Die Katze – ein heiliges oder teuflisches Tier? MA 10.4 5 10 15 20 In der Zeit des Mittelalters war das Christentum in Europa bereits die herrschende Religion. Die Kirche hatte eine mächtige Position in allen Bereichen des Lebens. Sie war auch an der Einsetzung weltlicher Herrscher beteiligt und die kirchliche Rechtsprechung entschied über Recht und Unrecht im Lande. Die Verehrung heidnischer Götter, die oft durch Tiersymbole dargestellt worden waren, war weitgehend der Anbetung des christlichen Gottes und der Verherrlichung christlicher Heiliger gewichen. Lediglich an den Außenfassaden der großen Kathedralen dienten heidnische Tiermasken und Tierfratzen zur Abschreckung böser Geister und funktionierten als Wasserspeier. Vor allem die Katzen, die in früheren Zeiten als Symbol für heidnische Gottheiten hohes Ansehen genossen hatten, wurden im Mittelalter zum Abbild des Satans. Man glaubte, dass Hexen sich nachts in schwarze Katzen verwandeln konnten, um so im Schutz der Dunkelheit Unheil anzurichten und sich mit dem Satan zu treffen. Papst Innozenz VIII. bezeichnete 1484 Katzen als „heidnische Tiere, die MA 10.5 5 10 15 20 Katzen – die Teufelstiere des späten Mittelalters 25 30 35 40 mit dem Teufel im Bunde seien“. Infolgedessen wurden Katzen für alles mögliche Unglück verantwortlich gemacht und bestraft: An hohen Festtagen warf man sie von Kirchtürmen, verbrannte sie zusammen mit Hexen auf dem Scheiterhaufen oder ertränkte sie in kochendem Wasser – stets zur „höheren Ehre Gottes“. Wer damals nachts einer streunenden Katze begegnete, versuchte sie auf möglichst grausame Weise umzubringen. Zur Abschreckung von Dämonen wurden Katzen in Gebäude eingemauert und ein vor der Haustüre eingegrabener Katzenschwanz schützte die Hausbewohner vor Krankheiten. Aus den Eingeweiden von Katzen wurden auch Heilmittel hergestellt: So sollte getrocknete Katzenleber gegen Blasensteine helfen und ein Brei aus Katzenblut und Gerstenmehl sollte gegen Hautjucken wirken. Auch heute noch fürchten sich abergläubische Menschen vor schwarzen Katzen und in Märchenbüchern begegnet man ihnen meist in Begleitung von Hexen. Tierjustiz im Mittelalter Im Jahre 1379 verhandelte ein Gericht unter dem Vorsitz von Herzog Philipp dem Kühnen über Muttersauen, die einen Jungen tot gebissen hatten, weil dieser ihre Ferkel geärgert hatte. Am Tage des Prozesses kleidete man die ringelschwänzigen Angeklagten in Menschenkleider, denn man fürchtete, sie würden später vor dem himmlischen Gericht in ihrer Nacktheit nicht willkommen sein. Nach einer ausgiebigen und ernsthaften Gerichtsverhandlung wurden die Sauen zum Tod am Galgen verurteilt. Das Urteil wurde öffentlich und feierlich vollstreckt, wobei eine große Schar zusammengetriebener Schweine zusehen musste. Im Anschluss an die Exekution mussten sich die Tiere einen längeren Vortrag über die Ungehörigkeit der Tat ihrer Artgenossen anhören. Ein Richter legte ihnen dar, welche Konsequenzen es haben würde, wenn weitere solche Verfehlungen vorkämen. Solche Tierprozesse waren im Mittelalter keine Seltenheit. Auch Pferde, Esel, Schafe, Kühe und 25 30 35 40 Hunde wurden angeklagt, wenn sie sich etwas zuschulden kommen ließen. Schweine waren damals halbwilde, hitzige Kämpfer, nicht zu vergleichen mit ihren heutigen Artgenossen und standen besonders häufig vor Gericht. Während der Haft wurden die Tiere im Allgemeinen zuvorkommend behandelt. Eine Quittung des Notars von Pont l’Arche in Frankreich vom 16. 10. 1408 belegt, dass für die Ernährung eines angeklagten Schweines genauso viel Geld ausgegeben wurde wie für die eines menschlichen Angeklagten. Der letzte Tierprozess soll um 1800 stattgefunden haben in dem englischen Städtchen Wandower. Dort verurteilte ein Richter ein Kutschenpferd zum Tode, weil durch sein Ungeschick ein Reisender umgekommen war. Nachdem die Eigentümerin bei der Urteilsverkündung in Ohnmacht gefallen war, ließ das Gericht Milde walten und änderte die Strafe: Das Pferde durfte fortan nur noch als Ackergaul arbeiten. Arbeitsaufträge 1. Beschreibt die Vorstellung, die sich die Menschen vom Wesen der Katze gemacht haben! 2. Beurteilt das Verhalten des Menschen gegenüber der Katze! 15
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