19. Kunst des 19. Jahrhunderts 19th Century Art Berlin, 3. Juni 2015 Schmuckseite 1 Kunst des 19. Jahrhunderts 19th Century Art Auktion Nr. 237 Mittwoch, 3. Juni 2015 14 Uhr Auction No. 237 Wednesday, 3 June 2015 2 p.m. www.villa-grisebach.de Vorbesichtigung Sale Preview Experten Specialists Anfragen zu Versteigerungsobjekten/ Zustandsberichte Enquiries concerning this auction/ condition reports Schriftliche Gebote Absentee bidding Eine Auswahl zeigen wir in A selection of works will be shown in Laura von Bismarck +49 (30) 885 915-24 Düsseldorf 5. und 6. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr Villa Grisebach Auktionen Daniel von Schacky Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf Friederike Valentien +49 (30) 885 915-4416 ――― Telefonische Gebote Telephone bidding Micaela Kapitzky +49 (30) 885 915-32 Florian Illies +49 (30) 885 915-47 ――― Rechnungslegung/Abrechnung Buyer’s/Seller’s accounts Katalogbestellung/Abonnements Catalogue subscription Friederike Cless +49 (30) 885 915-50 ――― Versand/Versicherung Shipping/Insurance Dr. Anna Ahrens +49 (30) 885 915-48 Norbert Stübner +49 (30) 885 915-30 Ulf Zschommler +49 (30) 885 915-33 4 München Kunst des 19. Jahrhunderts 6. und 7. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr Moderne Kunst 21. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr 22. Mai 2015 von 10 bis 15 Uhr Villa Grisebach Auktionen Dorothée Gutzeit Türkenstraße 104 · D-80799 München Dortmund 7. und 8. Mai 2015 von 10 bis 18 Uhr 9. Mai 2015 von 11 bis 16 Uhr Galerie Utermann Wilfried Utermann Silberstraße 22 · D-44137 Dortmund Zürich 12. Mai 2015 von 10 bis 17 Uhr 13. Mai 2015 von 10 bis 15 Uhr Villa Grisebach Auktionen AG Verena Hartmann Bahnhofstrasse 14 · CH-8001 Zürich Hamburg 19. Mai 2015 von 10 bis 17 Uhr Galerie Commeter Stefanie Busold Bergstraße 11 · D-20095 Hamburg Information für Bieter Information for Bidders Vorbesichtigung aller Werke in Berlin 29. Mai bis 2. Juni 2015 Viewing of all works in Berlin 29 May to 2 June 2015 Berlin Villa Grisebach Auktionen GmbH Fasanenstraße 25, 27 und 73 D-10719 Berlin Freitag bis Montag 10 bis 18 Uhr Dienstag 10 bis 17 Uhr ――― Kataloge im Internet unter www.villa-grisebach.de Die Verteilung der Bieternummern erfolgt eine Stunde vor Beginn der Auktion. Wir bitten um rechtzeitige Registrierung. Bidder numbers are available for collection one hour before the auction. Please register in advance. Nur unter dieser Nummer abgegebene Gebote werden auf der Auktion berücksichtigt. Von Bietern, die der Villa Grisebach noch unbekannt sind, benötigt die Villa Grisebach spätestens 24 Stunden vor Beginn der Auktion eine schriftliche Anmeldung. Only bids using this number will be included in the auction. Bidders previously unknown to Villa Grisebach must submit a written application no later than 24 hours before the auction. Sie haben auch die Möglichkeit, schriftliche oder telefonische Gebote an den Versteigerer zu richten. Ein entsprechendes Auftragsformular liegt dem Katalog bei. Über www.villa-grisebach.de können Sie live über das Internet die Auktionen verfolgen und sich zum online-live Bieten registrieren. Wir bitten Sie in allen Fällen, uns dies bis spätestens zum 2. Juni 2015, 14 Uhr mitzuteilen. Die Berechnung des Aufgeldes ist in den Versteigerungsbedingungen unter § 4 geregelt; wir bitten um Beachtung. Die Versteigerungsbedingungen sind am Ende des Kataloges abgedruckt. Die englische Übersetzung des Kataloges finden Sie unter www.villa-grisebach.de ――― Villa Grisebach Auktionen ist Partner von Art Loss Register. Sämtliche Gegenstände in diesem Katalog, sofern sie eindeutig identifizierbar sind und einen Schätzwert von mindestens EUR 2.500,– haben, wurden vor der Versteigerung mit dem Datenbankbestand des Registers individuell abgeglichen. We are pleased to accept written absentee bids or telephone bids on the enclosed bidding form. At www.villa-grisebach.de you can follow the auctions live and register for online live bidding. All registrations for bidding at the auctions should be received no later than 2 p.m. on 2 June 2015. Regarding the calculation of the buyer’s premium, please see the Conditions of Sale, section 4. The Conditions of Sale are provided at the end of this catalogue. The English translation of this catalogue can be found at www.villa-grisebach.de ――― Villa Grisebach is a partner of the Art Loss Register. All objects in this catalogue which are uniquely identifiable and which have an estimate of at least 2,500 Euro have been individually checked against the register’s database prior to the auction. 5 100 Deutsch, um 1820 Felsenschlucht. Bleistift auf Papier. 27 x 20,7 cm (10 ⅝ x 8 ⅛ in.). Leicht gebräunt. [3095] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München Natur, der das Werk eindeutig in die erste Generation der Romantiker und Nazarener in die Zeit um 1820 weist – und Dresden und Wien sind die Orte, wo man den Künstler finden wird und vermutlich auch in der Nähe den dargestellten Ort. € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Aus einer Felsenschlucht, durch die ein kleiner Bach fließt, blickt der Zeichner nach oben: wie mit einem Teleobjektiv erfasst er mit dünnem, harten Bleistift das zersplitterte Gestein, die Verschattungen, den Bewuchs. Der Blick des Betrachters wird förmlich angezogen in die Bildmitte während an den Rändern passend dazu mit weicherem Bleistift nur in Konturen das Gestein, die Bäume und Pflanzen erfasst werden. Wir danken Dr. Gode Krämer, Augsburg, Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, und Dr. Peter Prange, München, für freundliche Hinweise. Unsere qualitativ außergewöhnliche Zeichnung stammt aus der Sammlung von Eugen Roth (1895-1976). Es blieb der Öffentlichkeit lange verborgen, daß der brillante Schriftsteller und Dichter der „Ein Mensch“-Verse ein besessener Sammler der Zeichnungen der deutschen Romantik gewesen ist. Zwar gab es im Jahre 1955 in der „Staatlichen Graphischen Sammlung“ in München zum 60. Geburtstag von Roth eine beeindruckende Ausstellung mit 62 seiner Blätter – aber das geriet leider ebenso in Vergessenheit wie das im selben Jahr veröffentlichte Bändchen „Sammelsurium“. Dies ist ein Anekdotenband mit dem Untertitel „Freud und Leid eines Kunstsammlers“, in dem Roth auf verklausulierte, aber mitreißende und humorvolle Weise von seinen Streifzügen durch die Kunsthandlungen Münchens berichtet und seinem Wettlauf mit dem legendären Begründer der Sammlung Winterstein um die besten Blätter. Nun hat in diesem Frühjahr das Münchner Antiquariat Robert Wölfle, bei dem Eugen Roth vor über 80 Jahren seine ersten Blätter erworben hat (in seinem Buch „Sammelsurium“ „Antiquar Füchsle“ genannt), erstmals, fast vierzig Jahre nach Roths Tod, mit einem beeindruckenden Katalog Schätze aus seiner Sammlung präsentiert. Wir freuen uns, daß die Villa Grisebach nach den beiden Blättern von Caspar David Friedrich aus der Auktion im Mai 2014 nun ein Jahr später erneut vier besondere Blätter aus der ehemaligen Sammlung von Eugen Roth präsentieren darf. Neben der Los Nr. 100 sind dies die Lose 105 und 106 sowie die kleine Baumstudie von Leopold Venus (Los 232). Unsere Zeichnung zieht einen sofort mit ihrem außergewöhnlichen Präzisionsgrad in ihren Bann. Es ist ein Blick auf die 6 Solch eine Form von erzählerischer Ausführlichkeit bei gleichzeitiger kühler Präzision lässt Experten wie etwa Peter Prange oder Hans Joachim Neidhardt durchaus an einen Künstler wie August Heinrich als möglichen Schöpfer dieser Zeichnung denken, die frühe Lichtgestalt der Dresdner Romantik, Caspar David Friedrichs vielbeweinten frühverstorbenen Lieblingsschüler. Gode Krämer, der das Werkverzeichis von Heinrich verfasst hat, sieht ebenfalls eine große Nähe zu Heinrich, glaubt aber eher an Ludwig Richter als Zeichner, da er genau wie in unserer Arbeit häufig nach dem Anlegen der Umrisse von der Mitte aus an die Detailzeichnung geht. Krämer verweist auch darauf, daß die Schraffierungen in den Schattenpartieen von Heinrich malerischer sind als bei unserem Blatt – die in ihrer Parallelstruktur den Zeichnungen Richters ähneln. Das beste Beispiel hierfür dürfte „Der Untersberg bei Salzburg, 1823“ sein (Kupferstichkabinett Berlin, Inv. Nr. 246). Nur in Wien wurde in der frühen Zeichenkunst eine solche Meisterschaft erlangt wie in Dresden – und nicht zufällig ist August Heinrich, der an beiden Orten studierte, das Verbindungsglied zwischen den beiden Kunstzentren. Darum könnte es über den topograpischen oder stilistischen Vergleich gelingen, unser Blatt auch dem Wiener Kreis um Ferdinand und Friedrich Olivier oder Heinrich Reinhold zuzuweisen. Daß das Blatt in der Sammlung von Eugen Roth auf der Rückseite mit einem „Carl Blechen?“ geführt wurde, belegt, daß auch der Sammler noch unsicher war über die genaue Zuschreibung – aber auch seinerseits an einen der ganz großen Namen dachte. Stilistisch am Charakteristischen sind die feinstmöglichen Parallelstriche, die der Künstler bei den Felsen setzt, um unterschiedliche Verschattungen darzustellen – darüber müsste eine eindeutige Zuordnung gelingen. (FI) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 7 101N Adrian Zingg St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig „Bei der Ermitage eine Stund von Dippoldiswalde“. 1784 Feder in Schwarz, laviert, auf Papier, auf Karton aufgezogen. 23,5 x 31,5 cm (33 x 40 cm) (9 ¼ x 12 ⅜ in. (13 x 15 ¾ in.)). Unten bezeichnet und datiert: Bei der Ermitage eine Stund von Dippoldiswalde gezeichnet den 19 Sept. 1784. Leicht stockfleckig und gebräunt. [3196] Gerahmt. € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Wir danken Sabine Weisheit-Possél, Berlin, für die freundliche Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Der Name Adrian Zingg steht für eine Erneuerung des Landschaftsbildes im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Dresden. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Akademielehrer unternahm er mit seinen Schülern Zeichenexkursionen in die Umgebung von Dresden. Unser Blatt zeigt die Höhle am Einsiedlerstein in der Dippoldiswalder Heide. In einer Zeit, in der noch die nach festen Regeln komponierte Landschaftsvedute vorherrschte, erweist sich Zingg hier nicht zuletzt durch die Rigorosität des Bildausschnittes als durchaus modern. 102 Adrian Zingg St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig Flußlandschaft mit Viehherde. 1772 Aquarell und Feder in Schwarz auf Papier, auf Karton aufgezogen. 18,6 x 23 cm (7 ⅜ x 9 in.). Unten rechts auf dem Unterlagekarton mit Feder in Schwarz alt beschriftet: Zingg inv 1772. Gebräunt, die Farben verblichen. Leicht fleckig. [3013] € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Unsere Arbeit zeigt die Umgebung des Elbsandsteingebirges, vielleicht des Plauenschen Grundes bei Dresden, der zuerst von Adrian Zingg systematisch erwandert und bildwürdig gemacht wurde. Wir danken Sabine Weisheit-Possél, Berlin, für die freundliche Bestätigung der Authentizität der Zeichnungen Los 102 und 103. 103 Adrian Zingg St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig Flußlandschaft mit Felsblock und Wasserfall. Um 1772 Aquarell und Feder in Schwarz auf Papier, auf Karton aufgezogen. 18,6 x 23 cm (7 ⅜ x 9 in.). Unten rechts auf dem Unterlagekarton mit Feder in Schwarz alt beschriftet: Zingg. Gebräunt, die Farben etwas verblichen. Leicht fleckig. [3013] € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 In den 1770er Jahren schuf Zingg kleinere Radierungen, die er auf der Leipziger Oster- und Michaelismesse und auch ins Ausland mit großem Erfolg verkaufte. Bei unserer Zeichnung handelt es sich um die Vorlage für die Titelradierung seiner 1770 dem Dresdner Bibliothekar Dassdorf gewidmeten Landschaftssuite, die in das 1805 bei Tauchnitz in Leipzig erschiene Kupferstichwerk Zinggs aufgenommen wurde. (SW) 8 Grisebach 06/2015 104 Carl Ludwig Kaaz (Katz) Karlsruhe 1773 – 1810 Dresden Ideallandschaft mit Hirtenpaar. 1797 Gouache auf Papier, auf Hartfaser aufgezogen. 51,8 x 72 cm (20 ⅜ x 28 ⅜ in.). Unten links signiert, bezeichnet und datiert : C. Katz. pinx: Dresd: 1797. Kleine Farbverluste. [3013] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Der in Dresden tätige Carl Ludwig Kaaz hat unter Rückgriff auf klassisch-ideale Kompositionsprinzipien des 17. Jahrhunderts zur Konturierung der deutschen Landschaftsmalerei um 1800 beigetragen. Seinen stimmungsvollen Naturzugriff verwob Kaaz mit den Eindrücken, die er während seiner Italienreise (1801/02–1804) empfing. Dabei gelang es ihm, die beiden Pole von Ideal und Wirklichkeit, auf freien Erfindungen beruhende Kompositionen sowie topografisch codierte Landschaftsveduten, überzeugend miteinander zu verschmelzen. Untrennbar verbunden mit Kaaz’ Namen ist derjenige Goethes, welcher den Künstler tätig förderte und zugleich das Weimarer Herzogshaus als Unterstützer gewinnen konnte. Bei der vorliegenden, von Kaaz signierten und auf 1797 datierten Gouache handelt es sich um eine Kopie nach Claude Lorrains berühmtem Bild „Landschaft mit der Flucht nach Ägypten“ (1647), das in der Dresdner Gemäldegalerie zu sehen war. Gemeinsam mit einem zweiten Gemälde des in Rom wirkenden Franzosen, der „Küstenlandschaft mit Acis und Galatea“ (1657), das ebenfalls 1751 die Sammlung bereicherte, vermochte es den Dresdner Künstlern in den Jahren um 1800 diesen spezifischen Typus der klassischen Ideallandschaft, welche ihren besonderen Reiz aus einer ausgewogenen, harmonisch ausbalancierten Komposition sowie dem subtil eingesetzten Spiel des Lichts bezog, paradigmatisch zu vergegenwärtigen. Während Kaaz im Zuge seiner kopierenden Aneignung dem Landschaftsraum relativ getreu folgte, nahm er bei den Figuren kleinere, aber durchaus bezeichnende Veränderungen vor. So verzichtete er auf die Wiedergabe der antikisch-gewandeten, knienden Frauengestalt im Vordergrundbereich, die gerade ihr Wassergefäß an der Quelle auffüllt. Von größeren Konsequenzen für den Gesamtcharakter des Bildes ist schließlich Kaaz’ Entscheidung zu werten, die Gruppe der auf der Flucht befindlichen Heiligen Familie samt begleitendem Engel, welche gerade dabei ist, am linken Rand den Bildraum zu verlassen, auf eine männliche Figur mit Esel zu reduzieren. Einerseits bleibt dadurch die heilsgeschichtliche Allusion ausgespart, andererseits – so ließe sich dieser Schritt ebenfalls lesen – ist es nun die Landschaft, die aus sich heraus imstande ist, eine sakrale Aura zu stiften. Ob Kaaz damit den Wünschen des Auftraggebers nachkam oder aber die Modifikationen als eigene Setzung zu verstehen sind, lässt sich mangels Dokumenten nicht mehr klären. Die Beschäftigung mit Claude Lorrain war Kaaz ein lebenslanges Anliegen und hinter einer Vielzahl seiner Kompositionen leuchtet der Franzose als maßgeblicher Impulsgeber auf. Mehrfach hat sich der Künstler zudem kopierend mit dessen Werken auseinandergesetzt. Beispielsweise geht aus dem 1810 im „Morgenblatt für gebildete Stände“ erschienenen, von Karl August Böttiger verfassten Nachruf auf den Künstler hervor, dass Kaaz um 1801 die Gelegenheit erhielt, „die trefflichen Claude Lorrains und Ruysdaels auf der Dresdner Galerie für einige reiche kurländische Familien zu kopieren“. Unsere 1797 entstandene Gouache markiert den Anfang von Kaaz’ Beschäftigung mit dem Künstler. Schließlich war er erst 1796/97 nach Dresden übergesiedelt und aus dieser frühen Schaffensphase ließen sich bislang nur wenige Werke dingfest machen. Markus Bertsch, Hamburg Grisebach 06/2015 9 105 Deutsch, um 1820 Felsen im Wasser. Pinsel in Grau auf Bütten. 17,8 x 24,9 cm (7 x 9 ¾ in.). Rückseitig alt mit Bleistift beschriftet, unten rechts: Caspar David Friedrich; in der Mitte: No 18. [3095] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München € 2.000 – 3.000 10 $ 2,160 – 3,230 In der Sammlung von Eugen Roth galten die Felsen im Wasser als ein Werk von Caspar David Friedrich. Diese Zuschreibung wird von der aktuellen Forschung nicht geteilt. Doch ist die Zuordnung an einen Dresdner Meister sehr plausibel. Eine bis ins Detail ähnliche Aquarelltechnik in der Stein- und Wassergestaltung verwandte Johan Christian Dahl auf seiner ersten Italienreise 1820/21. Da bis heute vor allem seine bahnbrechenden Ölstudien aus Italien im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, wurde seine eigenständige zeichnerische Leistung auf diesen Reisen bislang wenig beachtet und erst 2004 umfassend publiziert: Im Katalog zur Ausstellung „J.C.Dahl: Tegninger fra Italia-reisen 1820-1821“ des Nationalmuseums in Oslo, herausgegeben von Bodil Sorensen. Die publizierten Aquarelle weisen deutliche Parallelen zu unserer Arbeit auf. Charakteristisch sind zwei Dinge: das Interesse für Lichteffekte auf den Steinen am Meeresufer und die flächenhafte Gestaltung des Gesteins wie etwa in einer Zeichnung von der Küste bei Capri vom 11. Dezember 1820 (Nr.140, S.87). Die Felsformation unseres Blattes ist denen vor der Küste Capris und im Golf von Neapel eng verwandt. Grisebach 06/2015 106 Deutsch, um 1810 Baumgruppe mit Obelisk. Feder in Schwarz, laviert, auf Bütten. 13,1 x 18,3 cm (5 ⅛ x 7 ¼ in.). Rückseitig unten rechts etwas unleserlich alt mit Bleistift beschriftet: C [S] W ?. [3095] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Das Blatt eines unbekannten Künstlers mit dem Blick auf eine von Bäumen bewachsene Wiese mit einem Obelisken ist nicht vollständig ausgearbeitet. Auf der Grundlage einer kompositorisch ausgewogenen, monochromen Pinselzeichnung arbeitet der Künstler in der Mitte nur die beiden Bäume und den Obelisken mit der Feder prägnant heraus, so daß auf dem Blatt Nähe und Ferne, vollendete und unvollendete Partien in einen wirkungsvollen Austausch miteinander treten, der für die deutsche Landschaftszeichnung um und nach 1800 charakteristisch ist. Gegenüber der gleichmäßigen, als Stimmungsträger fungierenden Pinselzeichnung werden Bäume und Obelisk im Wechsel von Licht und Schatten in einer Weise herausgearbeitet, die teilweise noch im ausgehenden 18. Jahrhundert verwurzelt ist. Wie allerdings Bäume und Obelisk bzw. Grabmonument auf dem Blatt sinnbildhaft miteinander in Beziehung gesetzt werden, erinnert bereits an den romantischen Symbolgehalt der Kunst Caspar David Friedrichs. Eine Entstehung des Blattes in Dresden in Friedrichs Umkreis nach 1800 ist deshalb wahrscheinlich; eine eindeutigere Zuordnung ist allerdings bisher nicht möglich. Aufgrund der graphischen Struktur der Federzeichnung wäre an einen mit dem Medium der Druckgraphik vertrauten Künstler wie z. B. Johann Philipp Veith (1768-1837) zu denken. Peter Prange, München Grisebach 06/2015 11 107N Carl Gustav Carus Leipzig 1789 – 1869 Dresden Blick über den Waldrand. 1840er/50er Jahre Öl auf Leinwand. 16 x 33,5 cm (6 ¼ x 13 ¼ in.). Nicht bei Prause. – Mit einer Bestätigung von Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, vom 20. März 2015. – Retuschierte Knickfalte. [3143] Provenienz: Privatsammlung, Schweiz € 18.000 – 24.000 $ 19,400 – 25,900 Ein heißer Sommertag versinkt in fernem orangenen und lilafarbenem Leuchten, unten aus dem Wald meint man noch die letzten Vögel zwitschern zu hören, dann senkt sich die Dämmerung über das Dresdner Elbtal. Im Jahre 1832 hatte Carus in Pillnitz ein Sommerhaus bezogen, um als Leibarzt näher beim sächsischen König zu sein während des sommerlichen Aufenthaltes im dortigen Schloß. Von seinem Haus aus zog es ihn immer wieder auf ein kleines Plateau ein paar hundert Meter bergauf – und an jenem Punkt entstanden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder kleine Naturstudien, die zu den intimsten Werken gehören, die der Künstler geschaffen hat. Diese Werkgruppe, von Hans Joachim Neidhardt „Hosterwitzer Studien“ getauft, verbindet der leicht erhöhte Standpunkt, wodurch von den Bäumen im abfallenden Gelände davor immer nur die Wipfel zu sehen sind – und die ganze Aufmerksamkeit sich auf den Himmel richten kann und den Punkt, wo er die Natur berührt. Zu dieser Werkgruppe gehören etwa die „Bäume im Frühling“ ,Fassungen I und II, der „Blick über Waldlandschaft“ und „Blick über Baumwipfel“ (Werkverzeichnis Prause Nr. 384-387). Während bei den genannten Studien die meiste Aufmerksamkeit der minutiösen und doch raschen Erfassung der Baumstrukturen gewidmet wird, lebt unsere Studie vor allem von der duftigen Himmelsgestaltung. Mit weichem, schwingendem Pinsel schafft Carus hier ein besonders schönes Beispiel der Dresdner Landschaftskunst in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts: hier wird genau geschaut – und gleichzeitig tief empfunden. Unsere kleine Studie ist der Inbegriff dessen, was als „Dresdner Romantik“ die Kunst des deutschen neunzehnten Jahrhunderts bereichert hat. Und wie so häufig sind es ja nicht die Gipfelpunkte einer Entwicklung (also Caspar David Friedrich), sondern eher die kleineren Erhebungen daneben, in denen sich der Geist einer Kunstströmung am reinsten entfalten kann. Zumal, wenn es sich wie bei Carus um einen Theoretiker handelt, der sehr präzise Worte fand für das, was er künstlerisch schuf. Schaut man auf den Himmel unserer Studie, wie sich da im abendlichen Dunst die Farben in den Wolkenbahnen aufzulösen scheinen, wie sich ein merkwürdiger Frieden über die Landschaft legt wie ein weiches Laken, dann wird man unweigerlich erinnert an die Parallelen, die Carus zwischen Himmelsgestaltung und mensch- 12 licher Introspektion zieht: „Alles, was in unserer Brust widerklingt, ein Erhellen und Verfinstern, ein Entwickeln und Auflösen, ein Bilden und Zerstören, alles schwebt in den Gebilden der Wolkenregionen vor unseren Sinnen.“ Blickt man auf unsere Studie, dann sieht man in ihr verwirklicht, was Carl Gustav Carus in seinen „Neun Briefen über Landschaftsmalerei“ (1815-1824) als kunstpolitisches Ideal der Romantik postuliert hatte: Die Hauptaufgabe der Landschaftskunst ist danach die „Darstellung einer gewissen Stimmung des Gemüthslebens durch die Nachbildung einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens“. Damit wird also die Welt, die in der vorromantischen, klassizistischen Landschaftsmalerei noch ein objektives Für-Sich war, zu einem Ausstrahlungsfeld der subjektiven Gefühle des Menschen. Und der Betrachter, auch im Jahre 2015, kann selbst wieder ein Teil werden der subjektiven Gefühle eines Carl Gustav Carus, die ihn durchpulsten an diesem Sommerabend der 1840er, als er hinter den Baumgipfeln von Hosterwitz die Dämmerung in surrealen Farben ins Elbtal versinken sah. (FI) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 13 108 Gustav Adolf Friedrich Blick aus dem Fenster. Öl auf Pappe. 13 x 12,8 cm (5 ⅛ x 5 in.). Winzige Fehlstelle an der rechten unteren Ecke. Das Blatt wurde von einer nur wenig größeren Pappe gelöst. Alte Beschriftung auf der Rückseite der Unterlage mit brauner Feder: Besitzerin Annaliese Friedrich Hannover-Kleefeld Senator Bauerstr. 29 Auf der Rückseite des Bildes stand die Bezeichnung C.D.Friedrich. [Name ist unterstrichen] Herr Ernst Bommer, der Schwager C.D.Friedrichs hatte seinerzeit laut Bestätigung die Bezeichnung selbst gemacht. [3245] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß Caspar David Friedrich (seither in Familienbesitz) / Privatsammlung, Sachsen € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Ein Punkt bei dieser energiegeladenen kleinen Ölstudie ist eindeutig geklärt: sie hat einmal Caspar David Friedrich gehört. Die rückseitige Beschriftung ist authentisch und die Familienerbfolge aus zahlreichen anderen Werken von der Hand und aus dem Besitz Friedrichs bekannt (siehe Abbildung unten rechts). Unsere Studie führt uns mitten hinein ins Zentrum der engen Freundschaft zwischen Friedrich und Johann Christian Dahl, die in den 1820er und 1830er Jahren gemeinsam im Haus „An der Elbe 33“ wohnten und arbeiteten (siehe Abbildung unten links). Die große Ausstellung „Dahl und Friedrich“ in der Galerie Neue Meister in Dresden beleuchtet derzeit die Wechselwirkungen dieser intensiven Freundschaft und Arbeitsbeziehung. Während von Friedrich selbst sehr wenige Ölstudien bekannt geworden sind (die Ausstellung zeigt zwei Beispiele von gelb leuchtenden Himmeln aus der Kunsthalle Mannheim und aus Privatbesitz), hat Dahl gerade in diesem Medium seine größte Meisterschaft erreicht. Immer wieder malte er aus seinem Dachatelierfenster des Hauses „An der Elbe“, wie sich die Wolken türmten über dem Fluß, wie die Sonne den Himmel durchbricht und die Abenddämmerung ihre Farbpracht entfaltet. Die kleinen Studien waren schon zu Dahls Lebzeiten legendär, er zog einen sehr großen Kreis von Schülern an, denen er die spontane und doch sehr präzise Malerei mit Ölfarbe auf Papier oder Karton direkt vor der Natur lehrte. So deutet also einiges darauf hin, daß es sich bei unserer Studie um ein Werk von Dahl handeln könnte – das er, der damaligen Praxis entsprechend, als unsignierte Freundschaftsgabe an Friedrich gab, in dessen Nachlaß es schließlich verblieb und von den Verwandten als eigenhändiges Werk des Besitzers mißver- 14 Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) standen wurde. Für Dahl spricht die charakteristische weiße Lichtsetzung in den schwarzen Wolkenbergen, auch die verschleifenden Pinselstriche, mit denen die Landschaft mit den weiten Wiesen und den schmalen Ackerrainen dazwischen erfasst wurde, sind von großer Souveränität. Vermutlich sehen wir bei unserer Studie den Blick aus dem Haus „An der Elbe 33“ – aber nicht wie üblich nach vorne zum Fluß, sondern nach hinten, zu den südlichen Hängen hin, die Dresden hier begrenzen. Ganz genau läßt sich die Häuserreihe im Vordergrund der Studie aber heute, fast zweihundert Jahre danach, nicht im Stadtbild Dresdens verorten. Die Häuserreihe ist im Vergleich zu den mittleren und hinteren Partien des Bildes weniger ausgeführt, auch etwas weniger furios gemalt – und damit kommt ein dritter Name ins Spiel. Es ist kein Zufall, daß der Herr im weißen Hemd, der unten auf dem Foto aus dem Dachgeschoß des Hauses „An der Elbe 33“ grüßt, Gustav Adolf Friedrich (1824-1889) ist. Gustav Adolf war der Sohn Caspar David Friedrichs – und schon als er siebzehn Jahre alt war zog es ihn immer wieder zum Malen zum Nachbarn obendrüber: zu Dahl. Auch wenn er in seinen späteren Jahren vor allem als akkurater Tiermaler bekannt wurde, gibt es offenbar einige sehr ausdrucksstarke und könnerhafte Ölstudien, die obwohl ganz in der Manier Dahls, Friedrichs Sohn zugeschrieben werden. So ist es eine mögliche Lösung, daß er der Schöpfer unserer Arbeit ist – auch wenn man mindestens beim Mittelgrund und Himmel denkt, daß Dahl seine Finger mit im Spiel gehabt haben müsste. (FI) Grisebach 06/2015 15 109 Ernst Ferdinand Oehme 1797 – Dresden – 1855 „Böhmische Landschaft mit Statue eines Heiligen“. 1841 Aquarell über Feder in Schwarz und Bleistift auf Papier. 24,5 x 37,1 cm (9 ⅝ x 14 ⅝ in.). Nicht bei Neidhardt. – Mit einer Expertise von Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, vom 22. März 2015. – [3200] Erzgebirge gereist. Im Jahr 1841 machten sie sich nach Osten und erneut im Herbst zu Wanderungen durch Nordböhmen auf, wobei sie beide Male den Milleschauer berührten. Im Frühling führte ihre Tour sie über Aussig, Sebusein, Kamaik, Lobositz und den Milleschauer auch nach Töplitz, so daß diese Zeichnung wohl genau auf den April 1841 zu datieren ist. € 5.000 – 7.000 Unter Oehmes Werken, die unterwegs entstanden, besticht dieses Blatt durch seine zeichnerische Offenheit: Mit zarten, nur stellenweise unterbrochenen Federlinien umreißt der Künstler Erdformationen, Baumkronen und Vorgebirge sowie die in langen Zügen sanft und zugleich energisch schwingenden Horizontlinien. Anschließend verleiht er der Landschaft mit dem aquarellierenden Pinsel gleichsam ihre Materialität. Dabei beschränkt er sich auf helles Sandbraun und transparent ins Bläuliche übergehendes Grün sowie reichlich Papierton. Diese Reduktion trägt sehr zum Reiz des Blattes bei; die Baumgruppe rechts ist lediglich mit einer Umrißlinie angedeutet, um die zeitlose Stimmung der Fernlandschaft wirken zu lassen. $ 5,390 – 7,540 Wir danken Frank Richter, Dresden, für die topograpischen Hinweise. Von erhöhtem Standpunkt aus überblickt der Betrachter die einladend ausgebreitete Landschaft Nordböhmens; auf sandige Böschungen vorn und frische Vegetation dahinter folgt eine Ebene mit ausgebreiteten Feldern zu Füßen der markanten Gipfel am Horizont, über denen die Sonnenscheibe angedeutet ist. Bei der Baumkrone rechts und der Skulptur eines Heiligen, vermutlich Nepomuk, am Wegesrand kommt der schweifende Blick zur Ruhe. Ernst Ferdinand Oehme zeigt hier den Blick zum Kletschen links und dem Milleschauer rechts, wobei sein Standort entweder der Wacholderberg bei Teplitz oder etwas weiter östlich der Schloßberg bei Teplitz war. Ungefähr diesen Blick auf die beiden Bergspitzen hatte schon 1808 Oehmes Lehrer und Vorbild Caspar David Friedrich gemalt. 33 Jahre später wanderte der 44-jährige Oehme mit Carl Gottlieb Peschel und Ludwig Richter durch Nordböhmen. Die drei Künstler, die eine zwanzigjährige Freundschaft verband, waren bereits gemeinsam durch Italien und mehrfach durch das 16 Es ist denkbar, dass der Künstler bei dieser Zeichnung eine spätere Umsetzung in ein bildmäßig ausgeführtes Aquarell oder ein Gemälde im Sinn gehabt hat, wie es auch bei seinen böhmischen Landschaften gelegentlich vorkommt. Dennoch wirkt sie in ihrer unaufgeregten, meisterlichen Sicherheit und Ruhe völlig autonom und bezeugt damit einmal mehr die hohe Zeichenkultur der sächsischen Landschaftsmalerschule bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Anke Fröhlich-Schauseil, Dresden Grisebach 06/2015 110 Carl Robert Kummer 1810 – Dresden – 1889 „Das Kloster Metten bei untergehender Sonne“. 1859 Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 22 x 39,3 cm (8 ⅝ x 15 ½ in.). Nüdling 391 (dort mit irrtümlichen Titel). – Mit einer Bestätigung von Dr. Elisabeth Nüdling, Fulda, vom 9. April 2015. – Etwas wellig aufgezogen. Randmängel. [3013] Gerahmt. € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Ein spektakulärer Abendhimmel leuchtet in dieser kühnen Ölskizze über der barocken Klosteranlage im Bildzentrum. Es handelt sich um eine Ansicht der Benediktinerabtei Metten im Bayerischen Wald, die hier im Mittelpunkt des eindrucksvollen Naturschauspiels steht. Breite Pinselstriche und subtiles Farbspiel dokumentieren das große Spektrum technischer Möglichkeiten, das Kummer hier voll ausschöpfte. Wir danken Herrn Chris Mulzer, Berlin, für die Identifizierung der Landschaft. 111 Deutsch, um 1800 Ruine im Nebel. Pinsel in Schwarz und Grau auf Papier. 13 x 17,5 cm (5 ⅛ x 6 ⅞ in.). Unten links ein Sammlerstempel (nicht bei Lugt). Gebräunt, verblichen. [3275] Provenienz: Ehemals Johann Friedrich Lahmann, Dresden-Weißer Hirsch, und Edwin Redslob, Berlin € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Diese faszinierende kleine Papierarbeit von hoher Qualität und bester Provenienz (Johann Friedrich Lahmann war der wichtigste Sammler der Dresdner Romantik) könnte, obwohl man zunächst an einen Dresdner Künstler der Frühromantik denkt, sogar noch eher entstanden sein. Die erst auf den zweiten Blick zu erkennende Figur vorne rechts, die andächtig auf die im Nebel versinkenden Ruinen blickt, ist als Überwältigungsinszenierung eine Haltung des achtzehnten Jahrhunderts. Die Faszination für die verfallenen Gebäude mit ungewöhnlicher Perspektive und sehr hoher künstlerischer Freiheit könnte auf Christian Benjamin Müller (1690-1758) als Künstler hindeuten, allerdings knüpft vor allem Christoph Nathe (1753-1806) in seinen späten Aquarellen genau an Müllers freien Umgang mit Pinsel und lavierten Partien an. Grisebach 06/2015 17 112 Carl Gustav Carus Leipzig 1789 – 1869 Dresden „Phantasie aus der Alpenwelt“. 1822 Öl auf Leinwand. Doubliert. 52 x 66,7 cm (20 ½ x 26 ¼ in.). Prause 132. – [3032] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Galerie Caspari, München (um 1925/27) / Privatsammlung, New York (bis 2002) Ausstellung: Verzeichniß der [...] ausgestellten Kunstwerke. Dresden, Königl. Sächs. Akademie der Künste, 1822, Kat.-Nr. 182 / Carl Gustav Carus. Natur und Idee. Dresden, KupferstichKabinett und Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in der Gemäldegalerie Alte Meister und im Residenzschloß Dresden, und Berlin, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, 2009/2010, Kat.-Nr. 159, m. Farbabbildung Literatur und Abbildung: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 7, 1822, Nr. 133, 5.11.1822, S. 1075 (Rezension der Dresdner Ausstellung) / Artistisches Notizenblatt, Jg. 19, 1822, S. 76 (Rezension der Dresdner Ausstellung) / Gerda Grashoff-Heins: Carus als Maler. Lippstadt 1926 (= Münster, Univ. Diss. 1926), S. 32 / 19th Century European Art. London, Christie‘s, 4.12.2002, Kat.-Nr. 71, m. Farbabbildung € 180.000 – 240.000 $ 194,000 – 259,000 „Zwei Adler“. Vorzeichnung zum Gemälde. Bleistift 14,1 x 19,6 cm. Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Inv. Nr. C1963-518 (aus dem Nachlaß des Künstlers) 18 Dieses faszinierende Bild führt mitten hinein in die Freundschaft zwischen Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich. Der Naturforscher, Maler und Universalgelehrte und der größte Künstler der deutschen Romantik hatten sich in Dresden kennengelernt. Zwischen 1818 und 1825 fällt ihre intensivste Phase, es gab fast täglichen Austausch, man malte gemeinsam in Dresden und Umgebung und die Werke von Carus beziehen sich mitunter direkt auf die seines Freundes und Vorbildes. Unser Bild entstand im Jahre 1822, als Carus künstlerischer Weg eine Wandlung durchlief und er, wie er immer wieder bekennt, besonders viel von Friedrich lernt. Es zeigt zwei Greifvögel (Bartgeier eher als Adler, auch wenn schon in den ersten Rezensionen von Adlern die Rede ist) auf einem braunen Felsvorsprung, dahinter, in der nächsten Zone, ziehen undurchsichtige Nebelschleier durchs Bild, aus denen sich schließlich zwei hochalpine und schneebedeckte Gipfel erheben. Das Bild beruht auf den Erfahrungen, die Carus auf seiner ersten Schweizreise 1821 machte. Außergewöhnlich ist aber, daß er anders als bei den anderen Bildern der Alpenreise, die ihre Topographie imTitel tragen, bewusst die Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Symbolik des Werkes lenkte und ihm den Namen „Phantasie aus der Alpenwelt“ verlieh. Auch daß er das Bild im Jahr 1822 zur Dresdner Akademieausstellung gab, demonstriert, welch besondere Bedeutung Carus dem Bild beimaß. Und manchmal sind auch kleine Details aufschlussreich: so wollte sich Carus, anders als von zahlreichen anderen Werken und Zeichnungen, zeitlebens nicht von dem kleinen Blatt trennen, auf dem er die beiden Adler im Gebirge nach den Radierungen gezeichnet hatte, die als Vorstudie für die „Phantasie aus der Alpenwelt“ dienten (offenbar war es keine Zeichnung nach der Natur, sondern nach einer Radierung von Ridinger aus dem Jahre 1744). Umso eigentümlicher ist, daß das Bild bis heute in der CarusLiteratur nicht gedeutet wurde – obwohl es mit seinem Titel ja bewusst die „Phantasie“ anregen sollte. Könnte die besondere Aura, die von dem Bild ausgeht, nicht darin begründet liegen, daß wir es hier mit einem ganz besonderen Freundschaftsbild der Dresdner Romantik zu tun haben? Um 1820 malte Friedrich seine „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“. Unser Bild könnte ein Versuch von Carus sein, darauf zu reagieren – und zugleich seinem Freund zu huldigen. Denn das Verhältnis der beiden Greifvögel entspricht exakt dem zwischen Carus und Caspar David Friedrich in der Zeit um 1821/22: Der untere Vogel, von dem man nur einen Flügel sehen kann, blickt anerkenend und ehrfurchtsvoll auf den oberen, helleren Vogel, der seine Flügel ausbreitet. Und darüber in den Bergen wird das Verhältnis noch einmal wiederholt: rechts der etwas niedrigere, links der hellere, unerreichbare Gipfelpunkt. Es passt zu den Briefen und Notizen von Carus aus dieser Zeit, daß er sich darum bemühte, von Friedrich zu lernen, wie man Bilder symbolisch auflädt. Und es passt zu Carus, der den großen Geistern seiner Zeit wie Friedrich und Goethe immer mit einer gewissen Ehrfurcht gegenüber trat, dieses Verhältnis auch bildnerisch darzustellen. Somit wird dieses Bild zu einem ganz besonderen Dokument der Kunst der Dresdner Romantik um 1820. (FI) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) 113 Adolf Henning 1809 – Berlin – 1900 Fluß im Mondlicht. Öl auf Papier, über Goldpapier auf Karton aufgezogen. 7,9 x 12,2, cm (3 ⅛ x 12,2, in.). [3056] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß des Künstlers € 1.200 – 1.500 114 Wo genau diese kleine Ölskizze entstanden ist, wissen wir nicht. Es ist auch nicht so wichtig, geht es dem v.a. als Porträtmaler tätigen Berliner Künstler Adolf Henning hier doch in erster Linie um das Licht, genauer gesagt um das Licht des Mondes. Um dessen besondere atmosphärische Wirkung einzufangen, braucht es Raum. Ein flüchtig hingeworfener Weg, ein Fluß, umsäumt von flach auslaufenden Bergketten genügen, um das Besondere dieses Lichtes zu zeigen: Es färbt die Landschaft bläulich-schwarz ein, während auf der glatten Wasserfläche seine Spiegelung gleißendweiß ausläuft. (SW) $ 1,290 – 1,620 Heinrich Brandes Bortfeld b. Braunschweig 1803 – 1868 Braunschweig „Landschaft mit bewaldeter Bergkuppe“. Öl auf Leinwand. 18,8 x 22,2 cm (7 ⅜ x 8 ¾ in.). Nicht bei Spies. – Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 15. Januar 2015. – Kleine Retuschen. [3199] € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Grisebach 06/2015 115 Heinrich Brandes Bortfeld b. Braunschweig 1803 – 1868 Braunschweig „Harzlandschaft“. Öl auf Leinwand. 17 x 23 cm (6 ¾ x 9 in.). Nicht bei Spies. – Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 15. Januar 2015. – Kleine Retuschen. [3199] € 2.500 – 3.500 $ 2,690 – 3,770 Das zentrale Motiv im steinigen Vordergrund ist eine von rechts zur Bildmitte hin ansteigende, aus mehreren Steinschichten bestehende Felsklippe, die mit einer gezackten Kontur jäh endet. Ein Schwarm von Raben steht im Begriff, sich auf der Klippe niederzulassen. Die braunviolett gefärbten Felsen vorn finden eine farbliche Entsprechung in der Wolkenbank, die über dem orangefarbenen Abendhimmel liegt. Dieser endet für das Auge ganz links oben in einem bläulich-weißen Fleck, dem hellsten im Bild. Der Blick wird also sehr bestimmt von rechts nach links gelenkt und steigt dabei immer höher. Die genaue Betrachtung erschließt die überlegte, dabei indessen keineswegs aufdringliche Komposition mit einem intensiven Stimmungsgehalt. Bei der auffälligen Klippe handelt es sich um die Teufelskanzel auf dem Brocken, der seit der künstlerischen Entdeckung des Harzes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemein bekannt war. Der Maler hat jedoch den Blick spiegelbildlich wiedergegeben, wie eine Zeichnung von Carl Gustav Carus in der Nationalgalerie in Oslo belegt. Bei dem Blick von der anderen Seite müßte rechts das Brockenhaus erscheinen. Diese Situation hat Ludwig Richter 1836 gezeichnet. Die verschollene Zeichnung war die Vorlage für einen Stahlstich in dem verbreiteten Buch über den Harz von Wilhelm Blumenhagen, das 1838 erschien. In Malweise, Motiv und Kolorit ist engstens verwandt ein auf Holz gemaltes Bild von Heinrich Brandes mit den Maßen 26,5 x 36 cm „Der Ilsenstein mit Raben“ in Privatbesitz. Dieses Gemälde ziert den Einband der maßgeblichen Monographie über den Maler von Gerlinde Spies „Der Braunschweiger Landschaftsmaler Heinrich Brandes (1803-1868)“ (Braunschweig, 1986). In dem 450 Nummern umfassenden Werkverzeichnis mit nicht weniger als 119 Harzlandschaften ist das Bild als Nr. 310 ohne Datierungsvorschlag aufgeführt. Zuerst wird von dem Maler ein Harzmotiv in einem 1843 datierten Gemälde „Der Regenstein im Harz “ (WV 307,29,5 x 41 cm) faßbar. Viele Harzlandschaften, besonders die von Carl Friedrich Lessing, der zwischen 1836 und 1878 sechsmal den Harz besuchte, tragen den Titel „Landschaft im Charakter des Harzes“. Solche Bilder wollten nicht als exakte Vedute eines bestimmten Ortes gesehen werden, sondern als Darstellungen, die das Wesentliche einer Gegend in poetischer Verdichtung erfassen und so eine vertiefte Anschauung durch den Betrachter erfordern. In dieser Weise ist auch das vorliegende Bild zu betrachten. Heinrich Brandes ist schon früh durch die Aufnahme eines Porträts von 1828 (Frau Hausmann als Kind) in der berühmten JahrhundertAusstellung von 1906 in seinem hohen künstlerischen Rang erkannt worden. Seine Bedeutung als Landschaftsmaler kann indessen erst auf der Grundlage der Arbeit von Gerlinde Spies voll gewürdigt werden. Er setzt eine frühromantisch idealisierende Auffassung der Landschaft noch über die Jahrhundertmitte hinaus fort. Helmut Börsch-Supan, Berlin Grisebach 06/2015 21 altertümliche Sandalen angezogen oder „hinzugemalt“ hat? Ähnliches Schuhwerk taucht auf Bildern des großen Christoffer Wilhelm Eckersberg aus dieser Zeit auf, der ab 1803 an der Akademie lernt, später dort lehrt. Sogar Gesicht und Haare des Modells sind von dem Kunststudenten antikisch idealisiert worden, die Grisaille-Technik (Ölmalerei nur in Grau, Schwarz und Weiß) gibt dem Körper zusätzlich das marmorartige Aussehen; vor dem fasziniernd grisseligen Hintergrund scheint der Junge, perfekt beleuchtet, nachgerade aus dem Bild hervorzutreten. Denkt man an dänisch-antikische Statuen aus dieser Zeit, muss man den größten dänischen Bildhauer des 19. Jahrhunderts erwähnen: Bertel Thorvaldsen, der sowohl in Kopenhagen als auch in Rom tätig gewesen ist. Dieser „dänische Winckelmann“ hat in Rom einen großen Werkstattbetrieb aufgebaut und viele junge Bildhauer ausgebildet und beschäftigt. Damit trägt er auch dazu bei, dass sich der durch Friedrich Schlegel 1803 wiederbelebte „Paragone-Streit“ um die Frage nach der Vorherrschaft von Malerei oder Bildhauerei Anfang des 19. Jahrhunderts noch nicht zu Gunsten des Bildes entscheidet. Tatsächlich hat man bei diesen detailverliebten Studien eher den Eindruck, dass alles zusammenkommt: Mensch, Skulptur, Ölmalerei. Falls der antikisierte Jüngling eine mythologische Figur verkörpert, dann keinen bulligen Herkules oder Vulcan, sondern einen schlanken Apoll oder Jason; um 1810 hat Thorvaldsen etwa eine Jason-Skulptur mit Vlies, Harnisch und Sandalen produziert. 117 Doch zwei Merkmale sprechen dafür, dass es sich hier um einen Normalsterblichen handelt: Erstens ist die Pose deutlich malerisch, findet sich auf zahlreichen dänischen Zeichnungen und Gemälden dieser Zeit. Zweitens hat der Jüngling sympathische Segelohren. Damit ist freilich nichts entschieden. Mensch oder Halbgott? Heldentaten planen oder Aktmodell sitzen? Der starke Reiz dieser Studien liegt gerade in dem federballleichten Spiel zwischen Idealisierung und Wirklichkeit. (SIE) Dänisch, um 1810 Zwei Männerakte (Akademiestudien). Jeweils Öl auf Zink. 41,2 x 31,4 cm bzw. 41,4 x 31,3 cm (16 ¼ x 12 ⅜ in. bzw. 16 ¼ x 12 ⅜ in.). [3215] Gerahmt. € 3.500 – 4.500 $ 3,770 – 4,850 Der Eindruck, daß die beiden Männer wie gemeißelt aussehen, führt direkt in die Entstehungszeit der Aktstudien, wahrscheinlich um 1810, in der die klassizistischen und frühromantischen Künstler ihre Fingerfertigkeit schulten. Sie studieren nicht nur den Menschen, sondern auch Marmor- und Gipsstatuen. Schließlich verkörpern diese Statuen das höchste Ideal des Menschlichen: die griechisch-römische Antike. Eine der wichtigsten Akademien um 1800 (vor allem für den europäischen Norden) ist die Kopenhagener Kunst-Akademie. Seit ihrer Gründung Mitte des 18. Jahrhunderts wird hier das Aktstudium gelehrt. Gerade auch um den bekleideten Menschen proportional korrekt in den perspektivischen Gemälde-Raum ‚einzupassen’, studiert man den nackten Körper, betreibt sozusagen Anatomie mit dem Auge. Die Schüler, ganz gleich, ob das Ziel Malerei oder Bildhauerei ist, beginnen mit dem Kopieren von Zeichnungen – der berühmte Akademie-Schüler Philipp Otto Runge hat etwa seinen dänischen Lehrer Nicolai Abildgaard kopiert. In einem nächsten Schritt werden Statuen „abgepaust“. Und erst zum Schluss kommt das Studium des lebendigen Modells, das meist geschickt künstlich beleuchtet im Halbrund der Studenten auf einem Sockel thront. Ist der einmal von schräg vorne, dann von schräg hinten aufgenommene Jüngling vielleicht einer Statue aus der Abgusssammlung der Akademie oder aus dem Antikensaal im dänischen Schloss Charlottenburg nachempfunden? Oder ist er ein Aktmodell, dem man eigens 22 Grisebach 06/2015 118 Otto Meyer Berlin, um 1820 – nach 1880 „Bukolische Szene“. Um 1858 Öl auf Leinwand. Doubliert. 45 x 54 cm (17 ¾ x 21 ¼ in.). Mit einem Gutachten (in Kopie) von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 10. Oktober 2012. – [3204] Gerahmt. € 7.000 – 9.000 $ 7,540 – 9,700 Der junge Mann, der sich hier mit einem Ziegenbock neckt, ist selbst schon fast zum Sartyr geworden, mitten in der Metamorphose wird er vom neugierigen Tier als Objekt der Begierde entdeckt. Zweideutig grinst der Satyr den Betrachter an, fast scheint man sein Augenzwinkern zu sehen. Natürlich ist der junge Mann nicht ohne Caravaggios Amor in Berlin zu denken - und auch seine schmutzigen Fußsohlen sind ein Gruß an den italienischen Meister aller Klassen. Auch wenn unser Bild nicht signiert ist, geht Helmut Börsch-Supan fest davon aus, daß die Verwandtschaft zum Gemälde „Zwiegespräch“ in der Kieler Kunsthalle so eng ist, daß auch unser Bild von der Hand Otto Meyers stammt. Sowohl die Komposition als auch der eigenwillige Humor ist beiden Arbeiten eigen. Meyer, Schüler von Carl Joseph Begas, war ein vielumschwärmtes künstlerisches Wunderkind im Berlin, reiste früh und wiederholt nach Rom. Franz Kugler schwärmte von der „Frische der Auffassung“ bei ihm und der „kräftigen, vollen Malerei und energischen Gesamthaltung“. Von all dem erzählt auch unser eindrückliches Bild - in seiner Motivik erinnert es an die italienischen Werke von Böcklin und Feuerbach und Skulpturen von Reinhold Begas, jene einfühlsamen Verquickungen von Mythos und Landleben. Deshalb erscheint eine Datierung auf Meyers Italienreise von 1858 plausibel. „Aus der Masse der Genrebilder des 19. Jahrhunderts“, so Börsch-Supan in seinem Gutachten, „ragt es durch die Kühnheit der Auffassung und hohe malerische Qualität hervor“. Im Boetticher ist für Meyer, dessen früher Ruhm aus ungeklärten Gründen jäh endete, unter der Nr. 11 das Bild „Aus einem Hirtenleben“ genannt. Es würde zum Humor des Künstlers passen, seiner sehr originellen Bildfindung diesen lakonischen Titel zu geben. Grisebach 06/2015 23 119 Eduard Magnus 1799 – Berlin – 1872 weise hat Magnus das Bild für sich behalten, während das Kopenhagener Exemplar in den Besitz Thorvaldsens und mit seinem Nachlaß an das Thorvaldsens Museum gelangte.“ (Helmut Börsch-Supan) Bertel Thorvaldsen. Um 1828 Öl auf Leinwand. 60,5 x 46 cm (23 ⅞ x 18 ⅛ in.). Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 3. Dezember 2014. – Retuschen, teilweise über sorgfältig restaurierten Einrissen. [3402] Gerahmt. € 15.000 – 20.000 $ 16,200 – 21,600 Vermutlich die erste Version aus der Portraitserie. „Das bisher nicht bekannte Gemälde ist eine nur geringfügig von einem anderen Exemplar im Thorvaldsens Museum in Kopenhagen abweichende Fassung von gleicher Größe und Qualität. Möglicher- 24 Der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen und der Berliner Maler Eduard Magnus lernten sich in Rom kennen. Magnus war zu seiner ersten Reise nach Italien aufgebrochen, hatte, begleitet von Christian Daniel Rauch, in Paris Station gemacht und traf im Laufe des Jahres 1826 in der Stadt am Tiber ein. Die Gastfreundschaft des viele Jahre älteren Bildhauers trieb auch den jungen Deutschen in das Atelier nahe der Piazza Barberina. Es galt als Anlaufstelle: Auftraggeber wie Handwerker, Assistenten, Reisende gaben sich hier die Klinke in die Hand. Die beiden Künstler befreundeten sich, und Magnus, der sich zum herausragenden Bildnismaler entwickeln sollte, porträtierte den bereits berühmten Künstler in den nächsten Jahren mehrmals. Das bekannteste Bildnis beherbergt das Thorvaldsenmuseum in Kopenhagen. Diese Fassung blieb der Öffentlichkeit bislang verborgen. (SE) Grisebach 06/2015 120 Wilhelm Ferdinand Bendz Odense 1804 – 1832 Vicenza Damenportrait. Um 1830 Öl auf Leinwand. 68,5 x 52,5 cm (27 x 20 ⅝ in.). Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 8. November 2013. – Retuschen. [3204] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Bayern € 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900 Im Jahre 1831/32 war Wilhelm Bendz auf der Reise von Kopenhagen über Hamburg, Berlin, Dresden, Nürnberg nach Italien längere Zeit in München. Eine der vielen künstlerischen Hochbegabungen, deren jäher Tod - noch auf der Reise nach Rom - ein singuläres Werk beendete. Vital, lustig, lernbegierig und bei allen Malerkollegen beliebt, war er in seiner Münchner Zeit eng mit Christian Morgenstern befreundet, mit dem er gemeinsam Landschaften im bayrischen Alpenvorland malte, z. B. bei Kochel und Partenkirchen. Sein Hauptwerk „Künstler im Finck‘schen Kaffeehaus in München“ wurde von Bertel Thorvaldsen angekauft (Thorvaldsens Museum, Inv.-Nr. B197). Auch mit mehrere Einzelporträts erregte Bendz in München Aufmerksamkeit. Die Ähnlichkeit unseres Bildes zu seinem signierten und datierten „Portrait einer alten Frau“ von 1832 (Hirschsprungske Samling,Inv.- Nr. 3137) ist so groß, der Kopfschmuck so ähnlich und die lässige Drapierung des Schmucks so vergleichbar, daß Helmut Börsch-Supan unser unsigniertes Bild der charmant blickenden jungen Dame eindeutig Wilhelm Bendz zuschreibt. Weitere Merkmale, mit denen sich Bendz‘ Malerei auf der Höhe seines Schaffens von der seiner Zeitgenossen abhebt, sind die psychologisierende Darstellung in seinen Porträts und am auffallendsten sein farbenfrohes, kräftiges Kolorit. Grisebach 06/2015 25 121 Eduard Gaertner Berlin 1801 – 1877 Zechlin Die heilige Pforte in Moskau. 1837 Aquarell auf leichtem Karton. 35,3 x 25,5 cm (13 ⅞ x 10 in.). Unten rechts monogrammiert und datiert: E. G. 1837. Nicht bei Wirth (vgl. Wirth 42 sowie Wirth 233 u. 234). – [3133] Gerahmt. € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 Das der Fachwelt bisher unbekanntes Aquarell kann als glücklicher Fund für die Gaertner-Forschung gelten. Erst das eingehende Quellenstudium machte es 2001 möglich, neues Licht in das bisher kaum bekannte russische Kapitel der Gaertner-Biographie zu bringen. Die gewonnenen Erkenntnisse öffneten Perspektiven für weiteres Suchen nach verlorenen Spuren seiner Kunst. Als bisher bedeutendste Entdeckung auf diesem Weg darf das vorliegende Aquarell gelten. „Die Heilige Pforte“ war das erste von Gaertners bekannten Moskauer Gemälden. In diesem Bild, erworben am 26. März 1838 frisch von der Staffelei von König Friedrich Wilhelm III., ist 1945 zweifellos eines der originellsten und bedeutendsten Werke Gaertners verlorengegangen. Neben einer schwarz-weißen Photographie waren bisher lediglich zwei Vorzeichnungen bekannt (Stiftung Stadtmuseum Berlin). Umso bedeutender ist die neu entdeckte Aquarellversion. Bei der angesichts des doppelt kleineren Formats verblüffenden, beinahe gänzlichen Übereinstimmung mit dem Gemälde bringt es uns wohl weitgehend dessen verlorene Farbigkeit zurück. Die selbstständige künstlerische Qualität des Blattes unterliegt aber auch frei von jeglichem historischen Bezug keinem Zweifel. Der Spasski-Turm galt seit jeher als Hauptturm- und Tor des Moskauer Kreml und wurde als heilig verehrt. Nachdem 1645 durch dieses Tor die Erlöser-Ikone aus Wjatka in die Uspenski-Kathedrale gebracht wurde, entwickelte sich für ewige Zeiten ein Brauch, vor dem Betreten der „Heiligen Pforte“ die Kopfbedeckung zu ziehen. Schon ihrer historischen Bedeutung wegen gehörte sie zu den meist dargestellten Sehenswürdigkeiten Moskaus. Niemandem vor und auch nach Gaertner fiel jedoch ein, die Freitreppe der schräg gegenüberliegenden Basiliuskathedrale zu besteigen und auf das berühmte Denkmal durch ihre Bogenöffnung zu blicken. Dieser Standpunkt, wie auch das Kirchendach in seinem Berlin-Panorama von 1834, bot ihm eine ganz neue, überraschende Ansicht und gleichzeitig einen fertig „geschnitzten“ Rahmen für das Hauptobjekt der Darstellung – den Spasski-Turm, der mitten im Bild emporragt. Unser Blick verharrt allerdings weniger auf dem Tor, als auf dem müde gebückten Rücken des weißhaarigen Greises im Vordergrund. Die Mütze vom Haupt gezogen, andächtig gen Heiliges Tor blickend, ohne Kraft, auf die Knie zu fallen, wie es sich gehört, hebt er die Hand, um sich zu bekreuzigen. Zufälliger Zeuge des inneren Dialogs des einfachen Mannes mit seinem Heiligtum, mitgenommen und gerührt von der Innigkeit seines religiösen Gefühls, beobachtet ihn Gaertner aus seinem Versteck und lädt zugleich ein, das bunte Leben und Treiben zu beobachten, das sich vor der monumentalen Kulisse der „Heiligen Pforte“ auf dem Roten Platz abspielt. Ob der mit dem Edelmann verhandelnde Kutscher oder allerlei chaotisch an der Kremlmauer „parkendes“ Fuhrwerk, die zanksüchtige Hündchen oder die Kreuzprozession, die sich gerade der Pforte nähert, begleitet von der stehend und kniend betenden Volksmenge 26 ‒ alles fühlt sich hier wohl und geborgen, und der Betrachter wird auf ungezwungene Weise in dieses Leben aufgenommen. Menschen und Bauten, Alltag und Geschichte existieren hier im untrennbaren, harmonischen Neben- und Miteinander. Mehrschichtig aufgebaut, wird das Bild weniger zur Architekturansicht, als zum Spiegel multidimensionaler Realitätswahrnehmung: aus der Sicht des Alten, eines jeden der Menge auf dem Platz und des Künstlers, der aus einem passiven Betrachter zum mitfühlenden Beobachter wird, wie es E. T. A. Hoffmann an seinem „Eckfenster“ war. Der Durchbruch in eine andere, der Architekturmalerei bis jetzt verschlossene Welt wird hier mit aller Deutlichkeit erreicht. So wie Hoffmann die Stadt für die Literatur der Romantik entdeckte, so entdeckt sie Gaertner für die bildende Kunst, wie paradox dies auch klingen mag angesichts der Gewohnheit, die nüchterne Objektivität und penibelste Genauigkeit als prägendste Merkmale von Gaertners Kunst anzusehen. Indes war er es, der diesen Blick auf die Stadt als lebendiger, dem Menschen gehörender und durch ihn beseelter Gesamtorganismus in die Vedutenmalerei einbrachte. Dabei bleibt er vor allem ein virtuoser Interpret der „versteinerten Musik“. Besonders reizvoll in seiner architektonischen Eigentümlichkeit, wird der von ihm "porträtierte“ Ort als natürlicher und gewohnter, wenn auch geschichtsbeladener Lebensraum der Menschen aller Schichten und Stände gesehen. Bei all ihrer optischen Dominanz hört bei ihm die Architektur auf, etwas sich selbst Genügendes zu sein. Sie wird zu einer natürlichen Begleitung des menschlichen Lebens, wenn auch eines außerordentlichen und erhabenen. Wie weit voraus Gaertner in dieser Sicht seinen zeitgenössischen Veduten-Kollegen war, macht der Vergleich mit der grafischen Massenproduktion der Zeit deutlich. Wo andere eine obligatorische Ansammlung gesichtsloser Staffagefiguren sahen, findet Gaertner eine spannungsreiche Straßen-Novelle. Nicht nur die Architektur gewinnt bei ihm durch die beinahe mathematisch ausgewogene Komposition und die luftdurchflutete Malerei ihr Raumleben, sondern sie selbst verwandelt sich aus der Kulisse zum Lebensraum der Menschen. Die auffallende Monumentalität von Gaertners Raumdenken geht Hand in Hand mit treffsicherer Miniaturausführung in Details und Staffage, dessen Meister er war. Zwei seiner Ausbildungswege – als Porzellan und Dekorationsmaler – haben sich hier aufs glücklichste gepaart. Seinem Raumgespür verdankt diese Wirkung ebenso viel, wie der Ausdruckskraft seiner Zeichen- und Maltechnik. Bestechend durch den typisch Gaertnerischen Reiz, kann das Blatt als markantes Beispiel seiner Aquarellmalerei gelten – der Technik, welcher der Künstler sich ihrer Flexibilität und „Mobilität“ wegen in Russland überwiegend bediente. Ihre spezifischen Möglichkeiten – die Dominanz des impulsiven Pinselstrichs und der weißen Papierfläche, den Reichtum der feinsten Farbabstufungen ‒ verstand er meisterhaft zu nutzen. Dienten die sensibel reagierenden Aquarelltöne den meisten seiner Berufsgenossen mehr der Gegenstandsbezeichnung, sind sie bei Gaertner auch ausgesprochene Stimmungsträger. Das „Aquarellstadium“ war ein Teil der Bildgenese aller seiner Ölgemälde, die in ihrer lichten Transparenz oft selbst Aquarellcharakter aufweisen. Das neu entdeckte Blatt scheint tatsächlich aus Luft und Licht gewebt zu sein – so subtil, zart und frisch ist die Palette von Halbtönen mit den klug aufgesetzten, wenigen und dadurch bei Gaertner besonders sprechenden kräftigeren Farbpointen. Wasserfarben ermöglichten schließlich auch die beste Übung im „malen der Luft“, wie der Künstler sein stetes Interesse zum Pleinairismus bezeichnete. Der positive, sonnige Grundton, der Gaertners Kunst auszeichnet und aus der Fülle des Weltempfindens zu schöpfen scheint, besticht auch hier. Durch dieses Blatt, dessen Bestimmung noch ein zu lösendes Rätsel ist, wird Gaertners Oeuvre um ein kostbares Zeugnis reicher. Dr. Wasilissa Pachomova-Göres, Potsdam Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 27 122 Friedrich Arnold Karlsruhe 1786 – 1854 Karlsruhe(?) Idealansicht der Piazza Colonna, Rom. 1810 Pinsel in Braun, Deckweiß und Feder in Schwarz über Bleistift auf Papier. 47,3 x 63,5 cm (18 ⅝ x 25 in.). Unten rechts mit Feder in Schwarz bezeichnet, datiert und signiert: Rom den 10 August 1810 Frid. Arnold. [3019] € 6.000 – 8.000 $ 6,470 – 8,620 Wir danken Frau Angelika Wiegel und Herrn Dr. Joachim Kleinmanns von der Städtischen Galerie Karlsruhe für freundliche Hinweise. Für dieses Werk liegt eine Leihanfrage vor für die Ausstellung „Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus“ vom 27. Juni bis 4. Oktober 2015 in der Städtischen Galerie Karlsruhe. 28 Rom, wie es war, so könnte man zunächst denken, wenn man diese Vedute des Karlsruher Malers und Architekturprofessors Friedrich Arnold, Großneffe und Schüler des berühmten Friedrich Weinbrenner, betrachtet. Sie zeigt die am Corso in Rom gelegene Piazza Colonna vom ehemaligen Palazzo Piombino aus. Jedoch: Statt des Brunnens aus dem 16. Jahrhundert von Giacomo Della Porta schmückt hier ein klassizistischer Brunnen die Piazza. Auf der ursprünglich Mark Aurel gewidmeten Säule thront nicht wie in Wahrheit der Apostel Paulus, sondern Napoleon. So handelt es sich eben nicht um eine Vedute, sondern um eine Idealansicht – aus französischer Perspektive. Unser Blatt entstand kurz nachdem Napoleons Truppen Rom eingenommen hatten und man kann annehmen, dass es von der Französischen Obrigkeit als Entwurf für Erneuerungen im modernen Kaiserlichen Stil in Auftrag gegeben wurde. Ähnliche Verschönerungen der Stadt wurden ab 1810 von Camille de Tournon, dem Präfekten des Napoleonischen Roms, für die gesamte Stadt in einem Großprojekt geplant. Dieser Platz war ein wichtiges Zentrum Französischer Macht, da der auf der rechten Seite realistisch dargestellte Palazzo Chigi die italienische Ehrengarde beherbergt hatte. (MZ) Grisebach 06/2015 123 Friedrich Wilhelm Klose (seit 1839: Kloss) 1805 – Berlin – 1875 Das Chamois-Zimmer im Palais Friedrich Wilhelms III. (Kronprinzenpalais), Berlin. Um 1840 Aquarell über Bleistift auf Papier. 31,2 x 42 cm (12 ¼ x 16 ½ in.). Unten links signiert: F. W. Kloss. Rückseitig unten rechts der Sammlerstempel Lugt 873b. [3337] Provenienz: Ehemals Sammlung Ernst Jürgen Otto, Celle € 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900 Unser Aquarell zeigt das Chamoiszimmer, benannt nach der Farbe der gerippten Damasttapete. Zwischen Schlaf- und Schreibzimmer gelegen diente der Raum als königliches Spielzimmer. Von hellem Tageslicht durchflutet erleben wir den morgendlichen Eindruck des eben erwachten Monarchen beim Gang in sein Arbeitszimmer nach. Ein von Schinkel entworfener, prachtvoller Kronleuchter aus Glas und vergoldeter Bronze bestimmt das Raumzentrum. Auch die Sitzgruppe rechts mit dem frischen, blau-weiß gestreiftem Bezug ist von dem berühmten Architekten. In den Fensterleibungen stehen etruskische Vasen mit ausladenden exotischen Zimmerpflanzen. An der Wand gegenüber finden wir die königlichen Spielereien. Die beiden EckEtageren bewahren kleine Geschenke, etwa Tassen von der Familie. Auf den längsgereihten Tischen begrüßen uns 7 Papageien in ihren engen aber vornehmen Messingbauern. Linkerhand der Tür zum Schreibzimmer steht ein Tivoli, das Lieblingsspiel des Königs (der Tisch mit der abfallenden Platte). Wie beim Flipperautomaten wird eine Kugel über eine Abzugsmechanik an den oberen Rand des Spielfeldes geschossen, dabei aber durch mehrere Hindernisse abgelenkt, bevor sie in eine der Gewinn-Taschen fällt. Auf dem Mahagonitischchen vor der eleganten Chaiselongue in gelbem Samt, ein Geschenk der Tochter Charlotte, lagen schon morgens die Komödienzettel des Tages bereit, sprich die Spielpläne fürs Schauspielhaus, Oper und Königstädtisches Theater. Auffällig und den Raumeindruck maßgeblich bestimmend sind die vielen Gemälde, die Rahmen an Rahmen bis unter die Decke hängen. Es handelt sich fast ausschließlich um Kopien nach Raffael-Gemälden. Dank Max Schaslers präziser Auflistung sind sie alle genau zu benennen (Berlins Kunstschätze, Bd. II, Berlin 1856, S. 257-260). 1857 wurden die Bilder in Folge von Umbaumaßnahmen in die Orangerie des Schlosses Sanssouci gebracht. Für die Datierung des Aquarells sind jedoch die sieben Papageienkäfige ausschlaggebend. Unmittelbar nach dem Tod Friedrich Wilhelm III. waren die exotischen Vögel unter den nächsten Verwandten verteilt worden. Zimmerbilder wie das hier vorgestellte sind noch heute von hohem Wert, da sie die Interieurs jener Zeit, Geschmack und Lebensstil detailgetreu wiedergeben. Sie haben sich vor allem in den Sammlungen der europäischen Königs- und Fürstenhäuser erhalten. Als persönliche Geschenke wurden sie in Alben aufbewahrt, die man von Generation zu Generation weitergab. Als Raumportraits zeigen sie oft in retrospektiven Momentaufnahmen die tägliche, nächste Umgebung einer geliebten Person, deren Persönlichkeit sie spiegeln und deren Andenken sie bewahren. (AA) Grisebach 06/2015 29 124 Moritz Daniel Oppenheim Hanau 1800 – 1882 Frankfurt am Main Portrait eines sitzenden Mannes mit Brille. 1854 Öl auf Holz. 39,3 x 31,5 cm (15 ½ x 12 ⅜ in.). Unten links signiert und datiert: MOppenheim 1854. Nicht bei Berankova/Riedel/Weber. – Kleine Retuschen. [3054] Gerahmt. € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Wir danken Herrn Erik Riedel, Jüdisches Museums, Frankfurt am Main, für freundliche Auskünfte. 125 Wilhelm Hensel Trebbin 1794 – 1861 Berlin Portrait des Fürsten Reuß III. 1849 Bleistift, weiß gehöht, auf Karton mit gelblichem Tondruck. 35,4 x 25,4 cm (13 ⅞ x 10 in.). Unten rechts signiert und datiert: WHensel 1849. Randmängel. [3242] Provenienz: Ehemals Kunsthandlung Axt, Dresden, und Sammlung Dr. Georg Ernst, Dresden–Weißer Hirsch € 1.500 – 2.000 $ 1,620 – 2,160 Unterhalb der Darstellung mit Bleistift vom Dargestellten beschriftet: Erinnerung ein Paradies. – Nur die Erinnerung prüft den Genuß! – Ihr lieblicher Wiederhall leihet dem Sinn Trauter Beseligung reinsten Erguß Und hiesigen[?], ruhigen Freuden Gewinn. Und die Erinn'rung, sie mildert den Schmerz! – Erscheinen auch manche der Bilder uns trüb, Lindernde Wehmuth beleuchtet das Herz. Entfernet die Schatten, und macht sie uns lieb. – Seinem lieben Hensel. von Reuß III. Ber[in] 16. 4. 49 30 Grisebach 06/2015 126 (Abbildung in Originalgröße) Dresden, um 1830 Portrait einer jungen Frau (Luisa Stein). Aquarell und Deckweiß auf leichtem Karton. 15,1 x 12,8 cm (6 x 5 in.). Rückseitig mit Bleistift beschriftet: Luisa Stein. [3140] Gerahmt. € 1.500 – 2.000 $ 1,620 – 2,160 Ein intelligentes, ruhiges junges Gesicht, durch das Licht fein modelliert, nimmt den Betrachter gefangen. Nach links einer unsichtbaren Lichtquelle zugewendet, sitzt die Frau vor leerem Hintergrund, der sich in der Form eines Ovals um ihre Gestalt verdichtet. Ein weißer Kragen über dem schwarzen Samtkleid ist der einzige Schmuck; wie die Frisur mit Haarknoten und Schläfenlocken vermag auch diese Tracht aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht, die Dargestellte in die Vergangenheit zu entrücken. Im Gegenteil, sie scheint dem Betrachter unmittelbar gegenwärtig zu sein. Da das Porträtieren für fast alle Künstler jener Epoche ein Bestandteil des Broterwerbs war und Bildnisse in allen Kunstzentren in großer Zahl entstanden, ist eine Zuschreibung an einen von ihnen kaum möglich. So gab es z. B. in Dresden zu jener Zeit mit Traugott Leberecht Pochmann, Carl Christian Vogel von Vogelstein oder Carl Gottlieb Peschel Porträtisten, die auf den ersten Blick vergleichbare Werke schufen; auf den zweiten Blick unterscheidet sich dieses Blatt jedoch von ihnen. Unser Frauenbildnis beeindruckt durch die ungestellte Privatheit eines nicht auf seine Wirkung bedachten Menschen. Der Künstler beobachtete anteilnehmend und dennoch unaufdringlich und scheint dabei ein guter Psychologe gewesen zu sein. Bei aller gebotenen Zurückhaltung sei ein Künstler genannt, der exzellente Porträts von jungen Frauen und Kindern schuf: Der aus der Niederlausitz stammende Eduard Clemens Fechner (1799 Bad Muskau – 1861 Paris), der in Dresden bei Grassi und in München bei Stieler studierte. Bildnisse seiner Schwester Emilie in schwarzer und weißer Kreide auf blauem Papier (im Grafischen Kabinett des Kulturhistorischen Museums Görlitz), ein technisch und stilistisch vergleichbares Jünglingsbildnis oder das 1838 datierte Bildnis Professor Arnolds (SKD, Kupferstich-Kabinett) vermitteln eine dem Damenporträt verwandte Geisteshaltung: Auch diese Dargestellten wirken in ihrem Ausdruck gedankenvoll und mit Anteilnahme und sehr ähnlicher Stilistik beobachtet. Anke Fröhlich-Schauseil, Dresden Grisebach 06/2015 31 (Abbildung in Originalgröße) 127 Anton Graff Winterthur 1736 – 1813 Dresden „Johann Georg Sulzer“. Nach 1774 Radierung auf Bütten. 15,5 x 9,2 cm (35,2 x 26,8 cm) (6 ⅛ x 3 ⅝ in. (13 ⅞ x 10 ½ in.)). Berckenhagen 1348 II (von III). – Sehr selten. Leicht angestaubt, der breite Rand etwas fleckig. [3013] € 1.000 – 1.500 32 $ 1,080 – 1,620 Eine von nur drei Radierungen des Künstlers. Dargestellt ist der Philosoph und Pädagoge Johann Georg Sulzer (1720-1779), der seit 1771 auch Graffs Schwiegervater war. Die Radierung entstand nach dem Gemälde von 1774, das sich heute im Gleimhaus in Halberstadt befindet (Berckenhagen 1344), und nach einer Kreidezeichnung, heute im Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (Berckenhagen 1347). Die Kupferplatte wurde zuletzt 1914 nachgewiesen in der Auktion CXXV: Sammlung Arnold Otto Meyer, Hamburg. III [...]. Leipzig, C. G. Boerner, 21.3.1914, Kat.-Nr. 223 (15,5 x 9 cm). Grisebach 06/2015 128N UNBEKANNT, Um 1820 Junge mit Kappe. Pinsel und Feder in Schwarz und Grau auf Velin (Wasserzeichen: C & I HONIG). 29,5 x 21,8 cm (11 ⅝ x 8 ⅝ in.). Etwas braunfleckig. Knickfalte. [3490] € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Verblüfft über soviel künstlerische Souveränität und Kunstfertigkeit blickt man diesem Knaben ins Gesicht – die Zeichnung trägt die Präzision, die Hingabe und das Einfühlungsvermögen der ersten Romantikergeneration um 1820 in sich. Ihren Schöpfer aber hat sie bislang noch nicht preisgegeben. Grisebach 06/2015 33 129 Friedrich Wilhelm Klose (seit 1839: Kloss) 1805 – Berlin – 1875 Ansichten aus Berlin und Umgebung. Um 1861/63 Skizzenbuch mit Bleistiftzeichnungen auf 49 Blatt Papier, davon 23 Blatt unter Passepartouts in einem handgefertigten Album aus goldgeprägtem Kalbsleder eingebunden. Skizzenbuch: 10,8 x 17,5 cm (4 ¼ x 6 ⅞ in.). Die meisten Zeichnungen sind betitelt, zwei auch signiert bzw. datiert und drei monogrammiert. Durchgängig leicht stockfleckig, teilweise auch mit schwachem Wasserrand, die eingebundenen Zeichnungen etwas gewellt. [3097] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. P. F.-C. Wille, Hannover (1926 bei Graupe erworben, seitdem in Familienbesitz) Literatur und Abbildung: Auktion 64: Das alte Berlin. Ölgemälde, Aquarelle, Graphik [...]. Berlin, Paul Graupe, 8.5.1926, Kat.-Nr. 408 (das noch nicht aufgelöste Skizzenbuch) / P. F. C. Wille: Unbekannte Darstellungen aus dem alten Berliner Rathaus kurz vor dessen Abbruch. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Neue Folge Nr. 5, 1. Juli 1966, S. 61-66, hier die beiden Abbildungen S. 63 (Nr. 16 des Albums) u. Abb. S. 65 (Nr. 14 des Albums) / P. F.-C. Wille: Die alte Dorfkirche von Tegel und die Familie von Humboldt. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 67. Jg., Nr. 2, 1.4.1971, S. 30-32, Abb. S. 31 (Nr. 35 des Albums) / Sibylle Gramlich: Architekturmalerei im 19. Jahrhundert in Deutschland. Berlin, Freie Universität, Diss. 1990, S. 369, Anm. 124 € 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900 Das Album „F. W. Kloß. Handzeichnungen von Berlin und Umgebung, um 1860“ (Maße: 30,3 x 25 cm) enthält 44 Zeichnungen, die Motive unter anderem aus Pankow, von der Schönhauser Allee, aus Tegel und den Blick aus der Choriner Straße auf die Schloßkuppel enthalten. Das Skizzenbuch mit 34 Bleistiftzeichnungen, davon eine mit Aquarell, enthält Motive aus Swinemünde, Stettin und aus der Altmark. Als „Composition“ bezeichnete Blätter resultierten wohl nur zum Teil aus der Topographie, zum anderen Teil jedoch entsprangen sie der Phantasie des Künstlers. Die vollständige Liste der dargestellten Orte findet sich im Online-Katalog unter www.villa-grisebach.de 1839 versetzte ihn der Justizminister Heinrich Gottlob von Mühler in den Stand eines ehelich Geborenen und erlaubte ihm, den Namen in Kloss zu ändern. Auch als Künstler war ihm der Erfolg nicht in die Wiege gelegt. Sein 1819 begonnenes Architekturstudium an der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin unter Johann Erdmann Hummel und Carl Gropius unterbrach Klose von 1821 bis 1823 und brach es 1825 ganz ab. Er spezialisierte sich auf topographische Ansichten und mußte sich in Berlin gegen die Konkurrenz von Architekturmalern wie Eduard Gaertner, Johann Heinrich Hintze oder Johann Wilhelm Brücke behaupten. Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Bilder an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. zu verkaufen und sich so seinen Lebensunterhalt zu sichern. Zeitweise wich er auf Ansichten aus Italien und vom Rhein aus, Gegenden, die er 1828/29 und 1834 bereiste. Obwohl die Bilder aus den ferneren Landen und von mittelalterlichen Kirchen und Klöstern gut zwei Drittel seines Schaffens ausmachten, ist uns Klose heute als Schilderer der Stadt Berlin geläufig, vor allem in seinen exakt gezeichneten Aquarellen. Auch die Familie des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV, der 1840 sein Amt antrat, erteilte ihm Aufträge, wofür die in dieser Auktion angebotene Ansicht des „Chamois-Zimmers“ (vgl. Los 123) ein eindrücklicher Beweis ist. Die Skizzenbuch-Blätter stammen aus den frühen sechziger Jahren und damit aus einer Zeit, als der „Architectur- und Landschaftsmaler und geprüfte Zeichnenlehrer“ Friedrich Wilhelm Kloß(!) in seinem eigenen Haus in der Schönhauser Allee 183 wohnte (Berliner Adreßbuch von 1861, S. 250). Von dort unternahm er die Ausflüge zu Fuß oder zu Pferde nach Pankow, Schulzendorf oder Tegel und die Fahrten in das Ostseebad Swinemünde oder nach Crüden und Stresow in der Altmark, von denen sein Skizzenbuch berichtet. Er überlieferte uns diese Ansichten zu einer Zeit, als der Fotoapparat zwar schon erfunden war, doch solche kleinen Ortschaften und alten Gebäude (wie das Rathaus zu Berlin) noch nicht als bildwürdig erachtet wurden. Am 28. Mai 1875 ist Friedrich Wilhelm Kloss in Berlin gestorben. (SP) Friedrich Wilhelm Klose – wer war er? Sein Sterbeort und -jahr sind vielen unbekannt, aber daß er ab 1839 seinen Namen von Klose in Kloss änderte, das wußte man. Doch wußte man auch, weshalb? Erst Sybille Gramlich brachte 1990 in ihrer Dissertation über die „Architekturmalerei im 19. Jahrhundert in Deutschland“ (a.a.O., S. 369-381) etwas Licht in das Leben und Schaffen von Friedrich Wilhelm Klose. Dabei konnte sie sich auf Recherchen von Herrn W. Dunkel, Berlin, zur Biographie des Künstlers stützen. Friedrich Wilhelm Carl Klose wurde am 10. Februar 1805 in Berlin als uneheliches Kind Friederike Schiwitzkis und des Branntweindistributeurs Klooss, nach anderen Quellen des Holzhändlers Christoph Friedrich Cornelius Kloss, geboren. Am 19. September 34 Grisebach 06/2015 Chaussee nach Pankow 1 2 3 4 5 6 7 8 2. Swinemünde 4. Altmark 6. Im alten Rathaus (Berlin) 8. Composition 1. Bei Schönhausen 3. Tegel 5. Berlin, von der Schillingsbrücke gesehen 7. Vom Logengarten in Stettin Grisebach 06/2015 35 (Abbildung in Originalgröße) 130 Carl Blechen Cottbus 1798 – 1840 Berlin Männer mit Hut (aus einem Skizzenbuch). Bleistift auf Bütten. 9,8 x 13,4 cm (3 ⅞ x 5 ¼ in.). Der rechte Rand unregelmäßig. [3140] Gerahmt. € 2.500 – 3.500 $ 2,690 – 3,770 Wir danken Prof. Dr. Heinrich Th. Schulze Altcappenberg, Berlin, für die freundliche Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. 36 Die Maße unseres Blattes stimmen mit denen des berühmten Braunschweiger Skizzenbuches aus dem Herzog-Anton-UlrichMuseum überein, dort findet sich auch jenes „Selbstbildnis mit hohem Hut“ Blechens, das eng mit unserer Skizze verwandt ist. Es erzählt viel von der Modernität Blechens, seiner singulären Rolle in der Kunst des frühen neunzehnten Jahrhunderts, daß er immer wieder Figurenskizzen mit schnellem Strich entwirft, die quasi, wie Kilian Heck schreibt, „Prototypen seiner selbst“ sind. So erkennen wir ganz zu recht in der Figur auf unserem Blatt mit dem hohen Zylinder und der Männerkleidung der Zeit um 1830 den Künstler doch es ist kein klassisches Selbstportrait, vielmehr ein Erkunden der eigenen Form und Körperlichkeit innerhalb eines unsichtbaren Zeit- und Raumkontinuums, ein Blick von innen auf das eigene Äußere - und das dann noch aus mehreren Perspektiven. Die „in Sequenzen erfolgende Stufung der Bildwahrnehmung“ (Kilian Heck) ist der innere Code der Werke Blechens. So ist unser Trio in Wahrheit ein Dokument des filmischen und tänzelnden Blicks Blechens: er schaut auf sich wie auf eine kleine Holzfigur, die er zunächst links frontal zeichnet, dann einmal umzudrehen scheint, um sie am Ende noch einmal, diesmal mit gehobenem Arm, wieder in die Ausgangsposition zurückzudrehen. Es ist kein Wunder, daß dieser Ausnahmekünstler, allen die mit ihm zu Lebzeiten und bis heute nahe kamen, den Kopf verdreht mit seiner radikalen Neudefintions des Sehens. Erst in den Skizzen von Ernst Ludwig Kirchner aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wird wieder eine solche Kühnheit, die weit über ihre Zeit hinausgreift und die Beschleunigung als Grundmotiv der Moderne begreift, in der deutschen Kunst erreicht werden. (FI) Grisebach 06/2015 131 Carl Blechen Cottbus 1798 – 1840 Berlin In der künstlerischen Reflexion des starken Eindrucks, den die Dresdener Meister auf ihn hinterlassen hatten, stellt der junge Kunststudent hier bereits souverän sein zeichnerisches Können unter Beweis – und findet eine auf sein zukünftiges Schaffen hinweisende Bildform. „Kloster im Walde“. 1823 Radierung auf Bütten. 19,6 x 24,8 cm (23,6 x 28,8 cm) (7 ¾ x 9 ¾ in. (9 ¼ x 11 ⅜ in.)). Unterhalb der Darstellung rechts in der Platte signiert und datiert: Blechen 1823. Rave 477. – Zweiter Zustand (von vermutlich zwei Zuständen). Sehr selten. [3043] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Konzentriert liest ein Mann in einem Buch. Vielleicht ist es ein Mönch, der sich in die Heilige Schrift vertieft. Nur schemenhaft können wir ihn an seiner Silhouette ausmachen. Dabei sitzt der Lesende am vorderen – und uns Betrachtern damit nächsten - Rand der Darstellung. Er hat sich ein schattiges Plätzchen in einem Wald gesucht, in unmittelbarer Nähe zu einem alten Kloster, das aus dem Zentrum des Bildmittelgrundes, neben einem links lagernden Gewässer emporragt. Beide, der Mensch und das Bauwerk, werden von der wilden Natur des Waldes nicht nur umgeben sondern geradezu bedrängt. Die präzise beobachtete und zugleich malerisch inszenierte, üppig wuchernde Natur ist es, die den Gesamteindruck des Bildes maßgeblich bestimmt und (auch) uns Betrachter in ihren Bann zieht. Die motivische Nähe zu frühen Werken Schinkels, der Blechen im Folgejahr als Bühnenmaler an Königstädtische Theater vermittelt, sowie zu den Bildwelten Friedrichs und Dahls ist offenkundig. Letzteren war Blechen im Entstehungsjahr des Blattes 1823 in Dresden begegnet. Das „Bewusstsein, Gottes Natur zu erkennen und zu empfinden“, ging für Blechen mit der Verpflichtung zur genauen Naturbeobachtung einher. Doch die menschliche, physische und psychische Natur des Beobachtenden, oder besser des Wahrnehmenden selbst musste Berücksichtigung finden. Denn ein Bild entsteht aus der Naturanschauung und der Einbildungs- bzw. Einfühlungskraft eines Künstlers, es hat einen empirischen und imaginären Anteil. Das Erlebnis der äußeren, der sichtbaren Welt ist immer in Abhängigkeit zum unsichtbaren, psychischen Interesse des Schöpfenden zu denken. Wahrscheinlich wurde Blechen an der Akademie, deren kurzzeitiger Schüler er 1822/23 war, an die traditionsreiche Radiertechnik herangeführt. Unser Blatt – „das wichtigste Werk“ unter den lediglich drei bekannten radierten Darstellungen Blechens – ist jedoch eine eigenständige Arbeit: „Im Unterschied zu den anderen, sehr zarten Drucken ist es malerischer in den Tonwerten und von einer erstaunlich zeichnerischen Freizügigkeit. Die Kühnheit dieses Versuchs [hatte] im damaligen Berlin keine Parallele“, wie Siegrid Achenbach schreibt (Achenbach in Ausst.Kat. Blechen, Berlin 1990, S. 48). Schon 1908 hatte der Blechen-Biograph und -sammler Lionel von Donop festgestellt, dass druckgrafische Blätter von Carl Blechen eine echte Rarität des Kunstmarktes darstellen. Achenbach bestätigt Donops Einschätzung, indem sie erklärt: „Die bekannt gewordenen graphischen Arbeiten existieren heute alle nur noch in wenigen Exemplaren, manche vermutlich als Unika. Meistens sind von diesen wohl nur wenige Abzüge hergestellt worden“. In besonderem Maß gilt dies für Blechens Radierungen, von denen sich lediglich drei in öffentlichen Sammlungen erhalten haben. (AA) Grisebach 06/2015 37 132 Friedrich Loos Graz 1797 – 1890 Kiel „Der Draunfall“. 1823 Öl auf Bütten auf Pappe. 30,7 x 43,7 cm (12 ⅛ x 17 ¼ in.). Unten links der schwer lesbare Stempel: Nachlaß[?] Friedr. Loos. Dort auch in der nassen Farbe bezeichnet: Der Draunfall. Unten rechts mit Bleistift datiert: 1823. [3215] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Sammlungen Alois Schardt, Berlin–USA (bis 1955), und William Dieterle, Hollywood–Bayern (bis 1972) € 2.500 – 3.500 133 Der Traunfall ist ein 12 Meter hoher und 200 Meter langer Wasserfall zwischen Steyrermühl und Roitham in Oberösterreich. Die Ölstudie von Loos fängt ihn sehr früh (1823!) mit großer Sensibilät und malerischer Subtilität ein. $ 2,690 – 3,770 Carl Roux Heidelberg 1826 – 1894 Mannheim Waldinneres mit Baumstumpf. Öl auf Papier auf Pappe. 23,3 x 35,7 cm (9 ⅛ x 14 in.). Mit einer Bestätigung des Kunsthistorikers Prof. Dr. Hans Hildebrandt, Stuttgart, vom 4. November 1944, dessen Vater Hermann Hildebrandt in Heidelberg den Nachlaß des Künstlers erworben hatte. – [3400] Gerahmt. € 800 – 1.000 38 $ 862 – 1,080 Grisebach 06/2015 134 Österreichisch, um 1830/40 Waldstudie. Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 25,4 x 25 cm (10 x 9 ⅞ in.). [3043] € 2.500 – 3.500 $ 2,690 – 3,770 In der Zeit um 1830 bildet sich in Österreich eine neue Schule der Landschaftsmalerei heraus. Die Grundlage dafür ist die Studie – im Zentrum der Bewegung steht Friedrich Gauermann, der mit seinen Freunden und Schülern eine neue Form der Naturaneignung erprobt, die eine hohe Genauigkeit mit einer Frische des Ausschnitts kombiniert, die immer wieder zu überraschend modernen Bildlösungen führt. Ihre besondere Dynamik erhält unsere Studie aus den zwei ineinanderfließenden Wiedergabeformen – einerseits der Akribie des Bildzentrums und andererseits dem freien, federnden Pinselstrich, mit dem die Randbereiche grob angedeutet werden. Grisebach 06/2015 39 135 Eduard Peithner von Lichtenfels Wien 1833 – 1913 Berlin Im Gebirge. Um 1890 Aquarell, Deckfarben und Deckweiß sowie Feder in Schwarz auf Papier. 33,2 x 44,4, cm (13 ⅛ x 44,4, in.). [3339] Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers € 700 – 900 $ 754 – 970 136 Carl Robert Kummer 1810 – Dresden – 1889 Blick auf das Matterhorn. Um 1855 Aquarell über Bleistift auf Papier. 29,4 x 31,6 cm (11 ⅝ x 12 ½ in.). Unten rechts mit Feder in Schwarz signiert: Rob. Kummer. Nicht bei Nüdling. – [3013] Provenienz: Kunsthandlung Miech, Dresden (um 1980) / Privatsammlung, Brandenburg € 800 – 1.200 $ 862 – 1,290 Wir danken Dr. Elisabeth Nüdling, Fulda, für die Bestätigung der Authentizität des Aquarells. Mit spitzem Bleistift skizzierte Kummer hier einen detailgetreuen und gleichzeitig landschaftlich eindrucksvollen Gebirgsblick. Kummer beherrschte die Technik des groben Skizzierens im Vordergrund, ohne jedoch sein technisches Können im Bereich der höchst differenzierten Baumstudien im Bildzentrum zu verbergen. Sein großes Talent in dieser Technik stellte er in diesem Blatt vortrefflich unter Beweis. 40 Grisebach 06/2015 137 Gustav Friedrich Papperitz 1813 – Dresden – 1861 Tivoli mit Blick über die Campagna. 1839 Öl auf Papier. 22,5 x 48,4 cm (8 ⅞ x 19 in.). Das Bild wird aufgenommen in das Verzeichnis der Werke von Gustav Friedrich Papperitz von Dr. Matthias Lehmann, Konz. – Am Rand fest über Papier auf Karton montiert. kleine Randmängel. [3191] Gerahmt. € 2.500 – 3.500 $ 2,690 – 3,770 Erst in den letzten Jahren ist die künstlerische Persönlichkeit von Papperitz durch zahlreiche wiederaufgetauchte Arbeiten faßbarer geworden: die einmalige Konstellation, daß er Schüler von sowohl Dahl in Dresden als auch von Rottmann in München war, hat bei ihm auch zu einer eigenständigen Landschaftsmalerei geführt, deren Qualität sich vor allem in den Ölstudien dokumentiert. Als 2014 fast ein Dutzend bislang unbekannter Ölstudien aus der Sammlung Wilhelm Laafs zur Versteigerung kamen, wurde dies schlagartig deutlich - unsere souveräne Arbeit unterstreicht erneut, warum. 138 Dresden, um 1820 Schloß Wolkenstein. Feder in Schwarz und Pinsel in Braun auf Papier, auf Karton aufgezogen. 36 x 29,5 cm (14 ⅛ x 11 ⅝ in.). Etwas fleckig, leichte Randmängel. Mit leichter Bleistiftquadrierung. [3013] € 900 – 1.200 $ 970 – 1,290 Die pittoresk auf einem hohen Felsmassiv im Zschopautal im Erzgebirge gelegene Burg Wolkenstein haben Adrian Zingg und seine Schüler von den verschiedensten Seiten gezeichnet und radiert. Die vorliegende Ansicht findet sich – bis auf geringfügige Veränderungen bei der Figurenstaffage – von Johann Adolph Darnstedt radiert im Leipziger „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ von Gottfried Becker (Blatt 9, 1808). Grisebach 06/2015 41 139 Caesar Metz Mainz 1823 – 1895 München „Alte Weide“. 1850 Bleistift auf grauem Papier. 37,2 x 51,6 cm (14 ⅝ x 20 ⅜ in.). Unten links mit hartem Bleistift (schwer lesbar) signiert, datiert und bezeichnet: C. Metz 1850 Alte Weide. Leicht stockfleckig. [3288] € 600 – 800 140 $ 647 – 862 Die großformatige Studienzeichnung einer alten Weide besticht durch die detaillierte Wiedergabe und die ungewöhnliche Komposition. Wuchernde Strukturen der vom Hauptstamm abgebrochenen Baumteile beherrschen die gesamte linke Bildhälfte. Nach seinem Studium am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt wandte sich Metz nach München und kam dort als Landschaftsmaler unter den Einfluss von Carl Rottmann. Woldemar Rau 1827 – Dresden – 1889 Laubwaldlichtung. 1874 Aquarell und Deckfarbe auf Papier. 17,7 x 18,5 cm (7 x 7 ¼ in.). Unten rechts datiert: Juni. 74. Rückseitig mit Bleistift beschriftet: Umstehendes Aquarell von Woldemar Rau, 1827–1889, Schüler von Ludwig Richter, „Laubwaldlichtung“ Juni 1874, wurde gemeinsam mit dem Kupferstichkabinett Dresden unmittelbar aus dem Familienbesitz übernommen. Es wurde mit der Nr. 20 im KK Dresden für ein zu erarbeitendes Werkverzeichnis aufgenommen. Johannes Kühl, Kunstausstellung Kühl, Dresden. [3339] € 800 – 1.000 42 $ 862 – 1,080 Grisebach 06/2015 141 Österreichisch, um 1830 Rosenheim 1987, Seite 165). Unsere Arbeit trägt rückseitig den Nachlaßstempel von Anton Hansch – dem bedeutenden österreichischen Maler, der zahllose Studienreisen in die Alpen gemeinsam mit seinem engen Freund Gauermann unternahm. Auffällig ist die Beschriftung der Rückseite: Es gab offenbar zwei Varianten dieser Studie – die ungewöhnliche Numerierung mit einer 6 und einer römischen I lässt vermuten, daß es auch eine Fassung II dieser Studie gab, was dafür sprechen würde, das beide Blätter von derselben Hand sind. Baumstudie. Öl auf Papier. 38,7 x 34,6 cm (15 ¼ x 13 ⅝ in.). Rückseitig unten der ovale Stempel in Violett: HANSCH. Rechts mit Kopierstift beschriftet: No 6 I. [3207] Gerahmt. € 3.500 – 4.500 $ 3,770 – 4,850 Diese Studie führt mitten hinein in die herausfordernde Problematik der genauen Zuschreibung von unsignierten Ölstudien des frühen neunzehnten Jahrhunderts: es gibt eine nahezu identische Studie mit nur winzigen Abweichungen, die in der alten Literatur der Hand Friedrich Gauermanns zugeschrieben wird aber heute als verschollen gilt (Rupert Feuchtmüller: Friedrich Gauermann, Sehr oft malten beide Künstler dieselben Motive, zugleich ist bekannt, wie oft gerade die kleinen Studien von den Künstlern untereinander getauscht wurden, um dann bis zum Lebensende im Besitz zu bleiben und den Nachlaßstempel des Besitzers zu erhalten. So eindeutig es also aus stilistischen Gründen ist, daß unsere genau beobachtete und wiedergebene Studie in Österreich um 1830 entstanden ist, so offen muß zunächst die eindeutige Zuweisung an eine der beiden Hände bleiben. Grisebach 06/2015 43 142 Eduard Friedrich Pape 1817 – Berlin – 1905 Wolkenstudie. Deckweiß und Bleistift auf blaß-violettfarbenem Bütten. 23,7 x 30,7 cm (9 ⅜ x 12 ⅛ in.). Unten rechts signiert: E Pape. [3043] € 2.500 – 3.500 $ 2,690 – 3,770 Eduard Pape war einer von „lauter verwegenen Kerlen“, so Theodor Fontane, die Carl Blechen während seiner Lehrzeit an der Berliner Akademie (1831-36) um sich versammelte. Pape selbst hatte dem Schriftsteller, der eine Blechen-Biografie plante, von seiner – nunmehr 50 Jahre zurückliegenden – Studienzeit erzählt. Besonders lebhaft waren seine Schilderungen zu den wöchentlich stattfindenden Malfahrten ausgefallen. Der „liebenswürdige“, zu derben „Scherzen und Ausgelassenheiten“ tendierende Blechen unterrichtete seine begabtesten Schützlinge regelmäßig im freien Skizzieren nach der Natur: „in genialster Weise, mit rascher sicher Hand“ führte Blechen vor, was die jungen Künstler vor Ort selbst erproben sollten. Unser Blatt zeigt eindrucksvoll, wie auch Eduard Pape einen Natureindruck mit nur wenigen Mitteln künstlerisch umzusetzen verstand. Auf blass-violettem Büttenpapier ist mit einigen zarten, langgezogenen Bleistiftlinien ein in der Ferne liegender Landschaftsstreifen angedeutet. Der Horizont liegt tief und läßt drei Viertel der Bildfläche der Beschreibung des Himmels. Mit Deckweiß, das von fast durchsichtig bis stellenweise leuchtend dicht aufgetragen ist, formt Pape einen schwebend leichten Wolkenhimmel, der in seiner natürlichen, ständigen Metamorphose an uns vorbeizuziehen scheint. Zusammen mit der Spiegelung der Himmelskörper auf dem Wasser im Vordergrund – auch das ist nur mit wenigen Pinselzügen in Deckweiß angedeutet, aber erst dadurch überhaupt als Gewässer auszumachen – entsteht eine faszinierende, mit Licht und Luft atmosphärisch aufgeladene Räumlichkeit. (AA) 44 Grisebach 06/2015 143 Albert Venus 1842 – Dresden – 1871 Wolken über sommerlicher Landschaft. Um 1860 Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen. 12,5 x 16,7 cm (4 ⅞ x 6 ⅝ in.). Rückseitig oben links mit Feder in Schwarz und auf einem Aufkleber mit Feder in Braun beschriftet. [3034] Gerahmt. Provenienz: Sammlung Gunnar Laage, Kopenhagen (erworben wohl 1899 in Dresden) € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Wir danken Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, für die Bestätigung der Authentizität der Ölstudie und James Bauerle, Kopenhagen, für freundliche Hinweise. In dieser kleinen Ölstudie entfaltet sich der ganze Zauber der Kunst von Albert Venus. Es ist eigentlich ein ganz unspektakulärer Ausschnitt aus der Natur, vermutlich in der Hügellandschaft um Dresden oder in Nordböhmen, den der Künstler hier in den 1860er Jahren einfängt, als er als Schüler von Ludwig Richter immer wieder mit seinen Ölfarben direkt in der Landschaft arbeitete. Charakteristisch für Venus ist dabei der zugewandte, warme Blick, mit dem er auf die Natur schaut. Zwischen 1861 und 1865 ging Ludwig Richter immer wieder mit seinen begabtesten Schülern Venus, Victor Paul Mohn, Adolph Thomas und Carl Wilhelm Müller in die böhmische Hügellandschaft zum Malen. Für Richter war das detaillierte Naturstudium die existenzielle Grundlage jeder Form der Landschaftsmalerei. Dabei entwickelten alle Schüler langsam ihren eigenen Stil – aber immer im Schatten des Meisters. Allein Venus wird es in seinen Italienreisen 1866 und 1869 gelingen, sich vom Einfluß Richters vollständig zu emanzipieren und mit seinen späten Ölstudien (er stirbt bereits 1871 mit 29 Jahren) die Dresdner Landschaftsmalerei auf ein neues, befreites Niveau zu heben. (FI) Grisebach 06/2015 45 144 Carl Hummel 1821 – Weimar – 1907 Landschaft bei Weimar mit Kartoffelfeuer (Studie). Öl auf Papier. 29 x 36,2 cm (11 ⅜ x 14 ¼ in.). Kleine Randmängel. [3105] Gerahmt. Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers (bis 1993 im Schloßmuseum Weimar verwahrt) Ausstellung: Carl Hummel – Maler der deutschen Romantik, Staatliches Museum für Bildende Künste, Aschgabat (Turkmenistan), 2014 Literatur und Abbildung: Carl Hummel und das wunderbare Weimar, Arkana-Verlag, Göttingen 2014, S.48 ganzs. Abb. € 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900 Es gibt eine Lust auf den Effekt und an der Inszenierung bei Carl Hummel, die ihn von allen anderen besonderen deutschen Ölstudienmalern in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts unterscheidet. Bei Friedrich Preller in Weimar hatte er sein Handwerk gelernt – und es gab kaum einen besseren Lehrmeister in der Zeit um 1840 neben Dahl, in Dresden bei dem man besser hätte lernen können, wie man direkt vor der Natur mit schnellen und doch präzisen Pinselstrichen Atmosphären farblich erfasst, Lichtstimmungen in Malerei umsetzt und dabei die Botanik präzise widergibt. Doch jede der Studien Prellers ist von einem hohen Grad an Ernsthaftigkeit getragen – und genau darüber setzt sich Hummel, wie es sich für einen Schüler gehört, hinweg. Er nutzt das Gelernte, um ein komplett eigenständiges Ölstudienwerk zu entwickeln. Er setzt dabei ganz bewusst auf Effekte – zum einen auf den des Non-finito, in dem er größere oder kleinere Partien der Blätter unbemalt lässt, um aus dem Gegensatz zusätzliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sein zweites, immer wiederkehrendes Stilmittel ist die Konzentration auf Licht und Schatten – wie mit Scheinwerfern wirken seine Landschaften oft inszeniert, so daß das Dunkle zusätzlich verschattet wirkt und das Helle zusätzlich aufleuchtet. Um ein solches Bravourstück handelt es sich bei unserer Studie. Gibt es etwas Unscheinbareres als ein harmloses Kartoffelfeuer auf einem Feld am Waldrand von Weimar? Und gibt es etwas Furioseres als die Studie, die Hummel davon gemalt hat? Man spürt die Energie und die Geschwindigkeit, mit der er seinen Pinsel von links nach rechts schwingen lässt in breiten horizontalen Bahnen, und wie er daraus ganz langsam den Bildraum aufbaut. Wie er unten den Weg, die kleine Rauchsäule und die wenigen angedeuteten Bäume rechts, auch den Blick in die weite Ebene des Weimarer Beckens fast schon komplett verdämmern lässt – um darüber dann ein umso eindrücklicheres Lichtspiel in Szene zu setzen. Es ist das letzte Licht des Tages, warm, glühend, das er hier einfängt, wie es die Hinterseite der Wolken innerlich erleuchtet – und das sich dann aufs Schönste verbindet mit dem warmen Farbton des Papiers. Es sind Studien wie diese, mit denen sich Hummel in den letzten Jahren einen besonderen Platz in der deutschen Ölstudienmalerei des neunzehnten Jahrhunderts erarbeitet hat. Seine Ateliergemälde verraten oft nur noch wenig von der Power, die seine Studien durchfließt. (FI) 46 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 47 145 Deutsch, um 1870 Mutter mit Kind (Der erste Schritt). Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 15,8 x 13,2 cm (6 ¼ x 5 ¼ in.). Beigabe: Interieur (Studie). Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 16,2 x 18,1 cm. [3094] € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Zwei souveräne Studien mit subtiler Lichtstimmung eines vermutlich Münchner Künstlers aus der Zeit um 1870 (Hermann Kaulbach?). 146 Christian Friedrich Gille Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden Rückenansicht eines Mannes an einer Mauer. Öl auf Papier auf Pappe. 13,1 x 15,5 cm (5 ⅛ x 6 ⅛ in.). Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). – [3034] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Privatsammlung, Dresden € 2.000 – 3.000 48 $ 2,160 – 3,230 Grisebach 06/2015 147 Domenico II. Quaglio München 1787 – 1837 Schloß Hohenschwangau bei Füssen „Innnenansicht der St. Maximuskapelle in Salzburg“. (Vor) 1818 Öl auf Holz. 37 x 46 cm (14 ⅝ x 18 ⅛ in.). Trost VG 19 („verschollen“). – Horizontaler Bruch der Holztafel sorgfältig restauriert. [3068] Gerahmt. € 6.000 – 8.000 $ 6,470 – 8,620 Die in die Felswand des Mönchsbergs auf dem St. Peterfriedhof in Salzburg gemeißelten, etwa 1700 Jahre alten und seit dem 19. Jahrhundert als Katakomben bezeichneten Gänge und Höhlen sollen als frühchristliche Versammlungsorte, später als Eremitorien gedient haben. Quaglio war nicht nur einer der angesehensten Architekturmaler der Romantik, sondern er war auch gelernter Theatermaler, dies zeigt sich bei unserem Gemälde deutlich: Die in Wirklichkeit eher unscheinbare Maximuskapelle wird hier von dem einfallenden Sonnenlicht in einen stimmungsvoll beleuchteten, lichten Raum verwandelt. Und auch in der Darstellung des Inneren nimmt sich der Künstler viele Freiheiten, indem er Motive, die an verschiedenen Orten vorkommen, in einer Darstellung vereinigt, wie etwa den achteckigen Pfeiler aus der Gertraudenkapelle, den er deutlich vergrößert genau in die Mitte des Raumes platziert. Kurzum: Das Ganze hat deutlichen Bühnenbildcharakter und wird auch entsprechend effektvoll mit einer Gemeinschaft bärtiger Mönche ausstaffiert. Nach diesem Gemälde schuf Quaglio 1818 eine spiegelbildliche, in der Figurenstaffage leicht veränderte Lithographie (Trost L 45), die – wie der Schmuckrahmen des Gemäldes assoziiert – einen gewölbeartigen oberen Abschluss des Raumes aufweist. Sie erschien bereits 1819 in der „Sammlung denkwürdiger Gebaeude des Mittelalters in Teutschland“ bei J. G. Zeller in München und zählt zu den Inkunabeln der Lithographie in Deutschland. (SW) Grisebach 06/2015 49 148 Rudolf Schuster 1848 – Markneukirchen – 1902 Waldstudie in Zwingenberg am Neckar. 1872 Feder in Braun, in Braun und Grau laviert und weiß gehöht, auf Papier. 32 x 22,2 cm (12 ⅝ x 8 ¾ in.). Unten rechts bezeichnet, datiert und signiert: Zwingenberg a/ Neckar 13 Aug. 1872. R. Schuster. Etwas gebräunt. [3242] € 700 – 900 $ 754 – 970 Das Vorbild des Lehrers lässt sich kaum verleugnen. Doch zeigt die qualitätvolle Zeichnung bereits ebenso deutlich, wo das individuelle künstlerische Interesse des talentierten Schülers hinging. Rudolph Schuster war einer der spätesten und zugleich einer der begabtesten Studenten des Dresdner Malers Ludwig Richter. Unsere Waldstudie entstand – wenn sie auch keinen Naturausschnitt aus der sächsischen Gegend zeigt – noch während Schusters Ausbildungszeit in dessen Atelier (1867-73). Die „unbedingte Hingabe an die Natur, aus der der Künstler ja nicht anders kann, als schlicht und naiv zu schaffen“, war eines der festen künstlerischen Prinzipien des großen Spätromantikers, das auch Schuster für sein eigenes Schaffen verinnerlichte (Schuster zit. nach Neidhardt 1984, S. 235). Obwohl er sich technisch und in der Form des Ausdrucks bald von Richters Landschaftskonzept entfernte, ihn vor allem das Atmosphärische in der Darstellung reiner Natur beschäftigte, blieb Schuster dieser Grundhaltung ein Leben lang treu. 149 Deutsch, um 1820 Am Ufer liegendes Boot. Pinsel in Graubraun, weiß gehöht, auf blauem Papier. 10,7 x 11,9 cm (4 ¼ x 4 ⅝ in.). In den unteren Ecken leicht gebräunt. [3288] Gerahmt. € 600 – 800 50 $ 647 – 862 Grisebach 06/2015 150 Eduard Wilhelm Pose (zugeschrieben) Düsseldorf 1812 – 1878 Frankfurt a.M. Einzelmotiv (eine einzelne Pflanze, ein Blatt, ein Ast) konzentrieren, werden in den Parthien mehrere Einzelmotive zusammengefügt, oder bereits eine zusammenhängende kleine Naturstudie – oft eben ein typischer, variationsreicher Bachrand – als Motiv ausgewählt. In der vorliegenden Studie brechen die diagonalen Elemente (links vorne das angeschnittene Bachufer, ebenso die schräg im Bild verlaufende Verbindung zum verzweigten Baum im Wasser) den bildparallelen Fluss des Bauchlaufes auf. Zugleich wird der Blick des Betrachters in zwei Richtungen gelenkt: in einen fast kreisrund ausgeleuchteten, etwas größeren Bildteil links mit den großen Blättern der Pestwurz, und einen nach rechts hin offenen kleineren Teil am rechten Bildrand. Am Waldbach. 1831 Öl auf Leinwand auf Holz. 20,7 x 27,8 cm (8 ⅛ x 11 in.). Unten rechts undeutlich datiert und monogrammiert (in die nasse Farbe geritzt): 18 EWP (?) 31 8/9 Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Karl Koetschau, Düsseldorf, vom 1. Mai 1946, der das Bild Johann Wilhelm Schirmer zuschreibt. – Retuschen. [3013] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Die Ölstudie gehört zu den typischen Freilichtstudien der Düsseldorfer Malerschule, wie sie in den frühen 1830er Jahren Johann Wilhelm Schirmer und seine Freunde, zu denen auch E. W. Pose gehörte, in Düsseldorf und Umgebung ausführten. Die Studie weist die charakteristische reduzierte Farbpalette der frühen Freilichtstudien auf: Bei den Exkursionen in die Umgebung Düsseldorfs wurden nur wenige Farben mitgenommen, die gerade nur für die notwendigen Mischungen der naturnahen Grün- und Brauntöne ausreichten. Trotz des scheinbar einfachen Bildmotivs gelingt es Pose, mittels diagonaler Kompositionslinien eine Spannung zu erzeugen, die über eine reine Studienarbeit hinausgeht. An der Düsseldorfer Akademie wurde zwischen sogenannten ‚Vorgründen’ und ‚Parthien’ entschieden: Während die Vorgründe sich auf ein Eduard Wilhelm Pose studierte ab 1829/30 an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er bereits 1831 im Schüler- und Freundeskreis von Johann Wilhelm Schirmer verkehrte. Er gehörte mit zu den Studenten, die 1831 gemeinsam mit Schirmer, Friedrich Heunert und Caspar Scheuren eine Exkursion in die Eifel, genauer an die Ahr und bis zur Mosel hin unternahmen. Die Naturstudien, die aus dieser Zeit von dieser Künstlergruppe vorliegen, zeigen oft eine große Ähnlichkeit, das gleiche Motiv wurde gemeinsam gezeichnet, der gleiche Landschaftsausschnitt skizziert. Die vorliegende Studie ist durch das typische Monogramm Poses in ungelenk wirkenden Lettern eine typische Arbeit seiner frühen Studienjahre, zeigt jedoch durch die subtil durchscheinende Komposition und den gewählten Bildausschnitt bereits das künstlerische Potential von Pose. Irene Haberland, Bonn Grisebach 06/2015 51 (Abbildung in Originalgröße) 151 Johann Wilhelm Preyer Rheydt 1803 – 1889 Düsseldorf Weinblätter (2 Studien). Um 1830/40 Jeweils Öl auf Leinwand. 11,8 x 9,7 cm bzw. 12 x 9,5 cm (4 ⅝ x 3 ⅞ in. bzw. 4 ¾ x 3 ¾ in.). Bild 1 rückseitig oben rechts mit dem Stempel in Rot: Dr. A. S. Weiß/Paffrath 16 („Weinblatt/Herbstblatt“, „auf Papier, 11 x 14 cm“, die Abb. um 180° gedreht) / Studie 2 nicht bei Weiß/Paffrath (beide Studien befanden sich ursprünglich auf einer Leinwand. – Kleine Retuschen. [3132] Provenienz: Beide Studien ehemals in der Sammlung Dr. Alfred Schubert, Düsseldorf (1889–1965) € 7.000 – 9.000 52 $ 7,540 – 9,700 Johann Wilhelm Preyer, ein aus Rheydt gebürtiger kleinwüchsiger Maler, begann mit 19 Jahren seine Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie, zuerst noch unter Cornelius, später dann unter Schadows Ägide. Ende der 1820er Jahre schloss er sich dem Künstlerkreis um Johann Wilhelm Schirmer an, nahm an Exkursionen der Landschaftsmaler in die Eifel teil und gehörte bis 1837 – dem Jahr seines Wechsels an die Münchner Akademie – dem engeren Freundeskreis um Schirmer und Carl Friedrich Lessing an. Man arbeitete eng zusammen, machte sich sogar zuweilen einen Spaß daraus, gemeinsam an einem Bild zu arbeiten und hier arbeitsteilig – je nach Talent – vorzugehen: „Preyer hat die Libelle und Schilf mit darauf gemalt“, schrieb Caspar Scheuren rückblickend über ein gemeinsam ausgeführtes Gemälde von 1831 an seinen Freund und Mäzen Wilhelm Karrmann in den USA, „Carl Sohn an der Staffage, und Schirmer bei den Buchen [... und] die Eiche, Blatt für Blatt gezeichnet“. Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) Johann Wilhelm Preyer hatte sich nach anfänglichen Landschaftsstudien bald ganz auf die Stillebenmalerei konzentriert, seine minutiösen Naturstudien, die im ersten Jahr an der Düsseldorfer Akademie verpflichtend vorgeschrieben waren, ließen ihn zu einem faszinierenden Stillebenmaler werden, der sich einem überaus realistischen Erscheinungsbild seiner dargestellten Objekte verpflichtet fühlte. In den Schülerlisten der Düsseldorfer Akademie wurde er positiv beurteilt, hier findet sich 1836 ein letzter Vermerk, der bereits auf seine Spezialisierung hinweist: „Blumen- und Früchtemaler“. Von dem Chronisten der Düsseldorfer Akademie, Anton Fahne, wird Preyer 1835 enthusiastisch gelobt und in einem Atemzug mit dem Mainzer Stillebenmaler Justus Juncker aus dem 18. Jahrhundert genannt. Die beiden hier vorgestellten Einzelstudien von Weinblättern zeigen mit akribischer Genauigkeit die Struktur und Verzweigungen des Blattgerüstes, die Maserung, die changierende Farbgebung, die Verformungen und die Flecken des schon verwelkenden Blattes. Preyer dokumentiert minutiös: die Biegung des Blattstengels und sein Ansatz am Zweig ebenso wie die durch die schlaglichtartige Lichtführung von links hervorgehobene innere Struktur des von der Unterseite her gesehenen Weinblattes. In dieser Ansicht ist noch eine kleine gekrümmte Raupenlarve links am Bildrand hinzugefügt. Friedrich Schaarschmidts Urteil von 1902 über Preyers „Naturwahrheit der Farbe“ wird auch durch diese kleinformatigen Studien bestätigt, die bereits in den 1830er Jahren einen Realismus der Farbe antizipieren. Studienblätter dieser Art – unmittelbar nach der Natur gemalt – dienten als Fundus für spätere Stillebenkompositionen, wie sie Preyer bis in die späten 1880er Jahre ausführte. So sehr diese Werke durch ihre singuläre Virtuosität beeindrucken, so verlieren die komponierten Werke doch jenen poetischen und warmherzigen Geist der Romantik, von dem Preyers Naturstudien künden. Hier, in der akribischen Versenkung in die Natur, ist er ganz nah bei den großen deutschen Nazarenern. Irene Haberland, Bonn Grisebach 06/2015 53 151a Dänisch, um 1850 Stilleben. Öl auf Leinwand. 31,8 x 50 cm (12 ½ x 19 ⅝ in.). Retuschen. [3285] Gerahmt. € 5.000 – 7.000 Schöpferin dieser feinsinniger Studie dürfte Ida Rasmussen sein. Die dänische Künstlerin, deren genaue Lebensdaten nicht bekannt sind, schuf in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein beeindruckendes Stillebenwerk. Charakteristisch für sie ist die nuancierte Erfassung unterschiedlicher Naturformen auf dunklem Hintergrund. $ 5,390 – 7,540 Wir danken James Bauerle, Kopenhagen, für freundliche Hinweise. 152 Josef Selleny Meidling b. Wien 1824 – 1875 Inzersdorf b. Wien Pflanzenstudie. Öl auf Pappe. 15,4 x 19,8 cm (6 ⅛ x 7 ¾ in.). Rückseitig alt beschriftet: Jos. Selleny. [3285] Gerahmt. € 3.500 – 4.500 54 $ 3,770 – 4,850 Grisebach 06/2015 152a Emilie Preyer 1849 – Düsseldorf – 1930 Früchtestilleben mit blauen und weißen Weintrauben, zwei Aprikosen am Zweig und zwei Haselnüssen. Öl auf Leinwand. 17,3 x 22,8 cm (6 ¾ x 9 in.). Unten rechts signiert: Emilie Preyer. Auf dem Keilrahmen unten ein Etikett der Kunsthandlung Gustav Gerstenberger, Chemnitz. Nicht bei Weiß/Paffrath. – [3537] Gerahmt. € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Emilie Preyer, einzige Tochter des bekannten Düsseldorfer Stillebenmalers Johann Wilhelm Preyer, war selbst eine begabte Künstlerin. Bereits 1866 stellte die 16jährige ihre ersten Arbeiten bei Bismeyer & Kraus als auch bei Eduard Schulte aus, den beiden wichtigsten Kunsthandlungen Düsseldorfs. Auch Emilie konzentrierte sich früh auf Pflanzen und Früchte, die sie unter der kritischen Anleitung ihres Vaters studierte und in Malerei umsetzte. Da Kunstakademien für Frauen damals noch nicht zugelassen waren, spielte der Künstlerhaushalt im Hintergrund eine wichtige Rolle, wie auch bei anderen Künstlerinnen aus jener Zeit zu beobachten ist. Sicher durch die Vermittlung des Vaters erhielt die talentierte Emilie in jener Zeit – zumindest kurzfristig – bereits Privatunterricht bei dem Düsseldorfer Historienmaler Heinrich Mücke und dem Landschaftsmaler Hans Gude. Studienreisen führten sie zudem nach Dresden, Antwerpen und Holland. Von 1873 bis 1896 stellte sie in unregelmäßigen Abständen auf den akademischen Kunstausstellungen in Berlin und Dresden aus. Emilie Preyers konsequente Haltung, sich auf Blumen- und Früchtearrangements zu konzentrieren, machte sie zu einer geschätzten Fachmalerin und Stilleben-Spezialistin in Düsseldorf. Grisebach 06/2015 55 153 Christian Friedrich Gille Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden Blumen. Öl auf Bütten, auf Karton aufgezogen. 26,5 x 35,6 cm (10 ⅜ x 14 in.). Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). – Sorgfältig restaurierte Einrisse und Fehlstellen mit Randanstückung. [3034] Gerahmt. Provenienz: Johann Friedrich Lahmann, Dresden–Weißer Hirsch / Graphisches Kabinett Günther Franke, München / Prinz Clemens von Bayern € 6.000 – 8.000 $ 6,470 – 8,620 153a Carl Wilhelm Müller 1839 – Dresden – 1904 Pferd an einem Futtertrog. 1880 Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 13,2 x 20,3 cm (5 ¼ x 8 in.). Unten links (wohl) monogrammiert: Ce We [= Carl Wilhelm]. Unten rechts datiert und bezeichnet: 1880. Klus. 24 Sep. Rückseitig Besitzervermerk in Kugelschreiber von W. E. Ludwig Blucke. [3071] Provenienz: Ehemals W. E. Ludwig Blucke, Chemnitz (erworben im Mai 1933 vom Sächsischen Kunstverein, Dresden) € 600 – 800 56 Grisebach 06/2015 $ 647 – 862 154 Jakob Philipp Hackert Prenzlau 1737 – 1807 San Piero di Careggi und in Bewegung versetzt). Nicht unähnlich Dürers Feldhasen scheint zudem auch Hackerts Ziege lediglich für den Moment des Betrachtens stillzuhalten: ihre natürliche Bewegungs- und Fluchttendenz drückt sich in den gespreizten Hinterläufen aus – sie ist jeden Augenblick bereit, davonzuspringen. Ziege. Um1800 Öl auf Leinwand. Doubliert. 27 x 30,5 cm (10 ⅝ x 12 in.). Mit einem Gutachten von Dr. Claudia Nordhoff, Rom, vom 23. Oktober 2012. – Kleine Retuschen. [3224] Gerahmt. Provenienz: Kunstsalon Franke-Schenk, München / Privatsammlung, Süddeutschland € 7.000 – 9.000 $ 7,540 – 9,700 Das Tierstück als ausgeführte Naturstudie ist uns spätestens seit Dürers meisterlichem Feldhasen (1502, Wien, Albertina) vertraut. Wie der berühmte Hase ist auch Hackerts Ziege, wenngleich andersherum ausgerichtet, diagonal in den Bildraum gestellt, aus dem das Tier herausschaut. Dieser Bildraum wird mit wenigen aber effektvoll eingesetzten künstlerischen Mitteln erzeugt: der Lichtführung (die Ziege wird frontal von einem warmen Licht angestrahlt als schaue sie in eine spätnachmittägliche Sonne), dem dadurch erzeugten (langgezogenen) Schattenwurf des Tieres, sowie der Andeutung der atmosphärischen Bedingungen seines natürlichen Lebensraumes (die Ziege scheint sich gewohnheitsmäßig mit dem Hinterteil einem von rechts kommenden Wind entgegenzustellen, der das Fell durchzieht Beobachtungsfreude und Erkenntnisdrang, die bereits die Renaissancekünstler zu Höchstleistungen in der Beschreibung der Natur angetrieben hatten, äußerten sich in der Zeit der Aufklärung u.a. in einem verstärkten Interesse an den morphologischen Eigenarten der Tiere. Das zunehmend naturkundlich gebildete Bürgertum erhöhte die Nachfrage und damit den Bedarf an naturalistischen Zeichnungen, die zu einem einträglichen Metier für die Maler wurden. Wie Claudia Nordhoff in ihrem Gutachten herausstellt, ist für Hackert, der von jeher Tierstudien anfertigte, im Zusammenhang mit unserem Bild eine ganz konkrete Begegnung von Interesse. 1802 berichtet der Künstler in zwei Briefen von der Frau eines englischen Colonel. Das Ehepaar besaß ein Landgut in Settignano, nahe Florenz. „Mrs. Woodburn“, die Hackert liebevoll „meine Freundin“ nennt, hatte ihm das Anwesen zur Verfügung gestellt. In beiden Briefen schreibt Hackert von seinen Tierstudien, die er „völlig nach der Natur fertig“ male, denn „meine Studien werden jetzt fertige Gemälde“ und an anderer Stelle „da male ich Ziegen, und Esel, Ochsen nach der Natur aber so, daß es fertige Gemälde werden“ . Es wird kaum unüberlegt gewesen sein, dass Hackert die Berliner Akademieausstellung 1806 gleich mit vier Einzelportraits von Tieren beschickte (Kühe, Ziegen und Hasen). Er verkaufte die Bilder u.a. an den spanischen Premierminister und den Grafen Reuß. Grisebach 06/2015 57 155N FranzösiscH,1825 Ariccia. 1825 Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen. 31,7 x 39,4 cm (12 ½ x 15 ½ in.). Unten rechts bezeichnet und datiert: Arriccia[!] Juni 1825. Rückseitig unten rechts mit Feder in Braun beschriftet: P. Vercillo. Retuschen. [3143] Gerahmt. € 6.000 – 8.000 58 $ 6,470 – 8,620 Es ist der wohl bekannteste „Brunnen vor dem Tore“ des 19. Jahrhunderts – der Brunnen am Fuße von Ariccia in den Albaner Bergen südöstlich von Rom. Drei Generationen von Künstlern hielten ihn in unzähligen Zeichnungen und Studien fest. Umso erstaunlicher ist die Perspektive, die der Künstler unserer Studie wählt. Aus Untersicht blickt man in ein Meer aus Grün und in den tiefblauen Himmel – der Brunnen gerät aus dem Blick und verschwindet fast am linken Bildrand. Und die berühmte Kirche von Ariccia blitzt oben links über den Baumkronen hervor. Stilistisch dürfte es sich bei unserer Arbeit um einen französischen Künstler handeln, der zeitgleich mit Corot in Italien weilte. Grisebach 06/2015 156 Theobald von Oer Haus Nottbeck bei Stromberg 1807 – 1885 Lindenhof bei Coswig „Ischia“. 1838 Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen. 33,9 x 43,4 cm (13 ⅜ x 17 ⅛ in.). Unten rechts, anfangs unleserlich, bezeichnet und datiert: [...] Ischia 3 Aug[us]t 38. Kleine Randmängel. [3385] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß des Künstlers (seitdem in Familienbesitz) € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Wir danken Detmar Westhoff, Düsseldorf, für die Bestätigung der Authentizität des Bildes und für freundliche Hinweise. In Ischia war der deutsche Romantiker Theobald von Oer am Ende seiner italienischen Reise tätig (Detmar Westhoff: Die Italienreise von Theobald von Oer, 1837-1839, 2. Bände, masch. Manuskript, Frankfurt/Main). Man sieht unserem Gemälde an, wie souverän Oer hier die Lichtstimmung der italienischen Insel in Malerei umzusetzen verstand. Die Dämmerung senkt sich bereits über das kleine Dorf, letzte Sonnenstrahlen lassen die Wolken aufleuchten und die Hausfassade links, aber am Himmel erscheint bereits die Sichel des zunehmenden Mondes im Südwesten. Ein heißer Augusttag geht zu Ende, noch ein letztes Mal, vor dem Einbruch der Dunkelheit, zieht es den Maler mit seiner Malmappe nach draußen, er malt das üppige Grün, vor allem aber den warmen Stein. Ein unscheinbarer Hinterhof, eine unspektakuläre Ansicht – und doch steckt alles in dieser kleinen Landschaft, was die Maler der deutschen Romantik aus Dresden und Düsseldorf bis nach Süditalien zog. Westhoff weist darauf hin, daß Oer bei seinen Malaufenthalten in Capri und Ischia im Sommer 1838 weniger die Vegetation interessierte als verwitterte Gemäuer, Gewölbe, Architektur. So fasziniert auch in unserer Studie, wie Oer die verschiedenen Gesteinsorten durch seine subtile „Lichtregie“ inszeniert. Grisebach 06/2015 59 157 Carl Hummel (?) 1821 – Weimar – 1907 Zwei Bäume an einem Gebirgssee. Um 1850 Aquarell und Deckfarbe über Bleistift auf Velin. 30 x 25 cm (38,2 x 27,4 cm) (11 ¾ x 9 ⅞ in. (15 x 10 ¾ in.)). Unten rechts außerhalb der Darstellung mit brauner Kreide beschriftet: 81 100. Dort auch, in der Ecke, mit Bleistift beschriftet: B. PII. 14. [3034] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 60 Die Lust an dem ungewöhnlichen Effekt, die schwingende Pinselführung und die Palette, lassen bei unserem Aquarell an Carl Hummel denken, der in den 1850er/1860er Jahren zahlreiche Zeichnungen, Ölstudien und Gemälde von den Schweizer und oberitalienischen Seen schuf. $ 3,230 – 4,310 Grisebach 06/2015 158 Ernst Fries Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe Bei Olevano. Aquarell und Bleistift auf Papier. 19,9 x 31,1 cm (7 ⅞ x 12 ¼ in.). Nicht bei Wechssler. – [E] € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Wir danken Dr. Peter Prange, München, für die Bestätigung der Authentizität des Aquarells. Nach einem Sommeraufenthalt in der Umgebung von Neapel, wo er zusammen mit dem Dichter August Kopisch die „Blaue Grotte“ auf Capri entdeckt hatte, brach Ernst Fries im Herbst 1826 zu einer Wanderung durch die Sabiner- und Aequerberge auf. In der zweiten Septemberhälfte hielt er sich in Olevano östlich von Rom auf; dort entstand das Aquarell mit dem Blick von der mittelalterlichen Burgruine herab über die Ebene auf das „Bergnest“ Paliano und den dahinterliegenden Volskerbergen. In den letzten beiden Jahren seines Italienaufenthalts – Fries war 1823 nach Rom gekommen und kehrte im Frühsommer 1827 nach Heidelberg zurück – hatte sich in seinem Werk eine deutliche Wandlung zum Malerischen vollzogen, in deren Verlauf an die Stelle des harten der weiche Bleistift trat und er zunehmend das Aquarell für sich entdeckte. Das Blatt mit dem Blick auf die Volskerberge zeigt seine koloristische Begabung: der gesamte Vordergrund bleibt als Bleistiftstudie unvollendet, während Fries dahinter in weichen und tonigen Farbübergängen den Landschaftsraum kontinuierlich entwickelt, der im warmen südlichen Morgenlicht liegt. Das Erfassen einer momentanen Lichtsituation – meistens morgens oder abends – gehörte zu den zentralen Anliegen der um und nach 1820 in Rom tätigen Landschaftszeichner, und führte im Ergebnis häufig zu dem ästhetisch reizvollen Nebeneinander von vollendeten und unvollendeten Partien. Mit solchen Momentaufnahmen der Landschaft, in denen Fries Farb- und Lichtphänomene festhielt, verließ er das gängige Schema der Vedute und setzte an ihre Stelle die Naturbeobachtung. Unvollendete, nur teilweise aquarellierte Blätter dienten Fries häufig als Vorbereitung von Ölskizzen oder Gemälden; vom gleichen Motiv existieren auch eine Ölskizze auf Papier in Karlsruhe (Kunsthalle, Inv. Nr. 1942-489) und eine Bleistiftzeichnung in Heidelberg (Kurpfälzisches Museum, Inv.-Nr. Z 339), die am 16. September 1826 entstanden ist. Peter Prange, München Grisebach 06/2015 61 159 Josef RebelL Wien 1787 – 1828 Dresden Ansicht der Stadt Vietri mit dem Blick auf Rieti und den Meerbusen von Salerno. Nach 1819 Öl auf Leinwand. Doubliert. 78 x 104 cm (30 ¾ x 41 in.). Kleine Retuschen. [3287] In der originalen Rahmung um 1820. Provenienz: Galerie Schneider, München (1956) / Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt / Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen Literatur und Abbildung: Kunstversteigerung. Wien, Dorotheum, 27.5. 1947, Kat.-Nr. 131, Abb. Tf. 12 (dort als eigenhändiges Werk von Josef Rebell, 79 x 106 cm) / Hertha Lischke: Josef Rebell (1787– 1828). Leben und Werk. Innsbruck, Universität, Diss., 1956, S. 130 (unser Bild als eine der drei eigenhändigen Varianten), Abb. 23 / Gemälde aus der Sammlung Dr. Georg Schäfer. Düsseldorf, Christie’s, 31.1.2000, Kat.-Nr. 34, mit Farbabbildung (dort ohne Kenntnis der Provenienz noch „Josef Rebell zugeschrieben“) € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Wir danken Dr. Karin Rhein, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, für freundliche Hinweise zur Provenienz. Die Amalfi-Küste südlich von Neapel wurde von den Romantikern als Bildmotiv entdeckt. Ewig blauer Himmel, eine ungemein üppige Natur, hohe Felsen, die steil zum Meer abfallen und malerische Küstenstädtchen, die sich in die zerklüfteten Felsen hinein schmiegen prägen bis heute das Bild der „costiera amalfitana“ am Golf von Salerno. Der Wiener Maler Joseph Rebell, der von 1813-1815 in Neapel und dann bis 1824 in Rom war, hat an dieser Entdeckung Anteil. Die malerische Qualität des Gemäldes, das sich bis heute in seinem österreichischen Originalrahmen aus der Zeit um 1820 befindet, ist außerordentlich hoch. Es bezieht seinen Reiz aus der subtilen Beleuchtung, die von der leicht verschatteten Vordergrundpartie mit ihren vielen Grüntönen über den mit hellen Lichtern rythmisierten Mittelgrund bis zum sich verblauenden Hintergrund reicht, in dem der Gebirgszug im ruhig warmen Strahlen der Sonne liegt. Ganz in der klassischen Tradition Claude Lorrains hat Rebell das Gemälde aufgebaut und aus dem Hintergrund heraus beleuchtet. Der Vordergrund mit seinem detailreichen Pflanzenstudien leitet durch figürliche Staffage italienischer Landbevölkerung in den Mittelgrund über, in dem der Blick jäh in das Tal hinab fällt und von der kleinteiligen Bebauung Vietris aufgefangen wird. Eine ältere Frau hält Andacht vor einem Bildstock und ein Hirte treibt seine Herde in die Stadt hinab – eine geradezu antike Szene, welche die berühmten Verse Vergils aus der X. Ekloge aufsteigen lässt: „Geht, der Abendstern blinkt, ihr seid satt, geht heim, meine Ziegen!“ – „ite domum saturae, venit Hesperus, ite capellae.“ Es ist die klassische Landschaft Vergils, die Rebell hier in romantischen Geist gestaltet und damit eine antik-christliche Kulturlandschaft entworfen hat. Hinter der Stadt am Fuße des Monte San Liberatore eröffnet sich ein grandioses Panorama auf die Bergkette und den Golf von Salerno. Rebell war fraglos klassizistisch geschult, doch bereichert er seine ideal wirkende Landschaft mit topographischen Details und einer genau studierten Vegetation, was einen neuen, an der Wirklichkeit geschulten Blick auf die Natur erahnen lässt, wie er sich in eben jenen Jahren bei der jüngeren Generation der deutschen Landschaftsmaler durchsetzte. Verschiedene Landschaften mit Motiven von der Amalfi-Küste sind von Rebell bekannt, unter 62 ihnen die vorliegende Ansicht des Städtchens Vietri sul Mare, die er offenbar viermal angefertigt hat. Im Wiener Belvedere befindet sich das 1819 entstandene Schlüsselwerk, eine kleinere Replik in der Berliner Nationalgalerie, eine weitere Replik aus dem Innsbrucker Ferdinandeum verbrannte 1931 im Münchner Glaspa- Grisebach 06/2015 last. Bei unserem Bild handelt es sich offenkundig um das vierte Exemplar, das 1947 im Dorotheum in Wien versteigert wurde (Auktion vom 27.5.1947, Los Nr. 131). Hertha Lischke, die das Werk im Original gesehen hat, hat es in ihrem Werkverzeichnis von 1956 (Joseph Rebell. Leben und Werk. Leopold-Franzens- Universität Innsbruck (masch. Man.) als eine der drei eigenhändigen Varianten Rebells beschrieben, die der Künstler von seinem Gemälde im Belvedere gemalt hat. Michael Thimann, Göttingen Grisebach 06/2015 63 160 Umkreis Friedrich Overbeck Lübeck 1789 – 1869 Rom Gewandstudie. Graue Kreide auf Bütten. 26,7 x 19,6 cm (10 ½ x 7 ¾ in.). In der Ecke unten links beschriftet: Overbeck. Rückseitig unten in der Mitte mit Bleistift beschriftet: Friedr. Overbeck fec. Dort auch, unten rechts, die Stempel „HCS“ (nicht bei Lugt) und Lugt 2635. [3176] Provenienz: Ehemals Woldemar Kunis, Dohna € 1.000 – 1.500 161 Andreas Achenbach Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf Blick auf Düsseldorf. 1848 Bleistift auf Papier. 12,7 x 17,2 cm (5 x 6 ¾ in.). Unten rechts bezeichnet, datiert und monogrammiert: Düsseldorf 1/10 48 A. A. Etwas stockfleckig. [3215] Gerahmt. € 400 – 600 $ 431 – 647 Die Stadt Düsseldorf war für den oft und gerne reisenden Andreas Achenbach sowohl in künstlerischer als auch in privater Hinsicht das vertraute Zentrum seines Wirkens. Die elterliche Wohnung befand sich direkt gegenüber der Akademie, in die er bereits als 12jähriger eingetreten war. Mit der Gründung des Kunstvereins 1829, der entscheidend zum Erfolg der örtlichen Malerschule beitrug, bekam der nunmehr 14jährige hier seine ersten Ausstellungsmöglichkeit – und seinen ersten Karriereschub. Auch die bekannte Ansicht der Akademie mit den angrenzenden Schlossgebäuden, die 1872 durch einen Brand zerstört wurden, stammt von Andreas Achenbach (1831, Düsseldorf, Kunstpalast). Von seiner intimen Verbundenheit mit der Heimat spricht gleichsam unsere kleine Zeichnung. Sie entstand vor den Toren der Stadt, deren Silhouette im Hintergrund aufragt, und zeigt Pferdepflüger, die ihrem Tagwerk nachgehen. Das unmittelbare Angrenzen des städtischen und des ländlichen Alltags, das Achenbach hier beobachtet, setzt der Zeichner souverän ins Bild. 64 Grisebach 06/2015 $ 1,080 – 1,620 162N Friedrich Nerly Erfurt 1807 – 1878 Venedig Die Insel Lido in Venedig. Um 1860/70 Öl auf Leinwand. 55 x 78,5 cm (21 ⅝ x 30 ⅞ in.). Unten links signiert: Nerly. Auf dem Keilrahmen unten links mit Bleistift beschriftet: Insel Lido, östl. Seite. Mit einem ausführlichen Gutachten von Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt, vom 10. April 2015. – Restaurierter Einriß. Randdoubliert. [3340] Gerahmt. € 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100 Das Gemälde habe ich im März 2015 im Original untersucht. Es handelt sich meiner Überzeugung nach um ein eigenhändiges Werk von Friedrich Nerly aus dessen später Schaffenszeit. Im Einklang mit älteren Traditionen verbindet Nerly das Sujet mit einer mehrschichtigen Handlungserzählung aus der alltäglichen Arbeitswelt: Drei Mäher im Vordergrund mähen Gras, gabeln es auf und schärfen das Sensenblatt, im Mittelgrund wird eine Wagenfuhre abgefahren. Der aus diesen Komponenten resultierende Gesamteindruck ist im Oeuvre des Malers unvertraut, zeigt uns Nerly von unerwarteter Seite. Doch die malerische Faktur und die formale Konzeption lassen klar die Autorschaft des Vaters erkennen und schließen eine Urheberschaft des jüngeren Nerly aus. Im Nerly-Nachlaß des Angermuseums Erfurt wird eine Ölstudie (ohne Figurenstaffage) bewahrt, die denselben Uferstreifen des Lido, das mittige Baumpaar und die seitlichen Bäume zeigt und die der Vorbereitung des Bildes gedient haben muß (Inv.-Nr. 3368). Die malerische Ausführung entspricht nicht völlig dem bei Nerly üblichen Vollendungsduktus, sie hält noch die Mittellage zwischen einer dem fertigen Bild angenäherten Studie und der Perfektion eines bis ins Letzte ausgeführten Bildes; was insbesondere an dem geistreich und locker gemalten Blattwerk der windbewegten Robinien sinnfällig wird. Verblüffend ist die Korrespondenz von Nerlys Lido-Idyll mit Ferdinand Oliviers „Blick vom Mönchsberg auf den Untersberg“ (1824, Galerie Neue Meister Dresden) mit dem mittig stehenden Bäumchen, zu beiden Seiten symmetrisch geordneten Baumgruppen und zwei entsprechenden Durchblicken samt einer fernsichtig verkleinerten Figurengruppe im nahen Vordergrund rechts. Diese durch das romantische Erbe gefilterte Bildformel, in die der späte Nerly sein Naturerleben kleidet, gehörte als Teil seiner eigenen Bildungsgeschichte durchaus noch zum Repertoire des Vaters, stand aber dem Sohn wie überhaupt der jüngeren Generation schon nicht mehr zur Verfügung. Etwas vom Geist der lebensfreundlichen, das Spektakuläre meidenden Idyllendichtung seines Zeitgenossen Eduard Mörike scheint Nerlys bildlich ausgewogene Vision eines gleichermaßen arbeitsamen wie durchsonnten Sommertages zu durchwehen. Sie verbindet sich mit einer Anmutung der schönen Klassizität naturverbundenen Lebens, deren Wahrnehmungsgeschichte bis zu den Georgica des Vergil zurückreicht […]. (Ungekürzte Fassung im Online-Katalog) Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt Grisebach 06/2015 65 163 William Linton Liverpool 1791 – 1876 London Der Sibyllen-Tempel in Tivoli. Öl auf Bütten auf Holz. 24 x 34,3 cm (9 ½ x 13 ½ in.). Rückseitig drei Etiketten der Kunsthandlung Thos. Agnew & Sons, London. [3283] Gerahmt. Provenienz: Thos. Agnew & Sons, London (Ende 19. Jh.) / Privatsammlung, England / ehemals Privatsammlung, USA € 4.000 – 6.000 164 $ 4,310 – 6,470 William Linton Liverpool 1791 – 1876 London Blick auf Tivoli. Öl auf Bütten auf Holz. 24 x 34,4 cm (9 ½ x 13 ½ in.). Rückseitig drei Etiketten der Kunsthandlung Thos. Agnew & Sons, London. [3283] Gerahmt. Provenienz: Thos. Agnew & Sons, London (Ende 19. Jh.) / Privatsammlung, England / ehemals Privatsammlung, USA € 4.000 – 6.000 66 $ 4,310 – 6,470 Grisebach 06/2015 165 FranzösiscH, 1832 Die Forumsthermen in Pompeji. 1832 Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 28 x 35,5 cm (11 x 14 in.). Auf dem Keilrahmen oben mit Feder in Schwarz (verwischt) und in Bleistift beschriftet: Caldarium in den Forumsthermen Pompeji Mai 32. Kleine Retuschen. [3285] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Diese virtuose Ölstudie zeigt den Innenraum der Forumstherme in Pompeji. Durch die eingestürzte Deckenkonstruktion dringt halbkreisförmig das gleißende Tageslicht in den gewaltigen Baukörper und bündelt sich im oberen Teil der linken Seitenwand. Der Standpunkt des Malers ist leicht aus der Mittelachse der Architektur nach rechts versetzt und die perspektivisch angedeutete Raumflucht ist nur in der braunen Untermalung skizzenhaft im Halbdunkel angedeutet. Im unteren Bildteil ist eine runde, fast schwarze Bogenform zu sehen, die sich zu einer unwägbaren Tiefe öffnet. Es hat den Anschein, dass der Maler in der antiken Ruine auf einer Zwischenebene steht und die schwarze Öffnung unten in weitere unterirdische Räume führt. Korrespondierend dazu erscheinen die ebenfalls schwarzen, verschütteten Fensteröffnungen des vorderen Tonnengewölbes, die ehemals dem Innenraum sein Licht spendeten. Das in den Baukörper einfallende Licht in all seinen chromatischen Abstufungen dürfte für unseren Künstler der Anlass für diese außerordentlich qualitätvolle Ölstudie gewesen sein. Koloristisch bewegt sich die Studie zwischen den aus der Untermalung entwickelten Brauntönen und den variantenreichen Grüntönen der Vegetation, die sich langsam aber sicher der verfallenden Architektur zu bemächtigen scheint. Der Naturalismus und die Sachlichkeit dieser Ölstudie lassen an einen französischen Künstler um 1830 denken. Beim Malen hatte dieser zwar offensichtlich auch die älteren Ruinenlandschaften eines Hubert Robert im Hinterkopf, gehört aber der späteren Künstlergeneration von Jules-Louis-Phillipe Coignet oder Francois-Marius Granet an. (MM) Grisebach 06/2015 67 166 Friedrich Nerly Erfurt 1807 – 1878 Venedig „Campo San Vio in Venezia“. Bleistift auf Bütten. 32 x 22 cm (12 ⅝ x 8 ⅝ in.). Oben rechts betitelt und signiert: Campo San Vio in Venezia. Nerly. Hinterlegter Randeinriß. [3034] € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Wir danken Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. 167 Friedrich Wasmann Hamburg 1805 – 1886 Meran Gitarrenspieler (Studie). Bleistift auf Bütten. 30,8 x 22,6 cm (12 ⅛ x 8 ⅞ in.). Unten rechts signiert: Fr. Wasmann. Rückseitig, um 180° gedreht: Landschaftsskizze. Bleistift. [3176] € 500 – 700 68 $ 620 – 900 Grisebach 06/2015 168 Albert Brendel Berlin 1827 – 1895 Weimar Schafweide an einer belebten Landstraße. 1872 Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 18,4 x 23,6 cm (7 ¼ x 9 ¼ in.). Unten links signiert und datiert: A. Brendel 1872. Geschlossener Einriß. [3121] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Ein später Nachmittag im Spätsommer 1872. Warmes Licht tüncht die friedliche Natur gülden und die luftig vorbeiziehenden Wolken in ein zartes Rosa. Unser Blick schweift über eine Wiese am Rand eines lichten Waldes mit stolzen Pinien und buschigen Laubbäumen. Schafe weiden gesellig im Schatten. In ihren wollenen Braun-, Grau- und Weißfärbungen fügen sie sich harmonisch in die sanft geschwungene, sonnengebräunte Ebene. Zwei Schafe stehen der in sprichwörtlich stoischer Lethargie lagernden kleinen Herde vor. Sie sind die einzigen, die einer nahen, mit Menschen und Pferden belebten Landstraße ihre Aufmerksamkeit schenken. Der Fuhrweg ist nur vage auszumachen, denn er verläuft hinter einer dichten, die Weide rahmenden Hecke – die die Naturbühne und ihre tierischen Bewohner ein-, und damit von jeglichem städtischkultivierten Treiben abzugrenzen scheint. Albert Brendel war einer der ersten deutschen Künstler, die sich der Malerschule von Barbizon angeschlossen haben. Von 1854 bis unmittelbar vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges verbrachte Brendel die Sommermonate regelmäßig in dem kleinen Künstlerdorf am Rande des Waldes von Fontainebleau. Hier arbeitete er Seite an Seite mit den bekanntesten Malern vor Ort, Corot, Millet, Daubigny. Als Professor (ab 1875) und schließlich Direktor der Weimarer Kunstakademie wurde er zum einflussreichen Vermittler der „paysage intime“ und damit jener auf Wirklichkeitserfassung abzielenden Kunstrichtung, die eine neue europäische Landschaftsmalerei begründete. Motivwahl, Licht- und Farbgestaltung seiner künstlerischen Arbeiten bezeugen eine ausgesprochene Nähe zu den Barbizonisten. Die Rolle, die die Darstellung von Schafen in seinem Werk einnimmt, wurde zurecht mit entsprechenden Bildern Jean-Francois Millets verglichen. „Er hat nur Schafe gemalt, aber welche Schafe! Das ist die lebendige Kunst“, schrieb ein französischer Rezensent über ein im Pariser Salon 1857 ausgestelltes Gemälde des deutschen Malers. Der Berliner Brendel, der seine Anfänge als Maler in den Ateliers von Bürde und Steffeck gemacht, kurzzeitig bei Couture und Palizzi in Paris studiert und seine künstlerische Heimat bei den Freilichtmalern in Barbizon gefunden hatte, muß die Unterbrechung seiner regen Beziehungen durch den Krieg mit Frankreich schmerzlich empfunden haben. Unser kleines Gemälde, das nur zwei Jahre nach Brendels letzten Barbizonaufenthalt in seiner Geburts-, jetzt deutschen Reichshauptstadt entstanden ist, schlägt eine Brücke der Erinnerung – zurück in die Wälder von Fontainebleau. (AA) Grisebach 06/2015 69 169 August Lucas 1803 – Darmstadt – 1863 Aqua Acetosa. 1829 Öl auf Bütten. 14,1 x 36,4 cm (5 ½ x 14 ⅜ in.). Wir danken Dr. Peter Märker, Berlin, für die freundliche Bestätigung der Authentizität der Studie. – [3150] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 170 $ 4,310 – 6,470 In seinen italienischen Jahren, zwischen 1829 und 1834, schuf Lucas ein beeindruckendes, individuelles Œuvre. Vor allem seine sehr seltenen Ölstudien jener Jahre zeichnen sich durch eine besondere sanfte und pastellfarbene Lichtstimmung und ein oft extremes Querformat aus. Unsere Ölstudie ist offenbar am selben Tag entstanden wie „Tiberlandschaft bei Aqua Acetosa“, die Lucas 1829 zeichnete und datierte (Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Inv. Nr. HZ 928), dort ist der Standpunkt leicht nach rechts verschoben. Dresden, um 1830 Flußlandschaft mit Turm. Öl auf Leinwand. 18,3 x 26 cm (7 ¼ x 10 ¼ in.). [3106] € 800 – 1.200 70 $ 862 – 1,290 Grisebach 06/2015 171 Ernst Fries Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe Gebirgsstudie (Italien). Um 1826 Aquarell über Bleistift auf Papier, auf Karton aufgezogen. 28,7 x 38,5 cm (11 ¼ x 15 ⅛ in.). Unten in der Mitte in Bleistift mit Angaben zur Farbgestaltung: Luft ... grünlich ... 1 Grasboden / 2 Felsen (auch innerhalb der Darstellung mit „1“ bzw. „2“ bezeichnet). Nicht bei Wechssler. – [3034] Gerahmt. Provenienz: Ehemals im Nachlaß des Künstlers € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Wir danken Dr. Peter Märker, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität des Aquarells. Unser sehr feinsinniges Aquarell stammt direkt aus der Familie Fries. Der Künstler spielt hier sein ganzes Können in der subtilen Erfassung der kleinsten Tonabstufungen mit den Mitteln der Aquarelltechnik aus. Das zarte Blau, das Fries so liebte, setzt er ein, um – von einem sehr hohen Standpunkt aus gesehen – zwei ferne Berggipfel zu akzentuieren. Mit sehr viel Liebe widmet sich Fries dann dem Tal dazwischen und skizziert hier Wiesen und Bäume, deren zartes Grün dem Blau eine zusätzliche Leuchtkraft verleiht. Es ist eine Arbeit, die einen Einblick gewährt in die Arbeitsweise des Künstlers, mit begonnenen und ausgeführten Partien und handschriftlichen Annotationen – „1“ ist der „Grasboden“, die „2“ die Felsen und der Künstler notiert als Erinnerungsstütze, was „grünlich“ war und was „blau“. Es ist der Blick eines Künstlers der ersten Romantikergeneration um 1820 auf die Natur: sehr präzise, aber in der Wiedergabe doch noch zart, sich genau auf das konzentrierend, was ihn künstlerisch interessiert, den Rest in der Unterzeichnung belassend. Aus diesem Wechselspiel der ausgeführten und unausgeführten Partien bezieht unsere Arbeit ihre besondere Poesie. Grisebach 06/2015 71 172 Carl Wilhelm Götzloff Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel „Castel dell'Ovo“. 1846 Öl auf Leinwand. 46,3 x 67,3 cm (18 ¼ x 26 ½ in.). Auf dem Keilrahmen oben links mit Feder in Schwarz beschriftet: „Castel dell’ Ovo“ à Naples. In der Mitte auf einem Aufkleber mit Feder in Schwarz beschriftet: C. Götzlof No 16 1846 Neapel. Dort auch zwei Wachssiegel. Lentes 189. – Kleine Retuschen. [3121] Gerahmt. Ausstellung: Carl Wilhelm Götzloff (1799–1866). Ein Dresdner Landschaftsmaler am Golf von Neapel. Lübeck, Museum Behnhaus Drägerhaus, und Koblenz, Mittelrhein-Museum, 2014, Kat.-Nr. 62, mit ganzseitiger Farbabbildung S. 138 € 35.000 – 45.000 $ 37,700 – 48,500 1799 in Dresden geboren, besuchte Carl Wilhelm Götzloff von 1814 an die dortige renommierte Kunstakademie, konzentrierte sich schon früh auf das Landschaftsfach und bewegte sich zugleich im Kreis um Caspar David Friedrich. Im Jahre 1821 brachte ihn ein Reisestipendium nach Italien. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich sein Italienaufenthalt von denjenigen seiner Dresdner Künstlerfreunde: hielten sich Ludwig Richter, Ernst Ferdinand Oehme oder Carl Wagner nur wenige Jahre unter mediterranem Himmel auf, um ihr Studium zu vervollkommnen, kehrte Götzloff nicht mehr nach Deutschland zurück. 1825 siedelte er nach Neapel über und sollte dort in den Folgejahren zu einem gefragten Landschafts- und Genremaler avancieren. Den malerischen Schönheiten des Golfes von Neapel sowie der Bucht von Sorrent galt dabei sein besonderes Augenmerk. Unser 1846 entstandenes Gemälde setzt sich ausschließlich aus vier Ingredienzien zusammen: Architektur, Berge, Wasser und Himmel. Von erhöhtem Standpunkt aus blickt der Betrachter auf denjenigen Abschnitt des Golfes, an welchem das markante Castel dell’Ovo, das den ältesten Teil der Festungsarchitektur der süditalienischen Metropole darstellt, malerisch ins tiefblaue Meer ragt. Der Name dieser wehrhaften Anlage verbindet sich mit Vergil, der laut legendarischer Überlieferung ein Ei in das Fundament der Festung gelegt haben soll. Aufgrund seiner exponierten Lage ist das Castel dell’Ovo nicht erst seit Götzloffs Zeiten den kanonisierten Motiven der Stadtlandschaft zuzurechnen. Seinen besonderen Reiz bezieht dieses Gemälde aus dem intensiven Kontrast der beiden unterschiedlichen Blauwerte von Himmelsund Meeresfläche, der sich in dieser Prägnanz im Werk von Götzloff eher selten findet. Und noch eine weitere Auffälligkeit bestimmt dieses Bild: während sich auf fast allen seiner Ansichten des Golfes der Vesuv als markanter Anhaltspunkt im Hintergrund abzeichnet, hat der Künstler in diesem Fall auf dessen Wiedergabe verzichtet. Stattdessen ist es der Monte Sant Angelo, der die höchste Erhebung der den Bildraum abschließenden Bergkette darstellt und welcher überdies durch die von der Abendsonne beschienenen Wolken akzentuiert wird. Konsequent dem Darstellungstypus der Landschafts- oder Stadtvedute verpflichtet, erreichte Götzloff durch die stimmungsvolle Verschmelzung seiner Bildelemente im südlichen Licht eine zarte Idealisierung. Markus Bertsch, Hamburg 72 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 73 173 Ernst Fries Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe Kastell am Meer. Aquarell und Gouache über Bleistift auf dünnem Bütten. 10,1 x 16 cm (4 x 6 ¼ in.). Nicht bei Wechssler. – [E] € 1.500 – 2.000 $ 1,620 – 2,160 Wir danken Dr. Peter Prange, München, für die Bestätigung der Authentizität des Aquarells. 174 Ascan Lutteroth 1842 – Hamburg – 1923 Einfahrt zur Blauen Grotte auf Capri. 1871 Öl auf Leinwand, auf Karton aufgezogen. 18,4 x 31 cm (7 ¼ x 12 ¼ in.). Oben rechts signiert und (in der nassen Farbe) datiert: A Lutteroth 17 6 71. [3269] Gerahmt. € 1.500 – 2.000 74 $ 1,620 – 2,160 Grisebach 06/2015 175 Louis Gurlitt Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen Blick auf Rocca Santo Stefano und die Mammellen. Um 1845 Öl und Bleistift auf Papier, auf Karton aufgezogen. 21,5 x 29,2 cm (8 ½ x 11 ½ in.). Zwei durch Aufziehen professionell geschlossene Einrisse. Randmängel. [3275] Gerahmt. Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Louis Gurlitt – gebürtig aus Altona, das seinerzeit unter dänischer Verwaltung stand – hatte es, wie viele seiner Künstlerkollegen, 1832 für zwei Jahre zum Studium nach Kopenhagen gezogen, wo die Kunstakademie einen hervorragenden Ruf genoß. Im Sommer entfloh Gurlitt dem oft trockenen akademischen Unterricht – und folgte damit dem Rat seines einflussreichen Lehrers Christian Friedrich Eckersberg. Gurlitt begab sich auf Reisen, nach Schweden und nach Norwegen, um Ölstudien direkt vor der Natur anzufertigen. Seine frühen Erfahrungen in der Freilichtmalerei, insbesondere im Einfangen des natürlichen Lichtes, und seine damit verbundene naturnahe Landschaftsauffassung brachten ihm bald seine ersten künstlerischen Erfolge ein. Die Erkenntnisse, die dem Maler nur das intensive Naturstudium lehrt, blieben von großem Wert – auch als sich Gurlitt während seiner Münchener Jahre zunehmend von den von Eckerberg empfohlen Grundsätzen strenger Naturwahrheit ab- und der von Carl Rottmann angeführten idealen Richtung zuwandte. Unser Blatt, das auf Gurlitts zweiter Italienreise 1843-1846 entstand, gibt uns einen Einblick in seine Arbeitsweise. Eindrucksvoll führt es uns vor, wie der mittlerweile routinierte Freilichtmaler seine (italienischen) Ölstudien anlegte. Zunächst wurde der beobachtete, meist weiträumige Landschaftsausschnitt mit flüchtigen Bleistiftstrichen erfasst. Anschließend begann Gurlitt, „das Blatt von oben nach unten mit Ölfarbe auszumalen“ (Schulte-Wülwer 1997, S. 53). Die mit Farbe bedeckten Partien führte er dabei bereits vollständig aus. Unsere Studie besteht somit aus zwei Teilen: einer oberen, künstlerisch „vollendeten“ (soweit eine solche Definition für eine Ölstudie aus den 1840er Jahren zutreffen kann) und einer unteren, lediglich „angelegten“ Partie. Blätter wie dieses, das zudem aus dem Nachlaß des Künstlers stammt, dienten Gurlitt als wertvolles Arbeitsmaterial. Sie waren Erinnerungsstütze und Inspiration für die später bildmäßig ausgeführten und zum Verkauf bestimmten Gemälde. Heute sind es gerade solche Studienarbeiten, deren künstlerische Qualität uns überzeugt und deren spannungsreiches Verhältnis aus „vollendeten“ und „unvollendeten“ Bildteile unserem an der Moderne geschulten Auge einen überaus anregenden Kunstgenuß bereitet. (AA) Grisebach 06/2015 75 176 Heinrich Bürkel Pirmasens 1802 – 1869 München „Blick auf den Monte Circeo“. Um 1853 Öl auf Leinwand. Doubliert. 36,5 x 70,5 cm (14 ⅜ x 27 ¾ in.). Nicht bei Bühler/Krückl. – Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 6. Februar 1993. – [3224] Gerahmt. Provenienz: Kunstsalon Franke-Schenk, München / Privatsammlung, Süddeutschland € 18.000 – 24.000 $ 19,400 – 25,900 Wenn der Münchner Maler Heinrich Bürkel bei seinen zahlreichen Italienbesuchen in Rom weilte, unternahm er stets Ausflüge. Er besuchte historische Stätten und hielt seine Eindrücke von den Naturschönheiten mit Zeichenstift und Pinsel fest. Es entstanden „viele große Ölskizzen, Tuschen und Aquarelle nach Landschaften aus Rom, der Campagna, den Sabiner- und Volskerbergen, von Tivoli, Olevano, den Abruzzen, Frascati, Albano, den Kraterseen, Velletri und den Pontinischen Sümpfen, die Ausbeute endloser, durch die Malaria gefährdeter Wanderungen.“ Ariccia liegt zwanzig Kilometer südöstlich von Rom und ist die älteste Stadt Latiums. Von hier aus genoss man den berühmten Blick über Ariccia auf den Monte Circeo (Monte Circello) – eine Attraktion, die Friedrich Bürkel wie zahlreiche Kollegen vor und nach ihm in diesem gleichnamigen Gemälde festhielt. Von hier aus erscheint der Berg der Circe, der in Heinrich Bürkels Ölskizze „aus der Ferne gesehen, wie eine Insel“ wirkt, gleich einer Vision am Horizont. Der Maler zeigt den sagenumwobenen Homerischen Berg zusammen mit der gleichermaßen berühmten, etwas links im Bildmittelgrund befindlichen Kirche Collegiata di Santa Maria Assunta. In Bürkels Ansicht gleitet der Blick nach Süden über die silbrig schimmernde glatte See in die Ferne. Die weit ausschwingende Küstenlinie führt zum Monte Circeo und rechts im Bild weiter bis zur Inselgruppe der Isola Ponza mit der Isola Zannone und Palmarola, deren Silhouetten sich im milchigen Licht der rosengelben hohen Himmelskuppel der deutschen Romantiker am Meereshorizont verlieren. Die Komposition ist meisterhaft aufgebaut: das Bild ist horizontal in zwei nahezu gleichgroße Hälften geteilt, die Himmel und Erde umspannen. Gleichzeitig entwickelt der Maler von links nach rechts die klassische Diagonalkomposition vom Dunklen ins Helle. Sie unterteilt sich in verschattete und sonnige Bereiche, die sich wellengleich aus Landzonen in Grün und zwei sich rechts daran anschließenden Meerzonen in Blau zusammensetzen. Unsere Ölskizze zeigt den »anderen Bürkel«, wie ihn der Bürkel-Spezialist Hans-Peter Bühler nennt. Dieser Bürkel ist kein Biedermeiermaler mehr, sondern ein Vorimpressionist, der Ölskizzen leicht wie Aquarelle locker hintuscht. Er bannt die Flüchtigkeit einer Naturstimmung in dünnen Lasuren auf die Leinwand, setzt mit wenigen gezielten Tupfen Lichter und Schatten auf und entfaltet mit zarten fließenden Farbüberg.ngen in lieblichen Pastelltönen den ganzen Zauber der Atmosphäre. Wie eine japanische Tuschzeichnung zeigt er das Wahrzeichen des mediterranen Italiens, die Pinien, in ihren typischen Silhouetten gegen den Himmel. Behutsam verknüpft er Raumzonen zu einem großzügigen und weiträumigen Prospekt. Die Intensität des Eindrucks bedarf 76 des Fleißes zum Detail nicht mehr. Es ist der große Entwurf, der in seiner künstlerischen Abbreviatur alles Wesentliche, den Zauber des südlichen Lichts und der Landschaft, zu einem arkadischen Traum formuliert. Bürkels Ölstudien und Zeichnungen wurden erst von Bürkels Sohn, Ludwig von Bürkel, und dessen Sohn, Luigi von Buerkel, seit der Jahrhundertwende um 1900 aus dem Privatbesitz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Richard Muther, der einer der ersten war, der diesen „anderen Bürkel“ zu sehen bekam, zeigte sich ganz betroffen von der Schönheit der Darstellungen, die die Essenz des Erlebten zu einem stimmungsvollen Eindruck zusammenfassen. Auf Grund der Vergleiche mit anderen Bildern aus dem Werk Heinrich Bürkels ist anzunehmen, dass der Blick über Ariccia auf den Monte Circeo ein Spätwerk des Meisters ist. Es entstand wahrscheinlich auf seiner vierten Italienreise 1853. Sein Freund Carl Spitzweg hatte damals bereits zusammen mit Eduard Schleich d. Ä. 1851 aus Paris die Farb- und Lichtbehandlung Eugène Delacroix’ und der Barbizonmaler nach München gebracht. Hans-Peter Bühlers Bemerkung, dass Bürkel die Freilichtmalerei zwar vorausgeahnt habe, aber bis zu seinem Tod der Lasurmalerei biedermeierlicher Prägung treu geblieben sei, mag für seine Verkaufsware zutreffen. Für seine persönlichen Schöpfungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, gilt, wie für seine Grisebach 06/2015 Münchner Kollegen Spitzweg und Schleich d. Ä., die Öffnung der malerischen Form. Noch ist im Blick über Ariccia auf den Monte Circeo die rosenrote Farbigkeit des zarten Fonds von Bürkels Morgenhimmel romantisch aufgefasst: die Farbe »schmilzt« gleichsam über die gesamte Bildfläche hinweg. Aber diesen durchlichteten Himmelsraum unterbricht und akzentuiert der Maler mit unvermittelt aufgesetzten pastosen Pinselhieben, die als Wolkengebilde in der lichten Himmelsphäre stehen. Darunter brechen helle und dunkle, kurze Pinselstriche die verschiedenen Landschaftsdetails auf und verweben ihre Versatzstücke, wie Bäume, Menschen, Häuser und Tiere, miteinander zu einem atmosphärischen Gesamteindruck. Dadurch erreicht der Maler eine neue „Synthese koloristischer und tiefenräumlicher Wirkung.“ Nur wenige Bilder im Werke Heinrich Bürkels haben den malerischen Schmelz, dieses „Französische“ wie es Prof. Börsch-Supan nennt, des Gemäldes Blick über Ariccia auf den Monte Circeo. Während die Ölskizzen auf Papier bereits in den 1830er Jahren den Landschaftseindruck thematisieren, werden die Gemälde auf Leinwand zu dieser Zeit noch viel detailgenauer und Abbild-getreuer ausgearbeitet. Erst in den 1850er Jahren erreichen die als Ölskizzen belassenen Gemälde auf Leinwand eine vergleichbare Leichtigkeit zu den Papierarbeiten. Etwa die bei Terracina gemalte Landschaft in den Pontinischen Sümpfen mit den Ruinen von Ninfa und Blick auf Sezze von ca. 1850 /55 , die Italienische Berglandschaft mit Blick auf Subbiaco oder Ziehende Landleute vor der Fontana di Porta Furba von 1865 /68 kennzeichnen diesen Spätstil Heinrich Bürkels. In diesen Gemälden haben die Figuren ihre frühere bildbestimmende Dominanz verloren und werden als kleinfigurige Staffierungen in den Landschaftsprospekt eingebettet. Die überwiegende Zahl der Spätwerke ist nicht signiert und war nicht für den Verkauf bestimmt, sondern bildete ein Arsenal von Erinnerungen, aus dem der Künstler schöpfte. Sie sind nach wie vor eine Neuentdeckung. In ihrer spezifischen Art stehen sie der skizzenhaften Malerei von Georg Dillis nahe. Die leicht hingeschriebene Darstellung mit ihrem an die Franzosen erinnernden Sinn für Atmosphärisches ist eine Rarität. Sie bewahrt die spontane Handschrift und die persönliche Kunstauffassung des modernen Malers Heinrich Bürkel, der neben Carl Spitzweg und Eduard Schleich d. Ä. in der Landschaftsmalerei in ganz eigenwilliger Manier wegweisende Bildschöpfungen hervorbrachte. Grisebach 06/2015 77 177 Johann Joachim Faber 1778 – Hamburg – 1846 Blick auf die Serpentara und Civitella. Um 1820 Bleistift auf Bütten (Wasserzeichen: Al Masso). 23,1 x 32,8 cm (9 ⅛ x 12 ⅞ in.). Oben in der Mitte mit Bleistift bezeichnet: Serpentara u: Civitella. Vertikale Falte in der Mitte. [3034] Gerahmt. € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Der Blick von Olevano über die Serpentara nach Civitella, das Ludwig Richter als eine auf dem Berg thronende „Sphinx“ beschrieb, gehört zu den am häufigsten dargestellten Ansichten in der ersten Jahrhunderthälfte. Die überwiegend aus Parallelschraffuren aufgebaute Bleistiftskizze des Hamburgers Johann Joachim Faber zeigt dabei in 178 dem Nebeneinander von Konzentration auf das zeichnerisch verdichtete Motiv und dem freien, zum Rand offenen, gleichsam die Weite der Landschaft suggerierenden Grund des Papiers ein für die deutsche Zeichenkunst der ersten Jahrhunderthälfte charakteristisches Erscheinungsbild. Fabers Zeichnung entstand erst während des zweiten Italienaufenthalts nach 1820, als er Olevano während der Sommermonate zusammen mit Heinrich Reinhold besuchte. Dort haben sie häufig nach denselben Motiven gezeichnet und auch gegenseitig Kopien angefertigt – so existiert von Reinhold eine Kopie auf Transparentpapier nach Fabers Zeichnung (ehemals Sammlung Friedrich August von Sachsen). Von Faber selbst befindet sich eine nahezu übereinstimmende, von einem etwas weiter entfernten Standpunkt aufgenommene Ansicht mit dem Blick über die Serpentara nach Civitella in Lübeck (Behnhaus Drägerhaus, Inv. Nr. AB 1235). Peter Prange, München Heinrich Reinhold Gera 1788 – 1825 Rom Italienische Landschaft im nördlichen Mittelitalien mit Blick auf das Meer. 1820 Bleistift auf Bütten. 23 x 34,8 cm (9 x 13 ¾ in.). [3013] Ausstellung: Heinrich Reinhold (1788–1825). Italienische Landschaften. Zeichnungen, Aquarelle, Ölskizzen, Gemälde. Eine Ausstellung aus Anlaß seines 200. Geburtstages. Gera, Kunstgalerie, 1988, Kat.-Nr. 203, mit ganzseitiger Abbildung auf S. 287 € 2.500 – 3.500 78 $ 2,690 – 3,770 Grisebach 06/2015 179 Georg Heinrich Crola Dresden 1804 – 1879 Ilsenburg Luftstudie. Um 1830 Öl und Bleistift auf Papier. 25,3 x 33 cm (10 x 13 in.). Teilweise unleserlich mit Bleistift monogrammiert: ... G.C. [3275] Provenienz: Nachlaß des Künstlers € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Die Wolken und ihr genaues Studium waren ein zentrales Thema für die großen deutschen Meister der romantischen Innerlichkeit. Hier drückte sich das aus, was Sebastian Kleinschmidt so präzise und poetisch beschreibt: „Der Untenstehnde als Aufblickender. Himmelsweite, unendliche Räume. Höhenzüge, auf denen nichts geschieht. Ars combinatoria ohne Ziel und Absicht. Lichtbahnen, dunkle Vorhänge. Leichtes, Schweres. Zarter Durchschein, Vagheit, Fluidum. Sehnsucht ohne Verheißung. Stimmungsparallelen, atmosphärische Analogie.“ Von Carl Gustav Carus, selbst ein Wolkenstudienmaler von größter Duftigkeit, stammt aus der Entstehungszeit von Crolas Studie dieser schöne Vergleich: „Wie ziehende Wolken im steten Wandel begriffen, so die inneren Zustände des Menschen. Alles, was in seiner Brust widerklingt, ein Erhellen und Verfinstern, ein Entwickeln und Auflösen, ein Bilden und Zerstören, alles schwebt in den Gebilden der Wolkenregionen vor unseren Sinnen.“ Grisebach 06/2015 79 180 Wilhelm Klose 1830 – Karlsruhe – 1914 Landschaft bei Sykion westlich von Korinth mit Stallhaus. Um 1867 Öl auf Papier. 24,8 x 37,2 cm (9 ¾ x 14 ⅝ in.). Rückseitig eine Bleistiftvorzeichnung zu diesem Motiv. [3191] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß des Künstlers (bis 1970 in Familienbesitz) € 1.500 – 2.000 181 $ 1,620 – 2,160 Wilhelm Klose 1830 – Karlsruhe – 1914 Säulen des Parthenon auf der Akropolis. Um 1867 Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen. 29,4 x 22 cm (11 ⅝ x 8 ⅝ in.). [3191] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß des Künstlers (bis 1970 in Familienbesitz) € 1.500 – 2.000 80 $ 1,620 – 2,160 Grisebach 06/2015 182 Dänisch, um 1840 Felsen am Meer mit Durchblick auf eine Stadt. Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 26,6 x 34,7 cm (10 ½ x 13 ⅝ in.). Rückseitig ein Etikett der BilderRahmen-Fabrik Hermann Wahl & Sohn, Berlin. [3056] € 2.000 – 3.000 die Steine so sorgsam ausgeführt, dass sie auch im Großformat bestehen würden. Dabei fasziniert gerade die kleine Form des Bildes, die einen näher heranlockt, um in die Ferne zu führen. Wie ein romantischer Sehnsuchtsort ist hinten eine Hafenstadt mit Türmen und Kränen ins Abendlicht getupft, auf dem Wasser schwebend. In dieser Zeit beschwört Eduard Mörike sein Phantasieland Orplid. „Du bist Orplid, mein Land! / Das ferne leuchtet; / Vom Meere dampfet dein besonnter Strand / Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.“ $ 2,160 – 3,230 Der genaue Ort, an dem diese Ölstudie geschaffen wurde, ist bislang unerkannt, ebenso der Künstler - aber das Bild selbst vermag vieles zu erzählen: Von dem Maler, der das Sonnenlicht schätzt, jedoch nicht geblendet werden will und nicht zu viel direktes Licht auf seiner Malpappe gebrauchen kann und sich sich deshalb in den Schatten einer Felswand zurückgezogen hat. Ihn interessiert das abnehmende, abendliche Licht und die Schatten, die es wirft, ihn fasziniert die Struktur der Steine, der leuchtende Sand, die räumliche Staffelung, der blaue, zum Horizont hin weißlich gedämpfte Himmel. Was wir sehen, ist ein Versuch, eine erste Skizze – aber das Bild wirkt nicht improvisiert, sondern ist souverän ausgeführt. Fast ist das Wort Skizze unpassend, da es Unvollendetes impliziert. Der unbekannte Maler hat hingegen bis zum Rand der Pappe gearbeitet, hat jedes Blatt, jeden Zweig liebevoll gesetzt und Das Bild erinnert in seiner kühlen Lichtregie und der klaren Helligkeit an Werke des Goldenen Zeitalters der dänischer Malerei. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägende „Kopenhagener Schule“ hat die Freilichtmalerei früh gelehrt und befürwortet, man setzte keine Phantasieländer, sondern geografisch bestimmbare Orte ins Bild, in einer ganz besonderen Mischung aus Akribie und Poesie. Man kann unser Bild mit der bräunlichen, aber leuchtenden Farbpalette eines Johan Thomas Lundbye vergleichen oder mit den kleinformatigen Studien Niels Emil Holms – letzterer hat nicht nur Norwegen, sondern auch Sizilien bereist, wo er die im Osten der Insel gelegenen Küstenstädte Messina und Catania abbildete. Andere dänische Künstler, so Jørgen Roed, Constantin Hansen oder Wilhelm Marstrand, haben sich auf Reisen in Neapel und Umgebung aufgehalten. In diese süditalienische Sphäre ist man geneigt, die Studie zu verorten. Durch den Vergleich mit Skizzenbüchern der genannten Künstler wird sie vielleicht auch eines Tages ihren bislang noch im Schatten sitzenden Schöpfer preisgeben. (SIE) Grisebach 06/2015 81 183 August Seidel 1820 – München – 1904 Sandgrube bei Bad Reichenhall. Öl auf Papier auf Pappe. 25,6 x 31,4 cm (10 ⅛ x 12 ⅜ in.). Unten rechts monogrammiert: AS. Rückseitig mit Feder in Schwarz beschriftet: August Seidl [!] Sandgrube Reichenhall. [3394] € 2.000 – 3.000 184 $ 2,160 – 3,230 Josef Rebell Wien 1787 – 1828 Dresden Italienische Küstenlandschaft (Studie). Um 1815/20 Öl auf Pappe. 12,2 x 15,2 cm (4 ¾ x 6 in.). Unten rechts signiert: J Rebell. Rückseitig mit Bleistift beschriftet: J. Rebell. Retuschen. [3285] € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Joseph Rebell ist als früher Meister der Ölstudienkunst bislang nur wenigen bekannt. Dabei belegen die seltenen Beispiele, so wie unsere furiose Miniatur, sein Können. Seine Signatur spricht für die Bedeutung, die Rebell selbst seinen Studien beimaß. 82 Grisebach 06/2015 185 Friedrich Eugen Peipers Stolberg 1805 – 1885 Frankfurt a.M. „An der Heidetränke bei Oberursel“. 1856 Aquarell über Bleistift auf Velin. 32,2 x 46 cm (12 ⅝ x 18 ⅛ in.). Unten rechts bezeichnet und datiert: an der Heidentränke[!] bei OberUrsel 8/10.1856. Zwei schwache Knickfalten, im Rand leicht fleckig. [3011] € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Man denkt auf den ersten Blick, man hätte ein Aquarell von Viktor Paul Mohn aus seiner italienischen Reise von 1866 vor sich – so ähnlich ist der schräge Bildaufbau und die Lust am herbstlichen farblichen Detail. Doch der Ort, die Heidetränke bei Oberursel, liegt im Taunus – und der Schöpfer ist der hessische Maler Peipers, der während seiner Lehrtätigkeit 1842-1860 als Zeichenlehrer am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt die Umgebung in Bleistiftzeichnungen und Aquarellen auf ausgedehnten Wanderungen festhielt. Grisebach 06/2015 83 186 Russisch, um 1870 Wolken über einem Gebirge. Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 10,8 x 18,5 cm (4 ¼ x 7 ¼ in.). Unten rechts signiert: Dmitrieff. Unten links unleserlich bezeichnet (in die nasse Farbe gekratzt): 12-30 (?) ... [3140] Gerahmt. € 800 – 1.200 187 $ 862 – 1,290 Es ist offenbar 12.30h und die Sonne steht so hoch am Himmel, das es praktisch keine Schatten gibt. Bildgegenstand ist eine Klippe oder Felsformation, die wie eine Mauer die Sicht auf den Horizont versperrt. Während die Wiese in nur einem einzigen Grünton skizziert ist, studierte der Maler den Lichteinfall auf dem Gestein sehr genau. Eine Wolke scheint langsam über die Klippe auf den Betrachter zuzurollen und sorgt für eine horizontale Dreiteilung des Bildes, das ihm eine große Modernität verleiht. Unten links hat der Maler die Uhrzeit und den Ort notiert – und unten rechts eventuell signiert. Dort liest man „Dmitrieff“. Aufgrund von stilistischen Vergleichen könnte es sich bei dem Schöpfer unserer Studie um den russischen Jahrhundertwendemaler Nicolai Dmitrieff-Orenburgsky (1837-1898) handeln. (MZ) August Becker Darmstadt 1821 – 1887 Düsseldorf Amalienfelsen. Nach 1863 Öl auf Papier auf Karton aufgezogen. 23,5 x 35,8 cm (9 ¼ x 14 ⅛ in.). [3191] € 900 – 1.200 84 $ 970 – 1,290 Grisebach 06/2015 188 Andreas Achenbach Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf Himmel, die lediglich von einem schemenhaft erkennbaren Menschenpaar und einem Segelschiff in der diesigen Weite bevölkert wird. Mit großer Klarheit und malerischer Freiheit übersetzt Achenbach die charakteristischen Elemente und die atmosphärische Stimmung der nordischen Küstenlandschaft in ein subtiles Spiel aus Licht und Farbe. An der Küste. Öl auf Leinwand. 16,2 x 25,8 cm (6 ⅜ x 10 ⅛ in.). Unten links monogrammiert (ligiert): AA. [3215] Gerahmt. € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Als „Herren über Land und Meer“ hatte Müller von Königswinter den Künstler 1854 würdevoll betitelt. Vor Augen standen dem Kritiker dabei vor allem Achenbachs oft stürmische Seelandschaften, seine dramatischen Schiffbruch- und stimmungsvollen Hafenbilder, die den Ruhm des Düsseldorfers begründeten. Vergleichsweise unspektakulär kommt unsere kleine Ölstudie daher. Es lässt sich bislang nicht belegen, wo sie genau entstand. Die sinnende weibliche Rückenfigur des Vordergrundes könnte Friesin, Belgierin, Holländerin oder auch Skandinavierin sein. Wir stehen mit ihr zusammen auf einer Düne, vor uns eine scheinbar unendliche Landschaft aus Sand, Meer und Unsere kleine Arbeit stellt Achenbach als Maler qualitätvoller Freilichtstudien vor. Dem heutigen, an der Moderne geschulten Auge, scheinen gerade diese freien Naturstudien in Öl ungeheuer nah. Tatsächlich gehen wir mit Achenbach zurück zu den Anfängen dieser Entwicklung in Deutschland. In Düsseldorf war Achenbach Schüler Johann Wilhelm Schirmers, der hier in den 1830er Jahren eine lange und äußerst fruchtbare Plain-Air-Tradition einführte. Auf seinen vielen Reisen, die ihn schon früh nach Dänemark, Schweden und Norwegen, später auch nach Holland, Italien und Frankreich führten, übte sich Achenbach im unmittelbaren Umsetzten der Natureindrücke in Malerei – was er bald meisterlich beherrschte. Seine wertvollen Erkenntnisse flossen direkt in sein Werk ein, das im Spannungsfeld zwischen romantischer und realistischer Landschaftsauffassung angesiedelt ist. Noch bis zum 2. August 2015 würdigt Bettina Baumgärtel seine besondere Rolle mit der Ausstellung „Das große A der Landschaftsmalerei. Andreas Achenbach zum 200. Geburtstag“ im Museum Kunstpalast in Düsseldorf und im begleitenden Katalogband. (AA) Grisebach 06/2015 85 189 Heinrich Karl Anton Mücke Breslau 1806 – 1891 Düsseldorf „Cap Circello – Porto d´Anzio“. Um 1833/34 Aquarell auf Papier (aus einem Skizzenbuch). 10,7 x 18,8 cm (4 ¼ x 7 ⅜ in.). Unten rechts mit Bleistift bezeichnet: Cap Circello – Porto D‘Anzio. 190 Rückseitig: Felsenküste mit zwei Männern. Bleistift. Minimal stockfleckig. [3034] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Galerie C. G. Boerner, Düsseldorf € 2.500 – 3.500 Deutsch, um 1830 Landschaftsstudie (Italien). Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 29 x 58 cm (11 ⅜ x 22 ⅞ in.). Retuschen. Hinterlegter Einriß unten links. [3240] Gerahmt. € 2.500 – 3.500 86 $ 2,690 – 3,770 Grisebach 06/2015 $ 2,690 – 3,770 191 Albert Venus 1842 – Dresden – 1871 Studie aus Olevano. Um 1866 Öl auf Leinwand, auf Karton aufgezogen. 23,4 x 28,8 cm (9 ¼ x 11 ⅜ in.). Mit einer Expertise von Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, vom 24. März 2015. – Retuschen. [3140] Gerahmt. € 3.500 – 4.500 $ 3,770 – 4,850 In den späten sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geht die Kunst der Romantik zu Ende - und Albert Venus bildet einen ganz besonderen Schlußpunkt. Noch einmal geht der Künstler an die legendären Orte, die in den 1820ern durch die deutschen Künstler erobert und in den 1840er Jahren durch die nächste Generation neu gesehen und interpretiert wurden. Mit Böcklin und Feuerbach hatte sich in Italien längst ein neuer starker Strang der deutschen Kunst herausgebildet, der aus der Wiederbelebung der Mythologie in den Symbolismus führen wird. Venus hingegen wagt es, noch einmal im längst konventionellen Genre der Landschafts- malerei eine neue Sichtweise zu etablieren. Er geht zusammen mit Victor Paul Mohn und Carl Müller im Jahre 1866 noch einmal an genau jene Orte, die durch die Italienbilder ihres gemeinsamen Dresdner Lehrers Ludwig Richter aus der Zeit um 1823/25 legendär geworden sind. Vom 8. September bis zum 15. Oktober lebten die drei Maler in der Casa Baldi in Olevano. Drei Jahre später, auf der zweiten Italienreise von Venus, lebte er 1869 vom 14. Juni bis zum 31. Juli in Olevano. In diesen heißen Sommertagen ist unsere Studie entstanden, in dem für Venus so charakteristischen Kolorit trockener Braun- und Grüntöne, seiner Vorliebe für gedehnte Horizontlinien und Wolkenzüge. Auch spürt man, wie er auf dieser Reise die Richtersche Prägung hinter sich lässt und in Anlehnung an die atmosphärisch dichten Studien Oswald Achenbachs, die ihn in Bann schlugen, ein eigenständiges singuläres Ölstudienwerk schuf, das in sich noch das Wissen um die Romantik trägt, sich davon aber abstößt, um zu neuen Ufern zu gelangen. Da Venus schon zwei Jahre später der Lungenschwindsucht erliegt, also sich einreiht in die Reihe von August Heinrich, von Fohr und so weiter und einer der großen Frühvollendeten der deutschen Malerei des neunzehnten Jahrhunderts ist, wissen wir nicht, was ihn und uns am anderen Ufer erwartet hätte. (FI) Grisebach 06/2015 87 192 Deutsch, um 1830 Blick auf Terracina. Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 22,5 x 32 cm (8 ⅞ x 12 ⅝ in.). Kleine Retuschen. [3121] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Die alleinstehende Palme auf dem Weg nach Terracina – sie hat die deutschen Künstler der ersten und zweiten Romantikergeneration in Italien in ihren Bann gezogen. Es gibt zahllose Zeichnungen und Ölstudien dieser Szenerie, die mit ihrem weiten Ausblick aufs Meer all das beinhaltet, was in Goethes Wort vom „Kennst Du das Land, in dem die Zitronen blühen“ beschworen wird. Auf halbem Weg zwischen Rom und Neapel, hoch über dem Meer gelegen, wurde Terracina zu einem der zentralen Sehnsuchtsziele der deutschen Romantik (für die französischen oder dänischen Künstler jener Zeit übrigens spielte der Ort keine besondere Rolle). Die Palme veränderte sich im Lauf der Zeit, in den frühen 1820ern steht sie noch mit einem einzigen Stamm stolz auf ihrem Felsen, doch etwa um 1830 werden zwei Sprösslinge links und rechts sichtbar, die bis etwa 1835 deutlich wachsen – unsere Ölstudie ist aufgrunddessen auch präzise in diesem Zeitraum zu verorten. Ungewöhnlich ist der Standpunkt, den der Künstler wählt. Normalerweise wird von einer Situation weiter links auf die Stadt geschaut, so daß die Palme eher mittig verortet wird – unser Künster aber rückt sie an den linken äußeren Rand, wodurch er nicht nur einen präziseren Blick auf Terracina selbst erhält, sondern auch auf eine Vordergrundgestaltung, wo man im Dunkel einen Weg, einen Brunnen und einen Orangenbaum erkennen kann. Die extreme Verdunklung der vorderen Partie ist ein weiteres Charakteristikum für unseren Künstler – man kennt diese extremen Schattensetzungen aus der Zeit der frühen Italienreisen selten, allein die ausgeführten Gemälde von Johann Heinrich Faber nutzen immer wieder diesen Effekt, aber für Faber ist unsere Studie zu satt gemalt und auch zu spät. Götzloff, Catel, Reinhold, sie alle waren hier – aber natürlich auch alle anderen, weniger bekannten Maler. Aufgrund der hohen Qualität, mit der es dem Künstler gelingt, auf sehr kleinem Raum eine Studie von besonderer Dichtheit und malerischer Raffinesse zu entwickeln, darf man aber von einem Künstler der ersten Reihe ausgehen. Rückseitig befindet sich eine alte Zuschreibung an Ernst Fries. In seinem Nachlaßverzeichnis sind mehrere Studien mit der Bezeichnung „Terracina“ versehen, wo Fries sich 1826 aufhielt, und auch in seinen Gemälden und Ölstudien gibt es immer wieder diesen auffälligen Effekt der Verschattung des Vordergrundes (etwa bei „Park der Villa Chigi“, WVZ Wechssler Nr. 195 oder „Blaue Grotte“, Nr.499). Fries bleibt aber auch in seinen Studien meist der Aquarellist, der die feinsten Tonabstufungen liebt, während unser Werk seine Kraft bezieht aus dem sehr malerischen Duktus. So muß die genaue Autorschaft zunächst noch offen bleiben. (FI) 88 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 89 193N Deutsch, 1836 Blick auf Rom. Aquarell und Deckfarbe über Bleistift auf Papier. 11,1 x 19,5 cm (4 ⅜ x 7 ⅝ in.). Unten links mit Bleistift bezeichnet und datiert: Rom 27.9 36. (Palatin). [3143] € 1.000 – 1.500 194 $ 1,080 – 1,620 Arthur Blaschnik Strehlen/Schlesien 1823 – 1918 Berlin Sonnenaufgang in Ariccia. Nach 1852 Feder in Schwarz, laviert, auf Papier. 14,2 x 21,9 cm (5 ⅝ x 8 ⅝ in.). Unten links signiert und bezeichnet: Blaschnik. Ariccia. Rückseitig in den Ecken fest auf Papier montiert. [3242] € 400 – 600 90 $ 431 – 647 Grisebach 06/2015 195 Louis Gurlitt Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen Gebirgslandschaft mit See. Öl auf Leinwand. Doubliert. 25 x 43,5 cm (9 ⅞ x 17 ⅛ in.). Rückseitig auf der Leinwand mit Bleistift beschriftet: Hans Gurlitt. Kleine Retuschen. [3034] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Besitz der Familie des Künstlers (Hans Gurlitt) € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Auch wenn diese Arbeit möglicherweise im Atelier entstanden ist, strahlt sie dennoch die Frische einer Naturstudie aus. Man blickt vom dieseitigen eher ungestalteten Ufer eines Sees auf eine sich in die Breite wie auch die Tiefe entfaltende Hochgebirgskette. Nicht die warme italienische Sommersonne färbt diese Landschaft ein. Es ist eher ein Frühlingstag mit erstem Grünbewachs des Ufers am kühlen hellblauen Gebirgssee – vielleicht in der Schweiz, der Genfer und der Comer See böten sich an. Vor allem Christian Morgenstern und Carl und Leopold Rottmann prägten die Kunst Louis Gurlitts: Morgenstern in der Naturwahrheit, wie sie in unserer kleinen Gebirgslandschaft deutlich wird, Rottmann in den repräsentativen, großen Gemälden, wie dem „Blick in das Guadagna-Tal bei Palermo“ (Los 205). Grisebach 06/2015 91 196 Johann Wilhelm Schirmer Jülich 1807 – 1863 Karlsruhe Gebirgslandschaft im Abendlicht. 1834 Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 18 x 28 cm (7 ⅛ x 11 in.). Unten rechts monogrammiert und datiert: Sch. 1834. Retuschen. [3285] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Von einem kaum verifizierbaren Standort nahe an einer Felsschlucht, die den Bildvordergrund diagonal durchzieht, blickt der Künstler über zerklüftete Felsen in eine weite Ebene hinein, die den Mittelgrund des Bildes einnimmt. Links zieht sich ein Berghügel bis über die Mitte des Blattes, am rechten Rand begrenzt ein schräg stehender Nadelbaum den Blick des Betrachters. Die Gesteinsstudien sind nur kursorisch ausgeführt, der Pinselstrich rasch und im Bereich der Vegetation fast duftig zu nennen. Der Blick in die Ferne geht in ein weites Tal, ein Flusslauf ist mit ganz wenigen blauen Farbtönen angedeutet. Im Mittelgrund ist in der rechten Bildhälfte als weißer Strich ein heller Turm erkennbar – vielleicht der Bergfried einer Burganlage, die hier beherrschend über der Ebene errichtet wurde. Die flüchtig gemalte und als Studienblatt konzipierte Ölskizze ist vom Format her typisch für eine Freilichtstudie, zudem ohne jegliche Staffage gemalt, rasch vor Ort ausgeführt in der charakteristisch reduzierten Farbpalette der frühen Düsseldorfer Freilichtstudien. Als Studienmaterial gedacht, reflektiert sie möglicherweise eine Kompositionsidee, diente als Material oder als Fundus für ein später auszuführendes Landschaftsbild. Schirmer unternahm im Herbst 1834 eine längere Studienreise, die ihn von Düsseldorf über Köln in die Eifel, den Hunsrück, bis an die Nahe und weiter nach Frankfurt und Darmstadt führte. Bislang ist 92 der Reiseverlauf nur rudimentär zu erschließen: Im Clemens-Sels Museum in Neuss sind einzelne Etappen anhand der dort vorhandenen Skizzenblätter nachzuvollziehen. So besuchte er nach jetzigem Wissenstand nur die linke, preußische Rheinprovinz, zeichnete in Bacharach, Oberwesel oder blickte nach St. Goarshausen und damit ins Nassauische rüber. Sicherlich wird er hier auch das nördlich von Bingen gelegene Morgenbachtal besucht haben, dass nach Carl Friedrich Lessings Entdeckung eines der wichtigen Studienmotive der Düsseldorfer Malerschule wurde. Die Felsformationen unserer Studie erscheinen jedoch weicher als die kantigen Felsblöcke des Morgenbachtales, die Studie muss wohl in einer anderen Landschaft lokalisiert werden. Vom Rhein aus wanderte er weiter über den Hunsrück bis nach Idar-Oberstein. Nach Schirmers frühem Biograph Kurt Zimmermann (1920) besuchte er auf dieser Studienreise ebenfalls Frankfurt und Darmstadt und kehrte erst im November 1834 wieder nach Düsseldorf zurück. Die Gesamtperspektive der vorliegenden Studie legt vom Landschaftsausschnitt eher eine Lokalisierung in die Rheinebene südlich von Frankfurt nahe, vermutlich wanderte er von Darmstadt hinauf zur Bergstraße und blickte von den Höhen zurück in die westlich liegende Rheinebene und zu den ferneren – hier nur schwach im Dunst zu erkennenden – sanften Hügel des Rheingaus. Die weicheren Felsformationen des Vordergrundes sind eher im Bereich der Bergstraße zu lokalisieren, auch entspricht die warme Abendstimmung der Landschaft der Blickrichtung nach Westen. Ein Jahr später, im Sommer 1835, war Schirmer erneut an der Bergstraße, traf in Darmstadt seinen Kollegen Johann Heinrich Schilbach, mit dem er gemeinsam Heidelberg besuchte. Die vorliegende Studie kann als Auftakt verstanden werden, als topografische Erinnerungsskizze, gleichzeitig aber auch durch die besondere Lichtregie, die sich von den kühleren Farben der in den 1830er Jahren entstandenen Düsseldorfer Naturstudien abhebt, als ein noch der Romantik verpflichtetes Freilichtexperiment. Irene Haberland, Bonn Grisebach 06/2015 197 Deutsch, um 1825/35 (CW ?) In der Campagna. Aquarell auf leichtem Karton. 20,2 x 31,7 cm (8 x 12 ½ in.). Unten rechts schwer lesbar mit Feder in Schwarz monogrammiert und bezeichnet: CW[?]. Ltz. Etwas gebräunt. [3221] € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Wir danken Dr. Petra Kuhlmann-Hodick, Dresden, Dr. Matthias Lehmann, Konz, und Prof. Dr. Moritz Wullen, Berlin, für freundliche Hinweise. Das Monogramm auf diesem außerordentlich stimmungsvollem Aquarell deutet darauf hin, daß es sich um ein Werk von Carl Wagner handeln könnte. Wagner reiste 1823 gemeinsam mit Ludwig Richter zeichnend und aquarellierend durch Italien und es hat sich ein ähnliches Monogramm auf dem Aquarell „Nebelstimmung im Apenin“ (Karl & Faber Auktion 2005, Los 468) erhalten. Der für Wagner charakteristische Lilaton, der sich auch auf unserem Aquarell findet, wird von Richter auf der Rückseite einer Zeichnung festgehalten, die er 1823 in Italien beschrieb, als er Schulter an Schulter mit Wagner saß, und die sich fast wie eine Bildbeschreibung unserer Arbeit liest: „Nachmittag. Ferne sehr zart. Schatten in den Bergen ultra Marin, abends violett, Lichter rosenfarben und warm. Campagna bräunlich und grün mit violetten und strohgelben Streifen. Carl Wagner aus Meiningen, gen. Timotheus“. Der Zusatz „Ltz.“ hinter dem Monogramm, der von der Hand des Künstlers zu sein scheint, konnte bislang nicht entschlüsselt werden. Moritz Wullen hat anschaulich beschrieben, wie sich Wagners Kunst durch den engen Austausch mir Richter auf dieser Reise dessen Zeichenweise und Kunstanschauung angeglichen hat. Stilistisch würde man unsere Arbeit eher in den 1830er/ 1840er Jahren verorten. Damit kommt ein zweiter Künstler ins Spiel, der mit „CW“ monogrammiert hat – Carl Werner (1808-1894). Werner lebte von 1832 bis 1855 in Italien und hatte in Venedig ein Meisteratelier für Aquarellmalerei, wo Ludwig Passini zu seinen Schülern zählte. In zahlreichen Aquarellen von Werner findet sich eine ähnliche Verbindung aus klassischem Bildaufbau und intensiver Farbigkeit wie auf unserem Blatt. Grisebach 06/2015 93 198 Carl Wilhelm Götzloff Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel Der Tempel der Diana am Golf von Pozzuoli. Bleistift, mit Deckweiß gehöht, auf braunem Velin (Wasserzeichen: DE GANS). 27,8 x 44,4 cm (11 x 17 ½ in.). Unten links signiert: C Götzlof[!]. Leicht fleckig. Kleine Randmängel. [3121] Gerahmt. Ausstellung: Carl Wilhelm Götzloff (1799–1866). Ein Dresdner Landschaftsmaler am Golf von Neapel. Koblenz, Mittelrhein-Museum, 2014 (außer Katalog) € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. 199N Carl Wilhelm Götzloff Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel Blick auf Rom. 1821/1824 Feder in Grau, mit Deckweiß gehöht, auf braunem Papier. 34,4 x 44 cm (13 ½ x 17 ⅜ in.). [3196] Gerahmt. € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. 94 Grisebach 06/2015 200 Carl Wilhelm Götzloff Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel Zwei Italienerinnen. Pinsel in Braun über Bleistift auf Papier. 21,7 x 16,3 cm (8 ½ x 6 ⅜ in.). Rechts unten signiert: C Götzloff. [3091] Gerahmt. € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Grisebach 06/2015 95 201 Friedrich Preller d. Ä. Eisenach 1804 – 1878 Weimar Flußlandschaft. Um 1830 Bleistift und Pinsel in Braun auf Papier (Wasserzeichen: JWHA[TMAN]). 9,6 x 15,6 cm (3 ¾ x 6 ⅛ in.). Unten links mit Bleistift monogrammiert (das „F“ spiegelbildlich) und unleserlich mit Feder in Braun beschriftet: FP [...]. Etwas gebräunt. [3288] Gerahmt. € 600 – 800 202 $ 647 – 862 Friedrich Christian Reinermann Wetzlar 1764 – 1835 Frankfurt a.M. Die Wasserfälle von Tivoli. 1795 Pinsel in Braun über Bleistift, weiß gehöht, auf Papier. 52,7 x 73,1 cm (20 ¾ x 28 ¾ in.). Unten rechts mit Feder in Schwarz signiert und datiert: F. Reinermann 1795. [3121] Gerahmt. € 1.000 – 1.500 Dies ist eine seltene und höchst interessante Arbeit des kaum erforschten Frankfurter Künstlers Friedrich Christian Reinermann. Obgleich das Blatt in gewisser Weise unfertig wirkt, ist es signiert und 1795 datiert. Zu dieser Zeit arbeitete der Künstler in dem florierenden Atelier von Christian von Mechel in Basel. TivoliAnsichten waren zu der Zeit außerordentlich gefragt, wurden von vielen Künstlern dargestellt und nicht selten im Mechelschen Verlag reproduziert. Vorlagen für ein eigenes Werk zu finden, dürfte hier für Reinermann kein Problem gewesen sein. Mehr zum Verständnis der „unfertig“ wirkenden Arbeit bringt jedoch der Hinweis auf den Aufenthalt Reinermanns in Rom in den Jahren 1789-1793 im Kreis von Louis Ducros. Die bildliche Darstellung bewegter Wassermassen stellt für Landschaftmaler seit jeher eine besondere Herausforderung dar. Erst Recht gilt dies für die Sepiazeichnung, bei der der Künstler allein $ 1,080 – 1,620 mit der Abtönung eines einzigen Farbtons auskommen muss. Den Wasserfall allein durch sehr zarte, kaum sichtbare Bleistiftmarkierungen sowie stark verflüssigtes Deckweiß darzustellen - sie lassen den Betrachter die Gischt erzeugenden, über die Felswand herabstürzenden Wassermassen assoziieren, - ist eine Möglichkeit dieses gestalterische Problem zu lösen, auch dies findet sich bei Ducros. Zudem wissen wir, dass Ducros seine Figuren nicht nur als letzten Akt des Arbeitsprozesses ausgeführt hat – auf manchen voll ausgeführten Landschaftsaquarellen sind sie noch heute als schlichte weiße Flecken zu sehen – sondern dass er sie meist von Mitarbeitern hat ausführen lassen. Auch diese Praxis könnte vorbildlich für die nur mit Bleistift zart umschriebene Figur der Nymphe in der rechten unteren Bildecke unserer Zeichnung gewesen sein. Thematisch passt sie in jedem Fall, scheint sich so diese Figur wie eine kurzfristige Erscheinung im Wasserdunst zu verflüchtigen. (SW) 203 Deutsch, 1853 Küstenlandschaft bei Ariccia. 1853 Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen. 36,2 x 53,5 cm (14 ¼ x 21 ⅛ in.). Unten links bezeichnet, monogrammiert und datiert: Ariccia C. M. Oct. 53. [3012] Gerahmt. € 5.000 – 7.000 96 Grisebach 06/2015 $ 5,390 – 7,540 204 Albert Zimmermann Zittau 1808 – 1888 München Ansicht von Sorrent. Um 1850 Öl auf Holz. 36,7 x 57,9 cm (14 ½ x 22 ¾ in.). Unten links signiert: Albert Zimmermann. Retuschen. [3244] Gerahmt. € 7.000 – 9.000 $ 7,540 – 9,700 Albert Zimmermanns italienische Landschaften waren zu seinen Lebzeiten sehr begehrt. Es gelang ihm, der südlichen Landschaft in seiner genauen, aber doch zugleich sehr feierlichen Malweise etwas Poetisch-Heroisches zu verleihen. In seiner Kunst verschmelzen die Einflüsse der Münchner und der Dresdner Akademie, wo er studierte, zu einer so besonderen Malerei, daß er von 1857-1859 sogar Professor an der Mailänder Akademie wurde. In seinem Bild von Italien konnten sich also sowohl die Deutschen als auch die Italiener wiederfinden. Grisebach 06/2015 97 205 Louis Gurlitt Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen Ansicht des Guadagna-Tals bei Palermo. 1854 Öl auf Leinwand. 86,5 x 125,5 cm (34 x 49 ⅜ in.). Unten rechts signiert und datiert: LGurlitt [„LG“ ligiert] 54. Zwei fachmännisch restaurierte Einrisse am rechten Rand. Kleine Retuschen. [3072] Gerahmt. Provenienz: Ehemaliger Adelsbesitz, Dänemark Ausstellung: Charlottenborg-Udstilling. Kopenhagen, Det Kongelige Danske Kunstakademi, 1854 Literatur und Abbildung: Giacomina R. Croazzo: La Torre dei Diavoli di Palermo nell’ opera del vedutista Louis Gurlitt. Una cronistoria fra Otto e Novecento del palazzetto oggi scomparso appartenuto alla famiglia dei Chiaramonte. In: Incontri. La Sicilia e l’altrove, N. F., Jg. II, Nr. 6, Jan.-März 2014, S. 59-61, hier S. 59, Farbabbildung 1 € 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100 Wir danken Dr. Sibylle Kreisel und Dr. Elio Miccichè für die Identifizierung der Topographie. Gurlitt war während seines Romaufenthalts 1845/6 quasi eine öffentliche Person. Sein Atelier in der Via St. Angelo Custode war eine beliebte Anlaufstelle für Künstler und Romreisende. Als im Frühjahr 1846 der sächsische Baron Ferdinand von Ritzenberg erstmals bei ihm aufschlug, mochte der Künstler wohl dennoch kaum ahnen, wie folgenreich diese Begegnung für ihn sein würde. Nicht nur, dass (auch) der Baron zwei seiner Bilder direkt von der Staffelei „weg“ kaufte. Es entwickelnde sich schnell eine enge Freundschaft – und eine gemeinsame Lieblingsidee: das Ritzenberg’sche Schloss Nischwitz nahe Leipzig sollte mit einem Zyklus italienischer Landschaften ausgeschmückt werden, einer „Galleria Gurlittiana“, wie der Künstler nicht ohne Stolz seinen Eltern in die Heimat berichtete. Spätestens seit seinen Münchener Tagen war Gurlitt großer Bewunderer von Carl Rottmanns in den Hofgartenarkaden ausgestelltem Freskenzyklus italienischer Landschaften. Er selbst hatte um 1840 eine Serie dänischer Landschaften gemalt. Ein eigener Zyklus italienischer Gegenden würde den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn darstellen. So wie Rottmann wollte auch Gurlitt seine „Galleria“ mit einer Ansicht aus Sizilien würdevoll abschließen, denn: „Die Natur übertrifft dort alles an Schönheit“. Anfang August 1846 erreichte Gurlitt Palermo. Drei Wochen blieb er auf der Insel und nahm die Stadt mit ihrer charakteristische Umgebung von vier Standpunkten aus auf: vom ehemaligen Kloster St. Maria di Gesu, von der normannischen Festung Zisa, von Bagheria und aus dem Tal der Guadana, also unserem Motiv. Zurück in der Heimat überführte Gurlitt, im Winter 1846/7, eine Ansicht aus dem Guadanatal für den Baron ins große Format (heute im Museum der Bildenden Künste in Leipzig). Schon als halb fertiges Bild hatte er sie Friedrich Wilhelm IV. zu seiner Empfehlung gezeigt. Der Idee einer „Galleria Gurlittiana“ jedoch wurde ein frühes Ende gesetzt. 1848 starb Mäzen von Ritzenberg und damit Gurlitts „begeisterte Tätigkeit an den großen Bildern“. Es vergingen fünf Jahre – vielleicht aus Pietätsgründen seinem Freund und Gönner gegenüber – bis Gurlitt auf der Charlottenborg Ausstellung in Kopenhagen, wo er seine alte Akademie und das 98 dänische Königspaar besuchte, erneut eine „Landschaft aus der Gegend von Palermo“ präsentierte. Dieses Bild, das damals in dänischen Adelsbesitz ging, ist mit größter Wahrscheinlichkeit unser Bild. Das Landschaftsgemälde zeigt Palermo und Umgebung aus dem Guadanatal heraus, sprich aus der Fernsicht. Es ist in klassischer Diagonalkomposition angelegt. Der breite Vordergrund, der fast die Hälfte des Bildes einnimmt, liegt im Schatten. Ein Weg Grisebach 06/2015 schlängelt sich durch die erdige und steinige sizilianische Gegend mit dem für die Mittelmeerinsel charakteristischen Strauch- und Baumbewuchs, der als Silhouette bis in den Abendhimmel hineinragt. Die gekonnt eingesetzte Lichtführung läßt unseren Blick aus dem Schatten des Vordergrundes über das Hafenbecken La Cala hinüber zu dem in der goldenen Abendsonne friedlich beschienenen Ufer wandern. Wir erblicken den effektvoll beschienenen Palazzo Chiaramonte, mittelalterlicher Landsitz einer bedeutenden italienischen Adelsfamilie, und besteigen die majestätisch ruhende Gebirgskette. Schon 1846 veröffentlichte Adolf Stahr ein Essay über „Louis Gurlitt und die moderne Landschaftskunst“. Er fand poetische Umschreibungen für die hohe Qualität der Malerei seines Freundes: etwa den „wundersamen Zauber des Lichts im Dunkel des Schattens“, der Gurlitts Vordergründe umwebt – und der auch unser Bild auszeichnet: „So nähert sich Gurlitts Landschaft oft völlig dem Portrait“. Ein solches, typisch Gurlitt’sches Landschaftsportrait einer der schönsten Gegenden Italiens stellt auch unser Kunstwerk dar. (AA) Grisebach 06/2015 99 206 Woldemar Rau 1827 – Dresden – 1889 Fachwerkhaus. Um 1873 Aquarell über Bleistift auf leichtem, genarbtem Karton. 24,8 x 35,3 cm (9 ¾ x 13 ⅞ in.). Rückseitig unten rechts wohl von fremder Hand mit Bleistift datiert: Um 1873. [3339] Provenienz: Privatsammlung, Brandenburg (um 1980 in der Kunstausstellung Kühl, Dresden, erworben) € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Karl Joseph Friedrich hat in seinem Standardwerk über „Ludwig Richter und sein Schülerkreis“ im Jahre 1956 vor allem Werke wie unsere Arbeit im Schaffen Raus gerühmt: „Seine Aquarelle, oft von hoher Schönheit, waren sehr geschätzt.“ Im Jahre 1866 war Rau gemeinsam mit den Richter-Schülern und begnadeten Aquarellisten Victor Paul Mohn und Albert Venus in Italien unterwegs. Auch Raus Blatt ist ein Beispiel dafür, daß die Dresdner Spätromantik vor allem in der Aquarelltechnik ihre größten Stärken entfaltete. 207 Julius von Leypold Dresden 1806 – 1874 Niederlößnitz Blick in einen Burghof. Aquarell auf Papier, auf Karton aufgezogen. 29,2 x 22,9 cm (38 x 30 cm) (11 ½ x 9 in. (15 x 11 ¾ in.)). Unten rechts mit Feder in Braun signiert: Leypold. Gebräunt und leicht stockfleckig. [3245] € 800 – 1.000 100 Grisebach 06/2015 $ 862 – 1,080 208 schen Malerei unverfälscht in ihrer ursprünglichsten Form wiedergibt. Die glutrote Sonne, deren Licht sich auf der Wasseroberfläche spiegelt, der Dreimaster mit gesetzten Segeln und die Rückenfigur im Vordergrund, die einsam das Geschehen betrachtet, stellen das Gemälde in eine direkte Linie mit den programmatischen Bildern Caspar David Friedrichs, der fünf Jahre zuvor verstorben war. August Wilhelm Ferdinand Schirmer Berlin 1802 – 1866 Nyon Bucht mit auslaufendem Segelschiff bei Sonnenuntergang. 1845 Öl auf Leinwand. Doubliert. 28,5 x 41 cm (11 ¼ x 16 ⅛ in.). Unten rechts [vom Künstler ?] signiert, datiert und bezeichnet: F. W. Schirmer 1845 No. 23. [3047] Gerahmt. € 35.000 – 45.000 $ 37,700 – 48,500 Wir danken Gerd Bartoschek, Potsdam, für die Bestätigung der Authentizität des Gemäldes. Als einer der Maler des preußischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. war August Wilhelm Ferdinand Schirmer eine ungewöhnliche Erscheinung. Zwar fertigte er auch Porträts und Veduten an, seine große Stärke lag jedoch in der Landschaftsmalerei. Aus diesem Grund unternahm Schirmer (nicht zu verwechseln mit seinem in Jülich geborenen Namensvettern Johann Wilhelm Schirmer, einem der Gründer der Düsseldorfer Malerschule) auch mehrere Reisen nach Italien. 1827 brach er zum ersten Mal im Auftrag des Kronprinzen gen Süden auf und blieb drei Jahre. In dieser Zeit entwickelte Schirmer seine Palette suggestiv leuchtender Farben, die er sein Leben lang beibehalten sollte. Unser Gemälde von 1845 ist dafür ein besonders schönes Beispiel. Bemerkenswert ist, daß es – für Schirmer eher untypisch – die Merkmale der romanti- Motivisch deutet alles auf Abschied und Tod hin. Folgt man Helmut Börsch-Supan, so repräsentiert das auslaufende Schiff entweder das „Lebensschiff des Einzelnen“ oder ein Todessymbol. Der Sonnenuntergang weist ebenfalls auf das sich dem Ende zuneigende Leben respektive, so Friedrichs in den Quellen belegte eigene Deutung, „das Ende des alten Bundes“. Das gleiche gilt für die Rückenfigur des rastenden Wanderers, die wir hier bei Schirmer in der Abwandlung als stehende Figur im Ruderboot im Vordergrund sehen - auch sie symbolisiert laut Börsch-Supan „Vergegenwärtigung des Jenseits oder Weg zum Tod“ (Börsch-Supan 1973, S. 224ff). Und doch geht von dem Gemälde Wilhelm Schirmers eine ganz andere, mehr lebensbejahende Wirkung aus, als von jenen Caspar David Friedrichs mit ähnlichen Motiven. Das liegt neben der malerischen Leichtigkeit und Virtuosität in der Ausführung vor allem an der intensiven, glimmenden Farbigkeit des Lichts des Südens. Sie war Schirmer während der Arbeit an der Bucht offenkundig so stark präsent, dass selbst die Felsen im Vordergrund eigentümlich belebt erscheinen. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes war Schirmer bereits seit sechs Jahren als Nachfolger Carl Blechens Professor an der Berliner Akademie, ein Maler auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Dies hat sicher dazu beigetragen, dass dieses Bild eine überwältigende Kraft und Energie ausstrahlt. (UC) Grisebach 06/2015 101 209 Anton von Werner Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin Im Schwarzwald. 1868 Öl auf Malpappe. 31,8 x 37,7 cm (12 ½ x 14 ⅞ in.). Unten links monogrammiert und datiert: AvW 1868. [3459] Gerahmt. € 1.500 – 2.000 210 $ 1,620 – 2,160 Valentin Ruths 1825 – Hamburg – 1905 Pflanzenstudie. 1871 (?) Öl auf Karton. 36,2 x 53,4 cm (14 ¼ x 21 in.). Unten rechts der Stempel in Rot (nicht bei Lugt): Valentin Ruths Nachlass. [3047] Gerahmt. € 1.200 – 1.500 102 $ 1,290 – 1,620 Grisebach 06/2015 211 Edmund KanoldT (zugeschrieben) Großrudestedt b. Weimar 1845 – 1904 Bad Nauheim Die Reste der Villa des Cassius in Tivoli. 1880 Öl auf Holz. 60 x 30,3 cm (23 ⅝ x 11 ⅞ in.). Unten links bezeichnet und datiert: Villa d. Cassius. Tivoli. Oct. 80. Nicht bei Müller-Scherf. – [3056] € 1.800 – 2.400 $ 1,940 – 2,590 Die Villa des Cassius in Tivoli weckt Assoziationen an die Hochkultur der Antike. Doch nichts davon ist hier zu sehen. Ganz im Gegenteil. Im Bildzentrum ist ein schmales schwarzes Loch, ein uneinsehbarer Schlitz, in einer schroffen, abweisenden, einsam-erdigen Gesteinswand, die sich in einem dynamischen Schwung durch das mittlere Bilddrittel zieht. Aus der Untersicht, quasi der Sicht des Archäologen, nur in die andere Richtung, bleiben wir jedoch an der Grasnarbe hängen, die die steinig erdige Wand bekrönt. Uns kommen Baumwurzeln der alten Olivenbäume entgegen, sie rahmen das rätselhafte schmale Loch wie Hüter einen geheimen Eingang (sind wir jetzt doch in der Antike, bei Cerberos, dem 3köpfigen am Eingang in den Hades?). Sowohl in der Motivwahl wie der Malweise erinnert unsere virtuos mit den Zeit- und Erdebenen spielende Ölstudie sehr stark an Werke von Edmund Kanoldt. Grisebach 06/2015 103 212 Thomas Christopher Hofland Worksop 1777 – 1843 Leamington Spa 1840 reiste der englische Künstler Thomas Christopher Hofland im Auftrag von George Wyndham, dem späteren Lord Leconfield (1767–1869), nach Italien und malte Studien für eine Folge von Landschaften, die als Schmuck für den Wohnsitz Petworth House gedacht waren. Unser Bild ist die vor Ort entstandene Studie zu dem großformatigen Gemälde „Castellamare. Taken from the new road leading to Sorrento“ (133,5 x 185,5 cm), das 1842 auf der Ausstellung der Royal Academy of Arts in London unter der Katalognummer 948 gezeigt wurde. Blick auf Castellamare (Studie). 1840 Öl auf Holz. 25,3 x 34,5 cm (10 x 13 ⅝ in.). Retuschen. [3013] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 213 $ 3,230 – 4,310 Gustav Friedrich Papperitz 1813 – Dresden – 1861 Italienische Landschaft mit Badenden. 1847 Aquarell auf Papier. 20,9 x 30,7 cm (8 ¼ x 12 ⅛ in.). Unten rechts signiert und datiert: G. F. Papperitz 1847. Das Aquarell wird aufgenommen in das Verzeichnis der Werke von Gustav Friedrich Papperitz von Matthias Lehmann, Konz. – [3123] € 800 – 1.200 104 $ 862 – 1,290 Grisebach 06/2015 214 Ferdinand Bellermann Erfurt 1814 – 1889 Berlin Abend unter den Pinien (Villa Doria Pamphili). 1855 Öl auf Leinwand. 54 x 39,5 cm (21 ¼ x 15 ½ in.). Unten links signiert und datiert: Ferdinand Bellermann. 1855. Auf dem Keilrahmen unten zwei Inv.-Zettel aus dem Kaiser Friedrich Palais, Berlin. [3131] Gerahmt. Ausstellung: Verzeichniß der Werke lebender Künstler (...). XLIII. Kunstausstellung. Berlin, Königliche Akademie der Künste, 1862, Kat.-Nr. 41 / Ferdinand Bellermann. Ein Maler aus dem Kreis um Humboldt. Erfurt, Angermuseum, 2014/15, Kat.-Nr. 7, ganzseitige Farbabbildung 115 Literatur und Abbildung: N. N.: Die akademische Kunstausstellung. II. Malerei [...]. In: Die Dioskuren, Bd. 7, Nr. 49, 7.12.1862, S. 384-386, hier S. 386 (?) € 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900 Dass es sich bei diesem Bildmotiv um die von Romreisenden vielfach beschriebenen majestätischen Schirmpinien im Park der Villa Doria Pamphili handelt, lässt sich durch Briefe, eine zeitgenössische Ausstellungsrezension und den Vergleich mit dem bis heute existierenden Pinienhain in diesem größten gestalteten Landschaftspark Roms nachweisen. Während seiner ersten Italienreise berichtete Bellermann seiner Frau in Berlin begeistert von intensiven Zeichenstudien nahe der Villa Doria Pamphili „welche einen herrlichen Park mit wundervollen Pinien besitzt“ (Briefe vom 8. u. 12.11.1853). Als Landschaftsmaler mit ausgeprägtem Sinn für die Schönheit von Bäumen bringt Bellermann die besondere Gestalt und Farbigkeit der Schirmpinien in einer kontrastreichen, stimmungsvollen Lichtsituation zur Anschauung und knüpft damit an das Vorbild seines Lehrers August Wilhelm Schirmer an. Die tiefstehende Abendsonne modelliert die Baumkronen plastisch und lässt sie in einem goldroten, vom starken Blau des Himmels komplementär gesteigerten Farbton aufleuchten, während der untere Teil mit einigen Rehen zu Füßen der Bäume in ein schattiges Halbdunkel getaucht ist. Nur ein ungewöhnlich helles Reh hebt sich dort ab und bildet einen wichtigen kompositorischen Akzent. Thomas von Taschitzki, Erfurt Grisebach 06/2015 105 215N Wilhelm Klose 1830 – Karlsruhe – 1914 Monte Soratte. 1863 Öl auf Leinwand. Doubliert. 75 x 111 cm (29 ½ x 43 ¾ in.). Unten links datiert und monogrammiert (ligiert): 18 WK. 63. Kleine Retuschen. [3143] € 8.000 – 12.000 106 $ 8,620 – 12,900 Sehr wenig ist bis heute bekannt von dem Karlsruher Maler Wilhelm Klose – in diesem Katalog können wir neben diesem großen Gemälde des Monte Soracte zwei seiner seltenen Ölstudien präsentieren (Losnummer 180 und 181). Sie stellen unter Beweis, daß Klose einen besonders flächigen Stil kultivierte, der zudem mit einer eigentümlich verdunkelten Palette einherging, die seinen südlichen Landschaften etwas Überraschendes und Modernes verleihen. Diesem Bild des Monte Soracte des 33jährigen Künstlers spürt man die Lehrzeit bei Carl Rottmann an – souverän wird hier die Landschaft komponiert und die Lichtregie setzt subtile Akzente. Grisebach 06/2015 216 Carl Rottmann Handschuhsheim b. Heidelberg 1797 – 1850 München „Landschaft mit Staufen bei Reichenhall“. Um 1838/42 Öl auf Leinwand. Doubliert. 96 x 136,5 cm (37 ¾ x 53 ¾ in.). Nicht bei Bierhaus-Rödiger. – Mit einer Bestätigung (in Kopie) von Prof. Dr. Erika Rödiger-Diruf, Karlsruhe, vom 20. September 2013. – [3270] € 35.000 – 45.000 $ 37,700 – 48,500 Gezeigt ist von einem erhöhten Standort der Weitblick über ein Flusstal, wohl die Saalach, auf das markante Gebirgsmassiv des Staufen zur Linken und eine Stadt zur Rechten, die von einem Felsberg überhöht wird, den seinerseits ein Gebäudekomplex bekrönt. Man ist an Salzburg erinnert, was zu der Annahme führt, dass der Künstler einen fiktiven Standpunkt auf dem südöstlich von Reichenhall gelegenen Untersberg eingenommen hat, von wo aus er diese den Staufen und Salzburg vereinende Ansicht erdacht hat. Die Komposition weist keine rahmenden Elemente auf. Unter Augenhöhe erstreckt sich im unteren Bilddrittel eine breite Senke, die links mehre Baumgruppen aufweist und rechts der Mitte durch ein Felsplateau mit schroffen Abstürzen belebt wird. Zu dessen Füßen steht links ein einfaches Holzhaus mit Verschlag an einem Tümpel und schlängelt sich rechts zwischen Felsbrocken ein Gewässer in Richtung auf einen Wald, der - undetailliert gemalt - die zum Rand hin leicht ansteigende Senke bedeckt. Wenige Menschen beleben die Szenerie, – rechts neben dem Gewässer ein Mann mit zwei Hunden, links eine Bäuerin mit einem Kind und einem Korb auf dem Kopf. Der Mittelgrund zieht sich als weite helle Ebene in die Tiefe, wo, wie eingangs erwähnt, der Staufen und die Stadt markante Fixpunkte bilden. Hinter diesen Erhebungen sind im Dunst ferne Bergrücken vage erkennbar. Ein hoher blauer Himmel, auf dem eine gekurvte Wolkenformation einen bestimmenden Akzent setzt, überspannt die Landschaft. Die Zuschreibung an Carl Rottmann ergibt sich sowohl aus dem Bildaufbau, als auch aus dem Malstil. Schon 1833 hatte Rottmann den Staufen bei Reichenhall zum Thema gewählt. Das vorliegende Gemälde dürfte einige Jahre später, also in der Zeit um 1838 -1842, entstanden sein. Die panoramaartige Komposition, aber auch manche Details wie die Baumgruppen, das Gewässer im Vordergrund oder die Wolkenformation deuten darauf hin, dass das Gemälde parallel zum Griechenlandzyklus, den Rottmann ab 1838 bearbeitete, entstanden ist. In dieser Zeit experimentierte Rottmann auch in maltechnischer Hinsicht, vor allem mit der Enkaustik, einer Wachsmaltechnik. Insgesamt ist das Gemälde deshalb von besonderer Bedeutung, weil Rottmann ab den 1830er Jahren auf Verkaufsausstellungen der deutschen Kunstvereine durchaus mit großformatigen Bildern, die deutsche Motive zeigten, vertreten war, bis heute jedoch kein dementsprechendes Beispiel nachweisbar war. Erika Rödiger-Diruf, Karlsruhe Grisebach 06/2015 107 217 Anton von Werner Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin 3 Studien eines italienischen Ziegenhirten. 1870 Kreide, Rötel und Pinsel in Grau auf gelbem Papier (Wasserzeichen: P. M. [Fabriano]). 40,7 x 51,9 cm (16 x 20 ⅜ in.). Unten in der Mitte monogrammiert, bezeichnet und datiert: AvW Carlsruhe 1870. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/ Elisabeth Rohde, Berlin € 600 – 800 Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Studienblatt zum Gemälde „Don Quijote bei den Ziegenhirten“ von 1870, und zwar für die beiden zentralen Ziegenhirten gegenüber von Don Quijote und für den Geige spielenden Hirten im Hintergrund; vgl. die Abbildung des Gemäldes im Ausstellungskatalog „Anton von Werner, Geschichte in Bildern“, Berlin 1993, Kat.-Nr. 63, Abb. S. 206. $ 647 – 862 218N Andreas Achenbach Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf „Gudvangen“ (Norwegen). 1839 Pinsel in Grau und Braun über Bleistift auf Papier, auf Karton aufgezogen. 33,2 x 49,4 cm (42,8 x 59,1 cm) (13 ⅛ x 19 ½ in. (16 ⅞ x 23 ¼ in.)). Unten links (wohl nachträglich) signiert: A Achenbach. Darüber bezeichnet und datiert: Gudvangen. : Juni 1839 Norwegen. Rückseitig der Stempel: Andreas Achenbach Düsseldorf Nachlass-Ausstellung Städtische Kunsthalle. Gebräunt und etwas fleckig. Geschlossene Randeinrisse. [3143] € 1.000 – 1.500 108 $ 1,080 – 1,620 Grisebach 06/2015 219 Anton von Werner Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin „Olevano“. 1869 Pinsel in Graubraun über Bleistift, weiß gehöht, auf gelblichem Papier. 28 x 46,2 cm (43,2 x 53,7 cm) (11 x 18 ¼ in. (17 x 21 ⅛ in.)). Unten rechts monogrammiert, bezeichnet und datiert: AvW Olevano Juni 1869. Auf dem Unterlagekarton oben mit Deckfarbe Grau datiert und bezeichnet: 18 Sabina 69. Unten in Grau betitelt: Olevano. Kleine Bereibung oben links. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/ Elisabeth Rohde, Berlin € 700 – 900 $ 754 – 970 Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Grisebach 06/2015 109 220 Charles Hoguet 1821 – Berlin – 1870 Steinbrucharbeiter vor Industrielandschaft. Öl auf Leinwand. 59,5 x 84,5 cm (23 ⅜ x 33 ¼ in.). Unten links signiert: CHoguet. Auf der Rahmenrückseite unten rechts das Etikett: From / The Museum of Modern Art / 730 Fifth Avenue New York / To: [Mr. Alfred Gold / c/o Gustav Knauer / Berlin] / Museum No. [30.715]. Kleine Retuschen. [3171] Gerahmt. € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Als Sohn eines französischen Balletttänzers in Berlin geboren, ging Charles Hoguet 1840 nach Paris zum Kunststudium, unternahm ausgedehnte Reisen nach Nordfrankreich und in die Niederlande, bevor er sich 1848 wieder in seiner Heimatstadt niederließ. Dort schuf er in den Jahren bis zu seinem Tod ein höchst vielfältiges und hoch beachtetes Werk von vornehmlich Ölgemälden. Die Schwerpunkte lagen dabei auf Marinestücken, Stillleben und, wie in unserem Fall, auf Landschaftsdarstellungen. Hoguets französische Prägung, die er durch die Ausbildung in der französischen Hauptstadt bei Eugène Cicéri (1813-90) und Eugène Isabey (1803-86) erlangte, und die sich stilistisch-thematisch durch den Kontakt mit der Freiluftmalerei im Umkreis der Schule von Barbizon weiter verfestigte, lässt sich auch im vorliegenden Gemälde gut nachvollziehen. Da wäre zum einen die Behandlung der Landschaft, in der die Arbeitsdarstellung eingebettet ist und durch welche diese definiert wird. Vermutlich handelt es sich hier um eine Szenerie, die Hoguet durch seine zahlreichen Touren in die Picardie, die Normandie oder nach Calais sehr vertraut war und welche durch zwei Windmühlen am linken Bildrand dominiert wird – Hoguet galt in Frankreich gar als „Raffael der Windmühlen“. Eine klare Zweiteilung prägt den Vordergrund: Links die in die Vertikale strebenden Windmühlen und eine schlanke Pappel, rechts die in die Breite gelagerte Landschaft und die Schwere der Steine. Der Blick in den Bildhintergrund geht auf eine Ebene mit einer Stadt. Die rauchenden Schlote gemahnen an die im Bildtitel benannte Landschaft, in der sich die beginnende Industrialisierung auch ländlicher Gegenden abzeichnet. Auch die Schule von Barbizon hatte sich einer unsentimentalen, realistischen Schilderung der Landschaft verschrieben, was eine zweite Verbindung der Franzosen zum Berliner Hoguet darstellt. In einem starken, von rechts oben einfallenden Schlaglicht liegen die großen Sandsteinblöcke, an denen die Arbeiter ihrer Bearbeitungstätigkeit nachgehen. Der kompositorische wie inhaltliche Mittelpunkt des Bildes grenzt sich durch seine theatralische Beleuchtung von der Umgebung ab. Abgebrochen, zerteilt und in eine rechteckige Form gebracht und schließlich auf den Transporkarren gehievt, sind die monumentalen Quader die eigentlichen Aussageträger des Werkes, deren Leuchtkraft durch die Flügel der hinteren Windmühle und durch die weißen Wolken im mittleren Himmelsabschnitt wiederholt werden. All dies zeigt, dass sich hinter allem Realismus bei Hoguet auch ein sicheres Gespür für kompositorische und Fragen des Bildaufbaus verbarg. 110 Und noch auf ein drittes Element französischer Prägung springt mit Blick auf die „Steinbrucharbeiter vor Industrielandschaft“ bei Hoguet ins Auge. Es scheint kein Zufall zu sein, dass etwa zeitgleich mit unserem Maler auch der große französische Realist Gustave Courbet (1819-77) mit seinem 1945 beim Bombenangriff auf Dresden verbrannten „Die Steineklopfer“ (1849) diesem Arbeitersmetier ein künstlerisches Denkmal setzte. Sowohl der Farbauftrag als auch das Motiv zeigen deutliche Parallelen zwischen beiden Künstlern. Grisebach 06/2015 Hoguet zeigt uns die individuell gestalteten Arbeiter in einer Gruppe, jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehend. Indem er einen großen Bildauschnitt wählt und die Personen in der Bildmitte vor der Landschaftskulisse platziert, gelingt es dem Maler in der preußischen Kapitale unter König Friedrich Wilhelm IV. eine in der deutschen Malerei nach 1850 einzigartige Stellung als Vermittler des französischen Realismus einzunehmen und gerade im lokalen Vergleich eine herausragende Malkultur herauszubilden. (OS) Grisebach 06/2015 111 221 Hermann Kauffmann 1808 – Hamburg – 1889 Es ist immer wieder überraschend zu sehen, welche andere Seite von sich Künstler offenbaren, wenn ihr Ölstudienwerk lange nach ihrem Tod, an die Öffentlichkeit gelangt. Diese Wolkenstudie aus der Zeit um 1830, als der Künstler in München bei Peter Hess studierte, gehört zu einem Konvolut aus dem Nachlaß Kauffmanns, das von der Frische seiner Auffassungsgabe erzählt – und erklärbar macht, warum seine sehr klassischen Genrebilder, mit denen er in der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt wurde, im Hintergrund immer wieder durch eine besonders atmosphärische Naturschilderung verblüffen. Wolkenstudie. Um 1830 Öl auf leichtem Karton. 14,2 x 27,7 cm (5 ⅝ x 10 ⅞ in.). Rückseitig unten links ein Stempel (nicht bei Lugt). Kleine Retuschen. [3275] Gerahmt. Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers € 800 – 1.000 222 $ 862 – 1,080 Friedrich Voltz Nördlingen 1817 – 1886 München Gewitterwolken in den Bergen. Um 1840 Öl auf Papier auf Leinwand. 34,8 x 42,5 cm (13 ¾ x 16 ¾ in.). Unten rechts monogrammiert: F. V. Retuschen. [3288] Gerahmt. € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Aufgetürmte Wolkenmassen im Hochgebirge bilden den Hauptgegenstand dieser frühen Ölstudie von Johann Friedrich Voltz. Die sehr sichere und schnelle Umsetzung des Motivs ist nur direkt vor der Natur vorstellbar. Mit diesen Freilichtmalereien hat Voltz einen wichtigen, bislang etwas vernachlässigten Beitrag zur noch relativ jungen Münchner Landschaftsmalerei geleistet, ähnlich wie seine Freunde Eduard Schleich und Carl Spitzweg. 112 Grisebach 06/2015 223 Deutsch, um 1860 Wolkenstudie. Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen. 22 x 33 cm (8 ⅝ x 13 in.). Retuschen. [3344] Gerahmt. € 1.500 – 2.000 $ 1,620 – 2,160 Hoch türmen sich die Wolken über dem Land – die flächige Malweise, die herbe Palette deuten auf einen Schüler der Karlsruher Akademie als Schöpfer unserer Arbeit hin. Johann Wilhelm Schirmer lehrte ab 1854 dort – und band etwa Schüler wie Hans Thoma, Emil Lugo oder Anton von Werner an sich, bevor er 1863 in Baden starb. Schirmer lehrte in Karlsruhe wie zuvor in Düsseldorf seinen Studenten das akribische Naturstudium – und zugleich leitete er sie an, auch in der Wiedergabe der Natur ihren eigenen Stil zu entwickeln. 1859 begann Eugen Bracht (1842-1921) bei Schirmer in Karlsruhe zu studieren und kehrte nach einem Aufenthalt in Düsseldorf und Berlin zu seinem Lehrer Hans Gude nach Karlsruhe zurück. In diesem Umfeld könnte unsere Studie entstanden sein. Gerade Bracht hat in seinem Werk immer wieder den Wolken eine körperliche Haptik gegeben und sie zum eigentlichen Bildthema gemacht wie auf unserer kleinen Studie. Zugleich weist deren Atmosphäre auch voraus auf die Worpsweder Malerei um 1900. Grisebach 06/2015 113 225 James Ensor 1860 – Ostende – 1949 Ornament eines Schrankes. 1885 Kreide auf Papier. 22,2 x 17,2 cm (8 ¾ x 6 ¾ in.). Rechts in der Mitte signiert und datiert (mit kleinen Farbverlusten): Ensor 85. Studie zu dem – im 2. Weltkrieg zerstörten – Gemälde „Le meuble hanté“ von 1885/90 (Tricot 262). Sorgfältig geschlossene Ein- und Ausrisse. Leicht gebräunt. [3413] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Piccadilly Gallery, London € 3.000 – 4.000 114 $ 3,230 – 4,310 Grisebach 06/2015 226 Théodore Gudin Paris 1802 – 1880 Boulogne-sur-Seine Matrosen in der Takelage. Öl auf Bütten auf Holz. 22,3 x 28,8 cm (8 ¾ x 11 ⅜ in.). Rückseitig auf einem aufgeklebten Stück Leinwand mit Schablone in Schwarz beschriftet: T GUDIN 215. Kratzer am oberen Rand. [3394] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Als der Kunsthändler Louis Sachse den Berlinern 1835 erstmals eine größere Zahl Ölbilder der neueren französischen Schule vorführte, war auch ein kleines Seestück des Marinemalers Theodore Gudin dabei. Die Betrachter staunten, wie bei Gudin die Luft „in ihrer Feuchtigkeit mit dem Auge befühlt wird“. (Kunstblatt, Nr. 94, 1835, S. 390). Die „französische Farbenplastik“ (ebd.) beeindruckte auch den jungen Menzel: „Der wirklich geistvolle und gediegene Materialismus der jetzigen Franzosen (derer die die Schule repräsentieren und zum Theil geschaffen haben) eines Gudin, Roqueplan, Coignet [...] werden hier eine Revolution hervorbringen, in welcher diejenigen, die da glauben Buntmalen sei brillant, und geschmiert geistreich gemalt, untergehen werden, was nicht schaden kann...“, so sein spitzzüngiges Kommentar zur Berliner Akademieausstellung 1836, die Sachse mit aktueller französischer Malerei in nie dagewesener Vielfalt beschickt hatte (Menzel Briefe, Bd. 1, 2009, S. 89). Auch wenn Menzel unsere Ölstudie wohl nicht gekannt hat, darf angenommen werden, dass auch sie ihm gefallen hätte. Der unge- wöhnliche Bildausschnitt zeigt den Blick aus der vorderen Takelage eines Segeldampfers, vorbei an einem großen, rußig rauchenden Schornstein, hinüber zu den Matrosen, die im hinteren Mast auf gleicher Höhe arbeiten. Tatsächlich ist die Anekdote überliefert, Gudin habe sich selbst so vertauen lassen, dass er sein Motiv in der schwindelnden Höhe direkt vor Ort aufnehmen konnte. Die Situiertheit bestimmt die räumliche Struktur der Szene. Konstruktive Regeln, wie etwas die Unterscheidung der Bildgründe, scheinen (quasi automatisch) aufgehoben. Es gibt keinen Vordergrund (denn er ist aus Luft). Es gibt keine Vergewisserung an einer Bodenfläche (die Matrosen müssen sich am schwankenden Mast festhalten). Es gibt überhaupt keine greifbare Begrenzung (Himmel und Wasser werden am Horizont eins). Der gewählte Bildausschnitt der Studie führt diese Seherfahrung konsequent weiter, indem der dargestellte Gegenstand an drei Seiten abgeschnitten ist (sogar die französische Nationalfahne wird vom unteren Rand abgetrennt). Das Behelfsmäßige des Segelgerüsts, der vom Betrachter automatisch intendierte aber verwehrte Blick nach unten, die schwungvoll und malerisch virtuos in den blauen Himmel sich kreisende Rußwolke, die den hinteren Mast umspielt und einräuchert wie die neue eine alte Zeit – all das sind Momente, die die Modernität und die Qualität dieser Studie ausmachen und die – anders, aber in durchaus vergleichbarer Form – auch Menzel in privaten Studien beschäftigten. Theodore Gudin, der „Musiker der Meeresströme“ wie ihn die Zeitgenossen nannten, war v.a. in den 1830er und 40er Jahren ein europaweit gefeierter Maler. Beispiele seiner bildmäßig ausgeführten Marinen und Seestücke, die wesentlich mehr vom Aufbruchpathos der französischen Romantik getragen sind, gehören zur Sammlung der Nationalgalerie wie zu vielen großen Museen international. Dem heutigen Betrachter führen gerade so qualitätvolle Ölstudien wie diese die Modernität des Künstlers vor Augen.(AA) Grisebach 06/2015 115 227 Französisch, vor 1810 In einem ägyptischen Tempel. Vor 1810 Aquarell auf Papier. 39 x 49,5 cm (15 ⅜ x 19 ½ in.). Randmängel. [E] Gerahmt. € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Wir danken Mariana Jung, Berlin, für freundliche Hinweise. Man kann sich kaum vorstellen, was der Zeichner dieses Blattes empfunden haben muss, als er zum ersten Mal vor diesen Bauwerken einer ihm so fremden Kultur stand und festhielt, was die meisten Franzosen nie zuvor gesehen hatten. Napoleons Ägyptenfeldzug 1898-1801 war eine militärische und wissenschaftliche Expedition, aus der unter anderem die Publikation Description de l’Égypte hervorging, die den Grundstein für die Ägyptologie legte. In Band 1 der 1809-1829 veröffentlichten Erstausgabe der Description findet sich ein Stich von Sellier fils, dessen Motiv fast exakt dem unseres Aquarells entspricht. Es handelt sich um den Innenraum des Pronaos des Chnum-Tempels in Esna, einer Stadt 116 am westlichen Ufer des Nils, den der Stecher nach Vorlagen der Zeichnungen der Bauingenieure Édouard Devilliers und Prosper Jollois fertigte. Sie waren neben dem bekannten Architekturzeichner und Diplomat Dominique Vivant Denon und weiteren Zeichnern und Ingenieuren Teilnehmer der Expedition Napoleons, die das Gesehene unmittelbar in Kunstwerke umsetzten. Es ist wahr-scheinlich, dass unser Blatt entweder als Vorlage einer reinen Architekturzeichnung für den Stich, der in der Publikation Schauplatz einer historischen Szene ist, entstand, oder parallel zum Stich als Reinzeichnung gefertigt wurde. Es kann somit auch nach der Rückkehr der Expeditionsteilnehmer in Frankreich gemalt worden sein. Es ist jedenfalls bekannt, dass die Stiche der Ägypten Expedition Napoleons nach farbigen Aquarellen gefertigt wurden, in denen sich die unglaubliche Farbenpracht der ägyptischen Monumente entfaltet. Besonders die Zeichnung der Hieroglyphen ist sehr fein, auch wenn der Künstler sie nicht vollkommen korrekt wiedergibt, da er sie nicht als Zeichen, sondern als Ornamente versteht. Das Spiel des Lichts auf und zwischen den Säulen lockert die strenge Symmetrie des Raumes auf, über den die Betrachter so auch heute noch ins Staunen kommen können. (MZ) Grisebach 06/2015 228 Französisch, um 1830 Tiger. Öl auf Papier, auf Karton, auf Holz aufgezogen. 14,7 x 26,6 cm (5 ¾ x 10 ½ in.). [3240] Provenienz: Privatsammlung, Frankreich € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Unsere Arbeit stammt eindeutig aus der engen Umgebung von Eugène Delacroix. Als Charles Baudelaire über den Künstler schrieb, verglich er interessanterweise den Künstler selbst mit dem Raubtier: „Der Tiger, der auf seine Beute lauert, hat keine so funkelnden Augen und kein so ungeduldiges Zittern in den Muskeln wie unser großer Maler.“ Delacroix selbst hat zahlreiche Aquarelle und Federzeichnungen von Tigern geschaffen, er wurde zu seinem vibrierenden, kraftstrotzenden Leittier für ihn. Der Tiger auf unserer Studie hingegen wird in einem Moment der Ruhe erfasst, einer Selbstversunkenheit, fast meint man das Raubtier beim Nachdenken zu stören. Es hat seine Schnauze über die linke Pranke gelegt, die Augen geöffnet und blickt nicht den Maler und damit den Betrachter an, sondern quasi nach innen. Der Tiger verweigert sich dem zivilisierten Blick, er will sich nicht zum Symbol orientalischer Gefährlichkeit machen lassen. Aber natürlich ist ein dösender Tiger in der Zeit um 1830 im aufgewühlten Frankreich auch ein Werk von symbolischer Kraft. Grisebach 06/2015 117 229 Französisch, um 1835 Portrait Eugène Delacroix. Öl und Kreide auf Leinwand. 52,5 x 41,5 cm (20 ⅝ x 16 ⅜ in.). Auf dem Schmuckrahmen oben rechts ein Etikett der Ausstellung Paris 1959 (s.u.). [3201] Gerahmt. Provenienz: Alfred Sensier, Paris (bis 1877) (?) / Adèle de Cassin, Marquise Landolfo-Carcano, Paris (bis 1912) / Otto Gerstenberg, Berlin (bis 1935) / Margarethe Scharf, Berlin (Tochter des Vorbesitzers, 1935 bis 1948) / William Cuendet, Lausanne (im Besitz der Nachfahren bis 2013) / Privatsammlung, Süddeutschland Ausstellung: De Watteau à Cézanne. Genf, Musée d’Art et d’Histoire, 1951, Kat.-Nr. 126, Abb. Tf. 1 (als Delacroix, Selbstportrait / De Géricault à Matisse. Chefs-d’œuvre français des collections suisses. Paris, Petit Palais, 1959, Kat.-Nr.162, Abb. Tf. 4 (als Delacroix, Selbstportrait, datiert 1845-47) Literatur und Abbildung: Vente Alfred Sensier, Paris. Tableaux et dessins de l‘école moderne, tableaux et dessins anciens. Paris, Galerie Georges Petit, 10.-18.12.1877, Kat.-Nr. 6 (Gemälde, ,Portrait d‘Eug. Delacroix, esquisse') / Maurice Tourneux: Eugène Delacroix devant ses contemporains, ses écrits, ses biographes, ses critiques. Paris, Jules Rouam, 1886, S. 149 (als Delacroix, Selbstportrait) / Vente Mme la Marquise Landolfo Carcano. Tableaux modernes, aquarelles, dessins, pastels, tableaux anciens, dessins anciens, objets d'art et d‘ameublement [...]. Paris, Galerie Georges Petit, Paris, 30.5./1.6.1912, Kat.-Nr. 104, m. Abb. / Répertoire d’Art et d’Archéologie, Paris 1912, S. 211 (als Delacroix, Selbstportrait) / Julius Meier-Graefe: Delacroix und Géricault. Faksimiles nach Werken der beiden Meister. München, Marées-Gesellschaft, Bd. 14, 1919, S. 35, Nr. VI (als Delacroix, Selbstportrait) / Versteigerungskatalog. Bern, Gutekunst und Klipstein, 27.11.1948, Los 68, Abb. Tf. 4 / François Daulte: Le dessin français de David à Courbet. Lausanne, Spes, 1953, S. XIII und S. 56, Nr. 16, Abb. Tf. 16 (als Delacroix, Selbstportrait , datiert 1845-47) / Thomas W. Gaehtgens und Julietta Scharf: Die Sammlung Otto Gerstenberg in Berlin. In: Andrea Pophanken und Felix Billeter (Hrsg.): Die Moderne und ihre Sammler. Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Berlin, Akademie Verlag, 2001, S. 149-184, hier S. 180 (als Delacroix, Autoportrait) / Julietta Scharf und Hanna Strzoda (Hrsg.): Die historische Sammlung Otto Gerstenberg. 2 Bde. Ostfildern, Hatje Cantz Verlag, 2012, hier Bd. 1, S. 66 (links auf dem Foto der Sitzecke im Obergeschoß der Villa Gerstenberg in Berlin), und Bd. II, S. 58, Kat.-Nr. 303 (als Delacroix, Selbstportrait, datiert 1852) Unser ausdrucksstarkes Portrait des kraftstrotzenden Delacroix ist eindeutig in Frankreich um 1835/40 entstanden, wie ein Vergleich mit zeitgleichen Daguerréotypien des Künstlers von Léon Riesener nahelegen. Es hat eine bedeutende Provenienz (es gehörte lange zur Pariser Sammlung Landolfo-Carcano) und galt seit 1886 und sehr lange danach als eigenhändiges Werk des Künstlers. So hing es als Selbstportrait von Delacroix gut sichtbar in der legendären Berliner Sammlung von Otto Gerstenberg (der es in der Landolfo-Carcano Auktion erworben hatte) - neben zahlreiche Gemälden von Courbet und Daumier (siehe Vergleichsfoto unten). Die Sammlung Gerstenberg war eine der herausragenden Sammlungen französischer Kunst in Deutschland, von Max Liebermann gerühmt, enthielt sie nicht weniger als vier Gemälde von Delacroix und 49 Zeichnungen, der bedeutende Kritiker und Kunstvermittler Julius Meier-Graefe nannte Gerstenberg den bedeutendsten Delacroix-Sammler in Deutschland. Als Meier-Graefe im Jahre 1919 fünfzehn Faksimiles des Künstlers reproduzieren ließ, da war unser Portrait aus der Sammlung Gerstenberg darunter. Seit 1959 war das Gemälde der Öffentlichkeit unbekannt. Obwohl es nur mit wenigen, schnellen souveränen Öl- und Kreidestrichen auf die Leinwand geworfen ist, entfaltet es schnell eine sehr unmittelbare Wirkung. Aus stilistischen Gründen geht die heutige Forschung eher davon aus, daß es kein eigenhändiges Selbstportrait ist – sondern ein Bildnis des Künstlers, gemalt von einem Freund. Delacroix zeigt sich sehr stolz in diesem Bildnis, verschlossen, doch nicht so zum tragischen Helden stilisiert, wie er es in seinen Selbstbildnissen tat. Als möglicher Künstler ist an Léon Riesener zu denen, von dem auch die Fotografie des Künstlers aus jener Zeit stammt und der ihn immer wieder portraitierte. Stilistisch ist auch eine Nähe zu den Werken Eugène Lami zu erkennen. In jedem Fall bleibt es ein Bild aus dem direkten Umfeld von Delacroix, das den heldenhaften Status, den der Künstler in jener Zeit genießt, ins Bild zu übertragen versteht – und daß dank seiner ausgezeichneten Provenienz eine zusätzliche Bedeutung hat. (FI) € 15.000 – 20.000 $ 16,200 – 21,600 Wir danken Catherine Adam-Sigas, Documentation du Musée Delacroix, Paris, und Dr. Margret Stuffmann, Frankfurt, für freundliche Hinweise. Unser Bild im Haus von Otto Gerstenberg nach 1912 118 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 119 230 Jean-Baptiste-Camille Corot 1796 – Paris – 1875 „Avignon, vue de l‘arrière du palais des papes“. Um 1836 Öl auf Papier auf Karton. 25,2 x 34,2 cm (9 ⅞ x 13 ½ in.). Mit einer Bestätigung von Martin Dieterle, Paris, vom 5. September 2014, der das Bild in den 6. Ergänzungsband des Werkverzeichnisses Corots von Alfred Robaut aufnehmen wird. – [3240] Gerahmt. € 60.000 – 80.000 $ 64,700 – 86,200 Warum ist dies ein besonders gutes Bild, wo es doch eher dunkelfarbig und das Motiv auf der ersten Blick ungewöhnlich, ja unattraktiv erscheint? Keine im Sonnenlicht liegende italienische Landschaft mit satten Grüntönen und rötlichem Mauerwerk und starken Licht-Schatten-Kontrasten, wie Corot sie vor allem in den 1820er, aber auch den 1830er Jahren auf Ölskizzen in großer Zahl festgehalten hat. Offizielle Ausstellungsbilder waren die Ölskizzen allerdings nicht, sie galten als bloße Studien, „études“, und verblieben im Atelier, erst im liberalen Pariser Salon von 1849 konnte einmal eine römische Ölstudie von Corot ausgestellt werden. Selbst wenn er seine Ölstudien an befreundete Künstler ausgeliehen oder die eine oder andere verschenkt hat, das Gros tauchte erst in der Nachlassversteigerung auf. Alle dort aufgefundenen Skizzen bekamen einen roten Stempel: „Vente Corot“, um sie zu authentisieren. D.h. aber auch, dass Corot seine Ölskizzen im Normalfall nicht signiert hat. Einige wenige weiter ausgeführte Ölskizzen hat er, womöglich spät im Leben, signiert. Selbst die berühmten, etwas größeren Ölstudien mit dem römischen Kolosseum oder dem Forum im Louvre sind unsigniert. So ist die fehlende Signatur, noch dazu bei einem ungewöhnlichen Motiv, eher ein Qualitätskriterium. Damit bleiben diese Studien privat, und dem entspricht auch ihr Malmodus: Sie sind mit großzügigen, unkorrigierten, nicht geglätteten Pinselstrichen gemalt, in den 30er Jahren noch großzügiger als in den 20er Jahren. Die Pinselfaktur bleibt erhalten, der Maler scheut sich nicht, mit dem Pinselstil Schraffuren in die noch feuchte Farbe einzutragen. Der Bildträger ist häufig Papier, das auf Pappe, seltener auf Leinwand geklebt wird. Damit das Papier die Ölfarbe aufnehmen kann, ohne dass der Ölanteil Flecken bildet, wird das Papier farbig grundiert. Die Künstler sind da erfindungsreich, sie können je nach dem Ausdruckscharakter, den das Bild tragen soll, die Farbe der Grundierung variieren, denn in vielen Fällen spricht die Farbe des Grundes mit, da die Ölskizzen häufig nicht gänzlich deckend gemalt sind. Selten finden sich mehrere Malschichten übereinander, und da der Künstler häufig noch zwischen trocknen und feuchteren Farben – je nach Ölanteil – variiert und mit dem Pinsel viel oder wenig Farbe aufnimmt, ergibt sich nicht nur ein lebendiger Farbkörper, vielmehr scheint der Grund unterschiedlich stark durch. Wirklich deckend ist allein eine Farbe, die zuletzt aufgetragen wird: das Weiß. Corot steuert die Wirkung seiner Ölskizzen auf das Raffinierteste mit dem deckenden Weiß und auf der vorliegenden Studie auf besonders eindrückliche Weise. Ohne dieses Weiß wäre das Bild bei der dunklen Gesamtanlage so gut wie tot – trotz der überall sichtbar gebliebenen Malfaktur. Wir sollen zwar erkennen sollen, dass der Papstpalast von Avignon dargestellt ist – jedem Franzosen war dieser riesige, weniger nach Palast als nach Festung aussehende Klotz vertraut und er wusste 120 auch, dass dieser aus dem 14. Jahrhundert stammende Riesenbau nicht nur das Papsttum im Exil, sondern danach auch Gegenpäpste beherbergte und schon im 15. Jahrhundert leer stand und zerfiel. Die Revolution wollte ihn abreißen, doch er war schlicht zu gewaltig. Er diente als Gefängnis, eine Trutzburg wie die Bastille, und zu Corots Zeiten als Kaserne. Da an ihm über längere Zeit gebaut, ausgebaut und verändert wurde, machte er jenseits der Tatsache, dass er gewaltig war, einen irritierenden Eindruck. Nun ist Corots Ansicht keine Vedute. Wir realisieren zwar, dass es sich um den Papstpalast in Avignon handelt, doch mitnichten ist die Darstellung topographisch und in den Details genau. Zurecht hat man gesagt, dass Corots Stadtansichten landschaftlich aufgefasst sind. Was heißt das? Nicht nur sind sie in landschaftliche Zusammenhänge eingebettet, sondern ihre gesamte strukturelle Anlage macht sie zu „Landschaften“ – und dazu gehört viel. Corot lässt sich durch den dargestellten Gegenstand zu nichts verpflichten, er ändert ihn nach Gutdünken. Und Gutdünken meint hier, dass der Gegenstand zwei Bedingungen zu folgen hat: der kompositorischen Bildanlage und dem abgezielten Ausdruckscharakter des Bildes. Corot gibt seine Ansichten immer aus einer gewissen Entfernung, und es handelt sich eigentlich immer um Querformate. Man sagt zurecht, Landschaft breitet sich vor uns aus. Das kann man bei Corot wörtlich nehmen. Zum einen ist der Vordergrund häufig, wie hier, aus bildparallelen Streifen gebildet, oft sind sie kaum gestaltet. Der Blick soll nicht an ihnen hängen bleiben. Hier haben wir zwei gänzlich waagerecht angeordnete Streifen der Rhone mit einer schmalen mittleren Landzunge, an der Frachtkähne angelegt haben, doch so, dass sie den bildparallelen Streifencharakter nicht unterbrechen, weder von der Form, noch von der Farbe her. Wenige winzige Personenangaben kann man ausmachen. Corot pflegt sie, wenn er überhaupt Staffage gibt, als schwarze Strichelchen mit einem weißen oder roten Farbtupfer wiederzugeben. Hinter den Flussstreifen, in gleicher Breite, eine hohe Böschung in unartikulierter Brauntonigkeit, davor wenige, erneut bildparallel angeordnete Häuserkuben. Darüber thront der Papstpalast, in der gleichen, minimal zurückgenommenen Brauntonigkeit, dann der bewegte Himmel. Doch die gegenständliche Benennung sagt wenig, die jeweilige Inszenierung ist entscheidend. Der Böschungsstreifen greift zu den Rändern hin die Blaugraufarbigkeit der Rhone auf, was gänzlich paradox ist, aber einerseits den Böschungsstreifen nicht zur Barriere werden lässt, andererseits den Blick auf den braunen Palastklotz fokussiert, vor dem selbst die angedeuteten Bäume sich in graue Schlieren auflösen. Da der Palast mit seinen Ausläufern nach rechts verlagert ist, erfährt er sein Gegengewicht durch den hellen grauweißlichen Bau links am Fuß der Böschung. Detailangaben, obwohl er doch noch nahsichtig ist, sind hier bewusst vermieden worden. Optisch verankert auf dem Bildgeviert wird die Darstellung auf vielfältige Weise. Bildordnung ist auf die Fläche bezogen und mithin abstrakt, die Gegenstände haben ihren Ort in ihr zu finden. Hier herrscht die subkutane Wirkung von Senkrechten vor, die die Dominanz der waagerechten Streifen kompensieren. Weniges: Die rechte Kante des hellen Gebäudes geht überein mit der Spitze der linken Frachtschute und zugleich mit dem linken Rand der weißen Wolke. Die rechte senkrechte Kante des Hauptturms des Palastes, des sog. Papstturmes, wird fortgeführt in der linken Kante (Fortsetzung auf der Klapptafel außen) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 231 Deutsch, um 1830 Felsengruppe vor Bäumen. Öl auf Papier. 40,2 x 35 cm (15 ⅞ x 13 ¾ in.). Gefirnißt. Etwas knittrig. Kleine Randmängel. [3339] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Sammlung Pappermann, Dresden (dort als August Heinrich) € 2.000 – 3.000 232 $ 2,160 – 3,230 Leopold Venus Dresden 1843 – 1886 Heilanstalt Sonnenstein bei Pirna Baumstudie. Aquarell und Feder in Schwarz auf Bütten. 30,9 x 24,2 cm (12 ⅛ x 9 ½ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert: Venus. Fachmännisch restaurierte Randmängel. [3293] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München € 700 – 900 $ 754 – 970 Die Studie eines Baumes bezieht seinen Reiz aus dem Gegensatz von exaktem Kontur der Feder und lebendiger, farblich fein abgestimmter Aquarellierung, mit der die Individualität des von Moosen und Flechten bewachsenen Baumes zu nahezu haptischer Präsenz verdichtet wird. Anekdotische Details wie die auf Ästen sitzenden bzw. herumfliegenden Vögel geben dem Blatt bei aller Konzentration auf den organischen Wuchs des Baumes jene erzählerische Note, die typisch für die Schule Ludwig Richters (1803-1884) ist. Dieser hatte seit 1836 als Professor der Landschaftsklasse an der Akademie in Dresden zahlreiche Schüler ausgebildet, die seinen Zeichenstil adaptierten. Unser Blatt trägt von der Hand des Dichters Eugen Roth (1895-1976), aus dessen Sammlung das Blatt stammt, eine Zuweisung an „Venus“, womit August Leopold Venus gemeint ist, der vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte als Illustrator von Volks-, Kinder- und Jugendschriften Bekanntheit erlangt hatte. Venus war zuvor seit 1857 Schüler der Dresdner Akademie und nahm seit 1859 bei Richter Unterricht im Landschaftszeichnen. Während dieser Zeit entstanden auf gemeinsamen Reisen und Wanderungen zahlreiche Zeichnungen mit Motiven aus der Sächsischen Schweiz; es ist gut vorstellbar, dass die Baumstudie während einer solchen Wanderung in der Umgebung von Dresden entstand. Peter Prange, München Grisebach 06/2015 233 Christian Friedrich Gille Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden Rotwild bei Sonnenuntergang. Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen. 29 x 39 cm (11 ⅜ x 15 ⅜ in.). Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). – Kleine Retuschen. [3359] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Martin Grosell, Kopenhagen Literatur und Abbildung: Versteigerungskatalog: Fortegnelse over en samling tyske malerier m.m. tilhørende boet efter afdøde kunsthandler M. Grosell / Verzeichnis über eine Sammlung deutscher Gemälde etc. aus dem Besitz des verstorbenen Kunsthändlers M. Grosell. Kopenhagen, V. Winkel & Magnussen, 9./10.6.1932, Kat.-Nr. 129 („Rener ved Solnedgang“/„Renntiere[!] bei Sonnenuntergang“) € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Vielleicht war Christian Friedrich Gille der modernste deutsche Ölstudienmaler in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, in jedem Fall war er der konsequenteste. Es gibt in seinem Werk so gut wie keine ausgeführten Ateliergemälde – stattdessen einige hundert Studien, auf Papier, auf Leinwand gemalt und immer direkt vor der Natur entstanden. Den Pinsel, den er führte war meist hart und trocken, wie man es in der unteren Partie unserer Arbeit sieht, da endet das Weiß abrupt und schnell werden links unten ein paar dürre Gräser angedeutet. Zugleich zeigen vor allem die drei Tiere, wie souverän der Künstler in der schnellen Erfassung von Körperhaltung und Haptik von Fell und Beinen ist. Meist ist es auf Gilles Studien dunkel, als seien Wolken am Himmel, der Blick des Künstlers geht herab, ins Unterholz, er findet im Kleinen das Große, im Nebensächlichen das Bildwürdige. Licht und Schatten, ein, wenn nicht das große Thema aller Ölstudienmaler, die je Italien betraten, tritt bei Gille meist zurück hinter dem ernsthaften, bohrenden Blick, mit dem er dem unspektakulären Naturausschnitt kleine malerische Sensationen entlockt. Aber immer wieder gerät auch Gille in den Bann der Sonne – so auch hier, das warme Abendlicht eines Wintertages lässt er sanft rötlich widerhallen im Fell auf dem Rücken der Tiere. Und über der ganzen Szenerie spannt er einen Himmel auf, dessen Farbkraft und Abstraktionsgrad aus dem Dresden um 1850 bereits deutlich hinübergrüßt zu den Werken der Dresdner Brückekünstler nach 1900. (FI) Grisebach 06/2015 123 234 Anton von Werner Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin Zwei Studien zum „Etappenquartier“. 1893 Bleistift, mit weißer Kreide gehöht, auf braunem Papier bzw. Bleistift auf Velin. 30,9 x 39,2 cm bzw (12 ⅛ x 15 ⅜ in. bzw. ). Bl. 1 unten rechts datiert und bezeichnet: 1893 Etappenquartier (Abb. im Online-Katalog). Bl. 2 rückseitig unten rechts datiert und bezeichnet: 1893 Etappenbild. Bl. 2 mit horizontaler Knickfalte und etwas angestaubt. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/ Elisabeth Rohde, Berlin € 900 – 1.200 $ 970 – 1,290 Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Studien zu einem der bekanntesten Gemälde Anton von Werners, „Im Etappenquartier vor Paris (24. Oktober 1870)“ von 1894, das noch im Jahr seiner Entstehung von der Nationalgalerie in Berlin angekauft wurde (Inv.-Nr. A I 521). Die Studien zeigen den knienden Soldaten rechts im Bild, der gerade das Kaminfeuer entfacht. 235 Franz Skarbina 1849 – Berlin – 1910 Deutscher Soldat zur Zeit Napoleons. Um 1884 Aquarell auf leicht genarbtem Papier. 31 x 19,2 cm (12 ¼ x 7 ½ in.). Ein vergleichbares Aquarell, signiert und datiert „F. Skarbina 1884“, befand sich 2003 im Kunsthandel. [3091] Gerahmt. € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Wir danken Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität des Aquarells. 124 Grisebach 06/2015 236 Anton von Werner Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin „Das Quartett“. 1866 Pinsel in Graubraun über Bleistift, weiß gehöht, auf Papier, vom Künstler auf Karton montiert. 30,2 x 42,8 cm (42,2 x 52,8 cm) (11 ⅞ x 16 ⅞ in. (16 ⅝ x 20 ¾ in.)). Unten links monogrammiert und datiert: AvW 1866. Auf dem Unterlagekarton oben mit Deckfarbe in Rot datiert und bezeichnet: 18 Carlsruhe 66. Unten in Grau und Rot betitelt: Das Quartett. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/ Elisabeth Rohde, Berlin € 700 – 900 $ 754 – 970 Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Im Winter 1865/66, während seines Studiums in Karlsruhe, nahm Anton von Werner ein „kleines Bild ,Streichquartett im Maleratelier‘, ein Stück aus dem mich umgebenden Leben, in Angriff“ (von Werner, zit. n. Bartmann 1994, S. 134). Dieses Gemälde ist verschollen (Werkverzeichnis-Nr. 1866-3 im Ausstellungskatalog „Anton von Werner, Geschichte in Bildern“, Berlin 1993). Auf unserer noch 1866 entstandenen Pinselzeichnung sieht man links am Violoncello den Landschaftsmaler Gustav Osterroth (1836–1875), der auch im Mittelpunkt des Bildes „Der 30. Geburtstag“ steht (s. die Abb. im o.g. Kat., Nr. 45). Im Hintergrund rechts erkennt man an der zweiten Violine den späteren Bildhauer Otto Lessing (1846– 1912), den Sohn des in Karlsruhe lehrenden Landschaftsmalers Carl Friedrich Lessing (vgl. die Kreidezeichnung im o.g. Kat., Nr. 44, m. Abb.). Die erste Violine spielt vorne rechts ein namenloser Offizier (eine „1865“ datierte Bleistiftstudie mit veränderter Position des Mannes ist abgebildet in: Bartmann a.a.O., S. 134), auch der vollbärtige Bratschist hinten links ist unbekannt. Grisebach 06/2015 125 237 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin Kopf eines bärtigen Mannes. Ende der 1890er Jahre Bleistift auf Papier, auf Japan aufgezogen. 12,6 x 7,4 cm (5 x 2 ⅞ in.). Unten links monogrammiert: A. M. Ein durchs Aufziehen geschlossener Einriß. [3132] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Dr. Friedrich Schmidt-Ott, Berlin (laut Beschriftung auf der Rückpappe nach dem Tod des Künstlers als Geschenk von Frau Krigar-Menzel erhalten) € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Dr. Friedrich Schmidt-Ott (1860–1956) war Beamter im Ministerium der geistlichen- und Unterrichtsangelegenheiten (Kultusministerium) und wurde 1907 zum Ministerialdirektor der Unterrichtsabteilung ernannt. Er war ein Freund Wilhelms II. (Abbildung in Originalgröße) 238 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin Skizzen vom Berliner Hofball. 17. Februar 1881 Bleistift auf leichtem Karton (Rückseite der Einladungskarte für Adolph Menzel). 22 x 16,8 cm (8 ⅝ x 6 ⅝ in.). Unten links monogrammiert: A. M. Vom Künstler in der Mitte horizontal gefaltet. [3189] € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. In der Einladung heißt es: „Auf Allerhöchsten Befehl Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten beeehrt sich der unterzeichnete Ober Hof- und Haus-Marschall, den Ritter des Ordens pour le mérite, Herrn Professor Menzel, zum Ball und Souper am 17. Februar 1881 Abends 8 1/2 Uhr im Königlichen Schlosse einzuladen. [...]“ 126 Grisebach 06/2015 239 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin Frau mit Mantille im Profil nach rechts. 1894 Bleistift, gewischt, auf Papier. 21 x 13 cm (8 ¼ x 5 ⅛ in.). Unten rechts monogrammiert und datiert: A. M. 94. Kleine Randmängel. [3144] Gerahmt. € 15.000 – 20.000$ 16,200 – 21,600 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Grisebach 06/2015 127 240 Jozef Israëls Groningen 1824 – 1911 Den Haag Ein Sonnenstrahl. Um 1875/80 Öl auf Leinwand, auf Hartfaser aufgezogen. 113 x 88,5 cm (44 ½ x 34 ⅞ in.). Unten links signiert: Jozef Israels. Mit einem Gutachten von Dr. Dieuwertje Dekkers, Groningen, vom 10. April 2015. – [3054] Gerahmt. Provenienz: Alexander Young, London/Blackheat, Kent (1875/80 bis 1906) / Agnew & Sons, London (1906) / Knoedler Galleries, New York (vom Vorbesitzer erworben am 1. August 1906) / Scott & Fowles, New York (vom Vorbesitzer erw. am 31. Januar 1907; lt. Geschäftsbuch Knoedler, Nr. 11145, m. Foto) / Frau H. N. Torrey, Detroit / Nell Ford Torrey, Grosse Pointe, Michigan (bis 1959) / Privatsammlung, Süddeutschland Ausstellung: Exhibition of the most Important Works by Jozef Israels. London, McLean Gallery, 1881 („A Ray of Sunshine“) (?) / Tentoonstelling van Schilderijen en Aquarellen van Jozef Israels. Den Haag, Pulchri Studio, 1895, Kat.-Nr. 11 („Een Zonnestraal“, Bes. A. Young, London) / Exhibition of a Selection of Works by Early and Modern Painters of the Dutch School. London, Art Gallery of the Corporation of London, Guildhall, 1903, Kat.-Nr. 7, m. Abb. („A Ray of Sunshine“, Bes. Alexander Young) / A Memorial Exhibition of the Work of Jozef Israels. Toledo, The Toledo Museum of Art, 1912, Kat.-Nr. 242 („The Ray of Sunshine“, Bes.: Mrs. H. N. Torrey, Detroit) Literatur und Abbildung: Art Notes. In: The Magazine of Art, 5 (1882), S. XIX (?) / De Zuigeling, De Huisvriend, 1885, S. 176178, m. Abb. / E.G.O. (A. C. Loffelt): De Israëls-Tentoonstelling. In: Het Vaderland, 31.1.1895 / Jan Veth: Modern Dutch Art. The Work of Josef Israëls. In: The Studio, 26 (1902), Abb. S. 247 / Jan Veth: Jozef Israëls en zijn kunst. Arnhem/Nijmegen 1904, Kat.-Nr. 44, m. Abb. / E. G. Halton: The Collection of Mr. Alexander Young.- IV. The Modern Dutch Pictures. In: The Studio, 39 (1907), Nr. 166, S. 299, Abb. S. 297 / Frank Wakeley Gunsaulus: Josef Israels. An Address delivered at the opening of the Exhibition of Josef Israels’ Paintings, Toledo Museum of Art, Toledo 1912, m. Abb.; Max Eisler: Josef Israëls. London 1924, Abb. Tf. XXII / Versteigerungskatalog: L. Guggenheim, Mrs. N. Ford Torrey et al. New York, Parke-Bernet, 21.10.1959, Kat.-Nr. 70, m. Abb. („A Ray of Sunshine“) / Dieuwertje Dekkers: Jozef Israëls, een succesvol schilder van het vissersgenre. Amsterdam, Univ., Diss., 1994, S. 146-147 € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 Es handelt sich bei diesem Bild um die beste Version dieses wichtigen Motivs im Werk von Josef Israels. Jan Veth (1904) datierte dieses Gemälde – ein schönes Interieur mit einer Mutter und ihren zwei kleinen Kindern – auf die Zeit um 1870, während E.G. Halton (1907) davon ausging, dass es 1875 entstand. Was den Malstil angeht, ist es vergleichbar mit Jozef Israëls Arbeiten der zweiten 128 Hälfte der 1870er, wie „Das einfache Mahl“ (Kelvingrove Art Gallery and Museum, Glasgow) oder „Die Kartenspieler“ (Privatsammlung). In diesen Arbeiten, die der Künstler beide 1876 malte, kann man beobachten, dass sich das Licht sehr zerstreut ausbreitet, während sich die Farben harmonisch miteinander mischen. „So delightful in the quality of colour and depth of tone in the luminous shadows“ (So entzückend in der Qualität der Farbe und der Fülle der Farbtöne in den leuchtenden Schatten), schrieb Halton. Es macht sich außerdem ein breiterer Pinselstrich bemerkbar und die Farbe ist dicker aufgetragen. Das vorliegende Werk sollte somit zwischen 1875 und 1880 datiert werden. Dieses Gemälde war der Öffentlichkeit vor dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts kaum bekannt. Selbst A.C. Loffelt, der bekannte Kritiker aus Den Haag und ein guter Freund des Künstlers, sah es zum ersten Mal, als es 1895 in den Niederlanden ankam, um im Rahmen der Israëls-Ausstellung gezeigt zu werden. Wahrscheinlich kam das mit „Ein Sonnenstrahl“ betitelte Werk direkt nach Fertigstellung in die berühmte Sammlung Alexander Youngs. Vor dessen Tod 1910 kam es auf den Kunstmarkt und fand, wie viele Werke Jozef Israëls, seinen Weg in die Staaten. Eine fast identische, jedoch kleinere Version derselben Zeit kam für einige Jahre (1901–1906) in den Besitz eines der wichtigsten Sammler des Landes, H.C. Frick. Um 1893 malte Israëls eine weitere Version, in der er mehr Details abänderte; diese kam in den Besitz eines Kunsthändlers in Groningen, der Geburtsstadt des Künstlers. Von den drei Versionen wurde die Young Version die bekannteste, was teilweise auf die Provenienz zurückzuführen ist und wohl auch auf die feinere Ausführung des Bildes. Bisher sind keine direkten Studien oder Skizzen zu „Ein Sonnenstrahl“ bekannt, doch übernahm Israëls oft Figuren aus früheren Kompositionen. Das Kind, das sein Spielzeug hält, taucht zum Beispiel auch in der älteren Strandszene „Die Wiege“ (1858, derzeitiger Verbleib unbekannt) auf, in der das Spielzeug gegen ein kleines hölzernes Segelboot ausgetauscht wird. In „Ein Sonnenstrahl“ zeigt Israëls eine junge Mutter, die ihr Baby stillt, während ein kleines Mädchen aufmerksam zuschaut, die Kordel des hölzernen Kinderwagens ihrer Puppe mit beiden Händen hinter ihrem Rücken festhaltend. 1875 war das Sujet des häuslichen Lebens im Werk Israëls keine Neuigkeit mehr; tatsächlich hatte er bereits in den frühen 1860er Jahren begonnen, sich intensiv damit auseinander zu setzen und tat dies bis in die 1890er Jahre. Er konzentrierte sich oft mehr auf die Mutterschaft, indem er viele Szenen mit den Figuren der Mutter und ihrem kleinen Kind darstellte. Beispiele sind eine Mutter, die ihr Kind füttert („Die Cottage Madonna“, ca. 1870, Detroit Institute of Fine Arts) oder wäscht, eine Mutter mit einem schlafenden Kind in ihren Armen, oder wie sie ihr schlafendes Kind in der Wiege betrachtet. Manchmal sind mehrere Kinder involviert und die Mutter ist mit der Hausarbeit beschäftigt („Mütterliche Fürsorge“, 1890, Rijksmuseum Amsterdam). Nur ein einziges Mal nimmt der Vater an der Szene Teil („Die glückliche Familie“, Kelvingrove Art Gallery and Museum, Glasgow) und interessanter Weise nutzte Israëls hier die Komposition der Mutter und ihrer zwei Kinder aus „Ein Sonnenstrahl“. Die Stimmung der meisten dieser Interieurs ist recht heiter, was die Thematik offenbar erfordert. Nur in Gemälden, in denen die Grundfärbung ein kaltes Grau ist, klingt das Bild von Armut und Menschlichem Elend nach, wie in „Das schlafende Kind“ (1880-83, The Huntington Library, San Marino, CA). Dieuwertje Dekkers, Groningen Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 129 241 Christian Friedrich Gille Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden Zwei aus einem Trog fressende Pferde. Bleistift, mit weißer Kreide gehöht, auf braunem Papier (Wasserzeichen:[CANSO]N FRERES). 13,8 x 18,4 cm (5 ⅜ x 7 ¼ in.). Die Zeichnung wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). – [3013] € 400 – 600 242 August Kopisch Breslau 1799 – 1853 Berlin Der Gastwirt Martin Wessely in Josefstadt in Böhmen. Feder in Schwarzgrau auf Papier. 22,7 x 16,6 cm (8 ⅞ x 6 ½ in.). Unterhalb der Darstellung bezeichnet: Der Gastwirth Wessely in Josephstadt in Böhmen, wiegt 4 Ctnr 48 [Pfund] 15 kg (nach der Natur). Etwas gebräunt und fleckig. [3344] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Georg Ernst, Dresden-Weißer Hirsch € 400 – 600 $ 431 – 647 Wir danken Udo Kittelmann, Staatliche Museen zu Berlin, für freundliche Hinweise. Die Alte Nationalgalerie in Berlin wird im Jahre 2016 erstmals das Werk Kopischs mit einer Ausstellung würdigen. Vor allem in seinem Frühwerk hat der sagen- und legendenumwobene Kopisch diese liebevollen zeichnerischen Momentaufnahmen in seiner direkten Umgebung geschaffen. 130 Grisebach 06/2015 $ 431 – 647 243 Johann Adam Klein Nürnberg 1792 – 1875 München Die Königstraße in Nürnberg mit Blick auf St. Lorenz. Um 1822 Öl auf Leinwand. 20,3 x 26,8 cm (8 x 10 ½ in.). Auf dem Keilrahmen unten links mit Feder in Schwarz beschriftet: Nürnberg Königstrasse / St. Lorenz und Mauthalle / gemalt von Johann Adam Klein 1822. Kleine Retuschen. [3285] Gerahmt. € 6.000 – 8.000 $ 6,470 – 8,620 Der für die Kunst des frühen 19. Jahrhunderts in Süddeutschland bedeutende Maler, Zeichner, Radierer und Lithograf Johann Adam Klein wurde bereits früh aufgrund seines Talents künstlerisch gefördert. Er lernte ab 1805 beim Nürnberger Kupferstecher Ambrosius Gabler, der Klein zu einem strengen Naturstudium erzog und insbesondere dessen Fähigkeiten in der Tiermalerei erkannte. 1811 zog es Klein nach Wien, um an der dortigen Akademie zu studieren. In der k. und k. Residenzstadt zählten unter anderem der Graf von Metternich zu den Gönnern von Klein. Er war zudem bei dem weltberühmten Musik-, Karten- und Kunstverlag Artaria beschäftigt, für welchen er Landschaftsveduten anfertigte. Ab 1822 lebte Klein wieder in Nürnberg, wo er zahlreiche, mit hoher Präzision und Genauigkeit bestechende Grafiken und Gemälde der fränkischen Kapitale und ihres Umlandes schuf. Auf unserem Bild wählte der Künstler einen Standpunkt auf der Königstraße – einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Nürnberger Altstadt – zwischen Frauentor und der Lorenzkirche, die mit ihrer markanten gotischen Doppelturmfront im Bildhintergrund zu sehen ist. Klein befand sich auf Höhe der Klarissenklosterkirche. Ihr Ostchor schließt das Bild links komplett ab und rahmt mit der umgebenden Platzbebauung den Blick des Betrachters, der sich den unzähligen erzählerischen Details der Feinmalerei Kleins hingeben kann: Gerade rollt eine Postkutsche nach hinten durch das Bild, Spaziergänger gehen ihrem Tagwerk nach, einige Pferde rasten an einer Mauer, ein berittener Kürassier bildet den Blickfang des Bildvordergrundes. Unterhalb eines Kirchenfensters ist eine Händlerin in einem kleinen Laden dargestellt. Klein könnte dieses Detail als Anspielung auf die zu diesem Zeitpunkt (seit 1806) profanisierte Kirche St. Klara eingefügt haben, die bis 1845 als Lager- und Ausstellungshalle der Stadt diente. Mit seinem bestechenden Wirklichkeitssinn und seiner kunsthistorischen Stellung als Bindeglied zwischen Spätromantik und Realismus ist Klein ein wichtiges Beispiel für die verfeinerte Malkultur Nürnbergs im 19. Jahrhundert. Die helle, trockene Farbigkeit der Ölmalerei lassen Kleins frühe Ausbildung als Graphiker durchscheinen. Unsere Stadtvedute Nürnbergs mit ihren erzählerischen Reichtum atmet zudem den Geist der berühmten Stadtpanoramen der Malerfamilie Canaletto, an deren architektonischer wie malerischer Präzision sich Klein orientiert haben dürfte. (OS) Grisebach 06/2015 131 244 Jakob Alt Frankfurt a.M. 1789 – 1872 Wien Das Dürerhaus in Nürnberg. 1845 Aquarell auf Papier. 21,9 x 16 cm (8 ⅝ x 6 ¼ in.). Unten links signiert und datiert: J. Alt 1845. Rückseitig unten mit Feder in Schwarz beschriftet: Aus Brügge[!] von Jacob Alt gemalt / Sam[m]lung Gsell. Leicht gebräunt. Fest auf Karton montiert. [3088] € 1.000 – 1.500 $ 1,080 – 1,620 Mit ihrem Kapitel zu Albrecht Dürer hatten Wackenroder und Tieck in den viel gelesenen „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ um 1800 einen neuen Höhepunkt der Dürerverehrung eingeleitet. 1826 erwarb die Stadt Nürnberg, von den Romantikern als Stadt der „goldenen Zeit“ verherrlicht, Dürers langjähriges Wohn- und Atelierhaus. Zwei Jahre später wurde hier das erste deutsche Künstlermuseum eingerichtet. Die Wirk- und Arbeitsstätte des berühmten deutschen Künstler-Genies wurde zum beliebten Wallfahrtsort und Künstlertreffpunkt. Jacob Alt zeigt uns den malerischen Blick über den Tiergärtnertorplatz hinüber zum Dürerhaus und zum dahinterliegenden Torturm – aufgrund des erhaltenen alten Baubestands noch heute eine der schönsten Ansichten der Nürnberger Innenstadt. Topografisch präzise, subtil illuminierte Veduten, wie sie auch unser Blatt zeigt, gehören zu den künstlerischen Aushängeschildern des deutschösterreichischen Landschafts- und Architekturmalers. 245 Eduard Friedrich Pape 1817 – Berlin – 1905 „Schloßhof zu Quedlinburg“. Aquarell über Bleistift auf Papier. 22,8 x 27,5 cm (9 x 10 ⅞ in.). Unten rechts mit Bleistift betitelt und signiert: Schloßhof zu Quedlinburg Eduard Pape. Gebräunt, leicht fleckig. [3013] € 600 – 800 132 $ 647 – 862 Grisebach 06/2015 246 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin Regensburger Häuser. 1894 Bleistift, gewischt, auf Papier. 21 x 13 cm (8 ¼ x 5 ⅛ in.). Oben links monogrammiert, datiert und bezeichnet: A. M. / 94. Regensburg. Fest auf grauen Karton montiert. [3144] Gerahmt. Ausstellung: Adolph von Menzel, 1815–1905. Ausstellung von Gemälden, Gouachen, Pastellen, Zeichnungen. Berlin, Galerien Thannhauser, 1928, Kat.-Nr. 268 € 12.000 – 15.000$ 12,900 – 16,200 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Grisebach 06/2015 133 247 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin Junge Frau im Biedermeierkleid. (Vor) 1850 Aquarell auf leichtem Karton (Prägestempel: Bristol Paper). 17,9 x 14,8 cm (7 x 5 ⅞ in.). Auf einem unten angesetzten Stück desselben Kartons mit Feder in Braun bezeichnet: Rechnen Sie verehrter Freund ! der Kleinen ihr spätes Erscheinen nicht an, sie soll Ihnen dafür sagen, mit welchen Wünschen für Ihr Wohl-Ergehen und -Befinden ich heut zum Beginn 1850 an Sie denke. A. M. [3404] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Berlin € 20.000 – 30.000 $ 21,600 – 32,300 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung. Die Geschichte beginnt also damit, daß sich Adolph Menzel ein Buch ausleiht. Und daß ihn irgendwann das schlechte Gewissen plagt gegenüber dem Freund, der auf ihn warten muß. Und als Menzel dann also in den letzten Tagen des Jahres 1849 nach vorne blickt (was immer heißt, das man kurz im Rückspiegel schaut, ob alles frei ist), dann fällt ihm siedendheiß ein, daß er noch eine alte Rechnung begleichen muß. Und so setzt er sich also hin an Silvester oder am Neujahrstage, dem 1.Januar 1850, nimmt seine Aquarellfarben und legt los: Aus dem dunklen Loch der Erinnerung, in die das entliehende Buch gefallen war, lässt Menzel eine kleine Himmelsbotin treten, zeitgenössisch gekleidet und sich engelsgleich elegant bewegend, hält sie in ihrer Hand das fragliche Buch. Sicher lag es dem kleinen Bild bei, das Menzel dem Eigentümer als Entschuldigungsgruß beifügte – und dazu also die Zeilen: „Rechnen Sie verehrter Freund ! der Kleinen Ihr spätes Erscheinen nicht an, sie soll Ihnen dafür sagen, mit welchen Wünschen für Ihr Wohl-Ergehen und -Befinden ich heut zum Beginn 1850 an Sie denke. A.M.“ So also kann es kommen. Ein kleines Versäumnis wird Anlaß für große Kunst. Menzel lässt seine junge Botin so duftig und leicht aus den roten Aquarellfarben erwachsen, so schwebend und doch so real zugleich, daß es kein Wunder ist, daß er in seinen Zeilen nicht das Buch erwähnt, sondern nur die „Kleine“. Aber die wird es nicht sein, deren Rückgabe er verzögert hat. Sondern doch wohl das, was sie in der Hand trägt und was allein dadurch, wie sie es trägt, so zärtlich und doch so bestimmt, noch einmal neu geadelt wird. Menzel offenbart hier einen privaten Moment, einen Anflug von schlechtem Gewissen. Doch er begegnet ihn mit einem Höhenflug der Aquarellkunst. Das sollte man auch immer im Hinterkopf haben bei diesem großen Künstler, dem das Kissen bildwürdig blieb, auch wenn er Krönungen malte und den der eigene Fuß malerisch mindestens so interessierte wie ein Flötenkonzert von Friedrich dem Großen: daß es nur einen Funken brauchte, nur einen Blick, einen Gedanken, einen Sonnenstrahl oder einen Windhauch wie bei seinem legendären „Balkonzimmer“, um in ihm die Grundlage zu legen für ein bedeutendes Werk. Und daß sich bei ihm die Grenzen zwischen High und Low, Öffentlichem und Privaten, Auftrag und Spielerei, von Anfang an und bis zum Ende, aufs Schönste und Verwirrenste vermischten. (FI) 134 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 135 248 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin „Omnibus (Erinnerung)“. Um 1848 Pastell auf braunem Papier. 17,8 x 20,8 cm (7 x 8 ¼ in.). Links oben am Rand bezeichnet: Omnibus Erinn[erung]. Auf der Rückpappe das Rahmenmachers Edel-Büchel in Straßburg. Berieben, kleine Randmängel. [3342] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Prof. Dr. Georg Gerland, Straßburg (wohl nach 1875 erworben, bis 1919) und Prof. Dr. Heinrich Gerland, Jena (seitdem in Familienbesitz) € 40.000 – 60.000 $ 43,100 – 64,700 Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung In diesem ungewöhnlichen Bild begegnet sich in der zarten und empfindlichen Technik der Kreidezeichnung das vergangene 18. Jahrhundert mit der Prosa eines technikbestimmten neuen Jahrhunderts. Menzel hatte während der Arbeit an den friderizianischen Themen in den 40er Jahren begonnen, sich auch des Pastellmalens zu befleißigen und darin in einigen Kompositionen zu brillieren, etwa dem Aufbewahrungssaal der Gipsabgüsse im Alten Museum von 1848 (Berlin Kupferstichkabinett). Feinste Kreidezeichnungen entstanden aber vor allen, wenn er intime Beobachtungen aus seiner Umwelt im Bild festgehalten hat: Personen im Konzert, Männer, Frauen und Kinder, gesehen bei alltäglichen Verrichtungen, auch einige Porträts sind in farbiger Kreide entstanden. Hier im Bild nun trifft beides zusammen, die feine, altmodische Technik und Menzels große Leidenschaft, sein bis ins hohe Alter stets waches Interesse für alles Neuartige, jedwede als Fortschritt empfundene technische Neuerung. Bereits 1847 hatte er zum Beispiel das kleine Ölbild der Berlin – Potsdamer Bahn gemalt und darin festgehalten wie der Schienenstrang mit der dampfenden Lokomotive vor dem langen Zug die einst ungestörte Landschaft unerbittlich in großem Bogen zerschneidet. Die Novität des künstlerischen Sujets erkennend, hatte Hugo von Tschudi das Gemälde bereits 1899 für die National-Galerie erworben. Allerdings zeigt sich im vorliegenden Pastell dieser Fortschritt noch auf rätselvolle Weise beinahe idyllisch. Da sitzt eine Frau mit einem Kindchen im Arm auf einer Bank in der Ecke eines kaum näher definierten Raumes. Die Wand neben ihr ist oberhalb geöffnet durch ein quer oblonges Fenster mit einem Gitterschutz am unteren Rand, da wohl ohne Glas. Licht und Schatten im Ausblick sind nicht zu deuten. Der Mantel der Reisenden zeigt ein in dieser Zeit der 40er Jahre beliebtes Karo. Ihr Gesicht wird verdeckt von einer Schute. Mit ihren langen, seitlich herabfallenden Schleierteilen und dem von einer Schnur hinten zusammengezogenen Kopfteil, ist sie gleichfalls zeitgemäß. Damals wurde diese Art Schutenhut auch „Pamelahut“ genannt nach der Heldin eines berühmten 136 Romans des Engländers Richardson. Die Hand im auffälligen blauen Handschuh, die schützend auf dem Kind liegt sowie das Kinderbeinchen, das aus der Umhüllung einer wärmenden Decke hervor lugt, deuten auf Kälte, sind jedoch zugleich künstlerischer Blickfang, ein Verfremdungseffekt, der die scheinbare Idylle stört und hindeutet auf damalige Gegenwart, auf winterliches Leben in der Stadt Berlin. Dennoch, ließe sich heute schwerlich erkennen, daß Menzel hier einen Blick ins Innere eines Omnibusses getan hat, wenn er es nicht auf dem Blatt notiert hätte. Es war auch durchaus kein motorisierter Omnibus, sondern ein Pferdeomnibus. Berlin hatte ab Januar 1847 zunächst ein Netz von fünf Pferdebuslinien eingerichtet, so konnte man zum Beispiel vom Alexanderplatz zur Tiergartenstraße gelangen. Der Bus war letztlich ein schlichter Kasten mit Bänken entlang der Längswände, der von zwei Pferden gezogen wurde. Ein Fenster gab es wohl vorn und mehrere an den Seiten. Bis 1865 blieben diese Pferdeomnibusse innerstädtisches Verkehrsmittel. Mit fortschreitendem Jahrhundert hat Menzel dann mehr und mehr den beginnenden Eisenbahntourismus in seine Gegenwartsmotive einbezogen. Ließ er doch selbst nach den 50er Jahren keinen Sommer ohne weite Reisen in Deutschland vergehen. Er gehört neben einigen Engländern und Honorè Daumier zu den ersten Malern, die sich mit dem Sujet des Bahnreisens künstlerisch auseinander gesetzt haben. Seine Arbeiten sind weniger sozial determiniert als etwa Daumiers Lithographien und Gemälde der 50er Jahre von den Fahrgästen 3. Klasse, deren Komik immer ernste Dramatik beiwohnt. Menzel fesselt am Reisenden vielmehr das Psychologisch-Groteske seiner Erscheinung, die merkwürdigen Veränderungen, die sein Gehabe unter dem Zwang offenbart, der ihm auferlegt wird beim Zusammentreffen mit fremden Menschen in der Enge eines Abteils. Seinem schonungslosen Blick entgeht keine Entgleisung zivilen Benehmens, es wird im Bild fixiert als Symptom einer Entwicklung. Ein ungeniert gähnender Herr im Eisenbahncoupé (Berlin Kupferstichkabinett) ist die letzte im Jahr 1859 mit Pastellkreiden ausgeführte Arbeit. In Menzels Bildern wird der Wandel der Zeiten außer im Sujet auch in der Wahl der Mittel deutlich. Die anfänglich zart farbigen, leichten und lockeren Kreidetöne wandeln sich allmählich zu derberen Farbklängen, um Ende der 50er Jahre ganz von kräftigen, deckenden Gouachefarben abgelöst zu werden. Die hier vorliegende Arbeit der Frau im Omnibus gehört hingegen noch zu den seltenen und kostbaren Pastellen mit dem Flair der Biedermeierzeit. Menzel hat der fragilen Kreide-Technik nur eine kurze Zeit seines frühen Schaffens gewidmet. Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 137 250 Franz von Lenbach Schrobenhausen 1836 – 1904 München Otto Fürst von Bismarck. 1894 Öl auf Leinwand. Doubliert. 86,5 x 71 cm (34 x 28 in.). Oben links signiert und datiert: F. Lenbach 1894. Kleine Retuschen. [3239] Gerahmt. Provenienz: Um 1900 direkt beim Künstler erworben (seitdem in Familienbesitz) € 10.000 – 15.000 138 $ 10,800 – 16,200 „In dem politischen Raum, in dieser Nation, die Bismarck geschaffen hat, bewegen wir uns im Grunde noch immer. Wir leben in Institutionen, die er 1866 entworfen, und im Sozialstaat, dessen Grundstein er gelegt hat. Wenn wir uns mit Otto von Bismarck beschäftigen, dann verstehen wir Preußen und Deutschland im 19. Jahrhundert. Und wir werden ein Stück weiser für den Umgang mit unseren heutigen Problemen.“ (Wolfgang Schäuble). Grisebach 06/2015 251N Franz von Lenbach Schrobenhausen 1836 – 1904 München Otto Fürst von Bismarck. 1891 Öl auf Pappe. 84,6 x 69,9 cm (33 ¼ x 27 ½ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert: F. Lenbach. [3420] Gerahmt. Provenienz: F. Lindow (1891 als Geschenk des Künstlers erhalten) / Kunstsalon Rheinland, Berlin (bis 1917) / Privatsammlung, USA (im Kunstsalon Rheinland erworben, seitdem im Familienbesitz). Der erste Besitzer, F. Lindow war der Erzieher von Bismarcks Kindern und hat unser Bild im Jahre 1891 in Friedrichsruh als Weihnachtsgeschenk des Künstlers erhalten. Ausstellung: Kaiser-Friedrich-Museum, Posen (um 1917) € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Grisebach 06/2015 139 252 Wilhelm Leibl Köln 1844 – 1900 Würzburg „Zwei Frauenhände (ein Buch haltend)“. Um 1885/90 Öl auf Leinwand. Doubliert. 48,5 x 58 cm (19 ⅛ x 22 ⅞ in.). Unten rechts signiert: W. Leibl. Auf dem Keilrahmen ein Etikett der Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt. Waldmann 186. – Restauriert. [3398] Gerahmt. Provenienz: Nachlaß Wilhelm Trübner, Karlsruhe (spätestens 1914 bis 1917) / Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt (bis 2005) / Privatsammlung, Deutschland / Privatsammlung, Hessen Ausstellung: „Rein malerisch“. Wilhelm Leibl und sein Kreis. Würzburg, Museum im Kulturspeicher, 2013/14, Kat.-Nr. 96, mit ganzseitiger Farbabbildung 140 Literatur und Abbildung: Emil Waldmann: Wilhelm Leibl. Eine Darstellung seiner Kunst. Gesamtverzeichnis seiner Gemälde. Berlin, Cassirer, 1914, Kat.-Nr. 179, Abb. 154 / Versteigerungskatalog 1806 B: Nachlass Wilhelm Trübner. I. Teil: Eigene Gemälde, Arbeiten seiner Gattin Alice, Werke aus dem Freundeskreise. Berlin, Rudolph Lepke‘s Kunst-Auctions-Haus, 4.6.1918, Kat.-Nr. 206, ganzseitige Abb. Tf. 89 / Georg Jacob Wolf: Leibl und sein Kreis. München, Bruckmann, 1923, S. 80, m. Abbildung / Eberhard Ruhmer: Der Leibl-Kreis und die Reine Malerei. Rosenheim, Rosenheimer Verlagshaus, 1984, S. 39, Abb. 34 / Sonderauktion: Bilder aus der Sammlung Georg Schäfer I. München, Neumeister, 24.2.2005, Kat.-Nr. 54, m. Farbabbildung € 25.000 – 35.000 Grisebach 06/2015 $ 26,900 – 37,700 253 František Kupka Opočno 1871 – 1957 Puteaux Le couple. Um 1902 Tempera über Bleistift auf Karton. 34,5 x 31,5 cm (13 ⅝ x 12 ⅜ in.). Unten rechts (schwer lesbar) signiert: Kupka. Mit einer Bestätigung (in Kopie) von Pierre Brullé, Paris, vom 26. April 2002. – Kleine Farbverluste. [3495] Gerahmt. € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Grisebach 06/2015 141 254 Wilhelm Leibl Köln 1844 – 1900 Würzburg „Bauernmädchen mit weißem Halstuch“. 1897 Öl auf Mahagoni-Holz. 37 x 29 cm (14 ⅝ x 11 ⅜ in.). Oben rechts signiert und datiert: W. Leibl 97. Waldmann 242. – [3046] Gerahmt. Provenienz: Deutscher Kunstverein, Berlin (1897 erworben und verlost) / Dr. Alexander Lewin, Guben (spätestens 1930 erworben, ein Verkauf über E. Litthauer, Berlin, an die Galerie Heinemann, München, im April/Mai 1938 kam nicht zustande) / Deutsches Reich (spätestens im Frühjahr 1939 für das „Führermuseum“ in Linz erworben, Nr. 547) / Central Collecting Point (1945 übernommen, Property Card mü 11219) / Bundesrepublik Deutschland (1952 treuhänderisch aus dem Restbestand des CCP erhalten, 1966 als Dauerleihgabe an die Kunsthalle Bremen überwiesen; Inv.-Nr. 939–1966/21) / Erben nach Dr. Alexander Lewin (restituiert am 30.9.2009) Ausstellung: Wilhelm Leibl und sein Kreis [...]. München, Städtische Galerie im Lenbachhaus, 1974, Kat.-Nr. 38, m. ganzseitiger Abbildung / Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag. München, Neue Pinakothek, und Köln, Wallraf-Richartz-Museum, 1994, S. 484, Kat.-Nr. 162, m. ganzseitiger Farbabb. S. 485 / Die Kunsthalle Bremen zu Gast in Bonn. Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten. Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1997/98, S. 71f., Farbabb. S. 72 Literatur und Abbildung: Georg Gronau: Leibl. Bielefeld und Leipzig, Verlag von Velhagen & Klasing, 1901 (= KünstlerMonographien, hrsg. v. H. Knackfuß. Bd. L), S. 59, Abb. 52 („Bauernmädchen“), u. S. 64f. / Emil Waldmann: Wilhelm Leibl. Eine Darstellung seiner Kunst. Gesamtverzeichnis seiner Gemälde. Berlin, Cassirer, 1914, Kat.-Nr. 235, Abb. 205 / Katalog der Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts in der Kunsthalle Bremen. Bearb. v. Gerhard Gerkens und Ursula Heiderich. Bremen 1973, Textband S. 178, Abbildungsband Abb. 232 / Günter Busch und Jürgen Schultze: Meisterwerke der Kunsthalle Bremen. Bremen 1973, Kat.-Nr. 159, m. Abb. / Günter Busch: Kunsthalle Bremen. Braunschweig 1980 [Reihe „museum“], S. 91, Abb. S. 87 / Eberhard Ruhmer: Der Leibl-Kreis und die Reine Malerei. Rosenheim, Rosenheimer Verlagshaus, 1984, S. 109 u. S. 401, Nr. 175, m. ganzseitiger Abb. S. 294 / Siegfried Salzmann (Hg.): Kunsthalle Bremen. Eine Auswahl der Hauptwerke. Bremen 1989, S. 61, m. Farbabb. / Kunsthalle Bremen. Verzeichnis sämtlicher Gemälde. Bearb. v. Andreas Kreul. Wiesbaden 1994, Kat.-Nr. 616 / Wulf Herzogenrath und Ortrud Westheider: Kunsthalle Bremen. Picture Gallery, Print Room and New Media. (Paris?) Musées et Monuments de France, 1998, S. 77, ganzseitige Farbabbildung S. 76 / Kunsthalle Bremen, Band I: Meisterwerke. Gemälde, Skulpturen und Neue Medien. Bremen 1998, unpag., mit einem Text von Andreas Kreul und ganzseitiger Farbabbildung / Birgit Schwarz: Hitlers Museum. Die Fotoalben „Gemäldegalerie Linz“: Dokumente zum „Führermuseum“. Wien/Köln/Weimar, Böhlau Verlag, 2004, S. 312, Bd. XII (verschollen), Nr. XII/35 € 200.000 – 300.000 $ 216,000 – 323,000 142 Max Liebermann, der wichtigste deutsche Maler seiner Generation, ist 1878 ausdrücklich wegen Wilhelm Leibl nach München übergesiedelt. Für Julius Meier - Graefe, den einzigartigen Kritiker, Gelehrten und Schriftsteller, ist Leibl „der Bildnismaler der neueren Zeit, der größte seit Rembrandt“ gewesen, und sogar van Gogh wusste die Kunst seines Zeitgenossen zu rühmen. Mit der Erinnerung an diese drei Zeugen für den hohen Rang Leibls und eigenem Anschauungsvermögen ist auch das Bauernmädchen zu würdigen. Leibl hat hier seine junge Köchin Theresia Haltmaier porträtiert, als er im oberbayrischen Kutterling lebte, seit 1892. Sie wurde von ihm mehrfach als Modell in Malerei und Zeichnung genutzt, etwa für Küchenszenen, sodaß sie bald „Malresl“ hieß. Nur Modell ist sie hier allerdings nicht gewesen, auch handelt es sich nicht um eine Studie, vielmehr um ein selbständiges Porträt. Das Mädchen ist sehr nahe genommen und als Brustbild gegeben, sitzend, etwas von oben, ein wenig aus der Vorderansicht gewendet und darüber hinaus den Kopf leicht geneigt. Diese Neigung verstärkt die ernste, sogar traurige Miene, aber die Haare sind straff nach hinten gezogen, das Halstuch energisch geknotet, die Unterlippe mit einem Anflug von Trotz vorgeschoben, sodaß nicht nur ein einziger Charakterzug zur Wirkung kommt, sondern letztlich ein komplexes Verhältnis aus Empfindsamkeit und Willensstärke entsteht. „Von jeher war mein einziges Streben und wird es auch künftig bleiben“, hat Leibl an den Freund und Biographen Julius Mayr über seine Menschendarstellung geschrieben, „auf die Feinheiten, welche nur die Natur bietet, so genau wie möglich einzugehen und sehe darin auch nur den einzigen Weg, welcher der Kunst würdig ist.“ Wilhelm Leibl, geboren in Köln 1844 und gestorben 1900 nach Jahren in München, Paris und wechselnden Orten in Oberbayern, hat das Gemälde verhältnismäßig spät geschaffen. Das „Bildnis der Mina Gedon“, die „Drei Frauen in der Kirche“, die sogenannten „Dorfpolitiker“ und die „Wildschützen“ lagen bereits zurück. Schon früh hat Leibl Anerkennung von Courbet wie überhaupt in Paris, aber auch von deutschen Zeitgenossen erhalten, von denen einige den LeiblKreis bildeten. Man wußte, hier zeigt sich ein Künstler von hohem Rang, der die Konventionen der Zeit beiseite ließ und aus enger Beziehung zur Natur die Menschen im Reichtum ihrer Individualität darzustellen vermochte – ganz sachlich. Solche aus dem unmittelbaren Verhältnis zur Natur gewonnene Sachlichkeit war seit der Mitte des Jahrhunderts in Europa langsam zur Wirkung gekommen und wurde dann folgenreich über das Jahrhundert hinaus. Es ist eine neue bürgerliche Kunst in der Nachfolge der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Wilhelm Leibl ist einer ihrer bedeutendsten Vertreter. Das holländische Erbe sieht man dem Bauernmädchen nicht nur in der Auffassung an, sondern auch in der Malweise. In großzügigem Pinselduktus sind der grünblaue Hintergrund, die graue Bluse und das weiße Halstuch gemalt, sodaß man an Frans Hals erinnert wird, aber die kleinteiliger gesetzten Striche des Borstenpinsels im Gesicht und dessen plastische Modellierung durch Licht wie Schatten lassen an manche Werke Rembrandts denken. Mit dessen Menschen haben die Menschen Leibls auch den ernsten Ausdruck gemein. Beide Holländer hat der Nachfahre sehr geschätzt, ohne daß er in solcher Wertschätzung zum bloßen Nachahmer geworden wäre. Ihm sind die jüngeren Tendenzen ebenfalls nicht verborgen geblieben, die sich im Verzicht auf Erdfarben und in einer lichteren Palette zeigten. Dergleichen macht sich in der Kunst Leibls seit etwa 1890 bemerkbar und ist dem Bauernmädchen in der Farbigkeit selbst dunkler Partien wie im leuchtend-frischen Inkarnat des Gesichtes anzusehen. So haben wir es hier insgesamt mit einem charakteristischen, reichen und schönen Werk der Bildniskunst von Wilhelm Leibl zu tun, zugleich mit einem der verhältnismäßig seltenen Porträts aus der Spätzeit. Christian Lenz, München Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 143 255 Adolph Menzel Breslau 1815 – 1905 Berlin damals schriftliche Verhaltensregeln bei einer Bitterwasserkur ausgearbeitet – und zwei selbst gejagte Schnepfen vorbeigebracht, weil Menzel bekannt hatte, noch nie Wildbret gegessen zu haben. Menzel hatte sich mit einem Schnepfen-Bildchen bedankt, denn er hatte die Vögel zuerst gemalt und dann verspeist. „Im Peterskeller zu Salzburg“. 1888 Gouache auf leichtem Karton, auf Karton aufgezogen. 20,4 x 26,9 cm (8 x 10 ⅝ in.). Unten rechts mit Feder in Braun signiert und datiert: Adolph Menzel Jan. 1888. Oben rechts mit Widmung bezeichnet: Herzlichste Wünsche zum 70ten.! Familie Krigar=Menzel 16 Januar 88. Auf der Rückpappe Etiketten der Ausstellungen Berlin und Leipzig 1905 sowie Berlin 1928 (s. u.). Tschudi 665. – [3125] Gerahmt. Provenienz: Geh. Sanitätsrat Friedrich Körte, Berlin (1888–1914) / Galerien Thannhauser, Berlin (1928) / Dr. Günther Quandt, Bad Homburg / Harald Quandt, Bad Homburg (1954 von seinem Vater Günther Quandt geerbt, bis 1967) / Privatsammlung, Berlin Ausstellung: Ausstellung von Werken Adolph von Menzels. Berlin, Königliche National-Galerie, 1905, II. Auflage, Kat.-Nr. 5703 / Adolph Menzel. Sonderausstellung zum Gedächtnis des Meisters. Leipzig, Leipziger Kunstverein, im Museum der Bildenden Künste, 1905, Kat.Nr. 170 / Adolph von Menzel, 1815–1905. Ausstellung von Gemälden, Gouachen, Pastellen, Zeichnungen. Berlin, Galerien Thannhauser, 1928, Kat.-Nr. 120 / Adolph von Menzel. Aus Anlaß seines 50. Todestages. Berlin, Museum Dahlem (ehem. Staatliche Museen Berlin, National-Galerie), 1955, Kat.-Nr. 135 (dort irrtümlich Herbert Quandt als Besitzer angegeben) Literatur und Abbildung: Marie Ursula Riemann-Reyher: Adolph Menzels Blick auf Salzburg. Eindrücke von 1852–1901. In: Wolfram Morath (Hrsg.): Sommerreisen nach Salzburg im 19. Jahrhundert. Ergebnisse eines interdisziplinären Symposiums, Berlin, 27. bis 29. Oktober 1994. Salzburg, Carolino Augusteum, 1998 (= Jahresschrift 43/44), S. 170, Anm. 19 / Claude Keisch und Marie Ursula Riemann-Reyher (Hrsg.): Adolph Menzel, Briefe. 1830 bis 1905. 4 Bände. Berlin, Deutscher Kunstverlag, 2009, hier Bd. 2, S. 835 € 50.000 – 70.000 $ 53,900 – 75,400 Es gehörte zu den liebenswürdigen Eigenschaften Adolph Menzels, dass er seine Familie, Freunde und vertraute Personen zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten mit ganz persönlichen, meist ausgesprochen originellen Bildergeschenken überraschte. Bis ins hohe Alter – er war in Berlin „selbst schon historisch geworden“, so ein Zeitgenosse – wurde der von Außenstehenden oft als kauzig beschriebene Künstler nicht müde, auf diese Weise bestimmten Personen seine Wertschätzung auszudrücken. Eine solche Gelegenheit, oder in diesem Fall ein solcher Anlaß, war der 70ste Geburtstag seines Hausarztes und Freundes Friedrich Körte. Körte, geboren 1818 und somit fast im gleichen Alter wie Menzel, war ein Großneffe des Dichters Ludwig Gleim. Seit 1850 war er mit Anna Thaer verheiratet, Enkelin des bedeutenden Agrarwissenschaftlers Albrecht Thaer. Als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer führte Körte eine ausgesprochen gut gehende Praxis in Berlin: seine Patienten waren u.a. die Familien Krupp, Borsig und von Siemens. Menzel und Körte kannten sich spätestens seit den frühen 1860er Jahren. Körte hatte für Menzel 144 Ob auch unser Aquarell auf einem gemeinsamen Erlebnis basiert, ist bisher nicht zu belegen. Denkbar wäre es und es würde zu Menzel passen. Das Salzkammergut und die Mozartstadt waren Menzel jedenfalls vertrauter als manch andere Gegend. Auch das Gasthaus, in dem die Szene spielt, kannte er offenbar recht gut. Schon 1852 hatte Menzel im Rahmen einer große Sommerreise nach Süddeutschland und u.a. Salzburg ein Pastell ausgeführt, das er mit „Philister-Stiftskellerei der Benediktiner in Salzburg“ beschriftete (Berlin, Kupferstichkabinett). Es zeigt zechende Männer im Peterskeller. Nachdem er 1871 erneut in der Stadt war, schrieb er seinem Schwager von der angenehm gemischten Gesellschaft in jenem großzügigen und traditionsreichen Restaurant (A. Menzel an H. Krigar, Wien, 10. August 1871). Tatsächlich gibt es den Peterskeller in Salzburg, der eigentlich Stiftskeller St. Peter heißt, noch heute. Es ist das älteste Gasthaus der Stadt (einige Stimmen flüstern, es sei das älteste Restaurant Europas). Bereits 803 wurde das ursprüngliche Gästehaus der Benediktinermönche erstmals von einem Gefolgsmann Karls des Großen erwähnt, 1300 von einem Mönch beschrieben. (Woher selbst Faust von dem Gewölbelokal gewusst haben soll, bleibt unklar. Vielleicht hat ihm Goethe von dem guten Wein erzählt. Menzel hätte das Wissen um eine solche Legende, wenn es sie denn wirklich gibt, jedenfalls bestimmt gefallen). Unser Aquarell gewährt uns einen intimen Einblick in einen nicht näher bestimmten Raum des Gasthauses, an einem Abend unter Freunden zu fortgeschrittener Stunde. Im Bildentrum sitzt – im Profil nach links – ein etwas beleibter grauhaariger Mann mit gepflegtem Bart, dunklem Gehrock und hellgrauer Hose auf einem Bauernstuhl an einem einfachen Holztisch. Es ist höchstwahrscheinlich der Jubilar Friedrich Körte. Sein wachträumender, starrender Blick verrät, dass seine Gedanken die vertraute Runde längst verlassen haben – die geröteten Wangen und Nase, daß das Bier in seiner Hand nicht das einzige an dem Abend war. An Körtes Tisch sitzen zwei weitere Personen etwa im gleichen Alter wie Körte, vielleicht ein befreundetes Ehepaar, nebeneinander an der Wand. Sie trägt eine etwas matronenhafte, zurückhaltend gemusterte weiße Bluse, streng nach hinten gebundene Haare und Perlenohringe. Ihre wachen, Vertrautheit ausstrahlenden Augen sind auf den Mann an ihrer Seite gerichtet, dem sie offenbar etwas mitteilen möchte, der ihr aber nicht zuhört. Auch er, wahrscheinlich ihr Gatte, ist süddeutsch oder im ländlichen Trachtenstil der Gegend gekleidet. Anstatt mit seiner Frau versucht er mit einer Person außerhalb der Runde Kontakt aufzunehmen – und blickt uns dabei an. Menzel hat ihn so hinter dem raumeinnehmenden Körte platziert, daß er sich strecken muss, um mit ins Bild gelangen und unsere Aufmerksamkeit erhaschen zu können. Auf eine wunderbar skurrile und für Menzel typische Weise bildet er (scheinbar zufällig) gerade dadurch eine Einheit mit dem stoisch abgewandten Jubilar – erscheint wie dessen Alterego, das, genau um 90° gedreht, frontal und uns zugewandt hinter Körte auftaucht. Im Gegensatz zum städtisch gekleideten Körte, der seinen vornehmen grauen Hut neben sich auf dem Stuhl abgelegt hat, sitzt seine jagdgrüne Kopfbedeckung mit Gamsbart fest auf seinem Kopf. Statt der Zigarre steckt eine Pfeife in seinem Mund. Es sind noch mindestens zwei weitere Personen im Raum. Hinter Körte, vom rechten Bildrand angeschnitten, sitzt eine dunkelhaarige, behütete Frau mit weißer Spitzenbluse und beigefarbenem Grisebach 06/2015 Mantel. Sie ist – ebenfalls ein vertrautes Menzelmotiv – kurzfristig eingenickt. Ihr Kinn ist leicht auf die Brust gesunken, ihre Hutkrempe verschattet ihr Gesicht, die Hände liegen in ihrem Schoß. Es ist recht wahrscheinlich, dass es sich um Körtes Ehefrau, Anna Thaer, handelt. Auch sie ist städtisch elegant gekleidet. Obwohl sie sich offenbar schon aus der Runde verabschiedet hat, verharrt sie liebevoll-geduldig neben ihrem Mann - trotz ihrer Müdigkeit vornehm Haltung bewahrend (man möchte glauben, daß ihr Kopf jeden Moment auf die vor ihr geradezu dazu einladende Tischkonsole sinken muß). Diese Bewegungsrichtung des müde in sich Zusammensinkens wird von der letzten Person im Raum noch unterstrichen. Sie ist Frau Körte in der Diagonale zugeordnet und wird ebenfalls vom (nun linken) Bildrand abgeschnitten. Es ist ein Kellner, und damit die einzige außenstehende Person. Er betritt aus der linken Ecke kommend den Bildraum. Seine durchwühlten Haare, seine müden Augen und seine leicht nach vorne kippende Haltung weisen erneut auf einen bereits langen Abend hin. Bildkompositorisch bildet der Kellner den Anfangs- und den Schlussstein. Aus Menzels Aquarell spricht eine ausgesprochene Vertrautheit und Nähe zu dieser kleinen Versammlung unter Freunden. Er wählt, was bezeichnend für ihn ist, weder den Moment des Zusammentreffens, noch des feierlichen Hochlebens des Geburtstagskindes. Im Gegenteil hat der Abend seinen Höhepunkt längs überschritten. Jegliche gesellschaftlichen und Benimmregeln sind von dem Gastgeber als auch den (übrig gebliebenen) Gästen ad acta gelegt worden. Unser Aquarell stellt erneut Menzels ebenso geniale wie feine Beobachtungsgabe, sein bildkompositorisches Talent und (nicht zuletzt) sein malerisches Können vor. Jede seiner Figuren ist anders geneigt und aus einem anderen Blickwinkel gezeigt, sie reden noch nicht einmal miteinander, keine ihrer Blicke treffen sich - und doch sind sie in einem harmonischen Rhythmus miteinander vereint, es dürfte keiner von ihnen fehlen. Haltung und Ausdruck eines jeden Einzelnen sprechen Bände. Zugleich widersteht Menzel der Gefahr, zu illustrativ, zu kleinteilig, zu genau zu werden. Er zeigt sich als Maler und das Malerische ist es auch, was den besonderen Reiz des Blattes ausmacht. Das weiße Lampenlicht - für das er offenbar einen Faible hatte, schon in der kleinen Ölstudie „Abendgesellschaft“ (1846/Nationalgalerie) steht es im Mittelpunkt – sucht sich spielerisch seinen Widerschein auf den Körpern und Möbeln. Stoffe, Stofflichkeit und überhaupt Oberflächen scheinen immer wieder ein rein malerisches Eigenleben zu entwickeln (etwa bei der Kleidung, beim Hut von Frau Körte oder beim geschulterten Tuch des Kellners). Nichts ist statisch, alles scheint lebendig und in ständiger Metamorphose. So auch der Stuhl im Vordergrund – wir kennen dieses Motiv bereits aus anderen Bildern des Künstlers –, auf dem Körte seinen Hut abgelegt hat. Er scheint uns aus dem Betrachterraum geradezu entgegenzukippen, käme nicht zufällig der Kellner um die Ecke. Die Aufmerksamkeit, mit der Menzel seine Komposition angelegt hat, machen zwei Vorstudien mit Farbproben deutlich, die sich im Berliner Kupferstichkabinett erhalten haben: das eine Blatt zeigt den Kellner, das andere – in leicht abgewandelter Form – die eingenickte Frau (Körte). Menzel selbst mag mit dem Ergebnis zufrieden gewesen sein, wie die großzügige Widmung und seine charakteristische Signatur nahelegen. Sie machen dieses kostbare Bildergeschenk zu einem Unikat, so unverwechselbar wie Menzels Kunst selbst. (AA) Grisebach 06/2015 145 256 Hermann Daur (Lörrach-) Stetten 1870 – 1925 (Weil am Rhein-) Ötlingen „Vor den Bergen“. 1908 Öl auf Leinwand. 54 x 85 cm (21 ¼ x 33 ½ in.). Unten links signiert und datiert: H. DAUR. 08. [3126] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt a.M./ Schönstadt (um 1908 erworben, seitdem in Familienbesitz) Literatur und Abbildung: Hermann Eris Busse: Hermann Daur. Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, II. Auflage 1927, S. 106 (irrtümlich im Verzeichnis der nicht datierten Gemälde), Abb. S. 65 € 5.000 – 7.000 146 $ 5,390 – 7,540 Was für ein ungeheures Bild – eigentlich sieht man nur einen baumbestandenen Abhang in der Schwäbischen Alb. Und doch spürt man sofort viel mehr – es ist gemalter Jugendstil, in seinen weichen, fließenden Formen, doch eben ein Jugendstil, der – sehr ungewöhnlich – ganz ohne Figuren und ohne Ornament auskommt. Genauso wenig fassbar und doch eindeutig spürbar ist ein leichter Japonismus, eine Vorliebe für die harten Linien des japanischen Holzschnitts, der in der Zeit um 1900 Europa in seinen Bann schlug und der sich in den scherenschnittartigen Baumsilhouetten ausdrückt. Dieser Vorfrühlingstag auf der Schwäbischen Alb, der dem Autor der Monographie von 1927 nicht im Original bekannt war und sich weitere neunzig Jahre in Familienbesitz befand, läßt uns einen neuen Blick auf den baden-württembergischen Maler Hermann Daur werfen. Er darf ohne Übertreibung als eines seiner Hauptwerke gelten. Grisebach 06/2015 257 Max Klinger Leipzig 1857 – 1920 Großjena b. Naumburg stück übergeht. Im linken Bildhintergund sind einige große Solitärbäume mit rötlicher Laubfärbung zu erkennen. Die tiefe Horizontlinie, typisch für die flache Szenerie der Leipziger Region, vermittelt zum zwei Drittel des Bildes einnehmenden Himmel. Detaillierter herausgearbeitet sind die Bäume im Bildmittelgrund und deren buntes Herbstlaub. Klinger gelang es eindrucksvoll, die Lichtstimmung eines zu Ende gehenden Oktober- oder Novembertages einzufangen und somit seine Qualitäten als Landschafter unter Beweis zu stellen. Weg im Park. Um 1890/1900 Aquarell über Bleistift auf genarbtem Papier. 27,6 x 38,2 cm (10 ⅞ x 15 in.). Unten links monogrammiert: M K. Rückseitig: Studie eines gotischen Kirchenportals. Bleistift (Hochformat). [3413] Gerahmt. € 4.500 – 5.500 $ 4,850 – 5,930 Neben den graphischen Landschaftsdarstellungen und jenen in Öl existieren eine ganze Reihe von gezeichneten Landschaften in Klingers Œuvre, zumeist Aquarelle mit Tusche und Bleistift. Diese Zeichentechnik und der Blick Klingers in die natürliche Umwelt lassen sich bis in die Jugendjahre des Meisters in den 1870er Jahren zurückverfolgen. Schon bei dem Münchner Aquarell „Flußufer“ (1877, Staatliche Graphische Sammlungen) finden wir diese erfrischende Kombination, die eine eher unbekanntere Seite des Symbolisten zeigt: Den spontanen Zugang zur Natur, eine lichtdurchfluchtete Farbgebung, eine malerischere Grundhaltung und eine zunehmende Auflösung der Form gegenüber dem ansonsten die Tektonik und Linie so betonenden Klinger. Vermutlich handelt es sich bei unserem Bild um ein Stück aus den 1890er Jahren, denn im Spätwerk des Künstlers tauchen zu diesem Zeitpunkt „vor allem Landschaftsaquarelle auf“, wie Hildegard Heyne schon 1925 in ihrer Anthologie zu Klinger feststellte. Auch unser Werk, welches einen herbstlichen Waldesrand mit einem Feldweg und einer vorgelagerten Wiese zeigt, hat diese Qualitäten der Klinger’schen Aquarellkunst. Vermutlich fand Klinger das Motiv dafür in der näheren Umgebung seiner Wirkungsstätte Leipzig. Mit wenigen breiten Pinselstrichen füllt Klinger den Vordergrund des Bildes, der rechts in einen diagonal verlaufenden Weg und dahinter in ein Wald- Von besonderem Interesse ist auch die Rückseite des Landschaftsaquarells (Abb. im Online-Katalog). Sie zeigt eine skizzenhafte Bleistiftstudie eines gotischen Kirchenportals sowie mehrere Inschriften. Oben befindet sich die Künstlersignatur mit der Ortsangabe „Leipzig“ und rechts daneben die Echtheitsbestätigung durch Otto Körtge, festgestellt am 10. Februar 1917 in Leipzig. Klinger feierte in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag und wurde mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet. In welchem Zusammenhang Klingers Architekturskizze – ein seltenes Exempel für dieses Genre in seinem Werk – mit dem Landschaftsaquarell und der Beglaubigung durch Körtge steht, kann nicht abschließend gesagt werden. Vermutlich handelt es sich dabei, wie auch bei der Vorderseite, um eine Reisestudie Klingers, die einen spontanen Eindruck für die Erinnerung festhalten sollte. Aufgrund der architektonischen Details, der Gliederung des Portals und des angedeuteten Skulpturenprogramms könnte es sich hierbei um den nördlichen Seiteneingang des Erfurter Doms handeln. Das scheint auch insofern plausibel, da sich Erfurt nur rund 80 Kilometer von Klingers Landsitz in Großjena bei Naumburg befindet, den er ab 1903 regelmäßig bewohnte. Als Einheit betrachtet stellen das Landschaftsaquarell und die Architekturzeichnung ein ungewöhnliches und einzigartiges künstlerisches und historisches Zeugnis für die Schaffensweise des Künstlers und dessen technische wie thematische Bandbreite dar. (OS) Grisebach 06/2015 147 258 Franz Xaver Simm Wien 1853 – 1918 München Wasser, Schilf und Wiese (Studie). Öl auf Leinwand auf Pappe aufgezogen. 21,3 x 31,8 cm (8 ⅜ x 12 ½ in.). Unten rechts mit Pinsel in Rotbraun signiert: F SIMM. Rückseitig mittig Nachlaßstempel in Sepia mit handschriftlichem Eintrag (Nummer und Unterschrift in schwarzer Feder): Original von Franz Simm No III 48. bestätigt von: Elsa Simm. [3157] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Nachlaß des Künstlers € 2.000 – 3.000 259 Der Wiener Künstler Franz Xaver Simm hat sich vor allem als Maler kleiner Genrebilder und als Illustrator – z. B. der „Fliegenden Blätter“ und von Goethes „Faust“ – einen Namen gemacht. Landschaftsdarstellungen kommen in seinem Œuvre dagegen ausgesprochen selten vor. Thema unserer Ölskizze sind pittoresk geknickte, nahsichtig aufgenommene Schilfstangen am Rande eines Gewässers. Das klare Blau der fast ungestalteten Wasserfläche kontrastiert ebenso wie das flächig aufgetragene Hellgrün der Wiese mit den Brauntönen der abgestorbenen Halme. Frühlingsfarben treffen hier auf Wintertöne, vielleicht in den Isarauen Münchens? (SW) $ 2,160 – 3,230 Friedrich Voltz Nördlingen 1817 – 1886 München Höhleneingang. Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 34 x 41,5 cm (13 ⅜ x 16 ⅜ in.). Unten rechts signiert: F. Voltz. [3047] Gerahmt. € 1.200 – 1.500 148 $ 1,290 – 1,620 Grisebach 06/2015 260 Toni (Anton) von Stadler Göllersdorf/Niederösterreich 1850 – 1917 München Alm vor zwei Berggipfeln. 1899 Öl auf Leinwand. 51,5 x 59,5 cm (20 ¼ x 23 ⅜ in.). Unten rechts signiert und datiert: T. Stadler. 99. [3047] Gerahmt. € 5.000 – 7.000 $ 5,390 – 7,540 Dies ist ein nur auf den ersten Blick unscheinbares Bild, denn eigentlich geschieht etwas Revolutionäres. Wie die Maler der Romantik die müde gewordene Vedutenmalerei des Klassizismus überwanden, in dem sie die Landschaft durch ihr Naturstudium vitalisierten und zugleich mit Stimmungen aufluden – so musste wiederum zwei Generationen später die Spätromantik, die sich immer häufiger in Alpenglühen und kitschiger Naturwehmut erschöpfte, überwunden werden. Genau an diesem Punkt setzt das Bild von Toni Stadler an – und zwar, in dem es radikal die Perspektive verändert. Als ließe der Künstler das gefährliche (weil gefällige) Motiv des Gipfels, der seit Caspar David Friedrichs „Watzmann“ das ganze neunzehnte Jahrhundert als Symbol bestimmt hatte, im Erdboden versinken. Er wählt dafür eine extreme Untersicht, durch die der Gipfel zum Zipfel wird, zu einer Idee vom Berg nur, der – ähnlich wie eine Verhüllung von Christo – gerade dadurch die Erinnerung an das Verschwundene mobilisiert. Die radikale Modernität dieses Landschaftsbildes ergibt sich daraus, daß es nicht aus einem klassischen, bewusst gewählten Blickwinkel in idealer Position entstanden ist, sondern wirkt wie ein zufälliges Standbild aus einer Kamera, die der Maler bei seiner Wanderung durch die Berge auf seinem Hut trägt. So entsteht ein Bild, das die extremen Verzerrungen von Höhe und Weite, von Entfernung und Nähe, die der Weg durch die Berge an jeder Biegung mit sich bringt, zum Motiv macht. So sehen wir vor uns einen Schnappschuß – und zugleich ein Bild von größter Delikatesse, denn die Alm im Vordergrund mit ihren verschiedenen hellen Grüntönen ist natürlich neben aller Kühnheit der Komposition ein Fest der Malerei. (FI) Grisebach 06/2015 149 261 Josef Selleny Meidling b. Wien 1824 – 1875 Inzersdorf b. Wien Tee-Garten in Shanghai. 1858 Aquarell über Bleistift und Kohle auf Bütten (zweiteilig). 32,6 x 49,5 bzw. 31,4 x 47 cm (12 ⅞ x 19 ½ bzw. 12 ⅜ x 18 ½ in.). Jeweils unten rechts mit Bleistift monogrammiert (ligiert), datiert und betitelt: JS 31 July Shang Hai. Jeweils unten links auf chinesisch betitelt. Unten rechts mit den Nachlaßnummern(?) beschriftet: 646 bzw. 647. Nicht bei Popelka. – Blatt 1: Am rechten Rand aus einem Zeichenblock gerissen. Blatt 2: Etwas unregelmäßig gebräunt. [3011] Provenienz: Nachlaß des Künstlers, Wien / Ehemals Privatsammlung, Österreich Literatur und Abbildung: LXVIII. Kunst-Auction. Wien, C. J. Wawra, im Künstlerhaus, 29.2. ff. 1884(?) € 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900 offenbar auch Alexander von Humboldt empfahl. Die berühmte, wissenschaftliche Weltumsegelung von 1857-1859 wurde ausgiebig dokumentiert und erschien zwei Jahre nach Rückkehr der Mannschaft als Reisebeschreibung in drei Bänden, die zu einem der größten Buch-erfolge des Jahrhunderts wurde. Selleny selbst trug die Leitung für die Holzschnitt Illustrationen, die auf seinen Studien basieren. Rund 2000 Reiseskizzen fanden sich im Nachlaß des Künstlers. Das hier dargestellte Teehaus Huxinting (Pavillon im Herzen des Sees) wurde 1559 von Pan Yunduan, einem hohen Beamten der Ming-Dynastie, als Teil der großen Parkanlage Yu-Garten errichtet. Erst im Jahre 1855, während der Qing-Dynastie, wurde der Pavillon zum ersten Teehaus der Stadt umgebaut. Dieses berühmte Wahrzeichen der Altstadt Shanghais erreicht der Besucher über eine Zickzack-Brücke, welche böse Geister abhalten soll. (MZ) Variante des gleichnamigen, ebenfalls am 31.7.1858 entstandenen zweiteiligen Aquarells (Popelka 670), das die Nachlaßnummer 648 trägt (Heeresgeschichtliches Museum, Wien, Inv.-Nr. MI 2222). „Der ehrfurchtsvoll Gefertigte, der bereits mehrere wenn auch nicht so grosse Reisen gemacht, glaubt die zu diesem Zwecke nöthigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, so wie auch die Gewandtheit zu besitzen, um die bey dieser Reise vorkommenden, interessanten, karakteristischen und schönsten Bilder (...) zu machen.“ (Liselotte Popelka: Ein Österreichischer Maler segelt um die Welt, Anhang I, S. 74). So empfiehlt sich der mit Akademiepreisen ausgezeichnete österreichische Maler Joseph Selleny dem Marineoberkommandanten Erzherzog Ferdinand Max um Aufnahme in die Novara-Expeditionsmannschaft, für die ihn 150 Grisebach 06/2015 262 Erich Kips 1869 – Berlin – 1945 Der Himmelstempel in Peking. 1920er Jahre Öl auf Karton. 34,8 x 49,8 cm (13 ¾ x 19 ⅝ in.). Unten rechts signiert: ERICH KIPS. Kleine Retuschen. [3011] € 7.000 – 9.000 $ 7,540 – 9,700 Bereits vor der Jahrhundertwende galt der in Karlsruhe und Paris ausgebildete Berliner Maler Erich Kips als weitgereister Mann. Als junger Maler wurde er 1893 mit der Ausschmückung mehrerer Innenräume auf der Weltausstellung in Chicago beauftragt, was er zum Anlass ausgedehnter Reisen nahm, die er im Rahmen einer dreijährigen Studienreise durch Italien auch in Europa fortsetzte. Als Maler und Illustrator ließ er sich in seiner Heimatstadt nieder, wo seine Arbeiten regelmäßig auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt wurden. Der hier dargestellte Himmelstempel auf seiner großartigen Marmorterrasse ist noch heute eines der bekanntesten Wahrzeichen Pekings. Die Tempelanlage diente sowohl den Kaisern der Ming- und wie der Qing-Dynastien als Gebetsort für eine jährliche gute Ernte. Auch nach mehrfachem Wiederaufbau entspricht seine Form und Farbigkeit noch der Urfassung. Grisebach 06/2015 151 263 Ernst Henseler Wepritz 1852 – 1940 Berlin Blumenstilleben. Um 1900 Öl auf Holz. 30,3 x 16,5 cm (11 ⅞ x 6 ½ in.). Unten links signiert: E. Henseler. Rückseitig oben links mit Bleistift beschriftet: D. H. 1923. [3091] Gerahmt. € 1.500 – 2.000 152 $ 1,620 – 2,160 Grisebach 06/2015 264 Wilhelm Lindenschmit d. J. 1829 – München – 1895 Bildnis Frau Neugebauer. 1894 Öl auf Holz. 24,3 x 18,2 cm (9 ⅝ x 7 ⅛ in.). Unten rechts monogrammiert (ligiert): WL. Nicht bei Silberbauer (vgl. Silberbauer VII,25). – Kleine Farbverluste unten links. [3087] Gerahmt. € 1.200 – 1.500 $ 1,290 – 1,620 Studie zum leicht abgewandelten „Bildnis Frau Neugebauer“ von 1894, das sich in der Neuen Pinakothek in München befindet (114,5 x 82 cm, Inv.-Nr. 9244). Wilhelm Lindenschmit der Jüngere, Sohn des Historienmalers, war ab 1875 einflußreicher Professor an der Münchner Akademie, wo er erst nach seinem Tod von seinem Schüler Franz von Stuck abgelöst wurde. In seinem künstlerischen Schaffen verarbeitete er die unterschiedlichen Stile seiner Zeit vom Historismus und der Münchner Genre- malerei bis hin zur Freilichtmalerei seiner Kollegen aus Barbizon und dem Impressionismus. Diese Studie für ein großes Portrait Frau Neugebauers in der Pinakothek in München ist ein Spätwerk aus dieser impressionistischen Phase. Die junge Dame in prächtigem Gewand hat für einen kurzen Moment ihr Klavierspiel unterbrochen, um sich dem Betrachter zuzuwenden. Die Ölstudie konzentriert sich auf die Position der Dame, Klavier und Hintergrund sind nicht ausgeführt. Lediglich eine quasi abstrakte Stuhllehne ist zu erkennen. Das gefaltete Notenblatt in ihrer Hand wird hier durch einen Fächer ersetzt, wodurch Lindenschmit die Studie als eigenständiges Werk konzipiert, welches ohne Hintergrund funktioniert. Das Kleid der Dame ist schlichter, das Spiel des Lichtes auf Gesicht und Haaren spontaner festgehalten. Diese Elemente tragen dazu bei, dass die Dame in der Studie viel jünger wirkt als im Porträt. In beiden Versionen sind die Wangen der Frau gerötet und hat sich eine Locke aus den hochgesteckten Haaren gelöst – der Blick auf die Dame ist also ein vertrauter. Dennoch wirkt die Dame in der Studie distanziert; sie schaut den Betrachter nicht direkt an, sondern hat den Blick gesenkt. Im rechten Vordergrund führt der Künstler nur grob den Faltenwurf des Kleides aus und markiert die Schattierungen, die dann in immer freieeren Pinselstrichen am Rand auslaufen. (MZ) Grisebach 06/2015 153 265 Franz Skarbina 1849 – Berlin – 1910 „Junge Dame in blauem Kleid“. 1888 Öl auf Holz. 27,8 x 21,9 cm (11 x 8 ⅝ in.). Unten links signiert und datiert (in die nasse Farbe geritzt): F. Skarbina 88. [3443] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Wir danken Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität des Gemäldes. 154 Grisebach 06/2015 266 Franz Skarbina 1849 – Berlin – 1910 „Abendspaziergang“. Um 1895 Pastell auf Pappe. 59,7 x 45,9 cm (23 ½ x 18 ⅛ in.). Unten links signiert: F. Skarbina. Berieben, Randmängel. [3443] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 $ 3,230 – 4,310 Wir danken Frau Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität des Pastells. Grisebach 06/2015 155 267 Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Cornelie, die Schwester des Künstlers. Um 1890/93 Öl auf Malkarton. 53 x 45 cm (20 ⅞ x 17 ¾ in.). Unten links monogrammiert: LvH. [3418] Gerahmt. € 3.000 – 4.000 156 $ 3,230 – 4,310 Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Malweise ändert, wenn der Künstler sich einem vertrauten Modell nähert: Geradezu zärtlich erfaßt von Hofmann hier die Züge seiner Schwester, er taucht die ganze private Szenerie der zeitungslesenden Frau in ein warmes Licht. Der warme Orangeton der Frau wird subtil an drei, vier Stellen des Bildes noch einmal aufgenommen und findet seinen stärksten Widerhall in dem erleuchteten Fenster zum Hinterhof. So wird die intime Situation mit den Mitteln der Malerei doch auch mit der Außenwelt kurzgeschlossen. Die Skizzenhaftigkeit der Arbeit unterstreicht deren Unmittelbarkeit. Grisebach 06/2015 268 Deutsch, 1896 Rückenakt. 1896 Pastell auf graubraunem Papier. 61,4 x 48 cm (24 ⅛ x 18 ⅞ in.). Unten rechts (schwer lesbar) signiert, bezeichnet und datiert: A. Hofeldt[?] Paris 96. Leicht gebräunt. [3081] Gerahmt. € 800 – 1.000 $ 862 – 1,080 Grisebach 06/2015 157 269 Gabriel von Max Prag 1840 – 1915 München „Schlafen gehn!“. Nach 1900 Öl auf Leinwand. 57 x 43 cm (22 ½ x 16 ⅞ in.). Unten rechts signiert : G v Max. Oben links (nachträglich) betitelt: Schlafen gehn! [3054] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, New York / Privatsammlung, Bayern (1977 erworben, seitdem in Familienbesitz) Literatur und Abbildung: Sale 3939: 19th Century European Paintings. New York, Sotheby Parke Bernet, 14.1.1977, Kat.-Nr. 89, m. Abbildung € 18.000 – 24.000 $ 19,400 – 25,900 Affenliebe: Der Künstler Gabriel von Max mit Haustier. 158 Ausgesprochen intim wirkt dieses Gemälde einer jungen Frau, die verträumt ins Leere blickt. Über ihr Nachthemd hat sie lediglich ein blaues Fransentuch gelegt, ihr Haarknoten hat sich gelöst, der Lippenstift ist verschmiert. Behutsam hält sie ihren Schützling im Arm, der sich an ihre Brust klammert, ein kleines Äffchen, das ebenfalls in die Ferne starrt. Neben dem Tier erscheint die Dame blass, fast geisterhaft; grau-grüne Schatten bedecken ihre Haut. Langsam wird dem Betrachter bewußt, daß die rechte Hand der jungen Frau viel zierlicher ist, als die Linke, daß die langen Finger und Fingernägel mehr denen des Affen ähneln, es eine Affenhand ist, die auf den feinen Härchen des Affenfelles ruht. Der dunkle, unruhige Hintergrund untermalt das Aufkommen einer unheimlichen Stimmung, die den ersten, süßlichen Eindruck verzerrt. Anrührende, oft idealisierte Darstellungen zum Thema Mutterliebe waren im späten neunzehnten Jahrhundert äußerst beliebt. Auch Gabriel von Max schätzte die damit verbundene Möglichkeit, Seelenzustände auszudrücken. Schon früh hatte er begonnen, ein Interesse für Psychologie und Anthropologie zu entwickeln; ihn selbst hatten nach dem Tod des Vaters Geistererscheinungen und Suizidgedanken gequält. Später erforschte er als Ehrenmitglied der Münchner Gesellschaft für wissenschaftliche Psychologie wissenschaftliche Grundlagen der Geisterbeschwörung. Nach dem Studium an der Prager Akademie hatte sich Gabriel von Max mit einem Stipendium in Wien aufgehalten, der Stadt, die im Begriff war, zu einer der wichtigsten Metropolen der Avantgarde aufzusteigen. Hier verbrachte er mehr Zeit mit anatomischen Studien im Krankenhaus und der Pathologie als an der Kunstakademie. Er begann bereits in den 1860er Jahren, eine wissenschaftlichen Sammlung aufzubauen, die zum Zeitpunkt seines Todes über 60.000 Objekte umfaßte und die er durch seine Malerei finanzierte. Von Max setzte sich intensiv mit Charles Darwin und dessen Lehre vom Ursprung des Menschen auseinander. Bis zum Zeitpunkt seiner ersten Ehe 1873 mit Emma Kitzing, der Mutter seiner drei Kinder, hielt sich der Künstler zeitweise bis zu 14 Affen, danach beschränkte er sich auf weniger Tiere, die ab den 1870er Jahren zu seinen bevorzugten und legendären Motiven wurden. Sein erstes Affenpärchen taufte er Adam und Eva. Genauestens dokumentierte er Aussehen und Verhaltensweisen seiner Affen. Wenn sie starben, rasierte, sezierte, fotografierte und zeichnete er sie. Die Affen in von Max’ Bildern verkörpern somit seine Hinwendung zu wissenschaftlichen Interessen; sie sind akademische Studienobjekte und geliebte Haustiere, die man traditionell mit dem Herrchen porträtierte, zugleich. In Werken wie dem berühmten Affen als Kunstrichter der Neuen Pinakothek in München stellt er Affen dar, als seien sie Menschen, gar Kunstrichter. Er bezieht sich auf eine seit der Antike bestehende Tradition der Affendarstellung, deren satirischer Charakter im neunzehnten Jahrhundert besondere Ausprägung fand. Dem Mädchenportrait mit Affen jedoch fehlt jeder humorvolle Anklang, vielmehr strahlt es eine seltsame Form der Erotik aus. (MZ) Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 159 270 Gabriel von Max Prag 1840 – 1915 München „Erster April“ (Faust und Gretchen im Garten). 1869 Öl auf Leinwand. 58 x 44 cm (22 ⅞ x 17 ⅜ in.). Unten links signiert und datiert: Gab. Max 1. April. [3054] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Bankier Passavant, Basel (1890) Literatur und Abbildung: Friedrich Pecht: Deutsche Künstler des neunzehnten Jahrhunderts. Studien und Erinnerungen. Dritte Reihe. Nördlingen, Verlag der C. H. Beck'schen Buchhandlung, 1881, S. 229-260 (G. Max), hier S. 250 / Nicolaus Mann: Gabriel Max. Leipzig, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber, zweite, vermehrte Aufl. 1890, S. 32 u. S. 55 („Erster April [Gretchen in der 160 Gartenszene], 1869) / Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. 4 Bände. Dritter, unveränderter Nachdruck, Hofheim am Taunus, H. Schmidt & C. Günther, 1979 (zuerst Fr. v. Boetticher's Verlag, Dresden 1891–1901), hier Erster Band, Zweite Hälfte, S. 993, Nr. 20 / Franz Hermann Meißner: Gabriel Max, in: Die Kunst unserer Zeit. Eine Chronik des modernen Kunstlebens, München 1899, S. 1-32, hier Abb. S. 7.Gabriel von Max. Malerstar, Darwinist, Spiritist. München, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, 2010/11, S. 75, Abb. 58 (nicht ausgestellt) € 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900 Grisebach 06/2015 (Abbildung in Originalgröße) 271 Fernand Khnopff Grembergen 1858 – 1921 Brüssel „Sans titre (Femme aux bras levés) ou ,Une Martyre‘“. Um 1900 Bleistift auf leichtem Karton. 17,7 x 8,9 cm (7 x 3 ½ in.). Unterhalb der Darstellung rechts signiert: FERNAND KHNOPFF. Rückseitig mit dem Stempel in Blau (nicht bei Lugt): G + W D. Auf dem Unterlagekarton unten links der Stempel in Violett (nicht bei Lugt): Gesammelte Graphik Dr. F. W. Denzel [...]. Nicht bei de Croes/Ollinger-Zinque. – Mit einem Gutachten von Gisèle Ollinger-Zinque, Brüssel, vom 8. März 2015. Die Zeichnung ist unter der Nr. 361 in ihrem Archiv registriert. – Leicht gebräunt. Rückseitig oben fest auf Karton montiert. [3016] Provenienz: Ehemals Sammlung Georg Denzel und Dr. F. Wilhelm Denzel, München € 10.000 – 15.000 $ 10,800 – 16,200 In ihrem Gutachten zu diesem Werk schreibt Gisèle Ollinger-Zinque: „Diese Zeichnung erinnert an ein Motiv, das ein einziges Mal im Werk von Khnopff erscheint, in einem Enkaustik-Gemälde, das bis heute nicht wiedergefunden wurde und unter dem Titel ,Une Martyre‘ ins Werkverzeichnis unter der Nummer 361 aufgenommen wurde.“ Grisebach 06/2015 161 272 Arthur Kurtz Sankt Gallen 1860 – 1917 Baden Erschaffung der Eva. 1897-1900 Öl auf Holz. 65 x 54 cm (25 ⅝ x 21 ¼ in.). Unten rechts signiert und datiert (in die nasse Farbe geritzt): Arthur Kurtz 1897-1900. [3145] Eines der Modewörter des späten 19. Jahrhunderts lautete „Weltanschauung“. Gemeint war damit der Versuch, eine Gegenwart zu erklären, die durch die fortschreitende Industrialisierung, soziale Spannungen und revolutionäre neue Erkenntnisse in den Naturwissenschaften zusehends unübersichtlicher wurde. Ausstellung: Dekadenz. Positionen des österreichischen Symbolismus. Wien, Unteres Belvedere, 2013, Abb. S. 219 Auf die Erschütterung der althergebrachten Ordnung reagierten die Künstler in sehr unterschiedlicher Weise. Paul Gauguin reiste auf der Suche nach dem irdischen Paradies in die Südsee. Andere wählten den Weg nach Innen, ins Geistige, in das Reich der Fantasie, der Andeutungen, Zeichen und des Okkulten. Zu letzteren gehört der österreichische Maler Arthur Kurtz, von dem dieses Meisterwerk des Symbolismus stammt. Kurtz, in der Steiermark geboren, an den Akademien in Graz und München ausgebildet, war einer der gefragtesten Porträtisten seiner Zeit. Auftraggeber fand er vor allem in der Aristokratie: Während eines seiner ausgedehnten Aufenthalte in Marienbad malte er König Eduard VII. von England, auch mehrere Bildnisse von Angehörigen des österreichischen Kaiserhauses sind von ihm bekannt. Darüberhinaus betätigte er sich als Schriftsteller, vor allem um seine späteren Arbeiten wie „Weltperpetuum“, „Kometenzauber“ und „Jubelnde Welt-Farbenphilosophie“ zu kommentieren. € 14.000 – 18.000 $ 15,100 – 19,400 In dem zwischen 1897 und 1900 entstandenen Gemälde „Erschaffung Evas“ zieht Kurtz alle Register seines Könnens. Im Zentrum des Bildes erkennt man eine Art weißliches Ovulum, aus welchem, von Feuer und Flammen umhüllt, der nackte Frauenkörper tritt. Um Eva und deren Keimzelle herum hat Kurtz in einem wahrhaft entfesselten, zügellosen malerischen Wirbel virtuos Fratzen und Dämonen, Sonnen, Planeten und abstrakte Lichterscheinungen dargestellt. In seinem motivischen Erfindungsreichtum steht das Gemälde in einer Reihe mit den großen fantastischen Werken der Kunstgeschichte von Hieronymus Bosch bis James Ensor. Eine andere besondere Qualität dieser Arbeit ist ihre interpretatorische Offenheit. So haben die Energie und Dynamik, die das Bild durch Kurtz' spezielle kleinteilige Malweise verströmt, Bernd Ernsting vor zwei Jahren im Katalog zu einer Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien zu der Frage verleitet, ob Eva hier nicht „selbst die Kreative im kosmischen Schöpfungsakt“ sei, die sich als „perfid-leichtfertige wie lustvolle Dompteuse einer chaotischen Menagerie monströser Schreckenswesen“ zu erkennen gebe (Agnes Husslein-Arco und Bernd Weidinger (Hg.): „Dekadenz - Positionen des österreichischen Symbolismus“ (Kat.), Wien 2013, S. 56). Diese Vieldeutigkeit macht Arthur Kurtz’ „Erschaffung Evas“ zum Sinnbild einer zwischen den Extremen aufs Äußerste gespannten Epoche, die den Beginn der Moderne markiert. (UC) 162 Grisebach 06/2015 Grisebach 06/2015 163 273 Hermann Moest Karlsruhe 1868 – 1945 Berlin „Die ersten Menschen“. 1889 Kohle auf leichtem Karton. 45 x 28,5 cm (17 ¾ x 11 ¼ in.). Unten links in der Darstellung monogrammiert (ligiert) und datiert: HM · Juni 1889. Unterhalb der Darstellung betitelt: DIE ERSTEN MENSCHEN. Kleine Randmängel. [3107] € 400 – 600 164 $ 431 – 647 Grisebach 06/2015 274 Fidus (d.i. Hugo Höppener) Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin „Beichte“. 1892 Pinsel in Schwarzgrau über Bleistift auf Papier auf anthrazitfarbenem Karton. 28,5 x 25,4 cm (42,7 x 35,2 cm) (11 ¼ x 10 in. (16 ¾ x 13 ⅞ in.)). Unten links signiert, datiert und betitelt: Fidus 92 – Beichte –. Rückseitig unten rechts der violettfarbene Stempel: Eugen Lucius Frankfurt a. M.; mit Feder in Schwarz beschriftet: No. 5. [3126] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt a.M./ Schönstadt (vor 1903 erworben, seitdem in Familienbesitz) € 800 – 1.200 $ 862 – 1,290 Grisebach 06/2015 165 275N Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Junge in einer Felslandschaft. Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 44,4 x 24,5 cm (17 1/2 x 9 5/8 in.) (17 ½ x 9 ⅝ in. (6 ¾ ½ x 3 ½ ⅝ in.)). Unten rechts monogrammiert: L v H. [3099] Gerahmt. € 4.000 – 6.000 166 $ 4,310 – 6,470 Die intensive Beschäftigung mit der Figur des Jünglings, zum Beispiel in den Gemälden „Idolino” (1892), „Felsenufer mit Jünglingen” (um 1890) oder „Orangenernte” (um 1906) legt nahe, daß Hofmann den Ideen der Lebensreformbewegung nahe stand. Das Leben im Einklang mit der Natur und ein neues, durch Unbefangenheit geprägtes Körperverständnis wurden zum Leitbild der Bewegung, dem Ludwig von Hofmann in seinen Gemälden visuellen Ausdruck verlieh. Technische Impulse für sein Schaffen empfing Hofmann in Paris. Er erlebte dort den Impressionismus Renoirs, Monets und Degas’ und kam mit den Werken der französischen Avantgardisten in Berührung. Die Fülle der visuellen Möglichkeiten gab ihm Anregung, mit einer Vielfalt von Stilen zu experimentieren, sie zu absorbieren oder wieder abzulegen. Auch seine regelmäßigen Reisen nach Rom und Neapel prägten sein Werk. Hofmann war beeindruckt von der Vorgehensweise der dortigen Künstler, die mit ihren Modellen direkt in der Natur arbeiteten. (NB) Grisebach 06/2015 276 Franz von Stuck Tettenweis 1863 – 1928 München „Narziß“. Um 1926 Öl und Tempera auf Pappe. 48,5 x 44,8 cm (19 ⅛ x 17 ⅝ in.). Unten rechts signiert: STUCK. Rückseitig oben mit Kreide signiert und betitelt: F. v Stuck „Narziss“ I. Voss 582/271. – Studie zum gleichnamigen Gemälde Voss 583/272. Im Originalrahmen mit der Inschrift: NARCISSUS. [3266] Provenienz: Ehemals Albert und Mary Heilmann, geb. Stuck Ausstellung: Franz von Stuck. Ausstellung zur Wiedereröffnung der Stuck-Villa am 9. März 1968. München, Stuck-Villa, 1968, Kat.-Nr. 29 € 35.000 – 45.000 $ 37,700 – 48,500 Der Mythos vom schönen, stolzen Narcissus war schon in der Antike ein häufig wiederkehrendes Thema der Kunst. Weil er jeden zurückwies, der um seine Gunst warb, strafte Artemis den Sohn des Kephissos und der blauen Nymphe Leiriope für seinen Hochmut. In der Nähe des Ortes Donakon in Böotien nördlich von Attika führte sie ihn zu einer Quelle, die so rein war, daß er sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Über Narcissus‘ Ende gibt es verschiedene Versionen: Eine besagt, daß er ertrank, nachdem er sich niederbeugte, um sein Ebenbild auf dem Wasser zu liebkosen. Eine andere läßt ihn sich aus Verzweiflung über seine vermeintliche plötzliche Häßlichkeit selbst töten, als ein Blatt auf die Wasseroberfläche fällt und so sein Spiegelbild verzerrt. Anschließend wird Narcissus in die weiße Blume verwandelt, die seitdem seinen Namen trägt. Franz von Stuck hat sich dem Mythos von schönen Narziß mehrfach gewidmet. 1926 malte der Gründer der Münchner Secession diese Kompositionsstudie. Sie zeigt den Halbgott, wie er, so Robert von Ranke-Graves in seinem Kompendium griechischer Mythologie, in sich versunken „Stunde um Stunde verzückt auf das Wasser“ blickt. Obgleich es ihm ursprünglich nur als Vorbereitung auf ein später ebenfalls ausgeführtes Gemälde dienen sollte, schätzte Stuck das vorliegende Bild so sehr, daß er es als ein eigenständiges Werk erachtete und extra einen antikisierenden Prunkrahmen dafür anfertigen ließ. Tatsächlich ist es gerade die expressive, „skizzenhafte“ Ausführung, durch die Stucks „Narzissus“ besonderen Reiz erlangt. Anhand der dynamischen, mit leichter Hand souverän gesetzten Pinselstriche kann man dem Maler noch heute buchstäblich bei der Arbeit zusehen, wie er die Bildkomposition anlegt, das Farbkonzept bestimmt und die Flächen füllt. Mit der Wertschätzung seiner Studie stand Stuck nicht allein: Der „Narcissus“ war in der ersten Ausstellung zu sehen, mit der die Villa Stuck, das ehemalige Wohn- und Atelierhaus des Künstlers, 1968 der Öffentlichkeit übergeben wurde. (UC) Grisebach 06/2015 167 277 Fidus (d.i. Hugo Höppener) Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin „Der strahlende Quell“. 1897-1943 Öl auf Pappe. 91,7 x 137,8 cm (36 ⅛ x 54 ¼ in.). Unten links signiert: Fidus. Unten rechts datiert: 1897 + 1943. Am Unterrand bezeichnet: HERBEI IHR BRÜDER U. SCHWESTERN, GOLDLOCKIG U. HELL * LASST UNS ALS WISSENDE ELFEN UMTANZEN DEN STRA[H]LENDEN QUELL. [3362] Gerahmt. Provenienz: Geschenk des Künstlers an Alois Klimesch, Bad Harzburg (seitdem in Familienbesitz) € 25.000 – 35.000 $ 26,900 – 37,700 Wir danken Dr. Pamela Kort, Berlin, für freundliche Hinweise. Früh im Jahre 1893 schloss sich Fidus einer Gruppe von Schriftstellern, die in Friedrichshagen bei Berlin ansässig waren, an. Unter ihnen war auch Bruno Wille, der in diesem Jahr die Herausgabe von „Der Freidenker“ übernommen hatte. Diese Montasschrift, die beim Deutschen Freidenkerbund erschien, hatte seit ihrer Gründung 1882 dazu beigetragen, den Darwinismus in Deutschland zu verbreiten. Fidus freundete sich mit Wille an, der 1895 einer der größten Sprecher der Freireligiösen Gemeinde in Berlin wurde. Fünf Jahre später halfen Rudolf Steiner und Wille bei der Gründung des GiordanoBruno-Bundes und ernannten den Wissenschaftler Ernst Haeckel zum Ehrenvorsitzenden. Fidus trat der Gruppe, einer Plattform für Haeckels monistische Lehre mit dem „Freidenker“ als offizielles Organ, sofort bei. All dies wirkte sich nicht nur auf Willes Schreiben aus, sondern auch auf das Aussehen der Kunst Fidus. Dies ist nirgends offensichtlicher als in Willes Offenbarungen des Wachholderbaums. Roman eines Allsehers (1901), einem zweibändigen Roman mit Illustrationen von Fidus. Neben dutzenden Schwarz-Weiß Randverzierungen war sein Höhepunkt zweifellos die doppelseitige Farbillustration des Titelbildes von Band zwei mit dem Titel „Am strahlenden Quell“. Fidus gewährte dieser Illustration, die auf dem Aquarell „Der strahlende Quell“ von 1999 basiert, besonders viel Aufmerksamkeit. Später verbreitete er nicht nur Fotografien, Postkarten und Drucke dieses Motivs durch seinen Verlag, den Verlag des St. Georgs-Bundes, sondern verschickte außerdem das Magazin Jugend, in dem es als halbseitige Farbillustration in einer Ausgabe von 1906 abgedruckt wurde. Offenbar blieb dieses Motiv so wichtig für ihn, dass es den Künstler dazu veranlasste, 1943 dazu zurückzukehren, als er seinen 75. Geburtstag feierte. Obwohl Adolf Hitler Fidus Kunst zu diesem Zeitpunkt schon lange verunglimpft hatte, feierte er dieses Ereignis in einem Jahr, in dem er jeden Befürworter, den er auftreiben konnte gebrauchen konnte, indem er dem Künstler einen Akademischen Titel verlieh und ihm eine kleine Rente gewährte. Die Ikonographie von „Der strahlende Quell” (1897/1943) ist jedoch nicht in nationalsozialistischer Ideologie verankert, sondern in Denkweisen, die in der monistischen Kosmologie, der Wissenschaft Darwins und dem Naturglauben verbreitet waren, jedoch später von dieser pervertiert wurden. Wie auch Fidus Illustrationen für Willes Roman, ist das spätere Gemälde ein Resumé der Welt der Freidenker des späten 19. Jahrhunderts und ihrer Religion, die sich sowohl Wille als auch der Künstler sehr zu Eigen gemacht hatten. 168 Man beachte zum Beispiel die Äste in den beiden oberen Ecken des Gemäldes als Anspielung auf die weise Seele des Wacholderbaumes, eines Waldgeistes aus Willes Roman. Im zweiten Band des Buches weist ‚Juniperus‘ (wissenschaftliche Gattungsbezeichnung für Wacholder) auf den ‚Baum des Lebens‘ hin, welcher nicht nur an Haeckels evolutionäre Auffassung des Familienstammbaums erinnert, sondern auch an die monistische Vorstellung eines Lebensgeistes, der alle Dinge in einem Organismus vereint. Die Delphine, die im unteren Teil des Gemäldes aufeinander zu schwimmen, Grisebach 06/2015 spiegeln diese Auffassung wider. Solch eine unendliche Kette wird wiederum durch die händehaltenden nackten Frauen und Männer, die, wohl des Nachts, harmonisch um einen sprudelnden Brunnen tanzen, veranschaulicht. Eine Reihe glühender Lichter beleuchten die enthusiastisch tanzenden Figuren – die Verkörperung Willes „Allreigenseele – die höchste Einheit”. Sie verleihen außerdem Fidus Sehnsucht nach der Freiheit des menschlichen Körpers, der von moralischen und physischen Einschränkungen gelöst ist, Ausdruck. Diese Tänzer werden sozusagen gebadet im goldenen Licht des Geistes, der alles sieht, wie im Untertitel von Willes Buch angekündigt. Die sechs strahlenden spitzen Sterne, die am oberen Rand über das Gemälde verteilt sind, stehen für die Hagal Rune, mit der sich Fidus sehr identifizierte. Nach völkisch-Germanischer Auffassung ist diese Rune ein heiliges Symbol, das den Menschen mit Gott verbindet. All diese Ideen werden in der Legende am Fuße der Illustration von 1901 und dem späteren Gemälde zusammengefasst: „Herbei ihr Brüder und Schwestern goldlockig und hell. Lasst uns als wissende Elfen umtanzen den strahlenden Quell.” Grisebach 06/2015 169 278 Josef Kugler München um 1884/85 – ? „Capriccio“. 1913 Tempera auf Leinwand. 78 x 97 cm (30 ¾ x 38 ¼ in.). Unten links signiert und datiert: J. Kugler 1913. Auf dem Keilrahmen links mit Bleistift betitelt und bezeichnet: „Capriccio“ J. Kugler München Leopoldstr. 126 Atelierhaus. Im Originalrahmen. [3266] Ausstellung: Illustrierter Katalog der XI. Internationalen Kunstausstellung. München, Kgl. Glaspalast, 1913, hier 2. Ausgabe, Kat.-Nr. 1716, ganzseitige Abbildung S. 71 € 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900 In der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt ein großformatiges Hauptwerk der Münchener Spätromantik. Es ist von Moritz von Schwind und trägt den Titel „Die Rose (Die Künstlerwanderung)“ (1846/47). Festlich geschmückt hält eine junge Braut zusammen mit ihren Gefährtinnen vom Balkon einer mittelalterlichen Burg Ausschau nach dem in der Ferne nahenden Bräutigam. Da trifft die Truppe der Musikanten ein, Gaukler mit ihren Instrumenten auf dem Rücken, in alten Kostümen, schlacksigen Körpern, lustigen Gesichtern, langen Haaren und großen Ohren. Eine der Brautjungfern läßt eine Rose fallen (versehentlich oder absichtlich?). Sie fällt von dem hohen steinernen Balkon hinunter auf dem Boden, dem letzten der Muskanten direkt vor die Füße. Wird er sie aufheben? Wird er im nächsten Moment nach oben und der Schönen auf dem Balkon in die Augen schauen? 170 Man möchte meinen, daß Kugler an Schwinds durch und durch vom Geist der Romantik getragene Werk dachte – und mit unserem Bild in seine Zeit übersetzte. Die runde Natursteinmauer der alten Burg ist einer wie mit dem Lineal gezogenen Betonwand gewichen. Sie reflektiert das blau-weiße Mondlicht (ebenfalls ein Lieblingsmotiv der Romantiker) wie ein Scheinwerfer, denn Kugler hat die Szene in den Schutz nächtlichen Dunkels und damit zugleich die Sphäre der Träume verlegt. Die Prinzessin auf dem Balkon ist jetzt ein einsamer König, nackt, aber bekrönt. Er schaut über die Mauer gelehnt zu einer Truppe vorbeiziehender Nachschwärmer, die alle aussehen wie Traumgestalten: im Zentrum eine junge Frau in großem Ballkleid, maskiert, befächert, am Arm eines weißbärtigen Mannes, der Trompete spielt und mit einer Pfauenfeder den Takt angibt. Ein menschengroßer Affe zieht die Frau am Kleid und damit auch die ganze Truppe hinter sich her. Den Abschluß des Zuges bildet eine junge, nackte, rothaarige Frau, die auf den Schultern eines athletischen, nackten Mannes sitzt und mit einem chinesischen blauen Schirm (statt mit der blauen Blume der Sehnsucht) spielt. Die Welten von Kuglers König wie von Schwinds Prinzessin, die Welten oben und hinter der Mauer, sie scheinen abgetrennt und weit entfernt von den (Halb)welten der Nachtschwärmer, Gaukler und Musikanten unten. Im Traum oder im Märchen aber finden sie zueinander. Manchmal über eine Rose. Kuglers Capriccio, was man mit „Gedankenscherz“ übersetzen kann, lehnt sich an den Münchener und Wiener Symbolismus des Fin-de-Siècle an. Man mag an den Umkreis von Franz von Stuck denken, wozu auch die Rahmung passen würde. Tatsächlich aber ist über Josef Kugler bisher nur bekannt, das er 1906 an der Akademie bei Otto Seitz studierte und zur Entstehungszeit unseres Bildes in einem Atelierhaus in der Leopoldstraße 126 arbeitete. (AA) Grisebach 06/2015 279 Hanns Pellar 1886 – Wien – 1971 „Dame mit Muff“. Um 1910 Öl auf Leinwand. 60 x 46 cm (23 ⅝ x 18 ⅛ in.). Unten rechts signiert: HANNS PELLAR. Nicht bei Olényi von Husen. – Sorgfältig restaurierter Einriß. Im Originalrahmen.[3145] € 12.000 – 15.000 $ 12,900 – 16,200 Wir danken Dr. Britta Olényi von Husen, Köln, für die Bestätigung der Authentizität des Gemäldes. Grisebach 06/2015 171 280 Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Vier Frauen in Felsenlandschaft. Kohle auf glattem, transparentem Papier, mit roter Kreide gerahmt. 22,6 x 40,8 cm (8 ⅞ x 16 ⅛ in.). Unten links monogrammiert: LvH. Rückseitig auf leichten Karton montiert. [3242] € 800 – 1.200 172 $ 862 – 1,290 Wie ein Holzschnitt wirkt diese Kohlezeichnung von Ludwig von Hofmann, und man darf davon ausgehen, daß sie von ihm auch als Vorlage für ein druckgraphisches Werk gedacht war. Hofmann spannt hier auf kleinem Raum sein ganzes Bildrepertoire auf: den Traum von Arkadien, das Durchdeklinieren weiblicher Formen und Gemütszustände und sein Gespür für eine friesartige Erzählweise. Dynamisiert wird das Trio der drei Frauengestalten links, die eine Einheit bilden durch die vierte Figur am rechten Bildrand. Sie liegt – und zugleich signalisiert der aufgestützte Kopf und der aufmerksame Blick, daß mit ihr eine Beobachterin Teil des Bildraumes wird, während die drei Frauen links in schönster Selbstversunkenheit dargestellt sind. Grisebach 06/2015 281 Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Illustration von Karl Schefflers Aufsatz über die Amerikanerin in der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ (Januar 1907) dienten. Die Tänzerin Ruth St. Denis. Um 1906/07 Pastell auf Papier, auf hellblauen Karton aufgezogen. 33,3 x 20,7 cm (13 ⅛ x 8 ⅛ in.). Unten links monogrammiert: LvH. [3344] Gerahmt. Ausstellung: Ludwig von Hofmann (1861–1945). Sehnsucht nach dem Paradies. Freital, Städtische Sammlungen, 2011, Farbabbildung S. 44 € 1.500 – 2.000 $ 1,620 – 2,160 Ludwig von Hofmann lernte die von Harry Graf Kessler geförderte Tänzerin Ruth St. Denis am 18. November 1906 in Berlin kennen. In der Folge entstanden aus der Erinnerung Tanzstudien, die auch zur Hofmann gelingt es mit seinem Pastell einen bildmässigen Ausdruck zu finden für die sprichwörtliche „Ausstrahlung“, mit der Ruth St. Denis alle Ihre Zuschauer in ihren Bann schlug. Wie ein gotisches Kirchenfenster umgibt ein Strahlenkranz ihren Oberkörper – und in alle Richtungen gehen die Energiestrahlen, die der Körper der Tänzerin und ihr orientalischer Tanz aussenden. „Die unvergleichliche Tänzerin“ nannte Hugo von Hofmannsthal seinen Aufsatz über Ruth St. Denis, die sich in den Jahren 1906/08 in Berlin aufhielt. Auf einzigartige Weise gelang es der 1879 geborenen Amerikanerin, die stark von der Theosophie und dem Transzendentalismus geprägt war, immer wieder das Körpergefühl alter Kulturen zum Leben zu erwecken – so in ihrer Performance „The Yogi“, die am 9. Februar 1908 im Ronacher Palast Premiere hatte und aus deren indischem Umfeld unser energiegeladenes Pastell stammen dürfte. Grisebach 06/2015 173 283 Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Weiblicher Akt mit erhobenen Armen (Studie). (Nach) 1896 Kreide auf blauem Papier. 46,8 x 33 cm (18 ⅜ x 13 in.). Unten rechts monogrammiert: LvH. Rückseitig (um 180° gedreht): ADAM UND EVA. 1896. Farblithographie, 25,1 x 19,5 cm. Kleine Fehlstelle am linken unteren Rand. [3142] € 1.800 – 2.400 284 Ludwig von Hofmann Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz Studie zum „Frühlingssturm“. Um 1894 Kohle auf Velin (Wasserzeichen: Vidalon). 62,8 x 48,5 cm (24 ¾ x 19 ⅛ in.). Unten rechts monogrammiert: LvH. Studie zu einem der bekanntesten Gemälde des Künstlers, dem „Frühlingssturm“ von 1894/95 (146 x 196 cm; ehemals Sammlung Rudolf Mosse, Berlin). Etwas gebräunt. Randmängel. [3242] Ausstellung: Ludwig von Hofmann (1861–1945). Sehnsucht nach dem Paradies. Freital, Städtische Sammlungen, 2011, Abb. S. 20 € 1.500 – 2.000 174 $ 1,620 – 2,160 Grisebach 06/2015 $ 1,940 – 2,590 285 Hans Unger Bautzen 1872 – 1936 Dresden Noch immer ist die Dresdner Sonderform des Symbolismus zu wenig bekannt – der Klingersaal im Albertinum, das Stadtmuseum in Bautzen und die Ständige Sammlung im Museum im Freital aber machen immer mehr Betrachter mit der Kunst von Oskar Zwintscher, Sascha Schneider und eben Hans Unger bekannt. Unger gelang es immmer wieder, mythologische Figuren zum Leben zu erwecken wie in dem berühmten Bild „Hirten am Meer“ aus der Galerie Neue Meister in Dresden – oder in unserem Bacchantenzug. Nackte Frauen und Satyrn bei bester Laune begleiten einen trunkenen Bacchus auf seinem Weg. Bacchanten-Zug (Entwurf für den Hauptvorhang des Centraltheaters Dresden). 1898 Öl auf Papier auf Holz. 25,5 x 42,3 cm (10 x 16 ⅝ in. ). Unten rechts am Sockel signiert: H. UNGER. [3266] Gerahmt. Provenienz: Privatsammlung, Sachsen € 4.000 – 6.000 $ 4,310 – 6,470 Das Gemälde ist das bislang unbekannte Vorbild, nach dem 1898 der Theatervorhang im neu erbauten Dresdner Centraltheater gestaltet wurde. Der freizügige Zug von Unger sollte das angebotene Programm repräsentieren, das Operetten und Varieté-Darbietungen umfaßte. Das Theater in der Waisenhausstraße 6 wurde bei den Luftangriffen vom 13. Februar 1945 zerstört, der Theatervorhang verbrannte. Postkarte um 1900 mit dem Hauptvorhang des Centraltheaters Dresden Grisebach 06/2015 175 286 Franz von Stuck Tettenweis 1863 – 1928 München „Meerweibchen“. 1891 Öl auf Holz. 28,2 x 82,3 cm (11 ⅛ x 32 ⅜ in.). Unten rechts signiert: FRANZ STUCK. Auf dem Schmuckrahmen ein Etikett der Galerie Arnold, Dresden. Voss 38/45. – [3044] Gerahmt. Provenienz: Adolf Rothermundt, Dresden (1924) / Privatsammlung, Norddeutschland Ausstellung: Große Berliner Kunst-Ausstellung. Berlin, Landes-Ausstellungsgebäude, 1893, Kat.-Nr. 1503 Literatur und Abbildung: Otto Julius Biermann: Franz Stuck. Über hundert Reproductionen nach Gemälden und plastischen Werken, Handzeichnungen und Studien. München, Münchener Kunst- und Verlags-Anstalt E. Albert, 1893, S. 63, Abb. Tf. 31 / Gustav Fritsch: Unsere Körperform im Lichte der modernen Kunst. Berlin, Habel, 1893, S. 25 f. / Anna Spier: Franz Stuck. In: Westermanns 176 Illustrierte deutsche Monatshefte, 76. Band, 1894, S. 559 / Franz Hermann Meissner: Franz Stuck. Berlin und Leipzig, Schuster & Loeffler, 1899 (Das Künstlerbuch, Bd. III), S. 67 / Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. 4 Bände. Dritter, unveränderter Nachdruck, Hofheim am Taunus, H. Schmidt & C. Günther, 1979 (zuerst Fr. v. Boetticher's Verlag, Dresden 1891–1901), hier Zweiter Band (Zweite Hälfte), S. 859, Nr. 28 / Fritz von Ostini (Vorwort): Franz von Stuck. Das Gesamtwerk. München 1909, S. 47 / Fritz von Ostini (Einleitung): Franz von Stuck. Acht farbige Wiedergaben seiner Werke. Leipzig, E. A. Seemann, o. J. (1920), S. 7 / Otto Julius Bierbaum: Franz von Stuck. Bielefeld und Leipzig, Velhagen & Klasing, 4. Aufl. 1924 (=Künstler-Monographien, Bd. XLII), S. 57, Abb. 35, S. 32 / Ulrich Thieme und Felix Becker (Hrsg): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bände. Leipzig, Verlag E. A. Seemann, 1907–1950, hier Band XXXII (1938), S. 232 € 25.000 – 35.000 Grisebach 06/2015 $ 26,900 – 37,700 Hellweiß glänzen die Zähne des Jünglings, der mit einem strahlenden Lächeln bäuchlings am Strand liegt, sein nackter Körper von blau-violetten Schattierungen umspielt. Zärtlich streckt er seine Arme nach einem Meerweibchen aus, das auf dünne, spitze Fingerchen gestützt im seichten Wasser ruht. Die Augen des Jünglings sind, von der Sonne geblendet, fast geschlossen. Ihre großen, grünen Augen hingegen sind weit aufgerissen und funkeln gelb, obwohl ihr Gesicht von ihrem eigenen Schatten vollständig verdunkelt wird. Ihr Körper ist weiß wie der Sand, die langen roten Haare umspielen ihre kleinen Brüste, frech lugt eine Brustwarze hervor. Anders als in der Variation dieses Gemäldes von 1913 ist hier der aus dem Wasser ragende Po des Meerweibchens mit den schimmernden Schuppen des zweigeteilten Fischschwanzes besetzt, bleibt der Hintergrund fast abstrakt. Der Künstler verzichtet gänzlich auf historischen oder mythologischen Kontext. Was genau die Szene darstellt bleibt unklar, moralische Schlussfolgerungen werden nicht zugelassen. Ob es sich um Verliebtheit, Begehren, Verführung oder Verzweiflung handelt, ist ungewiss. Der Malerfürst Franz von Stuck war in den 1880er Jahren zunächst Schüler, dann Nachfolger Wilhelm Lindenschmits als Lehrer an der Münchner Akademie. Diesem frühen Werk jedoch merkt man bereits an, dass der Künstler mehr Inspiration in den Fantasiewelten Böcklins fand und Gleichgesinnte in Klinger und Thoma sah. Obwohl Stuck in dieser Zeit auch Landschaften malte, kristallisiert sich seine Vorliebe für Kentauren, Faunen und andere fabelhafte Wesen heraus. Erste Versionen seines berühmten Motivs Die Sünde entstanden bereits 1891, dem Jahr der großen Berliner Kunstausstellung, auf der Stuck vertreten war. (MZ) Grisebach 06/2015 177 287 Fidus (d.i. Hugo Höppener) Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin Drei Grazien. Um 1900 Pinsel und Feder in Braun und Bleistift auf leichtem Karton. 41,5 x 34,5 cm (16 ⅜ x 13 ⅝ in.). Unten rechts mit Feder in Braun signiert: Fidus. Rückseitig unten rechts (um 180° gedreht) der violettfarbene Sammlerstempel (in Versalien): Eugen Lucius / Schönstadt. [3126] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt a.M./Schönstadt (um 1900 erworben, seitdem in Familienbesitz) € 800 – 1.200 178 $ 862 – 1,290 Grisebach 06/2015 288 Franz von Stuck Tettenweis 1863 – 1928 München Portrait der Tochter Mary. 1909 Kohle, schwarze und weiße Kreide sowie Deckfarbe auf hellbrauner Pappe. 26,5 x 20,5 cm (48,5 x 43 cm) (10 ⅜ x 8 ⅛ in. (19 ⅛ x 16 ⅞ in.)). Unten rechts signiert und datiert (übereinandergestellt) : FRANZ VON STUCK 1909. Auf der Rückpappe ein Etikett der Commeterschen Kunsthandlung, Hamburg. [3262] Gerahmt. Provenienz: Ehemals Sammlung Gustav Schiefler, Hamburg (seitdem in Familienbesitz) € 10.000 – 15.000$ 10,800 – 16,200 Grisebach 06/2015 179 290 Max Klinger Leipzig 1857 – 1920 Großjena b. Naumburg „Stilleben No. 1“. 1879 Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 45,5 x 35,5 cm (17 ⅞ x 14 in.). Unten rechts datiert und signiert (beschnitten): 23/V. 79 MKlin[ger]. Oben in der Mitte bezeichnet (in die nasse Farbe geritzt): Stilleben No 1. Kleine Farbverluste. [3012] Gerahmt. € 15.000 – 20.000 $ 16,200 – 21,600 289 Fidus (d.i. Hugo Höppener) Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin „Richtender Michael“ (drei Zeichnungen). 1916 Jeweils Bleistift auf Papier, nebeneinander auf leichtem, schwarzem Karton aufgezogen. 23 x 15,3 cm / 28 x 19,4 cm / 23 x 15,3 cm. Beigabe: Eine Fidus-Postkarte „Germania 1914“, vom Künstler unterhalb der Darstellung mit Feder in Braun bezeichnet. Blatt 1 und 3 minimal fleckig, Blatt 2 etwas gebräunt. [3098] Ausstellung: Erste Gesamtausstellung der Werke von Fidus zu seinem 60. Geburtstage am 8. Gilbhart (X.) 1928. Berlin, Aula der Handelshochschule, und Hamburg-Altona, Altonaer Museum, 1928, Kat.-Nr. 335 („Michael-Antlitz und 2 Versuche dazu, Bleizeichnungen, 1916“) € 2.000 – 3.000 $ 2,160 – 3,230 Bei unserem Gemälde handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein bislang unbekanntes Werk aus der Frühphase des Leipziger Symbolisten: Gemalt wurde es 1879 in Brüssel, wo Klinger Schüler des belgischen Historienmalers Emile Charles Wauters (1846-1933) war und wo er auch von Bildern des Romantikers Antoine Wiertz (1806-65) beeinflusst wurde. Unser Gemälde folgt dem klassischen Aufbau eines Stilllebens in der barocken Tradition des memento mori , bei dem die Bildgegenstände auch Aussageträger sind und auf die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens (Totenkopf, Kerzen) und die seelenrettende Kraft der Religion (Mutter Gottes) verweisen. Im Kompositionsschema als auch im Kolorit entspricht Klinger der akademischen Überlieferung. Jedoch springt sofort die aufregende malerische Erfindung unten im Bild – umgreifende Arme eines Skeletts? – ins Auge. Außerdem sind in Klingers antikem Themenkosmos ansonsten keine religiös-mystisch angehauchten Szenen bekannt. Wobei handelt es sich also bei dem vorliegenden Werk? Der Blick in den Werdegang und die Einflüsse der belgischen Spätromantik auf Klinger dürften Licht ins Dunkel des dargestellten Kapellenraums bringen. Klinger hatte sich nach seinem erfolgreichen Kunststudium – 1874/75 an der Karlsruher Großherzoglich Badischen Kunstschule bei Karl Gussow und Ludwig des Coudres; nach der Berufung Gussows nach Berlin ab 1875 an der dortigen Königlichen Akademie der Künste, Abschluss mit der Silbernenen Medaille (Prädikat „Außerordentlich“) 1876 – und dem Wehrdienst 1877 im folgenden Jahr auf der 52. Akademieausstellung das erste Mal der Berliner Öffentlichkeit gestellt. Zu sehen waren seine vielen Tusch- und Federzeichnungen, die Klinger später für seine berühmten Grafikzyklen der 1880er und 1890er Jahre wiederverwenden sollte, aber auch das geheimnisvolle Gemälde „Spaziergänger oder Der Überfall“ (1878, Berlin, Nationalgalerie). Damals scheint bei Klinger der Wunsch nach Veränderung in seinem Leben und Werk gereift zu sein, nach einer Überwindung des Gussow’schen Naturalismus, und so entschied er sich, nicht nach Rom oder Paris zu gehen, sondern wechselte 1879 in die belgische Hauptstadt um dort seine Meisterschaft bei dem renommierten, nahezu gleichaltrigen Wauters zu vervollkommnen. Klingers prekäre Situation, das Fehlen eines geeigneten Ateliers, seine mangelnden Sprachkenntnisse und sein noch durchschnittliches künstlerisches Profil als Maler – „[...] aber ich habe hier ja absolut nichts was ich ihm [Wauters] zeigen konnte“ – mögen dazu beigetragen haben, sich in Belgien von Gussows Naturalismus zu entfernen und neue Eindrücke und die Atmosphäre der Stadt mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht kam Klinger die Idee für sein sakrales memento mori von 1879 bei einem seiner zahlreichen Besuche in der Kathedrale von Brüssel, die, wie er schreibt, „wie noch keine Kirche auf mich so viel Eindruck gemacht hat“. Zudem – und das dürfte im Rückblick für Klinger noch wichtiger als die Lehre bei Wauters gewesen sein – konnte Klinger in Brüssel neben den großen Historien auch die Werke von Wiertz in dem von ihm 1850 begründeten Musée Wiertz studieren. Bei dem Romantiker Wiertz, der sich gar für eine Reinkarnation Peter Paul Rubens hielt, wird deutlich, dass „skurril-horrible Szenen“ – wie das „Stilleben No.1“ von Klinger, 180 Grisebach 06/2015 was ja auch eine solche darstellt – „letztlich spätromantischen Ursprungs sind“ (Hubertus Kohle, 2012). Klinger erwarb sich 1879 nicht nur Kenntnisse in der Radier- und Aquatintatechnik, sondern kam auch in Kontakt mit der „Schwarzen Romantik“, einer Strömung innerhalb der belgisch-französischen Spätromantik, deren besonderer Repräsentant Wiertz war (vgl. Le romantisme en Belgique. Entre réalités, rêves et souvenirs, Ausst.-Kat. Brüssel 2005). Auf die große Bedeutung dieser Strömung unter anderem für den späteren Symbolismus hat erst vor kurzem eine große Ausstellung im Frankfurter Städel aufmerksam gemacht: „Das Schreckliche, das Wundersame und Groteske machten dem Schönen und Makellosen die Vorherrschaft streitig“ (Felix Krämer, 2012). Dies kann auch für Klingers Gemälde gesagt werden. Auch wenn keine direkte motivische Vorlage bei Wiertz für Klingers Stillleben als memento mori in einem sakralen Innenraum mit einer Marta Dolorosa im Bildhintergrund nachweisbar ist, so dürfte doch vor allem dessen Genieästhetik und sein künstlerischer Eigensinn auf den sich noch in der Reifephase befindlichen Klinger Eindruck gemacht haben, was man zum Beispiel am makabren Arrangement aus Toten- kopf, Buch und schweren Vorhängen erkennen kann. Dies hatte nichts mehr mit Gussows Naturalismus zu tun, den Klinger noch ein Jahr vorher in Berlin eingeübt hatte. Man kann durchaus vermuten, dass Klingers „Stillleben No. 1“ als Probestück für Wauters gemalt wurde und dass Klinger mit seiner Anlehnung an Wiertz und der belgischen Romantik, aus der ja auch Wauters kam, dem Brüssler Historienmaler geschmackliche Konzensionen machen wollte. Klingers Brüssler Intermezzo hat nachhaltigen Eindruck in seinem Œuvre hinterlassen. Das wird besonders in seinen von einer magischen Rätselhaftigkeit und einem oft düsteren Grundtenor durchzogenen grafischen Werken deutlich. Sie lassen darauf schließen, dass sich Klinger von den Sujets und von der Geisteshaltung der Spätromantik à la Wiertz auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1880 hat inspirieren lassen. Unser Werk stellt somit einen wichtigen Brückenschlag zwischen dem jungen akademisch-geschulten, klassischen Klinger und dem späteren Meister des geheimnisvoll-magischen Symbolismus der Berliner und Leipziger Jahre dar. (OS) Grisebach 06/2015 181 Villa Grisebach Auktionen Berlin Villa Grisebach Fasanenstraße 25 D-10719 Berlin Telefon: +49-30-885 915-0 Telefax: +49-30-882 41 45 [email protected] www.villa-grisebach.de Bernd Schultz Dr. Markus Krause Micaela Kapitzky Daniel von Schacky Florian Illies Wilfried Utermann | Dortmund Telefon: +49-231-4764 3757 [email protected] Auktionatoren Peter Graf zu Eltz, Salzburg Dr. Markus Krause, Berlin Bernd Schultz, Berlin (öffentlich bestellt und vereidigt) Daniel von Schacky Repräsentanzen Representatives Norddeutschland Stefanie Busold Telefon: +49-40-4600 9010 [email protected] Contemporary Art Jesco von Puttkamer Telefon: +49-89-22 76 33 [email protected] Nordrhein-Westfalen/Benelux Daniel von Schacky Telefon: +49-211-8629 2199 [email protected] Schweiz Verena Hartmann Telefon: +41-44-212 88 88 [email protected] Anne Ganteführer-Trier Telefon: +49-170-575 74 64 gantefuehrer-trier@ villa-grisebach.de Frankreich Aurélie Tanaqui Telefon: +33-6-0320 3627 [email protected] Hessen Dr. Arnulf Herbst Telefon: +49-69-9550 7770 [email protected] Italien Eva Sichelschmidt Telefon: +39-329-972 67 79 [email protected] Baden-Württemberg Dr. Annegret Funk Telefon: +49-711-248 45 57 [email protected] USA/Kanada · New York Monika S. Finane Telefon: +1-212-308 07 62 [email protected] Bayern Dorothée Gutzeit Telefon: +49-89-22 76 32 [email protected] USA/Kanada · Los Angeles Jean Griffin Borho Telefon: +1-310-429 86 98 jean.griffin.borho@ villa-grisebach.com 183 Frühjahrsauktionen in Berlin — 3. bis 6. Juni 2015 Kunst des 19. Jahrhunderts Photographie Mittwoch, 3. Juni 2015 · 14 Uhr Mittwoch, 3. Juni 2015 · 17.30 Uhr Moderne Kunst Graphik und Editionen Freitag, 5. Juni 2015 · 11 Uhr Freitag, 5. Juni 2015 · 14.30 Uhr www.villa-grisebach.de — All lot descriptions are available in English on our website Werke aus der Sammlung Manfred Wandel van Gogh bis Twombly Ausgewählte Werke Donnerstag, 4. Juni 2015 · 11 Uhr Donnerstag, 4. Juni 2015 · 17 Uhr Contemporary Art Third Floor Freitag, 5. Juni 2015 · 18 Uhr Samstag, 6. Juni 2015 11 Uhr / 15 Uhr Hinweise zum Katalog Catalogue Instructions 1. Alle Katalogbeschreibungen sind online und auf Anfrage in Englisch erhältlich. 1. Descriptions in English of each item included in this catalogue are available online or upon request. 2. Basis für die Umrechnung der EUR-Schätzpreise: 1 US $ = EUR 0,928 (Kurs vom 1. April 2015) 3. Bei den Katalogangaben sind Titel und Datierung, wenn vorhanden, vom Künstler bzw. aus den Werkverzeichnissen übernommen. Diese Titel sind durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Undatierte Werke haben wir anhand der Literatur oder stilistisch begründbar zeitlich zugeordnet. 2. The basis for the conversion of the EUR-estimates: 1 US $ = EUR 0,928 (rate of exchange 1 April 2015) 4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben in Werkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sind in Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite, wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstel- lungsgröße bzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn Papier- und Darstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist die Papiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen, Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt. „Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift des Künstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremder Hand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe der gedruckten Bezeichnungen verzichtet. 5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapier mit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“ oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen. Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wie auch maschinell hergestelltes Japanpapier. 6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenstände können vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand der Kunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werden in den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie den optischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen. Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, der angefordert werden kann. 3. The titles and dates of works of art provided in quotation marks originate from the artist or are taken from the catalogue raisonné. These titles are printed within quotation marks. Undated works have been assigned approximate dates by Villa Grisebach based on stylistic grounds and available literature. 4. Dimensions given in the catalogue are measurements taken in centimeters and inches (height by width) from the actual works. For originals, the size given is that of the sheet;for prints, the size refers to the plate or block image. Where that differs from the size of the sheet on which it is printed, the dimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Special print marks or designations for these works are not noted in the catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means an inscription from the artist’s own hand, in contrast to “Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscription from the hand of another. 5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machine made paper manufactured with the texture and finish of „Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders” or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term „Japan paper” refers to both hand and machine-made Japan paper. 6. All sale objects may be viewed and examined before the auction; they are sold as is. The condition of the works corresponds to their age. The catalogues list only such defects in condition as impair the overall impression of the art work. For every lot there is a condition report which can be requested. 7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sich auf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet. 7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignors listed in the Consignor Index, with [E] referring to property owned by Villa Grisebach Auktionen. 8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmt eingeliefert wurden. 8. Only works already framed at the time of consignment will be sold framed. 186 Auktion in Berlin · 3. und 4. Juli 2015 · Katalogbestellung: [email protected] 187 Lavinia Fontana de Zappis · Bildnis eines jungen Mannes · 1581 · Öl auf Leinwand · 76 x 63 cm (Detail) Versteigerungsbedingungen der Villa Grisebach Auktionen GmbH § 1 Der Versteigerer 1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der Villa Grisebach Auktionen GmbH – nachfolgend: „Grisebach“ genannt. Der Auktionator handelt als deren Vertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt. Die Versteigerung ist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1 S. 2 und § 383 Abs. 3 BGB. 2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers, der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von Grisebach befindlichen Kunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert. Sie sind im Katalog mit „E“ gekennzeichnet. 3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungsbedingungen. Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog, im Internet und durch deutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von Grisebach veröffentlicht. Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer diese Versteigerungsbedingungen als verbindlich an. § 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin 1.Katalog Vor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zur allgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände abgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätzlich Angaben über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Nur sie bestimmen die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Im übrigen ist der Katalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch für dessen Erscheinungsbild (Farbe) maßgebend. Der Katalog weist einen Schätzpreis in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für den Verkehrswert des Kunstgegenstandes dient, ebenso wie etwaige Angaben in anderen Währungen. Der Katalog wird von Grisebach nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann bei ernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von Grisebach angefordert und es können etwaige von Grisebach eingeholte Expertisen eingesehen werden. Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angaben und Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des § 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes. Grisebach ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort der Versteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffenden Kunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigen oder zu ergänzen. 2.Besichtigung Alle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor der Versteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigt und geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die Grisebach festlegt, sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht und werden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeitpunkt der Versteigerung befinden. 3. Grisebach bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung. Sie ist berechtigt, Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der Auktionskatalog bereits versandt worden ist. § 3 Durchführung der Versteigerung 1.Bieternummer Jeder Bieter erhält von Grisebach eine Bieternummer. Er hat die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Von unbekannten Bietern benötigt Grisebach zur Erteilung der Bieternummer spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung eine schriftliche Anmeldung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz. 188 Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf der Versteigerung berücksichtigt. 2.Aufruf Die Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessen Aufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der im Katalog vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zu verbinden oder zu trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen. Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro. Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofern der Auktionator nicht etwas anderes bestimmt. 3.Gebote a) Gebote im Saal Gebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben. Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande. Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er dies mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von Grisebach unter Vorlage einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt bei Zuschlag der Vertrag mit ihm selbst zustande. b) Schriftliche Gebote Mit Zustimmung von Grisebach können Gebote auf einem dafür vorgesehenen Formular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnet sein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter Grisebach, seine Gebote unter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche Gebot wird von Grisebach nur mit dem Betrag in Anspruch genommen, der erforderlich ist, um ein anderes Gebot zu überbieten. Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit dem Bieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande. Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunst gegenstand ein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag, wenn kein höheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird. c) Telefonische Gebote Telefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und Grisebach zugestimmt hat. Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen. Die telefonischen Gebote werden von einem während der Versteigerung im Saal anwesenden Mitarbeiter von Grisebach entgegengenommen und unter Berücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung abgegeben. Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich auf den Hammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und Umsatzsteuer, die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand, auf den es sich bezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der Los-Nummer, des Künstlers und des Titels, benennen. d) Gebote über das Internet Gebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von Grisebach zum Bieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und eines Passwortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person des Zugelassenen, ist also höchstpersönlich. Der Benutzer ist verpflichtet, seinen Benutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung haftet er Grisebach für daraus entstandene Schäden. Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichend bestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem Bieter zuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden elektronisch protokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer anerkannt, dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtigkeit offensteht. Grisebach behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Internet abgegeben werden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote 4. a) b) c) d) – – – e) während einer laufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem Saal berücksichtigt. Telefonische Gebote können von Grisebach aufgezeichnet werden. Mit dem Antrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der Aufzeichnung einverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei Monaten gelöscht, sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird. Der Zuschlag Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots kein höheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, der unbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung des Kaufpreises (§ 4 Ziff. 1). Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unter Vorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirksam, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der Versteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein anderer Bieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mit dem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag. Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnen oder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder der Zuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam. Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den Kunstgegenstand innerhalb der Auktion neu ausbieten, wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen und dies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist, wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen. Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlag unwirksam. Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zum Erreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote für den Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unter Benennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstand bleibt dann unverkauft. § 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug 1.Kaufpreis Der Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld. Hinzukommen können pauschale Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer. A. a) Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union (EU) berechnet Grisebach auf den Hammerpreis ein Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren sowie die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG). Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln ausgewiesen. Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland geliefert wird und die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf Wunsch die Rechnung nach der Regelbesteuerung gemäß Absatz B. ausgestellt werden. Dieser Wunsch ist bei Beantragung der Bieter nummer anzugeben. Eine Korrektur nach Rechnungsstellung ist nicht möglich. b) Bei Kunstwerken mit der Kennzeichnung „N“ für Import handelt es sich um Kunstwerke, die in die EU zum Verkauf eingeführt wurden. In diesen Fällen wird zusätzlich zum Aufgeld die verauslagte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von derzeit 7 % des Hammerpreises erhoben. B. Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichneten Kunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt: a)Aufgeld Auf den Hammerpreis berechnet Grisebach ein Aufgeld von 25 %. Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet. b)Umsatzsteuer Auf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige gesetzliche Umsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“ gekennzeichnet). Sie beträgt derzeit 19 %. c)Umsatzsteuerbefreiung Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet, die in Staaten innerhalb der EU von Unternehmen erworben und aus Deutschland exportiert werden, wenn diese bei Beantragung und Erhalt ihrer Bieternummer ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben haben. Eine nachträgliche Berücksichtigung, insbesondere eine Korrektur nach Rechnungsstellung, ist nicht möglich. Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen berechnet, die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb der EU geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer gelten und dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben. Im Ausland anfallende Einfuhrumsatzsteuer und Zölle trägt der Käufer. Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem Stand der Gesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung. Änderungen sind nicht ausgeschlossen. 2. Fälligkeit und Zahlung Der Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig. Der Kaufpreis ist in Euro an Grisebach zu entrichten. Schecks und andere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen. Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisiko sowie alle Bankspesen zulasten des Käufers. 3.Verzug Ist der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung noch nicht beglichen, tritt Verzug ein. Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich, unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche. Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist Grisebach berechtigt und auf Verlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift des Käufers zu nennen. Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann Grisebach nach Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten. Damit erlöschen alle Rechte des Käufers an dem ersteigerten Kunstgegen stand. Grisebach ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer Schadensersatz zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbesondere das Grisebach entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld), sowie angefallene Kosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe oder bis zur erneuten Versteigerung des Kunstgegenstandes anfallenden Transport-, Lager- und Versicherungskosten. Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der nächsten oder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer außerdem für jeglichen Mindererlös. Grisebach hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Versteigerungen auszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken an andere Auktionshäuser weiterzugeben. § 5 Nachverkauf Während eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nicht versteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden. Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich, telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmten Betrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Der Vertrag kommt zustande, wenn Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach Eingang schriftlich annimmt. Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung für in der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend. § 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes 1.Abholung Der Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestens einen Monat nach Zuschlag abzuholen. Grisebach ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand vor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages an den Käufer herauszugeben. Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichung des Kaufpreises über. 2.Lagerung Bis zur Abholung lagert Grisebach für die Dauer eines Monats, gerechnet ab Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn auf eigene Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat Grisebach das Recht, den Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunstspedition einzulagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann Grisebach statt dessen den Kunstgegenstand in den eigenen Räumen einlagern gegen Berechnung einer 189 monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- und Versicherungskosten. 3.Versand Beauftragt der Käufer Grisebach schriftlich, den Transport des ersteigerten Kunstgegenstandes durchzuführen, sorgt Grisebach, sofern der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zum Käufer oder dem von ihm benannten Empfänger durch eine Kunstspedition und schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten für Verpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer. 4.Annahmeverzug Holt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab (Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zur Versendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahmeverzug. 5. Anderweitige Veräußerung Veräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor er den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalber sämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an Grisebach ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenen Forderungen die Grisebach zustehenden Ansprüche übersteigen, ist Grisebach verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderung unverzüglich an den Käufer abzutreten. § 7 Haftung 1. Beschaffenheit des Kunstgegenstandes Der Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich bei Erteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt und geprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffenheit durch die Angaben im Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffenheitsmerkmale sind nicht vereinbart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder sich aus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustands bericht, Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten. Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit des Kunstgegenstandes wird nicht übernommen. 2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB) Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil an ihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zwei Jahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechtsmangels vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigen werden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nacherfüllung, auf Schadenersatz oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen ausgeschlossen, es sei denn, der Rechtsmangel ist arglistig verschwiegen worden. 3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB) Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit (Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berechtigt, innerhalb von zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten. Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Versteigerungsbedingungen) zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes in unverändertem Zustand am Sitz von Grisebach. Ansprüche auf Minderung des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadensersatz oder auf Ersatz 190 vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen. Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit Grisebach den Mangel arglistig verschwiegen hat. Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern Grisebach den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers veräußert hat und die größte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genannten Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunstgegenstandes aufgewandt hat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. In diesem Falle verpflichtet sich Grisebach, dem Käufer das Aufgeld, etwaige Umlagen und die Umsatzsteuer zu erstatten. Außerdem tritt Grisebach dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessen Name und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegen der Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen und ihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den Einlieferer unterstützen. 4. Fehler im Versteigerungsverfahren Grisebach haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe von mündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere für das Zustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungen sowie für Übermittlungs-, Übertragungs- oder Übersetzungsfehler im Rahmen der eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die Entgegennahme und Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch durch unbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungsbeschränkung gilt nicht für Schäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit. 5.Verjährung Für die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichen Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre). § 8 Schlussbestimmungen 1.Nebenabreden Änderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oder Nebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. 2. Fremdsprachige Fassung der Versteigerungsbedingungen Soweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der deutschen Sprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend. 3. Anwendbares Recht Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das Abkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalen Warenkaufs (CISG) findet keine Anwendung. 4.Erfüllungsort Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werden kann, Berlin. 5. Salvatorische Klausel Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungen unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen davon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Conditions of Sale of Villa Grisebach Auktionen GmbH Section 1 The Auction House 1. The auction will be implemented on behalf of Grisebach Auktionen GmbH – referred to hereinbelow as “Grisebach”. The auctioneer will be acting as Grisebach’s representative. The auctioneer is an expert who has been publicly appointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung (GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction as defined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383 paragraph 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code). 2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor, who will not be named. Solely those works of art owned by Grisebach shall be sold at auction for the account of Grisebach. Such items will be marked by an “E” in the catalogue. 3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale. The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on the internet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the Grisebach spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditions of Sale as being binding upon it. Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction 1.Catalogue Prior to the auction date, an auction catalogue will be published. This provides general orientation in that it shows images of the works of art to be sold at auction and describes them. Additionally, the catalogue will provide information on the work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will define the characteristic features of the work of art. In all other regards, the catalogue will not govern as far as the characteristics of the work of art or its appearance are concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in EUR amounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market value of the work of art, as does any such information that may be provided in other currencies. Grisebach will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief, and will exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. Seriously interested buyers have the opportunity to request that Grisebach provide them with a report outlining the condition of the work of art (condition report), and they may also review any expert appraisals that Grisebach may have obtained. The information and descriptions contained in the catalogue, in the condition report or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any guarantees, in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art. Grisebach is entitled to correct or amend any information provided in the catalogue by posting a notice at the auction venue and by having the auctioneer make a corresponding statement immediately prior to calling the bids for the work of art concerned. 2. Pre-sale exhibition All of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to the sale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale exhibition, which will be determined by Grisebach, will be set out in the catalogue. The works of art are used and will be sold “as is”, in other words in the condition they are in at the time of the auction. 3. Grisebach will determine the venue and time at which the auction is to be held. It is entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases in which the auction catalogue has already been sent out. Section 3 Calling the Auction 1. Bidder number Grisebach will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders as yet unknown to Grisebach must register in writing, providing a written bank reference letter of recent date, so as to enable Grisebach to issue a bidder number to them. At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered. 2. Item call-up The auction of the individual work of art begins by its being called up by the auctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a different sequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form a lot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auction that has been given a lot number. When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer, denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bid increments will amount to 10 % of the respective previous bid. 3.Bids a) Floor bids Floor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchase agreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer to end the bidding process. Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it must notify Grisebach of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, submitting a corresponding power of attorney from that third party. In all other cases, once the work of art has been knocked down, the sale and purchase agreement will be concluded with the person who has placed the bid. b) Written absentee bids Subject to Grisebach consenting to this being done, bids may also be submitted in writing using a specific form developed for this purpose. The bidder must sign the form and must provide the lot number, the name of the artist, the title of the work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. By placing a written bid, the bidder instructs Grisebach to submit such bid in accordance with its instructions. Grisebach shall use the amount specified in the written bid only up to whatever amount may be required to outbid another bidder. Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a sale and purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidder who has submitted such written bid. Where several written bids have been submitted in the same amount for the same work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided that no higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid. c) Phoned-in absentee bids Bids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writing to be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that Grisebach has consented. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. Bids phoned in will be taken by a Grisebach employee present at the auction on the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping with the instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shall cover exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’s premium, any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bid must unambiguously designate the work of art to which it refers, and must wherever possible provide the lot number, the artist and the title of the work. Grisebach may make a recording of bids submitted by telephone. By filing the application to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consent to the telephone conversation being recorded. Unless it is required as evidence, the recording shall be deleted at the latest following the expiry of three (3) months. d) Absentee bids submitted via the internet Bids may be admissibly submitted via the internet only if Grisebach has registered the bidder for internet bidding, giving him a user name and password, and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being binding upon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusively to the registered party; it is thus entirely personal and private. The user is under obligation to not disclose to third parties its user name or password. Should the user culpably violate this obligation, it shall be held liable by Grisebach for any damages resulting from such violation. Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficiently 191 4. a) b) c) d) e) determinate and if they can be traced back to the bidder by its user name and password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted via the internet will be recorded electronically. The buyer acknowledges that these records are correct, but it does have the option to prove that they are incorrect. In legal terms, Grisebach shall treat bids submitted via the internet at a point in time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submitted via the internet while an auction is ongoing shall be taken into account as if they were floor bids. Knock down The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three calls for a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item being knocked down to it, this will place the bidder under obligation to accept the work of art and to pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The bidder shall not be named. Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneer will knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditional hammer price shall be effective only if Grisebach confirms this bid in writing within three (3) weeks of the day of the auction. Should another bidder submit a bid in the meantime that is at least in the amount of the reserve price, the work of art shall go to that bidder; there will be no consultations with the bidder to whom the work of art has been knocked down at a conditional hammer price. The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasons therefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where a bid is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, the prior bid shall continue to be valid. The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up the work of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may do so in all cases in which – The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timely fashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected to this oversight; – A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or – There are any other doubts regarding the knock-down of the work of art concerned. Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of art that has occurred previously shall cease to be effective. The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving notice thereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve price agreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is furthermore authorized to knock down the work of art to the Consignor, citing the consignment number. In such event, the work of art shall go unsold. Section 4 Purchase Price, Payment, Default 1. Purchase price The purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium. Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax. A. a) For works of art that have not been specially marked in the catalogue, the purchase price will be calculated as follows: For buyers having their residence in the community territory of the European Union (EU), Grisebach will add a buyer’s premium of 30 % to the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees as well as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section 25a of the German Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be itemized separately in the invoice. Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the German Turnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes, may have an invoice issued to them that complies with the standard taxation provisions as provided for hereinabove in paragraph B. Such invoice is to be requested when applying for a bidder number. It is not possible to perform any correction retroactively after the invoice has been issued. b) Works of art marked by the letter “N” (for Import) are works of art that have been imported from outside the EU for sale. In such event, the import turnover tax advanced, in the amount of currently 7 % on the hammerprice, will be charged in addition to the buyer’s premium. B. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot number, the purchase price is calculated as follows: a) Buyer’s premium Grisebach will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price. A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000. 192 b) Turnover tax The hammer price and the buyer's premium will each be subject to the statutory turnover tax in the respectively applicable amount (standard taxation provisions, marked by the letter "R"). Currently, this amounts to 19 %. c) Exemption from turnover tax No turnover tax will be charged where works of art are sold that are acquired in states within the EU by corporations and exported outside of Germany, provided that such corporations have provided their turnover tax ID number in applying for and obtaining their bidder number. It is not possible to register this status after the invoice has been issued, and more particularly, it is not possible to perform a correction retroactively. No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are delivered, pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz (UStG, German Turnover Tax Act), to destinations located in states that are not a Member State of the EU, provided that their buyers are deemed to be foreign purchasers and have proved this fact in accordance with Section 6 paragraph 2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall bear any import turnover tax or duties that may accrue abroad. The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status quo and are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities. They are subject to change without notice. 2. Due date and payment The purchase price shall be due for payment upon the work of art being knocked down to the buyer. The purchase price shall be paid in euros to Grisebach. Cheques and any other forms of non-cash payment are accepted only on account of performance. Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims are not disputed or have been finally and conclusively determined by a court’s declaratory judgment. Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and any and all bank charges shall be borne by the buyer. 3.Default In cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks of the invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting on the payment. Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at 1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damages that may exist. Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’s corresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name and address. Where the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach may rescind the agreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once Grisebach has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of art acquired at auction shall expire. Upon having declared its rescission of the agreement, Grisebach shall be entitled to demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation of damages shall comprise in particular the remuneration that Grisebach has lost (commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as the costs of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping, storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once again offered for sale at auction. Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, or where it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyer moreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved at that subsequent auction are lower than the price it had bid originally. Grisebach has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions and to forward the name and address of that buyer to other auction houses so as to enable them to exclude him from their auctions as well. Section 5 Post Auction Sale In the course of a two-month period following the auction, works of art that have gone unsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post auction sale will be deemed to be part of the auction. The party interested in acquiring the work of art is to submit a bid either in person, by telephone, in writing or via the internet, citing a specific amount, and is to acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it. The sale and purchase agreement shall come about if Grisebach accepts the bid in writing within three weeks of its having been received. The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up and liability for works of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis. Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction 1.Pick-up The buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1) month after it has been knocked down to the buyer. However, Grisebach is not under obligation to surrender to the buyer the work of art acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice having been paid in full. Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase price having been paid in full. 2. Storage Grisebach shall store the work of art acquired at auction until it is picked up, doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, the amount insured being equal to the purchase price. Thereafter, Grisebach shall have the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agent and to insure it there. At its choice, Grisebach may instead store the work of art in its own premises, charging a monthly lump-sum fee of 0.1 % of the purchase price for the costs of storage and insurance. 3.Shipping Where the buyer instructs Grisebach in writing to ship to it the work of art acquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paid in full, Grisebach shall procure the appropriate shipment of the work of art to the buyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performed by a specialized fine art shipping agent; Grisebach shall take out corresponding shipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping the work of art as well as the insurance premium. 4. Default of acceptance Where the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1) and fails to issue instructions for the work of art to be shipped to it (Clause 3), it shall be deemed to be defaulting on acceptance. 5. Sale to other parties Should the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work of art it has acquired at auction, it hereby assigns to Grisebach, as early as at the present time and on account of performance, the entirety of all claims to which it is entitled under such onward sale, and Grisebach accepts such assignment. Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which Grisebach is entitled, Grisebach shall be under obligation to immediately re-assign to the buyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting its claim. Section 7 Liability 1. Characteristics of the work of art The work of art is sold in the condition it is in at the time it is knocked down to the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristic features of the work of art are comprised of the statements made in the catalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique and signature. These statements are based on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the information provided by the Consignor. No further characteristic features are agreed among the parties, in spite of the fact that such features may be described or mentioned in the catalogue, or that they may garnered from information provided in writing or orally, from a condition report, an expert appraisal or the images shown in the catalogue. No guarantee (Section 443 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)) is provided for the work of art having any characteristic features. 2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given (Section 435 of the German Civil Code) Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it is encumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2) years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or it may reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code). In all other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the German Civil Code are hereby contracted out, these being the right to demand the retroactive performance of the agreement, the compensation of damages, or the reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has been fraudulently concealed. 3. 4. 5. Buyer’s rights in the event of a material defect being given (Section 434 of the German Civil Code) Should the work of art deviate from the characteristic features agreed (work’s creator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind the agreement within a period of two (2) years after the work of art has been knocked down to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price it has paid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the return of the purchased object in unaltered condition, such return being effected at the registered seat of Grisebach. Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code), to the compensation of damages or the reimburse–ment of futile expenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contracted out. This exclusion of liability shall not apply should Grisebach have fraudulently concealed the defect. The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted out wherever Grisebach has sold the work of art for the account of the Consignor and has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in identifying the work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue, provided there was no cause to doubt these statements’ being correct. In such event, Grisebach enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s premium, any allocated costs that may have been charged, and turnover tax. Moreover, Grisebach shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the Consignor to which it is entitled as a result of the defects of the work of art, providing the Consignor’s name and address to the buyer. Grisebach shall support the buyer in any manner that is legally available to it and that it is able to apply in enforcing such claims against the Consignor. Errors in the auction proceedings Grisebach shall not be held liable for any damages arising in connection with bids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet, unless Grisebach is culpable of having acted with intent or grossly negligently. This shall apply in particular to the telephone, fax or data connections being established or continuing in service, as well as to any errors of transmission, transfer or translation in the context of the means of communications used, or any errors committed by the employees responsible for accepting and forwarding any instructions. Grisebach shall not be held liable for any misuse by unauthorized third parties. This limitation of liability shall not apply to any loss of life, limb or health. Statute of limitations The statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1 Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years) shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned. Section 8 Final provisions 1. Collateral agreements Any modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an individual case, or any collateral agreements, must be made in writing in order to be effective. 2. Translations of the Conditions of Sale Insofar as the Conditions of Sale are available in other languages besides German, the German version shall govern in each case. 3. Governing law The laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The United Nations Convention on the International Sale of Goods shall not apply. 4. Place of performance Insofar as it is possible to agree under law on the place of performance and the place of jurisdiction, this shall be Berlin. 5. Severability clause Should one or several provisions of the present Conditions of Sale be or become invalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of the invalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply. 193 Einliefererverzeichnis Impressum Consignor Index Imprint [3009] 249 [3011] 185, 261, 262 [3012] 203, 290 [3013] 102, 103, 104, 110, 127, 136, 138, 150, 178, 212, 241, 245 [3016] 271 [3019] 122 [3032] 112 [3034] 143, 146, 153, 157, 166, 171, 177, 189, 195 [3038] 217, 219, 234, 236 [3043] 131, 134, 142 [3044] 286 [3046] 254 [3047] 208, 210, 259, 260 [3054] 124, 240, 269, 270 [3056] 113, 182, 211 [3068] 147 [3071] 153a [3072] 205 [3081] 268 [3087] 264 [3088] 244 [3091] 200, 235, 263 [3094] 145 [3095] 100, 105, 106 [3097] 129 [3098] 289 [3099] 275 [3105] 144 [3106] 170 [3107] 273 [3121] 168, 172, 192, 198, 202 [3123] 213 [3125] 255 [3126] 256, 274, 287 [3131] 214 [3132] 151, 237 [3133] 121 [E] 158, 173, 227 [3140] 126, 130, 186, 191 [3142] 283 [3143] 107, 155, 193, 215, 218 [3144] 239, 246 [3145] 272, 279 [3150] 169 [3157] 258 [3171] 220 [3176] 160, 167 [3189] 238 [3191] 137, 180, 181, 187 [3196] 101, 199 [3199] 114, 115 [3200] 109 [3201] 229 [3204] 118, 120 [3207] 141 [3215] 117, 132, 161, 188 [3221] 197 [3224] 154, 176 [3239] 250 [3240] 190, 228, 230 [3242] 125, 148, 194, 280, 284 [3244] 204 [3245] 108, 207 [3262] 288 [3266] 276, 278, 285 [3269] 174 [3270] 216 [3275] 111, 175, 179, 221 [3283] 163, 164 [3285] 151a, 152, 165, 184, 196, 243 [3287] 159 [3288] 139, 149, 201, 222 [3293] 232 [3337] 123 [3339] 135, 140, 206, 231 [3340] 162 [3342] 248 [3344] 223, 242, 281 [3359] 233 [3362] 277 [3385] 156 [3394] 183, 226 [3398] 252 [3400] 133 [3402] 119 [3404] 247 [3413] 225, 257 [3418] 267 [3420] 251 [3443] 265, 266 [3459] 209 [3490] 128 [3495] 253 [3537] 152a Herausgegeben von: Villa Grisebach Auktionen GmbH, Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin Geschäftsführer: Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies, Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor Stüssel HRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand Berlin Katalogbearbeitung: Florian Illies, Stefan Pucks, Dr. Anna Ahrens Provenienzrecherche: Dr. Sibylle Ehringhaus Textbeiträge: Anna Ahrens (AA), Nina Barge (NB), Ulrich Clewing (UC), Sibylle Ehringhaus (SE), Simon Elson (SIE), Florian Illies (FI), Michael Mohr (MM), Oliver Sukrow (OS), Sabine Weisheit (SW), Maria Zinser (MZ) Photos: © Fotostudio Bartsch, Karen Bartsch, 2015 Photobearbeitung: Ulf Zschommler © VG Bildkunst, Bonn 2015 (für vertretene Künstler) Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber ausfindig zu machen. Produktion/DTP: Daniel Lamprecht Database-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, Berlin Herstellung & Lithographie: Königsdruck GmbH Gedruckt auf Maxisatin, 150 g/qm Schrift: Didot und Corporate S Abbildungen auf dem Umschlag: Umschlag vorn: Adolph von Menzel · Los 247 Doppelseite vorn: Théodore Gudin · Los 226 (Ausschnitt) (Ausschnitt) Doppelseite Seite 2/3: Hermann Daur · Los 256 (Ausschnitt) Doppelseite hinten: Friedrich Wilhelm Klose · Los 123 Umschlag hinten: Carl Gustav Carus · Los 112 (Ausschnitt) (Ausschnitt) 194 Künstlerverzeichnis Artist Index Achenbach: 161, 188, 218 Alt: 244 Arnold: 122 Becker: 187 Bellermann: 214 Bendz: 120 Blaschnik: 194 Blechen: 130, 131 Brandes: 114, 115 Brendel: 168 Bürkel: 176 Carus: 107, 112 Corot: 230 Crola: 179 Dänisch, um 1810: 117 Dänisch, um 1850: 151a Dänisch, um 1840: 182 Daur: 256 Deutsch, 1836: 193 Deutsch, 1853: 203 Deutsch, 1896: 268 Deutsch, um 1800: 111 Deutsch, um 1810: 106 Deutsch, um 1820: 100, 105, 149 Deutsch, um 1825/35: 197 Deutsch, um 1830: 190, 192, 231 Deutsch, um 1860: 223 Deutsch, um 1870: 145 Dresden, um 1820: 138 Dresden, um 1830: 126, 170 Ensor: 225 Faber: 177 Fidus: 274, 277, 287, 289 Französisch, 1825: 155 Französisch, 1832: 165 Französsich, vor 1810: 227 Französisch, um 1820/30: 228 Französisch, um 1835: 229 Friedrich, G.A.: 108 Fries: 158, 171, 173 Gaertner: 121 Gille: 146, 153, 233, 241 Götzloff: 172, 198, 199, 200 Graff: 127 Gudin: 226 Gurlitt: 175, 195, 205 Hackert: 154 Henning: 113 Hensel: 125 Henseler: 263 Hofland: 212 Hofmann: 267, 275, 280, 281, 283, 284 Hoguet: 220 Hummel: 144 Hummel (?): 157 Israëls: 240 Kaaz (Katz): 104 Kanoldt: 211 Kauffmann: 221 Khnopff: 271 Kips: 262 Klein: 243 Klinger: 257, 290 Klose: 180, 181, 215 Klose (seit 1839: Kloss): 123, 129 Kopisch: 242 Kugler: 278 Kummer: 110, 136 Kupka: 253 Kurtz: 272 Leibl: 252, 254 Lenbach: 250, 251 Leypold: 207 Lichtenfels: 135 Lindenschmit d. J.: 264 Linton: 163, 164 Loos: 132 Lucas: 169 Lutteroth: 174 Magnus: 119 Max: 269, 270 Menzel: 237, 238, 239, 246, 247, 248, 249, 255 Metz: 139 Meyer: 118 Moest: 273 Mücke: 189 Müller: 153a Nerly: 162, 166 Oehme: 109 Oer: 156 Oppenheim: 124 Österreichisch, um 1830: 141 Österreichisch, um 1830/40: 134 Overbeck (Umkreis): 160 Pape: 142, 245 Papperitz: 137, 213 Peipers: 185 Pellar: 279 Pose: 150 Preller d. Ä.: 201 Preyer, E.: 152a Preyer, J.W.: 151 Quaglio: 147 Rau: 140, 206 Rebell: 159, 184 Reinermann: 202 Reinhold: 178 Rottmann: 216 Roux: 133 Russisch, um 1870: 186 Ruths: 210 Schirmer, A.W.: 208 Schirmer, J.W.: 196 Schuster: 148 Seidel: 183 Selleny: 152, 261 Simm: 258 Skarbina: 235, 265, 266 Stadler: 260 Stuck: 276, 286, 288 Unbekannt, um 1840: 128, 134 Unger: 285 Venus, A.: 143, 191 Venus, L.: 232 Voltz: 222, 259 Wasmann: 167 Werner: 209, 217, 219, 234, 236 Zimmermann: 204 Zingg: 101, 102, 103 Die bibliographischen Angaben zu den zitierten Werkverzeichnissen unter www.villa-grisebach.de/de/ kataloge/WVZ_237 195 196 Schmuckseite / zur Umschlagseite U3
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