Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik 1 Einführung Aufgabenstellung Der Entwurf einer Schaltung erfolgte in der klassischen Arbeitsweise in folgenden Schritten: Aufgabenstellung Schaltungsentwurf und Dimensionierung (Synthese) Versuchsaufbau Messung und Auswertung (Analyse) Mit den Ergebnissen der Analyse erfolgt bei Bedarf eine Änderung des Schaltungskonzeptes (Redesign) oder/und eine Änderung der Schaltungsparameter (Optimierung) Schaltungsentwurf Versuchsaufbau Messung Auswertung Mit der Möglichkeit, integrierte Schaltungen herzustellen wuchs die Komplexität der Schaltungen explosionsartig und man stieß sowohl bei der Synthese als auch bei der Analyse an Zeitgrenzen und prinzipielle Grenzen. fertige Schaltung Grenzen bei der Synthese: Zeitproblem: prinzipielles Problem Aufgabenstellung Entwurf dauert zu lange "Engineer blow out": Begrenzte Kapazität des menschlichen Gehirns CAD Rechnerunterstützter Schaltungsentwurf: Computer Aided Design (CAD) Grenzen bei der Analyse: Zeitproblem: prinzipielle Probleme: Simulation Integrierte Schaltungen zu komplex für diskreten Aufbau und Messung parasitäre Effekte bei diskretem Aufbau Kontrolle der Toleranzen bei digitalen Schaltungen: Verifikation der Spezifikation Auswertung fertige Schaltung Schaltungssimulation Weitere Vorteile der Schaltungssimulation (auch bei kleineren Schaltungen): Ausfallursachenforschung: IC`s besitzen nur vergleichsweise Anschlusspins Ausbeuteanalyse Zerstörungsfreie Grenzwertuntersuchung Designtheorie-Verifikation (effektives Lernen von Schaltungsprinzipien) 1-1 TW 17.03.15 SM_1.doc wenige Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Ziel jeder Simulation: Möglichst genaue Übereinstimmung mit der Wirklichkeit Modellierung aller Effekte erfordert bei der heutigen Schaltungskomplexität einen unrealistischen Aufwand an Speicherplatz und Rechenzeit (Verhältnis bleibt wegen der simultanen Entwicklung der Schaltungskomplexität und der Computertechnik annähernd gleich!) Problemangepasste Näherungen Abstraktionsebenen: 1) Bauelementesimulation (Device-Level): Modellierung eines oder einiger weniger (max. 10) Bauelemente Parameter: Geometrie (2-,3-dim.), Prozess Beispiel: Ansys 2) Schaltkreissimulation (Circuit-Level) Modellierung einer aus Bauelementen (z.B. Transistoren, Widerstände) (einige 1000 Transistoren) zusammengesetzten Schaltung Parameter. elektrische (z.B. Widerstand, Kapazität, Kennlinie) und physikalische Eigenschaften der Bauelemente (z.B. Beweglichkeit, Bandlücke) aus Theorie bzw. Bauelementesimulation Beispiel: SPICE 3) Schaltwerk- oder Logiksimulation (Gate-Level) Modellierung einer aus Standardschaltkreisen (Gattern) (z.B. NAND, NOR, FlipFlop) (entsprechend einige 100 000 Transistoren) zusammengesetzten Schaltung Parameter: Laufzeiten, Schaltzeiten der Gatter Beispiel: XILINX 4) Systemsimulation (System-Level) Modellierung eines aus funktionellen Blöcken (z.B. Addierer, Speicher) (entsprechend einige Millionen Transistoren) zusammengesetzten Systems (z.B. Mikroprozessor). Parameter: Funktion und Zeitverhalten der funktionellen Blöcke Beispiel: VHDL Abstraktionsgrad Der Übergang zwischen den einzelnen Abstraktionsebenen ist fließend. Die Tendenz geht zunehmend in Richtung umfassender Simulationswerkzeuge, die mehrere oder alle Ebenen der Abstraktion beherrschen und eine automatische Übergabe der Parameter von niedrigen zu höheren Abstraktionsebenen erlauben. Schaltkreissimulation (Circuit-Level) Logiksimulation (Gate-Level) Systemsimulation (System-Level) Bauelementesimulation (Device-Level) 1 10 3 10 5 10 Anzahl der Transistoren 1-2 TW 17.03.15 SM_1.doc 7 10 Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Wichtige SPICE-Simulatoren: LTspice (Hersteller: Linear Technology) PSpice (Hersteller: Cadence Design Systems) HSPICE (Hersteller: Synopsys) Multisim (Hersteller: National Instruments) B2 Spice (Hersteller: Beige Bag Software) TINA (Hersteller: Texas Instruments) ngspice (Open Source Project) Programmstruktur von LTspice: LTSpice besteht aus mehreren Programmteilen, die über Files Informationen austauschen. Kern des Programmpakets ist der Simulator, der die sogenannte Netzliste (.net) simuliert. Da die verschiedenen SPICE-Simulatoren alle eine solche Netzliste als Eingabe akzeptieren, ist eine gewisse Kompatibilität gewährleistet. Es müssen allerdings alle Anweisungen ersetzt werden, die in einer bestimmten SPICE-Version nicht implementiert sind. Zusätzlich benötigt der Simulator in der Regel Modelldefinitionen aus BibliothekFiles. Die Simulationsergebnisse werden nach erfolgreicher Simulation in Listenform (.log) und in Tabellenform (.raw) abgespeichert. Die Liste kann mit einem Texteditor gelesen werden, während die Tabellen Binärfiles sind und nur vom Programmteil Waveformviewer als Kurven ausgegeben werden können. Die Netzliste kann im Prinzip mit jedem Texteditor erstellt werden. LTSpice stellt jedoch einen leistungsfähigen Schaltplaneditor zur Verfügung, mit dem der Schaltplan grafisch erstellt werden kann. Aus dem Schaltplan wird vor der Simulation die Netzliste automatisch erstellt. Für die Erstellung des Schaltplans steht im Schaltplaneditor eine Symbolbibliothek mit graphischen Bauteilen zur Verfügung. Der eingegebene Schaltplan wird in einem File (.asc) abgespeichert. Der Schaltplaneditor erzeugt aus den graphisch eingegebenen Bauteilen Elementbeschreibungen, die den Regeln der Netzliste entsprechen und speichert sie in ein File (.net). Jedes Symbol besitzt dabei eine Liste von Attributen, die der Reihe nach in die Netzlistenzeile geschrieben werden. Der Anwender muss die Syntax der Elementbeschreibung nur kennen, wenn er mit Hilfe des Symboleditors eigene, neue Bauteile erstellen will. 1-3 TW 17.03.15 SM_1.doc Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Die Netzliste enthält zusätzlich zur Schaltung noch Steuerbefehle für die Simulation. Diese Steuerbefehle werden zum Teil durch Menüs im Schaltplaneditor und zum Teil durch sog. SPICE Directives erzeugt, die im Schaltplan plaziert werden. Für alle Steuerbefehle, die nur durch SPICE Directives erzeugt werden können, muss der Anwender die Syntax kennen (s. Arbeitsblätter A27-A29 "Steuerbefehle"). Archiviert wird nur das File (.asc) sowie evtl. zugehörige Library-Files. Der Schaltplaneditor kann auch eine komplette Schaltung als Unterschaltung abspeichern und ein entsprechendes Symbol für die Unterschaltung erzeugen. Mit dem Symboleditor kann eine Grafik für ein Symbol erstellt werden, die Anzahl und Reihenfolge der Pins kann festgelegt werden und die Attribute für die Erzeugung des Netzlisteneintrages können festgelegt werden. Inhalt der Files Extension .net .raw .sub .log .plt .asc .asy Inhalt erzeugt durch Bauelementebeschreibungen und Schaltplaneditor (Run) Steuerbefehle Texteditor Simulationsergebnisse in Simulator Tabellenform (automatisch nach (evtl. teilweise) erfolgreicher Simulation) Modelldefinitionen und Texteditor Unterschaltungen Simulationsergebnisse in Simulator Listenform/ Abbruchursache (automatisch bei Simulation) Displays Waveform Viewer Simulationseinstellungen und Schaltplaneditor grafische Schaltplanbeschreibung Beschreibung der graphischen Symbol-Editor Bauteilsymbole 1-4 TW 17.03.15 SM_1.doc Myfile.asy Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Name.net Symboleditor Myfile.sub Texteditor Myfile.xxx Symbolbibliothek .asy Name.asc Schaltungsbeschreibungen .asc oder .net Name.net Name.net Schaltplaneditor konfig. Auszug Modellbibliothek .sub konfig. Auszug Name.raw Simulator Name.log Waveform Viewer Name.plt Texteditor konfig. Auszug Files mit Param. u. Funkt. Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Eingabe Archiv Eingabe Simulation Ausgabe Archiv Programmstruktur 5 TW 17.03.15 SM_1.doc Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Aufbau der Netzliste (.net) Die Netzliste ist ein Textfile, dessen Zeilen als Anweisungen betrachtet werden. Die erste Zeile und alle mit * beginnenden Zeilen werden als Kommentar betrachtet, ebenso alles, was in einer Zeile nach einem ; folgt. Es gibt zwei Sorten von Anweisungen: 1) Elementbeschreibungen Durch die Elementbeschreibungen wird die Schaltung eingegeben. Jedem Element der Schaltung entspricht eine Elementbeschreibung. Die Elementbeschreibung beginnt mit dem Kennbuchstaben des Elementtyps (s. Arbeitsblatt "Komponenten"). An den Kennbuchstaben wird ohne Leerzeichen ein eindeutiger Elementname angehängt. Danach folgen, getrennt durch ein Trennzeichen (in der Regel Space) die Knotennamen, an denen das Element angeschlossen ist. Bei vielen Elementen folgt danach der Name eines Modells. Danach folgen je nach Elementtyp eine Reihe von Parametern. Beispiel: D1 out 0 1N4148 Diode mit dem Modell 1N4148 zwischen Knoten out (Anode) und Knoten 0 (Kathode). 2) Steueranweisungen Durch die Steueranweisungen werden die Analysearten spezifiziert, die Simulation gesteuert, sowie Funktionen und Parameter definiert. Alle Steueranweisungen beginnen mit einem . (s. Arbeitsblätter "Steuerbefehle") Die Reihenfolge aller Anweisungen ist mit einer Ausnahmen beliebig: .END muss immer die letzte Anweisung einer Schaltung sein Trennzeichen zwischen Eingaben: Leerzeichen, Komma, Klammern () und = Wenn eine Zeile mit einem + beginnt, wird sie als Fortsetzung der vorhergehenden Zeile betrachtet. Aufbau eines Library-Files (.sub) Für ein Library-File gelten zusätzlich folgende Regeln: Die erste Zeile ist nicht automatisch Kommentarzeile Es sind nur die Steueranweisungen .MODEL, .SUBCKT, .ENDS, .PARAM und .LIB zulässig. 6 TW 17.03.15 SM_1.doc Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Beispiel: Schaltplan (Netzliste.asc) Netzliste (Netzliste.net) * C:\Daten\Vorlesungen\Sm\Sm_Vorlesung_SS15\SPICE_Vorlesung\Netzliste.asc V1 N001 0 2V R1 N001 out 1k D1 out 0 1N4148 .model D D .lib C:\Program Files (x86)\LTC\LTspiceIV\lib\cmp\standard.dio .op .backanno .end 7 TW 17.03.15 SM_1.doc Prof. Dr. T. Wolf Hochschule Landshut Schaltungssimulation Master Elektrotechnik Ausgabe-File (.log) Wichtiges File für den Benutzer, da hier Fehlermeldungen und sämtliche Informationen des Simulators, die nicht in Kurvenform vorliegen, ausgedruckt werden. Ausgabefile für obiges Beispiel: --- Expanded Deck Component Count --D's 1 R's 1 V's 1 tot: 3 --- Expanded Netlist --* C:\Daten\Vorlesungen\Sm\Sm_Vorlesung_SS15\SPICE_Vorlesung\Netzliste.asc v1 n001 0 2v r1 n001 out 1k d1 out 0 1n4148 .model 1n4148 d(is=2.52n rs=.568 n=1.752 cjo=4p m=.4 tt=20n iave=200m vpk=75 mfg=onsemi type=silicon) .op .end Direct Newton iteration for .op point succeeded. Semiconductor Device Operating Points: --- Diodes --Name: d1 Model: 1n4148 Id: 1.40e-03 Vd: 6.00e-01 Req: 3.24e+01 CAP: 6.24e-10 Date: Sun Mar 15 18:07:38 2015 Total elapsed time: 0.028 seconds. tnom = 27 temp = 27 method = trap totiter = 7 traniter = 0 tranpoints = 0 accept = 0 rejected = 0 matrix size = 4 fillins = 0 solver = Normal Matrix Compiler1: 100 Bytes object code size Matrix Compiler2: 248 Bytes object code size 8 TW 17.03.15 SM_1.doc
© Copyright 2024 ExpyDoc