheiden zu können. Jordanien: Besser vorbereitet auf C-Risiken Trotz der fortschreitenden Beseitigung des syrischen Chemiewaffen-Arsenals sind die Risiken, die aus chemischen Stoffen resultieren, weder in Syrien selbst noch in den Nachbarstaaten gebannt. Vor diesem Hintergrund riefen die Bundesrepublik | 57 Deutschland und das Königreich Jordanien bereits 2013 ein gemeinsames Zivilschutzprojekt ins Leben – mit dem Ziel, für einen besseren Schutz der jordanischen Zivilbevölkerung und der syrischen Flüchtlinge vor Ort durch Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe sowie konzeptionelle Unterstützung im medizinischen Bereich zu sorgen. Der Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren (CBRN) ist ein zentrales Aufgabengebiet innerhalb des BBK. In eigenen Labors und enger Kooperation mit Landesbehörden, Forschungseinrichtungen sowie Industrieunternehmen arbeiten BBK-Experten unterschiedlicher Fachrichtung beständig an der Verbesserung von Methoden, Verfahren und Systemen für den Schutz der Bevölkerung vor CBRN-Risiken. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sind für die besonders gefährdeten Regionen im Nahen Osten von unschätzbarem Wert. Deshalb fokussiert das Gemeinschaftsprojekt des BBK mit dem jordanischen Zivilschutz, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird, vor allem auf einen interdisziplinären Methodik- und Wissenstransfer. Wie schon im Jahr davor führte die AKNZ auch 2014 speziell auf CBRN-Gefahren zugeschnittene Fortbildungsveranstaltungen durch. Im letzten Jahr nahmen daran circa 50 Angehörige des jordanischen Zivilschutzes teil. Inhaltlich ging es um fortgeschrittene Detektionsmöglichkeiten inklusive moderner Technik für Probenahmen sowie CBRN-Schutzkleidung, die in Deutschland seit Jahren bewährt ist. Zum anderen standen Fragen der medizinischen Betreuung bei einem Massenanfall von Verletzten im Zentrum der Ausbildung – zum Beispiel, wie mit Betroffenen umzugehen ist, ehe sie in eine Klinik eingeliefert werden können. Aber auch, auf welche psychischen Belastungen der Betroffenen sich die verantwortlichen Einsatzkräfte einstellen müssen. Erörtert wurden diese und andere Fragen nicht nur theoretisch, sondern vor allem in praktischen Übungen. 58 | JAHRESBERICHT 2014 | GESTALTEN Prozesse auf dem Prüfstand Öffentliche Verwaltungen unterliegen einem permanenten Wandel: Aufgabenfelder erweitern und verschieben sich dynamisch. Als Konsequenz daraus müssen auch Aufbau und Ablauforganisation kontinuierlich evaluiert und angepasst werden. Nur so werden öffentliche Institutionen neuen Herausforderungen gerecht und können ihre definierten Aufgaben stets mit hoher Effizienz und Effektivität erfüllen. diesem Kontext auch eine Anpassung der Referateanzahl je Abteilung. Vor diesem Hintergrund veranlasste das BBK 2014 eine breit angelegte Analyse seiner Geschäftsprozesse – mit dem Ziel, bislang unentdecktes Optimierungspotenzial in der eigenen Organisationsstruktur ans Licht zu fördern. Die Untersuchungsergebnisse dienten als Grundlage für eine planvolle Umstrukturierung der Ablauf- und Aufbauorganisation des BBK: Aufgaben wurden neu gebündelt und teilweise anderen Organisationsbereichen zugeordnet. Notwendig war in Zudem verwirklicht die Abteilung Z ein modernes Servicekonzept, mit dem interne Dienstleistungen innerhalb des BBK sowohl flexibler als auch kostengünstiger erbracht und bezogen werden können. Mit der Modernisierung seiner Organisationsstrukturen reagierte das BBK auf die wachsende Komplexität und Vielfalt seiner Aufgaben. Dabei sorgt insbesondere die neu geschaffene Abteilung Z – Zentrale Dienste – für eine präzise Verteilung aller Zuständigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten. Die Neuorganisation vollzog sich in zwei Schritten: Zum 1. Oktober 2014 wurden die Abteilungen I und IV umstrukturiert. Zu Begin des Jahres 2015 folgten dann die Abteilungen II, III sowie die neue Abteilung Z. GESTALTEN | 59 Gestalten Effizientere Prozesse, verbesserte Reaktionsfähigkeit und Prognosen zur möglichen Schadensentwicklung abzugeben. Entsprechend schnell lassen sich fundierte Handlungsempfehlungen ableiten. Schub für kooperative Handlungsfähigkeit Vor mehr als zehn Jahren gegründet, hat das GMLZ seine Leistungsfähigkeit in der jüngeren Vergangenheit unter anderem während der schweren Hochwasserkatastrophe 2013 bewiesen. So konnten seinerzeit länderübergreifende Hilfsleistungen für betroffene Regionen deutlich besser organisiert werden als bei der Flut 2002. Denn damals gab es das GMLZ noch nicht. GMLZ: Globale Sicht auf Schadenslagen In Krisensituationen von nationaler Tragweite erfordern Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung eine perfekte Koordination zwischen allen verantwortlichen Akteuren. Das betrifft alle im Katastrophenschutz und Rettungswesen engagierten Behörden und Organisationen sowohl auf Bundes- und Länderebene wie auch in den Kommunen. Eben dies ist das Ziel des Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums (GMLZ) von Bund und Ländern. Das GMLZ erfüllt die Funktion einer zentralen Informationsschnittstelle, die ein organisationsübergreifendes Informations- und Ressourcenmanagement bei großflächigen Schadensereignissen erst möglich macht: Rund um die Uhr werden hier potenzielle Gefahrenquellen beobachtet, mögliche Schadensindizien interpretiert und zu einem flächendeckenden Lagebild zusammengefügt. Auf diese Weise gelingt es, selbst hochkomplexe und multikausale Szenarien frühzeitig zu erkennen Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im GMLZ sind solche Erfolge jedoch kein Grund zum Ausruhen. Stillstand hat es hier ohnehin nie gegeben. 2014 wurden die Weichen für eine grundlegende Modernisierung der baulich-technologischen Ausstattung im GMLZ gestellt: Neben der eigentlichen Einsatzzentrale wird das GMLZ künftig zwei zusätzliche Räume beziehen, um Platz für neue Aufgaben zu gewinnen. Dazu gehörten unter anderem die Erweiterung der Analyse- und Prognosefähigkeiten, wie sie zum Beispiel für eine verbesserte Ressourcenvermittlung im Sinne des angedachten Bund-LänderKonzepts „Servicestelle Engpassressourcen Bund/ Länder“ erforderlich sind. Technologisch zielt das Modernisierungsprojekt auf eine Grunderneuerung der IT- und Mediensysteme im GMLZ. Neben neuen Computerarbeitsplätzen ist hier insbesondere die großflächige LCD-Medienwand zu nennen. Weil herkömmliche Rückprojektoren dadurch 60 | JAHRESBERICHT 2014 | GESTALTEN Neuer GMLZ-Einsatzraum SEBL ZIN Analyse Großflächige Medienwand (blau) macht Rückprojektion überflüssig und sorgt für optimale Raumausnutzung überflüssig werden, kann der verfügbare Raum deutlich besser ausgenutzt werden. Ein weiteres Highlight ist der interaktive Lagetisch – eine Spezialentwicklung des Fraunhofer-Instituts IOBC in Karlsruhe. Es handelt sich hier um eine Art Riesen-Tablet-PC mit einem weiteren vertikalen Touchscreen. Im GMLZ können in Zukunft also mehrere Personen gemeinsam beispielsweise eine digitale Lagekarte interaktiv bearbeiten. Planungsfixstern: LÜKEX 2015 Die GMLZ-Modernisierung ist Teil eines Gesamtprojekts zum Umbau operativer Zentralen des BBK und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk THW. Dazu gehört unter anderem auch die Erneuerung der Warnzentrale, inklusive der technischen Integration wesentlicher Warnfunktionalitäten in den GMLZEinsatzraum. Im Zuge der Modernisierung wird das in derselben Liegenschaft ansässige THW überdies eine Ausweichstelle für die Einsatzzentrale und die Taktisch-Technische Betriebsstelle errichten. Bis zur LÜKEX 2015 soll die neue Warnzentrale bereits voll funktionstüchtig sein. Unmittelbar danach kann dann der Umbau des GMLZ beginnen. Mit den positiven Effekten der Modernisierung ist voraussichtlich ab Anfang 2016 zu rechnen. Digitale Beschaffungsprozesse Im Sommer 2007 vereinbarten Bund und Länder die Neukonzeption für die Ausstattung des ergänzenden Katastrophenschutzes, die Anfang 2008 in GESTALTEN | 61 Kaufhaus des Bundes Die elektronische Bestellplattform für die Bundesverwaltung wurde per Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zur Optimierung öffentlicher Beschaffungsprozesse am 10. Dezember 2003 ins Leben gerufen. Es handelt sich beim KdB um ein geschlossenes System mit besonderen Zugangsberechtigungen, das vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern betrieben wird. >> www.kdb.bund.de Dabei gilt das Prinzip einer möglichst homogenen Ausstattung über alle Länder hinweg. Der durchschnittliche Kfz-Ausstattungsgrad hat im Zivilschutz der Länder inzwischen gut 81 Prozent erreicht. Kraft trat. Seither ergänzt der Bund die Katastrophenschutzausstattung der Länder mit Fahrzeugen und technischem Gerät. Im Auftrag des BBK werden die Fahrzeuge vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) bestellt und an das BBK ausgeliefert. Das BBK wiederum weist sie den Empfängerländern und Gemeinden zu, die dann als Halter im Kfz-Brief eingetragen werden. Gleichwohl bleibt das BBK der Fahrzeugeigentümer. Bis Ende 2014 konnte das BBK insgesamt 4.090 Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Dafür wurden in den vergangenen sieben Jahren rund 209 Millionen Euro ausgegeben. Bei der Aufteilung der Fahrzeuge ist das BBK bestrebt, den Interessen aller Bundesländer in gleicher Weise Rechnung zu tragen. Bei der Ersatzbeschaffung von Ausstattung für die Fahrzeuge geht das BBK gemeinsam mit dem BeschA neue Wege: Die zuständigen Landes- und Kommunalbehörden erhalten künftig die Möglichkeit, entsprechende Produkte über das „Kaufhaus des Bundes“ (KdB) elektronisch zu beziehen. Sie profitieren somit automatisch von den Rahmenverträgen des KdB. Aus der zusammengefassten Beschaffung des Bundes ergeben sich handfeste wirtschaftliche Vorteile – zum Beispiel günstigere Einkaufspreise. Überdies kürzt der Wegfall der aufwendigen Preiserhebung den gesamten Beschaffungsprozess erheblich ab. Das wiederum hilft den Landes- und Kommunalbehörden Verwaltungskosten einzusparen. BBK und BeschA wollen mit ihrem Gemeinschaftsprojekt erklärtermaßen einen Beitrag zur Umsetzung des Regierungsprogramms „Digitale Verwaltung 2020“ leisten. 62 | JAHRESBERICHT 2014 | GESTALTEN Im letzten Jahr wurden schwerpunktmäßig weitere Gerätewagen Sanität sowie Dekontaminationsfahrzeuge angeschafft. Sie stehen den Ländern in FriedensMit weniger mehr erreichen! zeiten für den Katastrophenschutz zur Verfügung. Auch die Unterbringung der bereitgestellten Fahrzeuge an Gleichfalls wie im Vorjahr floss den jeweiligen Länderstandorten auch 2014 ein Großteil der Mittel in Garagen wurde aus BBK-Mitteln – nämlich knapp die Hälfte des finanziert. Weitere Gelder kamen der Gesamtbudgets – in die Umsetzung des Ausbildung freiwilliger Helferinnen und Helfer an neuen Ausstattungskonzepts des Bundes. Dieses der BBK-eigenen Akademie für Krisenmanagement, Konzept konzentriert sich auf den Aufbau von Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Ahrweiler Spezialfähigkeiten für besondere Gefahrenlagen, zugute. Neben den laufenden Ausgaben für den zum Beispiel die Bewältigung eines Massenanfalls Ausbildungsbetrieb fielen 2014 dort bereits erste von Verletzten oder die Beherrschung chemisch, Kosten für den im Frühjahr 2015 begonnenen Bau biologisch, radioaktiv oder nuklear verursachter eines neuen Konferenz- und Kantinengebäudes an. Gefahrenlagen. Das BBK musste wie schon im Vorjahr 2014 eine leichte Budgeteinbuße verkraften: Gegenüber 2013 ging der Etat im abgelaufenen Haushaltsjahr um rund eine halbe Million auf etwa 99 Millionen Euro zurück. BBK-Haushalt 2014 Verteilung des BBK-Etats auf die einzelnen Kostenbereiche (in %) Entwicklung des BBK-Stellenbestandes* 340_ Hgr. 8 Investitionen: 36 % Hgr. 4 Personalausgaben: 16 % 320_ 324,5 322,5 308,0 305,2 300_ 291,7 290,5 281,5 280_ Hgr. 7 Baumaßnahmen: 1 % Hgr. 6 Zuwendungen und Zuschüsse: 7 % 276,7 266,7 264,7 265,7 260_ 240_ Hgr. 5 Sächliche Verwaltungsausgaben: 40 % 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 *Stellen nach Haushaltsplan Impressum Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Provinzialstraße 93 53127 Bonn Stand: Mai 2015 Auflage: 3.000 Druck: Medienhaus Plump GmbH, Rheinbreitbach Papier: Circle Silk Premium White Redaktion, Texte, Gestaltung, Layout, Satz: Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden Urheberrechte: Das Copyright für Texte und Bilder liegt beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), soweit nicht anders ausgewiesen. Bildnachweise: Seite 21, jaddingt, Fotolia.com Seite 23, Sergey Uryadnikov, Shutterstock.com Seite 28/29, pixelio.de Seite 34/35, hykoe, Fotolia.com Seite 37, alexkalina, Freeimages.com Seite 41, Illustration von Michael Hüter Seite 48/49, KB3, Fotolia.com Seite 58/59, fotogestoeber, Fotolia.com Seite 61, Markus Mainka, Fotolia.com Alle anderen Abbildungen stammen aus dem Archiv des BBK. BBK-Bibliografie 2 | JAHRESBERICHT 2014 | K APITEL +++ ERSTE VOLLÜBUNG DER MEDIZINISCHEN TASK FORCE DES BUNDES +++ L SOCIAL WEB +++ ERSTE VOLLÜBUNG DER MEDIZINISCHEN TASK FORCE DES BU AUS DEM SOCIAL WEB +++ BEVÖLKERUNGSSCHUTZ GEHT ALLE AN +++ LAGEBI WEB +++ ERSTE VOLLÜBUNG DER MEDIZINISCHEN TASK FORCE DES BUNDES DEM SOCIAL WEB +++ ERSTE VOLLÜBUNG DER MEDIZINISCHEN TASK FORCE MATIONEN AUS DEM SOCIAL WEB +++ ERSTE VOLLÜBUNG DER MEDIZINISCH www.bbk.bund.de
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