Beitrag als PDF herunterladen

T RUS T 2 015
Roadmapping – ein strategisches Planungsinstrument
für Wasserversorgungsunternehmen
Die Anwendung mit HAMBURG WASSER im Rahmen des EU-Forschungsprojektes TRUST
von: Hans-Joachim Mälzer (IWW Zentrum Wasser), Niels-Peter Bertram (HAMBURG WASSER) & Marina Neskovic (IWW Zentrum Wasser)
Das frühzeitige Erkennen von Innovationschancen und Risiken sowie die Einleitung
von Maßnahmen zur Sicherstellung einer
nachhaltigen Wasserver- und Abwasserentsorgung vor dem Hintergrund des klimatischen, demografischen und wirtschaftlichen
Wandels sind zentrale Herausforderungen
und Aufgaben im EU-Forschungsprojekt EU
TRUST. Es gilt dabei im Wesentlichen folgende Fragen zu beantworten:
• Welche Veränderungen sind zu erwarten
(Trends)?
• Welche Chancen und Herausforderungen
erwachsen daraus?
• Welche Zukunft ist wünschenswert?
• Welche Störereignisse können auftreten?
• Welche erfolgreichen Zukunftsstrategien
können abgeleitet werden?
Roadmapping ist eine bereits bestehende Methode zur Vorbereitung und Unterstützung
strategischer Zukunftsentscheidungen [1, 2].
Abb. 1: Roadmap – Prozess
ting
ckcas
3. Ba
Im Rahmen des TRUST-Projektes wurde das
Roadmapping unter Federführung des IWW
Zentrum Wasser für die Bearbeitung wasserwirtschaftlicher Themen spezifiziert und in
einen Roadmap-Leitfaden mit entsprechenden Werkzeugen, unterstützenden Vorlagen
und organisatorischen Hinweisen überführt.
Dieser Roadmap-Leitfaden ist sowohl für eine
direkte Anwendung in den Partnerstädten als
auch für Roadmap-Anwendungen außerhalb
des TRUST-Projektes entwickelt worden [3].
Der Leitfaden berücksichtigt dabei die fünf
TRUST-Nachhaltigkeitsdimensionen: soziale
(social), ökologische (environment), ökonomische (economic), gesellschaftsrechtliche
(governance) Dimensionen sowie die Dimension Unternehmenskapital (assets) [4]. Der
Roadmap-Leitfaden empfiehlt die Durchführung mithilfe unterschiedlicher Informationsquellen in qualitativer und quantitativer
Form und verweist dabei auf mögliche Informationsquellen. Darüber hinaus wird eine
Auswahl an IWA-Kennzahlen für Trinkwas-
rden,
ttweise getan we
Was muss schri
zu erreichen?
de
tän
us
nz
he
um Zwisc
Vision der nachhaltigen Wasserverund Abwasserentsorgung 2040
TRUST Nachhaltigkeitsdimensionen:
Social
Environment
Economic
Governance
Assets
1. Scoping
- Akteure und Beteiligte
- Unternehmenskapital
- Elemente der Ver- & Entsorgung
- Notwendigkeiten & Entwicklungen
- Ziele
2. Forecasting
- Projektion in die Zukunft
- Quantifizierung von Entwicklungen
- Vision für das Jahr 2040
globale Entwicklung
4. Umsetzung in eine Roadmap
- Aktivitäten, Verantwortlichkeiten
- Zeitplan
- Kostenplan
ökonomische Entwicklung:
Globalisierung, Finanzen
gesellschaftliche Entwicklung:
demografischer Wandel
20
Legende:
schwarze Punkte: mögliche Zwischenzustände der Wasserverund Abwasserentsorgung bis 2040
blaue Pfeile:
Weg, der über ausgewählte Zwischenzustände führt
energie | wasser-praxis
Quelle: [3]
Umweltentwicklung:
Wassermangel, Klimawandel
4/2015
server- und Abwasserentsorgungsunternehmen für eine Roadmap-Durchführung angeboten [5, 6].
Im weiteren Projektverlauf wurde in
Kooperation mit HAMBURG WASSER,
einem Praxispartner des TRUST-Projektes, beispielhaft das Roadmapping
angewendet. HAMBURG WASSER ist
das kommunale Wasserver- und Entsorgungsunternehmen in der Stadt
Hamburg. Die Roadmap-Anwendung
fokussierte sich dabei auf die Unternehmenssparte Trinkwasserversorgung.
Roadmap-Anwendung
Das Roadmapping ist in vier große
Arbeitsschritte unterteilt (Abb. 1). Im
ersten Schritt, dem sogenannten Scoping, wurden die Themen „Wasserverbrauchserfassung“ und „Wasserpreis-Tarifmodell“ identifiziert, die
an die zukünftige Entwicklung bei
HAMBURG WASSER angepasst werden sollen und die den Aktionsraum
für die folgenden Arbeiten an der
Roadmap darstellten. Weiterhin wurden diejenigen Personen identifiziert,
die für die Entscheidungsfindung in
diesen Themenbereichen wichtig sind,
und eine Roadmap-Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitern von HAMBURG WASSER mit unterschiedlichen
fachlichen Kompetenzen und Experten des IWW, gegründet. Es erfolgte
eine Zusammenstellung und Auswertung relevanter Trends wie beispielsweise der Wasserbedarfsprognose und
struktureller Veränderungen, wobei
auch Auswirkungen des Klimawandels
berücksichtigt wurden.
Im zweiten Schritt der Roadmap, dem
Forecasting, wurden Trend-, Bedarfsund Potenzialanalysen durchgeführt.
Durch eine bloße Projektion der identifizierten Trends in die Zukunft konnten jedoch keine belastbaren Veränderungspotenziale erarbeitet werden.
Um tragfähige Ergebnisse zu erlangen,
war es daher erforderlich, verschiedene Methoden (Einbeziehung von Experten und Anwendern in moderierten Workshops, Delphi-Befragung,
energie | wasser-praxis
4/2015
Szenarioanalyse) anzuwenden, mit
deren Hilfe schließlich sieben mögliche
zukünftige Zustände des Unternehmens in den Jahren 2025 und 2040
erarbeitet werden konnten [7]. Im weiteren Verlauf bewertete die RoadmapArbeitsgruppe diese Zukunftsbilder aus
unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln und im Hinblick auf die vorgestellten fünf Nachhaltigkeitsdimensionen und identifizierte wünschenswerte wie auch unerwünschte Zukunftsbilder. Auf diese Weise wurde die
Vision für die Jahre 2025 und 2040 für
HAMBURG WASSER hinsichtlich der
Themenfelder „Wasserverbrauchserfassung und Wasserpreis-Tarifmodell“
entwickelt.
Ausgehend von dieser Vision konnten
im dritten Schritt, dem Backcasting,
notwendige Zwischenzustände definiert werden, die im Zuge der Entwicklung vom derzeitigen zum angestrebten Zustand durchlaufen werden müssen. Dabei wurde nicht nur großer
Wert auf die Gestaltbarkeit möglicher
Entwicklungsverläufe gelegt, sondern
auch Entwicklungen externer Gegebenheiten in Betracht gezogen (bspw.
rechtliche Änderungen), die sich dem
Einfluss vom HAMBURG WASSER entziehen.
Im vierten Schritt, dem Transfer, wurde der Handlungsbedarf zum Erreichen der Zwischenzustände ermittelt
und in einen Aktionsplan mit einzelnen Aufgaben und zeitlichem Ablauf
überführt. Dieser stellt das Ergebnis
des Roadmap-Prozesses dar.
wurden, war u. a. auch auf die sehr
gute Verfügbarkeit und Qualität von
Daten und Informationen zurückzuführen. Dies zeigt, wie wichtig und
effektiv aktuelle Kennzahlen, Finanzdaten und Prozessbeschreibungen für
ein Unternehmen sind. Die Ergebnisse
des Roadmap-Prozesses werden derzeit
im Unternehmen zur strategischen
Entscheidungsfindung diskutiert.
The research leading to these results
has received funding from the European UnionSeventh Framework Programme (FP7/2007-2013) under grant
agreement n° 265122. This publication
reflects only the author’s views and
the European Union is not liable for
any use that may be made of the information contained therein. W
Literatur:
[1] Behrendt, S. (2007): Integrated Technology Roadmapping, A practical guide to the search for technological
answers to social challenges and trends, published by
ZVEI – Zentralverband Elekrotechnik und Elektronikindustrie e.V. (German Electrical and Electronic Manufacturers‘ Association), Frankfurt Main.
[2] Hasse J. U./Birke M./Schwarz, M. (2012): Integrated
Roadmapping to Shape AdaptationProcesses in Metropolitan Areas, Otto-Zimmermann, Konrad (Ed.), Resilient
Cities 2 – Cities and Adaptation to Climate Change –
Proceedings of the Global Forum 2011, Berlin, 271–282.
[3] Hein, A./Neskovic, M./Hochstrat, R./Smith, H. (2012):
Roadmap guideline: A manual to organise transition
planning in Urban Water Cycle Systems, TRUST official
deliverable D13.1., available under: https://www.trust-i.
net/downloads/index.php?iddesc=32.
[4] Brattebø, H./Alegre, H./Cabrera, E./Marques, R. C./Hein,
A./Cruz, C. O. (2012): A Master Framework for UWCS
Sustainability, available under: https://www.trust-i.net/
downloads/index.php?iddesc=40.
[5] Alegre, H./Baptista, J.M./Cabrera Jr, E./Cubillo, F./Duarte, P./Hirner, W./Merkel, W./Parena, R. (2006): Performance Indicators for Water Supply Services - Second
Edition, IWA Publishing, London.
[6] Matos, R./Cardoso, A./Ashley, R./Duarte, P./Molinari,
A./Schulz, A. (2003): Performance Indicators for Wastewater Services-IWA Manual of Best Practice, International Water Association.
[7] Rowe, G./Wright, G./Bolger, F. (1991): „Delphi: A reevaluation of research and theory”, Technological Forecasting and Social Change, vol. 39, no. 3, pp. 235–251.
Ausblick
Insgesamt dauerte der Bearbeitungsprozess zehn Monate, an deren Ende
der erste Entwurf einer Roadmap vorgelegt werden konnte. Das Projekt
zeigte, dass das Konzept des Roadmappings zur Anpassung der Verbrauchsmengenerfassung und der Tarifgestaltung der Wasserpreise an die Anforderungen der Zukunft bei HAMBURG
WASSER erfolgreich angewendet werden konnte. Dass so in relativ kurzer
Zeit aussagekräftige Ergebnisse erzielt
Kontakt
Dipl.-Kffr. Marina Neskovic
IWW Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wasserforschung gGmbH
Moritzstr. 26
45476 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 0208 40303-213
E-Mail: [email protected]
Internet: www.iww-online.de
21