T RUS T 2 015 Quelle: 4elevens – Fotolia.com Nachweis des Niederschlags wasserhaushaltes in Siedlungsgebieten Der Beitrag stellt ein einfaches Bilanzmodell für den lokalen Wasserhaushalt im Siedlungsbereich vor, mit dessen Hilfe langjährige Wasserbilanzen von Baugebieten erstellt werden können. Das Wasserbilanzmodell ist als Planungstool im Rahmen der Bauleitplanung konzipiert. Mit geringem Aufwand lassen sich standort gerechte Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung konzipieren, um die Zielvorstellungen zum lokalen Wasserhaushalt bestmöglich umzusetzen. von: Malte Henrichs, Julian Langner & Mathias Uhl (Institut für Wasser∙Ressourcen∙Umwelt – IWARU) Im Vergleich zu unbebauten Gebieten ist der Wasserhaushalt in Siedlungsgebieten erheblich verändert. Der Oberflächenabfluss ist erhöht und die Grundwasserneubildung sowie die Verdunstung sind verringert. Die Folgen betreffen das hydrologische Regime, die Morphologie und die Ökologie siedlungsgeprägter Gewässer, das Grundwasser im Siedlungsbereich und das Stadtklima. Im DWA-Arbeitsblatt „Leitlinien der Integralen Siedlungsentwässerung“ [1] wird die möglichst geringe Beeinträchtigung des lokalen Wasserhaushaltes als übergeordnete Zielsetzung formuliert. Das derzeit im Entwurf befindliche DWA-Arbeitsblatt A 102 wird daher den Wasserhaushalt als neue Nachweisgröße enthalten. energie | wasser-praxis 4/2015 Ziel der Modellentwicklung war es, ein einfaches Bilanzmodell für den lokalen Niederschlagswasserhaushalt abzuleiten, mit dessen Hilfe die Regenwasserbewirtschaftung im Zuge der Bauleitplanung konzeptionell geplant werden kann. Im Gegensatz zu bisher verfügbaren Bilanzierungstools sollte das vereinfachte Wasserbilanzmodell eine realitätsgerechtere Abbildung des lokalen Wasserhaushaltes ermöglichen, indem standortspezifische klimatische Eingangsdaten berücksichtigt werden. Die grundlegende Idee des Wasserbilanzmodells war, den frühen Planungsprozess hinsichtlich der Einhaltung der lokalen Wasserbilanz mit geringem Datenaufwand zu unterstützen. 31 T RUS T 2 015 Für die einzelnen Simulationsmodelle werden in vorgegebenen Wertebereichen für die relevanten Modellparameter jeweils zufällig 1.000 Parameterkombinationen mittels Monte-Carlo-Methode oder Latin-Hypercube-Sampling ausgespielt [3]. Anschließend wurden je Fläche oder Bewirtschaftungsanlage 40.000 Simulationen für die Kombination Parameterwerte und Niederschlagsstationen durchgeführt und die Aufteilungsfaktoren a, g und v berechnet. Aus diesem Datenpool wurden die Aufteilungsfunktionen für die Flächen und Bewirtschaftungsanlagen mittels linearer und nichtlinearer multipler Regres- 32 Softwaretool WABILA Auf Basis der Geo-Koordinaten des Planungs- bzw. Siedlungsgebietes können die Werte a, g und v für den unbebauten Zustand aus dem Hydrologischen Atlas Deutschland ermittelt werden. Diese dienen als Referenzzustand für die Planung. Durch einen Vergleich der Wasserbilanz des unbebauten mit dem bebauten Zustand können Defizite im lokalen Wasserhaushalt nach der Be- Die Aufteilungsfunktionen des Wasserbilanzmodells wurden zur vereinfachten Anwendung in ein Softwaretool mit grafischer Benutzeroberfläche implementiert. In dem Softwaretool werden die mittlere jährliche Niederschlagshöhe und die mittlere jährliche potenzielle Evapotranspira- 1.750 1.500 1.250 1.000 750 500 250 0 -250 1 5 10 Niederschlag 15 20 25 30 35 Station potenzielle Evapotranspiration klimatische Wasserbilanz 40 Quelle: IWARU Die Flächen und Bewirtschaftungsanlagen wurden mit dem Simulationsmodell „Storm Water Management Model“ (SWMM) der US EPA abgebildet [2]. SWMM simuliert den Abflussbildungsprozess auf befestigten Flächen mit einem Speicher und bildet Gründächer und Versickerungsanlagen mittels Bodenfeuchtesimulation ab. Die Niederschlags- und Verdunstungsdaten werden mittels gemessener Zeitreihen berücksichtigt. tion als klimatische Eingangsdaten benötigt. Die unterschiedlichen Flächentypen eines Baugebietes können zeilenweise eingegeben werden (Abb. 2), sodass die Wasserbilanz in Form von Aufteilungsfaktoren für a, g und v berechnet wird. Abb. 1: Niederschlags- und Verdunstungshöhen sowie klimatische Wasserbilanzen (KWB) der 40 Stationen Quelle: IWARU Für die gebräuchlichen Flächen und Anlagen zur Regenwasserbewirtschaftung wurde die Aufteilung des langjährigen Jahresniederschlages in die Komponenten Oberflächenabfluss, Versickerung und Verdunstung untersucht. Die Anteile der Komponenten am Jahresniederschlag sind durch die Aufteilungswerte a (Oberflächenabfluss), g (Grundwasserneubildung) und v (Verdunstung) beschreibbar. Datengrundlage für die Untersuchung waren Zeitreihen von 40 über das Bundesgebiet verteilten Niederschlagsstationen (505 bis 1692 mm/a) mit einer Dauer zwischen 6 und 20 Jahren. Aus den Klimadaten nahegelegener Stationen des DWD wurde die zugehörige potenzielle Evapotranspiration (FAOGrasreferenzverdunstung) verwendet (461 bis 752 mm/a). Die klimatische Wasserbilanz KWB an den 40 Standorten betrug zwischen -247 mm/a und 1185 mm/a (Abb. 1). sion bestimmt. Sie beschreiben die Aufteilungswerte a, g und v als Funktion der örtlichen meteorologischen Daten und Kenngrößen der Flächen und Anlagen. Anhand von Literaturangaben erfolgte eine Validierung bzw. Plausibilitätsprüfung der Berechnungsergebnisse. mittlerer Jahreswert Methoden Abb. 2: Screenshot des Softwaretools WABILA energie | wasser-praxis 4/2015 0,36 konzipieren, um die Zielvorstellungen zum lokalen Wasserhaushalt bestmöglich umzusetzen. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lässt sich der Wasserhaushalt unterschiedlicher Planungsvarianten bestimmen und iterativ eine Vorzugslösung entwickeln. ■ Oberflächenabfluss ■ Grundwasserneubildung ■ Verdunstung ■ Entnahme 0,3 0,22 0,2 0,1 0,1 0,12 0,03 0 -0,06 -0,1 -0,12 -0,16 -0,2 -0,3 -0,24 bebaut -0,25 Versickerung Variante optimiert Abb. 3: Absolute Abweichungen vom unbebauten Zustand der Planungsvarianten für die Aufteilungswerte bauung quantifiziert werden. Durch den Einsatz von Anlagen zur Regenwasserbewirtschaftung erfolgt eine Annäherung der Wasserbilanz des bebauten an den unbebauten Zustand. Alle Flächen und Maßnahmen sind mit empfohlenen Werten vorparametrisiert (Flächen von Versickerungsanlagen werden über den k f-Wert grob abgeschätzt). Diese Parameter können jedoch bei genauerem Kenntnisstand verändert und angepasst werden. Zur Optimierung der Planung kann der Planer verschiedene Planungsvarianten anlegen und vergleichen. Mit dem Tool WABILA hat der Planer ein einfaches Werkzeug zur Bestimmung des lokalen Wasserhauhalts in Siedlungsgebieten, mit welchen die Wasserbilanz als operable Größe in den Planungsprozess eingebunden werden kann. Beispiel Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Wasserhaushaltsberechnung für ein 1 ha großes Wohngebiet mit einem mittleren jährlichen Niederschlag von 837 mm. Die Aufteilung der Flächen kann Abbildung 2 entnommen werden. Für den unbebauten Zustand wurden Aufteilungswerte für den Abfluss a von 0,2, für die Grundwasserneubildung g von 0,22 und für die Verdunstung v von 0,58 aus dem Hydrologi- energie | wasser-praxis 4/2015 schen Atlas Deutschland bestimmt [4]. Durch die Versiegelung der Fläche entsteht eine Abweichung der Wasserbilanz zum unbebauten Zustand von 0,36 (a), -0,12 (g) und -0,24 (v) (Abb. 3, Variante „bebaut“). Durch die Versickerung der Dachabflüsse kann die Überschreitung des Aufteilungswertes a auf 0,03 reduziert werden (Variante „Versickerung“). Die Grundwasserneubildung des unbebauten Zustandes wird hierdurch jedoch um 0,22 überschritten; die Abweichung des Aufteilungswertes v bleibt unverändert. Um den Wasserhaushalt des Wohngebietes dem des unbebauten Zustandes anzupassen, werden für die Variante „optimiert“ Regenwassernutzungsanlagen für Betriebswasser und die Gartenbewässerung sowie eine Versickerung des Überlaufes der Zisterne vorgesehen. Um die Verdunstung zu erhöhen, werden Gehwege, Stellplätze und Zufahrten mit Porensteinen und Sickerpflaster erstellt. Durch diese Maßnahmen kann die Abweichung der Versickerung auf -0,16 reduziert werden. Durch die Regenwassernutzung als Brauchwasser erfolgt eine Entnahme von 0,12. Zusammenfassung Das Wasserbilanzmodell ist Bestandteil des in der Bearbeitung befindlichen Arbeitsblattes DWA-A 102. Mit ihm lassen sich standortgerechte Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung auf der räumlichen Ebene von Baugebieten Quelle: IWARU absolute Abweichung des Aufteilungswertes vom unbebauten Zustand 0,4 Anwender werden Fachplaner aus Siedlungswasserwirtschaft, Freiraumplanung und Stadtplanung sein, die bei der Bauleit- und Sanierungsplanung die maßgebenden Entscheidungen zum Konzept der Regenwasserbewirtschaftung zu treffen haben. Die Ergebnisse gehen in die verbindliche Bauleitplanung und Genehmigungsplanung ein. Die Dimensionierung der einzelnen Anlagen erfolgt gemäß dem technischen Regelwerk. Danksagung Die Arbeiten erfolgten im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes „Die Stadt als hydrologisches System im Wandel – Schritte zu einem anpassungsfähigen Management des urbanen Wasserhaushalts (SaMuWa)“ (Förderkennzeichen 033L071J). Wir danken dem Mittelgeber für die Unterstützung der Arbeiten. W Literatur: [1] DWA-Arbeitsblatt 100, 2006. [2] Rossman, L. A. (2010): Storm Water Management Model User‘s Manual Version 5.0. Cincinnati, OH, USA, US EPA – United States Environmental Protection Agency, 285 S. [3] Helton, J. C. und Davis, F. J. (2003): Latin hypercube sampling and the propagation of uncertainty in analyses of complex systems. In: Reliability Engineering and System Safety, 81 (1), S. 23–69. [4] Uhl, M., Langner, J. und Henrichs, M. (2013): Bilanzierung des Wasserhaushaltes in Siedlungen.Stuttgarter Berichte zur Siedlungswasserwirtschaft. München: Kommissionsverlag Oldenbourg Industrieverlag, ISBN 978-3-8356-3208-0, S. 91–118. Kontakt Malte Henrichs, M.Sc. Institut für Wasser∙Ressourcen∙Umwelt (IWARU) Fachhochschule Münster Corrensstr. 25 48149 Münster Tel.: 0251 83-65286 E-Mail: [email protected] Internet: www.fh-muenster.de/iwaru 33
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