Luftwechsel im Altbau - Nachweis des

ZurAm
Beurteilung
Objekt
Luftwechsel im Altbau
Nachweis des Mindestluftwechsels über die Qualität der Gebäudehülle?
D
er Nachweis des Luftwechsels kann
bei der Teilsanierung von Altbauten verhindern, dass sich nach der Sanierung Schimmel bildet. Die DIN 19466 gibt hierfür aber nur unkonkrete Anhaltspunkte. Deshalb stellt der Autor
ein ergänzendes Verfahren vor, das
die Qualität der Gebäudehülle in den
Nachweis einbezieht. 
Wird ein Gebäude saniert, insbesondere beim Fenstertausch, so steigt die Luftdichtheit der Gebäudehülle drastisch an.
Deswegen ist auch nach § 6 (2) der Energieeinsparverordnung 2014 der Mindestluftwechsel nachzuweisen. Die Baupraxis
hat gezeigt, dass es zu massiven Schäden,
sprich Schimmelwachstum, kommen kann,
wenn dieser Nachweis unterbleibt (Bild1).
Schimmel wächst, wenn Feuchtigkeit,
Nährstoffe, ausreichend hohe Temperaturen und ein geeigneter Untergrund vorhanden sind. Sedlbauer hat darauf aufbauend
ein Prognosemodell zum Wachstum von
Schimmel entwickelt [1]. Als baupraktisch
problematisch hat sich bei der Schimmelbildung weniger das Heizen, sondern vielmehr das Lüften herausgestellt. So hat die
Erfahrung gezeigt, dass es auch in vielen
gut gedämmten Neubauten zu Schimmelproblemen kam. Viele Nutzer waren offensichtlich überfordert, die nötige Anzahl an
Luftwechseln zur Sicherung einer hygie­
nischen Raumluftqualität sicherzustellen.
Schon allein aus diesem Grund besteht die
Forderung nach einem Mindestluftwechsel
in der Energieeinsparverordnung.
Normativ-rechtlicher
Nachweis des Luftwechsels
Wie genau dieser Nachweis zu erbringen
ist, schreibt die Energieeinsparverordnung
nicht vor. Der Verfasser wagt zu behaupten, es ist mittlerweile üblich, für den
Nachweis des Mindestluftwechsels die DIN
1946-6:2009 [2] heranzuziehen.
In der Tat wird in der Norm in Abschnitt 3
angeführt, die Mittelung der Lüftungsstufen der Norm entspreche dem nach der
Energieeinsparverordnung
geforderten
Mindestluftwechsel. Ob die Norm bereits
eine anerkannte Regel der Technik darstellt
oder nicht, wird hier nicht näher besprochen. Zur Erinnerung: Eine anerkannte
Regel der Technik weißt folgende Merkmale auf:
• Wissenschaftlich richtig
• Den Fachleuten bekannt
• In der Praxis über einen längeren Zeitraum ausreichend bewährt (in der Regel
10 Jahre oder mehr)
Aus technischer Sicht ist es fahrlässig und
zudem ein Rechtsverstoß, also ein Verstoß
gegen die Energieeinsparverordnung, keinen Nachweis zum nötigen (Mindest-)Luftwechsel zu führen.
Luftwechselnachweis
nach DIN 1946-6
Der Nachweis nach der Norm DIN 1946-6
ist, wie es der Name der Norm erwarten
lässt, lüftungstechnisch orientiert. Man unterscheidet vier Lüftungsstufen:
1.Lüftung zum Feuchteschutz (Neubau
30 %, Altbau 40 % der Nennlüftung)
2.Reduzierte Lüftung (bei 70 % der Nennlüftung)
3.Nennlüftung (100 % der erforderlichen
Lüftung)
4.Intensivlüftung (130 % der erforder­
lichen Lüftung)
Bild: © Michael Siegwart
„Dreh- und Angelpunkt“ ist dabei die Lüftungsstufe der Nennlüftung. Von der erforderlichen Nennlüftung leiten sich die anderen Lüftungsstufen ab.
(1) Schimmelbildung im Bereich geometrischer Wärmebrücken durch unzureichende Lüftung und ungünstige Möblierung
44
Die Anforderungen an die Nennlüftung
ergeben sich aus der Wohnungsgröße,
bzw. Anzahl der Nutzer (sofern bekannt),
der geografischen Lage der Wohnung und
der Gebäudehöhe. Die Anwendung der
Norm erlaubt dabei bereits die Auslegung
lüftungstechnischer Maßnahmen für die
einzelnen Räume. Man kann mit den Verfahren in der Norm die unterschiedlichen
Luftvolumenströme, die für die einzelnen
Räume nötig sind, berechnen. So haben
unterschiedliche Räume wie beispielsweise
der bauschaden | April / Mai 2015
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Wohn- und Schlafzimmer unterschiedliche
Anforderungen an die Luftvolumenströme.
Dies ist nachvollziehbar, da die Nutzung
dieser Räume auch unterschiedlich ist.
Die Rolle der
Gebäudehülle in der DIN
1946-6
Die nachzuweisenden Gebäude nach DIN
1946-6 werden in Gebäude neuer Bauart
mit einem hohen Wärmedämmstandard
und Gebäude alter Bauart unterschieden.
Das Unterscheidungskriterium ist hierbei
das Baujahr des Gebäudes. Gebäude vor
dem Baujahr 1995 werden dabei hinsichtlich des Dämmniveaus als „Altbau“ klassifiziert. Die Gebäudehülle spielt in der Norm
also nur eine untergeordnete Rolle.
Nun ist es aber so, dass zwischen einem
Gebäude, z. B. aus dem Baujahr 1994, und
einem Gebäude, z. B. aus dem Baujahr
1950, erhebliche Unterschiede hinsichtlich
des Dämmstandards bestehen [3]. Diese
Unterschiede werden mit der groben Einteilung der DIN 1946-6 der Auffassung
des Verfassers nach bei einigen Gebäuden
nicht nachvollziehbar genug erfasst.
Ergänzendes Verfahren
zum Nachweis des
Luftwechsels
Ergänzend wird in diesem Artikel eine Methode vorgestellt, mit dem der erforderliche
Luftwechsel zur Vermeidung von Schimmelwachstum anhand der wärmeschutztechnischen Qualität der Gebäudehülle
einfach überprüft werden kann. Die vorgestellte Methode ist aus der Normenreihe der DIN 4108 abgeleitet und entspricht
nicht den anerkannten Regeln der Technik,
was den Nachweis des Mindestluftwechsels
angeht. Schon allein deshalb kann sie die
Verfahren nach DIN 1946-6 nicht ersetzen.
Sie beruht aber auf wissenschaftlich nachvollziehbaren und etablierten Zusammenhängen.
Die Methode erlaubt eine einfache Berechnung des notwendigen Luftwechsels bei
Altbauten, bezogen auf die spezifischen
Oberflächentemperaturen. Dies kann bei
Gebäuden von Bedeutung sein, bei denen
der bauschaden | April / Mai 2015
zwar durch Überarbeiten oder Tausch von
Fenstern oder anderen Elementen die Gebäudedichtheit erhöht wird, bei denen aber
an der restlichen Gebäudehülle keine anderen Maßnahmen vorgenommen werden
können. Dies ist z. B. der Fall bei gegliederten, mit Schmuckelementen versehenen
Steinfassaden oder bei vorgehängten Fassaden und bei Räumen, die keine Innendämmung zulassen.
Herleitung des
ergänzenden Verfahrens
Das hier vorgestellte Verfahren ist vom
Grundsatz her simpel. Zunächst ist in der
Bestandskonstruktion bzw. der Konstruk­
tion mit den geplanten Änderungen die
Stelle mit der tiefsten Oberflächentemperatur zu ermitteln. Dies ist mit einem gängigen zweidimensionalen Wärmebrückenprogramm möglich.
Nach DIN 4108-2:2013, Abs. 6.2.2 muss
der Nachweis der Oberflächentemperaturen zwar nur für Kanten geführt werden
und nicht für Ecken [4]. Je nach Anwendungsfall kann es aber sinnvoll sein, den
Nachweis für Ecken, sprich für punktförmige Wärmebrücken, zu führen. Hierzu wird
ein dreidimensionales Wärmebrückenprogramm benötigt.
Der Temperaturfaktor fRsi ist die Differenz
zwischen raumseitiger Oberflächentemperatur Si, und der Außenlufttemperatur e,
geteilt durch die Raumlufttemperatur innen
und die Außenlufttemperatur. Er ist wie
i
folgt definiert:
fRSi =
θ Si − θ e
(1)
θi − θe
Der Temperaturfaktor muss für die ungünstigste Stelle ≥ 0,7 sein. Das bedeutet, die
raumseitige Oberflächentemperatur θSi darf
bei Normrandbedingungen an der ungünstigsten Stelle nicht unter +12,6 °C liegen.
Bei Altbauten wird diese Temperatur jedoch regelmäßig unterschritten. Änderungen an der Luftdichtheit der Gebäudehülle
haben dort unter Umständen besonders
gravierende Auswirkungen.
Beim diesem Nachweis nach Abschnitt 6.3
der DIN 4108-2:2013 wird eine kritische
Luftfeuchte ϕSi im Grenzbereich zur Bau-
teiloberfläche von 80 % zugrunde gelegt.
Es ist aber möglich, den Grenzwert für die
Luftfeuchte nach unten zu verschieben,
wenn z. B. Korrosion an nicht sorptiven
Oberflächen vermieden werden muss [5].
Die relative Luftfeuchtigkeit im Grenzbereich zur Bauteiloberfläche kann auch über
die Wasseraktivität, den so genannten awWert, dargestellt werden. Dabei ist:
aW =
Si
100
(2.1)
Der aw-Wert kann zwischen 0 und 1 liegen.
Ab einem aw-Wert von 0,7 beginnen manche xerophile Pilze zu wachsen. Ab einem
Wert von 0,8 ist die Feuchtigkeit ausreichend groß für das Wachstum der meisten
innenraumrelevanten Schimmelpilzarten
[6].
Hier wird ersichtlich, dass die nach DIN
4108-2 bzw. nach DIN EN 13788 vorausgesetzte relative Luftfeuchte im Grenzbereich zur Bauteiloberfläche nicht über
einen längeren Zeitraum einwirken darf
(je 8 Stunden über 3 Tage [7]). Ansonsten kann es zum Wachstum von Schimmel
kommen. Bei ordnungsgemäß geplanten
und ausgeführten Gebäuden sollte es dagegen nicht zum Wachstum von Schimmel
kommen.
Die Gleichung 2.1 kann für die Zwecke
des vorgestellten Verfahrens abgewandelt
werden, um direkt aus dem Verhältnis von
in der Raumluft enthaltener Wasserdampfkonzentration fi und Wasserdampfkonzentration im Grenzbereich zur Bauteilober­
fläche fSi den aw-Wert an der Bauteiloberfläche zu berechnen.
aW =
fSi
fi
(2.2)
Rechnerisch kann es dann zunächst dazu
führen, dass der aw-Wert größer als 1 wird.
Das heißt jedoch einfach, dass die Aufnahmekapazität der Luft überschritten ist.
In Tabelle 1 des DIN-Fachberichts 4108-8
sind typische Feuchtequellen in Wohnungen und die stündliche / tägliche Feuchteabgabe angegeben [8]. Aus dieser Tabelle
kann man die Feuchtelast einer Nutzereinheit abschätzen. Es ist sogar möglich zu
unterscheiden, ob die Feuchtequelle kontinuierlich einwirkt, z. B. durch Pflanzen
45
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oder Wäschetrocknen, oder nur kurzzeitiger Natur ist, z. B. beim Kochen. Unter Umständen kann man die Art der Einwirkung
auch bei der Planung der Lüftungsmaßnahmen mit berücksichtigen.
Die relative Luftfeuchte bezeichnet die
tatsächlich vorhandene Wasserdampfkonzentration pro m³ relativ zur maximal aufnehmbaren Sättigungsdampfkonzentra­
tion. Diese nimmt mit steigender Temperatur zu und umgekehrt.
Angaben über die Sättigungsdampfkonzentration der Luft sind z. B. in DIN 41083:2014 gegeben [9]. Diese Werte kann
man händisch ablesen und interpolieren.
Alternativ kann man tabellierte Werte
statistisch über ein angepasstes Polynom
berechnen. Damit ist es möglich, die Sättigungsdampfkonzentration direkt aus der
Temperatur θSi zu berechnen.
Für die Berechnung der Sättigungsdampfkonzentration f in g/m³ in Abhängigkeit von den Temperaturen zwischen
-20 °C und +70 °C ergibt sich ein Polynom
wie folgt (siehe auch Bild 2):
(3)
Die Abweichung des Polynoms im bauphysikalisch interessanten Bereich von
-10 °C bis +30 °C beträgt weniger als 3 %
des tatsächlichen Werts. Anhand der For-
mel (3) kann ein Tabellenkalkulationsprogramm benutzt werden, um aus der Temperatur die Sättigungsdampfkonzentration
direkt zu berechnen.
In Gebäuden, insbesondere in Altbauten,
findet durch vorhandene Undichtheiten ein
Grundluftwechsel statt. Zur Abschätzung
des Luftwechsels kann man die Angaben
in DIN 1946-6 heranziehen; aber auch in
DIN 12831 Beiblatt 1:2008 [10] finden sich
hierzu Angaben.
Beispiel für die kritische
Luftfeuchte
In einem Haus mit Baujahr 1850 sollten
die alten Fenster aus den 1960ern gegen
Holzfenster getauscht werden. Das Haus ist
unterkellert und verfügt über Erd-, Oberund Dachgeschoss. Das Erdgeschoss besteht aus 40 cm starkem Mauerwerk. Das
Obergeschoss besteht aus 14/14 cm Holzfachwerk mit davor liegender Holzschindelverkleidung. In der thermographischen
Aufnahme ist bereits deutlich zu erkennen,
dass die Wärmeabgabe des Erdgeschosses
im Vergleich zum Obergeschoss höher ist.
Im Ursprungszustand kommt es zur Tauwasserbildung auf den Fenstern und an
den Fensterrahmen. Von dort kann das
Tauwasser jedoch abgewischt werden,
bevor es zur Schimmelpilzbildung kommt.
Die Fenster alter Bauart wirken aufgrund
der Tauwasserbildung an den Oberflächen
entfeuchtend. Hinzu kommt, dass sie verhältnismäßig undicht sind und so für einen
erhöhten Luftwechsel sorgen. Niedrige
Oberflächentemperaturen und undichte
Fenster sorgen jedoch andererseits für Zugluft, die als unbehaglich empfunden wird.
Bei einem Fenstertausch verschiebt sich die
tiefste Temperatur vom Fenster jedoch in
den Wandquerschnitt. Der Taupunkt wandert vom Fenster weg hin in die Raumecke.
Dort herrscht bei Normklima-Randbedingungen die tiefste Bauteil­oberflächentemperatur
mit +6,55 °C (Bild 3). Der Fenstertausch
selbst hat keine Auswirkung auf die Temperatur in der Ecke (Bild 4). Das kann jedoch
bei anderen Bauteilgeometrien anders sein
und ist individuell zu prüfen.
Die ermittelte Temperatur dient jetzt dazu,
eine Luftfeuchte zu ermitteln, bei der es
Im Rahmen der Grundlagenermittlung
wurde mit zerstörenden Untersuchungen
der Wandaufbau im Erd- und im Obergeschoss näher bestimmt. Daraufhin wurde
für kritische Querschnitte beider Bauarten
die Oberflächentemperatur mit einem Wärmebrückenprogramm berechnet.
Bilder: © Michael Siegwart
(3) Oberflächentemperaturen der Bestandskonstruktion im Erdgeschoss
(2) Aus Tabelle abgeleitetes Polynom für die Berechnung der Sättigungsdampfkonzentration aus der Temperatur
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(4) Oberflächentemperaturen der Konstruktion im Erdgeschoss nach dem Tausch der
Fenster
der bauschaden | April / Mai 2015
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Kriterium
Raumtemperatur Qi [°C]
Relative
Luftfeuchte im
Raum [%]
Wasserdampfgehalt Wasserdampf- Oberflächenbei Sättigung [g/m³] gehalt [g/m³] temperatur
QSi [°C] aus
bei r.F.
nach DIN 4108-3 Tabelle A.4, interpoliert
Berechnung
Wasseraktivität aw nach
Gleichung
2.2 [-]
1
Schimmelpilzleitfaden
20,0
30,0 %
17,577
5,273
6,55
0,70
2
Schimmelpilzleitfaden
22,0
27,0 %
19,777
5,340
6,55
0,71
3
Schimmelpilzleitfaden
24,0
24,0 %
22,211
5,331
6,55
0,71
4
DIN 4108-2
20,0
34,0 %
17,577
5,976
6,55
0,79
5
DIN 4108-2
22,0
30,0 %
19,777
5,933
6,55
0,79
6
DIN 4108-2
24,0
27,0 %
22,211
5,997
6,55
0,79
Tabellen: © Michael Siegwart
Pos
(5) Vergleich der Raumluftfeuchten bei niedrigen Bauteiltemperaturen, unterschiedlichen Raumtemperaturen und aw-Werten
nicht zum Wachstum von Schimmelpilzen
kommt, respektive, die den Anforderungen der DIN 4108-2 entspricht. Hierzu
wird das aw-Wert-Kriterium herangezogen.
Wird die Luftfeuchtigkeit so eingestellt, dass
der aw-Wert unter 0,7 bleibt, ist das Wachstum von Schimmel praktisch ausgeschlossen. Wird die Luftfeuchtigkeit so eingestellt,
dass der aw-Wert bei 0,8 liegt, so entspricht
dies dem Nachweis nach DIN 4108-2. Das
genaue Vorgehen ist wie folgt:
Aus Gleichung (3) wird der Wasserdampfgehalt in der Raumluft bei Norminnenklima berechnet. Der Wasserdampfgehalt
bei +20 °C und 50 % relativer Luftfeuchte
beträgt rund 8,78 g/m³. Für den oberflächennahen Bereich beträgt bei +6,55 °C
die Wasserdampfsättigungskonzentra­tion
7,54 g/m³. Der aw-Wert aus Gleichung
2.2 beträgt 1.16 (tatsächlich möglich nach
Gleichung 2.1 ist nur 1.0).
Nun wird die Ausgangsluftfeuchte in der
Raumluft so lange reduziert, bis der awWert ausreichend gering ist (entweder
kleiner 0,8 oder kleiner 0,7). Bei +20 °C
Innenraumtemperatur und +6,55 °C Bauteiloberflächentemperatur beträgt die erforderliche Raumluftfeuchte 30 % für aw =
0,7. Je nach gewähltem aw-Kriterium und
den Innenraumtemperaturen liegt die erforderliche Luftfeuchte zwischen 24 % und
34 % (Tabelle 5).
Beispiel für die Lüftung
Das Lüftungskonzept nach DIN 1946-6
erlaubt keine Auslegung nach einer angestrebten unkritischen Luftfeuchte (die zuvor
der bauschaden | April / Mai 2015
berechnet wurde). Deshalb ist der nötige
Luftwechsel hier anders zu berechnen.
Jede Wohneinheit verfügt über einen natürlichen Luftwechsel durch Infiltration.
Neben der DIN 1946-6 enthält auch die
DIN 12831 im Beiblatt 1 Angaben zur Berechnung dieser Infiltration. Die Wohneinheit hat ein Volumen von 193,5 m³. Aus
den Berechnungen nach den Angaben der
DIN 12831 ergibt sich eine Luftwechselrate
von 15,48 m³/h (Tabelle 6). Bei der Berechnung nach DIN 1946-6 Anhang I ergibt sich
bei einem n50-Wert von 3 ein Luftwechsel
durch Infiltration in Höhe von 21,4 m³/h.
Der Wert reduziert sich auf 7,1 m³/h bei n50
= 1 (hohe Dichtheit). Die Eingangsparameter für die Berechnung nach DIN 1946-6
Anhang I sind in Tabelle 7 aufgeführt.
In der Wohneinheit fallen ca. 5.200 g/Tag
Wasserdampf an. Wenn die relative Luftfeuchte in der Wohnung nicht mehr als 34 %
betragen darf, dürfen darin bei +20 °C maximal 5,98 g/m³ Wasser­dampf enthalten sein.
In der Außenluft sind unter Normrandbedingungen (-5 °C und 80 % r. F.) rund 2,62 g/m³
Wasserdampf enthalten. Die Differenz zwischen den absoluten Luftfeuchten innen und
außen, also 3,36 g/m³, kann durch einen
Luftwechsel des gesamten Luftvolumens abgeführt werden.
Es werden über natürliche Infiltration somit
rund 1.245 g/Tag Wasserdampf abgeführt. Der Rest, rund 3.955 g/Tag, muss
zusätzlich abgeführt werden. Mit einem
Luftwechsel wird das Wohnungsvolumen
gewechselt und rund 648 g Wasserdampf
abgeführt. Es wären 7 Lüftungsvorgänge nötig. Damit werden pro Tag rund
1.355 m³ Luft getauscht (Tabelle 8).
Die Lüftung erfolgt unter diesen Umständen am sinnvollsten mechanisch. Wenn ein
Abluftventilator mit 60 m³/h im Dauerbetrieb läuft, so werden 1.440 m³ Luft getauscht. Dies entspricht dem Standard-Lüftungssystem des Referenzhauses der EnEV
2014. Die Nachströmung des Luftvolumens
Berechnung des natürlichen Luftwechsels gemäß DIN EN 12831 Beiblatt 1 (2008)
Multiplikator
Raumvolumen der Wohnung VR
1,00
193,50 m³
Luftwechsel bei 50 Pa (gem. Tabelle 7) n50
4,00 1/h
Abschirmungskoeffizient, ei, gem. Tabelle 8
0,02 moderat, mehr als eine
Fläche dem Wind ausgesetzt
Höhenkorrekturfaktor e, gem. Tabelle 9
1,00 Höhe über Erdreich
0 – 10 m
Infiltration Vinf,i
Luftwechselrate durch Infiltration nw = Vinf,i / VR
15,48 m³/h
0,08 1/h
(6) Natürlicher Luftwechsel nach DIN 12831 Beiblatt 1:2008
47
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muss über entsprechende Falzlüfter, Rollladenkastenlüfter oder sonstige Maßnahmen
sichergestellt werden.
Im Vergleich hierzu wird in der DIN 19466 nur in der Lüftungsstufe „Lüftung zum
Feuchteschutz“ ein Unterschied hinsichtlich des Dämmniveaus gemacht. Die Lüftung zum Feuchteschutz beträgt rund
43,8 m³/h für einen Altbau bei n50 = 2.
Über Infiltration werden 14,3 m³/h abge-
führt. Es verbleibt ein Luftvolumenstrom
von 29,5 m³/h, also 708 m³/Tag, der zusätzlich zu erfolgen hat. Erst wenn der
Luftvolumenstrom für die Lüftungsstufe
„reduzierte Lüftung“ mit 62,4 m³/h bemessen wird, liegt der Luftwechsel mit
1.497,5 m³/Tag über dem Luftwechsel,
der aus Oberflächentemperaturbetrachtungen heraus erforderlich ist, um das
Wachstum von Schimmel zu vermeiden
(Tabelle 9). Die Lüftungsstufe „Lüftung
Gebäudelage
windschwach
Abstand zu nächstgelegenen Hindernis, DHindernis
5,0 m
Höhe des nächstgelegenem Hindernises, HHindernis
9,2 m
Verhältnis D/H
0,5
Windschutzklasse
geschützt
Art der Nutzeinheit (NE)
eingeschossig
n50
2
Energetischer Stand
vor WSVO 95
Lüftungsart
Querlüftung
Lüftungskomponente (für Tabelle I.2)
ALD
Raumhöhe
2,3 m
Grundfläche der NE
84,1 m²
Gebäudehöhe (bzw. Höhe der NE über Boden)
5m
Tabellen: © Michael Siegwart
DIN 1946-6 Anhang I: Eingabeparameter zu Lage, Gebäude und Lüftungsart
(7) Eingabeparameter zu DIN 1946-6 Anhang
Anfallende Feuchtigkeit im Wohnungsinneren gem. TU Dresden / DIN 4108-8
2-Personen-Haushalt mit Wäschetrocknen
Dies entspricht
Auf Wohnung bezogen
5.200,00 g/d
216,67 g/h
1,12 g/h/m³
Innenraumbedingungen
Temperatur [°C]
20,00 °C
Relative Luftfeuchte [%]
34,00 %
Enthaltene Feuchte (absolut) Fi
5,98 g/m³
Außenbedingungen
Temperatur [°C]
-5,00 °C
Relative Luftfeuchte [%]
80,00 %
Enthaltene Feuchte (absolut) Fa
Durch Infiltration abgeführte Feuchte nw x (Fi - Fa) x VR
2,62 g/m³
51,89 g/h
Dies entspricht
1.245,42 g/d
Durch Lüftung abzuführen
3.954,58 g/d
Mit einer Lüftung werden abgeführt
Nötige Anzahl von Lüftungswechseln
Luftwechselvolumen
648,66 g/Lüftung
7 Luftwechsel / Tag
1.354,5 m³/Tag
(8) Berechnung des nötigen Luftvolumenstroms aufgrund von Bauteiloberflächentemperaturen
48
zum Feuchteschutz – FL“ nach DIN 19466 reicht hierzu nicht aus.
Einschränkungen und
Ergänzungen
Im Beispiel wurde die Feuchtebilanz wohnungsweise erstellt. Es besteht natürlich
die Möglichkeit zur raumweisen differenzierten Betrachtung mit den jeweils aus
Oberflächentemperatur und Luftvolumen
abgeleiteten Luftvolumenströmen. Weiterhin wurde nicht berücksichtigt, dass
manche Vorgänge Feuchtigkeit nicht kontinuierlich freisetzen. Bei Vorgängen wie
Kochen oder Duschen fällt sehr viel Feuchtigkeit innerhalb eines kurzen Zeitraums
an. Bei richtigem, jedoch vom Nutzer abhängigen „Lüftungsmanagement“ kann
diese Feuchtigkeit fast unmittelbar wieder
abgeführt und muss nicht oder anders bilanziert werden.
Wie üblich wurde die Berechnung für stationäre Bedingungen erstellt, das heißt, es
sind Klimakonstellationen denkbar, z. B.
bei höheren Außentemperaturen in der
Heizperiode, bei denen es trotzdem zum
Wachstum von Schimmelpilz kommen
kann. Zudem sind die Begrenzungen des
maximalen Luftwechsels zu beachten, die
sich aus den Anforderungen an die Bewohnbarkeit ergeben.
Weiter bestehen Zusammenhänge nicht
nur zwischen Innenwandoberflächentemperaturen, Raumlufttemperatur und empfundener Behaglichkeit in einem Raum,
sondern auch zwischen Raumlufttemperatur und relativer Luftfeuchte. Diese Zusammenhänge sind in jedem Lehrbuch für
Bauphysik erläutert, z. B. bei Willems et al.
[11]. Das bedeutet für die Nachweisführung, dass die relativen Luftfeuchten nicht
zu stark reduziert werden sollten, da sonst
die Behaglichkeit aufgrund zu trockener
Raumluft nicht mehr gegeben ist.
Grundsätzlich können auch die Bauteiltemperaturen an Wärmebrücken durch
eine Bauteiltemperierung angehoben
werden, um das Risiko der Schimmelbildung zu minimieren. Dadurch wird es
möglich, den zum Schutz vor Schimmelwachstum nötigen Luftvolumenstrom zu
reduzieren.
der bauschaden | April / Mai 2015
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Generell unberücksichtigt blieb der nötige
Luftwechsel zur Abfuhr sonstiger Innenraumschadstoffe wie Wohnchemikalien
oder Kohlendioxid. Der Luftwechsel dieser
„Nennlüftung“ mag durchaus über dem
Niveau liegen, das nötig ist, um eine Schimmelfreiheit zu erreichen.
Zusammenfassung
und Hinweise
In diesem Artikel wurde eine ergänzende
Methode zu DIN 1946-6 vorgestellt, die
eingesetzt werden kann, falls der Einfluss
der Gebäudehülle auf den Luftwechsel gesondert und genauer betrachtet werden
soll. Die vorgestellte Methode versteht sich
dabei nicht als Ersatz der DIN 1946-6. Der
Verfasser wendet beide Nachweise parallel an, wenn ein entsprechendes Gebäude
nachzuweisen ist. Durch das Verfahren
werden die Ansätze der DIN 1946-6 zusätzlich überprüft und erlauben einen höheren
Grad an Transparenz beim Nachweis der
nötigen Lüftung hinsichtlich der Qualität
der Gebäudehülle im Vergleich zur ausschließlichen Anwendung der DIN 1946-6.
Wenn das hier beschriebene Verfahren angewendet wird, so geschieht das letztendlich in der Verantwortung des Anwenders
und sollte insgesamt und für den konkreten Einzelfall kritisch überprüft werden. 
Zur Person
Michael Siegwart
Berechnungsergebnis DIN 1946-6, Anhang I
Lüftungsbedarf Lüftung zum Feuchteschutz (> WSVO ´95)
32,90
Lüftung zum Feuchteschutz (< WSVO ´95)
43,80
Nennlüftung (Gleichung 2)
Lüftung durch Infiltration
Bedeutung 76,70
109,60
14,30
Tabelle: © Michael Siegwart
Reduzierte Lüftung
Der zusätzliche Luftwechsel mittels ALD beträgt 62,4 m³/h, wenn in der Nutzeinheit
(z. B. Wohnung) auch Wäsche getrocknet wird. Ansonsten ist, wenn der Wärmedämmstandard mindestens der WSVO 95 entspricht, ein zusätzlicher Luftwechsel durch ALD
von 18,6 m³/h nötig.
Bei geringerem Dämmstandard sind 29,5 m³/h nötig.
Dr. Michael Siegwart ist eingetragen in
die Liste beratender Ingenieure des Landes Baden-Württemberg. Im Jahr 2009
hat er sich nach langjähriger Erfahrung
als Experte und Projektleiter bei internationalen Hoch- und Tiefbauprojekten
im Bereich Bauschadenerkennung und
Sanierung selbstständig gemacht. Er ist
Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen über Bauschäden, Bauwerksüberwachung und -sanierung.
Kontakt
www.ibsiegwart.de
(9) Ergebnisse nach DIN 1946-6 Anhang I
Literatur
[1] Sedlbauer K.: Vorhersage von Schimmelbildung auf und in Bauteilen, Dissertation, Universität Stuttgart, 2001
[2] DIN 1946-6:2009 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung,
Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe / Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung
[3] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bekanntmachung der Regeln zur Datenaufnahme und Datenverwendung im Wohngebäudebestand 2009, Tabelle 2
[4] DIN 4108-2:2013 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.
[5] DIN EN ISO 13788:2013 Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauteilen und Bauelementen – Raumseitige Oberflächentemperatur zur Vermeidung kritischer Oberflächenfeuchte und Tauwasserbildung im Bauteilinneren – Berechnungsverfahren.
[6] Umweltbundesamt: Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von. Schimmelpilzwachstum in Innenräumen
(„Schimmelpilz-Leitfaden“), 2005, S. 4
[7] Zöld, A.: Mindestluftwechsel im praktischen Test, in: Heizung, Lüftung, Haus-technik, Bd. 41, 1990
[8] DIN Fachbericht 4108-8:2010 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 8: Vermeidung von Schimmelwachstum
in Wohngebäuden
[9] DIN 4108-3:2014 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz – Anforderungen,
Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung
[10] DIN EN 12831:2008 Heizsysteme in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast – Nationaler Anhang NA
[11] Willems, W. M.; Schild, K.; Dinter, S.: Handbuch Bauphysik – Teil 1 Wärme- und Feuchteschutz, Behaglichkeit, Lüftung, 1. Auflage
2006, Abs. 4.1 bis 4.10
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