US-Imperialismus, 2015-05-26, jW - IS

Quelle:
, 26.05.2015, Seite 1 / Titel
IS-Terror made in USA
Geheimes Pentagon-Dokument aus dem Jahr 2012: Ein »Islamischer Staat« ist
»strategische Chance« für den Sturz der Regierung Syriens
Von Rainer Rupp
November 2012 in der Nähe von Homs: Kämpfer der »Freien Syrischen Armee« posieren, das Pentagon
plant schon den »Islamischen Staat«; Foto: Handout/Reuters
Ein am Wochenende bekanntgewordener, bisher streng geheimer Pentagon-Bericht
beweist, dass die USA die Terrormiliz »Islamischer Staat in Irak und Syrien« (ISIS
bzw. IS) geschaffen haben. Der IS sollte danach Washington als Werkzeug zum
Sturz von Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad und als Vorwand für die Rückkehr
des US-Militärs in den Irak dienen. Hintergrund: Der konservativen USBürgerrechtsorganisation »Judicial Watch« war es gelungen, per Gerichtsbeschluss
die Freigabe einer Reihe von US-Geheimpapieren zu erzwingen. Bei deren Analyse
entdeckte der US-Journalist Nafeez Ahmed das Dokument des militärischen
Nachrichtendienstes des Pentagon (DIA) aus dem Jahr 2012. Es war seinerzeit in
Washington u. a. auch an das Außen- und das sogenannte Heimatministerium
gegangen.
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Obwohl viele Passagen des sieben Seiten umfassenden Papiers, das jW vorliegt,
von der Zensur entfernt wurden, geht aus dem verbliebenen Text hervor, dass die
westlichen Regierungen bewusst Al-Qaida-Gruppierungen und andere islamistische
Extremisten (aus denen nach 2012 der IS hervorging) förderten, um Assad zu
stürzen. Dabei machte sich die Defense Intelligence Agency des Pentagon – anders
als die von westlichen »Qualitätsmedien« stets beschworene »gemäßigte« oder
»demokratische« Opposition in Syrien – keine Illusionen darüber, wer dort tatsächlich
gegen die Regierung kämpfte. So unterstrich die DIA in dem Bericht schon vor drei
Jahren, dass »die Ausweitung des Aufstands in Syrien« zunehmend eine
»sektiererische Richtung« nehme und »die Salafisten, die Muslimbruderschaft und
die AQI (Al-Qaida im Irak, jW) die Hauptantriebskräfte für den Aufstand in Syrien
sind«.
Zugleich offenbart das Dokument, dass der Westen unter Führung der USA und in
Abstimmung mit den feudalen Golfstaaten und der Türkei sich von Beginn an die
Entstehung eines IS-ähnlichen Kalifats in Syrien wünschte. In dem Papier heißt es:
»Es gibt die Möglichkeit der Schaffung eines sich konstituierenden oder nicht offiziell
erklärten salafistischen Kalifats im Osten Syriens, und das ist genau das, was die
Unterstützer der (syrischen, jW)) Opposition (d. h. die USA und ihre Verbündeten,
jW) wollen, um das syrische Regime zu isolieren und die schiitische Expansion im
Irak durch Iran einzudämmen«,
Der DIA-Bericht prognostiziert den Aufstieg eines solchen »Islamischen Staats« als
direkte Folge der US-Destabilisierungsstrategie. Hinweise auf Zweifel oder Skrupel
an der weiteren Zusammenarbeit mit den salafistischen Terroristen sind in dem
Report nicht zu finden. Im Gegenteil, die Entstehung eines mit Al-Qaida verbundenen
»salafistischen Kalifats« wird in dem US-Dokument sogar als »strategische Chance«
bezeichnet, um Washingtons Ziele in der Region zu erreichen: Regimewechsel in
Syrien und Zurückdrängung der »schiitischen Expansion« beziehungsweise des Iran.
Zur zukünftigen Entwicklung sagt der Bericht voraus, dass »das Assad-Regime
überleben und die Kontrolle über syrisches Gebiet behalten« werde, während sich
zugleich die Krise »zu einem Stellvertreterkrieg« wandele. Denn »der Westen, die
Golfstaaten und die Türkei unterstützen die syrische Opposition«, während
»Russland, China und Iran das Regime (Assads, jW)stützen«. In Syrien hat diese
verbrecherische Strategie der USA und ihrer Verbündeten inzwischen
Hunderttausende Tote gefordert und Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht.
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Doppelte »Chance«
Westliches Interesse am »Islamischen Staat«
Von Rainer Rupp
Wer über den IS lamentiert, sollte dessen westliche Hintermänner nicht verschweigen: Die Festung von
Palmyra in Syrien am Donnerstag von der Altstadt aus gesehen; Foto: website of Islamic State militants
via AP/dpa-Bildfunk
Am Pfingstwochenende eroberte die Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) die antike
Wüstenstadt Palmyra in Syrien und richtete ersten Berichten zufolge unter den
zurückgebliebenen Einwohnern ein Blutbad an. Etwa 400 Menschen, meist Frauen
und Kinder, sollen getötet worden sein. Entsetzt kommentierte ein Leser von Zeit
online: »Eine brutale Mörder-, Vergewaltiger- und Folterbande ist unterwegs, und
keine Macht ist in der Lage, diesen Wahnsinn zu stoppen?« Wären die sogenannten
Qualitätsmedien, einschließlich Die Zeit, im Umgang mit der Wahrheit nicht so
sparsam, wüsste der empörte Leser längst, dass der IS von den Mächtigen in
Washington und den Hauptstädten der europäischen Verbündeten sehr schnell
gestoppt werden könnte. Dadurch nämlich, dass die westlichen Regierungen
aufhören, die salafistischen Gewaltextremisten insgeheim mit Waffen, Material und
Geld zu unterstützen.
Bisher konnte jW die Zusammenarbeit zwischen den USA, ihren europäischen
Verbündeten und anderen wie der Türkei und den Golfstaaten mit den IS-Terroristen
nur mit Indizien belegen. Aber am Wochenende kam ein streng geheimer Bericht des
Pentagon aus dem Jahr 2012 ans Licht, der diese Zusammenarbeit beweist (siehe
Seite eins). Der Geheimdienst des US-Verteidigungsministeriums sieht im IS sogar
eine »strategische Chance«, um mit seiner Hilfe die US-Ziele in der Region zu
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erreichen: gewaltsamer Regimewechsel in Syrien und Zurückdrängung der
»schiitischen (iranischen) Expansion« im Irak. So wird aus einer angeblichen
Verschwörungstheorie wieder einmal die Tatsache einer Verschwörung.
Die im Pentagon-Bericht enthaltenen Enthüllungen stehen im krassen Widerspruch
zur offiziellen Syrien-Politik Washingtons und der mit ihm verbündeten westlichen
Regierungen. Sie ist angeblich von Sorge um die Demokratie und Menschenrechte
bestimmt. Erneut stellt sich das als mörderische Heuchelei heraus, die niemanden,
der über das Treiben des IS entsetzt ist, kaltlassen darf. Wer über den IS lamentiert,
nicht aber Hintermänner und Unterstützer der Mörder-, Vergewaltiger- und
Folterbande in den westlichen Regierungen und Geheimdiensten anklagt, leistet
zumindest verbal Beihilfe zu Verbrechen.
Zugleich stellt sich die höchst beunruhigende Frage, was mit der Beschwörung einer
»Terrorgefahr« tatsächlich bezweckt wird, wenn der Westen selbst eben jene
Terroristen tatkräftig unterstützt, die uns angeblich überall und jederzeit bedrohen.
Offensichtlich sehen die USA und ihre Verbündeten im IS nicht nur außenpolitisch,
sondern auch im Innern ihrer Länder eine »strategische Chance«. Angesichts des
zunehmenden Sozialabbaus und des daraus erwachsenden Potentials für
gesellschaftliche Unruhen liefert die Terrorgefahr seit Jahren eine Rechtfertigung für
den Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, für den Abbau von
Bürgerrechten und die Militarisierung der Sicherheitsdienste.
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Zurück in den Irak
Republikanische US-Politiker wollen bis zu 20.000 amerikanische Soldaten zu
Kampfeinsätzen gegen den IS schicken
Von Knut Mellenthin
US-Verteidigungsminister Carter bei amerikanischen Truppen in Kuwait im Februar 2015; Foto: Jonathan
Ernst/Reuters
Immer mehr Republikaner fordern eine robuste Verstärkung der US-Truppen im Irak.
Die traditionellen Sonntags-Talkshows gaben vielen rechten Politikern, darunter den
wichtigsten Bewerbern für die Präsidentenwahl im nächsten Jahr, Gelegenheit zur
wortradikalen Selbstdarstellung. Sogar Senator Rand Paul, den manche naiven
Europäer immer noch mit seinem Vater Ron Paul verwechseln, der dem klassischen
amerikanischen »Isolationismus« verpflichtet und daher ein entschiedener
Kriegsgegner ist, spricht sich jetzt jetzt für »Boots on the ground« aus. Gemeint ist
der Einsatz von Bodenkampftruppen.
Gegenwärtig sind im Irak zwischen 3.000 und 4.000 Angehörige der US-Streitkräfte
als »Ausbilder« und »Berater« stationiert. Nach Darstellung amerikanischer Medien
befinden sie sich alle weit von den Kampfzonen entfernt. Diese Version wird durch
die Tatsache bestätigt, dass bisher noch keine Verluste durch feindliches Feuer
gemeldet wurden. Einer der führenden republikanischen Hardliner, Senator Lindsey
Graham, möchte ihre Zahl auf 10.000 erhöhen und sie etwas stärker in die Kämpfe
einbinden. Beispielsweise als frontnahe Einweiser für Bombenangriffe. Sein Kollege
John McCain, der mit Graham oft im Duett auftritt, brachte die Zahl 20.000 ins Spiel.
Dazu sollten seiner Ansicht nach auch Spezialkommandos für direkte militärische
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Operationen gegen »hochwertige Ziele« des »Islamischen Staats« (IS), wie etwa
Kommandozentralen, gehören. Exsenator Rick Santorum, der sich schon einmal
2012 um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, will den IS »ins
siebente Jahrhundert zurückbomben«, da die Fundamentalisten einen Islam des
siebenten Jahrhunderts anstrebten. Er ignoriert, dass man zwar ganze Landstriche
zumindest
um
Jahrzehnte
»zurückbomben«
kann,
aber
nicht
eine
Kampforganisation. Die zynische und scheinbar gedankenlose Brutalität seiner
Sprache erinnert an die Ankündigung US-amerikanischer Generäle in den 1960er
Jahren, »Vietnam in die Steinzeit zurückzubomben«.
Eigene Soldaten erneut zu Kampfeinsätzen in den Irak zu schicken, das ist allerdings
in den USA selbst unter Anhängern der Republikanern ein sensibles Thema, bei dem
taktische Vorsicht geboten ist. Daher stellen die meisten republikanischen Politiker
die Forderung in den Vordergrund, kurdische und sunnitische Hilfskräfte sehr viel
besser und umfangreicher auszurüsten als bisher, und zwar ausdrücklich nicht nur
unabhängig von der Regierung in Bagdad, sondern auch gegen deren Willen. Am
stärksten exponierte sich am Sonntag beim neokonservativen Sender Fox News der
ehemalige Botschafter der USA bei der UNO, John Bolton, selbst bekennender
Neocon und uneingeschränkter Unterstützer der aggressivsten Kreise Israels. Bolton
sprach sich dafür aus, den Westen Iraks und den Osten Syriens zu einem neuen
Staat zusammenzufügen, der von »gemäßigten« oder zumindest nicht extrem
radikalen Islamisten geführt werden solle. Der kurdische Norden Iraks sei praktisch
ohnehin schon ein eigener Staat. Was dann vom Irak noch übrigbleibe, nämlich der
überwiegend schiitische Landesteil, sei »einfach nur ein Satellit Irans« und verdiene
keine Hilfe der USA.
Seit August vorigen Jahres greifen die Vereinigten Staaten vermutete Stellungen des
IS im Irak aus der Luft an. Im September wurde der Luftkrieg auf Syrien ausgeweitet.
Begleitet wurde das durch selbstgefällige, inhaltlich armselige rhetorische Intermezzi
von US-Präsident Barack Obama unter dem Motto »Wir siegen«. Erst kürzlich
verbreitete das Pentagon eine Karte, die die großen Geländeverluste des IS
demonstrieren
sollte.
Wenig
später
eroberte
die
fundamentalistische
Terrororganisation Palmyra in Syrien und Ramadi im Irak. Für die jüngsten
Niederlagen machen Obama und sein Verteidigungsminister Ash Carter den
fehlenden Kampfgeist der irakischen Truppen verantwortlich. Politiker des
Zweistromlandes wiesen das mit dem Vorwurf zurück, die USA hätten, was die
Lieferung von Waffen und die Angriffe auf IS-Stellungen angeht, bei weitem nicht
genug für die Verteidigung von Ramadi getan.