Tiergestützte Therapie im Sicherheitstrakt Kuscheljustiz oder moderner Ansatz? _____________________________________________________________________________________________________________________ Definition Tiergestützte Therapie (TGT) Nach ESAAT (Europäischer Dachverband für tiergestützte Therapie): Tiergestützte Therapie umfasst bewusst geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren für Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie Ältere mit kognitiven, sozialemotionalen und motorischen Einschränkungen, Verhaltensstörungen und Förderschwerpunkten. „Ich fand heraus, dass einem in tiefem Kummer von der stillen, hingebungsvollen Kameradschaft eines Hundes Kräfte zufliessen, die einem keine andere Quelle spendet.“ Day D. Übergeordnetes Ziel der TGT im Sicherheitstrakt Den negativen Folgen des Strafvollzugs (Prisonisierung, Verarmung der inneren und äusseren Welt) muss entgegengewirkt werden. „Der Strafvollzug hat…den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken…“ (Art. 75 StGB) Warum TGT im Sicherheitstrakt? Tiere begegnen Straftätern vorbehaltlos Tiere leben im Hier und Jetzt und kennen weder Schuld noch Straftat Tiere verringern die Isolation Tiere ermöglichen das Ausdrücken von Gefühlen ohne Angst Tiere bedeuten Abwechslung im monotonen Alltag Therapiebegleithunde-Teams ermöglichen den Kontakt mit „draussen“ Foto: Peter M. Schulthess, Basel Foto: Andreas Moser, JVA Lenzburg Gefangener M, 23 Jahre Sicherheitstrakt II Zentralgefängnis Lenzburg Ziele Gefangener K, 56 Jahre Sicherheitstrakt I JVA Lenzburg Ziele (Auswahl) (Auswahl) ▪ Herr K kann seine Einsamkeit und Isolation verringern ▪ Herr K erlebt von Indira Nähe und Trost sowie vorbehaltlose Akzeptanz und neuen Sinn ▪ Herr K kann im Kontakt mit Indira seine Gefühle äussern ▪ Herr K wird geistig angeregt ▪ Herr K respektiert Nähe und Distanz mit und zu Indira ▪ Herr M geht auf die Bedürfnisse von Indira ein und lernt, die Brücke im Umgang mit Menschen zu schlagen ▪ Herr M wird geistig angeregt und öffnet neue Lernkanäle ▪ Herr M verbessert seinen Umgang mit Emotionen ▪ Herr M entwickelt Reflexionsfähigkeit ▪ Herr M verbessert seine Sozialkompetenz Ressourcen Ressourcen ▪ ▪ ▪ ▪ Tierliebe, insbesondere Hunde Lernbereitschaft und Trainingswille Bindungspotential zu Hunden „Urchiger Naturmensch“ (Biografie) Herr L möchte nach eigener Aussage mit dem Hund „trainier Foto: Andreas Moser, JVA Lenzburg Chancen und Grenzen ▪ ▪ ▪ ▪ Intelligenz Neugierde Tierliebe Humor + Förderung und Verbesserung der Kommunikation + Verbesserung der Motorik und Wahrnehmung des Körpergefühls + Abbau von Ängsten + Entspannung und Geduld + Verbesserung der Beobachtungsfähigkeit + Stärkung von Selbstwertgefühl und Vertrauen - Angst vor oder keine Freude an Tieren Allergien bei Patienten, Personal, Mitgefangenen Kulturelle Ablehnung von Tieren Akuter Einfluss von Drogen oder Alkohol Sexuelles Interesse an Tieren Gefährdung der Tiere durch körperliche oder psychische Gewalt - Grosser Aufwand zur Gewährleistung der Sicherheit Foto: Peter M. Schulthess, Basel Verlauf ▪ Herr M: Abwechslung, „Licht am Ende des Tunnels“, Bindungsfähigkeit zu Tieren beweisen, sportlicher geworden, Ziele erreicht und nicht gescheitert wie früher, möchte nochmals einen Therapiebegleithund ausbilden. ▪ Fachfrau TGT: Herr M hat Motorik und Körpergefühl um ein Vielfaches verbessert, ist konsensfähiger geworden, zeigt eine gesteigerte Lernbereitschaft, versucht Erkenntnisse vom Hund auf Menschen zu übertragen. ▪ Psychiater: Herr M verhält sich korrekter und höflicher gegenüber dem Personal, in der Therapie ist er weniger trotzig. Er ist achtsamer im Umgang mit Mitmenschen. Selbstvertrauen und Frustrationstoleranz haben sich verbessert. Foto: Andreas Moser, JVA Lenzburg Verlauf Foto: Peter M. Schulthess, Basel Foto Wissenschaftliche Auswertung Erste Ergebnisse Tabelle ▪ Herr K: Abwechslung im Alltag, sinnvoll mit Hund im Spazierhof zu arbeiten, Möglichkeit ein Lebewesen zu streicheln, Zeit geht schneller vorbei ▪ Fachfrau TGT: Herr K hat seine Motorik verbessert und sein Körpergefühl aktualisiert, keine Hygieneängste im Umgang mit dem Hund, zeigt eine hohe Lernbereitschaft und Ausdauer, motiviert bei jedem Wetter im Spazierhof mit Hund zu arbeiten, lernt französische Signale ▪ Psychiaterin: Herr K ist weniger selbstbezogen. Er ist lebhafter, seine Stimmung hat sich gehoben, und seine Ängste und Sorgen haben abgenommen. Konzentration und Ausdauer haben sich verbessert. Theres Germann-Tillmann, Fachfrau für Tiergestützte Therapie/Pädagogik, Ausbildung und Beratung ESAAT, Kruggasse 21, 5462 Siglistorf , E-Mail [email protected] Bernadette Roos Steiger, Forensische Psychiaterin SGFP, Psychiatrische Klinik Königsfelden, Departement Forensik, 5201 Brugg, E-Mail [email protected]
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