Kunst des 19. Jahrhunderts - Villa Grisebach Auktionen GmbH

19.
Kunst des 19. Jahrhunderts
19th Century Art
Berlin, 3. Juni 2015
Schmuckseite
1
Kunst des 19. Jahrhunderts
19th Century Art
Auktion Nr. 237
Mittwoch, 3. Juni 2015
14 Uhr
Auction No. 237
Wednesday, 3 June 2015
2 p.m.
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100 Deutsch, um 1820
Felsenschlucht.
Bleistift auf Papier. 27 x 20,7 cm (10 ⅝ x 8 ⅛ in.).
Leicht gebräunt. [3095] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München
Natur, der das Werk eindeutig in die erste Generation der
Romantiker und Nazarener in die Zeit um 1820 weist – und
Dresden und Wien sind die Orte, wo man den Künstler finden
wird und vermutlich auch in der Nähe den dargestellten Ort.
€ 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Aus einer Felsenschlucht, durch die ein kleiner Bach fließt,
blickt der Zeichner nach oben: wie mit einem Teleobjektiv erfasst er mit dünnem, harten Bleistift das zersplitterte Gestein,
die Verschattungen, den Bewuchs. Der Blick des Betrachters
wird förmlich angezogen in die Bildmitte während an den Rändern passend dazu mit weicherem Bleistift nur in Konturen das
Gestein, die Bäume und Pflanzen erfasst werden.
Wir danken Dr. Gode Krämer, Augsburg, Prof. Dr. Hans Joachim
Neidhardt, Dresden, und Dr. Peter Prange, München, für freundliche Hinweise.
Unsere qualitativ außergewöhnliche Zeichnung stammt aus der
Sammlung von Eugen Roth (1895-1976). Es blieb der Öffentlichkeit lange verborgen, daß der brillante Schriftsteller und
Dichter der „Ein Mensch“-Verse ein besessener Sammler der
Zeichnungen der deutschen Romantik gewesen ist. Zwar gab
es im Jahre 1955 in der „Staatlichen Graphischen Sammlung“
in München zum 60. Geburtstag von Roth eine beeindruckende Ausstellung mit 62 seiner Blätter – aber das geriet leider
ebenso in Vergessenheit wie das im selben Jahr veröffentlichte
Bändchen „Sammelsurium“. Dies ist ein Anekdotenband mit
dem Untertitel „Freud und Leid eines Kunstsammlers“, in dem
Roth auf verklausulierte, aber mitreißende und humorvolle Weise
von seinen Streifzügen durch die Kunsthandlungen Münchens
berichtet und seinem Wettlauf mit dem legendären Begründer
der Sammlung Winterstein um die besten Blätter.
Nun hat in diesem Frühjahr das Münchner Antiquariat Robert
Wölfle, bei dem Eugen Roth vor über 80 Jahren seine ersten
Blätter erworben hat (in seinem Buch „Sammelsurium“ „Antiquar Füchsle“ genannt), erstmals, fast vierzig Jahre nach Roths
Tod, mit einem beeindruckenden Katalog Schätze aus seiner
Sammlung präsentiert.
Wir freuen uns, daß die Villa Grisebach nach den beiden Blättern
von Caspar David Friedrich aus der Auktion im Mai 2014 nun
ein Jahr später erneut vier besondere Blätter aus der ehemaligen
Sammlung von Eugen Roth präsentieren darf. Neben der Los
Nr. 100 sind dies die Lose 105 und 106 sowie die kleine Baumstudie von Leopold Venus (Los 232).
Unsere Zeichnung zieht einen sofort mit ihrem außergewöhnlichen Präzisionsgrad in ihren Bann. Es ist ein Blick auf die
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Solch eine Form von erzählerischer Ausführlichkeit bei gleichzeitiger kühler Präzision lässt Experten wie etwa Peter Prange
oder Hans Joachim Neidhardt durchaus an einen Künstler wie
August Heinrich als möglichen Schöpfer dieser Zeichnung
denken, die frühe Lichtgestalt der Dresdner Romantik, Caspar
David Friedrichs vielbeweinten frühverstorbenen Lieblingsschüler. Gode Krämer, der das Werkverzeichis von Heinrich
verfasst hat, sieht ebenfalls eine große Nähe zu Heinrich,
glaubt aber eher an Ludwig Richter als Zeichner, da er genau
wie in unserer Arbeit häufig nach dem Anlegen der Umrisse
von der Mitte aus an die Detailzeichnung geht. Krämer verweist auch darauf, daß die Schraffierungen in den Schattenpartieen von Heinrich malerischer sind als bei unserem Blatt –
die in ihrer Parallelstruktur den Zeichnungen Richters ähneln.
Das beste Beispiel hierfür dürfte „Der Untersberg bei Salzburg,
1823“ sein (Kupferstichkabinett Berlin, Inv. Nr. 246).
Nur in Wien wurde in der frühen Zeichenkunst eine solche
Meisterschaft erlangt wie in Dresden – und nicht zufällig ist
August Heinrich, der an beiden Orten studierte, das Verbindungsglied zwischen den beiden Kunstzentren.
Darum könnte es über den topograpischen oder stilistischen
Vergleich gelingen, unser Blatt auch dem Wiener Kreis um
Ferdinand und Friedrich Olivier oder Heinrich Reinhold
zuzuweisen. Daß das Blatt in der Sammlung von Eugen Roth
auf der Rückseite mit einem „Carl Blechen?“ geführt wurde,
belegt, daß auch der Sammler noch unsicher war über die genaue Zuschreibung – aber auch seinerseits an einen der ganz
großen Namen dachte. Stilistisch am Charakteristischen sind
die feinstmöglichen Parallelstriche, die der Künstler bei den
Felsen setzt, um unterschiedliche Verschattungen darzustellen
– darüber müsste eine eindeutige Zuordnung gelingen. (FI)
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
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101N Adrian Zingg
St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig
„Bei der Ermitage eine Stund von Dippoldiswalde“. 1784
Feder in Schwarz, laviert, auf Papier, auf Karton aufgezogen.
23,5 x 31,5 cm (33 x 40 cm) (9 ¼ x 12 ⅜ in. (13 x 15 ¾ in.)).
Unten bezeichnet und datiert: Bei der Ermitage eine Stund von
Dippoldiswalde gezeichnet den 19 Sept. 1784.
Leicht stockfleckig und gebräunt. [3196] Gerahmt.
€ 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Wir danken Sabine Weisheit-Possél, Berlin, für die freundliche
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Der Name Adrian Zingg steht für eine Erneuerung des Landschaftsbildes im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Dresden. Gleich zu
Beginn seiner Tätigkeit als Akademielehrer unternahm er mit seinen
Schülern Zeichenexkursionen in die Umgebung von Dresden. Unser
Blatt zeigt die Höhle am Einsiedlerstein in der Dippoldiswalder Heide.
In einer Zeit, in der noch die nach festen Regeln komponierte Landschaftsvedute vorherrschte, erweist sich Zingg hier nicht zuletzt durch
die Rigorosität des Bildausschnittes als durchaus modern.
102 Adrian Zingg
St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig
Flußlandschaft mit Viehherde. 1772
Aquarell und Feder in Schwarz auf Papier, auf Karton aufgezogen.
18,6 x 23 cm (7 ⅜ x 9 in.). Unten rechts auf dem Unterlagekarton
mit Feder in Schwarz alt beschriftet: Zingg inv 1772.
Gebräunt, die Farben verblichen. Leicht fleckig. [3013] € 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Unsere Arbeit zeigt die Umgebung des Elbsandsteingebirges, vielleicht
des Plauenschen Grundes bei Dresden, der zuerst von Adrian Zingg
systematisch erwandert und bildwürdig gemacht wurde.
Wir danken Sabine Weisheit-Possél, Berlin, für die freundliche
Bestätigung der Authentizität der Zeichnungen Los 102 und 103.
103
Adrian Zingg
St. Gallen 1734 – 1816 Leipzig
Flußlandschaft mit Felsblock und Wasserfall. Um 1772
Aquarell und Feder in Schwarz auf Papier, auf Karton aufgezogen.
18,6 x 23 cm (7 ⅜ x 9 in.). Unten rechts auf dem Unterlagekarton
mit Feder in Schwarz alt beschriftet: Zingg.
Gebräunt, die Farben etwas verblichen. Leicht fleckig. [3013] € 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
In den 1770er Jahren schuf Zingg kleinere Radierungen, die er auf
der Leipziger Oster- und Michaelismesse und auch ins Ausland mit
großem Erfolg verkaufte. Bei unserer Zeichnung handelt es sich um
die Vorlage für die Titelradierung seiner 1770 dem Dresdner Bibliothekar Dassdorf gewidmeten Landschaftssuite, die in das 1805 bei
Tauchnitz in Leipzig erschiene Kupferstichwerk Zinggs aufgenommen
wurde. (SW)
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Grisebach 06/2015
104 Carl Ludwig Kaaz (Katz)
Karlsruhe 1773 – 1810 Dresden
Ideallandschaft mit Hirtenpaar. 1797
Gouache auf Papier, auf Hartfaser aufgezogen.
51,8 x 72 cm (20 ⅜ x 28 ⅜ in.). Unten links signiert,
bezeichnet und datiert : C. Katz. pinx: Dresd: 1797.
Kleine Farbverluste. [3013] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Der in Dresden tätige Carl Ludwig Kaaz hat unter Rückgriff auf
klassisch-ideale Kompositionsprinzipien des 17. Jahrhunderts zur Konturierung der deutschen Landschaftsmalerei um 1800 beigetragen.
Seinen stimmungsvollen Naturzugriff verwob Kaaz mit den Eindrücken, die er während seiner Italienreise (1801/02–1804) empfing.
Dabei gelang es ihm, die beiden Pole von Ideal und Wirklichkeit, auf
freien Erfindungen beruhende Kompositionen sowie topografisch
codierte Landschaftsveduten, überzeugend miteinander zu verschmelzen. Untrennbar verbunden mit Kaaz’ Namen ist derjenige Goethes,
welcher den Künstler tätig förderte und zugleich das Weimarer
Herzogshaus als Unterstützer gewinnen konnte. Bei der vorliegenden,
von Kaaz signierten und auf 1797 datierten Gouache handelt es sich
um eine Kopie nach Claude Lorrains berühmtem Bild „Landschaft mit
der Flucht nach Ägypten“ (1647), das in der Dresdner Gemäldegalerie
zu sehen war. Gemeinsam mit einem zweiten Gemälde des in Rom
wirkenden Franzosen, der „Küstenlandschaft mit Acis und Galatea“
(1657), das ebenfalls 1751 die Sammlung bereicherte, vermochte es
den Dresdner Künstlern in den Jahren um 1800 diesen spezifischen
Typus der klassischen Ideallandschaft, welche ihren besonderen Reiz
aus einer ausgewogenen, harmonisch ausbalancierten Komposition
sowie dem subtil eingesetzten Spiel des Lichts bezog, paradigmatisch
zu vergegenwärtigen.
Während Kaaz im Zuge seiner kopierenden Aneignung dem Landschaftsraum relativ getreu folgte, nahm er bei den Figuren kleinere,
aber durchaus bezeichnende Veränderungen vor. So verzichtete er
auf die Wiedergabe der antikisch-gewandeten, knienden Frauengestalt im Vordergrundbereich, die gerade ihr Wassergefäß an der
Quelle auffüllt. Von größeren Konsequenzen für den Gesamtcharakter des Bildes ist schließlich Kaaz’ Entscheidung zu werten,
die Gruppe der auf der Flucht befindlichen Heiligen Familie samt
begleitendem Engel, welche gerade dabei ist, am linken Rand den
Bildraum zu verlassen, auf eine männliche Figur mit Esel zu reduzieren. Einerseits bleibt dadurch die heilsgeschichtliche Allusion ausgespart, andererseits – so ließe sich dieser Schritt ebenfalls lesen
– ist es nun die Landschaft, die aus sich heraus imstande ist, eine
sakrale Aura zu stiften. Ob Kaaz damit den Wünschen des Auftraggebers nachkam oder aber die Modifikationen als eigene Setzung zu
verstehen sind, lässt sich mangels Dokumenten nicht mehr klären.
Die Beschäftigung mit Claude Lorrain war Kaaz ein lebenslanges
Anliegen und hinter einer Vielzahl seiner Kompositionen leuchtet
der Franzose als maßgeblicher Impulsgeber auf. Mehrfach hat
sich der Künstler zudem kopierend mit dessen Werken auseinandergesetzt. Beispielsweise geht aus dem 1810 im „Morgenblatt
für gebildete Stände“ erschienenen, von Karl August Böttiger verfassten Nachruf auf den Künstler hervor, dass Kaaz um 1801 die
Gelegenheit erhielt, „die trefflichen Claude Lorrains und Ruysdaels
auf der Dresdner Galerie für einige reiche kurländische Familien zu
kopieren“. Unsere 1797 entstandene Gouache markiert den Anfang von Kaaz’ Beschäftigung mit dem Künstler. Schließlich war er
erst 1796/97 nach Dresden übergesiedelt und aus dieser frühen
Schaffensphase ließen sich bislang nur wenige Werke dingfest
machen. Markus Bertsch, Hamburg
Grisebach 06/2015
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105 Deutsch, um 1820
Felsen im Wasser.
Pinsel in Grau auf Bütten. 17,8 x 24,9 cm (7 x 9 ¾ in.).
Rückseitig alt mit Bleistift beschriftet, unten rechts:
Caspar David Friedrich; in der Mitte: No 18.
[3095] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München
€ 2.000 – 3.000
10
$ 2,160 – 3,230
In der Sammlung von Eugen Roth galten die Felsen im Wasser als
ein Werk von Caspar David Friedrich. Diese Zuschreibung wird von
der aktuellen Forschung nicht geteilt. Doch ist die Zuordnung an
einen Dresdner Meister sehr plausibel. Eine bis ins Detail ähnliche
Aquarelltechnik in der Stein- und Wassergestaltung verwandte
Johan Christian Dahl auf seiner ersten Italienreise 1820/21. Da
bis heute vor allem seine bahnbrechenden Ölstudien aus Italien
im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, wurde seine eigenständige
zeichnerische Leistung auf diesen Reisen bislang wenig beachtet
und erst 2004 umfassend publiziert: Im Katalog zur Ausstellung
„J.C.Dahl: Tegninger fra Italia-reisen 1820-1821“ des Nationalmuseums in Oslo, herausgegeben von Bodil Sorensen. Die publizierten Aquarelle weisen deutliche Parallelen zu unserer Arbeit
auf. Charakteristisch sind zwei Dinge: das Interesse für Lichteffekte auf den Steinen am Meeresufer und die flächenhafte Gestaltung
des Gesteins wie etwa in einer Zeichnung von der Küste bei Capri
vom 11. Dezember 1820 (Nr.140, S.87). Die Felsformation unseres Blattes ist denen vor der Küste Capris und im Golf von Neapel
eng verwandt.
Grisebach 06/2015
106 Deutsch, um 1810
Baumgruppe mit Obelisk.
Feder in Schwarz, laviert, auf Bütten. 13,1 x 18,3 cm
(5 ⅛ x 7 ¼ in.). Rückseitig unten rechts etwas
unleserlich alt mit Bleistift beschriftet: C [S] W ?.
[3095] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Das Blatt eines unbekannten Künstlers mit dem Blick auf eine
von Bäumen bewachsene Wiese mit einem Obelisken ist nicht
vollständig ausgearbeitet. Auf der Grundlage einer kompositorisch ausgewogenen, monochromen Pinselzeichnung arbeitet
der Künstler in der Mitte nur die beiden Bäume und den Obelisken mit der Feder prägnant heraus, so daß auf dem Blatt Nähe
und Ferne, vollendete und unvollendete Partien in einen wirkungsvollen Austausch miteinander treten, der für die deutsche
Landschaftszeichnung um und nach 1800 charakteristisch ist.
Gegenüber der gleichmäßigen, als Stimmungsträger fungierenden Pinselzeichnung werden Bäume und Obelisk im Wechsel
von Licht und Schatten in einer Weise herausgearbeitet, die
teilweise noch im ausgehenden 18. Jahrhundert verwurzelt ist.
Wie allerdings Bäume und Obelisk bzw. Grabmonument auf dem
Blatt sinnbildhaft miteinander in Beziehung gesetzt werden,
erinnert bereits an den romantischen Symbolgehalt der Kunst
Caspar David Friedrichs. Eine Entstehung des Blattes in Dresden
in Friedrichs Umkreis nach 1800 ist deshalb wahrscheinlich;
eine eindeutigere Zuordnung ist allerdings bisher nicht möglich.
Aufgrund der graphischen Struktur der Federzeichnung wäre an
einen mit dem Medium der Druckgraphik vertrauten Künstler wie
z. B. Johann Philipp Veith (1768-1837) zu denken.
Peter Prange, München
Grisebach 06/2015
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107N Carl Gustav Carus
Leipzig 1789 – 1869 Dresden
Blick über den Waldrand. 1840er/50er Jahre
Öl auf Leinwand. 16 x 33,5 cm (6 ¼ x 13 ¼ in.).
Nicht bei Prause. – Mit einer Bestätigung von
Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden,
vom 20. März 2015. –
Retuschierte Knickfalte. [3143] Provenienz: Privatsammlung, Schweiz
€ 18.000 – 24.000
$ 19,400 – 25,900
Ein heißer Sommertag versinkt in fernem orangenen und
lilafarbenem Leuchten, unten aus dem Wald meint man noch
die letzten Vögel zwitschern zu hören, dann senkt sich die
Dämmerung über das Dresdner Elbtal.
Im Jahre 1832 hatte Carus in Pillnitz ein Sommerhaus bezogen,
um als Leibarzt näher beim sächsischen König zu sein während
des sommerlichen Aufenthaltes im dortigen Schloß. Von seinem
Haus aus zog es ihn immer wieder auf ein kleines Plateau ein
paar hundert Meter bergauf – und an jenem Punkt entstanden
in den folgenden Jahrzehnten immer wieder kleine Naturstudien, die zu den intimsten Werken gehören, die der Künstler
geschaffen hat. Diese Werkgruppe, von Hans Joachim Neidhardt
„Hosterwitzer Studien“ getauft, verbindet der leicht erhöhte
Standpunkt, wodurch von den Bäumen im abfallenden Gelände
davor immer nur die Wipfel zu sehen sind – und die ganze Aufmerksamkeit sich auf den Himmel richten kann und den Punkt,
wo er die Natur berührt.
Zu dieser Werkgruppe gehören etwa die „Bäume im Frühling“
,Fassungen I und II, der „Blick über Waldlandschaft“ und „Blick
über Baumwipfel“ (Werkverzeichnis Prause Nr. 384-387).
Während bei den genannten Studien die meiste Aufmerksamkeit
der minutiösen und doch raschen Erfassung der Baumstrukturen
gewidmet wird, lebt unsere Studie vor allem von der duftigen
Himmelsgestaltung. Mit weichem, schwingendem Pinsel schafft
Carus hier ein besonders schönes Beispiel der Dresdner Landschaftskunst in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts: hier
wird genau geschaut – und gleichzeitig tief empfunden.
Unsere kleine Studie ist der Inbegriff dessen, was als „Dresdner
Romantik“ die Kunst des deutschen neunzehnten Jahrhunderts
bereichert hat. Und wie so häufig sind es ja nicht die Gipfelpunkte einer Entwicklung (also Caspar David Friedrich), sondern eher
die kleineren Erhebungen daneben, in denen sich der Geist einer
Kunstströmung am reinsten entfalten kann. Zumal, wenn es sich
wie bei Carus um einen Theoretiker handelt, der sehr präzise
Worte fand für das, was er künstlerisch schuf. Schaut man
auf den Himmel unserer Studie, wie sich da im abendlichen
Dunst die Farben in den Wolkenbahnen aufzulösen scheinen,
wie sich ein merkwürdiger Frieden über die Landschaft legt wie
ein weiches Laken, dann wird man unweigerlich erinnert an die
Parallelen, die Carus zwischen Himmelsgestaltung und mensch-
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licher Introspektion zieht: „Alles, was in unserer Brust widerklingt,
ein Erhellen und Verfinstern, ein Entwickeln und Auflösen, ein
Bilden und Zerstören, alles schwebt in den Gebilden der Wolkenregionen vor unseren Sinnen.“
Blickt man auf unsere Studie, dann sieht man in ihr verwirklicht, was Carl Gustav Carus in seinen „Neun Briefen über
Landschaftsmalerei“ (1815-1824) als kunstpolitisches Ideal der
Romantik postuliert hatte: Die Hauptaufgabe der Landschaftskunst ist danach die „Darstellung einer gewissen Stimmung des
Gemüthslebens durch die Nachbildung einer entsprechenden
Stimmung des Naturlebens“. Damit wird also die Welt, die in
der vorromantischen, klassizistischen Landschaftsmalerei noch
ein objektives Für-Sich war, zu einem Ausstrahlungsfeld der
subjektiven Gefühle des Menschen. Und der Betrachter, auch
im Jahre 2015, kann selbst wieder ein Teil werden der subjektiven Gefühle eines Carl Gustav Carus, die ihn durchpulsten an
diesem Sommerabend der 1840er, als er hinter den Baumgipfeln
von Hosterwitz die Dämmerung in surrealen Farben ins Elbtal
versinken sah. (FI)
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
13
108 Gustav Adolf Friedrich
Blick aus dem Fenster.
Öl auf Pappe. 13 x 12,8 cm (5 ⅛ x 5 in.).
Winzige Fehlstelle an der rechten unteren Ecke.
Das Blatt wurde von einer nur wenig größeren Pappe gelöst.
Alte Beschriftung auf der Rückseite der Unterlage mit brauner
Feder: Besitzerin Annaliese Friedrich Hannover-Kleefeld Senator
Bauerstr. 29 Auf der Rückseite des Bildes stand die Bezeichnung
C.D.Friedrich. [Name ist unterstrichen] Herr Ernst Bommer,
der Schwager C.D.Friedrichs hatte seinerzeit laut Bestätigung
die Bezeichnung selbst gemacht. [3245] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß Caspar David Friedrich
(seither in Familienbesitz) / Privatsammlung, Sachsen
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Ein Punkt bei dieser energiegeladenen kleinen Ölstudie ist eindeutig geklärt: sie hat einmal Caspar David Friedrich gehört. Die
rückseitige Beschriftung ist authentisch und die Familienerbfolge
aus zahlreichen anderen Werken von der Hand und aus dem
Besitz Friedrichs bekannt (siehe Abbildung unten rechts).
Unsere Studie führt uns mitten hinein ins Zentrum der engen
Freundschaft zwischen Friedrich und Johann Christian Dahl, die
in den 1820er und 1830er Jahren gemeinsam im Haus „An der
Elbe 33“ wohnten und arbeiteten (siehe Abbildung unten links).
Die große Ausstellung „Dahl und Friedrich“ in der Galerie Neue
Meister in Dresden beleuchtet derzeit die Wechselwirkungen
dieser intensiven Freundschaft und Arbeitsbeziehung. Während
von Friedrich selbst sehr wenige Ölstudien bekannt geworden
sind (die Ausstellung zeigt zwei Beispiele von gelb leuchtenden
Himmeln aus der Kunsthalle Mannheim und aus Privatbesitz),
hat Dahl gerade in diesem Medium seine größte Meisterschaft
erreicht. Immer wieder malte er aus seinem Dachatelierfenster
des Hauses „An der Elbe“, wie sich die Wolken türmten über dem
Fluß, wie die Sonne den Himmel durchbricht und die Abenddämmerung ihre Farbpracht entfaltet. Die kleinen Studien waren
schon zu Dahls Lebzeiten legendär, er zog einen sehr großen
Kreis von Schülern an, denen er die spontane und doch sehr
präzise Malerei mit Ölfarbe auf Papier oder Karton direkt vor der
Natur lehrte.
So deutet also einiges darauf hin, daß es sich bei unserer Studie
um ein Werk von Dahl handeln könnte – das er, der damaligen
Praxis entsprechend, als unsignierte Freundschaftsgabe an
Friedrich gab, in dessen Nachlaß es schließlich verblieb und von
den Verwandten als eigenhändiges Werk des Besitzers mißver-
14
Grisebach 06/2015
(Abbildung in Originalgröße)
standen wurde. Für Dahl spricht die charakteristische weiße Lichtsetzung in den schwarzen Wolkenbergen, auch die verschleifenden
Pinselstriche, mit denen die Landschaft mit den weiten Wiesen
und den schmalen Ackerrainen dazwischen erfasst wurde, sind
von großer Souveränität. Vermutlich sehen wir bei unserer Studie
den Blick aus dem Haus „An der Elbe 33“ – aber nicht wie üblich
nach vorne zum Fluß, sondern nach hinten, zu den südlichen
Hängen hin, die Dresden hier begrenzen. Ganz genau läßt sich
die Häuserreihe im Vordergrund der Studie aber heute, fast zweihundert Jahre danach, nicht im Stadtbild Dresdens verorten.
Die Häuserreihe ist im Vergleich zu den mittleren und hinteren
Partien des Bildes weniger ausgeführt, auch etwas weniger furios
gemalt – und damit kommt ein dritter Name ins Spiel. Es ist kein
Zufall, daß der Herr im weißen Hemd, der unten auf dem Foto aus
dem Dachgeschoß des Hauses „An der Elbe 33“ grüßt, Gustav
Adolf Friedrich (1824-1889) ist. Gustav Adolf war der Sohn Caspar
David Friedrichs – und schon als er siebzehn Jahre alt war zog es
ihn immer wieder zum Malen zum Nachbarn obendrüber: zu Dahl.
Auch wenn er in seinen späteren Jahren vor allem als akkurater
Tiermaler bekannt wurde, gibt es offenbar einige sehr ausdrucksstarke und könnerhafte Ölstudien, die obwohl ganz in der Manier
Dahls, Friedrichs Sohn zugeschrieben werden. So ist es eine
mögliche Lösung, daß er der Schöpfer unserer Arbeit ist –
auch wenn man mindestens beim Mittelgrund und Himmel denkt,
daß Dahl seine Finger mit im Spiel gehabt haben müsste. (FI)
Grisebach 06/2015
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109 Ernst Ferdinand Oehme
1797 – Dresden – 1855
„Böhmische Landschaft mit Statue eines Heiligen“. 1841
Aquarell über Feder in Schwarz und Bleistift auf Papier.
24,5 x 37,1 cm (9 ⅝ x 14 ⅝ in.).
Nicht bei Neidhardt. – Mit einer Expertise von Prof. Dr.
Hans Joachim Neidhardt, Dresden, vom 22. März 2015. –
[3200] Erzgebirge gereist. Im Jahr 1841 machten sie sich nach Osten
und erneut im Herbst zu Wanderungen durch Nordböhmen auf,
wobei sie beide Male den Milleschauer berührten. Im Frühling
führte ihre Tour sie über Aussig, Sebusein, Kamaik, Lobositz und
den Milleschauer auch nach Töplitz, so daß diese Zeichnung wohl
genau auf den April 1841 zu datieren ist.
€ 5.000 – 7.000
Unter Oehmes Werken, die unterwegs entstanden, besticht
dieses Blatt durch seine zeichnerische Offenheit: Mit zarten, nur
stellenweise unterbrochenen Federlinien umreißt der Künstler
Erdformationen, Baumkronen und Vorgebirge sowie die in langen
Zügen sanft und zugleich energisch schwingenden Horizontlinien.
Anschließend verleiht er der Landschaft mit dem aquarellierenden
Pinsel gleichsam ihre Materialität. Dabei beschränkt er sich auf
helles Sandbraun und transparent ins Bläuliche übergehendes
Grün sowie reichlich Papierton. Diese Reduktion trägt sehr zum
Reiz des Blattes bei; die Baumgruppe rechts ist lediglich mit einer
Umrißlinie angedeutet, um die zeitlose Stimmung der Fernlandschaft wirken zu lassen.
$ 5,390 – 7,540
Wir danken Frank Richter, Dresden, für die topograpischen
Hinweise.
Von erhöhtem Standpunkt aus überblickt der Betrachter die
einladend ausgebreitete Landschaft Nordböhmens; auf sandige
Böschungen vorn und frische Vegetation dahinter folgt eine Ebene
mit ausgebreiteten Feldern zu Füßen der markanten Gipfel am
Horizont, über denen die Sonnenscheibe angedeutet ist. Bei der
Baumkrone rechts und der Skulptur eines Heiligen, vermutlich
Nepomuk, am Wegesrand kommt der schweifende Blick zur Ruhe.
Ernst Ferdinand Oehme zeigt hier den Blick zum Kletschen links
und dem Milleschauer rechts, wobei sein Standort entweder der
Wacholderberg bei Teplitz oder etwas weiter östlich der Schloßberg bei Teplitz war. Ungefähr diesen Blick auf die beiden Bergspitzen hatte schon 1808 Oehmes Lehrer und Vorbild Caspar David
Friedrich gemalt. 33 Jahre später wanderte der 44-jährige Oehme
mit Carl Gottlieb Peschel und Ludwig Richter durch Nordböhmen.
Die drei Künstler, die eine zwanzigjährige Freundschaft verband,
waren bereits gemeinsam durch Italien und mehrfach durch das
16
Es ist denkbar, dass der Künstler bei dieser Zeichnung eine spätere Umsetzung in ein bildmäßig ausgeführtes Aquarell oder ein
Gemälde im Sinn gehabt hat, wie es auch bei seinen böhmischen
Landschaften gelegentlich vorkommt. Dennoch wirkt sie in ihrer
unaufgeregten, meisterlichen Sicherheit und Ruhe völlig autonom
und bezeugt damit einmal mehr die hohe Zeichenkultur der
sächsischen Landschaftsmalerschule bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts.
Anke Fröhlich-Schauseil, Dresden
Grisebach 06/2015
110 Carl Robert Kummer
1810 – Dresden – 1889
„Das Kloster Metten bei untergehender Sonne“. 1859
Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 22 x 39,3 cm (8 ⅝ x 15 ½ in.).
Nüdling 391 (dort mit irrtümlichen Titel). – Mit einer Bestätigung
von Dr. Elisabeth Nüdling, Fulda, vom 9. April 2015. –
Etwas wellig aufgezogen. Randmängel. [3013] Gerahmt.
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Ein spektakulärer Abendhimmel leuchtet in dieser kühnen Ölskizze
über der barocken Klosteranlage im Bildzentrum. Es handelt sich
um eine Ansicht der Benediktinerabtei Metten im Bayerischen
Wald, die hier im Mittelpunkt des eindrucksvollen Naturschauspiels
steht. Breite Pinselstriche und subtiles Farbspiel dokumentieren
das große Spektrum technischer Möglichkeiten, das Kummer hier
voll ausschöpfte.
Wir danken Herrn Chris Mulzer, Berlin, für die Identifizierung
der Landschaft.
111 Deutsch, um 1800
Ruine im Nebel.
Pinsel in Schwarz und Grau auf Papier. 13 x 17,5 cm
(5 ⅛ x 6 ⅞ in.). Unten links ein Sammlerstempel
(nicht bei Lugt). Gebräunt, verblichen. [3275] Provenienz: Ehemals Johann Friedrich Lahmann,
Dresden-Weißer Hirsch, und Edwin Redslob, Berlin
€ 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Diese faszinierende kleine Papierarbeit von hoher Qualität und
bester Provenienz (Johann Friedrich Lahmann war der wichtigste
Sammler der Dresdner Romantik) könnte, obwohl man zunächst an
einen Dresdner Künstler der Frühromantik denkt, sogar noch eher
entstanden sein. Die erst auf den zweiten Blick zu erkennende Figur
vorne rechts, die andächtig auf die im Nebel versinkenden Ruinen
blickt, ist als Überwältigungsinszenierung eine Haltung des achtzehnten Jahrhunderts. Die Faszination für die verfallenen Gebäude mit
ungewöhnlicher Perspektive und sehr hoher künstlerischer Freiheit
könnte auf Christian Benjamin Müller (1690-1758) als Künstler
hindeuten, allerdings knüpft vor allem Christoph Nathe (1753-1806)
in seinen späten Aquarellen genau an Müllers freien Umgang mit
Pinsel und lavierten Partien an.
Grisebach 06/2015
17
112 Carl Gustav Carus
Leipzig 1789 – 1869 Dresden
„Phantasie aus der Alpenwelt“. 1822
Öl auf Leinwand. Doubliert. 52 x 66,7 cm (20 ½ x 26 ¼ in.).
Prause 132. –
[3032] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Galerie Caspari, München (um 1925/27) /
Privatsammlung, New York (bis 2002)
Ausstellung: Verzeichniß der [...] ausgestellten Kunstwerke.
Dresden, Königl. Sächs. Akademie der Künste, 1822, Kat.-Nr.
182 / Carl Gustav Carus. Natur und Idee. Dresden, KupferstichKabinett und Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in der Gemäldegalerie Alte Meister und
im Residenzschloß Dresden, und Berlin, Alte Nationalgalerie,
Staatliche Museen zu Berlin, 2009/2010, Kat.-Nr. 159, m.
Farbabbildung
Literatur und Abbildung: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur,
Theater und Mode, Jg. 7, 1822, Nr. 133, 5.11.1822, S. 1075
(Rezension der Dresdner Ausstellung) / Artistisches Notizenblatt,
Jg. 19, 1822, S. 76 (Rezension der Dresdner Ausstellung) /
Gerda Grashoff-Heins: Carus als Maler. Lippstadt 1926
(= Münster, Univ. Diss. 1926), S. 32 / 19th Century European
Art. London, Christie‘s, 4.12.2002, Kat.-Nr. 71, m. Farbabbildung
€ 180.000 – 240.000
$ 194,000 – 259,000
„Zwei Adler“. Vorzeichnung zum Gemälde. Bleistift 14,1 x 19,6
cm. Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Inv. Nr. C1963-518 (aus dem Nachlaß des Künstlers)
18
Dieses faszinierende Bild führt mitten hinein in die Freundschaft
zwischen Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich. Der Naturforscher, Maler und Universalgelehrte und der größte Künstler
der deutschen Romantik hatten sich in Dresden kennengelernt.
Zwischen 1818 und 1825 fällt ihre intensivste Phase, es gab
fast täglichen Austausch, man malte gemeinsam in Dresden und
Umgebung und die Werke von Carus beziehen sich mitunter direkt
auf die seines Freundes und Vorbildes. Unser Bild entstand im
Jahre 1822, als Carus künstlerischer Weg eine Wandlung durchlief
und er, wie er immer wieder bekennt, besonders viel von Friedrich
lernt. Es zeigt zwei Greifvögel (Bartgeier eher als Adler, auch wenn
schon in den ersten Rezensionen von Adlern die Rede ist) auf
einem braunen Felsvorsprung, dahinter, in der nächsten Zone,
ziehen undurchsichtige Nebelschleier durchs Bild, aus denen sich
schließlich zwei hochalpine und schneebedeckte Gipfel erheben.
Das Bild beruht auf den Erfahrungen, die Carus auf seiner ersten
Schweizreise 1821 machte. Außergewöhnlich ist aber, daß er
anders als bei den anderen Bildern der Alpenreise, die ihre
Topographie imTitel tragen, bewusst die Aufmerksamkeit der
Betrachter auf die Symbolik des Werkes lenkte und ihm den Namen „Phantasie aus der Alpenwelt“ verlieh. Auch daß er das Bild
im Jahr 1822 zur Dresdner Akademieausstellung gab, demonstriert, welch besondere Bedeutung Carus dem Bild beimaß. Und
manchmal sind auch kleine Details aufschlussreich: so wollte sich
Carus, anders als von zahlreichen anderen Werken und Zeichnungen, zeitlebens nicht von dem kleinen Blatt trennen, auf dem er
die beiden Adler im Gebirge nach den Radierungen gezeichnet
hatte, die als Vorstudie für die „Phantasie aus der Alpenwelt“
dienten (offenbar war es keine Zeichnung nach der Natur, sondern nach einer Radierung von Ridinger aus dem Jahre 1744).
Umso eigentümlicher ist, daß das Bild bis heute in der CarusLiteratur nicht gedeutet wurde – obwohl es mit seinem Titel ja
bewusst die „Phantasie“ anregen sollte. Könnte die besondere
Aura, die von dem Bild ausgeht, nicht darin begründet liegen,
daß wir es hier mit einem ganz besonderen Freundschaftsbild
der Dresdner Romantik zu tun haben? Um 1820 malte Friedrich
seine „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“. Unser Bild
könnte ein Versuch von Carus sein, darauf zu reagieren – und
zugleich seinem Freund zu huldigen. Denn das Verhältnis der
beiden Greifvögel entspricht exakt dem zwischen Carus und
Caspar David Friedrich in der Zeit um 1821/22: Der untere Vogel,
von dem man nur einen Flügel sehen kann, blickt anerkenend und
ehrfurchtsvoll auf den oberen, helleren Vogel, der seine Flügel
ausbreitet. Und darüber in den Bergen wird das Verhältnis noch
einmal wiederholt: rechts der etwas niedrigere, links der hellere,
unerreichbare Gipfelpunkt. Es passt zu den Briefen und Notizen von Carus aus dieser Zeit, daß er sich darum bemühte, von
Friedrich zu lernen, wie man Bilder symbolisch auflädt. Und es
passt zu Carus, der den großen Geistern seiner Zeit wie Friedrich
und Goethe immer mit einer gewissen Ehrfurcht gegenüber trat,
dieses Verhältnis auch bildnerisch darzustellen. Somit wird dieses
Bild zu einem ganz besonderen Dokument der Kunst der Dresdner
Romantik um 1820. (FI)
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
(Abbildung in Originalgröße)
113 Adolf Henning
1809 – Berlin – 1900
Fluß im Mondlicht.
Öl auf Papier, über Goldpapier auf Karton aufgezogen.
7,9 x 12,2, cm (3 ⅛ x 12,2, in.).
[3056] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß des Künstlers
€ 1.200 – 1.500
114 Wo genau diese kleine Ölskizze entstanden ist, wissen wir nicht.
Es ist auch nicht so wichtig, geht es dem v.a. als Porträtmaler
tätigen Berliner Künstler Adolf Henning hier doch in erster Linie
um das Licht, genauer gesagt um das Licht des Mondes. Um
dessen besondere atmosphärische Wirkung einzufangen, braucht
es Raum. Ein flüchtig hingeworfener Weg, ein Fluß, umsäumt von
flach auslaufenden Bergketten genügen, um das Besondere dieses
Lichtes zu zeigen: Es färbt die Landschaft bläulich-schwarz ein,
während auf der glatten Wasserfläche seine Spiegelung gleißendweiß ausläuft. (SW)
$ 1,290 – 1,620
Heinrich Brandes
Bortfeld b. Braunschweig 1803 – 1868 Braunschweig
„Landschaft mit bewaldeter Bergkuppe“.
Öl auf Leinwand. 18,8 x 22,2 cm (7 ⅜ x 8 ¾ in.).
Nicht bei Spies. – Mit einem Gutachten von Prof. Dr.
Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 15. Januar 2015. –
Kleine Retuschen. [3199] € 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Grisebach 06/2015
115 Heinrich Brandes
Bortfeld b. Braunschweig 1803 – 1868 Braunschweig
„Harzlandschaft“.
Öl auf Leinwand. 17 x 23 cm (6 ¾ x 9 in.).
Nicht bei Spies. – Mit einem Gutachten von Prof. Dr.
Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 15. Januar 2015. –
Kleine Retuschen. [3199] € 2.500 – 3.500
$ 2,690 – 3,770
Das zentrale Motiv im steinigen Vordergrund ist eine von rechts zur
Bildmitte hin ansteigende, aus mehreren Steinschichten bestehende
Felsklippe, die mit einer gezackten Kontur jäh endet. Ein Schwarm von
Raben steht im Begriff, sich auf der Klippe niederzulassen. Die braunviolett gefärbten Felsen vorn finden eine farbliche Entsprechung in der
Wolkenbank, die über dem orangefarbenen Abendhimmel liegt. Dieser
endet für das Auge ganz links oben in einem bläulich-weißen Fleck,
dem hellsten im Bild. Der Blick wird also sehr bestimmt von rechts
nach links gelenkt und steigt dabei immer höher.
Die genaue Betrachtung erschließt die überlegte, dabei indessen
keineswegs aufdringliche Komposition mit einem intensiven Stimmungsgehalt. Bei der auffälligen Klippe handelt es sich um die Teufelskanzel auf dem Brocken, der seit der künstlerischen Entdeckung des
Harzes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemein bekannt
war. Der Maler hat jedoch den Blick spiegelbildlich wiedergegeben,
wie eine Zeichnung von Carl Gustav Carus in der Nationalgalerie in
Oslo belegt. Bei dem Blick von der anderen Seite müßte rechts das
Brockenhaus erscheinen. Diese Situation hat Ludwig Richter 1836
gezeichnet. Die verschollene Zeichnung war die Vorlage für einen
Stahlstich in dem verbreiteten Buch über den Harz von Wilhelm
Blumenhagen, das 1838 erschien.
In Malweise, Motiv und Kolorit ist engstens verwandt ein auf Holz
gemaltes Bild von Heinrich Brandes mit den Maßen 26,5 x 36 cm
„Der Ilsenstein mit Raben“ in Privatbesitz. Dieses Gemälde ziert den
Einband der maßgeblichen Monographie über den Maler von Gerlinde
Spies „Der Braunschweiger Landschaftsmaler Heinrich Brandes
(1803-1868)“ (Braunschweig, 1986). In dem 450 Nummern umfassenden Werkverzeichnis mit nicht weniger als 119 Harzlandschaften
ist das Bild als Nr. 310 ohne Datierungsvorschlag aufgeführt. Zuerst
wird von dem Maler ein Harzmotiv in einem 1843 datierten Gemälde
„Der Regenstein im Harz “ (WV 307,29,5 x 41 cm) faßbar.
Viele Harzlandschaften, besonders die von Carl Friedrich Lessing,
der zwischen 1836 und 1878 sechsmal den Harz besuchte, tragen
den Titel „Landschaft im Charakter des Harzes“. Solche Bilder wollten
nicht als exakte Vedute eines bestimmten Ortes gesehen werden,
sondern als Darstellungen, die das Wesentliche einer Gegend in poetischer Verdichtung erfassen und so eine vertiefte Anschauung durch
den Betrachter erfordern. In dieser Weise ist auch das vorliegende
Bild zu betrachten.
Heinrich Brandes ist schon früh durch die Aufnahme eines Porträts
von 1828 (Frau Hausmann als Kind) in der berühmten JahrhundertAusstellung von 1906 in seinem hohen künstlerischen Rang erkannt
worden. Seine Bedeutung als Landschaftsmaler kann indessen
erst auf der Grundlage der Arbeit von Gerlinde Spies voll gewürdigt
werden. Er setzt eine frühromantisch idealisierende Auffassung der
Landschaft noch über die Jahrhundertmitte hinaus fort.
Helmut Börsch-Supan, Berlin
Grisebach 06/2015
21
altertümliche Sandalen angezogen oder „hinzugemalt“ hat? Ähnliches Schuhwerk taucht auf Bildern des großen Christoffer Wilhelm
Eckersberg aus dieser Zeit auf, der ab 1803 an der Akademie lernt,
später dort lehrt. Sogar Gesicht und Haare des Modells sind von dem
Kunststudenten antikisch idealisiert worden, die Grisaille-Technik
(Ölmalerei nur in Grau, Schwarz und Weiß) gibt dem Körper zusätzlich
das marmorartige Aussehen; vor dem fasziniernd grisseligen Hintergrund scheint der Junge, perfekt beleuchtet, nachgerade aus dem Bild
hervorzutreten.
Denkt man an dänisch-antikische Statuen aus dieser Zeit, muss man
den größten dänischen Bildhauer des 19. Jahrhunderts erwähnen:
Bertel Thorvaldsen, der sowohl in Kopenhagen als auch in Rom tätig
gewesen ist. Dieser „dänische Winckelmann“ hat in Rom einen großen
Werkstattbetrieb aufgebaut und viele junge Bildhauer ausgebildet
und beschäftigt. Damit trägt er auch dazu bei, dass sich der durch
Friedrich Schlegel 1803 wiederbelebte „Paragone-Streit“ um die
Frage nach der Vorherrschaft von Malerei oder Bildhauerei Anfang
des 19. Jahrhunderts noch nicht zu Gunsten des Bildes entscheidet.
Tatsächlich hat man bei diesen detailverliebten Studien eher den
Eindruck, dass alles zusammenkommt: Mensch, Skulptur, Ölmalerei.
Falls der antikisierte Jüngling eine mythologische Figur verkörpert,
dann keinen bulligen Herkules oder Vulcan, sondern einen schlanken
Apoll oder Jason; um 1810 hat Thorvaldsen etwa eine Jason-Skulptur
mit Vlies, Harnisch und Sandalen produziert.
117 Doch zwei Merkmale sprechen dafür, dass es sich hier um einen Normalsterblichen handelt: Erstens ist die Pose deutlich malerisch, findet
sich auf zahlreichen dänischen Zeichnungen und Gemälden dieser Zeit.
Zweitens hat der Jüngling sympathische Segelohren. Damit ist freilich
nichts entschieden. Mensch oder Halbgott? Heldentaten planen oder
Aktmodell sitzen? Der starke Reiz dieser Studien liegt gerade in dem
federballleichten Spiel zwischen Idealisierung und Wirklichkeit. (SIE)
Dänisch, um 1810
Zwei Männerakte (Akademiestudien).
Jeweils Öl auf Zink. 41,2 x 31,4 cm bzw. 41,4 x 31,3 cm
(16 ¼ x 12 ⅜ in. bzw. 16 ¼ x 12 ⅜ in.). [3215] Gerahmt.
€ 3.500 – 4.500
$ 3,770 – 4,850
Der Eindruck, daß die beiden Männer wie gemeißelt aussehen, führt
direkt in die Entstehungszeit der Aktstudien, wahrscheinlich um 1810,
in der die klassizistischen und frühromantischen Künstler ihre Fingerfertigkeit schulten. Sie studieren nicht nur den Menschen, sondern
auch Marmor- und Gipsstatuen. Schließlich verkörpern diese Statuen
das höchste Ideal des Menschlichen: die griechisch-römische Antike.
Eine der wichtigsten Akademien um 1800 (vor allem für den europäischen Norden) ist die Kopenhagener Kunst-Akademie. Seit ihrer
Gründung Mitte des 18. Jahrhunderts wird hier das Aktstudium
gelehrt. Gerade auch um den bekleideten Menschen proportional
korrekt in den perspektivischen Gemälde-Raum ‚einzupassen’, studiert man den nackten Körper, betreibt sozusagen Anatomie mit dem
Auge. Die Schüler, ganz gleich, ob das Ziel Malerei oder Bildhauerei
ist, beginnen mit dem Kopieren von Zeichnungen – der berühmte
Akademie-Schüler Philipp Otto Runge hat etwa seinen dänischen
Lehrer Nicolai Abildgaard kopiert. In einem nächsten Schritt werden
Statuen „abgepaust“. Und erst zum Schluss kommt das Studium
des lebendigen Modells, das meist geschickt künstlich beleuchtet im
Halbrund der Studenten auf einem Sockel thront.
Ist der einmal von schräg vorne, dann von schräg hinten aufgenommene Jüngling vielleicht einer Statue aus der Abgusssammlung der
Akademie oder aus dem Antikensaal im dänischen Schloss Charlottenburg nachempfunden? Oder ist er ein Aktmodell, dem man eigens
22
Grisebach 06/2015
118 Otto Meyer
Berlin, um 1820 – nach 1880
„Bukolische Szene“. Um 1858
Öl auf Leinwand. Doubliert. 45 x 54 cm (17 ¾ x 21 ¼ in.).
Mit einem Gutachten (in Kopie) von Prof. Dr.
Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 10. Oktober 2012. –
[3204] Gerahmt.
€ 7.000 – 9.000
$ 7,540 – 9,700
Der junge Mann, der sich hier mit einem Ziegenbock neckt, ist
selbst schon fast zum Sartyr geworden, mitten in der Metamorphose wird er vom neugierigen Tier als Objekt der Begierde entdeckt.
Zweideutig grinst der Satyr den Betrachter an, fast scheint man sein
Augenzwinkern zu sehen. Natürlich ist der junge Mann nicht ohne
Caravaggios Amor in Berlin zu denken - und auch seine schmutzigen
Fußsohlen sind ein Gruß an den italienischen Meister aller Klassen.
Auch wenn unser Bild nicht signiert ist, geht Helmut Börsch-Supan
fest davon aus, daß die Verwandtschaft zum Gemälde „Zwiegespräch“ in der Kieler Kunsthalle so eng ist, daß auch unser Bild von
der Hand Otto Meyers stammt. Sowohl die Komposition als auch
der eigenwillige Humor ist beiden Arbeiten eigen.
Meyer, Schüler von Carl Joseph Begas, war ein vielumschwärmtes
künstlerisches Wunderkind im Berlin, reiste früh und wiederholt nach
Rom. Franz Kugler schwärmte von der „Frische der Auffassung“
bei ihm und der „kräftigen, vollen Malerei und energischen Gesamthaltung“. Von all dem erzählt auch unser eindrückliches Bild - in
seiner Motivik erinnert es an die italienischen Werke von Böcklin und
Feuerbach und Skulpturen von Reinhold Begas, jene einfühlsamen
Verquickungen von Mythos und Landleben. Deshalb erscheint eine
Datierung auf Meyers Italienreise von 1858 plausibel. „Aus der
Masse der Genrebilder des 19. Jahrhunderts“, so Börsch-Supan in
seinem Gutachten, „ragt es durch die Kühnheit der Auffassung und
hohe malerische Qualität hervor“. Im Boetticher ist für Meyer,
dessen früher Ruhm aus ungeklärten Gründen jäh endete, unter
der Nr. 11 das Bild „Aus einem Hirtenleben“ genannt. Es würde zum
Humor des Künstlers passen, seiner sehr originellen Bildfindung
diesen lakonischen Titel zu geben.
Grisebach 06/2015
23
119 Eduard Magnus
1799 – Berlin – 1872
weise hat Magnus das Bild für sich behalten, während das Kopenhagener Exemplar in den Besitz Thorvaldsens und mit seinem Nachlaß
an das Thorvaldsens Museum gelangte.“ (Helmut Börsch-Supan)
Bertel Thorvaldsen. Um 1828
Öl auf Leinwand. 60,5 x 46 cm (23 ⅞ x 18 ⅛ in.).
Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan,
Berlin, vom 3. Dezember 2014. –
Retuschen, teilweise über sorgfältig restaurierten Einrissen.
[3402] Gerahmt.
€ 15.000 – 20.000
$ 16,200 – 21,600
Vermutlich die erste Version aus der Portraitserie.
„Das bisher nicht bekannte Gemälde ist eine nur geringfügig von
einem anderen Exemplar im Thorvaldsens Museum in Kopenhagen
abweichende Fassung von gleicher Größe und Qualität. Möglicher-
24
Der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen und der Berliner Maler
Eduard Magnus lernten sich in Rom kennen. Magnus war zu seiner
ersten Reise nach Italien aufgebrochen, hatte, begleitet von Christian
Daniel Rauch, in Paris Station gemacht und traf im Laufe des Jahres
1826 in der Stadt am Tiber ein. Die Gastfreundschaft des viele Jahre
älteren Bildhauers trieb auch den jungen Deutschen in das Atelier
nahe der Piazza Barberina. Es galt als Anlaufstelle: Auftraggeber wie
Handwerker, Assistenten, Reisende gaben sich hier die Klinke in die
Hand. Die beiden Künstler befreundeten sich, und Magnus, der sich
zum herausragenden Bildnismaler entwickeln sollte, porträtierte den
bereits berühmten Künstler in den nächsten Jahren mehrmals. Das
bekannteste Bildnis beherbergt das Thorvaldsenmuseum in Kopenhagen. Diese Fassung blieb der Öffentlichkeit bislang verborgen. (SE)
Grisebach 06/2015
120 Wilhelm Ferdinand Bendz
Odense 1804 – 1832 Vicenza
Damenportrait. Um 1830
Öl auf Leinwand. 68,5 x 52,5 cm (27 x 20 ⅝ in.).
Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan,
Berlin, vom 8. November 2013. –
Retuschen. [3204] Gerahmt.
Provenienz: Privatsammlung, Bayern
€ 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900
Im Jahre 1831/32 war Wilhelm Bendz auf der Reise von Kopenhagen
über Hamburg, Berlin, Dresden, Nürnberg nach Italien längere Zeit
in München. Eine der vielen künstlerischen Hochbegabungen, deren
jäher Tod - noch auf der Reise nach Rom - ein singuläres Werk
beendete. Vital, lustig, lernbegierig und bei allen Malerkollegen beliebt, war er in seiner Münchner Zeit eng mit Christian Morgenstern
befreundet, mit dem er gemeinsam Landschaften im bayrischen
Alpenvorland malte, z. B. bei Kochel und Partenkirchen. Sein Hauptwerk „Künstler im Finck‘schen Kaffeehaus in München“ wurde von
Bertel Thorvaldsen angekauft (Thorvaldsens Museum, Inv.-Nr. B197).
Auch mit mehrere Einzelporträts erregte Bendz in München Aufmerksamkeit. Die Ähnlichkeit unseres Bildes zu seinem signierten
und datierten „Portrait einer alten Frau“ von 1832 (Hirschsprungske
Samling,Inv.- Nr. 3137) ist so groß, der Kopfschmuck so ähnlich und
die lässige Drapierung des Schmucks so vergleichbar, daß Helmut
Börsch-Supan unser unsigniertes Bild der charmant blickenden jungen Dame eindeutig Wilhelm Bendz zuschreibt. Weitere Merkmale,
mit denen sich Bendz‘ Malerei auf der Höhe seines Schaffens von
der seiner Zeitgenossen abhebt, sind die psychologisierende Darstellung in seinen Porträts und am auffallendsten sein farbenfrohes,
kräftiges Kolorit.
Grisebach 06/2015
25
121
Eduard Gaertner
Berlin 1801 – 1877 Zechlin
Die heilige Pforte in Moskau. 1837
Aquarell auf leichtem Karton. 35,3 x 25,5 cm (13 ⅞ x 10 in.).
Unten rechts monogrammiert und datiert: E. G. 1837.
Nicht bei Wirth (vgl. Wirth 42 sowie Wirth 233 u. 234). –
[3133] Gerahmt.
€ 50.000 – 70.000
$ 53,900 – 75,400
Das der Fachwelt bisher unbekanntes Aquarell kann als glücklicher Fund für die Gaertner-Forschung gelten. Erst das eingehende
Quellenstudium machte es 2001 möglich, neues Licht in das bisher
kaum bekannte russische Kapitel der Gaertner-Biographie zu bringen.
Die gewonnenen Erkenntnisse öffneten Perspektiven für weiteres
Suchen nach verlorenen Spuren seiner Kunst. Als bisher bedeutendste Entdeckung auf diesem Weg darf das vorliegende Aquarell gelten.
„Die Heilige Pforte“ war das erste von Gaertners bekannten Moskauer
Gemälden. In diesem Bild, erworben am 26. März 1838 frisch von der
Staffelei von König Friedrich Wilhelm III., ist 1945 zweifellos eines der
originellsten und bedeutendsten Werke Gaertners verlorengegangen.
Neben einer schwarz-weißen Photographie waren bisher lediglich
zwei Vorzeichnungen bekannt (Stiftung Stadtmuseum Berlin). Umso
bedeutender ist die neu entdeckte Aquarellversion. Bei der angesichts
des doppelt kleineren Formats verblüffenden, beinahe gänzlichen
Übereinstimmung mit dem Gemälde bringt es uns wohl weitgehend
dessen verlorene Farbigkeit zurück. Die selbstständige künstlerische
Qualität des Blattes unterliegt aber auch frei von jeglichem historischen Bezug keinem Zweifel.
Der Spasski-Turm galt seit jeher als Hauptturm- und Tor des Moskauer
Kreml und wurde als heilig verehrt. Nachdem 1645 durch dieses Tor
die Erlöser-Ikone aus Wjatka in die Uspenski-Kathedrale gebracht
wurde, entwickelte sich für ewige Zeiten ein Brauch, vor dem Betreten
der „Heiligen Pforte“ die Kopfbedeckung zu ziehen. Schon ihrer
historischen Bedeutung wegen gehörte sie zu den meist dargestellten Sehenswürdigkeiten Moskaus. Niemandem vor und auch nach
Gaertner fiel jedoch ein, die Freitreppe der schräg gegenüberliegenden Basiliuskathedrale zu besteigen und auf das berühmte Denkmal
durch ihre Bogenöffnung zu blicken. Dieser Standpunkt, wie auch das
Kirchendach in seinem Berlin-Panorama von 1834, bot ihm eine ganz
neue, überraschende Ansicht und gleichzeitig einen fertig „geschnitzten“ Rahmen für das Hauptobjekt der Darstellung – den Spasski-Turm,
der mitten im Bild emporragt. Unser Blick verharrt allerdings weniger
auf dem Tor, als auf dem müde gebückten Rücken des weißhaarigen
Greises im Vordergrund. Die Mütze vom Haupt gezogen, andächtig
gen Heiliges Tor blickend, ohne Kraft, auf die Knie zu fallen, wie es sich
gehört, hebt er die Hand, um sich zu bekreuzigen. Zufälliger Zeuge
des inneren Dialogs des einfachen Mannes mit seinem Heiligtum,
mitgenommen und gerührt von der Innigkeit seines religiösen Gefühls,
beobachtet ihn Gaertner aus seinem Versteck und lädt zugleich
ein, das bunte Leben und Treiben zu beobachten, das sich vor der
monumentalen Kulisse der „Heiligen Pforte“ auf dem Roten Platz abspielt. Ob der mit dem Edelmann verhandelnde Kutscher oder allerlei
chaotisch an der Kremlmauer „parkendes“ Fuhrwerk, die zanksüchtige Hündchen oder die Kreuzprozession, die sich gerade der Pforte
nähert, begleitet von der stehend und kniend betenden Volksmenge
26
‒ alles fühlt sich hier wohl und geborgen, und der Betrachter wird
auf ungezwungene Weise in dieses Leben aufgenommen. Menschen
und Bauten, Alltag und Geschichte existieren hier im untrennbaren,
harmonischen Neben- und Miteinander. Mehrschichtig aufgebaut,
wird das Bild weniger zur Architekturansicht, als zum Spiegel
multidimensionaler Realitätswahrnehmung: aus der Sicht des Alten,
eines jeden der Menge auf dem Platz und des Künstlers, der aus
einem passiven Betrachter zum mitfühlenden Beobachter wird, wie
es E. T. A. Hoffmann an seinem „Eckfenster“ war. Der Durchbruch in
eine andere, der Architekturmalerei bis jetzt verschlossene Welt wird
hier mit aller Deutlichkeit erreicht. So wie Hoffmann die Stadt für die
Literatur der Romantik entdeckte, so entdeckt sie Gaertner für die
bildende Kunst, wie paradox dies auch klingen mag angesichts der
Gewohnheit, die nüchterne Objektivität und penibelste Genauigkeit
als prägendste Merkmale von Gaertners Kunst anzusehen. Indes
war er es, der diesen Blick auf die Stadt als lebendiger, dem Menschen gehörender und durch ihn beseelter Gesamtorganismus in die
Vedutenmalerei einbrachte. Dabei bleibt er vor allem ein virtuoser
Interpret der „versteinerten Musik“. Besonders reizvoll in seiner
architektonischen Eigentümlichkeit, wird der von ihm "porträtierte“
Ort als natürlicher und gewohnter, wenn auch geschichtsbeladener
Lebensraum der Menschen aller Schichten und Stände gesehen. Bei
all ihrer optischen Dominanz hört bei ihm die Architektur auf, etwas
sich selbst Genügendes zu sein. Sie wird zu einer natürlichen Begleitung des menschlichen Lebens, wenn auch eines außerordentlichen
und erhabenen.
Wie weit voraus Gaertner in dieser Sicht seinen zeitgenössischen
Veduten-Kollegen war, macht der Vergleich mit der grafischen Massenproduktion der Zeit deutlich. Wo andere eine obligatorische Ansammlung gesichtsloser Staffagefiguren sahen, findet Gaertner eine
spannungsreiche Straßen-Novelle. Nicht nur die Architektur gewinnt
bei ihm durch die beinahe mathematisch ausgewogene Komposition
und die luftdurchflutete Malerei ihr Raumleben, sondern sie selbst
verwandelt sich aus der Kulisse zum Lebensraum der Menschen.
Die auffallende Monumentalität von Gaertners Raumdenken geht
Hand in Hand mit treffsicherer Miniaturausführung in Details und
Staffage, dessen Meister er war. Zwei seiner Ausbildungswege – als
Porzellan und Dekorationsmaler – haben sich hier aufs glücklichste
gepaart. Seinem Raumgespür verdankt diese Wirkung ebenso viel,
wie der Ausdruckskraft seiner Zeichen- und Maltechnik. Bestechend
durch den typisch Gaertnerischen Reiz, kann das Blatt als markantes Beispiel seiner Aquarellmalerei gelten – der Technik, welcher
der Künstler sich ihrer Flexibilität und „Mobilität“ wegen in Russland
überwiegend bediente. Ihre spezifischen Möglichkeiten – die Dominanz des impulsiven Pinselstrichs und der weißen Papierfläche, den
Reichtum der feinsten Farbabstufungen ‒ verstand er meisterhaft zu
nutzen. Dienten die sensibel reagierenden Aquarelltöne den meisten
seiner Berufsgenossen mehr der Gegenstandsbezeichnung, sind sie
bei Gaertner auch ausgesprochene Stimmungsträger. Das „Aquarellstadium“ war ein Teil der Bildgenese aller seiner Ölgemälde, die in
ihrer lichten Transparenz oft selbst Aquarellcharakter aufweisen. Das
neu entdeckte Blatt scheint tatsächlich aus Luft und Licht gewebt zu
sein – so subtil, zart und frisch ist die Palette von Halbtönen mit den
klug aufgesetzten, wenigen und dadurch bei Gaertner besonders
sprechenden kräftigeren Farbpointen. Wasserfarben ermöglichten
schließlich auch die beste Übung im „malen der Luft“, wie der Künstler sein stetes Interesse zum Pleinairismus bezeichnete. Der positive,
sonnige Grundton, der Gaertners Kunst auszeichnet und aus der
Fülle des Weltempfindens zu schöpfen scheint, besticht auch hier.
Durch dieses Blatt, dessen Bestimmung noch ein zu lösendes Rätsel
ist, wird Gaertners Oeuvre um ein kostbares Zeugnis reicher.
Dr. Wasilissa Pachomova-Göres, Potsdam
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
27
122
Friedrich Arnold
Karlsruhe 1786 – 1854 Karlsruhe(?)
Idealansicht der Piazza Colonna, Rom. 1810
Pinsel in Braun, Deckweiß und Feder in Schwarz über Bleistift
auf Papier. 47,3 x 63,5 cm (18 ⅝ x 25 in.). Unten rechts mit
Feder in Schwarz bezeichnet, datiert und signiert: Rom den
10 August 1810 Frid. Arnold.
[3019] € 6.000 – 8.000
$ 6,470 – 8,620
Wir danken Frau Angelika Wiegel und Herrn Dr. Joachim
Kleinmanns von der Städtischen Galerie Karlsruhe für
freundliche Hinweise.
Für dieses Werk liegt eine Leihanfrage vor für die Ausstellung
„Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau
des Klassizismus“ vom 27. Juni bis 4. Oktober 2015 in der
Städtischen Galerie Karlsruhe.
28
Rom, wie es war, so könnte man zunächst denken, wenn man
diese Vedute des Karlsruher Malers und Architekturprofessors
Friedrich Arnold, Großneffe und Schüler des berühmten Friedrich
Weinbrenner, betrachtet. Sie zeigt die am Corso in Rom gelegene
Piazza Colonna vom ehemaligen Palazzo Piombino aus. Jedoch:
Statt des Brunnens aus dem 16. Jahrhundert von Giacomo Della
Porta schmückt hier ein klassizistischer Brunnen die Piazza.
Auf der ursprünglich Mark Aurel gewidmeten Säule thront nicht
wie in Wahrheit der Apostel Paulus, sondern Napoleon.
So handelt es sich eben nicht um eine Vedute, sondern um
eine Idealansicht – aus französischer Perspektive. Unser Blatt
entstand kurz nachdem Napoleons Truppen Rom eingenommen
hatten und man kann annehmen, dass es von der Französischen
Obrigkeit als Entwurf für Erneuerungen im modernen Kaiserlichen Stil in Auftrag gegeben wurde. Ähnliche Verschönerungen
der Stadt wurden ab 1810 von Camille de Tournon, dem Präfekten des Napoleonischen Roms, für die gesamte Stadt in einem
Großprojekt geplant. Dieser Platz war ein wichtiges Zentrum
Französischer Macht, da der auf der rechten Seite realistisch
dargestellte Palazzo Chigi die italienische Ehrengarde beherbergt
hatte. (MZ)
Grisebach 06/2015
123 Friedrich Wilhelm Klose (seit 1839: Kloss)
1805 – Berlin – 1875
Das Chamois-Zimmer im Palais Friedrich Wilhelms III.
(Kronprinzenpalais), Berlin. Um 1840
Aquarell über Bleistift auf Papier. 31,2 x 42 cm (12 ¼ x 16 ½ in.).
Unten links signiert: F. W. Kloss. Rückseitig unten rechts der
Sammlerstempel Lugt 873b. [3337] Provenienz: Ehemals Sammlung Ernst Jürgen Otto, Celle
€ 8.000 – 12.000
$ 8,620 – 12,900
Unser Aquarell zeigt das Chamoiszimmer, benannt nach der Farbe
der gerippten Damasttapete. Zwischen Schlaf- und Schreibzimmer
gelegen diente der Raum als königliches Spielzimmer. Von hellem
Tageslicht durchflutet erleben wir den morgendlichen Eindruck des
eben erwachten Monarchen beim Gang in sein Arbeitszimmer nach.
Ein von Schinkel entworfener, prachtvoller Kronleuchter aus Glas und
vergoldeter Bronze bestimmt das Raumzentrum. Auch die Sitzgruppe
rechts mit dem frischen, blau-weiß gestreiftem Bezug ist von dem
berühmten Architekten. In den Fensterleibungen stehen etruskische
Vasen mit ausladenden exotischen Zimmerpflanzen. An der Wand
gegenüber finden wir die königlichen Spielereien. Die beiden EckEtageren bewahren kleine Geschenke, etwa Tassen von der Familie.
Auf den längsgereihten Tischen begrüßen uns 7 Papageien in ihren
engen aber vornehmen Messingbauern. Linkerhand der Tür zum
Schreibzimmer steht ein Tivoli, das Lieblingsspiel des Königs (der
Tisch mit der abfallenden Platte). Wie beim Flipperautomaten wird
eine Kugel über eine Abzugsmechanik an den oberen Rand des Spielfeldes geschossen, dabei aber durch mehrere Hindernisse abgelenkt,
bevor sie in eine der Gewinn-Taschen fällt. Auf dem Mahagonitischchen vor der eleganten Chaiselongue in gelbem Samt, ein Geschenk
der Tochter Charlotte, lagen schon morgens die Komödienzettel des
Tages bereit, sprich die Spielpläne fürs Schauspielhaus, Oper und
Königstädtisches Theater. Auffällig und den Raumeindruck maßgeblich
bestimmend sind die vielen Gemälde, die Rahmen an Rahmen bis
unter die Decke hängen. Es handelt sich fast ausschließlich um Kopien
nach Raffael-Gemälden. Dank Max Schaslers präziser Auflistung sind
sie alle genau zu benennen (Berlins Kunstschätze, Bd. II, Berlin 1856,
S. 257-260). 1857 wurden die Bilder in Folge von Umbaumaßnahmen
in die Orangerie des Schlosses Sanssouci gebracht. Für die Datierung
des Aquarells sind jedoch die sieben Papageienkäfige ausschlaggebend. Unmittelbar nach dem Tod Friedrich Wilhelm III. waren die
exotischen Vögel unter den nächsten Verwandten verteilt worden.
Zimmerbilder wie das hier vorgestellte sind noch heute von hohem
Wert, da sie die Interieurs jener Zeit, Geschmack und Lebensstil
detailgetreu wiedergeben. Sie haben sich vor allem in den Sammlungen der europäischen Königs- und Fürstenhäuser erhalten. Als
persönliche Geschenke wurden sie in Alben aufbewahrt, die man von
Generation zu Generation weitergab. Als Raumportraits zeigen sie oft
in retrospektiven Momentaufnahmen die tägliche, nächste Umgebung
einer geliebten Person, deren Persönlichkeit sie spiegeln und deren
Andenken sie bewahren. (AA)
Grisebach 06/2015
29
124
Moritz Daniel Oppenheim
Hanau 1800 – 1882 Frankfurt am Main
Portrait eines sitzenden Mannes mit Brille. 1854
Öl auf Holz. 39,3 x 31,5 cm (15 ½ x 12 ⅜ in.).
Unten links signiert und datiert: MOppenheim 1854.
Nicht bei Berankova/Riedel/Weber. –
Kleine Retuschen. [3054] Gerahmt.
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Wir danken Herrn Erik Riedel, Jüdisches Museums,
Frankfurt am Main, für freundliche Auskünfte.
125 Wilhelm Hensel
Trebbin 1794 – 1861 Berlin
Portrait des Fürsten Reuß III. 1849
Bleistift, weiß gehöht, auf Karton mit gelblichem Tondruck.
35,4 x 25,4 cm (13 ⅞ x 10 in.). Unten rechts signiert
und datiert: WHensel 1849. Randmängel. [3242] Provenienz: Ehemals Kunsthandlung Axt, Dresden,
und Sammlung Dr. Georg Ernst, Dresden–Weißer Hirsch
€ 1.500 – 2.000
$ 1,620 – 2,160
Unterhalb der Darstellung mit Bleistift vom Dargestellten
beschriftet:
Erinnerung ein Paradies. –
Nur die Erinnerung prüft den Genuß! –
Ihr lieblicher Wiederhall leihet dem Sinn
Trauter Beseligung reinsten Erguß
Und hiesigen[?], ruhigen Freuden Gewinn.
Und die Erinn'rung, sie mildert den Schmerz! –
Erscheinen auch manche der Bilder uns trüb,
Lindernde Wehmuth beleuchtet das Herz.
Entfernet die Schatten, und macht sie uns lieb. –
Seinem lieben Hensel.
von Reuß III.
Ber[in] 16. 4. 49
30
Grisebach 06/2015
126 (Abbildung in Originalgröße)
Dresden, um 1830
Portrait einer jungen Frau (Luisa Stein).
Aquarell und Deckweiß auf leichtem Karton. 15,1 x 12,8 cm
(6 x 5 in.). Rückseitig mit Bleistift beschriftet: Luisa Stein.
[3140] Gerahmt.
€ 1.500 – 2.000
$ 1,620 – 2,160
Ein intelligentes, ruhiges junges Gesicht, durch das Licht fein modelliert, nimmt den Betrachter gefangen. Nach links einer unsichtbaren
Lichtquelle zugewendet, sitzt die Frau vor leerem Hintergrund, der
sich in der Form eines Ovals um ihre Gestalt verdichtet. Ein weißer
Kragen über dem schwarzen Samtkleid ist der einzige Schmuck; wie
die Frisur mit Haarknoten und Schläfenlocken vermag auch diese
Tracht aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht, die Dargestellte
in die Vergangenheit zu entrücken. Im Gegenteil, sie scheint dem
Betrachter unmittelbar gegenwärtig zu sein.
Da das Porträtieren für fast alle Künstler jener Epoche ein Bestandteil des Broterwerbs war und Bildnisse in allen Kunstzentren in
großer Zahl entstanden, ist eine Zuschreibung an einen von ihnen
kaum möglich. So gab es z. B. in Dresden zu jener Zeit mit Traugott
Leberecht Pochmann, Carl Christian Vogel von Vogelstein oder Carl
Gottlieb Peschel Porträtisten, die auf den ersten Blick vergleichbare
Werke schufen; auf den zweiten Blick unterscheidet sich dieses
Blatt jedoch von ihnen. Unser Frauenbildnis beeindruckt durch
die ungestellte Privatheit eines nicht auf seine Wirkung bedachten
Menschen. Der Künstler beobachtete anteilnehmend und dennoch
unaufdringlich und scheint dabei ein guter Psychologe gewesen zu
sein. Bei aller gebotenen Zurückhaltung sei ein Künstler genannt, der
exzellente Porträts von jungen Frauen und Kindern schuf: Der aus
der Niederlausitz stammende Eduard Clemens Fechner (1799 Bad
Muskau – 1861 Paris), der in Dresden bei Grassi und in München
bei Stieler studierte. Bildnisse seiner Schwester Emilie in schwarzer
und weißer Kreide auf blauem Papier (im Grafischen Kabinett des
Kulturhistorischen Museums Görlitz), ein technisch und stilistisch
vergleichbares Jünglingsbildnis oder das 1838 datierte Bildnis
Professor Arnolds (SKD, Kupferstich-Kabinett) vermitteln eine dem
Damenporträt verwandte Geisteshaltung: Auch diese Dargestellten
wirken in ihrem Ausdruck gedankenvoll und mit Anteilnahme und
sehr ähnlicher Stilistik beobachtet.
Anke Fröhlich-Schauseil, Dresden
Grisebach 06/2015
31
(Abbildung in Originalgröße)
127 Anton Graff
Winterthur 1736 – 1813 Dresden
„Johann Georg Sulzer“. Nach 1774
Radierung auf Bütten. 15,5 x 9,2 cm (35,2 x 26,8 cm)
(6 ⅛ x 3 ⅝ in. (13 ⅞ x 10 ½ in.)).
Berckenhagen 1348 II (von III). –
Sehr selten. Leicht angestaubt, der breite Rand etwas fleckig.
[3013] € 1.000 – 1.500
32
$ 1,080 – 1,620
Eine von nur drei Radierungen des Künstlers. Dargestellt ist der
Philosoph und Pädagoge Johann Georg Sulzer (1720-1779), der
seit 1771 auch Graffs Schwiegervater war. Die Radierung entstand
nach dem Gemälde von 1774, das sich heute im Gleimhaus
in Halberstadt befindet (Berckenhagen 1344), und nach einer
Kreidezeichnung, heute im Kupferstich-Kabinett der Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden (Berckenhagen 1347). Die Kupferplatte wurde zuletzt 1914 nachgewiesen in der Auktion CXXV: Sammlung Arnold Otto Meyer, Hamburg. III [...]. Leipzig, C. G. Boerner,
21.3.1914, Kat.-Nr. 223 (15,5 x 9 cm).
Grisebach 06/2015
128N UNBEKANNT, Um 1820
Junge mit Kappe.
Pinsel und Feder in Schwarz und Grau auf Velin
(Wasserzeichen: C & I HONIG). 29,5 x 21,8 cm (11 ⅝ x 8 ⅝ in.).
Etwas braunfleckig. Knickfalte. [3490] € 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Verblüfft über soviel künstlerische Souveränität und
Kunstfertigkeit blickt man diesem Knaben ins Gesicht –
die Zeichnung trägt die Präzision, die Hingabe und das
Einfühlungsvermögen der ersten Romantikergeneration
um 1820 in sich. Ihren Schöpfer aber hat sie bislang noch
nicht preisgegeben.
Grisebach 06/2015
33
129 Friedrich Wilhelm Klose (seit 1839: Kloss)
1805 – Berlin – 1875
Ansichten aus Berlin und Umgebung. Um 1861/63
Skizzenbuch mit Bleistiftzeichnungen auf 49 Blatt Papier, davon
23 Blatt unter Passepartouts in einem handgefertigten Album
aus goldgeprägtem Kalbsleder eingebunden. Skizzenbuch:
10,8 x 17,5 cm (4 ¼ x 6 ⅞ in.). Die meisten Zeichnungen sind
betitelt, zwei auch signiert bzw. datiert und drei monogrammiert.
Durchgängig leicht stockfleckig, teilweise auch mit schwachem
Wasserrand, die eingebundenen Zeichnungen etwas gewellt.
[3097] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. P. F.-C. Wille, Hannover
(1926 bei Graupe erworben, seitdem in Familienbesitz)
Literatur und Abbildung: Auktion 64: Das alte Berlin. Ölgemälde,
Aquarelle, Graphik [...]. Berlin, Paul Graupe, 8.5.1926, Kat.-Nr. 408
(das noch nicht aufgelöste Skizzenbuch) / P. F. C. Wille: Unbekannte
Darstellungen aus dem alten Berliner Rathaus kurz vor dessen
Abbruch. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins,
Neue Folge Nr. 5, 1. Juli 1966, S. 61-66, hier die beiden Abbildungen
S. 63 (Nr. 16 des Albums) u. Abb. S. 65 (Nr. 14 des Albums) /
P. F.-C. Wille: Die alte Dorfkirche von Tegel und die Familie von
Humboldt. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins,
67. Jg., Nr. 2, 1.4.1971, S. 30-32, Abb. S. 31 (Nr. 35 des Albums) /
Sibylle Gramlich: Architekturmalerei im 19. Jahrhundert in
Deutschland. Berlin, Freie Universität, Diss. 1990, S. 369, Anm. 124
€ 8.000 – 12.000
$ 8,620 – 12,900
Das Album „F. W. Kloß. Handzeichnungen von Berlin und Umgebung, um 1860“ (Maße: 30,3 x 25 cm) enthält 44 Zeichnungen,
die Motive unter anderem aus Pankow, von der Schönhauser
Allee, aus Tegel und den Blick aus der Choriner Straße auf die
Schloßkuppel enthalten.
Das Skizzenbuch mit 34 Bleistiftzeichnungen, davon eine mit
Aquarell, enthält Motive aus Swinemünde, Stettin und aus der
Altmark. Als „Composition“ bezeichnete Blätter resultierten
wohl nur zum Teil aus der Topographie, zum anderen Teil
jedoch entsprangen sie der Phantasie des Künstlers.
Die vollständige Liste der dargestellten Orte findet sich im
Online-Katalog unter www.villa-grisebach.de
1839 versetzte ihn der Justizminister Heinrich Gottlob von Mühler in den Stand eines ehelich Geborenen und erlaubte ihm, den
Namen in Kloss zu ändern. Auch als Künstler war ihm der Erfolg
nicht in die Wiege gelegt. Sein 1819 begonnenes Architekturstudium an der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin unter
Johann Erdmann Hummel und Carl Gropius unterbrach Klose von
1821 bis 1823 und brach es 1825 ganz ab. Er spezialisierte sich
auf topographische Ansichten und mußte sich in Berlin gegen
die Konkurrenz von Architekturmalern wie Eduard Gaertner,
Johann Heinrich Hintze oder Johann Wilhelm Brücke behaupten.
Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Bilder an den preußischen
König Friedrich Wilhelm III. zu verkaufen und sich so seinen
Lebensunterhalt zu sichern. Zeitweise wich er auf Ansichten aus
Italien und vom Rhein aus, Gegenden, die er 1828/29 und 1834
bereiste.
Obwohl die Bilder aus den ferneren Landen und von mittelalterlichen Kirchen und Klöstern gut zwei Drittel seines Schaffens
ausmachten, ist uns Klose heute als Schilderer der Stadt Berlin
geläufig, vor allem in seinen exakt gezeichneten Aquarellen. Auch
die Familie des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV, der
1840 sein Amt antrat, erteilte ihm Aufträge, wofür die in dieser
Auktion angebotene Ansicht des „Chamois-Zimmers“ (vgl. Los
123) ein eindrücklicher Beweis ist.
Die Skizzenbuch-Blätter stammen aus den frühen sechziger
Jahren und damit aus einer Zeit, als der „Architectur- und Landschaftsmaler und geprüfte Zeichnenlehrer“ Friedrich Wilhelm
Kloß(!) in seinem eigenen Haus in der Schönhauser Allee 183
wohnte (Berliner Adreßbuch von 1861, S. 250). Von dort unternahm er die Ausflüge zu Fuß oder zu Pferde nach Pankow, Schulzendorf oder Tegel und die Fahrten in das Ostseebad Swinemünde oder nach Crüden und Stresow in der Altmark, von denen
sein Skizzenbuch berichtet. Er überlieferte uns diese Ansichten
zu einer Zeit, als der Fotoapparat zwar schon erfunden war, doch
solche kleinen Ortschaften und alten Gebäude (wie das Rathaus
zu Berlin) noch nicht als bildwürdig erachtet wurden. Am 28. Mai
1875 ist Friedrich Wilhelm Kloss in Berlin gestorben. (SP)
Friedrich Wilhelm Klose – wer war er? Sein Sterbeort und -jahr
sind vielen unbekannt, aber daß er ab 1839 seinen Namen von
Klose in Kloss änderte, das wußte man. Doch wußte man auch,
weshalb? Erst Sybille Gramlich brachte 1990 in ihrer Dissertation
über die „Architekturmalerei im 19. Jahrhundert in Deutschland“
(a.a.O., S. 369-381) etwas Licht in das Leben und Schaffen von
Friedrich Wilhelm Klose. Dabei konnte sie sich auf Recherchen von
Herrn W. Dunkel, Berlin, zur Biographie des Künstlers stützen.
Friedrich Wilhelm Carl Klose wurde am 10. Februar 1805 in Berlin
als uneheliches Kind Friederike Schiwitzkis und des Branntweindistributeurs Klooss, nach anderen Quellen des Holzhändlers
Christoph Friedrich Cornelius Kloss, geboren. Am 19. September
34
Grisebach 06/2015
Chaussee nach
Pankow
1
2
3
4
5
6
7
8
2. Swinemünde
4. Altmark
6. Im alten Rathaus (Berlin)
8. Composition
1. Bei Schönhausen
3. Tegel
5. Berlin, von der Schillingsbrücke gesehen
7. Vom Logengarten in Stettin
Grisebach 06/2015
35
(Abbildung in Originalgröße)
130 Carl Blechen
Cottbus 1798 – 1840 Berlin
Männer mit Hut (aus einem Skizzenbuch).
Bleistift auf Bütten. 9,8 x 13,4 cm (3 ⅞ x 5 ¼ in.).
Der rechte Rand unregelmäßig. [3140] Gerahmt.
€ 2.500 – 3.500
$ 2,690 – 3,770
Wir danken Prof. Dr. Heinrich Th. Schulze Altcappenberg, Berlin,
für die freundliche Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
36
Die Maße unseres Blattes stimmen mit denen des berühmten
Braunschweiger Skizzenbuches aus dem Herzog-Anton-UlrichMuseum überein, dort findet sich auch jenes „Selbstbildnis mit
hohem Hut“ Blechens, das eng mit unserer Skizze verwandt ist. Es
erzählt viel von der Modernität Blechens, seiner singulären Rolle
in der Kunst des frühen neunzehnten Jahrhunderts, daß er immer
wieder Figurenskizzen mit schnellem Strich entwirft, die quasi, wie
Kilian Heck schreibt, „Prototypen seiner selbst“ sind. So erkennen
wir ganz zu recht in der Figur auf unserem Blatt mit dem hohen
Zylinder und der Männerkleidung der Zeit um 1830 den Künstler doch es ist kein klassisches Selbstportrait, vielmehr ein Erkunden
der eigenen Form und Körperlichkeit innerhalb eines unsichtbaren
Zeit- und Raumkontinuums, ein Blick von innen auf das eigene
Äußere - und das dann noch aus mehreren Perspektiven. Die „in
Sequenzen erfolgende Stufung der Bildwahrnehmung“ (Kilian Heck)
ist der innere Code der Werke Blechens. So ist unser Trio in Wahrheit ein Dokument des filmischen und tänzelnden Blicks Blechens:
er schaut auf sich wie auf eine kleine Holzfigur, die er zunächst
links frontal zeichnet, dann einmal umzudrehen scheint, um sie
am Ende noch einmal, diesmal mit gehobenem Arm, wieder in die
Ausgangsposition zurückzudrehen. Es ist kein Wunder, daß dieser
Ausnahmekünstler, allen die mit ihm zu Lebzeiten und bis heute
nahe kamen, den Kopf verdreht mit seiner radikalen Neudefintions
des Sehens. Erst in den Skizzen von Ernst Ludwig Kirchner aus der
Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wird wieder eine solche Kühnheit,
die weit über ihre Zeit hinausgreift und die Beschleunigung als
Grundmotiv der Moderne begreift, in der deutschen Kunst erreicht
werden. (FI)
Grisebach 06/2015
131 Carl Blechen
Cottbus 1798 – 1840 Berlin
In der künstlerischen Reflexion des starken Eindrucks, den die Dresdener Meister auf ihn hinterlassen hatten, stellt der junge Kunststudent
hier bereits souverän sein zeichnerisches Können unter Beweis – und
findet eine auf sein zukünftiges Schaffen hinweisende Bildform.
„Kloster im Walde“. 1823
Radierung auf Bütten. 19,6 x 24,8 cm (23,6 x 28,8 cm)
(7 ¾ x 9 ¾ in. (9 ¼ x 11 ⅜ in.)). Unterhalb der Darstellung
rechts in der Platte signiert und datiert: Blechen 1823.
Rave 477. –
Zweiter Zustand (von vermutlich zwei Zuständen).
Sehr selten. [3043] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Konzentriert liest ein Mann in einem Buch. Vielleicht ist es ein Mönch,
der sich in die Heilige Schrift vertieft. Nur schemenhaft können wir ihn
an seiner Silhouette ausmachen. Dabei sitzt der Lesende am vorderen
– und uns Betrachtern damit nächsten - Rand der Darstellung. Er hat
sich ein schattiges Plätzchen in einem Wald gesucht, in unmittelbarer
Nähe zu einem alten Kloster, das aus dem Zentrum des Bildmittelgrundes, neben einem links lagernden Gewässer emporragt. Beide, der
Mensch und das Bauwerk, werden von der wilden Natur des Waldes
nicht nur umgeben sondern geradezu bedrängt. Die präzise beobachtete und zugleich malerisch inszenierte, üppig wuchernde Natur ist es,
die den Gesamteindruck des Bildes maßgeblich bestimmt und (auch)
uns Betrachter in ihren Bann zieht.
Die motivische Nähe zu frühen Werken Schinkels, der Blechen im Folgejahr als Bühnenmaler an Königstädtische Theater vermittelt, sowie zu
den Bildwelten Friedrichs und Dahls ist offenkundig. Letzteren war
Blechen im Entstehungsjahr des Blattes 1823 in Dresden begegnet.
Das „Bewusstsein, Gottes Natur zu erkennen und zu empfinden“, ging
für Blechen mit der Verpflichtung zur genauen Naturbeobachtung
einher. Doch die menschliche, physische und psychische Natur des
Beobachtenden, oder besser des Wahrnehmenden selbst musste Berücksichtigung finden. Denn ein Bild entsteht aus der Naturanschauung und der Einbildungs- bzw. Einfühlungskraft eines Künstlers, es hat
einen empirischen und imaginären Anteil. Das Erlebnis der äußeren,
der sichtbaren Welt ist immer in Abhängigkeit zum unsichtbaren, psychischen Interesse des Schöpfenden zu denken. Wahrscheinlich wurde Blechen an der Akademie, deren kurzzeitiger Schüler er 1822/23
war, an die traditionsreiche Radiertechnik herangeführt. Unser Blatt
– „das wichtigste Werk“ unter den lediglich drei bekannten radierten
Darstellungen Blechens – ist jedoch eine eigenständige Arbeit: „Im
Unterschied zu den anderen, sehr zarten Drucken ist es malerischer
in den Tonwerten und von einer erstaunlich zeichnerischen Freizügigkeit. Die Kühnheit dieses Versuchs [hatte] im damaligen Berlin keine
Parallele“, wie Siegrid Achenbach schreibt (Achenbach in Ausst.Kat.
Blechen, Berlin 1990, S. 48). Schon 1908 hatte der Blechen-Biograph
und -sammler Lionel von Donop festgestellt, dass druckgrafische Blätter von Carl Blechen eine echte Rarität des Kunstmarktes darstellen.
Achenbach bestätigt Donops Einschätzung, indem sie erklärt: „Die bekannt gewordenen graphischen Arbeiten existieren heute alle nur noch
in wenigen Exemplaren, manche vermutlich als Unika. Meistens sind von
diesen wohl nur wenige Abzüge hergestellt worden“. In besonderem
Maß gilt dies für Blechens Radierungen, von denen sich lediglich drei
in öffentlichen Sammlungen erhalten haben. (AA)
Grisebach 06/2015
37
132 Friedrich Loos
Graz 1797 – 1890 Kiel
„Der Draunfall“. 1823
Öl auf Bütten auf Pappe. 30,7 x 43,7 cm (12 ⅛ x 17 ¼ in.).
Unten links der schwer lesbare Stempel: Nachlaß[?] Friedr. Loos.
Dort auch in der nassen Farbe bezeichnet: Der Draunfall.
Unten rechts mit Bleistift datiert: 1823.
[3215] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Sammlungen Alois Schardt, Berlin–USA
(bis 1955), und William Dieterle, Hollywood–Bayern (bis 1972)
€ 2.500 – 3.500
133 Der Traunfall ist ein 12 Meter hoher und 200 Meter langer
Wasserfall zwischen Steyrermühl und Roitham in Oberösterreich.
Die Ölstudie von Loos fängt ihn sehr früh (1823!) mit großer
Sensibilät und malerischer Subtilität ein.
$ 2,690 – 3,770
Carl Roux
Heidelberg 1826 – 1894 Mannheim
Waldinneres mit Baumstumpf.
Öl auf Papier auf Pappe. 23,3 x 35,7 cm (9 ⅛ x 14 in.).
Mit einer Bestätigung des Kunsthistorikers Prof. Dr. Hans
Hildebrandt, Stuttgart, vom 4. November 1944, dessen
Vater Hermann Hildebrandt in Heidelberg den Nachlaß
des Künstlers erworben hatte. –
[3400] Gerahmt.
€ 800 – 1.000
38
$ 862 – 1,080
Grisebach 06/2015
134 Österreichisch, um 1830/40
Waldstudie.
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen.
25,4 x 25 cm (10 x 9 ⅞ in.). [3043] € 2.500 – 3.500
$ 2,690 – 3,770
In der Zeit um 1830 bildet sich in Österreich eine neue Schule
der Landschaftsmalerei heraus. Die Grundlage dafür ist die
Studie – im Zentrum der Bewegung steht Friedrich Gauermann,
der mit seinen Freunden und Schülern eine neue Form der
Naturaneignung erprobt, die eine hohe Genauigkeit mit einer
Frische des Ausschnitts kombiniert, die immer wieder zu
überraschend modernen Bildlösungen führt. Ihre besondere
Dynamik erhält unsere Studie aus den zwei ineinanderfließenden Wiedergabeformen – einerseits der Akribie des Bildzentrums und andererseits dem freien, federnden Pinselstrich,
mit dem die Randbereiche grob angedeutet werden.
Grisebach 06/2015
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135 Eduard Peithner von Lichtenfels
Wien 1833 – 1913 Berlin
Im Gebirge. Um 1890
Aquarell, Deckfarben und Deckweiß sowie Feder
in Schwarz auf Papier. 33,2 x 44,4, cm (13 ⅛ x 44,4, in.).
[3339] Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers
€ 700 – 900
$ 754 – 970
136 Carl Robert Kummer
1810 – Dresden – 1889
Blick auf das Matterhorn. Um 1855
Aquarell über Bleistift auf Papier. 29,4 x 31,6 cm (11 ⅝ x 12 ½ in.).
Unten rechts mit Feder in Schwarz signiert: Rob. Kummer.
Nicht bei Nüdling. – [3013] Provenienz: Kunsthandlung Miech, Dresden (um 1980) /
Privatsammlung, Brandenburg
€ 800 – 1.200
$ 862 – 1,290
Wir danken Dr. Elisabeth Nüdling, Fulda, für die Bestätigung der
Authentizität des Aquarells.
Mit spitzem Bleistift skizzierte Kummer hier einen detailgetreuen
und gleichzeitig landschaftlich eindrucksvollen Gebirgsblick.
Kummer beherrschte die Technik des groben Skizzierens im
Vordergrund, ohne jedoch sein technisches Können im Bereich der
höchst differenzierten Baumstudien im Bildzentrum zu verbergen.
Sein großes Talent in dieser Technik stellte er in diesem Blatt
vortrefflich unter Beweis.
40
Grisebach 06/2015
137 Gustav Friedrich Papperitz
1813 – Dresden – 1861
Tivoli mit Blick über die Campagna. 1839
Öl auf Papier. 22,5 x 48,4 cm (8 ⅞ x 19 in.).
Das Bild wird aufgenommen in das Verzeichnis
der Werke von Gustav Friedrich Papperitz von
Dr. Matthias Lehmann, Konz. –
Am Rand fest über Papier auf Karton montiert.
kleine Randmängel. [3191] Gerahmt.
€ 2.500 – 3.500
$ 2,690 – 3,770
Erst in den letzten Jahren ist die künstlerische Persönlichkeit von
Papperitz durch zahlreiche wiederaufgetauchte Arbeiten faßbarer
geworden: die einmalige Konstellation, daß er Schüler von sowohl
Dahl in Dresden als auch von Rottmann in München war, hat bei ihm
auch zu einer eigenständigen Landschaftsmalerei geführt, deren
Qualität sich vor allem in den Ölstudien dokumentiert. Als 2014 fast
ein Dutzend bislang unbekannter Ölstudien aus der Sammlung
Wilhelm Laafs zur Versteigerung kamen, wurde dies schlagartig
deutlich - unsere souveräne Arbeit unterstreicht erneut, warum.
138 Dresden, um 1820
Schloß Wolkenstein.
Feder in Schwarz und Pinsel in Braun auf Papier,
auf Karton aufgezogen. 36 x 29,5 cm (14 ⅛ x 11 ⅝ in.).
Etwas fleckig, leichte Randmängel. Mit leichter
Bleistiftquadrierung. [3013] € 900 – 1.200
$ 970 – 1,290
Die pittoresk auf einem hohen Felsmassiv im Zschopautal im
Erzgebirge gelegene Burg Wolkenstein haben Adrian Zingg und
seine Schüler von den verschiedensten Seiten gezeichnet und radiert.
Die vorliegende Ansicht findet sich – bis auf geringfügige Veränderungen bei der Figurenstaffage – von Johann Adolph Darnstedt radiert
im Leipziger „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ von Gottfried
Becker (Blatt 9, 1808).
Grisebach 06/2015
41
139
Caesar Metz
Mainz 1823 – 1895 München
„Alte Weide“. 1850
Bleistift auf grauem Papier. 37,2 x 51,6 cm (14 ⅝ x 20 ⅜ in.).
Unten links mit hartem Bleistift (schwer lesbar) signiert,
datiert und bezeichnet: C. Metz 1850 Alte Weide.
Leicht stockfleckig. [3288] € 600 – 800
140 $ 647 – 862
Die großformatige Studienzeichnung einer alten Weide besticht
durch die detaillierte Wiedergabe und die ungewöhnliche
Komposition. Wuchernde Strukturen der vom Hauptstamm
abgebrochenen Baumteile beherrschen die gesamte linke
Bildhälfte. Nach seinem Studium am Städelschen Kunstinstitut
in Frankfurt wandte sich Metz nach München und kam dort als
Landschaftsmaler unter den Einfluss von Carl Rottmann.
Woldemar Rau
1827 – Dresden – 1889
Laubwaldlichtung. 1874
Aquarell und Deckfarbe auf Papier.
17,7 x 18,5 cm (7 x 7 ¼ in.).
Unten rechts datiert: Juni. 74. Rückseitig mit Bleistift
beschriftet: Umstehendes Aquarell von Woldemar Rau,
1827–1889, Schüler von Ludwig Richter, „Laubwaldlichtung“
Juni 1874, wurde gemeinsam mit dem Kupferstichkabinett
Dresden unmittelbar aus dem Familienbesitz übernommen.
Es wurde mit der Nr. 20 im KK Dresden für ein zu erarbeitendes
Werkverzeichnis aufgenommen. Johannes Kühl, Kunstausstellung
Kühl, Dresden. [3339] € 800 – 1.000
42
$ 862 – 1,080
Grisebach 06/2015
141 Österreichisch, um 1830
Rosenheim 1987, Seite 165). Unsere Arbeit trägt rückseitig
den Nachlaßstempel von Anton Hansch – dem bedeutenden
österreichischen Maler, der zahllose Studienreisen in die Alpen
gemeinsam mit seinem engen Freund Gauermann unternahm.
Auffällig ist die Beschriftung der Rückseite: Es gab offenbar zwei
Varianten dieser Studie – die ungewöhnliche Numerierung mit
einer 6 und einer römischen I lässt vermuten, daß es auch eine
Fassung II dieser Studie gab, was dafür sprechen würde, das
beide Blätter von derselben Hand sind.
Baumstudie.
Öl auf Papier. 38,7 x 34,6 cm (15 ¼ x 13 ⅝ in.).
Rückseitig unten der ovale Stempel in Violett: HANSCH.
Rechts mit Kopierstift beschriftet: No 6 I.
[3207] Gerahmt.
€ 3.500 – 4.500
$ 3,770 – 4,850
Diese Studie führt mitten hinein in die herausfordernde Problematik der genauen Zuschreibung von unsignierten Ölstudien des
frühen neunzehnten Jahrhunderts: es gibt eine nahezu identische
Studie mit nur winzigen Abweichungen, die in der alten Literatur
der Hand Friedrich Gauermanns zugeschrieben wird aber heute
als verschollen gilt (Rupert Feuchtmüller: Friedrich Gauermann,
Sehr oft malten beide Künstler dieselben Motive, zugleich ist
bekannt, wie oft gerade die kleinen Studien von den Künstlern
untereinander getauscht wurden, um dann bis zum Lebensende
im Besitz zu bleiben und den Nachlaßstempel des Besitzers zu
erhalten. So eindeutig es also aus stilistischen Gründen ist,
daß unsere genau beobachtete und wiedergebene Studie in
Österreich um 1830 entstanden ist, so offen muß zunächst die
eindeutige Zuweisung an eine der beiden Hände bleiben.
Grisebach 06/2015
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142 Eduard Friedrich Pape
1817 – Berlin – 1905
Wolkenstudie.
Deckweiß und Bleistift auf blaß-violettfarbenem Bütten.
23,7 x 30,7 cm (9 ⅜ x 12 ⅛ in.).
Unten rechts signiert: E Pape.
[3043] € 2.500 – 3.500
$ 2,690 – 3,770
Eduard Pape war einer von „lauter verwegenen Kerlen“, so Theodor
Fontane, die Carl Blechen während seiner Lehrzeit an der Berliner
Akademie (1831-36) um sich versammelte. Pape selbst hatte dem
Schriftsteller, der eine Blechen-Biografie plante, von seiner – nunmehr 50 Jahre zurückliegenden – Studienzeit erzählt. Besonders
lebhaft waren seine Schilderungen zu den wöchentlich stattfindenden Malfahrten ausgefallen. Der „liebenswürdige“, zu derben
„Scherzen und Ausgelassenheiten“ tendierende Blechen unterrichtete seine begabtesten Schützlinge regelmäßig im freien Skizzieren
nach der Natur: „in genialster Weise, mit rascher sicher Hand“
führte Blechen vor, was die jungen Künstler vor Ort selbst erproben
sollten.
Unser Blatt zeigt eindrucksvoll, wie auch Eduard Pape einen
Natureindruck mit nur wenigen Mitteln künstlerisch umzusetzen
verstand. Auf blass-violettem Büttenpapier ist mit einigen zarten,
langgezogenen Bleistiftlinien ein in der Ferne liegender Landschaftsstreifen angedeutet. Der Horizont liegt tief und läßt drei
Viertel der Bildfläche der Beschreibung des Himmels. Mit Deckweiß, das von fast durchsichtig bis stellenweise leuchtend dicht
aufgetragen ist, formt Pape einen schwebend leichten Wolkenhimmel, der in seiner natürlichen, ständigen Metamorphose an uns
vorbeizuziehen scheint. Zusammen mit der Spiegelung der Himmelskörper auf dem Wasser im Vordergrund – auch das ist nur mit
wenigen Pinselzügen in Deckweiß angedeutet, aber erst dadurch
überhaupt als Gewässer auszumachen – entsteht eine faszinierende, mit Licht und Luft atmosphärisch aufgeladene Räumlichkeit.
(AA)
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Grisebach 06/2015
143 Albert Venus
1842 – Dresden – 1871
Wolken über sommerlicher Landschaft. Um 1860
Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen. 12,5 x 16,7 cm
(4 ⅞ x 6 ⅝ in.). Rückseitig oben links mit Feder in Schwarz
und auf einem Aufkleber mit Feder in Braun beschriftet.
[3034] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung Gunnar Laage, Kopenhagen
(erworben wohl 1899 in Dresden)
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Wir danken Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt, Dresden, für die
Bestätigung der Authentizität der Ölstudie und James Bauerle,
Kopenhagen, für freundliche Hinweise.
In dieser kleinen Ölstudie entfaltet sich der ganze Zauber der
Kunst von Albert Venus. Es ist eigentlich ein ganz unspektakulärer
Ausschnitt aus der Natur, vermutlich in der Hügellandschaft um
Dresden oder in Nordböhmen, den der Künstler hier in den 1860er
Jahren einfängt, als er als Schüler von Ludwig Richter immer
wieder mit seinen Ölfarben direkt in der Landschaft arbeitete.
Charakteristisch für Venus ist dabei der zugewandte, warme Blick,
mit dem er auf die Natur schaut. Zwischen 1861 und 1865 ging
Ludwig Richter immer wieder mit seinen begabtesten Schülern
Venus, Victor Paul Mohn, Adolph Thomas und Carl Wilhelm Müller
in die böhmische Hügellandschaft zum Malen. Für Richter war das
detaillierte Naturstudium die existenzielle Grundlage jeder Form
der Landschaftsmalerei. Dabei entwickelten alle Schüler langsam
ihren eigenen Stil – aber immer im Schatten des Meisters. Allein
Venus wird es in seinen Italienreisen 1866 und 1869 gelingen,
sich vom Einfluß Richters vollständig zu emanzipieren und mit
seinen späten Ölstudien (er stirbt bereits 1871 mit 29 Jahren) die
Dresdner Landschaftsmalerei auf ein neues, befreites Niveau zu
heben. (FI)
Grisebach 06/2015
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144 Carl Hummel
1821 – Weimar – 1907
Landschaft bei Weimar mit Kartoffelfeuer (Studie).
Öl auf Papier. 29 x 36,2 cm (11 ⅜ x 14 ¼ in.).
Kleine Randmängel. [3105] Gerahmt.
Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers
(bis 1993 im Schloßmuseum Weimar verwahrt)
Ausstellung: Carl Hummel – Maler der deutschen Romantik,
Staatliches Museum für Bildende Künste, Aschgabat
(Turkmenistan), 2014
Literatur und Abbildung: Carl Hummel und das wunderbare
Weimar, Arkana-Verlag, Göttingen 2014, S.48 ganzs. Abb.
€ 8.000 – 12.000
$ 8,620 – 12,900
Es gibt eine Lust auf den Effekt und an der Inszenierung
bei Carl Hummel, die ihn von allen anderen besonderen
deutschen Ölstudienmalern in der Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts unterscheidet. Bei Friedrich Preller in Weimar
hatte er sein Handwerk gelernt – und es gab kaum einen
besseren Lehrmeister in der Zeit um 1840 neben Dahl, in
Dresden bei dem man besser hätte lernen können, wie man
direkt vor der Natur mit schnellen und doch präzisen Pinselstrichen Atmosphären farblich erfasst, Lichtstimmungen in
Malerei umsetzt und dabei die Botanik präzise widergibt.
Doch jede der Studien Prellers ist von einem hohen Grad
an Ernsthaftigkeit getragen – und genau darüber setzt sich
Hummel, wie es sich für einen Schüler gehört, hinweg.
Er nutzt das Gelernte, um ein komplett eigenständiges
Ölstudienwerk zu entwickeln. Er setzt dabei ganz bewusst
auf Effekte – zum einen auf den des Non-finito, in dem er
größere oder kleinere Partien der Blätter unbemalt lässt, um
aus dem Gegensatz zusätzliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sein zweites, immer wiederkehrendes Stilmittel ist die
Konzentration auf Licht und Schatten – wie mit Scheinwerfern wirken seine Landschaften oft inszeniert, so daß das
Dunkle zusätzlich verschattet wirkt und das Helle zusätzlich
aufleuchtet. Um ein solches Bravourstück handelt es sich
bei unserer Studie. Gibt es etwas Unscheinbareres als ein
harmloses Kartoffelfeuer auf einem Feld am Waldrand von
Weimar? Und gibt es etwas Furioseres als die Studie, die
Hummel davon gemalt hat? Man spürt die Energie und die
Geschwindigkeit, mit der er seinen Pinsel von links nach
rechts schwingen lässt in breiten horizontalen Bahnen, und
wie er daraus ganz langsam den Bildraum aufbaut. Wie er
unten den Weg, die kleine Rauchsäule und die wenigen angedeuteten Bäume rechts, auch den Blick in die weite Ebene
des Weimarer Beckens fast schon komplett verdämmern
lässt – um darüber dann ein umso eindrücklicheres Lichtspiel in Szene zu setzen. Es ist das letzte Licht des Tages,
warm, glühend, das er hier einfängt, wie es die Hinterseite
der Wolken innerlich erleuchtet – und das sich dann aufs
Schönste verbindet mit dem warmen Farbton des Papiers.
Es sind Studien wie diese, mit denen sich Hummel in den
letzten Jahren einen besonderen Platz in der deutschen
Ölstudienmalerei des neunzehnten Jahrhunderts erarbeitet
hat. Seine Ateliergemälde verraten oft nur noch wenig von
der Power, die seine Studien durchfließt. (FI)
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Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
47
145 Deutsch, um 1870
Mutter mit Kind (Der erste Schritt).
Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 15,8 x 13,2 cm
(6 ¼ x 5 ¼ in.). Beigabe: Interieur (Studie). Öl auf Papier,
auf Pappe aufgezogen. 16,2 x 18,1 cm. [3094] € 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Zwei souveräne Studien mit subtiler Lichtstimmung
eines vermutlich Münchner Künstlers aus der Zeit
um 1870 (Hermann Kaulbach?).
146 Christian Friedrich Gille
Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden
Rückenansicht eines Mannes an einer Mauer.
Öl auf Papier auf Pappe. 13,1 x 15,5 cm (5 ⅛ x 6 ⅛ in.).
Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke
Christian Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer,
Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). –
[3034] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Privatsammlung, Dresden
€ 2.000 – 3.000
48
$ 2,160 – 3,230
Grisebach 06/2015
147 Domenico II. Quaglio
München 1787 – 1837 Schloß Hohenschwangau
bei Füssen
„Innnenansicht der St. Maximuskapelle
in Salzburg“. (Vor) 1818
Öl auf Holz. 37 x 46 cm (14 ⅝ x 18 ⅛ in.).
Trost VG 19 („verschollen“). –
Horizontaler Bruch der Holztafel sorgfältig restauriert.
[3068] Gerahmt.
€ 6.000 – 8.000
$ 6,470 – 8,620
Die in die Felswand des Mönchsbergs auf dem St. Peterfriedhof
in Salzburg gemeißelten, etwa 1700 Jahre alten und seit dem
19. Jahrhundert als Katakomben bezeichneten Gänge und Höhlen
sollen als frühchristliche Versammlungsorte, später als Eremitorien gedient haben. Quaglio war nicht nur einer der angesehensten
Architekturmaler der Romantik, sondern er war auch gelernter
Theatermaler, dies zeigt sich bei unserem Gemälde deutlich: Die
in Wirklichkeit eher unscheinbare Maximuskapelle wird hier von
dem einfallenden Sonnenlicht in einen stimmungsvoll beleuchteten, lichten Raum verwandelt. Und auch in der Darstellung des
Inneren nimmt sich der Künstler viele Freiheiten, indem er Motive,
die an verschiedenen Orten vorkommen, in einer Darstellung
vereinigt, wie etwa den achteckigen Pfeiler aus der Gertraudenkapelle, den er deutlich vergrößert genau in die Mitte des Raumes
platziert. Kurzum: Das Ganze hat deutlichen Bühnenbildcharakter
und wird auch entsprechend effektvoll mit einer Gemeinschaft
bärtiger Mönche ausstaffiert. Nach diesem Gemälde schuf
Quaglio 1818 eine spiegelbildliche, in der Figurenstaffage leicht
veränderte Lithographie (Trost L 45), die – wie der Schmuckrahmen des Gemäldes assoziiert – einen gewölbeartigen oberen
Abschluss des Raumes aufweist. Sie erschien bereits 1819
in der „Sammlung denkwürdiger Gebaeude des Mittelalters
in Teutschland“ bei J. G. Zeller in München und zählt zu den
Inkunabeln der Lithographie in Deutschland. (SW)
Grisebach 06/2015
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148 Rudolf Schuster
1848 – Markneukirchen – 1902
Waldstudie in Zwingenberg am Neckar. 1872
Feder in Braun, in Braun und Grau laviert und weiß gehöht,
auf Papier. 32 x 22,2 cm (12 ⅝ x 8 ¾ in.). Unten rechts
bezeichnet, datiert und signiert: Zwingenberg a/ Neckar
13 Aug. 1872. R. Schuster.
Etwas gebräunt. [3242] € 700 – 900
$ 754 – 970
Das Vorbild des Lehrers lässt sich kaum verleugnen. Doch
zeigt die qualitätvolle Zeichnung bereits ebenso deutlich,
wo das individuelle künstlerische Interesse des talentierten
Schülers hinging. Rudolph Schuster war einer der spätesten
und zugleich einer der begabtesten Studenten des Dresdner
Malers Ludwig Richter. Unsere Waldstudie entstand – wenn
sie auch keinen Naturausschnitt aus der sächsischen Gegend
zeigt – noch während Schusters Ausbildungszeit in dessen
Atelier (1867-73). Die „unbedingte Hingabe an die Natur, aus
der der Künstler ja nicht anders kann, als schlicht und naiv zu
schaffen“, war eines der festen künstlerischen Prinzipien des
großen Spätromantikers, das auch Schuster für sein eigenes
Schaffen verinnerlichte (Schuster zit. nach Neidhardt 1984,
S. 235). Obwohl er sich technisch und in der Form des
Ausdrucks bald von Richters Landschaftskonzept entfernte,
ihn vor allem das Atmosphärische in der Darstellung reiner
Natur beschäftigte, blieb Schuster dieser Grundhaltung ein
Leben lang treu.
149 Deutsch, um 1820
Am Ufer liegendes Boot.
Pinsel in Graubraun, weiß gehöht, auf blauem Papier.
10,7 x 11,9 cm (4 ¼ x 4 ⅝ in.).
In den unteren Ecken leicht gebräunt. [3288] Gerahmt.
€ 600 – 800
50
$ 647 – 862
Grisebach 06/2015
150 Eduard Wilhelm Pose (zugeschrieben)
Düsseldorf 1812 – 1878 Frankfurt a.M.
Einzelmotiv (eine einzelne Pflanze, ein Blatt, ein Ast) konzentrieren,
werden in den Parthien mehrere Einzelmotive zusammengefügt,
oder bereits eine zusammenhängende kleine Naturstudie – oft
eben ein typischer, variationsreicher Bachrand – als Motiv ausgewählt. In der vorliegenden Studie brechen die diagonalen Elemente
(links vorne das angeschnittene Bachufer, ebenso die schräg im
Bild verlaufende Verbindung zum verzweigten Baum im Wasser)
den bildparallelen Fluss des Bauchlaufes auf. Zugleich wird der
Blick des Betrachters in zwei Richtungen gelenkt: in einen fast
kreisrund ausgeleuchteten, etwas größeren Bildteil links mit den
großen Blättern der Pestwurz, und einen nach rechts hin offenen
kleineren Teil am rechten Bildrand.
Am Waldbach. 1831
Öl auf Leinwand auf Holz. 20,7 x 27,8 cm (8 ⅛ x 11 in.).
Unten rechts undeutlich datiert und monogrammiert
(in die nasse Farbe geritzt): 18 EWP (?) 31 8/9
Mit einem Gutachten von Prof. Dr. Karl Koetschau,
Düsseldorf, vom 1. Mai 1946, der das Bild
Johann Wilhelm Schirmer zuschreibt. –
Retuschen. [3013] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Die Ölstudie gehört zu den typischen Freilichtstudien der Düsseldorfer Malerschule, wie sie in den frühen 1830er Jahren Johann
Wilhelm Schirmer und seine Freunde, zu denen auch E. W. Pose
gehörte, in Düsseldorf und Umgebung ausführten. Die Studie
weist die charakteristische reduzierte Farbpalette der frühen
Freilichtstudien auf: Bei den Exkursionen in die Umgebung Düsseldorfs wurden nur wenige Farben mitgenommen, die gerade nur für
die notwendigen Mischungen der naturnahen Grün- und Brauntöne
ausreichten. Trotz des scheinbar einfachen Bildmotivs gelingt es
Pose, mittels diagonaler Kompositionslinien eine Spannung zu
erzeugen, die über eine reine Studienarbeit hinausgeht. An der
Düsseldorfer Akademie wurde zwischen sogenannten ‚Vorgründen’
und ‚Parthien’ entschieden: Während die Vorgründe sich auf ein
Eduard Wilhelm Pose studierte ab 1829/30 an der Düsseldorfer
Kunstakademie, wo er bereits 1831 im Schüler- und Freundeskreis
von Johann Wilhelm Schirmer verkehrte. Er gehörte mit zu den
Studenten, die 1831 gemeinsam mit Schirmer, Friedrich Heunert
und Caspar Scheuren eine Exkursion in die Eifel, genauer an die
Ahr und bis zur Mosel hin unternahmen. Die Naturstudien, die aus
dieser Zeit von dieser Künstlergruppe vorliegen, zeigen oft eine
große Ähnlichkeit, das gleiche Motiv wurde gemeinsam gezeichnet,
der gleiche Landschaftsausschnitt skizziert. Die vorliegende Studie
ist durch das typische Monogramm Poses in ungelenk wirkenden
Lettern eine typische Arbeit seiner frühen Studienjahre, zeigt jedoch
durch die subtil durchscheinende Komposition und den gewählten
Bildausschnitt bereits das künstlerische Potential von Pose.
Irene Haberland, Bonn
Grisebach 06/2015
51
(Abbildung in Originalgröße)
151 Johann Wilhelm Preyer
Rheydt 1803 – 1889 Düsseldorf
Weinblätter (2 Studien). Um 1830/40
Jeweils Öl auf Leinwand. 11,8 x 9,7 cm bzw. 12 x 9,5 cm
(4 ⅝ x 3 ⅞ in. bzw. 4 ¾ x 3 ¾ in.). Bild 1 rückseitig oben
rechts mit dem Stempel in Rot: Dr. A. S.
Weiß/Paffrath 16 („Weinblatt/Herbstblatt“, „auf Papier,
11 x 14 cm“, die Abb. um 180° gedreht) / Studie 2 nicht
bei Weiß/Paffrath (beide Studien befanden sich
ursprünglich auf einer Leinwand. –
Kleine Retuschen. [3132] Provenienz: Beide Studien ehemals in der Sammlung
Dr. Alfred Schubert, Düsseldorf (1889–1965)
€ 7.000 – 9.000
52
$ 7,540 – 9,700
Johann Wilhelm Preyer, ein aus Rheydt gebürtiger kleinwüchsiger
Maler, begann mit 19 Jahren seine Ausbildung an der Düsseldorfer
Akademie, zuerst noch unter Cornelius, später dann unter Schadows Ägide. Ende der 1820er Jahre schloss er sich dem Künstlerkreis um Johann Wilhelm Schirmer an, nahm an Exkursionen
der Landschaftsmaler in die Eifel teil und gehörte bis 1837 – dem
Jahr seines Wechsels an die Münchner Akademie – dem engeren
Freundeskreis um Schirmer und Carl Friedrich Lessing an. Man
arbeitete eng zusammen, machte sich sogar zuweilen einen Spaß
daraus, gemeinsam an einem Bild zu arbeiten und hier arbeitsteilig
– je nach Talent – vorzugehen: „Preyer hat die Libelle und Schilf
mit darauf gemalt“, schrieb Caspar Scheuren rückblickend über
ein gemeinsam ausgeführtes Gemälde von 1831 an seinen
Freund und Mäzen Wilhelm Karrmann in den USA, „Carl Sohn
an der Staffage, und Schirmer bei den Buchen [... und] die Eiche,
Blatt für Blatt gezeichnet“.
Grisebach 06/2015
(Abbildung in Originalgröße)
Johann Wilhelm Preyer hatte sich nach anfänglichen Landschaftsstudien bald ganz auf die Stillebenmalerei konzentriert, seine
minutiösen Naturstudien, die im ersten Jahr an der Düsseldorfer
Akademie verpflichtend vorgeschrieben waren, ließen ihn zu einem
faszinierenden Stillebenmaler werden, der sich einem überaus
realistischen Erscheinungsbild seiner dargestellten Objekte
verpflichtet fühlte. In den Schülerlisten der Düsseldorfer Akademie
wurde er positiv beurteilt, hier findet sich 1836 ein letzter Vermerk, der bereits auf seine Spezialisierung hinweist: „Blumen- und
Früchtemaler“. Von dem Chronisten der Düsseldorfer Akademie,
Anton Fahne, wird Preyer 1835 enthusiastisch gelobt und in einem
Atemzug mit dem Mainzer Stillebenmaler Justus Juncker aus dem
18. Jahrhundert genannt.
Die beiden hier vorgestellten Einzelstudien von Weinblättern zeigen
mit akribischer Genauigkeit die Struktur und Verzweigungen des
Blattgerüstes, die Maserung, die changierende Farbgebung, die
Verformungen und die Flecken des schon verwelkenden Blattes.
Preyer dokumentiert minutiös: die Biegung des Blattstengels und
sein Ansatz am Zweig ebenso wie die durch die schlaglichtartige
Lichtführung von links hervorgehobene innere Struktur des von der
Unterseite her gesehenen Weinblattes. In dieser Ansicht ist noch
eine kleine gekrümmte Raupenlarve links am Bildrand hinzugefügt.
Friedrich Schaarschmidts Urteil von 1902 über Preyers „Naturwahrheit der Farbe“ wird auch durch diese kleinformatigen Studien
bestätigt, die bereits in den 1830er Jahren einen Realismus der
Farbe antizipieren.
Studienblätter dieser Art – unmittelbar nach der Natur gemalt –
dienten als Fundus für spätere Stillebenkompositionen, wie sie
Preyer bis in die späten 1880er Jahre ausführte. So sehr diese
Werke durch ihre singuläre Virtuosität beeindrucken, so verlieren
die komponierten Werke doch jenen poetischen und warmherzigen
Geist der Romantik, von dem Preyers Naturstudien künden. Hier,
in der akribischen Versenkung in die Natur, ist er ganz nah bei den
großen deutschen Nazarenern.
Irene Haberland, Bonn
Grisebach 06/2015
53
151a Dänisch, um 1850
Stilleben.
Öl auf Leinwand. 31,8 x 50 cm (12 ½ x 19 ⅝ in.).
Retuschen. [3285] Gerahmt.
€ 5.000 – 7.000
Schöpferin dieser feinsinniger Studie dürfte Ida Rasmussen sein.
Die dänische Künstlerin, deren genaue Lebensdaten nicht bekannt
sind, schuf in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein beeindruckendes
Stillebenwerk. Charakteristisch für sie ist die nuancierte Erfassung
unterschiedlicher Naturformen auf dunklem Hintergrund.
$ 5,390 – 7,540
Wir danken James Bauerle, Kopenhagen, für freundliche Hinweise.
152 Josef Selleny
Meidling b. Wien 1824 – 1875 Inzersdorf b. Wien
Pflanzenstudie.
Öl auf Pappe. 15,4 x 19,8 cm (6 ⅛ x 7 ¾ in.).
Rückseitig alt beschriftet: Jos. Selleny.
[3285] Gerahmt.
€ 3.500 – 4.500
54
$ 3,770 – 4,850
Grisebach 06/2015
152a Emilie Preyer
1849 – Düsseldorf – 1930
Früchtestilleben mit blauen und weißen Weintrauben,
zwei Aprikosen am Zweig und zwei Haselnüssen.
Öl auf Leinwand. 17,3 x 22,8 cm (6 ¾ x 9 in.). Unten rechts
signiert: Emilie Preyer. Auf dem Keilrahmen unten ein Etikett
der Kunsthandlung Gustav Gerstenberger, Chemnitz.
Nicht bei Weiß/Paffrath. –
[3537] Gerahmt.
€ 25.000 – 35.000
$ 26,900 – 37,700
Emilie Preyer, einzige Tochter des bekannten Düsseldorfer
Stillebenmalers Johann Wilhelm Preyer, war selbst eine begabte
Künstlerin. Bereits 1866 stellte die 16jährige ihre ersten Arbeiten bei Bismeyer & Kraus als auch bei Eduard Schulte aus, den
beiden wichtigsten Kunsthandlungen Düsseldorfs. Auch Emilie
konzentrierte sich früh auf Pflanzen und Früchte, die sie unter
der kritischen Anleitung ihres Vaters studierte und in Malerei
umsetzte. Da Kunstakademien für Frauen damals noch nicht
zugelassen waren, spielte der Künstlerhaushalt im Hintergrund
eine wichtige Rolle, wie auch bei anderen Künstlerinnen aus
jener Zeit zu beobachten ist. Sicher durch die Vermittlung des
Vaters erhielt die talentierte Emilie in jener Zeit – zumindest
kurzfristig – bereits Privatunterricht bei dem Düsseldorfer
Historienmaler Heinrich Mücke und dem Landschaftsmaler Hans Gude. Studienreisen führten sie zudem nach
Dresden, Antwerpen und Holland. Von 1873 bis 1896 stellte
sie in unregelmäßigen Abständen auf den akademischen Kunstausstellungen in Berlin und Dresden aus. Emilie Preyers konsequente Haltung, sich auf Blumen- und Früchtearrangements zu
konzentrieren, machte sie zu einer geschätzten Fachmalerin und
Stilleben-Spezialistin in Düsseldorf.
Grisebach 06/2015
55
153 Christian Friedrich Gille
Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden
Blumen.
Öl auf Bütten, auf Karton aufgezogen.
26,5 x 35,6 cm (10 ⅜ x 14 in.).
Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles
von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). –
Sorgfältig restaurierte Einrisse und Fehlstellen mit Randanstückung. [3034] Gerahmt.
Provenienz: Johann Friedrich Lahmann, Dresden–Weißer Hirsch /
Graphisches Kabinett Günther Franke, München / Prinz Clemens
von Bayern
€ 6.000 – 8.000
$ 6,470 – 8,620
153a Carl Wilhelm Müller
1839 – Dresden – 1904
Pferd an einem Futtertrog. 1880
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 13,2 x 20,3 cm
(5 ¼ x 8 in.). Unten links (wohl) monogrammiert: Ce We
[= Carl Wilhelm]. Unten rechts datiert und bezeichnet: 1880.
Klus. 24 Sep. Rückseitig Besitzervermerk in Kugelschreiber
von W. E. Ludwig Blucke. [3071] Provenienz: Ehemals W. E. Ludwig Blucke, Chemnitz
(erworben im Mai 1933 vom Sächsischen Kunstverein, Dresden)
€ 600 – 800
56
Grisebach 06/2015
$ 647 – 862
154 Jakob Philipp Hackert
Prenzlau 1737 – 1807 San Piero di Careggi
und in Bewegung versetzt). Nicht unähnlich Dürers Feldhasen scheint
zudem auch Hackerts Ziege lediglich für den Moment des Betrachtens
stillzuhalten: ihre natürliche Bewegungs- und Fluchttendenz drückt
sich in den gespreizten Hinterläufen aus – sie ist jeden Augenblick
bereit, davonzuspringen.
Ziege. Um1800
Öl auf Leinwand. Doubliert. 27 x 30,5 cm (10 ⅝ x 12 in.).
Mit einem Gutachten von Dr. Claudia Nordhoff, Rom,
vom 23. Oktober 2012. –
Kleine Retuschen. [3224] Gerahmt.
Provenienz: Kunstsalon Franke-Schenk, München /
Privatsammlung, Süddeutschland
€ 7.000 – 9.000
$ 7,540 – 9,700
Das Tierstück als ausgeführte Naturstudie ist uns spätestens seit
Dürers meisterlichem Feldhasen (1502, Wien, Albertina) vertraut.
Wie der berühmte Hase ist auch Hackerts Ziege, wenngleich andersherum ausgerichtet, diagonal in den Bildraum gestellt, aus dem das
Tier herausschaut. Dieser Bildraum wird mit wenigen aber effektvoll
eingesetzten künstlerischen Mitteln erzeugt: der Lichtführung (die
Ziege wird frontal von einem warmen Licht angestrahlt als schaue
sie in eine spätnachmittägliche Sonne), dem dadurch erzeugten
(langgezogenen) Schattenwurf des Tieres, sowie der Andeutung der
atmosphärischen Bedingungen seines natürlichen Lebensraumes (die
Ziege scheint sich gewohnheitsmäßig mit dem Hinterteil einem von
rechts kommenden Wind entgegenzustellen, der das Fell durchzieht
Beobachtungsfreude und Erkenntnisdrang, die bereits die Renaissancekünstler zu Höchstleistungen in der Beschreibung der Natur
angetrieben hatten, äußerten sich in der Zeit der Aufklärung u.a. in
einem verstärkten Interesse an den morphologischen Eigenarten der
Tiere. Das zunehmend naturkundlich gebildete Bürgertum erhöhte die
Nachfrage und damit den Bedarf an naturalistischen Zeichnungen,
die zu einem einträglichen Metier für die Maler wurden. Wie Claudia
Nordhoff in ihrem Gutachten herausstellt, ist für Hackert, der von
jeher Tierstudien anfertigte, im Zusammenhang mit unserem Bild eine
ganz konkrete Begegnung von Interesse. 1802 berichtet der Künstler
in zwei Briefen von der Frau eines englischen Colonel. Das Ehepaar
besaß ein Landgut in Settignano, nahe Florenz. „Mrs. Woodburn“, die
Hackert liebevoll „meine Freundin“ nennt, hatte ihm das Anwesen zur
Verfügung gestellt. In beiden Briefen schreibt Hackert von seinen Tierstudien, die er „völlig nach der Natur fertig“ male, denn „meine Studien
werden jetzt fertige Gemälde“ und an anderer Stelle „da male ich Ziegen, und Esel, Ochsen nach der Natur aber so, daß es fertige Gemälde
werden“ . Es wird kaum unüberlegt gewesen sein, dass Hackert die
Berliner Akademieausstellung 1806 gleich mit vier Einzelportraits von
Tieren beschickte (Kühe, Ziegen und Hasen). Er verkaufte die Bilder
u.a. an den spanischen Premierminister und den Grafen Reuß.
Grisebach 06/2015
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155N FranzösiscH,1825
Ariccia. 1825
Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen. 31,7 x 39,4 cm
(12 ½ x 15 ½ in.). Unten rechts bezeichnet und datiert:
Arriccia[!] Juni 1825. Rückseitig unten rechts mit Feder
in Braun beschriftet: P. Vercillo.
Retuschen. [3143] Gerahmt.
€ 6.000 – 8.000
58
$ 6,470 – 8,620
Es ist der wohl bekannteste „Brunnen vor dem Tore“ des
19. Jahrhunderts – der Brunnen am Fuße von Ariccia in den
Albaner Bergen südöstlich von Rom. Drei Generationen von
Künstlern hielten ihn in unzähligen Zeichnungen und Studien fest.
Umso erstaunlicher ist die Perspektive, die der Künstler unserer
Studie wählt. Aus Untersicht blickt man in ein Meer aus Grün und
in den tiefblauen Himmel – der Brunnen gerät aus dem Blick und
verschwindet fast am linken Bildrand. Und die berühmte Kirche von
Ariccia blitzt oben links über den Baumkronen hervor. Stilistisch
dürfte es sich bei unserer Arbeit um einen französischen Künstler
handeln, der zeitgleich mit Corot in Italien weilte.
Grisebach 06/2015
156 Theobald von Oer
Haus Nottbeck bei Stromberg 1807 – 1885 Lindenhof
bei Coswig
„Ischia“. 1838
Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen. 33,9 x 43,4 cm
(13 ⅜ x 17 ⅛ in.). Unten rechts, anfangs unleserlich,
bezeichnet und datiert: [...] Ischia 3 Aug[us]t 38.
Kleine Randmängel. [3385] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß des Künstlers (seitdem in Familienbesitz)
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Wir danken Detmar Westhoff, Düsseldorf, für die Bestätigung
der Authentizität des Bildes und für freundliche Hinweise.
In Ischia war der deutsche Romantiker Theobald von Oer am
Ende seiner italienischen Reise tätig (Detmar Westhoff: Die
Italienreise von Theobald von Oer, 1837-1839, 2. Bände,
masch. Manuskript, Frankfurt/Main). Man sieht unserem
Gemälde an, wie souverän Oer hier die Lichtstimmung der
italienischen Insel in Malerei umzusetzen verstand. Die
Dämmerung senkt sich bereits über das kleine Dorf, letzte
Sonnenstrahlen lassen die Wolken aufleuchten und die Hausfassade links, aber am Himmel erscheint bereits die Sichel des
zunehmenden Mondes im Südwesten. Ein heißer Augusttag
geht zu Ende, noch ein letztes Mal, vor dem Einbruch der Dunkelheit, zieht es den Maler mit seiner Malmappe nach draußen,
er malt das üppige Grün, vor allem aber den warmen Stein. Ein
unscheinbarer Hinterhof, eine unspektakuläre Ansicht – und
doch steckt alles in dieser kleinen Landschaft, was die Maler
der deutschen Romantik aus Dresden und Düsseldorf bis nach
Süditalien zog. Westhoff weist darauf hin, daß Oer bei seinen
Malaufenthalten in Capri und Ischia im Sommer 1838 weniger
die Vegetation interessierte als verwitterte Gemäuer, Gewölbe,
Architektur. So fasziniert auch in unserer Studie, wie Oer die
verschiedenen Gesteinsorten durch seine subtile „Lichtregie“
inszeniert.
Grisebach 06/2015
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157 Carl Hummel (?)
1821 – Weimar – 1907
Zwei Bäume an einem Gebirgssee. Um 1850
Aquarell und Deckfarbe über Bleistift auf Velin. 30 x 25 cm
(38,2 x 27,4 cm) (11 ¾ x 9 ⅞ in. (15 x 10 ¾ in.)). Unten rechts
außerhalb der Darstellung mit brauner Kreide beschriftet: 81 100.
Dort auch, in der Ecke, mit Bleistift beschriftet: B. PII. 14.
[3034] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
60
Die Lust an dem ungewöhnlichen Effekt, die schwingende Pinselführung und die Palette, lassen bei unserem Aquarell an Carl
Hummel denken, der in den 1850er/1860er Jahren zahlreiche
Zeichnungen, Ölstudien und Gemälde von den Schweizer und
oberitalienischen Seen schuf.
$ 3,230 – 4,310
Grisebach 06/2015
158 Ernst Fries
Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe
Bei Olevano.
Aquarell und Bleistift auf Papier.
19,9 x 31,1 cm (7 ⅞ x 12 ¼ in.).
Nicht bei Wechssler. – [E] € 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Wir danken Dr. Peter Prange, München, für die
Bestätigung der Authentizität des Aquarells.
Nach einem Sommeraufenthalt in der Umgebung von Neapel,
wo er zusammen mit dem Dichter August Kopisch die „Blaue
Grotte“ auf Capri entdeckt hatte, brach Ernst Fries im Herbst
1826 zu einer Wanderung durch die Sabiner- und Aequerberge
auf. In der zweiten Septemberhälfte hielt er sich in Olevano
östlich von Rom auf; dort entstand das Aquarell mit dem Blick
von der mittelalterlichen Burgruine herab über die Ebene auf das
„Bergnest“ Paliano und den dahinterliegenden Volskerbergen.
In den letzten beiden Jahren seines Italienaufenthalts – Fries
war 1823 nach Rom gekommen und kehrte im Frühsommer
1827 nach Heidelberg zurück – hatte sich in seinem Werk
eine deutliche Wandlung zum Malerischen vollzogen, in deren
Verlauf an die Stelle des harten der weiche Bleistift trat und er
zunehmend das Aquarell für sich entdeckte. Das Blatt mit dem
Blick auf die Volskerberge zeigt seine koloristische Begabung:
der gesamte Vordergrund bleibt als Bleistiftstudie unvollendet,
während Fries dahinter in weichen und tonigen Farbübergängen
den Landschaftsraum kontinuierlich entwickelt, der im warmen
südlichen Morgenlicht liegt. Das Erfassen einer momentanen
Lichtsituation – meistens morgens oder abends – gehörte zu
den zentralen Anliegen der um und nach 1820 in Rom tätigen
Landschaftszeichner, und führte im Ergebnis häufig zu dem
ästhetisch reizvollen Nebeneinander von vollendeten und unvollendeten Partien. Mit solchen Momentaufnahmen der Landschaft, in denen Fries Farb- und Lichtphänomene festhielt, verließ er das gängige Schema der Vedute und setzte an ihre Stelle
die Naturbeobachtung. Unvollendete, nur teilweise aquarellierte
Blätter dienten Fries häufig als Vorbereitung von Ölskizzen oder
Gemälden; vom gleichen Motiv existieren auch eine Ölskizze
auf Papier in Karlsruhe (Kunsthalle, Inv. Nr. 1942-489) und eine
Bleistiftzeichnung in Heidelberg (Kurpfälzisches Museum,
Inv.-Nr. Z 339), die am 16. September 1826 entstanden ist.
Peter Prange, München
Grisebach 06/2015
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159 Josef RebelL
Wien 1787 – 1828 Dresden
Ansicht der Stadt Vietri mit dem Blick auf Rieti
und den Meerbusen von Salerno. Nach 1819
Öl auf Leinwand. Doubliert. 78 x 104 cm (30 ¾ x 41 in.).
Kleine Retuschen. [3287] In der originalen Rahmung um 1820.
Provenienz: Galerie Schneider, München (1956) /
Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt /
Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen
Literatur und Abbildung: Kunstversteigerung. Wien, Dorotheum,
27.5. 1947, Kat.-Nr. 131, Abb. Tf. 12 (dort als eigenhändiges Werk
von Josef Rebell, 79 x 106 cm) / Hertha Lischke: Josef Rebell (1787–
1828). Leben und Werk. Innsbruck, Universität, Diss., 1956, S. 130
(unser Bild als eine der drei eigenhändigen Varianten), Abb. 23 /
Gemälde aus der Sammlung Dr. Georg Schäfer. Düsseldorf,
Christie’s, 31.1.2000, Kat.-Nr. 34, mit Farbabbildung (dort ohne
Kenntnis der Provenienz noch „Josef Rebell zugeschrieben“)
€ 25.000 – 35.000
$ 26,900 – 37,700
Wir danken Dr. Karin Rhein, Museum Georg Schäfer,
Schweinfurt, für freundliche Hinweise zur Provenienz.
Die Amalfi-Küste südlich von Neapel wurde von den Romantikern
als Bildmotiv entdeckt. Ewig blauer Himmel, eine ungemein
üppige Natur, hohe Felsen, die steil zum Meer abfallen und malerische Küstenstädtchen, die sich in die zerklüfteten Felsen hinein
schmiegen prägen bis heute das Bild der „costiera amalfitana“
am Golf von Salerno. Der Wiener Maler Joseph Rebell, der von
1813-1815 in Neapel und dann bis 1824 in Rom war, hat an
dieser Entdeckung Anteil. Die malerische Qualität des Gemäldes,
das sich bis heute in seinem österreichischen Originalrahmen
aus der Zeit um 1820 befindet, ist außerordentlich hoch. Es bezieht seinen Reiz aus der subtilen Beleuchtung, die von der leicht
verschatteten Vordergrundpartie mit ihren vielen Grüntönen
über den mit hellen Lichtern rythmisierten Mittelgrund bis zum
sich verblauenden Hintergrund reicht, in dem der Gebirgszug im
ruhig warmen Strahlen der Sonne liegt. Ganz in der klassischen
Tradition Claude Lorrains hat Rebell das Gemälde aufgebaut
und aus dem Hintergrund heraus beleuchtet. Der Vordergrund
mit seinem detailreichen Pflanzenstudien leitet durch figürliche
Staffage italienischer Landbevölkerung in den Mittelgrund über,
in dem der Blick jäh in das Tal hinab fällt und von der kleinteiligen
Bebauung Vietris aufgefangen wird. Eine ältere Frau hält Andacht
vor einem Bildstock und ein Hirte treibt seine Herde in die Stadt
hinab – eine geradezu antike Szene, welche die berühmten Verse
Vergils aus der X. Ekloge aufsteigen lässt: „Geht, der Abendstern
blinkt, ihr seid satt, geht heim, meine Ziegen!“ – „ite domum saturae, venit Hesperus, ite capellae.“ Es ist die klassische Landschaft
Vergils, die Rebell hier in romantischen Geist gestaltet und damit
eine antik-christliche Kulturlandschaft entworfen hat. Hinter der
Stadt am Fuße des Monte San Liberatore eröffnet sich ein grandioses Panorama auf die Bergkette und den Golf von Salerno.
Rebell war fraglos klassizistisch geschult, doch bereichert er
seine ideal wirkende Landschaft mit topographischen Details und
einer genau studierten Vegetation, was einen neuen, an der Wirklichkeit geschulten Blick auf die Natur erahnen lässt, wie er sich
in eben jenen Jahren bei der jüngeren Generation der deutschen
Landschaftsmaler durchsetzte. Verschiedene Landschaften mit
Motiven von der Amalfi-Küste sind von Rebell bekannt, unter
62
ihnen die vorliegende Ansicht des Städtchens Vietri sul Mare, die
er offenbar viermal angefertigt hat. Im Wiener Belvedere befindet
sich das 1819 entstandene Schlüsselwerk, eine kleinere Replik
in der Berliner Nationalgalerie, eine weitere Replik aus dem Innsbrucker Ferdinandeum verbrannte 1931 im Münchner Glaspa-
Grisebach 06/2015
last. Bei unserem Bild handelt es sich offenkundig um das vierte
Exemplar, das 1947 im Dorotheum in Wien versteigert wurde
(Auktion vom 27.5.1947, Los Nr. 131). Hertha Lischke, die das
Werk im Original gesehen hat, hat es in ihrem Werkverzeichnis
von 1956 (Joseph Rebell. Leben und Werk. Leopold-Franzens-
Universität Innsbruck (masch. Man.) als eine der
drei eigenhändigen Varianten Rebells beschrieben, die der
Künstler von seinem Gemälde im Belvedere gemalt hat.
Michael Thimann, Göttingen
Grisebach 06/2015
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160
Umkreis Friedrich Overbeck
Lübeck 1789 – 1869 Rom
Gewandstudie.
Graue Kreide auf Bütten. 26,7 x 19,6 cm (10 ½ x 7 ¾ in.).
In der Ecke unten links beschriftet: Overbeck. Rückseitig
unten in der Mitte mit Bleistift beschriftet: Friedr. Overbeck fec.
Dort auch, unten rechts, die Stempel „HCS“ (nicht bei Lugt)
und Lugt 2635. [3176] Provenienz: Ehemals Woldemar Kunis, Dohna
€ 1.000 – 1.500
161 Andreas Achenbach
Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf
Blick auf Düsseldorf. 1848
Bleistift auf Papier. 12,7 x 17,2 cm (5 x 6 ¾ in.). Unten rechts
bezeichnet, datiert und monogrammiert: Düsseldorf 1/10 48 A. A.
Etwas stockfleckig. [3215] Gerahmt.
€ 400 – 600
$ 431 – 647
Die Stadt Düsseldorf war für den oft und gerne reisenden Andreas
Achenbach sowohl in künstlerischer als auch in privater Hinsicht
das vertraute Zentrum seines Wirkens. Die elterliche Wohnung
befand sich direkt gegenüber der Akademie, in die er bereits als
12jähriger eingetreten war. Mit der Gründung des Kunstvereins
1829, der entscheidend zum Erfolg der örtlichen Malerschule beitrug, bekam der nunmehr 14jährige hier seine ersten Ausstellungsmöglichkeit – und seinen ersten Karriereschub. Auch die bekannte
Ansicht der Akademie mit den angrenzenden Schlossgebäuden,
die 1872 durch einen Brand zerstört wurden, stammt von Andreas
Achenbach (1831, Düsseldorf, Kunstpalast). Von seiner intimen
Verbundenheit mit der Heimat spricht gleichsam unsere kleine
Zeichnung. Sie entstand vor den Toren der Stadt, deren Silhouette
im Hintergrund aufragt, und zeigt Pferdepflüger, die ihrem Tagwerk
nachgehen. Das unmittelbare Angrenzen des städtischen und
des ländlichen Alltags, das Achenbach hier beobachtet, setzt der
Zeichner souverän ins Bild.
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Grisebach 06/2015
$ 1,080 – 1,620
162N Friedrich Nerly
Erfurt 1807 – 1878 Venedig
Die Insel Lido in Venedig. Um 1860/70
Öl auf Leinwand. 55 x 78,5 cm (21 ⅝ x 30 ⅞ in.).
Unten links signiert: Nerly. Auf dem Keilrahmen unten
links mit Bleistift beschriftet: Insel Lido, östl. Seite.
Mit einem ausführlichen Gutachten von Dr. Wolfram
Morath-Vogel, Erfurt, vom 10. April 2015. –
Restaurierter Einriß. Randdoubliert. [3340] Gerahmt.
€ 30.000 – 40.000 $ 32,300 – 43,100
Das Gemälde habe ich im März 2015 im Original untersucht. Es
handelt sich meiner Überzeugung nach um ein eigenhändiges
Werk von Friedrich Nerly aus dessen später Schaffenszeit. Im
Einklang mit älteren Traditionen verbindet Nerly das Sujet mit einer
mehrschichtigen Handlungserzählung aus der alltäglichen Arbeitswelt: Drei Mäher im Vordergrund mähen Gras, gabeln es auf und
schärfen das Sensenblatt, im Mittelgrund wird eine Wagenfuhre
abgefahren. Der aus diesen Komponenten resultierende Gesamteindruck ist im Oeuvre des Malers unvertraut, zeigt uns Nerly von
unerwarteter Seite. Doch die malerische Faktur und die formale
Konzeption lassen klar die Autorschaft des Vaters erkennen und
schließen eine Urheberschaft des jüngeren Nerly aus.
Im Nerly-Nachlaß des Angermuseums Erfurt wird eine Ölstudie
(ohne Figurenstaffage) bewahrt, die denselben Uferstreifen des
Lido, das mittige Baumpaar und die seitlichen Bäume zeigt und die
der Vorbereitung des Bildes gedient haben muß (Inv.-Nr. 3368).
Die malerische Ausführung entspricht nicht völlig dem bei Nerly
üblichen Vollendungsduktus, sie hält noch die Mittellage zwischen
einer dem fertigen Bild angenäherten Studie und der Perfektion
eines bis ins Letzte ausgeführten Bildes; was insbesondere an
dem geistreich und locker gemalten Blattwerk der windbewegten
Robinien sinnfällig wird. Verblüffend ist die Korrespondenz von
Nerlys Lido-Idyll mit Ferdinand Oliviers „Blick vom Mönchsberg
auf den Untersberg“ (1824, Galerie Neue Meister Dresden) mit
dem mittig stehenden Bäumchen, zu beiden Seiten symmetrisch
geordneten Baumgruppen und zwei entsprechenden Durchblicken
samt einer fernsichtig verkleinerten Figurengruppe im nahen
Vordergrund rechts. Diese durch das romantische Erbe gefilterte Bildformel, in die der späte Nerly sein Naturerleben kleidet,
gehörte als Teil seiner eigenen Bildungsgeschichte durchaus noch
zum Repertoire des Vaters, stand aber dem Sohn wie überhaupt
der jüngeren Generation schon nicht mehr zur Verfügung. Etwas
vom Geist der lebensfreundlichen, das Spektakuläre meidenden
Idyllendichtung seines Zeitgenossen Eduard Mörike scheint Nerlys
bildlich ausgewogene Vision eines gleichermaßen arbeitsamen wie
durchsonnten Sommertages zu durchwehen. Sie verbindet sich
mit einer Anmutung der schönen Klassizität naturverbundenen
Lebens, deren Wahrnehmungsgeschichte bis zu den Georgica des
Vergil zurückreicht […]. (Ungekürzte Fassung im Online-Katalog)
Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt
Grisebach 06/2015
65
163
William Linton
Liverpool 1791 – 1876 London
Der Sibyllen-Tempel in Tivoli.
Öl auf Bütten auf Holz. 24 x 34,3 cm (9 ½ x 13 ½ in.).
Rückseitig drei Etiketten der Kunsthandlung Thos.
Agnew & Sons, London. [3283] Gerahmt.
Provenienz: Thos. Agnew & Sons, London (Ende 19. Jh.) /
Privatsammlung, England / ehemals Privatsammlung, USA
€ 4.000 – 6.000
164 $ 4,310 – 6,470
William Linton
Liverpool 1791 – 1876 London
Blick auf Tivoli.
Öl auf Bütten auf Holz. 24 x 34,4 cm (9 ½ x 13 ½ in.).
Rückseitig drei Etiketten der Kunsthandlung
Thos. Agnew & Sons, London. [3283] Gerahmt.
Provenienz: Thos. Agnew & Sons, London (Ende 19. Jh.) /
Privatsammlung, England / ehemals Privatsammlung, USA
€ 4.000 – 6.000
66
$ 4,310 – 6,470
Grisebach 06/2015
165 FranzösiscH, 1832
Die Forumsthermen in Pompeji. 1832
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen.
28 x 35,5 cm (11 x 14 in.). Auf dem Keilrahmen
oben mit Feder in Schwarz (verwischt) und
in Bleistift beschriftet: Caldarium in den
Forumsthermen Pompeji Mai 32.
Kleine Retuschen. [3285] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Diese virtuose Ölstudie zeigt den Innenraum der Forumstherme
in Pompeji. Durch die eingestürzte Deckenkonstruktion dringt
halbkreisförmig das gleißende Tageslicht in den gewaltigen Baukörper und bündelt sich im oberen Teil der linken Seitenwand.
Der Standpunkt des Malers ist leicht aus der Mittelachse der
Architektur nach rechts versetzt und die perspektivisch angedeutete Raumflucht ist nur in der braunen Untermalung skizzenhaft im Halbdunkel angedeutet. Im unteren Bildteil ist eine
runde, fast schwarze Bogenform zu sehen, die sich zu einer
unwägbaren Tiefe öffnet. Es hat den Anschein, dass der Maler
in der antiken Ruine auf einer Zwischenebene steht und die
schwarze Öffnung unten in weitere unterirdische Räume führt.
Korrespondierend dazu erscheinen die ebenfalls schwarzen,
verschütteten Fensteröffnungen des vorderen Tonnengewölbes,
die ehemals dem Innenraum sein Licht spendeten.
Das in den Baukörper einfallende Licht in all seinen chromatischen Abstufungen dürfte für unseren Künstler der Anlass
für diese außerordentlich qualitätvolle Ölstudie gewesen sein.
Koloristisch bewegt sich die Studie zwischen den aus der Untermalung entwickelten Brauntönen und den variantenreichen
Grüntönen der Vegetation, die sich langsam aber sicher der
verfallenden Architektur zu bemächtigen scheint.
Der Naturalismus und die Sachlichkeit dieser Ölstudie lassen
an einen französischen Künstler um 1830 denken. Beim Malen
hatte dieser zwar offensichtlich auch die älteren Ruinenlandschaften eines Hubert Robert im Hinterkopf, gehört aber der
späteren Künstlergeneration von Jules-Louis-Phillipe Coignet
oder Francois-Marius Granet an. (MM)
Grisebach 06/2015
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166 Friedrich Nerly
Erfurt 1807 – 1878 Venedig
„Campo San Vio in Venezia“.
Bleistift auf Bütten. 32 x 22 cm (12 ⅝ x 8 ⅝ in.).
Oben rechts betitelt und signiert: Campo San Vio in Venezia. Nerly.
Hinterlegter Randeinriß. [3034] € 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Wir danken Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt, für die Bestätigung
der Authentizität der Zeichnung.
167 Friedrich Wasmann
Hamburg 1805 – 1886 Meran
Gitarrenspieler (Studie).
Bleistift auf Bütten. 30,8 x 22,6 cm (12 ⅛ x 8 ⅞ in.).
Unten rechts signiert: Fr. Wasmann.
Rückseitig, um 180° gedreht: Landschaftsskizze. Bleistift. [3176] € 500 – 700
68
$ 620 – 900
Grisebach 06/2015
168 Albert Brendel
Berlin 1827 – 1895 Weimar
Schafweide an einer belebten Landstraße. 1872
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. 18,4 x 23,6 cm
(7 ¼ x 9 ¼ in.). Unten links signiert und datiert: A. Brendel 1872.
Geschlossener Einriß. [3121] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Ein später Nachmittag im Spätsommer 1872. Warmes Licht tüncht
die friedliche Natur gülden und die luftig vorbeiziehenden Wolken
in ein zartes Rosa. Unser Blick schweift über eine Wiese am Rand
eines lichten Waldes mit stolzen Pinien und buschigen Laubbäumen. Schafe weiden gesellig im Schatten. In ihren wollenen
Braun-, Grau- und Weißfärbungen fügen sie sich harmonisch in die
sanft geschwungene, sonnengebräunte Ebene. Zwei Schafe stehen
der in sprichwörtlich stoischer Lethargie lagernden kleinen Herde
vor. Sie sind die einzigen, die einer nahen, mit Menschen und
Pferden belebten Landstraße ihre Aufmerksamkeit schenken. Der
Fuhrweg ist nur vage auszumachen, denn er verläuft hinter einer
dichten, die Weide rahmenden Hecke – die die Naturbühne und
ihre tierischen Bewohner ein-, und damit von jeglichem städtischkultivierten Treiben abzugrenzen scheint.
Albert Brendel war einer der ersten deutschen Künstler, die sich
der Malerschule von Barbizon angeschlossen haben. Von 1854
bis unmittelbar vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges
verbrachte Brendel die Sommermonate regelmäßig in dem
kleinen Künstlerdorf am Rande des Waldes von Fontainebleau.
Hier arbeitete er Seite an Seite mit den bekanntesten Malern
vor Ort, Corot, Millet, Daubigny. Als Professor (ab 1875) und
schließlich Direktor der Weimarer Kunstakademie wurde er zum
einflussreichen Vermittler der „paysage intime“ und damit jener
auf Wirklichkeitserfassung abzielenden Kunstrichtung, die eine
neue europäische Landschaftsmalerei begründete. Motivwahl,
Licht- und Farbgestaltung seiner künstlerischen Arbeiten bezeugen
eine ausgesprochene Nähe zu den Barbizonisten. Die Rolle, die die
Darstellung von Schafen in seinem Werk einnimmt, wurde zurecht
mit entsprechenden Bildern Jean-Francois Millets verglichen. „Er
hat nur Schafe gemalt, aber welche Schafe! Das ist die lebendige
Kunst“, schrieb ein französischer Rezensent über ein im Pariser
Salon 1857 ausgestelltes Gemälde des deutschen Malers.
Der Berliner Brendel, der seine Anfänge als Maler in den Ateliers
von Bürde und Steffeck gemacht, kurzzeitig bei Couture und Palizzi
in Paris studiert und seine künstlerische Heimat bei den Freilichtmalern in Barbizon gefunden hatte, muß die Unterbrechung seiner
regen Beziehungen durch den Krieg mit Frankreich schmerzlich
empfunden haben. Unser kleines Gemälde, das nur zwei Jahre
nach Brendels letzten Barbizonaufenthalt in seiner Geburts-, jetzt
deutschen Reichshauptstadt entstanden ist, schlägt eine Brücke
der Erinnerung – zurück in die Wälder von Fontainebleau. (AA)
Grisebach 06/2015
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169
August Lucas
1803 – Darmstadt – 1863
Aqua Acetosa. 1829
Öl auf Bütten. 14,1 x 36,4 cm (5 ½ x 14 ⅜ in.).
Wir danken Dr. Peter Märker, Berlin, für die freundliche
Bestätigung der Authentizität der Studie. –
[3150] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
170 $ 4,310 – 6,470
In seinen italienischen Jahren, zwischen 1829 und 1834, schuf
Lucas ein beeindruckendes, individuelles Œuvre. Vor allem seine
sehr seltenen Ölstudien jener Jahre zeichnen sich durch eine
besondere sanfte und pastellfarbene Lichtstimmung und ein
oft extremes Querformat aus. Unsere Ölstudie ist offenbar am
selben Tag entstanden wie „Tiberlandschaft bei Aqua Acetosa“,
die Lucas 1829 zeichnete und datierte (Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Inv. Nr. HZ 928), dort ist der Standpunkt
leicht nach rechts verschoben.
Dresden, um 1830
Flußlandschaft mit Turm.
Öl auf Leinwand. 18,3 x 26 cm (7 ¼ x 10 ¼ in.).
[3106] € 800 – 1.200
70
$ 862 – 1,290
Grisebach 06/2015
171 Ernst Fries
Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe
Gebirgsstudie (Italien). Um 1826
Aquarell über Bleistift auf Papier, auf Karton aufgezogen.
28,7 x 38,5 cm (11 ¼ x 15 ⅛ in.). Unten in der Mitte in
Bleistift mit Angaben zur Farbgestaltung: Luft ... grünlich ...
1 Grasboden / 2 Felsen (auch innerhalb der Darstellung
mit „1“ bzw. „2“ bezeichnet).
Nicht bei Wechssler. –
[3034] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals im Nachlaß des Künstlers
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Wir danken Dr. Peter Märker, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität des Aquarells.
Unser sehr feinsinniges Aquarell stammt direkt aus der Familie
Fries. Der Künstler spielt hier sein ganzes Können in der subtilen
Erfassung der kleinsten Tonabstufungen mit den Mitteln der
Aquarelltechnik aus. Das zarte Blau, das Fries so liebte, setzt er ein,
um – von einem sehr hohen Standpunkt aus gesehen – zwei ferne
Berggipfel zu akzentuieren. Mit sehr viel Liebe widmet sich Fries
dann dem Tal dazwischen und skizziert hier Wiesen und Bäume,
deren zartes Grün dem Blau eine zusätzliche Leuchtkraft verleiht.
Es ist eine Arbeit, die einen Einblick gewährt in die Arbeitsweise
des Künstlers, mit begonnenen und ausgeführten Partien und
handschriftlichen Annotationen – „1“ ist der „Grasboden“, die
„2“ die Felsen und der Künstler notiert als Erinnerungsstütze,
was „grünlich“ war und was „blau“.
Es ist der Blick eines Künstlers der ersten Romantikergeneration
um 1820 auf die Natur: sehr präzise, aber in der Wiedergabe doch
noch zart, sich genau auf das konzentrierend, was ihn künstlerisch
interessiert, den Rest in der Unterzeichnung belassend. Aus
diesem Wechselspiel der ausgeführten und unausgeführten
Partien bezieht unsere Arbeit ihre besondere Poesie.
Grisebach 06/2015
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172 Carl Wilhelm Götzloff
Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel
„Castel dell'Ovo“. 1846
Öl auf Leinwand. 46,3 x 67,3 cm (18 ¼ x 26 ½ in.).
Auf dem Keilrahmen oben links mit Feder in Schwarz
beschriftet: „Castel dell’ Ovo“ à Naples. In der Mitte
auf einem Aufkleber mit Feder in Schwarz beschriftet:
C. Götzlof No 16 1846 Neapel. Dort auch zwei Wachssiegel.
Lentes 189. –
Kleine Retuschen. [3121] Gerahmt.
Ausstellung: Carl Wilhelm Götzloff (1799–1866).
Ein Dresdner Landschaftsmaler am Golf von Neapel.
Lübeck, Museum Behnhaus Drägerhaus, und Koblenz,
Mittelrhein-Museum, 2014, Kat.-Nr. 62, mit ganzseitiger
Farbabbildung S. 138
€ 35.000 – 45.000
$ 37,700 – 48,500
1799 in Dresden geboren, besuchte Carl Wilhelm Götzloff von
1814 an die dortige renommierte Kunstakademie, konzentrierte sich schon früh auf das Landschaftsfach und bewegte
sich zugleich im Kreis um Caspar David Friedrich. Im Jahre
1821 brachte ihn ein Reisestipendium nach Italien. In einem
wesentlichen Punkt unterscheidet sich sein Italienaufenthalt
von denjenigen seiner Dresdner Künstlerfreunde: hielten sich
Ludwig Richter, Ernst Ferdinand Oehme oder Carl Wagner nur
wenige Jahre unter mediterranem Himmel auf, um ihr Studium
zu vervollkommnen, kehrte Götzloff nicht mehr nach Deutschland zurück. 1825 siedelte er nach Neapel über und sollte
dort in den Folgejahren zu einem gefragten Landschafts- und
Genremaler avancieren. Den malerischen Schönheiten des
Golfes von Neapel sowie der Bucht von Sorrent galt dabei sein
besonderes Augenmerk. Unser 1846 entstandenes Gemälde
setzt sich ausschließlich aus vier Ingredienzien zusammen:
Architektur, Berge, Wasser und Himmel. Von erhöhtem
Standpunkt aus blickt der Betrachter auf denjenigen Abschnitt
des Golfes, an welchem das markante Castel dell’Ovo, das
den ältesten Teil der Festungsarchitektur der süditalienischen
Metropole darstellt, malerisch ins tiefblaue Meer ragt. Der
Name dieser wehrhaften Anlage verbindet sich mit Vergil, der
laut legendarischer Überlieferung ein Ei in das Fundament der
Festung gelegt haben soll. Aufgrund seiner exponierten Lage
ist das Castel dell’Ovo nicht erst seit Götzloffs Zeiten den kanonisierten Motiven der Stadtlandschaft zuzurechnen. Seinen
besonderen Reiz bezieht dieses Gemälde aus dem intensiven
Kontrast der beiden unterschiedlichen Blauwerte von Himmelsund Meeresfläche, der sich in dieser Prägnanz im Werk von
Götzloff eher selten findet. Und noch eine weitere Auffälligkeit bestimmt dieses Bild: während sich auf fast allen seiner
Ansichten des Golfes der Vesuv als markanter Anhaltspunkt im
Hintergrund abzeichnet, hat der Künstler in diesem Fall auf dessen Wiedergabe verzichtet. Stattdessen ist es der Monte Sant
Angelo, der die höchste Erhebung der den Bildraum abschließenden Bergkette darstellt und welcher überdies durch die von
der Abendsonne beschienenen Wolken akzentuiert wird.
Konsequent dem Darstellungstypus der Landschafts- oder
Stadtvedute verpflichtet, erreichte Götzloff durch die stimmungsvolle Verschmelzung seiner Bildelemente im südlichen
Licht eine zarte Idealisierung. Markus Bertsch, Hamburg
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Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
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173
Ernst Fries
Heidelberg 1801 – 1833 Karlsruhe
Kastell am Meer.
Aquarell und Gouache über Bleistift auf
dünnem Bütten. 10,1 x 16 cm (4 x 6 ¼ in.).
Nicht bei Wechssler. – [E] € 1.500 – 2.000
$ 1,620 – 2,160
Wir danken Dr. Peter Prange, München, für die
Bestätigung der Authentizität des Aquarells.
174 Ascan Lutteroth
1842 – Hamburg – 1923
Einfahrt zur Blauen Grotte auf Capri. 1871
Öl auf Leinwand, auf Karton aufgezogen. 18,4 x 31 cm
(7 ¼ x 12 ¼ in.). Oben rechts signiert und
(in der nassen Farbe) datiert: A Lutteroth 17 6 71.
[3269] Gerahmt.
€ 1.500 – 2.000
74
$ 1,620 – 2,160
Grisebach 06/2015
175 Louis Gurlitt
Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen
Blick auf Rocca Santo Stefano und die Mammellen. Um 1845
Öl und Bleistift auf Papier, auf Karton aufgezogen.
21,5 x 29,2 cm (8 ½ x 11 ½ in.).
Zwei durch Aufziehen professionell geschlossene
Einrisse. Randmängel. [3275] Gerahmt.
Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Louis Gurlitt – gebürtig aus Altona, das seinerzeit unter dänischer
Verwaltung stand – hatte es, wie viele seiner Künstlerkollegen,
1832 für zwei Jahre zum Studium nach Kopenhagen gezogen, wo
die Kunstakademie einen hervorragenden Ruf genoß. Im Sommer
entfloh Gurlitt dem oft trockenen akademischen Unterricht – und
folgte damit dem Rat seines einflussreichen Lehrers Christian
Friedrich Eckersberg. Gurlitt begab sich auf Reisen, nach Schweden und nach Norwegen, um Ölstudien direkt vor der Natur
anzufertigen. Seine frühen Erfahrungen in der Freilichtmalerei,
insbesondere im Einfangen des natürlichen Lichtes, und seine
damit verbundene naturnahe Landschaftsauffassung brachten ihm
bald seine ersten künstlerischen Erfolge ein. Die Erkenntnisse,
die dem Maler nur das intensive Naturstudium lehrt, blieben von
großem Wert – auch als sich Gurlitt während seiner Münchener
Jahre zunehmend von den von Eckerberg empfohlen Grundsätzen
strenger Naturwahrheit ab- und der von Carl Rottmann angeführten idealen Richtung zuwandte.
Unser Blatt, das auf Gurlitts zweiter Italienreise 1843-1846 entstand, gibt uns einen Einblick in seine Arbeitsweise. Eindrucksvoll
führt es uns vor, wie der mittlerweile routinierte Freilichtmaler
seine (italienischen) Ölstudien anlegte. Zunächst wurde der beobachtete, meist weiträumige Landschaftsausschnitt mit flüchtigen
Bleistiftstrichen erfasst. Anschließend begann Gurlitt, „das Blatt
von oben nach unten mit Ölfarbe auszumalen“ (Schulte-Wülwer
1997, S. 53). Die mit Farbe bedeckten Partien führte er dabei
bereits vollständig aus. Unsere Studie besteht somit aus zwei Teilen: einer oberen, künstlerisch „vollendeten“ (soweit eine solche
Definition für eine Ölstudie aus den 1840er Jahren zutreffen kann)
und einer unteren, lediglich „angelegten“ Partie. Blätter wie dieses,
das zudem aus dem Nachlaß des Künstlers stammt, dienten Gurlitt
als wertvolles Arbeitsmaterial. Sie waren Erinnerungsstütze und
Inspiration für die später bildmäßig ausgeführten und zum Verkauf
bestimmten Gemälde. Heute sind es gerade solche Studienarbeiten, deren künstlerische Qualität uns überzeugt und deren spannungsreiches Verhältnis aus „vollendeten“ und „unvollendeten“
Bildteile unserem an der Moderne geschulten Auge einen überaus
anregenden Kunstgenuß bereitet. (AA)
Grisebach 06/2015
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176 Heinrich Bürkel
Pirmasens 1802 – 1869 München
„Blick auf den Monte Circeo“. Um 1853
Öl auf Leinwand. Doubliert. 36,5 x 70,5 cm (14 ⅜ x 27 ¾ in.).
Nicht bei Bühler/Krückl. – Mit einem Gutachten von
Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 6. Februar 1993. –
[3224] Gerahmt.
Provenienz: Kunstsalon Franke-Schenk, München /
Privatsammlung, Süddeutschland
€ 18.000 – 24.000
$ 19,400 – 25,900
Wenn der Münchner Maler Heinrich Bürkel bei seinen zahlreichen
Italienbesuchen in Rom weilte, unternahm er stets Ausflüge. Er
besuchte historische Stätten und hielt seine Eindrücke von den
Naturschönheiten mit Zeichenstift und Pinsel fest. Es entstanden
„viele große Ölskizzen, Tuschen und Aquarelle nach Landschaften
aus Rom, der Campagna, den Sabiner- und Volskerbergen, von
Tivoli, Olevano, den Abruzzen, Frascati, Albano, den Kraterseen,
Velletri und den Pontinischen Sümpfen, die Ausbeute endloser,
durch die Malaria gefährdeter Wanderungen.“
Ariccia liegt zwanzig Kilometer südöstlich von Rom und ist die älteste
Stadt Latiums. Von hier aus genoss man den berühmten Blick über
Ariccia auf den Monte Circeo (Monte Circello) – eine Attraktion, die
Friedrich Bürkel wie zahlreiche Kollegen vor und nach ihm in diesem
gleichnamigen Gemälde festhielt. Von hier aus erscheint der Berg der
Circe, der in Heinrich Bürkels Ölskizze „aus der Ferne gesehen, wie
eine Insel“ wirkt, gleich einer Vision am Horizont. Der Maler zeigt den
sagenumwobenen Homerischen Berg zusammen mit der gleichermaßen berühmten, etwas links im Bildmittelgrund befindlichen Kirche
Collegiata di Santa Maria Assunta.
In Bürkels Ansicht gleitet der Blick nach Süden über die silbrig schimmernde glatte See in die Ferne. Die weit ausschwingende Küstenlinie
führt zum Monte Circeo und rechts im Bild weiter bis zur Inselgruppe
der Isola Ponza mit der Isola Zannone und Palmarola, deren Silhouetten sich im milchigen Licht der rosengelben hohen Himmelskuppel der deutschen Romantiker am Meereshorizont verlieren. Die
Komposition ist meisterhaft aufgebaut: das Bild ist horizontal in zwei
nahezu gleichgroße Hälften geteilt, die Himmel und Erde umspannen.
Gleichzeitig entwickelt der Maler von links nach rechts die klassische
Diagonalkomposition vom Dunklen ins Helle. Sie unterteilt sich in verschattete und sonnige Bereiche, die sich wellengleich aus Landzonen
in Grün und zwei sich rechts daran anschließenden Meerzonen in Blau
zusammensetzen.
Unsere Ölskizze zeigt den »anderen Bürkel«, wie ihn der Bürkel-Spezialist Hans-Peter Bühler nennt. Dieser Bürkel ist kein Biedermeiermaler
mehr, sondern ein Vorimpressionist, der Ölskizzen leicht wie Aquarelle
locker hintuscht. Er bannt die Flüchtigkeit einer Naturstimmung
in dünnen Lasuren auf die Leinwand, setzt mit wenigen gezielten
Tupfen Lichter und Schatten auf und entfaltet mit zarten fließenden
Farbüberg.ngen in lieblichen Pastelltönen den ganzen Zauber der
Atmosphäre.
Wie eine japanische Tuschzeichnung zeigt er das Wahrzeichen des
mediterranen Italiens, die Pinien, in ihren typischen Silhouetten gegen
den Himmel. Behutsam verknüpft er Raumzonen zu einem großzügigen und weiträumigen Prospekt. Die Intensität des Eindrucks bedarf
76
des Fleißes zum Detail nicht mehr. Es ist der große Entwurf, der in
seiner künstlerischen Abbreviatur alles Wesentliche, den Zauber des
südlichen Lichts und der Landschaft, zu einem arkadischen Traum formuliert. Bürkels Ölstudien und Zeichnungen wurden erst von Bürkels
Sohn, Ludwig von Bürkel, und dessen Sohn, Luigi von Buerkel, seit der
Jahrhundertwende um 1900 aus dem Privatbesitz der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Richard Muther, der einer der ersten war, der
diesen „anderen Bürkel“ zu sehen bekam, zeigte sich ganz betroffen
von der Schönheit der Darstellungen, die die Essenz des Erlebten zu
einem stimmungsvollen Eindruck zusammenfassen.
Auf Grund der Vergleiche mit anderen Bildern aus dem Werk Heinrich
Bürkels ist anzunehmen, dass der Blick über Ariccia auf den Monte
Circeo ein Spätwerk des Meisters ist. Es entstand wahrscheinlich auf
seiner vierten Italienreise 1853. Sein Freund Carl Spitzweg hatte damals bereits zusammen mit Eduard Schleich d. Ä. 1851 aus Paris die
Farb- und Lichtbehandlung Eugène Delacroix’ und der Barbizonmaler
nach München gebracht. Hans-Peter Bühlers Bemerkung, dass Bürkel
die Freilichtmalerei zwar vorausgeahnt habe, aber bis zu seinem Tod
der Lasurmalerei biedermeierlicher Prägung treu geblieben sei, mag
für seine Verkaufsware zutreffen. Für seine persönlichen Schöpfungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, gilt, wie für seine
Grisebach 06/2015
Münchner Kollegen Spitzweg und Schleich d. Ä., die Öffnung der
malerischen Form.
Noch ist im Blick über Ariccia auf den Monte Circeo die rosenrote
Farbigkeit des zarten Fonds von Bürkels Morgenhimmel romantisch
aufgefasst: die Farbe »schmilzt« gleichsam über die gesamte Bildfläche hinweg. Aber diesen durchlichteten Himmelsraum unterbricht
und akzentuiert der Maler mit unvermittelt aufgesetzten pastosen
Pinselhieben, die als Wolkengebilde in der lichten Himmelsphäre
stehen. Darunter brechen helle und dunkle, kurze Pinselstriche die
verschiedenen Landschaftsdetails auf und verweben ihre Versatzstücke, wie Bäume, Menschen, Häuser und Tiere, miteinander zu einem
atmosphärischen Gesamteindruck. Dadurch erreicht der Maler eine
neue „Synthese koloristischer und tiefenräumlicher Wirkung.“ Nur
wenige Bilder im Werke Heinrich Bürkels haben den malerischen
Schmelz, dieses „Französische“ wie es Prof. Börsch-Supan nennt,
des Gemäldes Blick über Ariccia auf den Monte Circeo.
Während die Ölskizzen auf Papier bereits in den 1830er Jahren
den Landschaftseindruck thematisieren, werden die Gemälde auf
Leinwand zu dieser Zeit noch viel detailgenauer und Abbild-getreuer
ausgearbeitet. Erst in den 1850er Jahren erreichen die als Ölskizzen
belassenen Gemälde auf Leinwand eine vergleichbare Leichtigkeit
zu den Papierarbeiten. Etwa die bei Terracina gemalte Landschaft in
den Pontinischen Sümpfen mit den Ruinen von Ninfa und Blick auf
Sezze von ca. 1850 /55 , die Italienische Berglandschaft mit Blick auf
Subbiaco oder Ziehende Landleute vor der Fontana di Porta Furba von
1865 /68 kennzeichnen diesen Spätstil Heinrich Bürkels. In diesen
Gemälden haben die Figuren ihre frühere bildbestimmende Dominanz
verloren und werden als kleinfigurige Staffierungen in den Landschaftsprospekt eingebettet.
Die überwiegende Zahl der Spätwerke ist nicht signiert und war nicht
für den Verkauf bestimmt, sondern bildete ein Arsenal von Erinnerungen, aus dem der Künstler schöpfte. Sie sind nach wie vor eine
Neuentdeckung. In ihrer spezifischen Art stehen sie der skizzenhaften
Malerei von Georg Dillis nahe.
Die leicht hingeschriebene Darstellung mit ihrem an die Franzosen
erinnernden Sinn für Atmosphärisches ist eine Rarität. Sie bewahrt die
spontane Handschrift und die persönliche Kunstauffassung des modernen Malers Heinrich Bürkel, der neben Carl Spitzweg und Eduard
Schleich d. Ä. in der Landschaftsmalerei in ganz eigenwilliger Manier
wegweisende Bildschöpfungen hervorbrachte.
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177 Johann Joachim Faber
1778 – Hamburg – 1846
Blick auf die Serpentara und Civitella. Um 1820
Bleistift auf Bütten (Wasserzeichen: Al Masso). 23,1 x 32,8 cm
(9 ⅛ x 12 ⅞ in.). Oben in der Mitte mit Bleistift bezeichnet:
Serpentara u: Civitella.
Vertikale Falte in der Mitte. [3034] Gerahmt.
€ 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Der Blick von Olevano über die Serpentara nach Civitella, das Ludwig
Richter als eine auf dem Berg thronende „Sphinx“ beschrieb, gehört
zu den am häufigsten dargestellten Ansichten in der ersten Jahrhunderthälfte. Die überwiegend aus Parallelschraffuren aufgebaute
Bleistiftskizze des Hamburgers Johann Joachim Faber zeigt dabei in
178 dem Nebeneinander von Konzentration auf das zeichnerisch verdichtete Motiv und dem freien, zum Rand offenen, gleichsam die Weite der
Landschaft suggerierenden Grund des Papiers ein für die deutsche
Zeichenkunst der ersten Jahrhunderthälfte charakteristisches Erscheinungsbild.
Fabers Zeichnung entstand erst während des zweiten Italienaufenthalts nach 1820, als er Olevano während der Sommermonate zusammen mit Heinrich Reinhold besuchte. Dort haben sie häufig nach
denselben Motiven gezeichnet und auch gegenseitig Kopien
angefertigt – so existiert von Reinhold eine Kopie auf Transparentpapier nach Fabers Zeichnung (ehemals Sammlung Friedrich August
von Sachsen). Von Faber selbst befindet sich eine nahezu übereinstimmende, von einem etwas weiter entfernten Standpunkt aufgenommene Ansicht mit dem Blick über die Serpentara nach Civitella
in Lübeck (Behnhaus Drägerhaus, Inv. Nr. AB 1235).
Peter Prange, München
Heinrich Reinhold
Gera 1788 – 1825 Rom
Italienische Landschaft im nördlichen Mittelitalien
mit Blick auf das Meer. 1820
Bleistift auf Bütten. 23 x 34,8 cm (9 x 13 ¾ in.). [3013] Ausstellung: Heinrich Reinhold (1788–1825). Italienische
Landschaften. Zeichnungen, Aquarelle, Ölskizzen, Gemälde.
Eine Ausstellung aus Anlaß seines 200. Geburtstages. Gera,
Kunstgalerie, 1988, Kat.-Nr. 203, mit ganzseitiger Abbildung
auf S. 287
€ 2.500 – 3.500
78
$ 2,690 – 3,770
Grisebach 06/2015
179 Georg Heinrich Crola
Dresden 1804 – 1879 Ilsenburg
Luftstudie. Um 1830
Öl und Bleistift auf Papier. 25,3 x 33 cm (10 x 13 in.).
Teilweise unleserlich mit Bleistift monogrammiert: ... G.C.
[3275]
Provenienz: Nachlaß des Künstlers € 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Die Wolken und ihr genaues Studium waren ein zentrales Thema
für die großen deutschen Meister der romantischen Innerlichkeit.
Hier drückte sich das aus, was Sebastian Kleinschmidt so präzise
und poetisch beschreibt: „Der Untenstehnde als Aufblickender.
Himmelsweite, unendliche Räume. Höhenzüge, auf denen nichts
geschieht. Ars combinatoria ohne Ziel und Absicht. Lichtbahnen,
dunkle Vorhänge. Leichtes, Schweres. Zarter Durchschein, Vagheit,
Fluidum. Sehnsucht ohne Verheißung. Stimmungsparallelen, atmosphärische Analogie.“ Von Carl Gustav Carus, selbst ein Wolkenstudienmaler von größter Duftigkeit, stammt aus der Entstehungszeit
von Crolas Studie dieser schöne Vergleich: „Wie ziehende Wolken
im steten Wandel begriffen, so die inneren Zustände des Menschen.
Alles, was in seiner Brust widerklingt, ein Erhellen und Verfinstern,
ein Entwickeln und Auflösen, ein Bilden und Zerstören, alles schwebt
in den Gebilden der Wolkenregionen vor unseren Sinnen.“
Grisebach 06/2015
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180 Wilhelm Klose
1830 – Karlsruhe – 1914
Landschaft bei Sykion westlich von Korinth
mit Stallhaus. Um 1867
Öl auf Papier. 24,8 x 37,2 cm (9 ¾ x 14 ⅝ in.).
Rückseitig eine Bleistiftvorzeichnung zu diesem Motiv.
[3191] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß des Künstlers (bis 1970 in Familienbesitz)
€ 1.500 – 2.000
181 $ 1,620 – 2,160
Wilhelm Klose
1830 – Karlsruhe – 1914
Säulen des Parthenon auf der Akropolis. Um 1867
Öl auf Papier, auf Karton aufgezogen.
29,4 x 22 cm (11 ⅝ x 8 ⅝ in.).
[3191] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß des Künstlers (bis 1970 in Familienbesitz)
€ 1.500 – 2.000
80
$ 1,620 – 2,160
Grisebach 06/2015
182 Dänisch, um 1840
Felsen am Meer mit Durchblick auf eine Stadt.
Öl auf Papier, auf Pappe aufgezogen. 26,6 x 34,7 cm
(10 ½ x 13 ⅝ in.). Rückseitig ein Etikett der BilderRahmen-Fabrik Hermann Wahl & Sohn, Berlin.
[3056] € 2.000 – 3.000
die Steine so sorgsam ausgeführt, dass sie auch im Großformat
bestehen würden. Dabei fasziniert gerade die kleine Form des
Bildes, die einen näher heranlockt, um in die Ferne zu führen.
Wie ein romantischer Sehnsuchtsort ist hinten eine Hafenstadt
mit Türmen und Kränen ins Abendlicht getupft, auf dem Wasser
schwebend. In dieser Zeit beschwört Eduard Mörike sein
Phantasieland Orplid. „Du bist Orplid, mein Land! / Das ferne
leuchtet; / Vom Meere dampfet dein besonnter Strand / Den
Nebel, so der Götter Wange feuchtet.“
$ 2,160 – 3,230
Der genaue Ort, an dem diese Ölstudie geschaffen wurde, ist
bislang unerkannt, ebenso der Künstler - aber das Bild selbst
vermag vieles zu erzählen: Von dem Maler, der das Sonnenlicht
schätzt, jedoch nicht geblendet werden will und nicht zu viel
direktes Licht auf seiner Malpappe gebrauchen kann und sich
sich deshalb in den Schatten einer Felswand zurückgezogen
hat. Ihn interessiert das abnehmende, abendliche Licht und
die Schatten, die es wirft, ihn fasziniert die Struktur der Steine,
der leuchtende Sand, die räumliche Staffelung, der blaue, zum
Horizont hin weißlich gedämpfte Himmel.
Was wir sehen, ist ein Versuch, eine erste Skizze – aber das Bild
wirkt nicht improvisiert, sondern ist souverän ausgeführt. Fast
ist das Wort Skizze unpassend, da es Unvollendetes impliziert.
Der unbekannte Maler hat hingegen bis zum Rand der Pappe
gearbeitet, hat jedes Blatt, jeden Zweig liebevoll gesetzt und
Das Bild erinnert in seiner kühlen Lichtregie und der klaren
Helligkeit an Werke des Goldenen Zeitalters der dänischer
Malerei. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägende
„Kopenhagener Schule“ hat die Freilichtmalerei früh gelehrt und
befürwortet, man setzte keine Phantasieländer, sondern geografisch bestimmbare Orte ins Bild, in einer ganz besonderen
Mischung aus Akribie und Poesie. Man kann unser Bild mit der
bräunlichen, aber leuchtenden Farbpalette eines Johan Thomas
Lundbye vergleichen oder mit den kleinformatigen Studien Niels
Emil Holms – letzterer hat nicht nur Norwegen, sondern auch
Sizilien bereist, wo er die im Osten der Insel gelegenen Küstenstädte Messina und Catania abbildete. Andere dänische Künstler, so Jørgen Roed, Constantin Hansen oder Wilhelm Marstrand,
haben sich auf Reisen in Neapel und Umgebung aufgehalten. In
diese süditalienische Sphäre ist man geneigt, die Studie zu verorten. Durch den Vergleich mit Skizzenbüchern der genannten
Künstler wird sie vielleicht auch eines Tages ihren bislang noch
im Schatten sitzenden Schöpfer preisgeben. (SIE)
Grisebach 06/2015
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183 August Seidel
1820 – München – 1904
Sandgrube bei Bad Reichenhall.
Öl auf Papier auf Pappe. 25,6 x 31,4 cm (10 ⅛ x 12 ⅜ in.).
Unten rechts monogrammiert: AS. Rückseitig mit Feder in
Schwarz beschriftet: August Seidl [!] Sandgrube Reichenhall.
[3394] € 2.000 – 3.000
184 $ 2,160 – 3,230
Josef Rebell
Wien 1787 – 1828 Dresden
Italienische Küstenlandschaft (Studie). Um 1815/20
Öl auf Pappe. 12,2 x 15,2 cm (4 ¾ x 6 in.).
Unten rechts signiert: J Rebell. Rückseitig mit Bleistift
beschriftet: J. Rebell. Retuschen. [3285] € 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Joseph Rebell ist als früher Meister der Ölstudienkunst bislang
nur wenigen bekannt. Dabei belegen die seltenen Beispiele, so
wie unsere furiose Miniatur, sein Können. Seine Signatur spricht
für die Bedeutung, die Rebell selbst seinen Studien beimaß.
82
Grisebach 06/2015
185 Friedrich Eugen Peipers
Stolberg 1805 – 1885 Frankfurt a.M.
„An der Heidetränke bei Oberursel“. 1856
Aquarell über Bleistift auf Velin. 32,2 x 46 cm (12 ⅝ x 18 ⅛ in.).
Unten rechts bezeichnet und datiert: an der Heidentränke[!]
bei OberUrsel 8/10.1856.
Zwei schwache Knickfalten, im Rand leicht fleckig. [3011] € 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Man denkt auf den ersten Blick, man hätte ein Aquarell von
Viktor Paul Mohn aus seiner italienischen Reise von 1866
vor sich – so ähnlich ist der schräge Bildaufbau und die Lust
am herbstlichen farblichen Detail.
Doch der Ort, die Heidetränke bei Oberursel, liegt im Taunus –
und der Schöpfer ist der hessische Maler Peipers, der während
seiner Lehrtätigkeit 1842-1860 als Zeichenlehrer am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt die Umgebung in Bleistiftzeichnungen und Aquarellen auf ausgedehnten Wanderungen
festhielt.
Grisebach 06/2015
83
186 Russisch, um 1870
Wolken über einem Gebirge.
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 10,8 x 18,5 cm
(4 ¼ x 7 ¼ in.). Unten rechts signiert: Dmitrieff.
Unten links unleserlich bezeichnet (in die nasse
Farbe gekratzt): 12-30 (?) ...
[3140] Gerahmt.
€ 800 – 1.200
187 $ 862 – 1,290
Es ist offenbar 12.30h und die Sonne steht so hoch am Himmel,
das es praktisch keine Schatten gibt. Bildgegenstand ist eine
Klippe oder Felsformation, die wie eine Mauer die Sicht auf den
Horizont versperrt. Während die Wiese in nur einem einzigen
Grünton skizziert ist, studierte der Maler den Lichteinfall auf
dem Gestein sehr genau. Eine Wolke scheint langsam über die
Klippe auf den Betrachter zuzurollen und sorgt für eine horizontale Dreiteilung des Bildes, das ihm eine große Modernität
verleiht. Unten links hat der Maler die Uhrzeit und den Ort
notiert – und unten rechts eventuell signiert. Dort liest man
„Dmitrieff“. Aufgrund von stilistischen Vergleichen könnte es
sich bei dem Schöpfer unserer Studie um den russischen
Jahrhundertwendemaler Nicolai Dmitrieff-Orenburgsky
(1837-1898) handeln. (MZ)
August Becker
Darmstadt 1821 – 1887 Düsseldorf
Amalienfelsen. Nach 1863
Öl auf Papier auf Karton aufgezogen.
23,5 x 35,8 cm (9 ¼ x 14 ⅛ in.).
[3191] € 900 – 1.200
84
$ 970 – 1,290
Grisebach 06/2015
188 Andreas Achenbach
Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf
Himmel, die lediglich von einem schemenhaft erkennbaren Menschenpaar und einem Segelschiff in der diesigen Weite bevölkert wird.
Mit großer Klarheit und malerischer Freiheit übersetzt Achenbach die
charakteristischen Elemente und die atmosphärische Stimmung der
nordischen Küstenlandschaft in ein subtiles Spiel aus Licht und Farbe.
An der Küste.
Öl auf Leinwand. 16,2 x 25,8 cm (6 ⅜ x 10 ⅛ in.).
Unten links monogrammiert (ligiert): AA.
[3215] Gerahmt.
€ 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Als „Herren über Land und Meer“ hatte Müller von Königswinter den
Künstler 1854 würdevoll betitelt. Vor Augen standen dem Kritiker
dabei vor allem Achenbachs oft stürmische Seelandschaften, seine
dramatischen Schiffbruch- und stimmungsvollen Hafenbilder, die den
Ruhm des Düsseldorfers begründeten. Vergleichsweise unspektakulär kommt unsere kleine Ölstudie daher. Es lässt sich bislang nicht
belegen, wo sie genau entstand. Die sinnende weibliche Rückenfigur
des Vordergrundes könnte Friesin, Belgierin, Holländerin oder auch
Skandinavierin sein. Wir stehen mit ihr zusammen auf einer Düne,
vor uns eine scheinbar unendliche Landschaft aus Sand, Meer und
Unsere kleine Arbeit stellt Achenbach als Maler qualitätvoller Freilichtstudien vor. Dem heutigen, an der Moderne geschulten Auge,
scheinen gerade diese freien Naturstudien in Öl ungeheuer nah.
Tatsächlich gehen wir mit Achenbach zurück zu den Anfängen dieser
Entwicklung in Deutschland. In Düsseldorf war Achenbach Schüler
Johann Wilhelm Schirmers, der hier in den 1830er Jahren eine lange
und äußerst fruchtbare Plain-Air-Tradition einführte. Auf seinen vielen
Reisen, die ihn schon früh nach Dänemark, Schweden und Norwegen,
später auch nach Holland, Italien und Frankreich führten, übte sich
Achenbach im unmittelbaren Umsetzten der Natureindrücke in Malerei – was er bald meisterlich beherrschte. Seine wertvollen Erkenntnisse flossen direkt in sein Werk ein, das im Spannungsfeld zwischen
romantischer und realistischer Landschaftsauffassung angesiedelt
ist. Noch bis zum 2. August 2015 würdigt Bettina Baumgärtel seine
besondere Rolle mit der Ausstellung „Das große A der Landschaftsmalerei. Andreas Achenbach zum 200. Geburtstag“ im Museum
Kunstpalast in Düsseldorf und im begleitenden Katalogband. (AA)
Grisebach 06/2015
85
189 Heinrich Karl Anton Mücke
Breslau 1806 – 1891 Düsseldorf
„Cap Circello – Porto d´Anzio“. Um 1833/34
Aquarell auf Papier (aus einem Skizzenbuch).
10,7 x 18,8 cm (4 ¼ x 7 ⅜ in.). Unten rechts mit
Bleistift bezeichnet: Cap Circello – Porto D‘Anzio.
190 Rückseitig: Felsenküste mit zwei Männern. Bleistift.
Minimal stockfleckig. [3034] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Galerie C. G. Boerner, Düsseldorf
€ 2.500 – 3.500
Deutsch, um 1830
Landschaftsstudie (Italien).
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen.
29 x 58 cm (11 ⅜ x 22 ⅞ in.).
Retuschen. Hinterlegter Einriß unten links. [3240] Gerahmt.
€ 2.500 – 3.500
86
$ 2,690 – 3,770
Grisebach 06/2015
$ 2,690 – 3,770
191 Albert Venus
1842 – Dresden – 1871
Studie aus Olevano. Um 1866
Öl auf Leinwand, auf Karton aufgezogen.
23,4 x 28,8 cm (9 ¼ x 11 ⅜ in.).
Mit einer Expertise von Prof. Dr. Hans Joachim Neidhardt,
Dresden, vom 24. März 2015. –
Retuschen. [3140] Gerahmt.
€ 3.500 – 4.500
$ 3,770 – 4,850
In den späten sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geht
die Kunst der Romantik zu Ende - und Albert Venus bildet einen
ganz besonderen Schlußpunkt. Noch einmal geht der Künstler
an die legendären Orte, die in den 1820ern durch die deutschen
Künstler erobert und in den 1840er Jahren durch die nächste
Generation neu gesehen und interpretiert wurden. Mit Böcklin und
Feuerbach hatte sich in Italien längst ein neuer starker Strang der
deutschen Kunst herausgebildet, der aus der Wiederbelebung der
Mythologie in den Symbolismus führen wird. Venus hingegen wagt
es, noch einmal im längst konventionellen Genre der Landschafts-
malerei eine neue Sichtweise zu etablieren. Er geht zusammen
mit Victor Paul Mohn und Carl Müller im Jahre 1866 noch einmal
an genau jene Orte, die durch die Italienbilder ihres gemeinsamen
Dresdner Lehrers Ludwig Richter aus der Zeit um 1823/25 legendär geworden sind. Vom 8. September bis zum 15. Oktober lebten
die drei Maler in der Casa Baldi in Olevano. Drei Jahre später, auf
der zweiten Italienreise von Venus, lebte er 1869 vom 14. Juni bis
zum 31. Juli in Olevano. In diesen heißen Sommertagen ist unsere
Studie entstanden, in dem für Venus so charakteristischen Kolorit
trockener Braun- und Grüntöne, seiner Vorliebe für gedehnte
Horizontlinien und Wolkenzüge. Auch spürt man, wie er auf dieser
Reise die Richtersche Prägung hinter sich lässt und in Anlehnung
an die atmosphärisch dichten Studien Oswald Achenbachs, die
ihn in Bann schlugen, ein eigenständiges singuläres Ölstudienwerk
schuf, das in sich noch das Wissen um die Romantik trägt, sich
davon aber abstößt, um zu neuen Ufern zu gelangen. Da Venus
schon zwei Jahre später der Lungenschwindsucht erliegt, also sich
einreiht in die Reihe von August Heinrich, von Fohr und so weiter
und einer der großen Frühvollendeten der deutschen Malerei des
neunzehnten Jahrhunderts ist, wissen wir nicht, was ihn und uns
am anderen Ufer erwartet hätte. (FI)
Grisebach 06/2015
87
192 Deutsch, um 1830
Blick auf Terracina.
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen.
22,5 x 32 cm (8 ⅞ x 12 ⅝ in.).
Kleine Retuschen. [3121] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Die alleinstehende Palme auf dem Weg nach Terracina – sie hat
die deutschen Künstler der ersten und zweiten Romantikergeneration in Italien in ihren Bann gezogen. Es gibt zahllose Zeichnungen und Ölstudien dieser Szenerie, die mit ihrem weiten
Ausblick aufs Meer all das beinhaltet, was in Goethes Wort vom
„Kennst Du das Land, in dem die Zitronen blühen“ beschworen
wird. Auf halbem Weg zwischen Rom und Neapel, hoch über
dem Meer gelegen, wurde Terracina zu einem der zentralen
Sehnsuchtsziele der deutschen Romantik (für die französischen
oder dänischen Künstler jener Zeit übrigens spielte der Ort
keine besondere Rolle).
Die Palme veränderte sich im Lauf der Zeit, in den frühen
1820ern steht sie noch mit einem einzigen Stamm stolz auf
ihrem Felsen, doch etwa um 1830 werden zwei Sprösslinge
links und rechts sichtbar, die bis etwa 1835 deutlich wachsen
– unsere Ölstudie ist aufgrunddessen auch präzise in diesem
Zeitraum zu verorten. Ungewöhnlich ist der Standpunkt, den
der Künstler wählt. Normalerweise wird von einer Situation
weiter links auf die Stadt geschaut, so daß die Palme eher mittig verortet wird – unser Künster aber rückt sie an den linken
äußeren Rand, wodurch er nicht nur einen präziseren Blick auf
Terracina selbst erhält, sondern auch auf eine Vordergrundgestaltung, wo man im Dunkel einen Weg, einen Brunnen und
einen Orangenbaum erkennen kann.
Die extreme Verdunklung der vorderen Partie ist ein weiteres
Charakteristikum für unseren Künstler – man kennt diese extremen Schattensetzungen aus der Zeit der frühen Italienreisen
selten, allein die ausgeführten Gemälde von Johann Heinrich
Faber nutzen immer wieder diesen Effekt, aber für Faber ist
unsere Studie zu satt gemalt und auch zu spät. Götzloff, Catel,
Reinhold, sie alle waren hier – aber natürlich auch alle anderen,
weniger bekannten Maler. Aufgrund der hohen Qualität, mit der
es dem Künstler gelingt, auf sehr kleinem Raum eine Studie von
besonderer Dichtheit und malerischer Raffinesse zu entwickeln,
darf man aber von einem Künstler der ersten Reihe ausgehen.
Rückseitig befindet sich eine alte Zuschreibung an Ernst Fries.
In seinem Nachlaßverzeichnis sind mehrere Studien mit der
Bezeichnung „Terracina“ versehen, wo Fries sich 1826 aufhielt,
und auch in seinen Gemälden und Ölstudien gibt es immer wieder diesen auffälligen Effekt der Verschattung des Vordergrundes (etwa bei „Park der Villa Chigi“, WVZ Wechssler Nr. 195
oder „Blaue Grotte“, Nr.499). Fries bleibt aber auch in seinen
Studien meist der Aquarellist, der die feinsten Tonabstufungen
liebt, während unser Werk seine Kraft bezieht aus dem sehr
malerischen Duktus. So muß die genaue Autorschaft zunächst
noch offen bleiben. (FI)
88
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
89
193N Deutsch, 1836
Blick auf Rom.
Aquarell und Deckfarbe über Bleistift auf Papier.
11,1 x 19,5 cm (4 ⅜ x 7 ⅝ in.). Unten links mit
Bleistift bezeichnet und datiert: Rom 27.9 36. (Palatin).
[3143] € 1.000 – 1.500
194 $ 1,080 – 1,620
Arthur Blaschnik
Strehlen/Schlesien 1823 – 1918 Berlin
Sonnenaufgang in Ariccia. Nach 1852
Feder in Schwarz, laviert, auf Papier. 14,2 x 21,9 cm
(5 ⅝ x 8 ⅝ in.). Unten links signiert und bezeichnet:
Blaschnik. Ariccia.
Rückseitig in den Ecken fest auf Papier montiert. [3242] € 400 – 600
90
$ 431 – 647
Grisebach 06/2015
195 Louis Gurlitt
Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen
Gebirgslandschaft mit See.
Öl auf Leinwand. Doubliert. 25 x 43,5 cm (9 ⅞ x 17 ⅛ in.).
Rückseitig auf der Leinwand mit Bleistift beschriftet: Hans Gurlitt.
Kleine Retuschen. [3034] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Besitz der Familie des Künstlers
(Hans Gurlitt)
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Auch wenn diese Arbeit möglicherweise im Atelier entstanden ist,
strahlt sie dennoch die Frische einer Naturstudie aus. Man blickt
vom dieseitigen eher ungestalteten Ufer eines Sees auf eine sich in
die Breite wie auch die Tiefe entfaltende Hochgebirgskette. Nicht
die warme italienische Sommersonne färbt diese Landschaft ein.
Es ist eher ein Frühlingstag mit erstem Grünbewachs des Ufers am
kühlen hellblauen Gebirgssee – vielleicht in der Schweiz, der
Genfer und der Comer See böten sich an. Vor allem Christian
Morgenstern und Carl und Leopold Rottmann prägten die Kunst
Louis Gurlitts: Morgenstern in der Naturwahrheit, wie sie in unserer
kleinen Gebirgslandschaft deutlich wird, Rottmann in den repräsentativen, großen Gemälden, wie dem „Blick in das Guadagna-Tal bei
Palermo“ (Los 205).
Grisebach 06/2015
91
196 Johann Wilhelm Schirmer
Jülich 1807 – 1863 Karlsruhe
Gebirgslandschaft im Abendlicht. 1834
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen.
18 x 28 cm (7 ⅛ x 11 in.). Unten rechts
monogrammiert und datiert: Sch. 1834.
Retuschen. [3285] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Von einem kaum verifizierbaren Standort nahe an einer Felsschlucht,
die den Bildvordergrund diagonal durchzieht, blickt der Künstler über
zerklüftete Felsen in eine weite Ebene hinein, die den Mittelgrund des
Bildes einnimmt. Links zieht sich ein Berghügel bis über die Mitte des
Blattes, am rechten Rand begrenzt ein schräg stehender Nadelbaum
den Blick des Betrachters. Die Gesteinsstudien sind nur kursorisch
ausgeführt, der Pinselstrich rasch und im Bereich der Vegetation
fast duftig zu nennen. Der Blick in die Ferne geht in ein weites Tal,
ein Flusslauf ist mit ganz wenigen blauen Farbtönen angedeutet. Im
Mittelgrund ist in der rechten Bildhälfte als weißer Strich ein heller
Turm erkennbar – vielleicht der Bergfried einer Burganlage, die hier
beherrschend über der Ebene errichtet wurde.
Die flüchtig gemalte und als Studienblatt konzipierte Ölskizze ist
vom Format her typisch für eine Freilichtstudie, zudem ohne jegliche
Staffage gemalt, rasch vor Ort ausgeführt in der charakteristisch
reduzierten Farbpalette der frühen Düsseldorfer Freilichtstudien.
Als Studienmaterial gedacht, reflektiert sie möglicherweise eine
Kompositionsidee, diente als Material oder als Fundus für ein später
auszuführendes Landschaftsbild.
Schirmer unternahm im Herbst 1834 eine längere Studienreise, die
ihn von Düsseldorf über Köln in die Eifel, den Hunsrück, bis an die
Nahe und weiter nach Frankfurt und Darmstadt führte. Bislang ist
92
der Reiseverlauf nur rudimentär zu erschließen: Im Clemens-Sels
Museum in Neuss sind einzelne Etappen anhand der dort vorhandenen Skizzenblätter nachzuvollziehen. So besuchte er nach jetzigem
Wissenstand nur die linke, preußische Rheinprovinz, zeichnete in
Bacharach, Oberwesel oder blickte nach St. Goarshausen und damit
ins Nassauische rüber. Sicherlich wird er hier auch das nördlich von
Bingen gelegene Morgenbachtal besucht haben, dass nach Carl
Friedrich Lessings Entdeckung eines der wichtigen Studienmotive
der Düsseldorfer Malerschule wurde. Die Felsformationen unserer
Studie erscheinen jedoch weicher als die kantigen Felsblöcke des
Morgenbachtales, die Studie muss wohl in einer anderen Landschaft
lokalisiert werden. Vom Rhein aus wanderte er weiter über den Hunsrück bis nach Idar-Oberstein. Nach Schirmers frühem Biograph Kurt
Zimmermann (1920) besuchte er auf dieser Studienreise ebenfalls
Frankfurt und Darmstadt und kehrte erst im November 1834 wieder
nach Düsseldorf zurück.
Die Gesamtperspektive der vorliegenden Studie legt vom Landschaftsausschnitt eher eine Lokalisierung in die Rheinebene südlich
von Frankfurt nahe, vermutlich wanderte er von Darmstadt hinauf
zur Bergstraße und blickte von den Höhen zurück in die westlich
liegende Rheinebene und zu den ferneren – hier nur schwach im
Dunst zu erkennenden – sanften Hügel des Rheingaus. Die weicheren
Felsformationen des Vordergrundes sind eher im Bereich der Bergstraße zu lokalisieren, auch entspricht die warme Abendstimmung der
Landschaft der Blickrichtung nach Westen.
Ein Jahr später, im Sommer 1835, war Schirmer erneut an der Bergstraße, traf in Darmstadt seinen Kollegen Johann Heinrich Schilbach,
mit dem er gemeinsam Heidelberg besuchte. Die vorliegende Studie
kann als Auftakt verstanden werden, als topografische Erinnerungsskizze, gleichzeitig aber auch durch die besondere Lichtregie, die
sich von den kühleren Farben der in den 1830er Jahren entstandenen Düsseldorfer Naturstudien abhebt, als ein noch der Romantik
verpflichtetes Freilichtexperiment.
Irene Haberland, Bonn
Grisebach 06/2015
197 Deutsch, um 1825/35 (CW ?)
In der Campagna.
Aquarell auf leichtem Karton. 20,2 x 31,7 cm (8 x 12 ½ in.).
Unten rechts schwer lesbar mit Feder in Schwarz
monogrammiert und bezeichnet: CW[?]. Ltz.
Etwas gebräunt. [3221] € 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Wir danken Dr. Petra Kuhlmann-Hodick, Dresden,
Dr. Matthias Lehmann, Konz, und Prof. Dr. Moritz Wullen,
Berlin, für freundliche Hinweise.
Das Monogramm auf diesem außerordentlich stimmungsvollem
Aquarell deutet darauf hin, daß es sich um ein Werk von Carl
Wagner handeln könnte. Wagner reiste 1823 gemeinsam mit
Ludwig Richter zeichnend und aquarellierend durch Italien und
es hat sich ein ähnliches Monogramm auf dem Aquarell „Nebelstimmung im Apenin“ (Karl & Faber Auktion 2005, Los 468) erhalten. Der für Wagner charakteristische Lilaton, der sich auch
auf unserem Aquarell findet, wird von Richter auf der Rückseite
einer Zeichnung festgehalten, die er 1823 in Italien beschrieb,
als er Schulter an Schulter mit Wagner saß, und die sich fast
wie eine Bildbeschreibung unserer Arbeit liest: „Nachmittag.
Ferne sehr zart. Schatten in den Bergen ultra Marin, abends
violett, Lichter rosenfarben und warm. Campagna bräunlich
und grün mit violetten und strohgelben Streifen. Carl Wagner
aus Meiningen, gen. Timotheus“. Der Zusatz „Ltz.“ hinter dem
Monogramm, der von der Hand des Künstlers zu sein scheint,
konnte bislang nicht entschlüsselt werden. Moritz Wullen hat
anschaulich beschrieben, wie sich Wagners Kunst durch den
engen Austausch mir Richter auf dieser Reise dessen Zeichenweise und Kunstanschauung angeglichen hat.
Stilistisch würde man unsere Arbeit eher in den 1830er/
1840er Jahren verorten. Damit kommt ein zweiter Künstler
ins Spiel, der mit „CW“ monogrammiert hat – Carl Werner
(1808-1894). Werner lebte von 1832 bis 1855 in Italien
und hatte in Venedig ein Meisteratelier für Aquarellmalerei,
wo Ludwig Passini zu seinen Schülern zählte. In zahlreichen
Aquarellen von Werner findet sich eine ähnliche Verbindung
aus klassischem Bildaufbau und intensiver Farbigkeit wie auf
unserem Blatt.
Grisebach 06/2015
93
198 Carl Wilhelm Götzloff
Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel
Der Tempel der Diana am Golf von Pozzuoli.
Bleistift, mit Deckweiß gehöht, auf braunem Velin
(Wasserzeichen: DE GANS). 27,8 x 44,4 cm (11 x 17 ½ in.).
Unten links signiert: C Götzlof[!].
Leicht fleckig. Kleine Randmängel. [3121] Gerahmt.
Ausstellung: Carl Wilhelm Götzloff (1799–1866).
Ein Dresdner Landschaftsmaler am Golf von Neapel.
Koblenz, Mittelrhein-Museum, 2014 (außer Katalog)
€ 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
199N Carl Wilhelm Götzloff
Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel
Blick auf Rom. 1821/1824
Feder in Grau, mit Deckweiß gehöht, auf braunem Papier.
34,4 x 44 cm (13 ½ x 17 ⅜ in.).
[3196] Gerahmt.
€ 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
94
Grisebach 06/2015
200 Carl Wilhelm Götzloff
Dresden-Neustadt 1799 – 1866 Neapel
Zwei Italienerinnen.
Pinsel in Braun über Bleistift auf Papier. 21,7 x 16,3 cm
(8 ½ x 6 ⅜ in.). Rechts unten signiert: C Götzloff.
[3091] Gerahmt.
€ 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Wir danken Dr. Markus Bertsch, Hamburg, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Grisebach 06/2015
95
201
Friedrich Preller d. Ä.
Eisenach 1804 – 1878 Weimar
Flußlandschaft. Um 1830
Bleistift und Pinsel in Braun auf Papier (Wasserzeichen:
JWHA[TMAN]). 9,6 x 15,6 cm (3 ¾ x 6 ⅛ in.). Unten links
mit Bleistift monogrammiert (das „F“ spiegelbildlich) und
unleserlich mit Feder in Braun beschriftet: FP [...].
Etwas gebräunt. [3288] Gerahmt.
€ 600 – 800
202 $ 647 – 862
Friedrich Christian Reinermann
Wetzlar 1764 – 1835 Frankfurt a.M.
Die Wasserfälle von Tivoli. 1795
Pinsel in Braun über Bleistift, weiß gehöht, auf Papier.
52,7 x 73,1 cm (20 ¾ x 28 ¾ in.). Unten rechts mit Feder
in Schwarz signiert und datiert: F. Reinermann 1795.
[3121] Gerahmt.
€ 1.000 – 1.500
Dies ist eine seltene und höchst interessante Arbeit des kaum
erforschten Frankfurter Künstlers Friedrich Christian Reinermann.
Obgleich das Blatt in gewisser Weise unfertig wirkt, ist es signiert
und 1795 datiert. Zu dieser Zeit arbeitete der Künstler in dem
florierenden Atelier von Christian von Mechel in Basel. TivoliAnsichten waren zu der Zeit außerordentlich gefragt, wurden von
vielen Künstlern dargestellt und nicht selten im Mechelschen Verlag
reproduziert. Vorlagen für ein eigenes Werk zu finden, dürfte hier
für Reinermann kein Problem gewesen sein. Mehr zum Verständnis
der „unfertig“ wirkenden Arbeit bringt jedoch der Hinweis auf den
Aufenthalt Reinermanns in Rom in den Jahren 1789-1793 im Kreis
von Louis Ducros.
Die bildliche Darstellung bewegter Wassermassen stellt für Landschaftmaler seit jeher eine besondere Herausforderung dar. Erst
Recht gilt dies für die Sepiazeichnung, bei der der Künstler allein
$ 1,080 – 1,620
mit der Abtönung eines einzigen Farbtons auskommen muss. Den
Wasserfall allein durch sehr zarte, kaum sichtbare Bleistiftmarkierungen sowie stark verflüssigtes Deckweiß darzustellen - sie lassen den
Betrachter die Gischt erzeugenden, über die Felswand herabstürzenden Wassermassen assoziieren, - ist eine Möglichkeit dieses gestalterische Problem zu lösen, auch dies findet sich bei Ducros. Zudem
wissen wir, dass Ducros seine Figuren nicht nur als letzten Akt des
Arbeitsprozesses ausgeführt hat – auf manchen voll ausgeführten
Landschaftsaquarellen sind sie noch heute als schlichte weiße
Flecken zu sehen – sondern dass er sie meist von Mitarbeitern hat
ausführen lassen. Auch diese Praxis könnte vorbildlich für die nur
mit Bleistift zart umschriebene Figur der Nymphe in der rechten unteren Bildecke unserer Zeichnung gewesen sein. Thematisch passt
sie in jedem Fall, scheint sich so diese Figur wie eine kurzfristige
Erscheinung im Wasserdunst zu verflüchtigen. (SW)
203 Deutsch, 1853
Küstenlandschaft bei Ariccia. 1853
Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen. 36,2 x 53,5 cm
(14 ¼ x 21 ⅛ in.). Unten links bezeichnet,
monogrammiert und datiert: Ariccia C. M. Oct. 53.
[3012] Gerahmt.
€ 5.000 – 7.000
96
Grisebach 06/2015
$ 5,390 – 7,540
204 Albert Zimmermann
Zittau 1808 – 1888 München
Ansicht von Sorrent. Um 1850
Öl auf Holz. 36,7 x 57,9 cm (14 ½ x 22 ¾ in.).
Unten links signiert: Albert Zimmermann.
Retuschen. [3244] Gerahmt.
€ 7.000 – 9.000
$ 7,540 – 9,700
Albert Zimmermanns italienische Landschaften waren zu seinen
Lebzeiten sehr begehrt. Es gelang ihm, der südlichen Landschaft
in seiner genauen, aber doch zugleich sehr feierlichen Malweise
etwas Poetisch-Heroisches zu verleihen. In seiner Kunst verschmelzen die Einflüsse der Münchner und der Dresdner Akademie, wo er studierte, zu einer so besonderen Malerei, daß er von
1857-1859 sogar Professor an der Mailänder Akademie wurde. In
seinem Bild von Italien konnten sich also sowohl die Deutschen als
auch die Italiener wiederfinden.
Grisebach 06/2015
97
205 Louis Gurlitt
Altona 1812 – 1897 Naundorf/Sachsen
Ansicht des Guadagna-Tals bei Palermo. 1854
Öl auf Leinwand. 86,5 x 125,5 cm (34 x 49 ⅜ in.).
Unten rechts signiert und datiert: LGurlitt [„LG“ ligiert] 54.
Zwei fachmännisch restaurierte Einrisse am rechten Rand.
Kleine Retuschen. [3072] Gerahmt.
Provenienz: Ehemaliger Adelsbesitz, Dänemark
Ausstellung: Charlottenborg-Udstilling. Kopenhagen,
Det Kongelige Danske Kunstakademi, 1854
Literatur und Abbildung: Giacomina R. Croazzo: La Torre dei Diavoli
di Palermo nell’ opera del vedutista Louis Gurlitt. Una cronistoria fra
Otto e Novecento del palazzetto oggi scomparso appartenuto alla
famiglia dei Chiaramonte. In: Incontri. La Sicilia e l’altrove, N. F., Jg. II,
Nr. 6, Jan.-März 2014, S. 59-61, hier S. 59, Farbabbildung 1
€ 30.000 – 40.000
$ 32,300 – 43,100
Wir danken Dr. Sibylle Kreisel und Dr. Elio Miccichè für die
Identifizierung der Topographie.
Gurlitt war während seines Romaufenthalts 1845/6 quasi eine
öffentliche Person. Sein Atelier in der Via St. Angelo Custode war
eine beliebte Anlaufstelle für Künstler und Romreisende. Als im
Frühjahr 1846 der sächsische Baron Ferdinand von Ritzenberg
erstmals bei ihm aufschlug, mochte der Künstler wohl dennoch
kaum ahnen, wie folgenreich diese Begegnung für ihn sein würde.
Nicht nur, dass (auch) der Baron zwei seiner Bilder direkt von
der Staffelei „weg“ kaufte. Es entwickelnde sich schnell eine
enge Freundschaft – und eine gemeinsame Lieblingsidee: das
Ritzenberg’sche Schloss Nischwitz nahe Leipzig sollte mit einem
Zyklus italienischer Landschaften ausgeschmückt werden, einer
„Galleria Gurlittiana“, wie der Künstler nicht ohne Stolz seinen
Eltern in die Heimat berichtete.
Spätestens seit seinen Münchener Tagen war Gurlitt großer
Bewunderer von Carl Rottmanns in den Hofgartenarkaden ausgestelltem Freskenzyklus italienischer Landschaften. Er selbst hatte
um 1840 eine Serie dänischer Landschaften gemalt. Ein eigener
Zyklus italienischer Gegenden würde den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn darstellen. So wie Rottmann wollte auch Gurlitt
seine „Galleria“ mit einer Ansicht aus Sizilien würdevoll abschließen,
denn: „Die Natur übertrifft dort alles an Schönheit“.
Anfang August 1846 erreichte Gurlitt Palermo. Drei Wochen blieb
er auf der Insel und nahm die Stadt mit ihrer charakteristische
Umgebung von vier Standpunkten aus auf: vom ehemaligen
Kloster St. Maria di Gesu, von der normannischen Festung Zisa,
von Bagheria und aus dem Tal der Guadana, also unserem Motiv.
Zurück in der Heimat überführte Gurlitt, im Winter 1846/7, eine
Ansicht aus dem Guadanatal für den Baron ins große Format
(heute im Museum der Bildenden Künste in Leipzig). Schon als
halb fertiges Bild hatte er sie Friedrich Wilhelm IV. zu seiner
Empfehlung gezeigt. Der Idee einer „Galleria Gurlittiana“ jedoch
wurde ein frühes Ende gesetzt. 1848 starb Mäzen von Ritzenberg
und damit Gurlitts „begeisterte Tätigkeit an den großen Bildern“.
Es vergingen fünf Jahre – vielleicht aus Pietätsgründen seinem
Freund und Gönner gegenüber – bis Gurlitt auf der Charlottenborg
Ausstellung in Kopenhagen, wo er seine alte Akademie und das
98
dänische Königspaar besuchte, erneut eine „Landschaft aus der
Gegend von Palermo“ präsentierte. Dieses Bild, das damals in
dänischen Adelsbesitz ging, ist mit größter Wahrscheinlichkeit
unser Bild.
Das Landschaftsgemälde zeigt Palermo und Umgebung aus dem
Guadanatal heraus, sprich aus der Fernsicht. Es ist in klassischer
Diagonalkomposition angelegt. Der breite Vordergrund, der
fast die Hälfte des Bildes einnimmt, liegt im Schatten. Ein Weg
Grisebach 06/2015
schlängelt sich durch die erdige und steinige sizilianische Gegend
mit dem für die Mittelmeerinsel charakteristischen Strauch- und
Baumbewuchs, der als Silhouette bis in den Abendhimmel hineinragt. Die gekonnt eingesetzte Lichtführung läßt unseren Blick aus
dem Schatten des Vordergrundes über das Hafenbecken La Cala
hinüber zu dem in der goldenen Abendsonne friedlich beschienenen Ufer wandern. Wir erblicken den effektvoll beschienenen
Palazzo Chiaramonte, mittelalterlicher Landsitz einer bedeutenden italienischen Adelsfamilie, und besteigen die majestätisch
ruhende Gebirgskette. Schon 1846 veröffentlichte Adolf Stahr ein
Essay über „Louis Gurlitt und die moderne Landschaftskunst“. Er
fand poetische Umschreibungen für die hohe Qualität der Malerei
seines Freundes: etwa den „wundersamen Zauber des Lichts im
Dunkel des Schattens“, der Gurlitts Vordergründe umwebt – und
der auch unser Bild auszeichnet: „So nähert sich Gurlitts Landschaft oft völlig dem Portrait“. Ein solches, typisch Gurlitt’sches
Landschaftsportrait einer der schönsten Gegenden Italiens stellt
auch unser Kunstwerk dar. (AA)
Grisebach 06/2015
99
206
Woldemar Rau
1827 – Dresden – 1889
Fachwerkhaus. Um 1873
Aquarell über Bleistift auf leichtem, genarbtem Karton.
24,8 x 35,3 cm (9 ¾ x 13 ⅞ in.). Rückseitig unten rechts
wohl von fremder Hand mit Bleistift datiert: Um 1873.
[3339] Provenienz: Privatsammlung, Brandenburg (um 1980
in der Kunstausstellung Kühl, Dresden, erworben)
€ 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Karl Joseph Friedrich hat in seinem Standardwerk über „Ludwig
Richter und sein Schülerkreis“ im Jahre 1956 vor allem Werke wie
unsere Arbeit im Schaffen Raus gerühmt: „Seine Aquarelle, oft von
hoher Schönheit, waren sehr geschätzt.“ Im Jahre 1866 war Rau
gemeinsam mit den Richter-Schülern und begnadeten Aquarellisten Victor Paul Mohn und Albert Venus in Italien unterwegs. Auch
Raus Blatt ist ein Beispiel dafür, daß die Dresdner Spätromantik
vor allem in der Aquarelltechnik ihre größten Stärken entfaltete.
207 Julius von Leypold
Dresden 1806 – 1874 Niederlößnitz
Blick in einen Burghof.
Aquarell auf Papier, auf Karton aufgezogen. 29,2 x 22,9 cm
(38 x 30 cm) (11 ½ x 9 in. (15 x 11 ¾ in.)).
Unten rechts mit Feder in Braun signiert: Leypold.
Gebräunt und leicht stockfleckig. [3245] € 800 – 1.000
100
Grisebach 06/2015
$ 862 – 1,080
208 schen Malerei unverfälscht in ihrer ursprünglichsten Form wiedergibt.
Die glutrote Sonne, deren Licht sich auf der Wasseroberfläche
spiegelt, der Dreimaster mit gesetzten Segeln und die Rückenfigur
im Vordergrund, die einsam das Geschehen betrachtet, stellen
das Gemälde in eine direkte Linie mit den programmatischen Bildern
Caspar David Friedrichs, der fünf Jahre zuvor verstorben war.
August Wilhelm Ferdinand Schirmer
Berlin 1802 – 1866 Nyon
Bucht mit auslaufendem Segelschiff
bei Sonnenuntergang. 1845
Öl auf Leinwand. Doubliert. 28,5 x 41 cm (11 ¼ x 16 ⅛ in.).
Unten rechts [vom Künstler ?] signiert, datiert und
bezeichnet: F. W. Schirmer 1845 No. 23.
[3047] Gerahmt.
€ 35.000 – 45.000
$ 37,700 – 48,500
Wir danken Gerd Bartoschek, Potsdam, für die
Bestätigung der Authentizität des Gemäldes.
Als einer der Maler des preußischen Kronprinzen und späteren Königs
Friedrich Wilhelm IV. war August Wilhelm Ferdinand Schirmer eine
ungewöhnliche Erscheinung. Zwar fertigte er auch Porträts und Veduten an, seine große Stärke lag jedoch in der Landschaftsmalerei. Aus
diesem Grund unternahm Schirmer (nicht zu verwechseln mit seinem
in Jülich geborenen Namensvettern Johann Wilhelm Schirmer, einem
der Gründer der Düsseldorfer Malerschule) auch mehrere Reisen nach
Italien. 1827 brach er zum ersten Mal im Auftrag des Kronprinzen gen
Süden auf und blieb drei Jahre.
In dieser Zeit entwickelte Schirmer seine Palette suggestiv leuchtender Farben, die er sein Leben lang beibehalten sollte. Unser Gemälde
von 1845 ist dafür ein besonders schönes Beispiel. Bemerkenswert
ist, daß es – für Schirmer eher untypisch – die Merkmale der romanti-
Motivisch deutet alles auf Abschied und Tod hin. Folgt man Helmut
Börsch-Supan, so repräsentiert das auslaufende Schiff entweder das
„Lebensschiff des Einzelnen“ oder ein Todessymbol. Der Sonnenuntergang weist ebenfalls auf das sich dem Ende zuneigende Leben
respektive, so Friedrichs in den Quellen belegte eigene Deutung,
„das Ende des alten Bundes“. Das gleiche gilt für die Rückenfigur
des rastenden Wanderers, die wir hier bei Schirmer in der Abwandlung als stehende Figur im Ruderboot im Vordergrund sehen - auch
sie symbolisiert laut Börsch-Supan „Vergegenwärtigung des Jenseits
oder Weg zum Tod“ (Börsch-Supan 1973, S. 224ff). Und doch geht
von dem Gemälde Wilhelm Schirmers eine ganz andere, mehr lebensbejahende Wirkung aus, als von jenen Caspar David Friedrichs mit
ähnlichen Motiven.
Das liegt neben der malerischen Leichtigkeit und Virtuosität in der
Ausführung vor allem an der intensiven, glimmenden Farbigkeit des
Lichts des Südens. Sie war Schirmer während der Arbeit an der Bucht
offenkundig so stark präsent, dass selbst die Felsen im Vordergrund
eigentümlich belebt erscheinen. Zum Zeitpunkt der Entstehung
des Gemäldes war Schirmer bereits seit sechs Jahren als Nachfolger
Carl Blechens Professor an der Berliner Akademie, ein Maler auf
dem Höhepunkt seines Erfolges. Dies hat sicher dazu beigetragen,
dass dieses Bild eine überwältigende Kraft und Energie ausstrahlt.
(UC)
Grisebach 06/2015
101
209
Anton von Werner
Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin
Im Schwarzwald. 1868
Öl auf Malpappe. 31,8 x 37,7 cm (12 ½ x 14 ⅞ in.).
Unten links monogrammiert und datiert: AvW 1868.
[3459] Gerahmt.
€ 1.500 – 2.000
210 $ 1,620 – 2,160
Valentin Ruths
1825 – Hamburg – 1905
Pflanzenstudie. 1871 (?)
Öl auf Karton. 36,2 x 53,4 cm (14 ¼ x 21 in.).
Unten rechts der Stempel in Rot (nicht bei Lugt):
Valentin Ruths Nachlass. [3047] Gerahmt.
€ 1.200 – 1.500
102
$ 1,290 – 1,620
Grisebach 06/2015
211 Edmund KanoldT (zugeschrieben)
Großrudestedt b. Weimar 1845 – 1904 Bad Nauheim
Die Reste der Villa des Cassius in Tivoli. 1880
Öl auf Holz. 60 x 30,3 cm (23 ⅝ x 11 ⅞ in.).
Unten links bezeichnet und datiert:
Villa d. Cassius. Tivoli. Oct. 80.
Nicht bei Müller-Scherf. –
[3056] € 1.800 – 2.400
$ 1,940 – 2,590
Die Villa des Cassius in Tivoli weckt Assoziationen an die
Hochkultur der Antike. Doch nichts davon ist hier zu sehen.
Ganz im Gegenteil. Im Bildzentrum ist ein schmales schwarzes
Loch, ein uneinsehbarer Schlitz, in einer schroffen, abweisenden, einsam-erdigen Gesteinswand, die sich in einem dynamischen Schwung durch das mittlere Bilddrittel zieht. Aus der
Untersicht, quasi der Sicht des Archäologen, nur in die andere
Richtung, bleiben wir jedoch an der Grasnarbe hängen, die die
steinig erdige Wand bekrönt. Uns kommen Baumwurzeln der
alten Olivenbäume entgegen, sie rahmen das rätselhafte
schmale Loch wie Hüter einen geheimen Eingang (sind wir jetzt
doch in der Antike, bei Cerberos, dem 3köpfigen am Eingang
in den Hades?). Sowohl in der Motivwahl wie der Malweise
erinnert unsere virtuos mit den Zeit- und Erdebenen spielende
Ölstudie sehr stark an Werke von Edmund Kanoldt.
Grisebach 06/2015
103
212 Thomas Christopher Hofland
Worksop 1777 – 1843 Leamington Spa
1840 reiste der englische Künstler Thomas Christopher Hofland
im Auftrag von George Wyndham, dem späteren Lord Leconfield
(1767–1869), nach Italien und malte Studien für eine Folge von
Landschaften, die als Schmuck für den Wohnsitz Petworth House
gedacht waren. Unser Bild ist die vor Ort entstandene Studie zu
dem großformatigen Gemälde „Castellamare. Taken from the
new road leading to Sorrento“ (133,5 x 185,5 cm), das 1842
auf der Ausstellung der Royal Academy of Arts in London unter
der Katalognummer 948 gezeigt wurde.
Blick auf Castellamare (Studie). 1840
Öl auf Holz. 25,3 x 34,5 cm (10 x 13 ⅝ in.).
Retuschen. [3013] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
213 $ 3,230 – 4,310
Gustav Friedrich Papperitz
1813 – Dresden – 1861
Italienische Landschaft mit Badenden. 1847
Aquarell auf Papier. 20,9 x 30,7 cm (8 ¼ x 12 ⅛ in.).
Unten rechts signiert und datiert: G. F. Papperitz 1847.
Das Aquarell wird aufgenommen in das Verzeichnis der Werke
von Gustav Friedrich Papperitz von Matthias Lehmann, Konz. –
[3123] € 800 – 1.200
104
$ 862 – 1,290
Grisebach 06/2015
214 Ferdinand Bellermann
Erfurt 1814 – 1889 Berlin
Abend unter den Pinien (Villa Doria Pamphili). 1855
Öl auf Leinwand. 54 x 39,5 cm (21 ¼ x 15 ½ in.).
Unten links signiert und datiert: Ferdinand Bellermann. 1855.
Auf dem Keilrahmen unten zwei Inv.-Zettel aus dem Kaiser
Friedrich Palais, Berlin. [3131] Gerahmt.
Ausstellung: Verzeichniß der Werke lebender Künstler (...).
XLIII. Kunstausstellung. Berlin, Königliche Akademie der
Künste, 1862, Kat.-Nr. 41 / Ferdinand Bellermann.
Ein Maler aus dem Kreis um Humboldt. Erfurt, Angermuseum,
2014/15, Kat.-Nr. 7, ganzseitige Farbabbildung 115
Literatur und Abbildung: N. N.: Die akademische
Kunstausstellung. II. Malerei [...]. In: Die Dioskuren,
Bd. 7, Nr. 49, 7.12.1862, S. 384-386, hier S. 386 (?)
€ 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900
Dass es sich bei diesem Bildmotiv um die von Romreisenden vielfach
beschriebenen majestätischen Schirmpinien im Park der Villa Doria
Pamphili handelt, lässt sich durch Briefe, eine zeitgenössische Ausstellungsrezension und den Vergleich mit dem bis heute existierenden
Pinienhain in diesem größten gestalteten Landschaftspark Roms
nachweisen. Während seiner ersten Italienreise berichtete Bellermann
seiner Frau in Berlin begeistert von intensiven Zeichenstudien nahe
der Villa Doria Pamphili „welche einen herrlichen Park mit wundervollen
Pinien besitzt“ (Briefe vom 8. u. 12.11.1853). Als Landschaftsmaler
mit ausgeprägtem Sinn für die Schönheit von Bäumen bringt Bellermann die besondere Gestalt und Farbigkeit der Schirmpinien in einer
kontrastreichen, stimmungsvollen Lichtsituation zur Anschauung und
knüpft damit an das Vorbild seines Lehrers August Wilhelm Schirmer
an. Die tiefstehende Abendsonne modelliert die Baumkronen plastisch und lässt sie in einem goldroten, vom starken Blau des Himmels
komplementär gesteigerten Farbton aufleuchten, während der untere
Teil mit einigen Rehen zu Füßen der Bäume in ein schattiges Halbdunkel getaucht ist. Nur ein ungewöhnlich helles Reh hebt sich dort ab
und bildet einen wichtigen kompositorischen Akzent.
Thomas von Taschitzki, Erfurt
Grisebach 06/2015
105
215N Wilhelm Klose
1830 – Karlsruhe – 1914
Monte Soratte. 1863
Öl auf Leinwand. Doubliert.
75 x 111 cm (29 ½ x 43 ¾ in.). Unten links
datiert und monogrammiert (ligiert): 18 WK. 63.
Kleine Retuschen. [3143] € 8.000 – 12.000
106
$ 8,620 – 12,900
Sehr wenig ist bis heute bekannt von dem Karlsruher Maler
Wilhelm Klose – in diesem Katalog können wir neben diesem
großen Gemälde des Monte Soracte zwei seiner seltenen
Ölstudien präsentieren (Losnummer 180 und 181). Sie stellen
unter Beweis, daß Klose einen besonders flächigen Stil kultivierte, der zudem mit einer eigentümlich verdunkelten Palette
einherging, die seinen südlichen Landschaften etwas Überraschendes und Modernes verleihen. Diesem Bild des Monte
Soracte des 33jährigen Künstlers spürt man die Lehrzeit bei
Carl Rottmann an – souverän wird hier die Landschaft komponiert und die Lichtregie setzt subtile Akzente.
Grisebach 06/2015
216 Carl Rottmann
Handschuhsheim b. Heidelberg 1797 – 1850 München
„Landschaft mit Staufen bei Reichenhall“. Um 1838/42
Öl auf Leinwand. Doubliert. 96 x 136,5 cm (37 ¾ x 53 ¾ in.).
Nicht bei Bierhaus-Rödiger. – Mit einer Bestätigung (in Kopie)
von Prof. Dr. Erika Rödiger-Diruf, Karlsruhe, vom 20. September
2013. – [3270] € 35.000 – 45.000
$ 37,700 – 48,500
Gezeigt ist von einem erhöhten Standort der Weitblick über ein Flusstal, wohl die Saalach, auf das markante Gebirgsmassiv des Staufen zur
Linken und eine Stadt zur Rechten, die von einem Felsberg überhöht
wird, den seinerseits ein Gebäudekomplex bekrönt. Man ist an
Salzburg erinnert, was zu der Annahme führt, dass der Künstler einen
fiktiven Standpunkt auf dem südöstlich von Reichenhall gelegenen
Untersberg eingenommen hat, von wo aus er diese den Staufen und
Salzburg vereinende Ansicht erdacht hat.
Die Komposition weist keine rahmenden Elemente auf. Unter Augenhöhe erstreckt sich im unteren Bilddrittel eine breite Senke, die links
mehre Baumgruppen aufweist und rechts der Mitte durch ein Felsplateau mit schroffen Abstürzen belebt wird. Zu dessen Füßen steht links
ein einfaches Holzhaus mit Verschlag an einem Tümpel und schlängelt
sich rechts zwischen Felsbrocken ein Gewässer in Richtung auf einen
Wald, der - undetailliert gemalt - die zum Rand hin leicht ansteigende
Senke bedeckt. Wenige Menschen beleben die Szenerie, – rechts
neben dem Gewässer ein Mann mit zwei Hunden, links eine Bäuerin
mit einem Kind und einem Korb auf dem Kopf.
Der Mittelgrund zieht sich als weite helle Ebene in die Tiefe, wo, wie
eingangs erwähnt, der Staufen und die Stadt markante Fixpunkte
bilden. Hinter diesen Erhebungen sind im Dunst ferne Bergrücken
vage erkennbar. Ein hoher blauer Himmel, auf dem eine gekurvte
Wolkenformation einen bestimmenden Akzent setzt, überspannt
die Landschaft.
Die Zuschreibung an Carl Rottmann ergibt sich sowohl aus dem
Bildaufbau, als auch aus dem Malstil. Schon 1833 hatte Rottmann
den Staufen bei Reichenhall zum Thema gewählt. Das vorliegende
Gemälde dürfte einige Jahre später, also in der Zeit um 1838 -1842,
entstanden sein. Die panoramaartige Komposition, aber auch manche
Details wie die Baumgruppen, das Gewässer im Vordergrund oder die
Wolkenformation deuten darauf hin, dass das Gemälde parallel zum
Griechenlandzyklus, den Rottmann ab 1838 bearbeitete, entstanden
ist. In dieser Zeit experimentierte Rottmann auch in maltechnischer
Hinsicht, vor allem mit der Enkaustik, einer Wachsmaltechnik.
Insgesamt ist das Gemälde deshalb von besonderer Bedeutung,
weil Rottmann ab den 1830er Jahren auf Verkaufsausstellungen
der deutschen Kunstvereine durchaus mit großformatigen Bildern,
die deutsche Motive zeigten, vertreten war, bis heute jedoch kein
dementsprechendes Beispiel nachweisbar war.
Erika Rödiger-Diruf, Karlsruhe
Grisebach 06/2015
107
217 Anton von Werner
Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin
3 Studien eines italienischen Ziegenhirten. 1870
Kreide, Rötel und Pinsel in Grau auf gelbem Papier
(Wasserzeichen: P. M. [Fabriano]). 40,7 x 51,9 cm
(16 x 20 ⅜ in.). Unten in der Mitte monogrammiert,
bezeichnet und datiert: AvW Carlsruhe 1870. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/
Elisabeth Rohde, Berlin
€ 600 – 800
Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die Bestätigung
der Authentizität der Zeichnung.
Studienblatt zum Gemälde „Don Quijote bei den Ziegenhirten“ von
1870, und zwar für die beiden zentralen Ziegenhirten gegenüber
von Don Quijote und für den Geige spielenden Hirten im Hintergrund; vgl. die Abbildung des Gemäldes im Ausstellungskatalog
„Anton von Werner, Geschichte in Bildern“, Berlin 1993, Kat.-Nr.
63, Abb. S. 206.
$ 647 – 862
218N Andreas Achenbach
Kassel 1815 – 1910 Düsseldorf
„Gudvangen“ (Norwegen). 1839
Pinsel in Grau und Braun über Bleistift auf Papier, auf Karton
aufgezogen. 33,2 x 49,4 cm (42,8 x 59,1 cm) (13 ⅛ x 19 ½ in.
(16 ⅞ x 23 ¼ in.)). Unten links (wohl nachträglich) signiert: A
Achenbach. Darüber bezeichnet und datiert: Gudvangen. : Juni
1839 Norwegen. Rückseitig der Stempel: Andreas Achenbach
Düsseldorf Nachlass-Ausstellung Städtische Kunsthalle.
Gebräunt und etwas fleckig. Geschlossene Randeinrisse. [3143] € 1.000 – 1.500
108
$ 1,080 – 1,620
Grisebach 06/2015
219 Anton von Werner
Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin
„Olevano“. 1869
Pinsel in Graubraun über Bleistift, weiß gehöht, auf gelblichem
Papier. 28 x 46,2 cm (43,2 x 53,7 cm) (11 x 18 ¼ in.
(17 x 21 ⅛ in.)). Unten rechts monogrammiert, bezeichnet und
datiert: AvW Olevano Juni 1869. Auf dem Unterlagekarton oben
mit Deckfarbe Grau datiert und bezeichnet: 18 Sabina 69.
Unten in Grau betitelt: Olevano.
Kleine Bereibung oben links. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/
Elisabeth Rohde, Berlin
€ 700 – 900
$ 754 – 970
Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Grisebach 06/2015
109
220 Charles Hoguet
1821 – Berlin – 1870
Steinbrucharbeiter vor Industrielandschaft.
Öl auf Leinwand. 59,5 x 84,5 cm (23 ⅜ x 33 ¼ in.).
Unten links signiert: CHoguet. Auf der Rahmenrückseite
unten rechts das Etikett: From / The Museum of Modern Art /
730 Fifth Avenue New York / To: [Mr. Alfred Gold / c/o Gustav
Knauer / Berlin] / Museum No. [30.715].
Kleine Retuschen. [3171] Gerahmt.
€ 25.000 – 35.000
$ 26,900 – 37,700
Als Sohn eines französischen Balletttänzers in Berlin geboren, ging
Charles Hoguet 1840 nach Paris zum Kunststudium, unternahm ausgedehnte Reisen nach Nordfrankreich und in die Niederlande, bevor
er sich 1848 wieder in seiner Heimatstadt niederließ. Dort schuf er
in den Jahren bis zu seinem Tod ein höchst vielfältiges und hoch
beachtetes Werk von vornehmlich Ölgemälden. Die Schwerpunkte
lagen dabei auf Marinestücken, Stillleben und, wie in unserem Fall,
auf Landschaftsdarstellungen.
Hoguets französische Prägung, die er durch die Ausbildung in der französischen Hauptstadt bei Eugène Cicéri (1813-90) und Eugène Isabey
(1803-86) erlangte, und die sich stilistisch-thematisch durch den
Kontakt mit der Freiluftmalerei im Umkreis der Schule von Barbizon
weiter verfestigte, lässt sich auch im vorliegenden Gemälde gut nachvollziehen. Da wäre zum einen die Behandlung der Landschaft, in der
die Arbeitsdarstellung eingebettet ist und durch welche diese definiert
wird. Vermutlich handelt es sich hier um eine Szenerie, die Hoguet
durch seine zahlreichen Touren in die Picardie, die Normandie oder
nach Calais sehr vertraut war und welche durch zwei Windmühlen am
linken Bildrand dominiert wird – Hoguet galt in Frankreich gar als „Raffael der Windmühlen“. Eine klare Zweiteilung prägt den Vordergrund:
Links die in die Vertikale strebenden Windmühlen und eine schlanke
Pappel, rechts die in die Breite gelagerte Landschaft und die Schwere
der Steine. Der Blick in den Bildhintergrund geht auf eine Ebene mit
einer Stadt. Die rauchenden Schlote gemahnen an die im Bildtitel benannte Landschaft, in der sich die beginnende Industrialisierung auch
ländlicher Gegenden abzeichnet. Auch die Schule von Barbizon hatte
sich einer unsentimentalen, realistischen Schilderung der Landschaft
verschrieben, was eine zweite Verbindung der Franzosen zum Berliner
Hoguet darstellt.
In einem starken, von rechts oben einfallenden Schlaglicht liegen die
großen Sandsteinblöcke, an denen die Arbeiter ihrer Bearbeitungstätigkeit nachgehen. Der kompositorische wie inhaltliche Mittelpunkt
des Bildes grenzt sich durch seine theatralische Beleuchtung von der
Umgebung ab. Abgebrochen, zerteilt und in eine rechteckige Form
gebracht und schließlich auf den Transporkarren gehievt, sind die
monumentalen Quader die eigentlichen Aussageträger des Werkes,
deren Leuchtkraft durch die Flügel der hinteren Windmühle und durch
die weißen Wolken im mittleren Himmelsabschnitt wiederholt werden.
All dies zeigt, dass sich hinter allem Realismus bei Hoguet auch ein
sicheres Gespür für kompositorische und Fragen des Bildaufbaus
verbarg.
110
Und noch auf ein drittes Element französischer Prägung springt
mit Blick auf die „Steinbrucharbeiter vor Industrielandschaft“ bei
Hoguet ins Auge. Es scheint kein Zufall zu sein, dass etwa zeitgleich
mit unserem Maler auch der große französische Realist Gustave
Courbet (1819-77) mit seinem 1945 beim Bombenangriff auf Dresden
verbrannten „Die Steineklopfer“ (1849) diesem Arbeitersmetier ein
künstlerisches Denkmal setzte. Sowohl der Farbauftrag als auch
das Motiv zeigen deutliche Parallelen zwischen beiden Künstlern.
Grisebach 06/2015
Hoguet zeigt uns die individuell gestalteten Arbeiter in einer Gruppe,
jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehend. Indem er einen
großen Bildauschnitt wählt und die Personen in der Bildmitte vor der
Landschaftskulisse platziert, gelingt es dem Maler in der preußischen
Kapitale unter König Friedrich Wilhelm IV. eine in der deutschen
Malerei nach 1850 einzigartige Stellung als Vermittler des französischen Realismus einzunehmen und gerade im lokalen Vergleich eine
herausragende Malkultur herauszubilden. (OS)
Grisebach 06/2015
111
221 Hermann Kauffmann
1808 – Hamburg – 1889
Es ist immer wieder überraschend zu sehen, welche andere Seite
von sich Künstler offenbaren, wenn ihr Ölstudienwerk lange nach
ihrem Tod, an die Öffentlichkeit gelangt. Diese Wolkenstudie aus
der Zeit um 1830, als der Künstler in München bei Peter Hess
studierte, gehört zu einem Konvolut aus dem Nachlaß Kauffmanns,
das von der Frische seiner Auffassungsgabe erzählt – und erklärbar
macht, warum seine sehr klassischen Genrebilder, mit denen er in
der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt wurde, im Hintergrund
immer wieder durch eine besonders atmosphärische Naturschilderung verblüffen.
Wolkenstudie. Um 1830
Öl auf leichtem Karton. 14,2 x 27,7 cm (5 ⅝ x 10 ⅞ in.).
Rückseitig unten links ein Stempel (nicht bei Lugt).
Kleine Retuschen. [3275] Gerahmt.
Provenienz: Aus dem Nachlaß des Künstlers
€ 800 – 1.000
222 $ 862 – 1,080
Friedrich Voltz
Nördlingen 1817 – 1886 München
Gewitterwolken in den Bergen. Um 1840
Öl auf Papier auf Leinwand. 34,8 x 42,5 cm (13 ¾ x 16 ¾ in.).
Unten rechts monogrammiert: F. V.
Retuschen. [3288] Gerahmt.
€ 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Aufgetürmte Wolkenmassen im Hochgebirge bilden den Hauptgegenstand dieser frühen Ölstudie von Johann Friedrich Voltz.
Die sehr sichere und schnelle Umsetzung des Motivs ist nur direkt
vor der Natur vorstellbar. Mit diesen Freilichtmalereien hat Voltz
einen wichtigen, bislang etwas vernachlässigten Beitrag zur noch
relativ jungen Münchner Landschaftsmalerei geleistet, ähnlich wie
seine Freunde Eduard Schleich und Carl Spitzweg.
112
Grisebach 06/2015
223 Deutsch, um 1860
Wolkenstudie.
Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen.
22 x 33 cm (8 ⅝ x 13 in.).
Retuschen. [3344] Gerahmt.
€ 1.500 – 2.000
$ 1,620 – 2,160
Hoch türmen sich die Wolken über dem Land – die flächige
Malweise, die herbe Palette deuten auf einen Schüler der
Karlsruher Akademie als Schöpfer unserer Arbeit hin. Johann
Wilhelm Schirmer lehrte ab 1854 dort – und band etwa Schüler
wie Hans Thoma, Emil Lugo oder Anton von Werner an sich,
bevor er 1863 in Baden starb. Schirmer lehrte in Karlsruhe wie
zuvor in Düsseldorf seinen Studenten das akribische Naturstudium – und zugleich leitete er sie an, auch in der Wiedergabe
der Natur ihren eigenen Stil zu entwickeln. 1859 begann Eugen
Bracht (1842-1921) bei Schirmer in Karlsruhe zu studieren und
kehrte nach einem Aufenthalt in Düsseldorf und Berlin zu seinem
Lehrer Hans Gude nach Karlsruhe zurück. In diesem Umfeld
könnte unsere Studie entstanden sein. Gerade Bracht hat in
seinem Werk immer wieder den Wolken eine körperliche Haptik
gegeben und sie zum eigentlichen Bildthema gemacht wie auf
unserer kleinen Studie. Zugleich weist deren Atmosphäre auch
voraus auf die Worpsweder Malerei um 1900.
Grisebach 06/2015
113
225 James Ensor
1860 – Ostende – 1949
Ornament eines Schrankes. 1885
Kreide auf Papier. 22,2 x 17,2 cm (8 ¾ x 6 ¾ in.).
Rechts in der Mitte signiert und datiert (mit kleinen Farbverlusten):
Ensor 85. Studie zu dem – im 2. Weltkrieg zerstörten – Gemälde
„Le meuble hanté“ von 1885/90 (Tricot 262). Sorgfältig
geschlossene Ein- und Ausrisse. Leicht gebräunt. [3413] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Piccadilly Gallery, London
€ 3.000 – 4.000
114
$ 3,230 – 4,310
Grisebach 06/2015
226 Théodore Gudin
Paris 1802 – 1880 Boulogne-sur-Seine
Matrosen in der Takelage.
Öl auf Bütten auf Holz. 22,3 x 28,8 cm (8 ¾ x 11 ⅜ in.).
Rückseitig auf einem aufgeklebten Stück Leinwand
mit Schablone in Schwarz beschriftet: T GUDIN 215.
Kratzer am oberen Rand. [3394] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Als der Kunsthändler Louis Sachse den Berlinern 1835 erstmals
eine größere Zahl Ölbilder der neueren französischen Schule vorführte, war auch ein kleines Seestück des Marinemalers Theodore
Gudin dabei. Die Betrachter staunten, wie bei Gudin die Luft „in
ihrer Feuchtigkeit mit dem Auge befühlt wird“. (Kunstblatt, Nr. 94,
1835, S. 390). Die „französische Farbenplastik“ (ebd.) beeindruckte auch den jungen Menzel: „Der wirklich geistvolle und gediegene
Materialismus der jetzigen Franzosen (derer die die Schule repräsentieren und zum Theil geschaffen haben) eines Gudin, Roqueplan,
Coignet [...] werden hier eine Revolution hervorbringen, in welcher
diejenigen, die da glauben Buntmalen sei brillant, und geschmiert
geistreich gemalt, untergehen werden, was nicht schaden kann...“,
so sein spitzzüngiges Kommentar zur Berliner Akademieausstellung
1836, die Sachse mit aktueller französischer Malerei in nie dagewesener Vielfalt beschickt hatte (Menzel Briefe, Bd. 1, 2009, S. 89).
Auch wenn Menzel unsere Ölstudie wohl nicht gekannt hat, darf
angenommen werden, dass auch sie ihm gefallen hätte. Der unge-
wöhnliche Bildausschnitt zeigt den Blick aus der vorderen Takelage
eines Segeldampfers, vorbei an einem großen, rußig rauchenden
Schornstein, hinüber zu den Matrosen, die im hinteren Mast auf
gleicher Höhe arbeiten. Tatsächlich ist die Anekdote überliefert,
Gudin habe sich selbst so vertauen lassen, dass er sein Motiv in
der schwindelnden Höhe direkt vor Ort aufnehmen konnte. Die
Situiertheit bestimmt die räumliche Struktur der Szene. Konstruktive Regeln, wie etwas die Unterscheidung der Bildgründe, scheinen
(quasi automatisch) aufgehoben. Es gibt keinen Vordergrund (denn
er ist aus Luft). Es gibt keine Vergewisserung an einer Bodenfläche
(die Matrosen müssen sich am schwankenden Mast festhalten).
Es gibt überhaupt keine greifbare Begrenzung (Himmel und Wasser
werden am Horizont eins). Der gewählte Bildausschnitt der Studie
führt diese Seherfahrung konsequent weiter, indem der dargestellte
Gegenstand an drei Seiten abgeschnitten ist (sogar die französische
Nationalfahne wird vom unteren Rand abgetrennt). Das Behelfsmäßige des Segelgerüsts, der vom Betrachter automatisch intendierte
aber verwehrte Blick nach unten, die schwungvoll und malerisch
virtuos in den blauen Himmel sich kreisende Rußwolke, die den
hinteren Mast umspielt und einräuchert wie die neue eine alte Zeit
– all das sind Momente, die die Modernität und die Qualität dieser
Studie ausmachen und die – anders, aber in durchaus vergleichbarer Form – auch Menzel in privaten Studien beschäftigten.
Theodore Gudin, der „Musiker der Meeresströme“ wie ihn die Zeitgenossen nannten, war v.a. in den 1830er und 40er Jahren ein europaweit gefeierter Maler. Beispiele seiner bildmäßig ausgeführten
Marinen und Seestücke, die wesentlich mehr vom Aufbruchpathos
der französischen Romantik getragen sind, gehören zur Sammlung
der Nationalgalerie wie zu vielen großen Museen international. Dem
heutigen Betrachter führen gerade so qualitätvolle Ölstudien wie
diese die Modernität des Künstlers vor Augen.(AA)
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227 Französisch, vor 1810
In einem ägyptischen Tempel. Vor 1810
Aquarell auf Papier. 39 x 49,5 cm (15 ⅜ x 19 ½ in.).
Randmängel. [E] Gerahmt.
€ 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Wir danken Mariana Jung, Berlin, für freundliche Hinweise.
Man kann sich kaum vorstellen, was der Zeichner dieses Blattes
empfunden haben muss, als er zum ersten Mal vor diesen Bauwerken einer ihm so fremden Kultur stand und festhielt, was die
meisten Franzosen nie zuvor gesehen hatten. Napoleons Ägyptenfeldzug 1898-1801 war eine militärische und wissenschaftliche
Expedition, aus der unter anderem die Publikation Description
de l’Égypte hervorging, die den Grundstein für die Ägyptologie
legte. In Band 1 der 1809-1829 veröffentlichten Erstausgabe der
Description findet sich ein Stich von Sellier fils, dessen Motiv fast
exakt dem unseres Aquarells entspricht. Es handelt sich um den
Innenraum des Pronaos des Chnum-Tempels in Esna, einer Stadt
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am westlichen Ufer des Nils, den der Stecher nach Vorlagen der
Zeichnungen der Bauingenieure Édouard Devilliers und Prosper Jollois
fertigte. Sie waren neben dem bekannten Architekturzeichner und
Diplomat Dominique Vivant Denon und weiteren Zeichnern und Ingenieuren Teilnehmer der Expedition Napoleons, die das Gesehene
unmittelbar in Kunstwerke umsetzten. Es ist wahr-scheinlich, dass
unser Blatt entweder als Vorlage einer reinen Architekturzeichnung
für den Stich, der in der Publikation Schauplatz einer historischen
Szene ist, entstand, oder parallel zum Stich als Reinzeichnung gefertigt wurde. Es kann somit auch nach der Rückkehr der Expeditionsteilnehmer in Frankreich gemalt worden sein. Es ist jedenfalls
bekannt, dass die Stiche der Ägypten Expedition Napoleons nach
farbigen Aquarellen gefertigt wurden, in denen sich die unglaubliche Farbenpracht der ägyptischen Monumente entfaltet. Besonders die Zeichnung der Hieroglyphen ist sehr fein, auch wenn der
Künstler sie nicht vollkommen korrekt wiedergibt, da er sie nicht
als Zeichen, sondern als Ornamente versteht. Das Spiel des Lichts
auf und zwischen den Säulen lockert die strenge Symmetrie des
Raumes auf, über den die Betrachter so auch heute noch ins Staunen kommen können. (MZ)
Grisebach 06/2015
228 Französisch, um 1830
Tiger.
Öl auf Papier, auf Karton, auf Holz aufgezogen.
14,7 x 26,6 cm (5 ¾ x 10 ½ in.). [3240] Provenienz: Privatsammlung, Frankreich
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Unsere Arbeit stammt eindeutig aus der engen Umgebung von
Eugène Delacroix. Als Charles Baudelaire über den Künstler
schrieb, verglich er interessanterweise den Künstler selbst mit
dem Raubtier: „Der Tiger, der auf seine Beute lauert, hat keine so
funkelnden Augen und kein so ungeduldiges Zittern in den Muskeln
wie unser großer Maler.“ Delacroix selbst hat zahlreiche Aquarelle
und Federzeichnungen von Tigern geschaffen, er wurde zu seinem
vibrierenden, kraftstrotzenden Leittier für ihn.
Der Tiger auf unserer Studie hingegen wird in einem Moment der
Ruhe erfasst, einer Selbstversunkenheit, fast meint man das
Raubtier beim Nachdenken zu stören. Es hat seine Schnauze über
die linke Pranke gelegt, die Augen geöffnet und blickt nicht den
Maler und damit den Betrachter an, sondern quasi nach innen. Der
Tiger verweigert sich dem zivilisierten Blick, er will sich nicht zum
Symbol orientalischer Gefährlichkeit machen lassen. Aber natürlich
ist ein dösender Tiger in der Zeit um 1830 im aufgewühlten Frankreich auch ein Werk von symbolischer Kraft.
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229 Französisch, um 1835
Portrait Eugène Delacroix.
Öl und Kreide auf Leinwand. 52,5 x 41,5 cm (20 ⅝ x 16 ⅜ in.).
Auf dem Schmuckrahmen oben rechts ein Etikett der Ausstellung
Paris 1959 (s.u.).
[3201] Gerahmt.
Provenienz: Alfred Sensier, Paris (bis 1877) (?) / Adèle de Cassin,
Marquise Landolfo-Carcano, Paris (bis 1912) / Otto Gerstenberg,
Berlin (bis 1935) / Margarethe Scharf, Berlin (Tochter des
Vorbesitzers, 1935 bis 1948) / William Cuendet, Lausanne
(im Besitz der Nachfahren bis 2013) / Privatsammlung,
Süddeutschland
Ausstellung: De Watteau à Cézanne. Genf, Musée d’Art et
d’Histoire, 1951, Kat.-Nr. 126, Abb. Tf. 1 (als Delacroix,
Selbstportrait / De Géricault à Matisse. Chefs-d’œuvre français
des collections suisses. Paris, Petit Palais, 1959, Kat.-Nr.162,
Abb. Tf. 4 (als Delacroix, Selbstportrait, datiert 1845-47)
Literatur und Abbildung: Vente Alfred Sensier, Paris. Tableaux et
dessins de l‘école moderne, tableaux et dessins anciens. Paris,
Galerie Georges Petit, 10.-18.12.1877, Kat.-Nr. 6 (Gemälde,
,Portrait d‘Eug. Delacroix, esquisse') / Maurice Tourneux: Eugène
Delacroix devant ses contemporains, ses écrits, ses biographes,
ses critiques. Paris, Jules Rouam, 1886, S. 149 (als Delacroix,
Selbstportrait) / Vente Mme la Marquise Landolfo Carcano.
Tableaux modernes, aquarelles, dessins, pastels, tableaux anciens,
dessins anciens, objets d'art et d‘ameublement [...]. Paris, Galerie
Georges Petit, Paris, 30.5./1.6.1912, Kat.-Nr. 104, m. Abb. /
Répertoire d’Art et d’Archéologie, Paris 1912, S. 211 (als
Delacroix, Selbstportrait) / Julius Meier-Graefe: Delacroix und
Géricault. Faksimiles nach Werken der beiden Meister. München,
Marées-Gesellschaft, Bd. 14, 1919, S. 35, Nr. VI (als Delacroix,
Selbstportrait) / Versteigerungskatalog. Bern, Gutekunst und
Klipstein, 27.11.1948, Los 68, Abb. Tf. 4 / François Daulte: Le
dessin français de David à Courbet. Lausanne, Spes, 1953, S. XIII
und S. 56, Nr. 16, Abb. Tf. 16 (als Delacroix, Selbstportrait ,
datiert 1845-47) / Thomas W. Gaehtgens und Julietta Scharf: Die
Sammlung Otto Gerstenberg in Berlin. In: Andrea Pophanken und
Felix Billeter (Hrsg.): Die Moderne und ihre Sammler. Französische
Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik. Berlin, Akademie Verlag, 2001, S. 149-184, hier S. 180
(als Delacroix, Autoportrait) / Julietta Scharf und Hanna Strzoda
(Hrsg.): Die historische Sammlung Otto Gerstenberg. 2 Bde.
Ostfildern, Hatje Cantz Verlag, 2012, hier Bd. 1, S. 66 (links auf
dem Foto der Sitzecke im Obergeschoß der Villa Gerstenberg in
Berlin), und Bd. II, S. 58, Kat.-Nr. 303 (als Delacroix, Selbstportrait, datiert 1852)
Unser ausdrucksstarkes Portrait des kraftstrotzenden Delacroix ist
eindeutig in Frankreich um 1835/40 entstanden, wie ein Vergleich
mit zeitgleichen Daguerréotypien des Künstlers von Léon Riesener
nahelegen. Es hat eine bedeutende Provenienz (es gehörte lange zur
Pariser Sammlung Landolfo-Carcano) und galt seit 1886 und sehr
lange danach als eigenhändiges Werk des Künstlers. So hing es als
Selbstportrait von Delacroix gut sichtbar in der legendären Berliner
Sammlung von Otto Gerstenberg (der es in der Landolfo-Carcano
Auktion erworben hatte) - neben zahlreiche Gemälden von Courbet
und Daumier (siehe Vergleichsfoto unten). Die Sammlung Gerstenberg war eine der herausragenden Sammlungen französischer Kunst
in Deutschland, von Max Liebermann gerühmt, enthielt sie nicht
weniger als vier Gemälde von Delacroix und 49 Zeichnungen, der
bedeutende Kritiker und Kunstvermittler Julius Meier-Graefe nannte
Gerstenberg den bedeutendsten Delacroix-Sammler in Deutschland.
Als Meier-Graefe im Jahre 1919 fünfzehn Faksimiles des Künstlers
reproduzieren ließ, da war unser Portrait aus der Sammlung Gerstenberg darunter.
Seit 1959 war das Gemälde der Öffentlichkeit unbekannt. Obwohl
es nur mit wenigen, schnellen souveränen Öl- und Kreidestrichen auf
die Leinwand geworfen ist, entfaltet es schnell eine sehr unmittelbare Wirkung. Aus stilistischen Gründen geht die heutige Forschung
eher davon aus, daß es kein eigenhändiges Selbstportrait ist – sondern ein Bildnis des Künstlers, gemalt von einem Freund. Delacroix
zeigt sich sehr stolz in diesem Bildnis, verschlossen, doch nicht so
zum tragischen Helden stilisiert, wie er es in seinen Selbstbildnissen
tat. Als möglicher Künstler ist an Léon Riesener zu denen, von dem
auch die Fotografie des Künstlers aus jener Zeit stammt und der
ihn immer wieder portraitierte. Stilistisch ist auch eine Nähe zu
den Werken Eugène Lami zu erkennen. In jedem Fall bleibt es ein
Bild aus dem direkten Umfeld von Delacroix, das den heldenhaften
Status, den der Künstler in jener Zeit genießt, ins Bild zu übertragen
versteht – und daß dank seiner ausgezeichneten Provenienz eine
zusätzliche Bedeutung hat. (FI)
€ 15.000 – 20.000
$ 16,200 – 21,600
Wir danken Catherine Adam-Sigas, Documentation du Musée
Delacroix, Paris, und Dr. Margret Stuffmann, Frankfurt, für
freundliche Hinweise.
Unser Bild im Haus von Otto Gerstenberg nach 1912
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230 Jean-Baptiste-Camille Corot
1796 – Paris – 1875
„Avignon, vue de l‘arrière du palais des papes“. Um 1836
Öl auf Papier auf Karton. 25,2 x 34,2 cm (9 ⅞ x 13 ½ in.).
Mit einer Bestätigung von Martin Dieterle, Paris, vom
5. September 2014, der das Bild in den 6. Ergänzungsband des
Werkverzeichnisses Corots von Alfred Robaut aufnehmen wird. –
[3240] Gerahmt.
€ 60.000 – 80.000
$ 64,700 – 86,200
Warum ist dies ein besonders gutes Bild, wo es doch eher dunkelfarbig und das Motiv auf der ersten Blick ungewöhnlich, ja unattraktiv
erscheint? Keine im Sonnenlicht liegende italienische Landschaft mit
satten Grüntönen und rötlichem Mauerwerk und starken Licht-Schatten-Kontrasten, wie Corot sie vor allem in den 1820er, aber auch den
1830er Jahren auf Ölskizzen in großer Zahl festgehalten hat. Offizielle
Ausstellungsbilder waren die Ölskizzen allerdings nicht, sie galten als
bloße Studien, „études“, und verblieben im Atelier, erst im liberalen
Pariser Salon von 1849 konnte einmal eine römische Ölstudie von
Corot ausgestellt werden. Selbst wenn er seine Ölstudien an
befreundete Künstler ausgeliehen oder die eine oder andere
verschenkt hat, das Gros tauchte erst in der Nachlassversteigerung
auf. Alle dort aufgefundenen Skizzen bekamen einen roten Stempel:
„Vente Corot“, um sie zu authentisieren. D.h. aber auch, dass Corot
seine Ölskizzen im Normalfall nicht signiert hat. Einige wenige weiter
ausgeführte Ölskizzen hat er, womöglich spät im Leben, signiert.
Selbst die berühmten, etwas größeren Ölstudien mit dem römischen
Kolosseum oder dem Forum im Louvre sind unsigniert. So ist die
fehlende Signatur, noch dazu bei einem ungewöhnlichen Motiv, eher
ein Qualitätskriterium. Damit bleiben diese Studien privat, und dem
entspricht auch ihr Malmodus: Sie sind mit großzügigen, unkorrigierten, nicht geglätteten Pinselstrichen gemalt, in den 30er Jahren noch
großzügiger als in den 20er Jahren. Die Pinselfaktur bleibt erhalten,
der Maler scheut sich nicht, mit dem Pinselstil Schraffuren in die noch
feuchte Farbe einzutragen. Der Bildträger ist häufig Papier, das auf
Pappe, seltener auf Leinwand geklebt wird. Damit das Papier die
Ölfarbe aufnehmen kann, ohne dass der Ölanteil Flecken bildet, wird
das Papier farbig grundiert. Die Künstler sind da erfindungsreich, sie
können je nach dem Ausdruckscharakter, den das Bild tragen soll, die
Farbe der Grundierung variieren, denn in vielen Fällen spricht die
Farbe des Grundes mit, da die Ölskizzen häufig nicht gänzlich deckend
gemalt sind. Selten finden sich mehrere Malschichten übereinander,
und da der Künstler häufig noch zwischen trocknen und feuchteren
Farben – je nach Ölanteil – variiert und mit dem Pinsel viel oder wenig
Farbe aufnimmt, ergibt sich nicht nur ein lebendiger Farbkörper,
vielmehr scheint der Grund unterschiedlich stark durch. Wirklich
deckend ist allein eine Farbe, die zuletzt aufgetragen wird: das Weiß.
Corot steuert die Wirkung seiner Ölskizzen auf das Raffinierteste mit
dem deckenden Weiß und auf der vorliegenden Studie auf besonders
eindrückliche Weise. Ohne dieses Weiß wäre das Bild bei der dunklen
Gesamtanlage so gut wie tot – trotz der überall sichtbar gebliebenen
Malfaktur.
Wir sollen zwar erkennen sollen, dass der Papstpalast von Avignon
dargestellt ist – jedem Franzosen war dieser riesige, weniger nach
Palast als nach Festung aussehende Klotz vertraut und er wusste
120
auch, dass dieser aus dem 14. Jahrhundert stammende Riesenbau
nicht nur das Papsttum im Exil, sondern danach auch Gegenpäpste
beherbergte und schon im 15. Jahrhundert leer stand und zerfiel.
Die Revolution wollte ihn abreißen, doch er war schlicht zu gewaltig.
Er diente als Gefängnis, eine Trutzburg wie die Bastille, und zu
Corots Zeiten als Kaserne. Da an ihm über längere Zeit gebaut,
ausgebaut und verändert wurde, machte er jenseits der Tatsache,
dass er gewaltig war, einen irritierenden Eindruck. Nun ist Corots
Ansicht keine Vedute. Wir realisieren zwar, dass es sich um den
Papstpalast in Avignon handelt, doch mitnichten ist die Darstellung
topographisch und in den Details genau. Zurecht hat man gesagt,
dass Corots Stadtansichten landschaftlich aufgefasst sind. Was
heißt das? Nicht nur sind sie in landschaftliche Zusammenhänge
eingebettet, sondern ihre gesamte strukturelle Anlage macht sie zu
„Landschaften“ – und dazu gehört viel. Corot lässt sich durch den
dargestellten Gegenstand zu nichts verpflichten, er ändert ihn nach
Gutdünken. Und Gutdünken meint hier, dass der Gegenstand zwei
Bedingungen zu folgen hat: der kompositorischen Bildanlage und
dem abgezielten Ausdruckscharakter des Bildes. Corot gibt seine
Ansichten immer aus einer gewissen Entfernung, und es handelt
sich eigentlich immer um Querformate. Man sagt zurecht, Landschaft breitet sich vor uns aus. Das kann man bei Corot wörtlich
nehmen. Zum einen ist der Vordergrund häufig, wie hier, aus
bildparallelen Streifen gebildet, oft sind sie kaum gestaltet. Der Blick
soll nicht an ihnen hängen bleiben. Hier haben wir zwei gänzlich
waagerecht angeordnete Streifen der Rhone mit einer schmalen
mittleren Landzunge, an der Frachtkähne angelegt haben, doch so,
dass sie den bildparallelen Streifencharakter nicht unterbrechen,
weder von der Form, noch von der Farbe her. Wenige winzige
Personenangaben kann man ausmachen. Corot pflegt sie, wenn er
überhaupt Staffage gibt, als schwarze Strichelchen mit einem
weißen oder roten Farbtupfer wiederzugeben. Hinter den Flussstreifen, in gleicher Breite, eine hohe Böschung in unartikulierter
Brauntonigkeit, davor wenige, erneut bildparallel angeordnete
Häuserkuben. Darüber thront der Papstpalast, in der gleichen,
minimal zurückgenommenen Brauntonigkeit, dann der bewegte
Himmel. Doch die gegenständliche Benennung sagt wenig, die
jeweilige Inszenierung ist entscheidend. Der Böschungsstreifen
greift zu den Rändern hin die Blaugraufarbigkeit der Rhone auf, was
gänzlich paradox ist, aber einerseits den Böschungsstreifen nicht zur
Barriere werden lässt, andererseits den Blick auf den braunen
Palastklotz fokussiert, vor dem selbst die angedeuteten Bäume sich
in graue Schlieren auflösen. Da der Palast mit seinen Ausläufern
nach rechts verlagert ist, erfährt er sein Gegengewicht durch den
hellen grauweißlichen Bau links am Fuß der Böschung. Detailangaben, obwohl er doch noch nahsichtig ist, sind hier bewusst
vermieden worden. Optisch verankert auf dem Bildgeviert wird die
Darstellung auf vielfältige Weise. Bildordnung ist auf die Fläche
bezogen und mithin abstrakt, die Gegenstände haben ihren Ort in ihr
zu finden. Hier herrscht die subkutane Wirkung von Senkrechten vor,
die die Dominanz der waagerechten Streifen kompensieren.
Weniges: Die rechte Kante des hellen Gebäudes geht überein mit
der Spitze der linken Frachtschute und zugleich mit dem linken Rand
der weißen Wolke. Die rechte senkrechte Kante des Hauptturms des
Palastes, des sog. Papstturmes, wird fortgeführt in der linken Kante
(Fortsetzung auf der Klapptafel außen)
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
231 Deutsch, um 1830
Felsengruppe vor Bäumen.
Öl auf Papier. 40,2 x 35 cm (15 ⅞ x 13 ¾ in.).
Gefirnißt. Etwas knittrig. Kleine Randmängel. [3339] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Sammlung Pappermann, Dresden
(dort als August Heinrich)
€ 2.000 – 3.000
232 $ 2,160 – 3,230
Leopold Venus
Dresden 1843 – 1886 Heilanstalt Sonnenstein
bei Pirna
Baumstudie.
Aquarell und Feder in Schwarz auf Bütten. 30,9 x 24,2 cm
(12 ⅛ x 9 ½ in.). Unten rechts mit Bleistift signiert: Venus.
Fachmännisch restaurierte Randmängel. [3293] Provenienz: Ehemals Sammlung Eugen Roth, München
€ 700 – 900
$ 754 – 970
Die Studie eines Baumes bezieht seinen Reiz aus dem Gegensatz von
exaktem Kontur der Feder und lebendiger, farblich fein abgestimmter
Aquarellierung, mit der die Individualität des von Moosen und Flechten
bewachsenen Baumes zu nahezu haptischer Präsenz verdichtet wird.
Anekdotische Details wie die auf Ästen sitzenden bzw. herumfliegenden Vögel geben dem Blatt bei aller Konzentration auf den organischen Wuchs des Baumes jene erzählerische Note, die typisch für
die Schule Ludwig Richters (1803-1884) ist. Dieser hatte seit 1836
als Professor der Landschaftsklasse an der Akademie in Dresden
zahlreiche Schüler ausgebildet, die seinen Zeichenstil adaptierten.
Unser Blatt trägt von der Hand des Dichters Eugen Roth (1895-1976),
aus dessen Sammlung das Blatt stammt, eine Zuweisung an „Venus“,
womit August Leopold Venus gemeint ist, der vor allem in der zweiten
Jahrhunderthälfte als Illustrator von Volks-, Kinder- und Jugendschriften Bekanntheit erlangt hatte. Venus war zuvor seit 1857 Schüler der
Dresdner Akademie und nahm seit 1859 bei Richter Unterricht im
Landschaftszeichnen. Während dieser Zeit entstanden auf gemeinsamen Reisen und Wanderungen zahlreiche Zeichnungen mit Motiven
aus der Sächsischen Schweiz; es ist gut vorstellbar, dass die Baumstudie während einer solchen Wanderung in der Umgebung von Dresden
entstand. Peter Prange, München
Grisebach 06/2015
233 Christian Friedrich Gille
Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden
Rotwild bei Sonnenuntergang.
Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen. 29 x 39 cm (11 ⅜ x 15 ⅜ in.).
Das Bild wird in das Verzeichnis der Werke Christian Friedrich Gilles
von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen (in Vorbereitung). –
Kleine Retuschen. [3359] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Martin Grosell, Kopenhagen
Literatur und Abbildung: Versteigerungskatalog: Fortegnelse
over en samling tyske malerier m.m. tilhørende boet efter
afdøde kunsthandler M. Grosell / Verzeichnis über eine
Sammlung deutscher Gemälde etc. aus dem Besitz des
verstorbenen Kunsthändlers M. Grosell. Kopenhagen,
V. Winkel & Magnussen, 9./10.6.1932, Kat.-Nr. 129
(„Rener ved Solnedgang“/„Renntiere[!] bei Sonnenuntergang“)
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Vielleicht war Christian Friedrich Gille der modernste deutsche
Ölstudienmaler in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, in
jedem Fall war er der konsequenteste. Es gibt in seinem Werk
so gut wie keine ausgeführten Ateliergemälde – stattdessen
einige hundert Studien, auf Papier, auf Leinwand gemalt und immer direkt vor der Natur entstanden. Den Pinsel, den er führte
war meist hart und trocken, wie man es in der unteren Partie
unserer Arbeit sieht, da endet das Weiß abrupt und schnell
werden links unten ein paar dürre Gräser angedeutet. Zugleich
zeigen vor allem die drei Tiere, wie souverän der Künstler in der
schnellen Erfassung von Körperhaltung und Haptik von Fell und
Beinen ist.
Meist ist es auf Gilles Studien dunkel, als seien Wolken am
Himmel, der Blick des Künstlers geht herab, ins Unterholz, er
findet im Kleinen das Große, im Nebensächlichen das Bildwürdige. Licht und Schatten, ein, wenn nicht das große Thema aller
Ölstudienmaler, die je Italien betraten, tritt bei Gille meist zurück
hinter dem ernsthaften, bohrenden Blick, mit dem er dem
unspektakulären Naturausschnitt kleine malerische Sensationen
entlockt. Aber immer wieder gerät auch Gille in den Bann der
Sonne – so auch hier, das warme Abendlicht eines Wintertages
lässt er sanft rötlich widerhallen im Fell auf dem Rücken der Tiere. Und über der ganzen Szenerie spannt er einen Himmel auf,
dessen Farbkraft und Abstraktionsgrad aus dem Dresden um
1850 bereits deutlich hinübergrüßt zu den Werken der Dresdner
Brückekünstler nach 1900. (FI)
Grisebach 06/2015
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234 Anton von Werner
Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin
Zwei Studien zum „Etappenquartier“. 1893
Bleistift, mit weißer Kreide gehöht, auf braunem Papier bzw.
Bleistift auf Velin. 30,9 x 39,2 cm bzw (12 ⅛ x 15 ⅜ in. bzw. ).
Bl. 1 unten rechts datiert und bezeichnet: 1893 Etappenquartier
(Abb. im Online-Katalog). Bl. 2 rückseitig unten rechts datiert und
bezeichnet: 1893 Etappenbild. Bl. 2 mit horizontaler Knickfalte
und etwas angestaubt. [3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/
Elisabeth Rohde, Berlin
€ 900 – 1.200
$ 970 – 1,290
Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Studien zu einem der bekanntesten Gemälde Anton von Werners,
„Im Etappenquartier vor Paris (24. Oktober 1870)“ von 1894, das
noch im Jahr seiner Entstehung von der Nationalgalerie in Berlin
angekauft wurde (Inv.-Nr. A I 521). Die Studien zeigen den knienden Soldaten rechts im Bild, der gerade das Kaminfeuer entfacht.
235 Franz Skarbina
1849 – Berlin – 1910
Deutscher Soldat zur Zeit Napoleons. Um 1884
Aquarell auf leicht genarbtem Papier. 31 x 19,2 cm
(12 ¼ x 7 ½ in.).
Ein vergleichbares Aquarell, signiert und datiert „F. Skarbina
1884“, befand sich 2003 im Kunsthandel. [3091] Gerahmt.
€ 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Wir danken Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin, für die Bestätigung
der Authentizität des Aquarells.
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Grisebach 06/2015
236 Anton von Werner
Frankfurt (Oder) 1843 – 1915 Berlin
„Das Quartett“. 1866
Pinsel in Graubraun über Bleistift, weiß gehöht, auf Papier, vom
Künstler auf Karton montiert. 30,2 x 42,8 cm (42,2 x 52,8 cm)
(11 ⅞ x 16 ⅞ in. (16 ⅝ x 20 ¾ in.)). Unten links monogrammiert
und datiert: AvW 1866. Auf dem Unterlagekarton oben mit
Deckfarbe in Rot datiert und bezeichnet: 18 Carlsruhe 66.
Unten in Grau und Rot betitelt: Das Quartett.
[3038] Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Frieda Hinze, Berlin/
Elisabeth Rohde, Berlin
€ 700 – 900
$ 754 – 970
Wir danken Prof. Dr. Dominik Bartmann, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Im Winter 1865/66, während seines Studiums in Karlsruhe, nahm
Anton von Werner ein „kleines Bild ,Streichquartett im Maleratelier‘, ein Stück aus dem mich umgebenden Leben, in Angriff“
(von Werner, zit. n. Bartmann 1994, S. 134). Dieses Gemälde ist
verschollen (Werkverzeichnis-Nr. 1866-3 im Ausstellungskatalog
„Anton von Werner, Geschichte in Bildern“, Berlin 1993). Auf unserer noch 1866 entstandenen Pinselzeichnung sieht man links am
Violoncello den Landschaftsmaler Gustav Osterroth (1836–1875),
der auch im Mittelpunkt des Bildes „Der 30. Geburtstag“ steht (s.
die Abb. im o.g. Kat., Nr. 45). Im Hintergrund rechts erkennt man
an der zweiten Violine den späteren Bildhauer Otto Lessing (1846–
1912), den Sohn des in Karlsruhe lehrenden Landschaftsmalers
Carl Friedrich Lessing (vgl. die Kreidezeichnung im o.g. Kat., Nr.
44, m. Abb.). Die erste Violine spielt vorne rechts ein namenloser
Offizier (eine „1865“ datierte Bleistiftstudie mit veränderter Position des Mannes ist abgebildet in: Bartmann a.a.O., S. 134), auch
der vollbärtige Bratschist hinten links ist unbekannt.
Grisebach 06/2015
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237 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
Kopf eines bärtigen Mannes. Ende der 1890er Jahre
Bleistift auf Papier, auf Japan aufgezogen. 12,6 x 7,4 cm
(5 x 2 ⅞ in.). Unten links monogrammiert: A. M.
Ein durchs Aufziehen geschlossener Einriß. [3132] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Dr. Friedrich Schmidt-Ott, Berlin
(laut Beschriftung auf der Rückpappe nach dem Tod des
Künstlers als Geschenk von Frau Krigar-Menzel erhalten)
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin,
für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Dr. Friedrich Schmidt-Ott (1860–1956) war Beamter im Ministerium
der geistlichen- und Unterrichtsangelegenheiten (Kultusministerium)
und wurde 1907 zum Ministerialdirektor der Unterrichtsabteilung
ernannt. Er war ein Freund Wilhelms II.
(Abbildung in Originalgröße)
238 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
Skizzen vom Berliner Hofball. 17. Februar 1881
Bleistift auf leichtem Karton (Rückseite der Einladungskarte
für Adolph Menzel). 22 x 16,8 cm (8 ⅝ x 6 ⅝ in.).
Unten links monogrammiert: A. M.
Vom Künstler in der Mitte horizontal gefaltet. [3189] € 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin,
für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
In der Einladung heißt es: „Auf Allerhöchsten Befehl Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten beeehrt sich der unterzeichnete
Ober Hof- und Haus-Marschall, den Ritter des Ordens pour le mérite,
Herrn Professor Menzel, zum Ball und Souper am 17. Februar 1881
Abends 8 1/2 Uhr im Königlichen Schlosse einzuladen. [...]“
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Grisebach 06/2015
239 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
Frau mit Mantille im Profil nach rechts. 1894
Bleistift, gewischt, auf Papier. 21 x 13 cm (8 ¼ x 5 ⅛ in.).
Unten rechts monogrammiert und datiert: A. M. 94.
Kleine Randmängel. [3144] Gerahmt.
€ 15.000 – 20.000$ 16,200 – 21,600
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin,
für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Grisebach 06/2015
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240 Jozef Israëls
Groningen 1824 – 1911 Den Haag
Ein Sonnenstrahl. Um 1875/80
Öl auf Leinwand, auf Hartfaser aufgezogen. 113 x 88,5 cm
(44 ½ x 34 ⅞ in.). Unten links signiert: Jozef Israels.
Mit einem Gutachten von Dr. Dieuwertje Dekkers, Groningen,
vom 10. April 2015. –
[3054] Gerahmt.
Provenienz: Alexander Young, London/Blackheat, Kent (1875/80
bis 1906) / Agnew & Sons, London (1906) / Knoedler Galleries,
New York (vom Vorbesitzer erworben am 1. August 1906) / Scott
& Fowles, New York (vom Vorbesitzer erw. am 31. Januar 1907; lt.
Geschäftsbuch Knoedler, Nr. 11145, m. Foto) / Frau H. N. Torrey,
Detroit / Nell Ford Torrey, Grosse Pointe, Michigan (bis 1959) /
Privatsammlung, Süddeutschland
Ausstellung: Exhibition of the most Important Works by Jozef
Israels. London, McLean Gallery, 1881 („A Ray of Sunshine“) (?) /
Tentoonstelling van Schilderijen en Aquarellen van Jozef Israels.
Den Haag, Pulchri Studio, 1895, Kat.-Nr. 11 („Een Zonnestraal“,
Bes. A. Young, London) / Exhibition of a Selection of Works by
Early and Modern Painters of the Dutch School. London, Art
Gallery of the Corporation of London, Guildhall, 1903, Kat.-Nr. 7,
m. Abb. („A Ray of Sunshine“, Bes. Alexander Young) / A
Memorial Exhibition of the Work of Jozef Israels. Toledo, The
Toledo Museum of Art, 1912, Kat.-Nr. 242 („The Ray of Sunshine“,
Bes.: Mrs. H. N. Torrey, Detroit)
Literatur und Abbildung: Art Notes. In: The Magazine of Art, 5
(1882), S. XIX (?) / De Zuigeling, De Huisvriend, 1885, S. 176178, m. Abb. / E.G.O. (A. C. Loffelt): De Israëls-Tentoonstelling.
In: Het Vaderland, 31.1.1895 / Jan Veth: Modern Dutch Art. The
Work of Josef Israëls. In: The Studio, 26 (1902), Abb. S. 247 /
Jan Veth: Jozef Israëls en zijn kunst. Arnhem/Nijmegen 1904,
Kat.-Nr. 44, m. Abb. / E. G. Halton: The Collection of Mr.
Alexander Young.- IV. The Modern Dutch Pictures. In: The Studio,
39 (1907), Nr. 166, S. 299, Abb. S. 297 / Frank Wakeley
Gunsaulus: Josef Israels. An Address delivered at the opening of
the Exhibition of Josef Israels’ Paintings, Toledo Museum of Art,
Toledo 1912, m. Abb.; Max Eisler: Josef Israëls. London 1924,
Abb. Tf. XXII / Versteigerungskatalog: L. Guggenheim, Mrs. N.
Ford Torrey et al. New York, Parke-Bernet, 21.10.1959, Kat.-Nr.
70, m. Abb. („A Ray of Sunshine“) / Dieuwertje Dekkers: Jozef
Israëls, een succesvol schilder van het vissersgenre. Amsterdam,
Univ., Diss., 1994, S. 146-147
€ 40.000 – 60.000
$ 43,100 – 64,700
Es handelt sich bei diesem Bild um die beste Version dieses wichtigen Motivs im Werk von Josef Israels. Jan Veth (1904) datierte
dieses Gemälde – ein schönes Interieur mit einer Mutter und ihren
zwei kleinen Kindern – auf die Zeit um 1870, während E.G. Halton
(1907) davon ausging, dass es 1875 entstand. Was den Malstil
angeht, ist es vergleichbar mit Jozef Israëls Arbeiten der zweiten
128
Hälfte der 1870er, wie „Das einfache Mahl“ (Kelvingrove Art
Gallery and Museum, Glasgow) oder „Die Kartenspieler“ (Privatsammlung). In diesen Arbeiten, die der Künstler beide 1876
malte, kann man beobachten, dass sich das Licht sehr zerstreut
ausbreitet, während sich die Farben harmonisch miteinander mischen. „So delightful in the quality of colour and depth of tone in
the luminous shadows“ (So entzückend in der Qualität der Farbe
und der Fülle der Farbtöne in den leuchtenden Schatten), schrieb
Halton. Es macht sich außerdem ein breiterer Pinselstrich
bemerkbar und die Farbe ist dicker aufgetragen. Das vorliegende
Werk sollte somit zwischen 1875 und 1880 datiert werden.
Dieses Gemälde war der Öffentlichkeit vor dem letzten Jahrzehnt
des 19. Jahrhunderts kaum bekannt. Selbst A.C. Loffelt, der bekannte Kritiker aus Den Haag und ein guter Freund des Künstlers,
sah es zum ersten Mal, als es 1895 in den Niederlanden ankam,
um im Rahmen der Israëls-Ausstellung gezeigt zu werden.
Wahrscheinlich kam das mit „Ein Sonnenstrahl“ betitelte Werk
direkt nach Fertigstellung in die berühmte Sammlung Alexander
Youngs. Vor dessen Tod 1910 kam es auf den Kunstmarkt und
fand, wie viele Werke Jozef Israëls, seinen Weg in die Staaten.
Eine fast identische, jedoch kleinere Version derselben Zeit kam
für einige Jahre (1901–1906) in den Besitz eines der wichtigsten
Sammler des Landes, H.C. Frick. Um 1893 malte Israëls eine
weitere Version, in der er mehr Details abänderte; diese kam in
den Besitz eines Kunsthändlers in Groningen, der Geburtsstadt
des Künstlers. Von den drei Versionen wurde die Young Version
die bekannteste, was teilweise auf die Provenienz zurückzuführen
ist und wohl auch auf die feinere Ausführung des Bildes.
Bisher sind keine direkten Studien oder Skizzen zu „Ein Sonnenstrahl“ bekannt, doch übernahm Israëls oft Figuren aus früheren
Kompositionen. Das Kind, das sein Spielzeug hält, taucht zum
Beispiel auch in der älteren Strandszene „Die Wiege“ (1858,
derzeitiger Verbleib unbekannt) auf, in der das Spielzeug gegen
ein kleines hölzernes Segelboot ausgetauscht wird.
In „Ein Sonnenstrahl“ zeigt Israëls eine junge Mutter, die ihr
Baby stillt, während ein kleines Mädchen aufmerksam zuschaut,
die Kordel des hölzernen Kinderwagens ihrer Puppe mit beiden
Händen hinter ihrem Rücken festhaltend. 1875 war das Sujet des
häuslichen Lebens im Werk Israëls keine Neuigkeit mehr; tatsächlich hatte er bereits in den frühen 1860er Jahren begonnen, sich
intensiv damit auseinander zu setzen und tat dies bis in die 1890er
Jahre. Er konzentrierte sich oft mehr auf die Mutterschaft, indem
er viele Szenen mit den Figuren der Mutter und ihrem kleinen Kind
darstellte. Beispiele sind eine Mutter, die ihr Kind füttert („Die
Cottage Madonna“, ca. 1870, Detroit Institute of Fine Arts) oder
wäscht, eine Mutter mit einem schlafenden Kind in ihren Armen,
oder wie sie ihr schlafendes Kind in der Wiege betrachtet. Manchmal sind mehrere Kinder involviert und die Mutter ist mit der Hausarbeit beschäftigt („Mütterliche Fürsorge“, 1890, Rijksmuseum
Amsterdam). Nur ein einziges Mal nimmt der Vater an der Szene
Teil („Die glückliche Familie“, Kelvingrove Art Gallery and Museum,
Glasgow) und interessanter Weise nutzte Israëls hier die Komposition der Mutter und ihrer zwei Kinder aus „Ein Sonnenstrahl“.
Die Stimmung der meisten dieser Interieurs ist recht heiter, was
die Thematik offenbar erfordert. Nur in Gemälden, in denen die
Grundfärbung ein kaltes Grau ist, klingt das Bild von Armut und
Menschlichem Elend nach, wie in „Das schlafende Kind“ (1880-83,
The Huntington Library, San Marino, CA).
Dieuwertje Dekkers, Groningen
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
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241 Christian Friedrich Gille
Ballenstedt am Harz 1805 – 1899 Dresden
Zwei aus einem Trog fressende Pferde.
Bleistift, mit weißer Kreide gehöht, auf braunem Papier
(Wasserzeichen:[CANSO]N FRERES). 13,8 x 18,4 cm
(5 ⅜ x 7 ¼ in.).
Die Zeichnung wird in das Verzeichnis der Werke Christian
Friedrich Gilles von Dr. Gerd Spitzer, Dresden, aufgenommen
(in Vorbereitung). –
[3013] € 400 – 600
242 August Kopisch
Breslau 1799 – 1853 Berlin
Der Gastwirt Martin Wessely in Josefstadt in Böhmen.
Feder in Schwarzgrau auf Papier. 22,7 x 16,6 cm (8 ⅞ x 6 ½ in.).
Unterhalb der Darstellung bezeichnet: Der Gastwirth Wessely in
Josephstadt in Böhmen, wiegt 4 Ctnr 48 [Pfund] 15 kg (nach der
Natur).
Etwas gebräunt und fleckig. [3344] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Georg Ernst,
Dresden-Weißer Hirsch
€ 400 – 600
$ 431 – 647
Wir danken Udo Kittelmann, Staatliche Museen zu Berlin,
für freundliche Hinweise. Die Alte Nationalgalerie in Berlin
wird im Jahre 2016 erstmals das Werk Kopischs mit einer
Ausstellung würdigen.
Vor allem in seinem Frühwerk hat der sagen- und legendenumwobene Kopisch diese liebevollen zeichnerischen Momentaufnahmen in seiner direkten Umgebung geschaffen.
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Grisebach 06/2015
$ 431 – 647
243 Johann Adam Klein
Nürnberg 1792 – 1875 München
Die Königstraße in Nürnberg
mit Blick auf St. Lorenz. Um 1822
Öl auf Leinwand. 20,3 x 26,8 cm (8 x 10 ½ in.).
Auf dem Keilrahmen unten links mit Feder in Schwarz
beschriftet: Nürnberg Königstrasse / St. Lorenz und
Mauthalle / gemalt von Johann Adam Klein 1822.
Kleine Retuschen. [3285] Gerahmt.
€ 6.000 – 8.000
$ 6,470 – 8,620
Der für die Kunst des frühen 19. Jahrhunderts in Süddeutschland
bedeutende Maler, Zeichner, Radierer und Lithograf Johann Adam
Klein wurde bereits früh aufgrund seines Talents künstlerisch
gefördert. Er lernte ab 1805 beim Nürnberger Kupferstecher Ambrosius Gabler, der Klein zu einem strengen Naturstudium erzog
und insbesondere dessen Fähigkeiten in der Tiermalerei erkannte.
1811 zog es Klein nach Wien, um an der dortigen Akademie zu
studieren. In der k. und k. Residenzstadt zählten unter anderem
der Graf von Metternich zu den Gönnern von Klein. Er war zudem
bei dem weltberühmten Musik-, Karten- und Kunstverlag Artaria
beschäftigt, für welchen er Landschaftsveduten anfertigte. Ab
1822 lebte Klein wieder in Nürnberg, wo er zahlreiche, mit hoher
Präzision und Genauigkeit bestechende Grafiken und Gemälde der
fränkischen Kapitale und ihres Umlandes schuf.
Auf unserem Bild wählte der Künstler einen Standpunkt auf der
Königstraße – einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Nürnberger Altstadt – zwischen Frauentor und der Lorenzkirche, die mit
ihrer markanten gotischen Doppelturmfront im Bildhintergrund zu
sehen ist. Klein befand sich auf Höhe der Klarissenklosterkirche.
Ihr Ostchor schließt das Bild links komplett ab und rahmt mit der
umgebenden Platzbebauung den Blick des Betrachters, der sich
den unzähligen erzählerischen Details der Feinmalerei Kleins
hingeben kann: Gerade rollt eine Postkutsche nach hinten durch
das Bild, Spaziergänger gehen ihrem Tagwerk nach, einige Pferde
rasten an einer Mauer, ein berittener Kürassier bildet den Blickfang
des Bildvordergrundes. Unterhalb eines Kirchenfensters ist eine
Händlerin in einem kleinen Laden dargestellt. Klein könnte dieses
Detail als Anspielung auf die zu diesem Zeitpunkt (seit 1806)
profanisierte Kirche St. Klara eingefügt haben, die bis 1845 als
Lager- und Ausstellungshalle der Stadt diente.
Mit seinem bestechenden Wirklichkeitssinn und seiner kunsthistorischen Stellung als Bindeglied zwischen Spätromantik und Realismus ist Klein ein wichtiges Beispiel für die verfeinerte Malkultur
Nürnbergs im 19. Jahrhundert. Die helle, trockene Farbigkeit der
Ölmalerei lassen Kleins frühe Ausbildung als Graphiker durchscheinen. Unsere Stadtvedute Nürnbergs mit ihren erzählerischen
Reichtum atmet zudem den Geist der berühmten Stadtpanoramen
der Malerfamilie Canaletto, an deren architektonischer wie malerischer Präzision sich Klein orientiert haben dürfte. (OS)
Grisebach 06/2015
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244 Jakob Alt
Frankfurt a.M. 1789 – 1872 Wien
Das Dürerhaus in Nürnberg. 1845
Aquarell auf Papier. 21,9 x 16 cm (8 ⅝ x 6 ¼ in.).
Unten links signiert und datiert: J. Alt 1845. Rückseitig
unten mit Feder in Schwarz beschriftet: Aus Brügge[!]
von Jacob Alt gemalt / Sam[m]lung Gsell.
Leicht gebräunt. Fest auf Karton montiert. [3088] € 1.000 – 1.500
$ 1,080 – 1,620
Mit ihrem Kapitel zu Albrecht Dürer hatten Wackenroder und Tieck
in den viel gelesenen „Herzensergießungen eines kunstliebenden
Klosterbruders“ um 1800 einen neuen Höhepunkt der Dürerverehrung eingeleitet. 1826 erwarb die Stadt Nürnberg, von den
Romantikern als Stadt der „goldenen Zeit“ verherrlicht, Dürers
langjähriges Wohn- und Atelierhaus. Zwei Jahre später wurde hier
das erste deutsche Künstlermuseum eingerichtet. Die Wirk- und
Arbeitsstätte des berühmten deutschen Künstler-Genies wurde zum
beliebten Wallfahrtsort und Künstlertreffpunkt.
Jacob Alt zeigt uns den malerischen Blick über den Tiergärtnertorplatz hinüber zum Dürerhaus und zum dahinterliegenden Torturm
– aufgrund des erhaltenen alten Baubestands noch heute eine
der schönsten Ansichten der Nürnberger Innenstadt. Topografisch
präzise, subtil illuminierte Veduten, wie sie auch unser Blatt zeigt,
gehören zu den künstlerischen Aushängeschildern des deutschösterreichischen Landschafts- und Architekturmalers.
245 Eduard Friedrich Pape
1817 – Berlin – 1905
„Schloßhof zu Quedlinburg“.
Aquarell über Bleistift auf Papier. 22,8 x 27,5 cm (9 x 10 ⅞ in.).
Unten rechts mit Bleistift betitelt und signiert: Schloßhof
zu Quedlinburg Eduard Pape.
Gebräunt, leicht fleckig. [3013] € 600 – 800
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$ 647 – 862
Grisebach 06/2015
246 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
Regensburger Häuser. 1894
Bleistift, gewischt, auf Papier. 21 x 13 cm (8 ¼ x 5 ⅛ in.).
Oben links monogrammiert, datiert und bezeichnet: A. M. / 94.
Regensburg. Fest auf grauen Karton montiert. [3144] Gerahmt.
Ausstellung: Adolph von Menzel, 1815–1905. Ausstellung von
Gemälden, Gouachen, Pastellen, Zeichnungen. Berlin, Galerien
Thannhauser, 1928, Kat.-Nr. 268
€ 12.000 – 15.000$ 12,900 – 16,200
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Grisebach 06/2015
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247 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
Junge Frau im Biedermeierkleid. (Vor) 1850
Aquarell auf leichtem Karton (Prägestempel: Bristol Paper).
17,9 x 14,8 cm (7 x 5 ⅞ in.).
Auf einem unten angesetzten Stück desselben Kartons mit
Feder in Braun bezeichnet: Rechnen Sie verehrter Freund !
der Kleinen ihr spätes Erscheinen nicht an, sie soll Ihnen
dafür sagen, mit welchen Wünschen für Ihr Wohl-Ergehen
und -Befinden ich heut zum Beginn 1850 an Sie denke. A. M.
[3404] Gerahmt.
Provenienz: Privatsammlung, Berlin
€ 20.000 – 30.000
$ 21,600 – 32,300
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität der Zeichnung.
Die Geschichte beginnt also damit, daß sich Adolph Menzel ein
Buch ausleiht. Und daß ihn irgendwann das schlechte Gewissen
plagt gegenüber dem Freund, der auf ihn warten muß. Und als
Menzel dann also in den letzten Tagen des Jahres 1849 nach
vorne blickt (was immer heißt, das man kurz im Rückspiegel
schaut, ob alles frei ist), dann fällt ihm siedendheiß ein, daß er
noch eine alte Rechnung begleichen muß. Und so setzt er sich
also hin an Silvester oder am Neujahrstage, dem 1.Januar 1850,
nimmt seine Aquarellfarben und legt los: Aus dem dunklen Loch
der Erinnerung, in die das entliehende Buch gefallen war, lässt
Menzel eine kleine Himmelsbotin treten, zeitgenössisch gekleidet und sich engelsgleich elegant bewegend, hält sie in ihrer
Hand das fragliche Buch. Sicher lag es dem kleinen Bild bei, das
Menzel dem Eigentümer als Entschuldigungsgruß beifügte – und
dazu also die Zeilen: „Rechnen Sie verehrter Freund ! der Kleinen
Ihr spätes Erscheinen nicht an, sie soll Ihnen dafür sagen,
mit welchen Wünschen für Ihr Wohl-Ergehen und -Befinden
ich heut zum Beginn 1850 an Sie denke. A.M.“
So also kann es kommen. Ein kleines Versäumnis wird Anlaß für
große Kunst. Menzel lässt seine junge Botin so duftig und leicht
aus den roten Aquarellfarben erwachsen, so schwebend und
doch so real zugleich, daß es kein Wunder ist, daß er in seinen
Zeilen nicht das Buch erwähnt, sondern nur die „Kleine“. Aber
die wird es nicht sein, deren Rückgabe er verzögert hat. Sondern doch wohl das, was sie in der Hand trägt und was allein
dadurch, wie sie es trägt, so zärtlich und doch so bestimmt,
noch einmal neu geadelt wird.
Menzel offenbart hier einen privaten Moment, einen Anflug von
schlechtem Gewissen. Doch er begegnet ihn mit einem Höhenflug der Aquarellkunst. Das sollte man auch immer im Hinterkopf haben bei diesem großen Künstler, dem das Kissen bildwürdig blieb, auch wenn er Krönungen malte und den der eigene
Fuß malerisch mindestens so interessierte wie ein Flötenkonzert
von Friedrich dem Großen: daß es nur einen Funken brauchte,
nur einen Blick, einen Gedanken, einen Sonnenstrahl oder einen
Windhauch wie bei seinem legendären „Balkonzimmer“, um in
ihm die Grundlage zu legen für ein bedeutendes Werk. Und daß
sich bei ihm die Grenzen zwischen High und Low, Öffentlichem
und Privaten, Auftrag und Spielerei, von Anfang an und bis zum
Ende, aufs Schönste und Verwirrenste vermischten. (FI)
134
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
135
248 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
„Omnibus (Erinnerung)“. Um 1848
Pastell auf braunem Papier. 17,8 x 20,8 cm (7 x 8 ¼ in.).
Links oben am Rand bezeichnet: Omnibus Erinn[erung].
Auf der Rückpappe das Rahmenmachers Edel-Büchel in Straßburg.
Berieben, kleine Randmängel. [3342] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Prof. Dr. Georg Gerland, Straßburg
(wohl nach 1875 erworben, bis 1919) und Prof. Dr. Heinrich
Gerland, Jena (seitdem in Familienbesitz)
€ 40.000 – 60.000
$ 43,100 – 64,700
Wir danken Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin,
für die Bestätigung der Authentizität der Zeichnung
In diesem ungewöhnlichen Bild begegnet sich in der zarten und
empfindlichen Technik der Kreidezeichnung das vergangene
18. Jahrhundert mit der Prosa eines technikbestimmten neuen
Jahrhunderts. Menzel hatte während der Arbeit an den friderizianischen Themen in den 40er Jahren begonnen, sich auch des
Pastellmalens zu befleißigen und darin in einigen Kompositionen
zu brillieren, etwa dem Aufbewahrungssaal der Gipsabgüsse im
Alten Museum von 1848 (Berlin Kupferstichkabinett). Feinste
Kreidezeichnungen entstanden aber vor allen, wenn er intime
Beobachtungen aus seiner Umwelt im Bild festgehalten hat:
Personen im Konzert, Männer, Frauen und Kinder, gesehen bei
alltäglichen Verrichtungen, auch einige Porträts sind in farbiger
Kreide entstanden.
Hier im Bild nun trifft beides zusammen, die feine, altmodische
Technik und Menzels große Leidenschaft, sein bis ins hohe Alter
stets waches Interesse für alles Neuartige, jedwede als Fortschritt
empfundene technische Neuerung. Bereits 1847 hatte er zum
Beispiel das kleine Ölbild der Berlin – Potsdamer Bahn gemalt und
darin festgehalten wie der Schienenstrang mit der dampfenden
Lokomotive vor dem langen Zug die einst ungestörte Landschaft
unerbittlich in großem Bogen zerschneidet. Die Novität des künstlerischen Sujets erkennend, hatte Hugo von Tschudi das Gemälde
bereits 1899 für die National-Galerie erworben.
Allerdings zeigt sich im vorliegenden Pastell dieser Fortschritt
noch auf rätselvolle Weise beinahe idyllisch. Da sitzt eine Frau mit
einem Kindchen im Arm auf einer Bank in der Ecke eines kaum näher definierten Raumes. Die Wand neben ihr ist oberhalb geöffnet
durch ein quer oblonges Fenster mit einem Gitterschutz am unteren Rand, da wohl ohne Glas. Licht und Schatten im Ausblick sind
nicht zu deuten. Der Mantel der Reisenden zeigt ein in dieser Zeit
der 40er Jahre beliebtes Karo. Ihr Gesicht wird verdeckt von einer
Schute. Mit ihren langen, seitlich herabfallenden Schleierteilen
und dem von einer Schnur hinten zusammengezogenen Kopfteil,
ist sie gleichfalls zeitgemäß. Damals wurde diese Art Schutenhut
auch „Pamelahut“ genannt nach der Heldin eines berühmten
136
Romans des Engländers Richardson. Die Hand im auffälligen
blauen Handschuh, die schützend auf dem Kind liegt sowie das
Kinderbeinchen, das aus der Umhüllung einer wärmenden Decke
hervor lugt, deuten auf Kälte, sind jedoch zugleich künstlerischer
Blickfang, ein Verfremdungseffekt, der die scheinbare Idylle stört
und hindeutet auf damalige Gegenwart, auf winterliches Leben in
der Stadt Berlin.
Dennoch, ließe sich heute schwerlich erkennen, daß Menzel
hier einen Blick ins Innere eines Omnibusses getan hat, wenn
er es nicht auf dem Blatt notiert hätte. Es war auch durchaus
kein motorisierter Omnibus, sondern ein Pferdeomnibus. Berlin
hatte ab Januar 1847 zunächst ein Netz von fünf Pferdebuslinien eingerichtet, so konnte man zum Beispiel vom Alexanderplatz zur Tiergartenstraße gelangen. Der Bus war letztlich ein
schlichter Kasten mit Bänken entlang der Längswände, der von
zwei Pferden gezogen wurde. Ein Fenster gab es wohl vorn und
mehrere an den Seiten. Bis 1865 blieben diese Pferdeomnibusse
innerstädtisches Verkehrsmittel.
Mit fortschreitendem Jahrhundert hat Menzel dann mehr und
mehr den beginnenden Eisenbahntourismus in seine Gegenwartsmotive einbezogen. Ließ er doch selbst nach den 50er
Jahren keinen Sommer ohne weite Reisen in Deutschland vergehen. Er gehört neben einigen Engländern und Honorè Daumier
zu den ersten Malern, die sich mit dem Sujet des Bahnreisens
künstlerisch auseinander gesetzt haben. Seine Arbeiten sind
weniger sozial determiniert als etwa Daumiers Lithographien
und Gemälde der 50er Jahre von den Fahrgästen 3. Klasse, deren
Komik immer ernste Dramatik beiwohnt. Menzel fesselt am Reisenden vielmehr das Psychologisch-Groteske seiner Erscheinung,
die merkwürdigen Veränderungen, die sein Gehabe unter dem
Zwang offenbart, der ihm auferlegt wird beim Zusammentreffen
mit fremden Menschen in der Enge eines Abteils.
Seinem schonungslosen Blick entgeht keine Entgleisung zivilen
Benehmens, es wird im Bild fixiert als Symptom einer Entwicklung. Ein ungeniert gähnender Herr im Eisenbahncoupé (Berlin
Kupferstichkabinett) ist die letzte im Jahr 1859 mit Pastellkreiden
ausgeführte Arbeit.
In Menzels Bildern wird der Wandel der Zeiten außer im Sujet
auch in der Wahl der Mittel deutlich. Die anfänglich zart farbigen,
leichten und lockeren Kreidetöne wandeln sich allmählich zu derberen Farbklängen, um Ende der 50er Jahre ganz von kräftigen,
deckenden Gouachefarben abgelöst zu werden.
Die hier vorliegende Arbeit der Frau im Omnibus gehört hingegen
noch zu den seltenen und kostbaren Pastellen mit dem Flair der
Biedermeierzeit. Menzel hat der fragilen Kreide-Technik nur eine
kurze Zeit seines frühen Schaffens gewidmet.
Marie Ursula Riemann-Reyher, Berlin
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
137
250 Franz von Lenbach
Schrobenhausen 1836 – 1904 München
Otto Fürst von Bismarck. 1894
Öl auf Leinwand. Doubliert. 86,5 x 71 cm (34 x 28 in.).
Oben links signiert und datiert: F. Lenbach 1894.
Kleine Retuschen. [3239] Gerahmt.
Provenienz: Um 1900 direkt beim Künstler erworben
(seitdem in Familienbesitz)
€ 10.000 – 15.000
138
$ 10,800 – 16,200
„In dem politischen Raum, in dieser Nation, die Bismarck geschaffen
hat, bewegen wir uns im Grunde noch immer. Wir leben in Institutionen, die er 1866 entworfen, und im Sozialstaat, dessen Grundstein
er gelegt hat. Wenn wir uns mit Otto von Bismarck beschäftigen,
dann verstehen wir Preußen und Deutschland im 19. Jahrhundert.
Und wir werden ein Stück weiser für den Umgang mit unseren
heutigen Problemen.“ (Wolfgang Schäuble).
Grisebach 06/2015
251N Franz von Lenbach
Schrobenhausen 1836 – 1904 München
Otto Fürst von Bismarck. 1891
Öl auf Pappe. 84,6 x 69,9 cm (33 ¼ x 27 ½ in.).
Unten rechts mit Bleistift signiert: F. Lenbach.
[3420] Gerahmt.
Provenienz: F. Lindow (1891 als Geschenk des Künstlers
erhalten) / Kunstsalon Rheinland, Berlin (bis 1917) /
Privatsammlung, USA (im Kunstsalon Rheinland erworben,
seitdem im Familienbesitz).
Der erste Besitzer, F. Lindow war der Erzieher von Bismarcks
Kindern und hat unser Bild im Jahre 1891 in Friedrichsruh
als Weihnachtsgeschenk des Künstlers erhalten.
Ausstellung: Kaiser-Friedrich-Museum, Posen (um 1917)
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Grisebach 06/2015
139
252 Wilhelm Leibl
Köln 1844 – 1900 Würzburg
„Zwei Frauenhände (ein Buch haltend)“. Um 1885/90
Öl auf Leinwand. Doubliert. 48,5 x 58 cm (19 ⅛ x 22 ⅞ in.).
Unten rechts signiert: W. Leibl. Auf dem Keilrahmen ein
Etikett der Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt.
Waldmann 186. –
Restauriert. [3398] Gerahmt.
Provenienz: Nachlaß Wilhelm Trübner, Karlsruhe (spätestens 1914
bis 1917) / Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt (bis 2005) /
Privatsammlung, Deutschland / Privatsammlung, Hessen
Ausstellung: „Rein malerisch“. Wilhelm Leibl und sein Kreis.
Würzburg, Museum im Kulturspeicher, 2013/14, Kat.-Nr. 96, mit
ganzseitiger Farbabbildung
140
Literatur und Abbildung: Emil Waldmann: Wilhelm Leibl. Eine
Darstellung seiner Kunst. Gesamtverzeichnis seiner Gemälde.
Berlin, Cassirer, 1914, Kat.-Nr. 179, Abb. 154 / Versteigerungskatalog 1806 B: Nachlass Wilhelm Trübner. I. Teil: Eigene
Gemälde, Arbeiten seiner Gattin Alice, Werke aus dem
Freundeskreise. Berlin, Rudolph Lepke‘s Kunst-Auctions-Haus,
4.6.1918, Kat.-Nr. 206, ganzseitige Abb. Tf. 89 / Georg Jacob
Wolf: Leibl und sein Kreis. München, Bruckmann, 1923, S. 80,
m. Abbildung / Eberhard Ruhmer: Der Leibl-Kreis und die Reine
Malerei. Rosenheim, Rosenheimer Verlagshaus, 1984, S. 39, Abb.
34 / Sonderauktion: Bilder aus der Sammlung Georg Schäfer I.
München, Neumeister, 24.2.2005, Kat.-Nr. 54, m. Farbabbildung
€ 25.000 – 35.000
Grisebach 06/2015
$ 26,900 – 37,700
253 František Kupka
Opočno 1871 – 1957 Puteaux
Le couple. Um 1902
Tempera über Bleistift auf Karton. 34,5 x 31,5 cm
(13 ⅝ x 12 ⅜ in.). Unten rechts (schwer lesbar) signiert: Kupka.
Mit einer Bestätigung (in Kopie) von Pierre Brullé, Paris,
vom 26. April 2002. –
Kleine Farbverluste. [3495] Gerahmt.
€ 25.000 – 35.000
$ 26,900 – 37,700
Grisebach 06/2015
141
254 Wilhelm Leibl
Köln 1844 – 1900 Würzburg
„Bauernmädchen mit weißem Halstuch“. 1897
Öl auf Mahagoni-Holz. 37 x 29 cm (14 ⅝ x 11 ⅜ in.).
Oben rechts signiert und datiert: W. Leibl 97.
Waldmann 242. –
[3046] Gerahmt.
Provenienz: Deutscher Kunstverein, Berlin (1897 erworben und
verlost) / Dr. Alexander Lewin, Guben (spätestens 1930 erworben, ein Verkauf über E. Litthauer, Berlin, an die Galerie
Heinemann, München, im April/Mai 1938 kam nicht zustande) /
Deutsches Reich (spätestens im Frühjahr 1939 für das „Führermuseum“ in Linz erworben, Nr. 547) / Central Collecting Point
(1945 übernommen, Property Card mü 11219) / Bundesrepublik
Deutschland (1952 treuhänderisch aus dem Restbestand des CCP
erhalten, 1966 als Dauerleihgabe an die Kunsthalle Bremen überwiesen; Inv.-Nr. 939–1966/21) / Erben nach Dr. Alexander Lewin
(restituiert am 30.9.2009)
Ausstellung: Wilhelm Leibl und sein Kreis [...]. München,
Städtische Galerie im Lenbachhaus, 1974, Kat.-Nr. 38, m.
ganzseitiger Abbildung / Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag.
München, Neue Pinakothek, und Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
1994, S. 484, Kat.-Nr. 162, m. ganzseitiger Farbabb. S. 485 /
Die Kunsthalle Bremen zu Gast in Bonn. Meisterwerke aus sechs
Jahrhunderten. Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1997/98, S. 71f., Farbabb. S. 72
Literatur und Abbildung: Georg Gronau: Leibl. Bielefeld und
Leipzig, Verlag von Velhagen & Klasing, 1901 (= KünstlerMonographien, hrsg. v. H. Knackfuß. Bd. L), S. 59, Abb. 52
(„Bauernmädchen“), u. S. 64f. / Emil Waldmann: Wilhelm Leibl.
Eine Darstellung seiner Kunst. Gesamtverzeichnis seiner Gemälde.
Berlin, Cassirer, 1914, Kat.-Nr. 235, Abb. 205 / Katalog der
Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts in der Kunsthalle Bremen.
Bearb. v. Gerhard Gerkens und Ursula Heiderich. Bremen 1973,
Textband S. 178, Abbildungsband Abb. 232 / Günter Busch und
Jürgen Schultze: Meisterwerke der Kunsthalle Bremen. Bremen
1973, Kat.-Nr. 159, m. Abb. / Günter Busch: Kunsthalle Bremen.
Braunschweig 1980 [Reihe „museum“], S. 91, Abb. S. 87 /
Eberhard Ruhmer: Der Leibl-Kreis und die Reine Malerei.
Rosenheim, Rosenheimer Verlagshaus, 1984, S. 109 u. S. 401,
Nr. 175, m. ganzseitiger Abb. S. 294 / Siegfried Salzmann (Hg.):
Kunsthalle Bremen. Eine Auswahl der Hauptwerke. Bremen 1989,
S. 61, m. Farbabb. / Kunsthalle Bremen. Verzeichnis sämtlicher
Gemälde. Bearb. v. Andreas Kreul. Wiesbaden 1994, Kat.-Nr. 616 /
Wulf Herzogenrath und Ortrud Westheider: Kunsthalle Bremen.
Picture Gallery, Print Room and New Media. (Paris?) Musées et
Monuments de France, 1998, S. 77, ganzseitige Farbabbildung
S. 76 / Kunsthalle Bremen, Band I: Meisterwerke. Gemälde,
Skulpturen und Neue Medien. Bremen 1998, unpag., mit einem
Text von Andreas Kreul und ganzseitiger Farbabbildung / Birgit
Schwarz: Hitlers Museum. Die Fotoalben „Gemäldegalerie Linz“:
Dokumente zum „Führermuseum“. Wien/Köln/Weimar, Böhlau
Verlag, 2004, S. 312, Bd. XII (verschollen), Nr. XII/35
€ 200.000 – 300.000
$ 216,000 – 323,000
142
Max Liebermann, der wichtigste deutsche Maler seiner Generation,
ist 1878 ausdrücklich wegen Wilhelm Leibl nach München übergesiedelt. Für Julius Meier - Graefe, den einzigartigen Kritiker, Gelehrten
und Schriftsteller, ist Leibl „der Bildnismaler der neueren Zeit, der
größte seit Rembrandt“ gewesen, und sogar van Gogh wusste die
Kunst seines Zeitgenossen zu rühmen. Mit der Erinnerung an diese
drei Zeugen für den hohen Rang Leibls und eigenem Anschauungsvermögen ist auch das Bauernmädchen zu würdigen. Leibl hat hier seine
junge Köchin Theresia Haltmaier porträtiert, als er im oberbayrischen
Kutterling lebte, seit 1892. Sie wurde von ihm mehrfach als Modell in
Malerei und Zeichnung genutzt, etwa für Küchenszenen, sodaß sie
bald „Malresl“ hieß. Nur Modell ist sie hier allerdings nicht gewesen,
auch handelt es sich nicht um eine Studie, vielmehr um ein selbständiges Porträt. Das Mädchen ist sehr nahe genommen und als Brustbild gegeben, sitzend, etwas von oben, ein wenig aus der Vorderansicht gewendet und darüber hinaus den Kopf leicht geneigt. Diese
Neigung verstärkt die ernste, sogar traurige Miene, aber die Haare
sind straff nach hinten gezogen, das Halstuch energisch geknotet, die
Unterlippe mit einem Anflug von Trotz vorgeschoben, sodaß nicht nur
ein einziger Charakterzug zur Wirkung kommt, sondern letztlich ein
komplexes Verhältnis aus Empfindsamkeit und Willensstärke entsteht.
„Von jeher war mein einziges Streben und wird es auch künftig bleiben“,
hat Leibl an den Freund und Biographen Julius Mayr über seine
Menschendarstellung geschrieben, „auf die Feinheiten, welche nur die
Natur bietet, so genau wie möglich einzugehen und sehe darin auch nur
den einzigen Weg, welcher der Kunst würdig ist.“
Wilhelm Leibl, geboren in Köln 1844 und gestorben 1900 nach
Jahren in München, Paris und wechselnden Orten in Oberbayern, hat
das Gemälde verhältnismäßig spät geschaffen. Das „Bildnis der Mina
Gedon“, die „Drei Frauen in der Kirche“, die sogenannten „Dorfpolitiker“ und die „Wildschützen“ lagen bereits zurück. Schon früh hat
Leibl Anerkennung von Courbet wie überhaupt in Paris, aber auch
von deutschen Zeitgenossen erhalten, von denen einige den LeiblKreis bildeten. Man wußte, hier zeigt sich ein Künstler von hohem
Rang, der die Konventionen der Zeit beiseite ließ und aus enger
Beziehung zur Natur die Menschen im Reichtum ihrer Individualität
darzustellen vermochte – ganz sachlich. Solche aus dem unmittelbaren Verhältnis zur Natur gewonnene Sachlichkeit war seit der Mitte
des Jahrhunderts in Europa langsam zur Wirkung gekommen und
wurde dann folgenreich über das Jahrhundert hinaus. Es ist eine neue
bürgerliche Kunst in der Nachfolge der holländischen Malerei des
17. Jahrhunderts. Wilhelm Leibl ist einer ihrer bedeutendsten Vertreter.
Das holländische Erbe sieht man dem Bauernmädchen nicht nur in
der Auffassung an, sondern auch in der Malweise. In großzügigem
Pinselduktus sind der grünblaue Hintergrund, die graue Bluse und
das weiße Halstuch gemalt, sodaß man an Frans Hals erinnert wird,
aber die kleinteiliger gesetzten Striche des Borstenpinsels im Gesicht
und dessen plastische Modellierung durch Licht wie Schatten lassen
an manche Werke Rembrandts denken. Mit dessen Menschen haben
die Menschen Leibls auch den ernsten Ausdruck gemein. Beide
Holländer hat der Nachfahre sehr geschätzt, ohne daß er in solcher
Wertschätzung zum bloßen Nachahmer geworden wäre. Ihm sind die
jüngeren Tendenzen ebenfalls nicht verborgen geblieben, die sich im
Verzicht auf Erdfarben und in einer lichteren Palette zeigten. Dergleichen macht sich in der Kunst Leibls seit etwa 1890 bemerkbar
und ist dem Bauernmädchen in der Farbigkeit selbst dunkler Partien
wie im leuchtend-frischen Inkarnat des Gesichtes anzusehen.
So haben wir es hier insgesamt mit einem charakteristischen,
reichen und schönen Werk der Bildniskunst von Wilhelm Leibl zu tun,
zugleich mit einem der verhältnismäßig seltenen Porträts aus der
Spätzeit.
Christian Lenz, München
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
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255 Adolph Menzel
Breslau 1815 – 1905 Berlin
damals schriftliche Verhaltensregeln bei einer Bitterwasserkur ausgearbeitet – und zwei selbst gejagte Schnepfen vorbeigebracht, weil
Menzel bekannt hatte, noch nie Wildbret gegessen zu haben. Menzel
hatte sich mit einem Schnepfen-Bildchen bedankt, denn er hatte die
Vögel zuerst gemalt und dann verspeist.
„Im Peterskeller zu Salzburg“. 1888
Gouache auf leichtem Karton, auf Karton aufgezogen.
20,4 x 26,9 cm (8 x 10 ⅝ in.). Unten rechts mit Feder in Braun
signiert und datiert: Adolph Menzel Jan. 1888. Oben rechts mit
Widmung bezeichnet: Herzlichste Wünsche zum 70ten.! Familie
Krigar=Menzel 16 Januar 88. Auf der Rückpappe Etiketten der
Ausstellungen Berlin und Leipzig 1905 sowie Berlin 1928 (s. u.).
Tschudi 665. –
[3125] Gerahmt.
Provenienz: Geh. Sanitätsrat Friedrich Körte, Berlin (1888–1914) /
Galerien Thannhauser, Berlin (1928) / Dr. Günther Quandt, Bad
Homburg / Harald Quandt, Bad Homburg (1954 von seinem Vater
Günther Quandt geerbt, bis 1967) / Privatsammlung, Berlin
Ausstellung: Ausstellung von Werken Adolph von Menzels. Berlin,
Königliche National-Galerie, 1905, II. Auflage, Kat.-Nr. 5703 / Adolph
Menzel. Sonderausstellung zum Gedächtnis des Meisters. Leipzig,
Leipziger Kunstverein, im Museum der Bildenden Künste, 1905, Kat.Nr. 170 / Adolph von Menzel, 1815–1905. Ausstellung von
Gemälden, Gouachen, Pastellen, Zeichnungen. Berlin, Galerien
Thannhauser, 1928, Kat.-Nr. 120 / Adolph von Menzel. Aus Anlaß
seines 50. Todestages. Berlin, Museum Dahlem (ehem. Staatliche
Museen Berlin, National-Galerie), 1955, Kat.-Nr. 135 (dort irrtümlich
Herbert Quandt als Besitzer angegeben)
Literatur und Abbildung: Marie Ursula Riemann-Reyher: Adolph
Menzels Blick auf Salzburg. Eindrücke von 1852–1901. In: Wolfram
Morath (Hrsg.): Sommerreisen nach Salzburg im 19. Jahrhundert.
Ergebnisse eines interdisziplinären Symposiums, Berlin, 27. bis 29.
Oktober 1994. Salzburg, Carolino Augusteum, 1998 (= Jahresschrift
43/44), S. 170, Anm. 19 / Claude Keisch und Marie Ursula
Riemann-Reyher (Hrsg.): Adolph Menzel, Briefe. 1830 bis 1905. 4
Bände. Berlin, Deutscher Kunstverlag, 2009, hier Bd. 2, S. 835
€ 50.000 – 70.000
$ 53,900 – 75,400
Es gehörte zu den liebenswürdigen Eigenschaften Adolph Menzels,
dass er seine Familie, Freunde und vertraute Personen zu den
unterschiedlichsten Gelegenheiten mit ganz persönlichen, meist
ausgesprochen originellen Bildergeschenken überraschte. Bis ins
hohe Alter – er war in Berlin „selbst schon historisch geworden“,
so ein Zeitgenosse – wurde der von Außenstehenden oft als kauzig
beschriebene Künstler nicht müde, auf diese Weise bestimmten
Personen seine Wertschätzung auszudrücken. Eine solche Gelegenheit, oder in diesem Fall ein solcher Anlaß, war der 70ste Geburtstag
seines Hausarztes und Freundes Friedrich Körte. Körte, geboren 1818
und somit fast im gleichen Alter wie Menzel, war ein Großneffe des
Dichters Ludwig Gleim. Seit 1850 war er mit Anna Thaer verheiratet,
Enkelin des bedeutenden Agrarwissenschaftlers Albrecht Thaer. Als
praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer führte Körte eine ausgesprochen gut gehende Praxis in Berlin: seine Patienten waren u.a. die
Familien Krupp, Borsig und von Siemens. Menzel und Körte kannten
sich spätestens seit den frühen 1860er Jahren. Körte hatte für Menzel
144
Ob auch unser Aquarell auf einem gemeinsamen Erlebnis basiert,
ist bisher nicht zu belegen. Denkbar wäre es und es würde zu
Menzel passen. Das Salzkammergut und die Mozartstadt waren
Menzel jedenfalls vertrauter als manch andere Gegend. Auch das
Gasthaus, in dem die Szene spielt, kannte er offenbar recht gut.
Schon 1852 hatte Menzel im Rahmen einer große Sommerreise
nach Süddeutschland und u.a. Salzburg ein Pastell ausgeführt,
das er mit „Philister-Stiftskellerei der Benediktiner in Salzburg“
beschriftete (Berlin, Kupferstichkabinett). Es zeigt zechende Männer
im Peterskeller. Nachdem er 1871 erneut in der Stadt war, schrieb
er seinem Schwager von der angenehm gemischten Gesellschaft in
jenem großzügigen und traditionsreichen Restaurant (A. Menzel an
H. Krigar, Wien, 10. August 1871). Tatsächlich gibt es den Peterskeller in Salzburg, der eigentlich Stiftskeller St. Peter heißt, noch heute.
Es ist das älteste Gasthaus der Stadt (einige Stimmen flüstern, es sei
das älteste Restaurant Europas). Bereits 803 wurde das ursprüngliche Gästehaus der Benediktinermönche erstmals von einem
Gefolgsmann Karls des Großen erwähnt, 1300 von einem Mönch
beschrieben. (Woher selbst Faust von dem Gewölbelokal gewusst
haben soll, bleibt unklar. Vielleicht hat ihm Goethe von dem guten
Wein erzählt. Menzel hätte das Wissen um eine solche Legende,
wenn es sie denn wirklich gibt, jedenfalls bestimmt gefallen).
Unser Aquarell gewährt uns einen intimen Einblick in einen nicht
näher bestimmten Raum des Gasthauses, an einem Abend unter
Freunden zu fortgeschrittener Stunde. Im Bildentrum sitzt – im Profil
nach links – ein etwas beleibter grauhaariger Mann mit gepflegtem
Bart, dunklem Gehrock und hellgrauer Hose auf einem Bauernstuhl
an einem einfachen Holztisch. Es ist höchstwahrscheinlich der
Jubilar Friedrich Körte. Sein wachträumender, starrender Blick
verrät, dass seine Gedanken die vertraute Runde längst verlassen
haben – die geröteten Wangen und Nase, daß das Bier in seiner
Hand nicht das einzige an dem Abend war.
An Körtes Tisch sitzen zwei weitere Personen etwa im gleichen Alter
wie Körte, vielleicht ein befreundetes Ehepaar, nebeneinander an der
Wand. Sie trägt eine etwas matronenhafte, zurückhaltend gemusterte weiße Bluse, streng nach hinten gebundene Haare und Perlenohringe. Ihre wachen, Vertrautheit ausstrahlenden Augen sind auf
den Mann an ihrer Seite gerichtet, dem sie offenbar etwas mitteilen
möchte, der ihr aber nicht zuhört. Auch er, wahrscheinlich ihr Gatte,
ist süddeutsch oder im ländlichen Trachtenstil der Gegend gekleidet.
Anstatt mit seiner Frau versucht er mit einer Person außerhalb der
Runde Kontakt aufzunehmen – und blickt uns dabei an. Menzel hat
ihn so hinter dem raumeinnehmenden Körte platziert, daß er sich
strecken muss, um mit ins Bild gelangen und unsere Aufmerksamkeit erhaschen zu können. Auf eine wunderbar skurrile und für Menzel typische Weise bildet er (scheinbar zufällig) gerade dadurch eine
Einheit mit dem stoisch abgewandten Jubilar – erscheint wie dessen
Alterego, das, genau um 90° gedreht, frontal und uns zugewandt
hinter Körte auftaucht. Im Gegensatz zum städtisch gekleideten
Körte, der seinen vornehmen grauen Hut neben sich auf dem Stuhl
abgelegt hat, sitzt seine jagdgrüne Kopfbedeckung mit Gamsbart
fest auf seinem Kopf. Statt der Zigarre steckt eine Pfeife in seinem
Mund. Es sind noch mindestens zwei weitere Personen im Raum.
Hinter Körte, vom rechten Bildrand angeschnitten, sitzt eine dunkelhaarige, behütete Frau mit weißer Spitzenbluse und beigefarbenem
Grisebach 06/2015
Mantel. Sie ist – ebenfalls ein vertrautes Menzelmotiv – kurzfristig
eingenickt. Ihr Kinn ist leicht auf die Brust gesunken, ihre Hutkrempe
verschattet ihr Gesicht, die Hände liegen in ihrem Schoß. Es ist recht
wahrscheinlich, dass es sich um Körtes Ehefrau, Anna Thaer, handelt.
Auch sie ist städtisch elegant gekleidet. Obwohl sie sich offenbar
schon aus der Runde verabschiedet hat, verharrt sie liebevoll-geduldig
neben ihrem Mann - trotz ihrer Müdigkeit vornehm Haltung bewahrend (man möchte glauben, daß ihr Kopf jeden Moment auf die
vor ihr geradezu dazu einladende Tischkonsole sinken muß). Diese
Bewegungsrichtung des müde in sich Zusammensinkens wird von der
letzten Person im Raum noch unterstrichen. Sie ist Frau Körte in der
Diagonale zugeordnet und wird ebenfalls vom (nun linken) Bildrand
abgeschnitten. Es ist ein Kellner, und damit die einzige außenstehende
Person. Er betritt aus der linken Ecke kommend den Bildraum. Seine
durchwühlten Haare, seine müden Augen und seine leicht nach vorne
kippende Haltung weisen erneut auf einen bereits langen Abend hin.
Bildkompositorisch bildet der Kellner den Anfangs- und den Schlussstein. Aus Menzels Aquarell spricht eine ausgesprochene Vertrautheit
und Nähe zu dieser kleinen Versammlung unter Freunden. Er wählt,
was bezeichnend für ihn ist, weder den Moment des Zusammentreffens, noch des feierlichen Hochlebens des Geburtstagskindes. Im
Gegenteil hat der Abend seinen Höhepunkt längs überschritten. Jegliche gesellschaftlichen und Benimmregeln sind von dem Gastgeber als
auch den (übrig gebliebenen) Gästen ad acta gelegt worden.
Unser Aquarell stellt erneut Menzels ebenso geniale wie feine Beobachtungsgabe, sein bildkompositorisches Talent und (nicht zuletzt)
sein malerisches Können vor. Jede seiner Figuren ist anders geneigt
und aus einem anderen Blickwinkel gezeigt, sie reden noch nicht
einmal miteinander, keine ihrer Blicke treffen sich - und doch sind
sie in einem harmonischen Rhythmus miteinander vereint, es dürfte
keiner von ihnen fehlen. Haltung und Ausdruck eines jeden Einzelnen
sprechen Bände. Zugleich widersteht Menzel der Gefahr, zu illustrativ,
zu kleinteilig, zu genau zu werden. Er zeigt sich als Maler und das Malerische ist es auch, was den besonderen Reiz des Blattes ausmacht.
Das weiße Lampenlicht - für das er offenbar einen Faible hatte, schon
in der kleinen Ölstudie „Abendgesellschaft“ (1846/Nationalgalerie)
steht es im Mittelpunkt – sucht sich spielerisch seinen Widerschein
auf den Körpern und Möbeln. Stoffe, Stofflichkeit und überhaupt
Oberflächen scheinen immer wieder ein rein malerisches Eigenleben zu entwickeln (etwa bei der Kleidung, beim Hut von Frau Körte
oder beim geschulterten Tuch des Kellners). Nichts ist statisch, alles
scheint lebendig und in ständiger Metamorphose. So auch der Stuhl
im Vordergrund – wir kennen dieses Motiv bereits aus anderen Bildern
des Künstlers –, auf dem Körte seinen Hut abgelegt hat. Er scheint
uns aus dem Betrachterraum geradezu entgegenzukippen, käme nicht
zufällig der Kellner um die Ecke.
Die Aufmerksamkeit, mit der Menzel seine Komposition angelegt hat,
machen zwei Vorstudien mit Farbproben deutlich, die sich im Berliner
Kupferstichkabinett erhalten haben: das eine Blatt zeigt den Kellner,
das andere – in leicht abgewandelter Form – die eingenickte Frau
(Körte). Menzel selbst mag mit dem Ergebnis zufrieden gewesen sein,
wie die großzügige Widmung und seine charakteristische Signatur
nahelegen. Sie machen dieses kostbare Bildergeschenk zu einem
Unikat, so unverwechselbar wie Menzels Kunst selbst. (AA)
Grisebach 06/2015
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256 Hermann Daur
(Lörrach-) Stetten 1870 – 1925 (Weil am Rhein-)
Ötlingen
„Vor den Bergen“. 1908
Öl auf Leinwand. 54 x 85 cm (21 ¼ x 33 ½ in.).
Unten links signiert und datiert: H. DAUR. 08. [3126] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt a.M./
Schönstadt (um 1908 erworben, seitdem in Familienbesitz)
Literatur und Abbildung: Hermann Eris Busse: Hermann Daur.
Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, II. Auflage 1927, S. 106
(irrtümlich im Verzeichnis der nicht datierten Gemälde), Abb. S. 65
€ 5.000 – 7.000
146
$ 5,390 – 7,540
Was für ein ungeheures Bild – eigentlich sieht man nur einen
baumbestandenen Abhang in der Schwäbischen Alb. Und doch
spürt man sofort viel mehr – es ist gemalter Jugendstil, in seinen
weichen, fließenden Formen, doch eben ein Jugendstil, der – sehr
ungewöhnlich – ganz ohne Figuren und ohne Ornament auskommt.
Genauso wenig fassbar und doch eindeutig spürbar ist ein leichter
Japonismus, eine Vorliebe für die harten Linien des japanischen
Holzschnitts, der in der Zeit um 1900 Europa in seinen Bann
schlug und der sich in den scherenschnittartigen Baumsilhouetten
ausdrückt.
Dieser Vorfrühlingstag auf der Schwäbischen Alb, der dem Autor
der Monographie von 1927 nicht im Original bekannt war und
sich weitere neunzig Jahre in Familienbesitz befand, läßt uns einen
neuen Blick auf den baden-württembergischen Maler Hermann
Daur werfen. Er darf ohne Übertreibung als eines seiner Hauptwerke
gelten.
Grisebach 06/2015
257 Max Klinger
Leipzig 1857 – 1920 Großjena b. Naumburg
stück übergeht. Im linken Bildhintergund sind einige große Solitärbäume mit rötlicher Laubfärbung zu erkennen. Die tiefe Horizontlinie,
typisch für die flache Szenerie der Leipziger Region, vermittelt zum
zwei Drittel des Bildes einnehmenden Himmel. Detaillierter herausgearbeitet sind die Bäume im Bildmittelgrund und deren buntes Herbstlaub. Klinger gelang es eindrucksvoll, die Lichtstimmung eines zu Ende
gehenden Oktober- oder Novembertages einzufangen und somit seine
Qualitäten als Landschafter unter Beweis zu stellen.
Weg im Park. Um 1890/1900
Aquarell über Bleistift auf genarbtem Papier. 27,6 x 38,2 cm
(10 ⅞ x 15 in.). Unten links monogrammiert: M K.
Rückseitig: Studie eines gotischen Kirchenportals. Bleistift
(Hochformat). [3413] Gerahmt.
€ 4.500 – 5.500
$ 4,850 – 5,930
Neben den graphischen Landschaftsdarstellungen und jenen in Öl
existieren eine ganze Reihe von gezeichneten Landschaften in Klingers
Œuvre, zumeist Aquarelle mit Tusche und Bleistift. Diese Zeichentechnik und der Blick Klingers in die natürliche Umwelt lassen sich bis in
die Jugendjahre des Meisters in den 1870er Jahren zurückverfolgen.
Schon bei dem Münchner Aquarell „Flußufer“ (1877, Staatliche
Graphische Sammlungen) finden wir diese erfrischende Kombination, die eine eher unbekanntere Seite des Symbolisten zeigt: Den
spontanen Zugang zur Natur, eine lichtdurchfluchtete Farbgebung,
eine malerischere Grundhaltung und eine zunehmende Auflösung der
Form gegenüber dem ansonsten die Tektonik und Linie so betonenden Klinger. Vermutlich handelt es sich bei unserem Bild um ein Stück
aus den 1890er Jahren, denn im Spätwerk des Künstlers tauchen zu
diesem Zeitpunkt „vor allem Landschaftsaquarelle auf“, wie Hildegard
Heyne schon 1925 in ihrer Anthologie zu Klinger feststellte.
Auch unser Werk, welches einen herbstlichen Waldesrand mit einem
Feldweg und einer vorgelagerten Wiese zeigt, hat diese Qualitäten der
Klinger’schen Aquarellkunst. Vermutlich fand Klinger das Motiv dafür
in der näheren Umgebung seiner Wirkungsstätte Leipzig. Mit wenigen
breiten Pinselstrichen füllt Klinger den Vordergrund des Bildes, der
rechts in einen diagonal verlaufenden Weg und dahinter in ein Wald-
Von besonderem Interesse ist auch die Rückseite des Landschaftsaquarells (Abb. im Online-Katalog). Sie zeigt eine skizzenhafte
Bleistiftstudie eines gotischen Kirchenportals sowie mehrere
Inschriften. Oben befindet sich die Künstlersignatur mit der Ortsangabe „Leipzig“ und rechts daneben die Echtheitsbestätigung durch
Otto Körtge, festgestellt am 10. Februar 1917 in Leipzig. Klinger
feierte in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag und wurde mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet.
In welchem Zusammenhang Klingers Architekturskizze – ein seltenes
Exempel für dieses Genre in seinem Werk – mit dem Landschaftsaquarell und der Beglaubigung durch Körtge steht, kann nicht
abschließend gesagt werden. Vermutlich handelt es sich dabei, wie
auch bei der Vorderseite, um eine Reisestudie Klingers, die einen
spontanen Eindruck für die Erinnerung festhalten sollte. Aufgrund
der architektonischen Details, der Gliederung des Portals und des
angedeuteten Skulpturenprogramms könnte es sich hierbei um den
nördlichen Seiteneingang des Erfurter Doms handeln. Das scheint
auch insofern plausibel, da sich Erfurt nur rund 80 Kilometer von
Klingers Landsitz in Großjena bei Naumburg befindet, den er ab
1903 regelmäßig bewohnte. Als Einheit betrachtet stellen das Landschaftsaquarell und die Architekturzeichnung ein ungewöhnliches
und einzigartiges künstlerisches und historisches Zeugnis für die
Schaffensweise des Künstlers und dessen technische wie thematische Bandbreite dar. (OS)
Grisebach 06/2015
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258 Franz Xaver Simm
Wien 1853 – 1918 München
Wasser, Schilf und Wiese (Studie).
Öl auf Leinwand auf Pappe aufgezogen. 21,3 x 31,8 cm
(8 ⅜ x 12 ½ in.). Unten rechts mit Pinsel in Rotbraun signiert:
F SIMM. Rückseitig mittig Nachlaßstempel in Sepia mit handschriftlichem Eintrag (Nummer und Unterschrift in schwarzer
Feder): Original von Franz Simm No III 48. bestätigt von: Elsa
Simm. [3157] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Nachlaß des Künstlers
€ 2.000 – 3.000
259 Der Wiener Künstler Franz Xaver Simm hat sich vor allem als
Maler kleiner Genrebilder und als Illustrator – z. B. der „Fliegenden Blätter“ und von Goethes „Faust“ – einen Namen gemacht.
Landschaftsdarstellungen kommen in seinem Œuvre dagegen
ausgesprochen selten vor.
Thema unserer Ölskizze sind pittoresk geknickte, nahsichtig aufgenommene Schilfstangen am Rande eines Gewässers. Das klare
Blau der fast ungestalteten Wasserfläche kontrastiert ebenso wie
das flächig aufgetragene Hellgrün der Wiese mit den Brauntönen
der abgestorbenen Halme. Frühlingsfarben treffen hier auf Wintertöne, vielleicht in den Isarauen Münchens? (SW)
$ 2,160 – 3,230
Friedrich Voltz
Nördlingen 1817 – 1886 München
Höhleneingang.
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen.
34 x 41,5 cm (13 ⅜ x 16 ⅜ in.).
Unten rechts signiert: F. Voltz.
[3047] Gerahmt.
€ 1.200 – 1.500
148
$ 1,290 – 1,620
Grisebach 06/2015
260 Toni (Anton) von Stadler
Göllersdorf/Niederösterreich 1850 – 1917 München
Alm vor zwei Berggipfeln. 1899
Öl auf Leinwand. 51,5 x 59,5 cm (20 ¼ x 23 ⅜ in.).
Unten rechts signiert und datiert: T. Stadler. 99.
[3047] Gerahmt.
€ 5.000 – 7.000
$ 5,390 – 7,540
Dies ist ein nur auf den ersten Blick unscheinbares Bild, denn
eigentlich geschieht etwas Revolutionäres. Wie die Maler der
Romantik die müde gewordene Vedutenmalerei des Klassizismus
überwanden, in dem sie die Landschaft durch ihr Naturstudium
vitalisierten und zugleich mit Stimmungen aufluden – so musste
wiederum zwei Generationen später die Spätromantik, die sich
immer häufiger in Alpenglühen und kitschiger Naturwehmut
erschöpfte, überwunden werden. Genau an diesem Punkt setzt das
Bild von Toni Stadler an – und zwar, in dem es radikal die Perspektive verändert. Als ließe der Künstler das gefährliche (weil gefällige)
Motiv des Gipfels, der seit Caspar David Friedrichs „Watzmann“
das ganze neunzehnte Jahrhundert als Symbol bestimmt hatte, im
Erdboden versinken. Er wählt dafür eine extreme Untersicht, durch
die der Gipfel zum Zipfel wird, zu einer Idee vom Berg nur, der –
ähnlich wie eine Verhüllung von Christo – gerade dadurch die
Erinnerung an das Verschwundene mobilisiert. Die radikale Modernität dieses Landschaftsbildes ergibt sich daraus, daß es nicht aus
einem klassischen, bewusst gewählten Blickwinkel in idealer
Position entstanden ist, sondern wirkt wie ein zufälliges Standbild
aus einer Kamera, die der Maler bei seiner Wanderung durch die
Berge auf seinem Hut trägt. So entsteht ein Bild, das die extremen
Verzerrungen von Höhe und Weite, von Entfernung und Nähe, die
der Weg durch die Berge an jeder Biegung mit sich bringt, zum
Motiv macht. So sehen wir vor uns einen Schnappschuß – und
zugleich ein Bild von größter Delikatesse, denn die Alm im Vordergrund mit ihren verschiedenen hellen Grüntönen ist natürlich
neben aller Kühnheit der Komposition ein Fest der Malerei. (FI)
Grisebach 06/2015
149
261 Josef Selleny
Meidling b. Wien 1824 – 1875 Inzersdorf b. Wien
Tee-Garten in Shanghai. 1858
Aquarell über Bleistift und Kohle auf Bütten (zweiteilig). 32,6 x 49,5
bzw. 31,4 x 47 cm (12 ⅞ x 19 ½ bzw. 12 ⅜ x 18 ½ in.). Jeweils unten
rechts mit Bleistift monogrammiert (ligiert), datiert und betitelt: JS 31
July Shang Hai. Jeweils unten links auf chinesisch betitelt. Unten rechts
mit den Nachlaßnummern(?) beschriftet: 646 bzw. 647.
Nicht bei Popelka. –
Blatt 1: Am rechten Rand aus einem Zeichenblock gerissen.
Blatt 2: Etwas unregelmäßig gebräunt. [3011] Provenienz: Nachlaß des Künstlers, Wien / Ehemals
Privatsammlung, Österreich
Literatur und Abbildung: LXVIII. Kunst-Auction. Wien,
C. J. Wawra, im Künstlerhaus, 29.2. ff. 1884(?)
€ 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900
offenbar auch Alexander von Humboldt empfahl. Die berühmte,
wissenschaftliche Weltumsegelung von 1857-1859 wurde ausgiebig dokumentiert und erschien zwei Jahre nach Rückkehr der
Mannschaft als Reisebeschreibung in drei Bänden, die zu einem
der größten Buch-erfolge des Jahrhunderts wurde. Selleny selbst
trug die Leitung für die Holzschnitt Illustrationen, die auf seinen
Studien basieren. Rund 2000 Reiseskizzen fanden sich im Nachlaß
des Künstlers.
Das hier dargestellte Teehaus Huxinting (Pavillon im Herzen des
Sees) wurde 1559 von Pan Yunduan, einem hohen Beamten der
Ming-Dynastie, als Teil der großen Parkanlage Yu-Garten errichtet.
Erst im Jahre 1855, während der Qing-Dynastie, wurde der Pavillon
zum ersten Teehaus der Stadt umgebaut. Dieses berühmte Wahrzeichen der Altstadt Shanghais erreicht der Besucher über eine
Zickzack-Brücke, welche böse Geister abhalten soll. (MZ)
Variante des gleichnamigen, ebenfalls am 31.7.1858 entstandenen
zweiteiligen Aquarells (Popelka 670), das die Nachlaßnummer 648
trägt (Heeresgeschichtliches Museum, Wien, Inv.-Nr. MI 2222).
„Der ehrfurchtsvoll Gefertigte, der bereits mehrere wenn auch nicht
so grosse Reisen gemacht, glaubt die zu diesem Zwecke nöthigen
wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, so wie auch die
Gewandtheit zu besitzen, um die bey dieser Reise vorkommenden,
interessanten, karakteristischen und schönsten Bilder (...) zu
machen.“ (Liselotte Popelka: Ein Österreichischer Maler segelt
um die Welt, Anhang I, S. 74). So empfiehlt sich der mit Akademiepreisen ausgezeichnete österreichische Maler Joseph Selleny
dem Marineoberkommandanten Erzherzog Ferdinand Max um
Aufnahme in die Novara-Expeditionsmannschaft, für die ihn
150
Grisebach 06/2015
262 Erich Kips
1869 – Berlin – 1945
Der Himmelstempel in Peking. 1920er Jahre
Öl auf Karton. 34,8 x 49,8 cm (13 ¾ x 19 ⅝ in.).
Unten rechts signiert: ERICH KIPS.
Kleine Retuschen. [3011] € 7.000 – 9.000
$ 7,540 – 9,700
Bereits vor der Jahrhundertwende galt der in Karlsruhe und Paris
ausgebildete Berliner Maler Erich Kips als weitgereister Mann. Als
junger Maler wurde er 1893 mit der Ausschmückung mehrerer
Innenräume auf der Weltausstellung in Chicago beauftragt, was er
zum Anlass ausgedehnter Reisen nahm, die er im Rahmen einer
dreijährigen Studienreise durch Italien auch in Europa fortsetzte.
Als Maler und Illustrator ließ er sich in seiner Heimatstadt nieder,
wo seine Arbeiten regelmäßig auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt wurden.
Der hier dargestellte Himmelstempel auf seiner großartigen
Marmorterrasse ist noch heute eines der bekanntesten Wahrzeichen Pekings. Die Tempelanlage diente sowohl den Kaisern der
Ming- und wie der Qing-Dynastien als Gebetsort für eine jährliche
gute Ernte. Auch nach mehrfachem Wiederaufbau entspricht seine
Form und Farbigkeit noch der Urfassung.
Grisebach 06/2015
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263 Ernst Henseler
Wepritz 1852 – 1940 Berlin
Blumenstilleben. Um 1900
Öl auf Holz. 30,3 x 16,5 cm (11 ⅞ x 6 ½ in.).
Unten links signiert: E. Henseler. Rückseitig
oben links mit Bleistift beschriftet: D. H. 1923.
[3091] Gerahmt.
€ 1.500 – 2.000
152
$ 1,620 – 2,160
Grisebach 06/2015
264 Wilhelm Lindenschmit d. J.
1829 – München – 1895
Bildnis Frau Neugebauer. 1894
Öl auf Holz. 24,3 x 18,2 cm (9 ⅝ x 7 ⅛ in.).
Unten rechts monogrammiert (ligiert): WL.
Nicht bei Silberbauer (vgl. Silberbauer VII,25). –
Kleine Farbverluste unten links. [3087] Gerahmt.
€ 1.200 – 1.500
$ 1,290 – 1,620
Studie zum leicht abgewandelten „Bildnis Frau Neugebauer“ von
1894, das sich in der Neuen Pinakothek in München befindet
(114,5 x 82 cm, Inv.-Nr. 9244).
Wilhelm Lindenschmit der Jüngere, Sohn des Historienmalers, war ab
1875 einflußreicher Professor an der Münchner Akademie, wo er erst
nach seinem Tod von seinem Schüler Franz von Stuck abgelöst wurde.
In seinem künstlerischen Schaffen verarbeitete er die unterschiedlichen Stile seiner Zeit vom Historismus und der Münchner Genre-
malerei bis hin zur Freilichtmalerei seiner Kollegen aus Barbizon und
dem Impressionismus. Diese Studie für ein großes Portrait Frau Neugebauers in der Pinakothek in München ist ein Spätwerk aus dieser
impressionistischen Phase. Die junge Dame in prächtigem Gewand
hat für einen kurzen Moment ihr Klavierspiel unterbrochen, um sich
dem Betrachter zuzuwenden. Die Ölstudie konzentriert sich auf die
Position der Dame, Klavier und Hintergrund sind nicht ausgeführt.
Lediglich eine quasi abstrakte Stuhllehne ist zu erkennen. Das gefaltete Notenblatt in ihrer Hand wird hier durch einen Fächer ersetzt,
wodurch Lindenschmit die Studie als eigenständiges Werk konzipiert,
welches ohne Hintergrund funktioniert. Das Kleid der Dame ist
schlichter, das Spiel des Lichtes auf Gesicht und Haaren spontaner
festgehalten. Diese Elemente tragen dazu bei, dass die Dame in der
Studie viel jünger wirkt als im Porträt. In beiden Versionen sind die
Wangen der Frau gerötet und hat sich eine Locke aus den hochgesteckten Haaren gelöst – der Blick auf die Dame ist also ein vertrauter. Dennoch wirkt die Dame in der Studie distanziert; sie schaut den
Betrachter nicht direkt an, sondern hat den Blick gesenkt. Im rechten
Vordergrund führt der Künstler nur grob den Faltenwurf des Kleides
aus und markiert die Schattierungen, die dann in immer freieeren
Pinselstrichen am Rand auslaufen. (MZ)
Grisebach 06/2015
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265 Franz Skarbina
1849 – Berlin – 1910
„Junge Dame in blauem Kleid“. 1888
Öl auf Holz. 27,8 x 21,9 cm (11 x 8 ⅝ in.).
Unten links signiert und datiert (in die nasse
Farbe geritzt): F. Skarbina 88.
[3443] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Wir danken Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin, für die
Bestätigung der Authentizität des Gemäldes.
154
Grisebach 06/2015
266 Franz Skarbina
1849 – Berlin – 1910
„Abendspaziergang“. Um 1895
Pastell auf Pappe. 59,7 x 45,9 cm (23 ½ x 18 ⅛ in.).
Unten links signiert: F. Skarbina.
Berieben, Randmängel. [3443] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
$ 3,230 – 4,310
Wir danken Frau Dr. Miriam-Esther Owesle, Berlin,
für die Bestätigung der Authentizität des Pastells.
Grisebach 06/2015
155
267 Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Cornelie, die Schwester des Künstlers. Um 1890/93
Öl auf Malkarton. 53 x 45 cm (20 ⅞ x 17 ¾ in.).
Unten links monogrammiert: LvH.
[3418] Gerahmt.
€ 3.000 – 4.000
156
$ 3,230 – 4,310
Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Malweise ändert, wenn
der Künstler sich einem vertrauten Modell nähert: Geradezu
zärtlich erfaßt von Hofmann hier die Züge seiner Schwester, er
taucht die ganze private Szenerie der zeitungslesenden Frau in ein
warmes Licht. Der warme Orangeton der Frau wird subtil an drei,
vier Stellen des Bildes noch einmal aufgenommen und findet
seinen stärksten Widerhall in dem erleuchteten Fenster zum
Hinterhof. So wird die intime Situation mit den Mitteln der Malerei
doch auch mit der Außenwelt kurzgeschlossen. Die Skizzenhaftigkeit der Arbeit unterstreicht deren Unmittelbarkeit.
Grisebach 06/2015
268 Deutsch, 1896
Rückenakt. 1896
Pastell auf graubraunem Papier.
61,4 x 48 cm (24 ⅛ x 18 ⅞ in.).
Unten rechts (schwer lesbar) signiert,
bezeichnet und datiert: A. Hofeldt[?] Paris 96.
Leicht gebräunt. [3081] Gerahmt.
€ 800 – 1.000
$ 862 – 1,080
Grisebach 06/2015
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269 Gabriel von Max
Prag 1840 – 1915 München
„Schlafen gehn!“. Nach 1900
Öl auf Leinwand. 57 x 43 cm (22 ½ x 16 ⅞ in.).
Unten rechts signiert : G v Max. Oben links
(nachträglich) betitelt: Schlafen gehn!
[3054] Gerahmt.
Provenienz: Privatsammlung, New York / Privatsammlung,
Bayern (1977 erworben, seitdem in Familienbesitz)
Literatur und Abbildung: Sale 3939: 19th Century
European Paintings. New York, Sotheby Parke Bernet,
14.1.1977, Kat.-Nr. 89, m. Abbildung
€ 18.000 – 24.000
$ 19,400 – 25,900
Affenliebe: Der Künstler Gabriel von Max mit Haustier.
158
Ausgesprochen intim wirkt dieses Gemälde einer jungen Frau,
die verträumt ins Leere blickt. Über ihr Nachthemd hat sie
lediglich ein blaues Fransentuch gelegt, ihr Haarknoten hat sich
gelöst, der Lippenstift ist verschmiert. Behutsam hält sie ihren
Schützling im Arm, der sich an ihre Brust klammert, ein kleines
Äffchen, das ebenfalls in die Ferne starrt. Neben dem Tier
erscheint die Dame blass, fast geisterhaft; grau-grüne Schatten
bedecken ihre Haut. Langsam wird dem Betrachter bewußt, daß
die rechte Hand der jungen Frau viel zierlicher ist, als die Linke,
daß die langen Finger und Fingernägel mehr denen des Affen
ähneln, es eine Affenhand ist, die auf den feinen Härchen des
Affenfelles ruht. Der dunkle, unruhige Hintergrund untermalt
das Aufkommen einer unheimlichen Stimmung, die den ersten,
süßlichen Eindruck verzerrt. Anrührende, oft idealisierte Darstellungen zum Thema Mutterliebe waren im späten neunzehnten
Jahrhundert äußerst beliebt. Auch Gabriel von Max schätzte die
damit verbundene Möglichkeit, Seelenzustände auszudrücken.
Schon früh hatte er begonnen, ein Interesse für Psychologie und
Anthropologie zu entwickeln; ihn selbst hatten nach dem Tod des
Vaters Geistererscheinungen und Suizidgedanken gequält. Später
erforschte er als Ehrenmitglied der Münchner Gesellschaft für
wissenschaftliche Psychologie wissenschaftliche Grundlagen der
Geisterbeschwörung.
Nach dem Studium an der Prager Akademie hatte sich Gabriel
von Max mit einem Stipendium in Wien aufgehalten, der Stadt,
die im Begriff war, zu einer der wichtigsten Metropolen der
Avantgarde aufzusteigen. Hier verbrachte er mehr Zeit mit
anatomischen Studien im Krankenhaus und der Pathologie
als an der Kunstakademie. Er begann bereits in den 1860er
Jahren, eine wissenschaftlichen Sammlung aufzubauen, die zum
Zeitpunkt seines Todes über 60.000 Objekte umfaßte und die er
durch seine Malerei finanzierte. Von Max setzte sich intensiv mit
Charles Darwin und dessen Lehre vom Ursprung des Menschen
auseinander. Bis zum Zeitpunkt seiner ersten Ehe 1873 mit
Emma Kitzing, der Mutter seiner drei Kinder, hielt sich der Künstler zeitweise bis zu 14 Affen, danach beschränkte er sich auf
weniger Tiere, die ab den 1870er Jahren zu seinen bevorzugten
und legendären Motiven wurden. Sein erstes Affenpärchen taufte
er Adam und Eva. Genauestens dokumentierte er Aussehen
und Verhaltensweisen seiner Affen. Wenn sie starben, rasierte,
sezierte, fotografierte und zeichnete er sie. Die Affen in von
Max’ Bildern verkörpern somit seine Hinwendung zu wissenschaftlichen Interessen; sie sind akademische Studienobjekte
und geliebte Haustiere, die man traditionell mit dem Herrchen
porträtierte, zugleich. In Werken wie dem berühmten Affen als
Kunstrichter der Neuen Pinakothek in München stellt er Affen
dar, als seien sie Menschen, gar Kunstrichter. Er bezieht sich auf
eine seit der Antike bestehende Tradition der Affendarstellung,
deren satirischer Charakter im neunzehnten Jahrhundert besondere Ausprägung fand. Dem Mädchenportrait mit Affen jedoch
fehlt jeder humorvolle Anklang, vielmehr strahlt es eine seltsame
Form der Erotik aus. (MZ)
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
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270 Gabriel von Max
Prag 1840 – 1915 München
„Erster April“ (Faust und Gretchen im Garten). 1869
Öl auf Leinwand. 58 x 44 cm (22 ⅞ x 17 ⅜ in.).
Unten links signiert und datiert: Gab. Max 1. April.
[3054] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Bankier Passavant, Basel (1890)
Literatur und Abbildung: Friedrich Pecht: Deutsche Künstler des
neunzehnten Jahrhunderts. Studien und Erinnerungen. Dritte
Reihe. Nördlingen, Verlag der C. H. Beck'schen Buchhandlung,
1881, S. 229-260 (G. Max), hier S. 250 / Nicolaus Mann: Gabriel
Max. Leipzig, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber, zweite, vermehrte Aufl. 1890, S. 32 u. S. 55 („Erster April [Gretchen in der
160
Gartenszene], 1869) / Friedrich von Boetticher: Malerwerke
des neunzehnten Jahrhunderts. 4 Bände. Dritter, unveränderter
Nachdruck, Hofheim am Taunus, H. Schmidt & C. Günther, 1979
(zuerst Fr. v. Boetticher's Verlag, Dresden 1891–1901), hier Erster
Band, Zweite Hälfte, S. 993, Nr. 20 / Franz Hermann Meißner:
Gabriel Max, in: Die Kunst unserer Zeit. Eine Chronik des modernen Kunstlebens, München 1899, S. 1-32, hier Abb. S. 7.Gabriel
von Max. Malerstar, Darwinist, Spiritist. München, Städtische
Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, 2010/11, S. 75, Abb. 58
(nicht ausgestellt)
€ 8.000 – 12.000 $ 8,620 – 12,900
Grisebach 06/2015
(Abbildung in Originalgröße)
271
Fernand Khnopff
Grembergen 1858 – 1921 Brüssel
„Sans titre (Femme aux bras levés) ou ,Une Martyre‘“. Um 1900
Bleistift auf leichtem Karton. 17,7 x 8,9 cm (7 x 3 ½ in.). Unterhalb
der Darstellung rechts signiert: FERNAND KHNOPFF. Rückseitig
mit dem Stempel in Blau (nicht bei Lugt): G + W D. Auf dem
Unterlagekarton unten links der Stempel in Violett (nicht bei Lugt):
Gesammelte Graphik Dr. F. W. Denzel [...].
Nicht bei de Croes/Ollinger-Zinque. – Mit einem Gutachten von
Gisèle Ollinger-Zinque, Brüssel, vom 8. März 2015. Die Zeichnung
ist unter der Nr. 361 in ihrem Archiv registriert. –
Leicht gebräunt. Rückseitig oben fest auf Karton montiert. [3016] Provenienz: Ehemals Sammlung Georg Denzel und
Dr. F. Wilhelm Denzel, München
€ 10.000 – 15.000 $ 10,800 – 16,200
In ihrem Gutachten zu diesem Werk schreibt Gisèle Ollinger-Zinque:
„Diese Zeichnung erinnert an ein Motiv, das ein einziges Mal im Werk
von Khnopff erscheint, in einem Enkaustik-Gemälde, das bis heute nicht
wiedergefunden wurde und unter dem Titel ,Une Martyre‘ ins Werkverzeichnis unter der Nummer 361 aufgenommen wurde.“
Grisebach 06/2015
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272 Arthur Kurtz
Sankt Gallen 1860 – 1917 Baden
Erschaffung der Eva. 1897-1900
Öl auf Holz. 65 x 54 cm (25 ⅝ x 21 ¼ in.).
Unten rechts signiert und datiert (in die nasse Farbe geritzt):
Arthur Kurtz 1897-1900.
[3145] Eines der Modewörter des späten 19. Jahrhunderts lautete
„Weltanschauung“. Gemeint war damit der Versuch, eine Gegenwart zu erklären, die durch die fortschreitende Industrialisierung,
soziale Spannungen und revolutionäre neue Erkenntnisse in den
Naturwissenschaften zusehends unübersichtlicher wurde.
Ausstellung: Dekadenz. Positionen des österreichischen
Symbolismus. Wien, Unteres Belvedere, 2013, Abb. S. 219
Auf die Erschütterung der althergebrachten Ordnung reagierten
die Künstler in sehr unterschiedlicher Weise. Paul Gauguin reiste
auf der Suche nach dem irdischen Paradies in die Südsee. Andere
wählten den Weg nach Innen, ins Geistige, in das Reich der
Fantasie, der Andeutungen, Zeichen und des Okkulten. Zu
letzteren gehört der österreichische Maler Arthur Kurtz, von dem
dieses Meisterwerk des Symbolismus stammt. Kurtz, in der
Steiermark geboren, an den Akademien in Graz und München
ausgebildet, war einer der gefragtesten Porträtisten seiner Zeit.
Auftraggeber fand er vor allem in der Aristokratie: Während eines
seiner ausgedehnten Aufenthalte in Marienbad malte er König
Eduard VII. von England, auch mehrere Bildnisse von Angehörigen
des österreichischen Kaiserhauses sind von ihm bekannt. Darüberhinaus betätigte er sich als Schriftsteller, vor allem um seine
späteren Arbeiten wie „Weltperpetuum“, „Kometenzauber“ und
„Jubelnde Welt-Farbenphilosophie“ zu kommentieren.
€ 14.000 – 18.000
$ 15,100 – 19,400
In dem zwischen 1897 und 1900 entstandenen Gemälde
„Erschaffung Evas“ zieht Kurtz alle Register seines Könnens.
Im Zentrum des Bildes erkennt man eine Art weißliches Ovulum,
aus welchem, von Feuer und Flammen umhüllt, der nackte
Frauenkörper tritt. Um Eva und deren Keimzelle herum hat Kurtz
in einem wahrhaft entfesselten, zügellosen malerischen Wirbel
virtuos Fratzen und Dämonen, Sonnen, Planeten und abstrakte
Lichterscheinungen dargestellt. In seinem motivischen Erfindungsreichtum steht das Gemälde in einer Reihe mit den großen
fantastischen Werken der Kunstgeschichte von Hieronymus
Bosch bis James Ensor.
Eine andere besondere Qualität dieser Arbeit ist ihre interpretatorische Offenheit. So haben die Energie und Dynamik, die das Bild
durch Kurtz' spezielle kleinteilige Malweise verströmt, Bernd
Ernsting vor zwei Jahren im Katalog zu einer Ausstellung im
Unteren Belvedere in Wien zu der Frage verleitet, ob Eva hier
nicht „selbst die Kreative im kosmischen Schöpfungsakt“ sei,
die sich als „perfid-leichtfertige wie lustvolle Dompteuse einer
chaotischen Menagerie monströser Schreckenswesen“ zu erkennen gebe (Agnes Husslein-Arco und Bernd Weidinger (Hg.):
„Dekadenz - Positionen des österreichischen Symbolismus“
(Kat.), Wien 2013, S. 56).
Diese Vieldeutigkeit macht Arthur Kurtz’ „Erschaffung Evas“ zum
Sinnbild einer zwischen den Extremen aufs Äußerste gespannten
Epoche, die den Beginn der Moderne markiert. (UC)
162
Grisebach 06/2015
Grisebach 06/2015
163
273 Hermann Moest
Karlsruhe 1868 – 1945 Berlin
„Die ersten Menschen“. 1889
Kohle auf leichtem Karton. 45 x 28,5 cm (17 ¾ x 11 ¼ in.).
Unten links in der Darstellung monogrammiert (ligiert) und
datiert: HM · Juni 1889. Unterhalb der Darstellung betitelt:
DIE ERSTEN MENSCHEN.
Kleine Randmängel. [3107] € 400 – 600
164
$ 431 – 647
Grisebach 06/2015
274 Fidus (d.i. Hugo Höppener)
Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin
„Beichte“. 1892
Pinsel in Schwarzgrau über Bleistift auf Papier auf anthrazitfarbenem Karton. 28,5 x 25,4 cm (42,7 x 35,2 cm)
(11 ¼ x 10 in. (16 ¾ x 13 ⅞ in.)). Unten links signiert, datiert
und betitelt: Fidus 92 – Beichte –. Rückseitig unten rechts der
violettfarbene Stempel: Eugen Lucius Frankfurt a. M.; mit Feder
in Schwarz beschriftet: No. 5. [3126]
Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt a.M./
Schönstadt (vor 1903 erworben, seitdem in Familienbesitz) € 800 – 1.200
$ 862 – 1,290
Grisebach 06/2015
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275N Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Junge in einer Felslandschaft.
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 44,4 x 24,5 cm
(17 1/2 x 9 5/8 in.) (17 ½ x 9 ⅝ in. (6 ¾ ½ x 3 ½ ⅝ in.)).
Unten rechts monogrammiert: L v H.
[3099] Gerahmt.
€ 4.000 – 6.000
166
$ 4,310 – 6,470
Die intensive Beschäftigung mit der Figur des Jünglings, zum Beispiel
in den Gemälden „Idolino” (1892), „Felsenufer mit Jünglingen” (um
1890) oder „Orangenernte” (um 1906) legt nahe, daß Hofmann den
Ideen der Lebensreformbewegung nahe stand. Das Leben im Einklang mit der Natur und ein neues, durch Unbefangenheit geprägtes
Körperverständnis wurden zum Leitbild der Bewegung, dem Ludwig
von Hofmann in seinen Gemälden visuellen Ausdruck verlieh.
Technische Impulse für sein Schaffen empfing Hofmann in Paris.
Er erlebte dort den Impressionismus Renoirs, Monets und Degas’
und kam mit den Werken der französischen Avantgardisten in
Berührung. Die Fülle der visuellen Möglichkeiten gab ihm Anregung,
mit einer Vielfalt von Stilen zu experimentieren, sie zu absorbieren
oder wieder abzulegen. Auch seine regelmäßigen Reisen nach Rom
und Neapel prägten sein Werk. Hofmann war beeindruckt von der
Vorgehensweise der dortigen Künstler, die mit ihren Modellen direkt
in der Natur arbeiteten. (NB)
Grisebach 06/2015
276 Franz von Stuck
Tettenweis 1863 – 1928 München
„Narziß“. Um 1926
Öl und Tempera auf Pappe. 48,5 x 44,8 cm (19 ⅛ x 17 ⅝ in.).
Unten rechts signiert: STUCK. Rückseitig oben mit Kreide
signiert und betitelt: F. v Stuck „Narziss“ I.
Voss 582/271. –
Studie zum gleichnamigen Gemälde Voss 583/272.
Im Originalrahmen mit der Inschrift: NARCISSUS. [3266] Provenienz: Ehemals Albert und Mary Heilmann, geb. Stuck
Ausstellung: Franz von Stuck. Ausstellung zur Wiedereröffnung
der Stuck-Villa am 9. März 1968. München, Stuck-Villa, 1968,
Kat.-Nr. 29
€ 35.000 – 45.000
$ 37,700 – 48,500
Der Mythos vom schönen, stolzen Narcissus war schon in der Antike
ein häufig wiederkehrendes Thema der Kunst. Weil er jeden zurückwies, der um seine Gunst warb, strafte Artemis den Sohn des Kephissos
und der blauen Nymphe Leiriope für seinen Hochmut. In der Nähe des
Ortes Donakon in Böotien nördlich von Attika führte sie ihn zu einer
Quelle, die so rein war, daß er sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Über Narcissus‘ Ende gibt es verschiedene Versionen: Eine besagt,
daß er ertrank, nachdem er sich niederbeugte, um sein Ebenbild auf
dem Wasser zu liebkosen. Eine andere läßt ihn sich aus Verzweiflung
über seine vermeintliche plötzliche Häßlichkeit selbst töten, als ein
Blatt auf die Wasseroberfläche fällt und so sein Spiegelbild verzerrt.
Anschließend wird Narcissus in die weiße Blume verwandelt, die
seitdem seinen Namen trägt.
Franz von Stuck hat sich dem Mythos von schönen Narziß mehrfach
gewidmet. 1926 malte der Gründer der Münchner Secession diese
Kompositionsstudie. Sie zeigt den Halbgott, wie er, so Robert von
Ranke-Graves in seinem Kompendium griechischer Mythologie, in
sich versunken „Stunde um Stunde verzückt auf das Wasser“ blickt.
Obgleich es ihm ursprünglich nur als Vorbereitung auf ein später
ebenfalls ausgeführtes Gemälde dienen sollte, schätzte Stuck das vorliegende Bild so sehr, daß er es als ein eigenständiges Werk erachtete
und extra einen antikisierenden Prunkrahmen dafür anfertigen ließ.
Tatsächlich ist es gerade die expressive, „skizzenhafte“ Ausführung,
durch die Stucks „Narzissus“ besonderen Reiz erlangt. Anhand der
dynamischen, mit leichter Hand souverän gesetzten Pinselstriche
kann man dem Maler noch heute buchstäblich bei der Arbeit zusehen,
wie er die Bildkomposition anlegt, das Farbkonzept bestimmt und die
Flächen füllt. Mit der Wertschätzung seiner Studie stand Stuck nicht
allein: Der „Narcissus“ war in der ersten Ausstellung zu sehen, mit der
die Villa Stuck, das ehemalige Wohn- und Atelierhaus des Künstlers,
1968 der Öffentlichkeit übergeben wurde. (UC)
Grisebach 06/2015
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277 Fidus (d.i. Hugo Höppener)
Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin
„Der strahlende Quell“. 1897-1943
Öl auf Pappe. 91,7 x 137,8 cm (36 ⅛ x 54 ¼ in.).
Unten links signiert: Fidus. Unten rechts datiert: 1897 + 1943.
Am Unterrand bezeichnet: HERBEI IHR BRÜDER U. SCHWESTERN,
GOLDLOCKIG U. HELL * LASST UNS ALS WISSENDE ELFEN
UMTANZEN DEN STRA[H]LENDEN QUELL.
[3362] Gerahmt.
Provenienz: Geschenk des Künstlers an Alois Klimesch,
Bad Harzburg (seitdem in Familienbesitz)
€ 25.000 – 35.000
$ 26,900 – 37,700
Wir danken Dr. Pamela Kort, Berlin, für freundliche Hinweise.
Früh im Jahre 1893 schloss sich Fidus einer Gruppe von Schriftstellern, die in Friedrichshagen bei Berlin ansässig waren, an. Unter
ihnen war auch Bruno Wille, der in diesem Jahr die Herausgabe von
„Der Freidenker“ übernommen hatte. Diese Montasschrift, die beim
Deutschen Freidenkerbund erschien, hatte seit ihrer Gründung 1882
dazu beigetragen, den Darwinismus in Deutschland zu verbreiten.
Fidus freundete sich mit Wille an, der 1895 einer der größten Sprecher der Freireligiösen Gemeinde in Berlin wurde. Fünf Jahre später
halfen Rudolf Steiner und Wille bei der Gründung des GiordanoBruno-Bundes und ernannten den Wissenschaftler Ernst Haeckel
zum Ehrenvorsitzenden. Fidus trat der Gruppe, einer Plattform für
Haeckels monistische Lehre mit dem „Freidenker“ als offizielles
Organ, sofort bei.
All dies wirkte sich nicht nur auf Willes Schreiben aus, sondern auch
auf das Aussehen der Kunst Fidus. Dies ist nirgends offensichtlicher
als in Willes Offenbarungen des Wachholderbaums. Roman eines
Allsehers (1901), einem zweibändigen Roman mit Illustrationen
von Fidus. Neben dutzenden Schwarz-Weiß Randverzierungen war
sein Höhepunkt zweifellos die doppelseitige Farbillustration des Titelbildes von Band zwei mit dem Titel „Am strahlenden Quell“. Fidus
gewährte dieser Illustration, die auf dem Aquarell „Der strahlende
Quell“ von 1999 basiert, besonders viel Aufmerksamkeit. Später
verbreitete er nicht nur Fotografien, Postkarten und Drucke dieses
Motivs durch seinen Verlag, den Verlag des St. Georgs-Bundes,
sondern verschickte außerdem das Magazin Jugend, in dem es als
halbseitige Farbillustration in einer Ausgabe von 1906 abgedruckt
wurde.
Offenbar blieb dieses Motiv so wichtig für ihn, dass es den Künstler
dazu veranlasste, 1943 dazu zurückzukehren, als er seinen
75. Geburtstag feierte. Obwohl Adolf Hitler Fidus Kunst zu diesem
Zeitpunkt schon lange verunglimpft hatte, feierte er dieses Ereignis
in einem Jahr, in dem er jeden Befürworter, den er auftreiben konnte
gebrauchen konnte, indem er dem Künstler einen Akademischen
Titel verlieh und ihm eine kleine Rente gewährte.
Die Ikonographie von „Der strahlende Quell” (1897/1943) ist
jedoch nicht in nationalsozialistischer Ideologie verankert, sondern
in Denkweisen, die in der monistischen Kosmologie, der Wissenschaft Darwins und dem Naturglauben verbreitet waren, jedoch
später von dieser pervertiert wurden. Wie auch Fidus Illustrationen
für Willes Roman, ist das spätere Gemälde ein Resumé der Welt der
Freidenker des späten 19. Jahrhunderts und ihrer Religion, die sich
sowohl Wille als auch der Künstler sehr zu Eigen gemacht hatten.
168
Man beachte zum Beispiel die Äste in den beiden oberen Ecken
des Gemäldes als Anspielung auf die weise Seele des Wacholderbaumes, eines Waldgeistes aus Willes Roman. Im zweiten Band des
Buches weist ‚Juniperus‘ (wissenschaftliche Gattungsbezeichnung
für Wacholder) auf den ‚Baum des Lebens‘ hin, welcher nicht nur
an Haeckels evolutionäre Auffassung des Familienstammbaums
erinnert, sondern auch an die monistische Vorstellung eines Lebensgeistes, der alle Dinge in einem Organismus vereint. Die Delphine,
die im unteren Teil des Gemäldes aufeinander zu schwimmen,
Grisebach 06/2015
spiegeln diese Auffassung wider. Solch eine unendliche Kette wird
wiederum durch die händehaltenden nackten Frauen und Männer,
die, wohl des Nachts, harmonisch um einen sprudelnden Brunnen
tanzen, veranschaulicht. Eine Reihe glühender Lichter beleuchten
die enthusiastisch tanzenden Figuren – die Verkörperung Willes
„Allreigenseele – die höchste Einheit”. Sie verleihen außerdem Fidus
Sehnsucht nach der Freiheit des menschlichen Körpers, der von
moralischen und physischen Einschränkungen gelöst ist, Ausdruck.
Diese Tänzer werden sozusagen gebadet im goldenen Licht des
Geistes, der alles sieht, wie im Untertitel von Willes Buch angekündigt. Die sechs strahlenden spitzen Sterne, die am oberen Rand
über das Gemälde verteilt sind, stehen für die Hagal Rune, mit der
sich Fidus sehr identifizierte. Nach völkisch-Germanischer Auffassung ist diese Rune ein heiliges Symbol, das den Menschen mit
Gott verbindet. All diese Ideen werden in der Legende am Fuße der
Illustration von 1901 und dem späteren Gemälde zusammengefasst:
„Herbei ihr Brüder und Schwestern goldlockig und hell. Lasst uns als
wissende Elfen umtanzen den strahlenden Quell.”
Grisebach 06/2015
169
278
Josef Kugler
München um 1884/85 – ?
„Capriccio“. 1913
Tempera auf Leinwand. 78 x 97 cm (30 ¾ x 38 ¼ in.).
Unten links signiert und datiert: J. Kugler 1913.
Auf dem Keilrahmen links mit Bleistift betitelt und bezeichnet:
„Capriccio“ J. Kugler München Leopoldstr. 126 Atelierhaus.
Im Originalrahmen. [3266] Ausstellung: Illustrierter Katalog der XI. Internationalen
Kunstausstellung. München, Kgl. Glaspalast, 1913, hier
2. Ausgabe, Kat.-Nr. 1716, ganzseitige Abbildung S. 71
€ 9.000 – 12.000 $ 9,700 – 12,900
In der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt ein großformatiges
Hauptwerk der Münchener Spätromantik. Es ist von Moritz von
Schwind und trägt den Titel „Die Rose (Die Künstlerwanderung)“
(1846/47). Festlich geschmückt hält eine junge Braut zusammen mit ihren Gefährtinnen vom Balkon einer mittelalterlichen
Burg Ausschau nach dem in der Ferne nahenden Bräutigam. Da
trifft die Truppe der Musikanten ein, Gaukler mit ihren Instrumenten auf dem Rücken, in alten Kostümen, schlacksigen Körpern,
lustigen Gesichtern, langen Haaren und großen Ohren. Eine der
Brautjungfern läßt eine Rose fallen (versehentlich oder absichtlich?). Sie fällt von dem hohen steinernen Balkon hinunter auf
dem Boden, dem letzten der Muskanten direkt vor die Füße.
Wird er sie aufheben? Wird er im nächsten Moment nach oben
und der Schönen auf dem Balkon in die Augen schauen?
170
Man möchte meinen, daß Kugler an Schwinds durch und durch
vom Geist der Romantik getragene Werk dachte – und mit unserem Bild in seine Zeit übersetzte. Die runde Natursteinmauer der
alten Burg ist einer wie mit dem Lineal gezogenen Betonwand
gewichen. Sie reflektiert das blau-weiße Mondlicht (ebenfalls
ein Lieblingsmotiv der Romantiker) wie ein Scheinwerfer, denn
Kugler hat die Szene in den Schutz nächtlichen Dunkels und
damit zugleich die Sphäre der Träume verlegt. Die Prinzessin
auf dem Balkon ist jetzt ein einsamer König, nackt, aber bekrönt.
Er schaut über die Mauer gelehnt zu einer Truppe vorbeiziehender Nachschwärmer, die alle aussehen wie Traumgestalten:
im Zentrum eine junge Frau in großem Ballkleid, maskiert,
befächert, am Arm eines weißbärtigen Mannes, der Trompete
spielt und mit einer Pfauenfeder den Takt angibt. Ein menschengroßer Affe zieht die Frau am Kleid und damit auch die
ganze Truppe hinter sich her. Den Abschluß des Zuges bildet
eine junge, nackte, rothaarige Frau, die auf den Schultern eines
athletischen, nackten Mannes sitzt und mit einem chinesischen
blauen Schirm (statt mit der blauen Blume der Sehnsucht) spielt.
Die Welten von Kuglers König wie von Schwinds Prinzessin, die
Welten oben und hinter der Mauer, sie scheinen abgetrennt und
weit entfernt von den (Halb)welten der Nachtschwärmer, Gaukler
und Musikanten unten. Im Traum oder im Märchen aber finden
sie zueinander. Manchmal über eine Rose.
Kuglers Capriccio, was man mit „Gedankenscherz“ übersetzen
kann, lehnt sich an den Münchener und Wiener Symbolismus des
Fin-de-Siècle an. Man mag an den Umkreis von Franz von Stuck
denken, wozu auch die Rahmung passen würde. Tatsächlich
aber ist über Josef Kugler bisher nur bekannt, das er 1906 an
der Akademie bei Otto Seitz studierte und zur Entstehungszeit
unseres Bildes in einem Atelierhaus in der Leopoldstraße 126
arbeitete. (AA)
Grisebach 06/2015
279 Hanns Pellar
1886 – Wien – 1971
„Dame mit Muff“. Um 1910
Öl auf Leinwand. 60 x 46 cm (23 ⅝ x 18 ⅛ in.).
Unten rechts signiert: HANNS PELLAR.
Nicht bei Olényi von Husen. –
Sorgfältig restaurierter Einriß.
Im Originalrahmen.[3145] € 12.000 – 15.000
$ 12,900 – 16,200
Wir danken Dr. Britta Olényi von Husen, Köln,
für die Bestätigung der Authentizität des Gemäldes.
Grisebach 06/2015
171
280 Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Vier Frauen in Felsenlandschaft.
Kohle auf glattem, transparentem Papier,
mit roter Kreide gerahmt. 22,6 x 40,8 cm
(8 ⅞ x 16 ⅛ in.). Unten links monogrammiert: LvH.
Rückseitig auf leichten Karton montiert. [3242] € 800 – 1.200
172
$ 862 – 1,290
Wie ein Holzschnitt wirkt diese Kohlezeichnung von Ludwig von
Hofmann, und man darf davon ausgehen, daß sie von ihm auch als
Vorlage für ein druckgraphisches Werk gedacht war. Hofmann
spannt hier auf kleinem Raum sein ganzes Bildrepertoire auf: den
Traum von Arkadien, das Durchdeklinieren weiblicher Formen und
Gemütszustände und sein Gespür für eine friesartige Erzählweise.
Dynamisiert wird das Trio der drei Frauengestalten links, die eine
Einheit bilden durch die vierte Figur am rechten Bildrand. Sie liegt
– und zugleich signalisiert der aufgestützte Kopf und der aufmerksame Blick, daß mit ihr eine Beobachterin Teil des Bildraumes wird,
während die drei Frauen links in schönster Selbstversunkenheit
dargestellt sind.
Grisebach 06/2015
281 Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Illustration von Karl Schefflers Aufsatz über die Amerikanerin in
der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ (Januar 1907) dienten.
Die Tänzerin Ruth St. Denis. Um 1906/07
Pastell auf Papier, auf hellblauen Karton aufgezogen. 33,3 x 20,7 cm
(13 ⅛ x 8 ⅛ in.). Unten links monogrammiert: LvH. [3344] Gerahmt.
Ausstellung: Ludwig von Hofmann (1861–1945). Sehnsucht
nach dem Paradies. Freital, Städtische Sammlungen, 2011,
Farbabbildung S. 44
€ 1.500 – 2.000
$ 1,620 – 2,160
Ludwig von Hofmann lernte die von Harry Graf Kessler geförderte
Tänzerin Ruth St. Denis am 18. November 1906 in Berlin kennen.
In der Folge entstanden aus der Erinnerung Tanzstudien, die auch zur
Hofmann gelingt es mit seinem Pastell einen bildmässigen Ausdruck
zu finden für die sprichwörtliche „Ausstrahlung“, mit der Ruth St.
Denis alle Ihre Zuschauer in ihren Bann schlug. Wie ein gotisches
Kirchenfenster umgibt ein Strahlenkranz ihren Oberkörper – und in
alle Richtungen gehen die Energiestrahlen, die der Körper der Tänzerin
und ihr orientalischer Tanz aussenden. „Die unvergleichliche Tänzerin“
nannte Hugo von Hofmannsthal seinen Aufsatz über Ruth St. Denis,
die sich in den Jahren 1906/08 in Berlin aufhielt. Auf einzigartige
Weise gelang es der 1879 geborenen Amerikanerin, die stark von der
Theosophie und dem Transzendentalismus geprägt war, immer wieder
das Körpergefühl alter Kulturen zum Leben zu erwecken – so in ihrer
Performance „The Yogi“, die am 9. Februar 1908 im Ronacher Palast
Premiere hatte und aus deren indischem Umfeld unser energiegeladenes Pastell stammen dürfte.
Grisebach 06/2015
173
283 Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Weiblicher Akt mit erhobenen Armen (Studie). (Nach) 1896
Kreide auf blauem Papier. 46,8 x 33 cm (18 ⅜ x 13 in.).
Unten rechts monogrammiert: LvH.
Rückseitig (um 180° gedreht): ADAM UND EVA. 1896.
Farblithographie, 25,1 x 19,5 cm.
Kleine Fehlstelle am linken unteren Rand. [3142] € 1.800 – 2.400
284 Ludwig von Hofmann
Darmstadt 1861 – 1945 Pillnitz
Studie zum „Frühlingssturm“. Um 1894
Kohle auf Velin (Wasserzeichen: Vidalon). 62,8 x 48,5 cm
(24 ¾ x 19 ⅛ in.). Unten rechts monogrammiert: LvH.
Studie zu einem der bekanntesten Gemälde des Künstlers, dem
„Frühlingssturm“ von 1894/95 (146 x 196 cm; ehemals Sammlung
Rudolf Mosse, Berlin). Etwas gebräunt. Randmängel. [3242] Ausstellung: Ludwig von Hofmann (1861–1945). Sehnsucht nach
dem Paradies. Freital, Städtische Sammlungen, 2011, Abb. S. 20
€ 1.500 – 2.000
174
$ 1,620 – 2,160
Grisebach 06/2015
$ 1,940 – 2,590
285 Hans Unger
Bautzen 1872 – 1936 Dresden
Noch immer ist die Dresdner Sonderform des Symbolismus zu wenig
bekannt – der Klingersaal im Albertinum, das Stadtmuseum in Bautzen und die Ständige Sammlung im Museum im Freital aber machen
immer mehr Betrachter mit der Kunst von Oskar Zwintscher, Sascha
Schneider und eben Hans Unger bekannt. Unger gelang es immmer
wieder, mythologische Figuren zum Leben zu erwecken wie in dem
berühmten Bild „Hirten am Meer“ aus der Galerie Neue Meister in
Dresden – oder in unserem Bacchantenzug. Nackte Frauen und
Satyrn bei bester Laune begleiten einen trunkenen Bacchus auf
seinem Weg.
Bacchanten-Zug (Entwurf für den Hauptvorhang
des Centraltheaters Dresden). 1898
Öl auf Papier auf Holz. 25,5 x 42,3 cm (10 x 16 ⅝ in. ).
Unten rechts am Sockel signiert: H. UNGER.
[3266] Gerahmt.
Provenienz: Privatsammlung, Sachsen
€ 4.000 – 6.000
$ 4,310 – 6,470
Das Gemälde ist das bislang unbekannte Vorbild, nach dem 1898 der
Theatervorhang im neu erbauten Dresdner Centraltheater gestaltet
wurde. Der freizügige Zug von Unger sollte das angebotene Programm
repräsentieren, das Operetten und Varieté-Darbietungen umfaßte.
Das Theater in der Waisenhausstraße 6 wurde bei den Luftangriffen
vom 13. Februar 1945 zerstört, der Theatervorhang verbrannte.
Postkarte um 1900 mit dem
Hauptvorhang des Centraltheaters Dresden
Grisebach 06/2015
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286 Franz von Stuck
Tettenweis 1863 – 1928 München
„Meerweibchen“. 1891
Öl auf Holz. 28,2 x 82,3 cm (11 ⅛ x 32 ⅜ in.).
Unten rechts signiert: FRANZ STUCK. Auf dem
Schmuckrahmen ein Etikett der Galerie Arnold, Dresden.
Voss 38/45. –
[3044] Gerahmt.
Provenienz: Adolf Rothermundt, Dresden (1924) /
Privatsammlung, Norddeutschland
Ausstellung: Große Berliner Kunst-Ausstellung. Berlin,
Landes-Ausstellungsgebäude, 1893, Kat.-Nr. 1503
Literatur und Abbildung: Otto Julius Biermann: Franz Stuck. Über
hundert Reproductionen nach Gemälden und plastischen Werken,
Handzeichnungen und Studien. München, Münchener Kunst- und
Verlags-Anstalt E. Albert, 1893, S. 63, Abb. Tf. 31 / Gustav
Fritsch: Unsere Körperform im Lichte der modernen Kunst. Berlin,
Habel, 1893, S. 25 f. / Anna Spier: Franz Stuck. In: Westermanns
176
Illustrierte deutsche Monatshefte, 76. Band, 1894, S. 559 / Franz
Hermann Meissner: Franz Stuck. Berlin und Leipzig, Schuster &
Loeffler, 1899 (Das Künstlerbuch, Bd. III), S. 67 / Friedrich von
Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. 4 Bände.
Dritter, unveränderter Nachdruck, Hofheim am Taunus, H. Schmidt
& C. Günther, 1979 (zuerst Fr. v. Boetticher's Verlag, Dresden
1891–1901), hier Zweiter Band (Zweite Hälfte), S. 859, Nr. 28 /
Fritz von Ostini (Vorwort): Franz von Stuck. Das Gesamtwerk.
München 1909, S. 47 / Fritz von Ostini (Einleitung): Franz von
Stuck. Acht farbige Wiedergaben seiner Werke. Leipzig, E. A.
Seemann, o. J. (1920), S. 7 / Otto Julius Bierbaum: Franz von
Stuck. Bielefeld und Leipzig, Velhagen & Klasing, 4. Aufl. 1924
(=Künstler-Monographien, Bd. XLII), S. 57, Abb. 35, S. 32 / Ulrich
Thieme und Felix Becker (Hrsg): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bände. Leipzig,
Verlag E. A. Seemann, 1907–1950, hier Band XXXII (1938), S. 232
€ 25.000 – 35.000
Grisebach 06/2015
$ 26,900 – 37,700
Hellweiß glänzen die Zähne des Jünglings, der mit einem strahlenden Lächeln bäuchlings am Strand liegt, sein nackter Körper
von blau-violetten Schattierungen umspielt. Zärtlich streckt er
seine Arme nach einem Meerweibchen aus, das auf dünne, spitze
Fingerchen gestützt im seichten Wasser ruht. Die Augen des
Jünglings sind, von der Sonne geblendet, fast geschlossen. Ihre
großen, grünen Augen hingegen sind weit aufgerissen und funkeln
gelb, obwohl ihr Gesicht von ihrem eigenen Schatten vollständig
verdunkelt wird. Ihr Körper ist weiß wie der Sand, die langen roten
Haare umspielen ihre kleinen Brüste, frech lugt eine Brustwarze
hervor. Anders als in der Variation dieses Gemäldes von 1913 ist
hier der aus dem Wasser ragende Po des Meerweibchens mit den
schimmernden Schuppen des zweigeteilten Fischschwanzes besetzt, bleibt der Hintergrund fast abstrakt. Der Künstler verzichtet
gänzlich auf historischen oder mythologischen Kontext. Was genau
die Szene darstellt bleibt unklar, moralische Schlussfolgerungen
werden nicht zugelassen. Ob es sich um Verliebtheit, Begehren,
Verführung oder Verzweiflung handelt, ist ungewiss.
Der Malerfürst Franz von Stuck war in den 1880er Jahren zunächst
Schüler, dann Nachfolger Wilhelm Lindenschmits als Lehrer an
der Münchner Akademie. Diesem frühen Werk jedoch merkt man
bereits an, dass der Künstler mehr Inspiration in den Fantasiewelten Böcklins fand und Gleichgesinnte in Klinger und Thoma sah.
Obwohl Stuck in dieser Zeit auch Landschaften malte, kristallisiert
sich seine Vorliebe für Kentauren, Faunen und andere fabelhafte
Wesen heraus. Erste Versionen seines berühmten Motivs Die
Sünde entstanden bereits 1891, dem Jahr der großen Berliner
Kunstausstellung, auf der Stuck vertreten war. (MZ)
Grisebach 06/2015
177
287 Fidus (d.i. Hugo Höppener)
Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin
Drei Grazien. Um 1900
Pinsel und Feder in Braun und Bleistift auf leichtem Karton.
41,5 x 34,5 cm (16 ⅜ x 13 ⅝ in.). Unten rechts mit Feder in Braun
signiert: Fidus. Rückseitig unten rechts (um 180° gedreht) der
violettfarbene Sammlerstempel (in Versalien): Eugen Lucius /
Schönstadt.
[3126] Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen Lucius, Frankfurt
a.M./Schönstadt (um 1900 erworben, seitdem in Familienbesitz)
€ 800 – 1.200
178
$ 862 – 1,290
Grisebach 06/2015
288 Franz von Stuck
Tettenweis 1863 – 1928 München
Portrait der Tochter Mary. 1909
Kohle, schwarze und weiße Kreide sowie Deckfarbe auf hellbrauner
Pappe. 26,5 x 20,5 cm (48,5 x 43 cm) (10 ⅜ x 8 ⅛ in.
(19 ⅛ x 16 ⅞ in.)). Unten rechts signiert und datiert
(übereinandergestellt) : FRANZ VON STUCK 1909.
Auf der Rückpappe ein Etikett der Commeterschen
Kunsthandlung, Hamburg. [3262] Gerahmt.
Provenienz: Ehemals Sammlung Gustav Schiefler, Hamburg
(seitdem in Familienbesitz)
€ 10.000 – 15.000$ 10,800 – 16,200
Grisebach 06/2015
179
290 Max Klinger
Leipzig 1857 – 1920 Großjena b. Naumburg
„Stilleben No. 1“. 1879
Öl auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen. 45,5 x 35,5 cm
(17 ⅞ x 14 in.). Unten rechts datiert und signiert (beschnitten):
23/V. 79 MKlin[ger]. Oben in der Mitte bezeichnet
(in die nasse Farbe geritzt): Stilleben No 1.
Kleine Farbverluste. [3012] Gerahmt.
€ 15.000 – 20.000 $ 16,200 – 21,600
289 Fidus (d.i. Hugo Höppener)
Lübeck 1868 – 1948 Woltersdorf b. Berlin
„Richtender Michael“ (drei Zeichnungen). 1916
Jeweils Bleistift auf Papier, nebeneinander auf leichtem,
schwarzem Karton aufgezogen.
23 x 15,3 cm / 28 x 19,4 cm / 23 x 15,3 cm.
Beigabe: Eine Fidus-Postkarte „Germania 1914“, vom Künstler
unterhalb der Darstellung mit Feder in Braun bezeichnet.
Blatt 1 und 3 minimal fleckig, Blatt 2 etwas gebräunt. [3098] Ausstellung: Erste Gesamtausstellung der Werke von Fidus zu
seinem 60. Geburtstage am 8. Gilbhart (X.) 1928. Berlin, Aula
der Handelshochschule, und Hamburg-Altona, Altonaer Museum,
1928, Kat.-Nr. 335 („Michael-Antlitz und 2 Versuche dazu,
Bleizeichnungen, 1916“)
€ 2.000 – 3.000
$ 2,160 – 3,230
Bei unserem Gemälde handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach
um ein bislang unbekanntes Werk aus der Frühphase des Leipziger
Symbolisten: Gemalt wurde es 1879 in Brüssel, wo Klinger Schüler des
belgischen Historienmalers Emile Charles Wauters (1846-1933) war
und wo er auch von Bildern des Romantikers Antoine Wiertz (1806-65)
beeinflusst wurde. Unser Gemälde folgt dem klassischen Aufbau eines
Stilllebens in der barocken Tradition des memento mori , bei dem die
Bildgegenstände auch Aussageträger sind und auf die Vergänglichkeit
des menschlichen Lebens (Totenkopf, Kerzen) und die seelenrettende
Kraft der Religion (Mutter Gottes) verweisen. Im Kompositionsschema
als auch im Kolorit entspricht Klinger der akademischen Überlieferung.
Jedoch springt sofort die aufregende malerische Erfindung unten im
Bild – umgreifende Arme eines Skeletts? – ins Auge. Außerdem sind
in Klingers antikem Themenkosmos ansonsten keine religiös-mystisch
angehauchten Szenen bekannt. Wobei handelt es sich also bei dem
vorliegenden Werk? Der Blick in den Werdegang und die Einflüsse
der belgischen Spätromantik auf Klinger dürften Licht ins Dunkel des
dargestellten Kapellenraums bringen.
Klinger hatte sich nach seinem erfolgreichen Kunststudium – 1874/75
an der Karlsruher Großherzoglich Badischen Kunstschule bei Karl Gussow und Ludwig des Coudres; nach der Berufung Gussows nach Berlin
ab 1875 an der dortigen Königlichen Akademie der Künste, Abschluss
mit der Silbernenen Medaille (Prädikat „Außerordentlich“) 1876 – und
dem Wehrdienst 1877 im folgenden Jahr auf der 52. Akademieausstellung das erste Mal der Berliner Öffentlichkeit gestellt. Zu sehen waren
seine vielen Tusch- und Federzeichnungen, die Klinger später für seine
berühmten Grafikzyklen der 1880er und 1890er Jahre wiederverwenden sollte, aber auch das geheimnisvolle Gemälde „Spaziergänger oder
Der Überfall“ (1878, Berlin, Nationalgalerie). Damals scheint bei Klinger
der Wunsch nach Veränderung in seinem Leben und Werk gereift zu
sein, nach einer Überwindung des Gussow’schen Naturalismus, und so
entschied er sich, nicht nach Rom oder Paris zu gehen, sondern wechselte 1879 in die belgische Hauptstadt um dort seine Meisterschaft bei
dem renommierten, nahezu gleichaltrigen Wauters zu vervollkommnen.
Klingers prekäre Situation, das Fehlen eines geeigneten Ateliers, seine
mangelnden Sprachkenntnisse und sein noch durchschnittliches
künstlerisches Profil als Maler – „[...] aber ich habe hier ja absolut
nichts was ich ihm [Wauters] zeigen konnte“ – mögen dazu beigetragen
haben, sich in Belgien von Gussows Naturalismus zu entfernen und
neue Eindrücke und die Atmosphäre der Stadt mit anderen Augen zu
sehen. Vielleicht kam Klinger die Idee für sein sakrales memento mori
von 1879 bei einem seiner zahlreichen Besuche in der Kathedrale von
Brüssel, die, wie er schreibt, „wie noch keine Kirche auf mich so viel
Eindruck gemacht hat“.
Zudem – und das dürfte im Rückblick für Klinger noch wichtiger als
die Lehre bei Wauters gewesen sein – konnte Klinger in Brüssel neben
den großen Historien auch die Werke von Wiertz in dem von ihm 1850
begründeten Musée Wiertz studieren. Bei dem Romantiker Wiertz, der
sich gar für eine Reinkarnation Peter Paul Rubens hielt, wird deutlich,
dass „skurril-horrible Szenen“ – wie das „Stilleben No.1“ von Klinger,
180
Grisebach 06/2015
was ja auch eine solche darstellt – „letztlich spätromantischen Ursprungs sind“ (Hubertus Kohle, 2012). Klinger erwarb sich 1879 nicht
nur Kenntnisse in der Radier- und Aquatintatechnik, sondern kam auch
in Kontakt mit der „Schwarzen Romantik“, einer Strömung innerhalb
der belgisch-französischen Spätromantik, deren besonderer Repräsentant Wiertz war (vgl. Le romantisme en Belgique. Entre réalités, rêves et
souvenirs, Ausst.-Kat. Brüssel 2005). Auf die große Bedeutung dieser
Strömung unter anderem für den späteren Symbolismus hat erst vor
kurzem eine große Ausstellung im Frankfurter Städel aufmerksam
gemacht: „Das Schreckliche, das Wundersame und Groteske machten
dem Schönen und Makellosen die Vorherrschaft streitig“ (Felix Krämer,
2012). Dies kann auch für Klingers Gemälde gesagt werden.
Auch wenn keine direkte motivische Vorlage bei Wiertz für Klingers
Stillleben als memento mori in einem sakralen Innenraum mit einer
Marta Dolorosa im Bildhintergrund nachweisbar ist, so dürfte doch vor
allem dessen Genieästhetik und sein künstlerischer Eigensinn auf den
sich noch in der Reifephase befindlichen Klinger Eindruck gemacht
haben, was man zum Beispiel am makabren Arrangement aus Toten-
kopf, Buch und schweren Vorhängen erkennen kann. Dies hatte nichts
mehr mit Gussows Naturalismus zu tun, den Klinger noch ein Jahr
vorher in Berlin eingeübt hatte. Man kann durchaus vermuten, dass
Klingers „Stillleben No. 1“ als Probestück für Wauters gemalt wurde
und dass Klinger mit seiner Anlehnung an Wiertz und der belgischen
Romantik, aus der ja auch Wauters kam, dem Brüssler Historienmaler
geschmackliche Konzensionen machen wollte.
Klingers Brüssler Intermezzo hat nachhaltigen Eindruck in seinem
Œuvre hinterlassen. Das wird besonders in seinen von einer magischen Rätselhaftigkeit und einem oft düsteren Grundtenor durchzogenen grafischen Werken deutlich. Sie lassen darauf schließen, dass sich
Klinger von den Sujets und von der Geisteshaltung der Spätromantik
à la Wiertz auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1880 hat
inspirieren lassen. Unser Werk stellt somit einen wichtigen Brückenschlag zwischen dem jungen akademisch-geschulten, klassischen
Klinger und dem späteren Meister des geheimnisvoll-magischen
Symbolismus der Berliner und Leipziger Jahre dar. (OS)
Grisebach 06/2015
181
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4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben in
Werkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sind
in Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite, wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstel-
lungsgröße bzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn Papier- und Darstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist die Papiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen,
Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt. „Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift des
Künstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremder
Hand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe der
gedruckten Bezeichnungen verzichtet.
5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapier
mit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“
oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen.
Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wie
auch maschinell hergestelltes Japanpapier.
6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenstände
können vor der Versteigerung besichtigt und geprüft
werden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand der
Kunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werden
in den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie den
optischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen.
Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, der
angefordert werden kann.
3. The titles and dates of works of art provided in quotation
marks originate from the artist or are taken from the
catalogue raisonné. These titles are printed within quotation
marks. Undated works have been assigned approximate
dates by Villa Grisebach based on stylistic grounds and
available literature.
4. Dimensions given in the catalogue are measurements taken
in centimeters and inches (height by width) from the actual
works. For originals, the size given is that of the sheet;for
prints, the size refers to the plate or block image. Where that
differs from the size of the sheet on which it is printed, the
dimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Special
print marks or designations for these works are not noted in
the catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means an
inscription from the artist’s own hand, in contrast to
“Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscription
from the hand of another.
5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machine made paper manufactured with the texture and finish of
„Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders”
or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term
„Japan paper” refers to both hand and machine-made
Japan paper.
6. All sale objects may be viewed and examined before the
auction; they are sold as is. The condition of the works
corresponds to their age. The catalogues list only such
defects in condition as impair the overall impression of the
art work. For every lot there is a condition report which
can be requested.
7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sich
auf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet.
7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignors
listed in the Consignor Index, with [E] referring to property
owned by Villa Grisebach Auktionen.
8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmt
eingeliefert wurden.
8. Only works already framed at the time of consignment
will be sold framed.
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Auktion in Berlin · 3. und 4. Juli 2015 · Katalogbestellung: [email protected]
187
Lavinia Fontana de Zappis · Bildnis eines jungen Mannes · 1581 · Öl auf Leinwand · 76 x 63 cm (Detail)
Versteigerungsbedingungen
der Villa Grisebach Auktionen GmbH
§ 1 Der Versteigerer
1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der Villa Grisebach Auktionen GmbH –
nachfolgend: „Grisebach“ genannt. Der Auktionator handelt als deren
Vertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt.
Die Versteigerung ist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1
S. 2 und § 383 Abs. 3 BGB.
2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers,
der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von Grisebach befindlichen
Kunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert.
Sie sind im Katalog mit „E“ gekennzeichnet.
3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungs­bedingungen.
Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog,
im Internet und durch deutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von
Grisebach veröffentlicht. Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer
diese Versteigerungsbedingungen als verbindlich an.
§ 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin
1.Katalog
Vor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zur
allgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunst­gegen­stände
abgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätz­lich Angaben über
Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunst­gegen­standes. Nur sie
bestimmen die Beschaffenheit des Kunst­gegen­standes. Im übrigen ist der
Katalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch für dessen
Erscheinungsbild (Farbe) maß­gebend. Der Katalog weist einen Schätzpreis
in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für den Verkehrswert des
Kunst­gegen­stan­des dient, ebenso wie etwaige Angaben in anderen
Währungen.
Der Katalog wird von Grisebach nach bestem Wissen und Gewissen und
mit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt der
Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen
Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers.
Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann bei
ernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von Grisebach angefordert und
es können etwaige von Grisebach eingeholte Expertisen eingesehen werden.
Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angaben
und Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des
§ 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes.
Grisebach ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort der
Versteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffen­den
Kunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigen oder zu
ergänzen.
2.Besichtigung
Alle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor der
Versteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigt und
geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die Grisebach fest­legt,
sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht und
werden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeit­punkt der
Versteigerung befinden.
3. Grisebach bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung.
Sie ist berechtigt, Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der
Auktions­katalog bereits versandt worden ist.
§ 3 Durchführung der Versteigerung
1.Bieternummer
Jeder Bieter erhält von Grisebach eine Bieternummer.
Er hat die Verstei­gerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen.
Von unbekannten Bietern benötigt Grisebach zur Erteilung der
Bieternummer spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung
eine schriftliche Anmel­dung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz.
188
Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf der
Verstei­gerung berücksichtigt.
2.Aufruf
Die Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessen
Aufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der im Katalog
vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zu verbinden oder zu
trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen.
Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro.
Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofern der
Auktionator nicht etwas anderes bestimmt.
3.Gebote
a) Gebote im Saal
Gebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben.
Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande.
Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er dies mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von Grisebach unter Vorlage
einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt bei Zuschlag der
Vertrag mit ihm selbst zustande.
b) Schriftliche Gebote
Mit Zustimmung von Grisebach können Gebote auf einem dafür vorgesehenen
Formular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnet sein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und des
Titels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen.
Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen.
Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter Grisebach, seine Gebote
unter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche
Gebot wird von Grisebach nur mit dem Betrag in Anspruch genommen,
der erforderlich ist, um ein anderes Gebot zu überbieten.
Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit dem
Bieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande.
Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunst­
gegenstand ein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag,
wenn kein höheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird.
c) Telefonische Gebote
Telefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden
vor Beginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und Grisebach
zugestimmt hat. Der Bieter muss die Versteigerungs­bedingungen als
verbindlich anerkennen.
Die telefonischen Gebote werden von einem während der Verstei­gerung im
Saal anwesenden Mitarbeiter von Grisebach entgegen­genommen und unter
Berücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung
abgegeben. Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich
auf den Hammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und
Umsatzsteuer, die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand,
auf den es sich bezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der
Los-Nummer, des Künstlers und des Titels, benennen.
d) Gebote über das Internet
Gebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von Grisebach
zum Bieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und
eines Passwortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen
als verbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person
des Zugelassenen, ist also höchst­persönlich. Der Benutzer ist verpflichtet,
seinen Benutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen.
Bei schuldhafter Zuwiderhandlung haftet er Grisebach für daraus entstandene
Schäden.
Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichend
bestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem
Bieter zuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden
elektronisch protokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer
anerkannt, dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtig­keit offensteht.
Grisebach behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Inter­net
abgegeben werden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote
4.
a)
b)
c)
d)
–
–
–
e)
während einer laufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem
Saal berücksichtigt.
Telefonische Gebote können von Grisebach aufgezeichnet werden.
Mit dem Antrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der
Aufzeichnung einverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei
Monaten gelöscht, sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird.
Der Zuschlag
Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots kein
höheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, der
unbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung
des Kaufpreises (§ 4 Ziff. 1).
Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unter
Vorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirk­sam, wenn
Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der
Versteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein anderer
Bieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mit
dem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag.
Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnen
oder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder der
Zuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam.
Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den
Kunst­gegenstand innerhalb der Auktion neu ausbieten,
wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen
und dies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist,
wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder
wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen.
Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlag
unwirksam.
Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zum
Erreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote für
den Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unter
Benennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstand
bleibt dann unverkauft.
§ 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug
1.Kaufpreis
Der Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld.
Hinzu­kommen können pauschale Gebühren sowie die gesetzliche
Umsatz­steuer.
A. a) Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnet sich der Kaufpreis wie folgt:
Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der
Europäischen Union (EU) berechnet Grisebach auf den Hammerpreis ein
Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammer­preises, der 500.000 EUR
übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teil des
Hammer­preises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von
20 % berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren
sowie die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung
nach § 25a UStG). Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln
ausgewiesen.
Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland
geliefert wird und die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf
Wunsch die Rechnung nach der Regelbesteuerung gemäß Absatz B.
ausgestellt werden. Dieser Wunsch ist bei Beantragung der Bieter­
nummer anzugeben. Eine Korrektur nach Rechnungsstellung ist nicht
möglich.
b) Bei Kunstwerken mit der Kennzeichnung „N“ für Import handelt es
sich um Kunstwerke, die in die EU zum Verkauf eingeführt wurden.
In diesen Fällen wird zusätzlich zum Aufgeld die verauslagte
Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von derzeit 7 % des Hammerpreises
erhoben.
B. Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichneten Kunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt:
a)Aufgeld
Auf den Hammerpreis berechnet Grisebach ein Aufgeld von 25 %.
Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird
ein Aufgeld von 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der
1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet.
b)Umsatzsteuer
Auf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige
gesetzliche Umsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“
gekennzeichnet). Sie beträgt derzeit 19 %.
c)Umsatzsteuerbefreiung
Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen
berechnet, die in Staaten innerhalb der EU von Unternehmen er­worben
und aus Deutschland exportiert werden, wenn diese bei Beantragung
und Erhalt ihrer Bieter­nummer ihre Umsatzsteuer-Identifikations­nummer
angegeben haben. Eine nachträgliche Be­rücksichtigung, insbesondere
eine Korrektur nach Rechnungs­stellung, ist nicht möglich.
Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegen­ständen
berechnet, die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb der EU
geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer gelten
und dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben.
Im Ausland anfallende Einfuhr­umsatz­steuer und Zölle trägt der Käufer.
Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem
Stand der Gesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung.
Änderungen sind nicht ausgeschlossen.
2. Fälligkeit und Zahlung
Der Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig.
Der Kaufpreis ist in Euro an Grisebach zu entrichten. Schecks und
andere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen.
Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mit
un­be­strittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig.
Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisiko
sowie alle Bankspesen zulasten des Käufers.
3.Verzug
Ist der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung
noch nicht beglichen, tritt Verzug ein.
Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich,
unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche.
Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist Grisebach berechtigt und auf
Verlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift des
Käufers zu nennen.
Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann Grise­bach
nach Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten.
Damit erlöschen alle Rechte des Käufers an dem erstei­gerten Kunst­gegen­
stand.
Grisebach ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer
Schadensersatz zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbe­sondere
das Grisebach entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld),
sowie angefallene Kosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe
oder bis zur erneuten Versteigerung des Kunst­gegen­­standes anfallenden
Transport-, Lager- und Versicherungs­­kosten.
Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der
nächsten oder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer
außerdem für jeglichen Mindererlös.
Grisebach hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Verstei­gerungen
auszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken an
andere Auktionshäuser weiterzugeben.
§ 5 Nachverkauf
Während eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nicht
versteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden.
Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich,
telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmten
Betrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Der Vertrag kommt zustande, wenn Grisebach das Gebot innerhalb
von drei Wochen nach Eingang schriftlich annimmt.
Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung für
in der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend.
§ 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes
1.Abholung
Der Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestens
einen Monat nach Zuschlag abzuholen.
Grisebach ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunst­gegen­stand
vor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages
an den Käufer herauszugeben.
Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichung des
Kaufpreises über.
2.Lagerung
Bis zur Abholung lagert Grisebach für die Dauer eines Monats, gerech­net ab
Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn auf eigene
Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat Grisebach das Recht, den
Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunst­spedition einzulagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann Grise­bach statt dessen den
Kunstgegenstand in den eigenen Räumen ein­lagern gegen Berechnung einer
189
monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- und
Versicherungskosten.
3.Versand
Beauftragt der Käufer Grisebach schriftlich, den Transport des ersteigerten
Kunstgegenstandes durchzuführen, sorgt Grisebach, sofern der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zum Käufer
oder dem von ihm benannten Em­pfän­­ger durch eine Kunstspedition und
schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten für
Verpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer.
4.Annahmeverzug
Holt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab
(Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zur
Versendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahme­verzug.
5. Anderweitige Veräußerung
Veräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor
er den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalber
sämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an
Grisebach ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenen
Forderungen die Grisebach zuste­henden Ansprüche übersteigen, ist Grisebach
verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderung
unverzüglich an den Käufer abzutreten.
§ 7 Haftung
1. Beschaffenheit des Kunstgegenstandes
Der Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich bei
Erteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt und
geprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffen­heit durch die Angaben
im Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur des
Kunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung
veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkennt­nissen sowie auf
den Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffen­heits­merkmale sind nicht
verein­bart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder
sich aus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustands­
bericht, Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten.
Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit des
Kunstgegenstandes wird nicht übernommen.
2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB)
Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil an
ihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zwei
Jahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechts­man­gels vom Vertrag
zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigen werden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nach­erfüllung,
auf Schadenersatz oder auf Ersatz ver­geblicher Aufwendungen ausgeschlossen, es sei denn, der Rechts­mangel ist arglistig verschwiegen worden.
3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB)
Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit
(Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berech­tigt, innerhalb
von zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten.
Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Verstei­gerungsbedingungen) zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes in
unverändertem Zustand am Sitz von Grisebach. Ansprüche auf Minderung
des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadens­ersatz oder auf Ersatz
190
vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen.
Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit Grisebach den Mangel
arglistig verschwiegen hat.
Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern Grisebach
den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers ver­äußert hat und die
größte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genannten
Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunst­gegenstandes aufgewandt
hat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
In diesem Falle verpflichtet sich Grisebach, dem Käufer das Aufgeld, etwaige
Umlagen und die Umsatz­steuer zu erstatten.
Außerdem tritt Grisebach dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessen
Name und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegen
der Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen und
ihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den
Einlieferer unterstützen.
4. Fehler im Versteigerungsverfahren
Grisebach haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe von
mündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr
nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere
für das Zustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungen sowie für Übermittlungs-, Über­tragungs- oder Übersetzungsfehler
im Rahmen der eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die
Entgegennahme und Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch
durch unbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungsbeschränkung gilt
nicht für Schäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.
5.Verjährung
Für die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichen
Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre).
§ 8 Schlussbestimmungen
1.Nebenabreden
Änderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oder
Nebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.
2. Fremdsprachige Fassung der Versteigerungsbedingungen
Soweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der
deutschen Sprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend.
3. Anwendbares Recht
Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das
Abkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalen
Warenkaufs (CISG) findet keine Anwendung.
4.Erfüllungsort
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werden
kann, Berlin.
5. Salvatorische Klausel
Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungen
unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen
davon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die
entsprechenden gesetzlichen Vorschriften.
Conditions of Sale
of Villa Grisebach Auktionen GmbH
Section 1 The Auction House
1. The auction will be implemented on behalf of Grisebach Auktionen GmbH –
referred to hereinbelow as “Grisebach”. The auctioneer will be acting as
Grisebach’s representative. The auctioneer is an expert who has been publicly
appointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung
(GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction as
defined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383
paragraph 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code).
2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor,
who will not be named. Solely those works of art owned by Grisebach shall
be sold at auction for the account of Grisebach. Such items will be marked
by an “E” in the catalogue.
3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale.
The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on the
internet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the
Grisebach spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditions
of Sale as being binding upon it.
Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction
1.Catalogue
Prior to the auction date, an auction catalogue will be published. This provides
general orientation in that it shows images of the works of art to be sold at
auction and describes them. Additionally, the catalogue will provide information
on the work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will
define the characteristic features of the work of art. In all other regards, the
catalogue will not govern as far as the characteristics of the work of art or its
appearance are concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in
EUR amounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market
value of the work of art, as does any such information that may be provided in
other currencies.
Grisebach will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief,
and will exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based
on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or
otherwise generally accessible, and on the information provided by the
Consignor.
Seriously interested buyers have the opportunity to request that Grisebach
provide them with a report outlining the condition of the work of art (condition
report), and they may also review any expert appraisals that Grisebach may
have obtained.
The information and descriptions contained in the catalogue, in the condition
report or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any
guarantees, in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art.
Grisebach is entitled to correct or amend any information provided in the
catalogue by posting a notice at the auction venue and by having the auctioneer
make a corresponding statement immediately prior to calling the bids for the
work of art concerned.
2. Pre-sale exhibition
All of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to
the sale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale
exhibition, which will be determined by Grisebach, will be set out in the
catalogue. The works of art are used and will be sold “as is”, in other words
in the condition they are in at the time of the auction.
3. Grisebach will determine the venue and time at which the auction is to be held.
It is entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases
in which the auction catalogue has already been sent out.
Section 3 Calling the Auction
1. Bidder number
Grisebach will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to
acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it.
At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders as
yet unknown to Grisebach must register in writing, providing a written bank
reference letter of recent date, so as to enable Grisebach to issue a bidder
number to them.
At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered.
2. Item call-up
The auction of the individual work of art begins by its being called up by the
auctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a different
sequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form a
lot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auction
that has been given a lot number.
When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer,
denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bid
increments will amount to 10 % of the respective previous bid.
3.Bids
a) Floor bids
Floor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchase
agreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer to
end the bidding process.
Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it must notify
Grisebach of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction
commencing, submitting a corresponding power of attorney from that third party.
In all other cases, once the work of art has been knocked down, the sale and
purchase agreement will be concluded with the person who has placed the bid.
b) Written absentee bids
Subject to Grisebach consenting to this being done, bids may also be submitted
in writing using a specific form developed for this purpose. The bidder must sign
the form and must provide the lot number, the name of the artist, the title of the
work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. The bidder must
acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it.
By placing a written bid, the bidder instructs Grisebach to submit such bid in
accordance with its instructions. Grisebach shall use the amount specified in the
written bid only up to whatever amount may be required to outbid another bidder.
Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a sale and
purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidder who has
submitted such written bid.
Where several written bids have been submitted in the same amount for the
same work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided that
no higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid.
c) Phoned-in absentee bids
Bids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writing
to be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four (24)
hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that Grisebach
has consented. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being
binding upon it.
Bids phoned in will be taken by a Grisebach employee present at the auction on
the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping with the
instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shall cover
exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’s premium,
any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bid must
unambiguously designate the work of art to which it refers, and must wherever
possible provide the lot number, the artist and the title of the work.
Grisebach may make a recording of bids submitted by telephone. By filing the
application to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consent
to the telephone conversation being recorded. Unless it is required as evidence,
the recording shall be deleted at the latest following the expiry of three (3)
months.
d) Absentee bids submitted via the internet
Bids may be admissibly submitted via the internet only if Grisebach has
registered the bidder for internet bidding, giving him a user name and password,
and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being binding
upon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusively
to the registered party; it is thus entirely personal and private. The user is under
obligation to not disclose to third parties its user name or password. Should the
user culpably violate this obligation, it shall be held liable by Grisebach for any
damages resulting from such violation.
Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficiently
191
4.
a)
b)
c)
d)
e)
determinate and if they can be traced back to the bidder by its user name and
password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted via the internet will
be recorded electronically. The buyer acknowledges that these records are
correct, but it does have the option to prove that they are incorrect.
In legal terms, Grisebach shall treat bids submitted via the internet at a point in
time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submitted
via the internet while an auction is ongoing shall be taken into account as if they
were floor bids.
Knock down
The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three calls for
a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item being knocked down
to it, this will place the bidder under obligation to accept the work of art and to
pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The bidder shall not be named.
Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneer
will knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditional
hammer price shall be effective only if Grisebach confirms this bid in writing
within three (3) weeks of the day of the auction. Should another bidder submit a
bid in the meantime that is at least in the amount of the reserve price, the work
of art shall go to that bidder; there will be no consultations with the bidder to
whom the work of art has been knocked down at a conditional hammer price.
The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasons therefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where a bid
is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, the prior bid
shall continue to be valid.
The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up the work
of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may do so in all
cases in which
–
The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timely
fashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected to
this oversight;
–
A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or
–
There are any other doubts regarding the knock-down of the work of art
concerned.
Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of art that
has occurred previously shall cease to be effective.
The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving notice
thereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve
price agreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is
furthermore authorized to knock down the work of art to the Consignor, citing
the consignment number. In such event, the work of art shall go unsold.
Section 4 Purchase Price, Payment, Default
1. Purchase price
The purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium.
Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax.
A. a)
For works of art that have not been specially marked in the catalogue,
the purchase price will be calculated as follows:
For buyers having their residence in the community territory of the
European Union (EU), Grisebach will add a buyer’s premium of 30 % to
the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will be added to that part
of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium
of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of
EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees as
well as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section
25a of the German Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be
itemized separately in the invoice.
Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the
German Turnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes,
may have an invoice issued to them that complies with the standard
taxation provisions as provided for hereinabove in paragraph B. Such
invoice is to be requested when applying for a bidder number. It is not
possible to perform any correction retroactively after the invoice has
been issued.
b) Works of art marked by the letter “N” (for Import) are works of art that
have been imported from outside the EU for sale. In such event, the
import turnover tax advanced, in the amount of currently 7 % on the
hammerprice, will be charged in addition to the buyer’s premium.
B. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot
number, the purchase price is calculated as follows:
a) Buyer’s premium
Grisebach will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price.
A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price
that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added
to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000.
192
b)
Turnover tax
The hammer price and the buyer's premium will each be subject to the
statutory turnover tax in the respectively applicable amount (standard
taxation provisions, marked by the letter "R"). Currently, this amounts
to 19 %.
c) Exemption from turnover tax
No turnover tax will be charged where works of art are sold that are
acquired in states within the EU by corporations and exported outside of
Germany, provided that such corporations have provided their turnover
tax ID number in applying for and obtaining their bidder number. It is not
possible to register this status after the invoice has been issued, and
more particularly, it is not possible to perform a correction retroactively.
No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are
delivered, pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz
(UStG, German Turnover Tax Act), to destinations located in states that
are not a Member State of the EU, provided that their buyers are deemed
to be foreign purchasers and have proved this fact in accordance with
Section 6 paragraph 2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall
bear any import turnover tax or duties that may accrue abroad.
The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status
quo and are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities.
They are subject to change without notice.
2. Due date and payment
The purchase price shall be due for payment upon the work of art being knocked
down to the buyer.
The purchase price shall be paid in euros to Grisebach. Cheques and any other
forms of non-cash payment are accepted only on account of performance.
Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims
are not disputed or have been finally and conclusively determined by a court’s
declaratory judgment.
Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and any
and all bank charges shall be borne by the buyer.
3.Default
In cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks of
the invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting on
the payment.
Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at
1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damages
that may exist.
Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach
shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’s
corresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name and
address.
Where the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach may rescind the
agreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once Grisebach
has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of art
acquired at auction shall expire.
Upon having declared its rescission of the agreement, Grisebach shall be entitled
to demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation of
damages shall comprise in particular the remuneration that Grisebach has lost
(commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as the
costs of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping,
storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once again
offered for sale at auction.
Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, or
where it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyer
moreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved
at that subsequent auction are lower than the price it had bid originally.
Grisebach has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions
and to forward the name and address of that buyer to other auction houses
so as to enable them to exclude him from their auctions as well.
Section 5 Post Auction Sale
In the course of a two-month period following the auction, works of art that have
gone unsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post
auction sale will be deemed to be part of the auction. The party interested in
acquiring the work of art is to submit a bid either in person, by telephone, in
writing or via the internet, citing a specific amount, and is to acknowledge the
Conditions of Sale as being binding upon it. The sale and purchase agreement
shall come about if Grisebach accepts the bid in writing within three weeks of its
having been received.
The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up
and liability for works of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis.
Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction
1.Pick-up
The buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1)
month after it has been knocked down to the buyer.
However, Grisebach is not under obligation to surrender to the buyer the work of
art acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice having
been paid in full.
Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase price
having been paid in full.
2. Storage
Grisebach shall store the work of art acquired at auction until it is picked up,
doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, the
amount insured being equal to the purchase price. Thereafter, Grisebach shall
have the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agent
and to insure it there. At its choice, Grisebach may instead store the work of art
in its own premises, charging a monthly lump-sum fee of 0.1 % of the purchase
price for the costs of storage and insurance.
3.Shipping
Where the buyer instructs Grisebach in writing to ship to it the work of art
acquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paid
in full, Grisebach shall procure the appropriate shipment of the work of art to the
buyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performed
by a specialized fine art shipping agent; Grisebach shall take out corresponding
shipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping the
work of art as well as the insurance premium.
4. Default of acceptance
Where the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1)
and fails to issue instructions for the work of art to be
shipped to it (Clause 3), it shall be deemed to be defaulting on acceptance.
5. Sale to other parties
Should the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work of
art it has acquired at auction, it hereby assigns to Grisebach, as early as at the
present time and on account of performance, the entirety of all claims to which
it is entitled under such onward sale, and Grisebach accepts such assignment.
Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which Grisebach
is entitled, Grisebach shall be under obligation to immediately re-assign to the
buyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting its
claim.
Section 7 Liability
1. Characteristics of the work of art
The work of art is sold in the condition it is in at the time it is knocked down to
the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristic
features of the work of art are comprised of the statements made in the
catalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique and
signature. These statements are based on the scholarly knowledge published
up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the
information provided by the Consignor. No further characteristic features are
agreed among the parties, in spite of the fact that such features may be
described or mentioned in the catalogue, or that they may garnered from
information provided in writing or orally, from a condition report, an expert
appraisal or the images shown in the catalogue. No guarantee (Section 443
of the Bürgerliches Gesetz­buch (BGB, German Civil Code)) is provided for the
work of art having any characteristic features.
2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given
(Section 435 of the German Civil Code)
Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it is
encumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2)
years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB,
German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or it
may reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code).
In all other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the
German Civil Code are hereby contracted out, these being the right to demand
the retroactive performance of the agreement, the compensation of damages,
or the reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has been
fraudulently concealed.
3.
4.
5.
Buyer’s rights in the event of a material defect being given
(Section 434 of the German Civil Code)
Should the work of art deviate from the characteristic features agreed
(work’s creator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind
the agreement within a period of two (2) years after the work of art has been
knocked down to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB, German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price
it has paid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the
return of the purchased object in unaltered condition, such return being effected
at the registered seat of Grisebach.
Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the German
Civil Code), to the compensation of damages or the reimburse–ment of futile
expenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contracted
out. This exclusion of liability shall not apply should Grisebach have fraudulently
concealed the defect.
The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted out
wherever Grisebach has sold the work of art for the account of the Consignor
and has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in
identi­fying the work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue,
provided there was no cause to doubt these statements’ being correct. In such
event, Grisebach enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s
premium, any allocated costs that may have been charged, and turnover tax.
Moreover, Grisebach shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the
Consignor to which it is entitled as a result of the defects of the work of art,
providing the Consignor’s name and address to the buyer. Grisebach shall
support the buyer in any manner that is legally available to it and that it is able
to apply in enforcing such claims against the Consignor.
Errors in the auction proceedings
Grisebach shall not be held liable for any damages arising in connection with
bids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet,
unless Grisebach is culpable of having acted with intent or grossly negligently.
This shall apply in particular to the telephone, fax or data connections being
established or continuing in service, as well as to any errors of transmission,
transfer or translation in the context of the means of communications used,
or any errors committed by the employees responsible for accepting and
forwarding any instructions. Grisebach shall not be held liable for any misuse
by unauthorized third parties. This limitation of liability shall not apply to any
loss of life, limb or health.
Statute of limitations
The statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1
Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years)
shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned.
Section 8 Final provisions
1. Collateral agreements
Any modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an
individual case, or any collateral agreements, must be made in writing in order
to be effective.
2. Translations of the Conditions of Sale
Insofar as the Conditions of Sale are available in other languages besides
German, the German version shall govern in each case.
3. Governing law
The laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The United
Nations Convention on the International Sale of Goods shall not apply.
4. Place of performance
Insofar as it is possible to agree under law on the place of performance and the
place of jurisdiction, this shall be Berlin.
5. Severability clause
Should one or several provisions of the present Conditions of Sale be or become
invalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of the
invalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply.
193
Einliefererverzeichnis Impressum
Consignor Index
Imprint
[3009] 249 [3011] 185, 261, 262 [3012] 203, 290 [3013] 102, 103,
104, 110, 127, 136, 138, 150, 178, 212, 241, 245 [3016] 271
[3019] 122 [3032] 112 [3034] 143, 146, 153, 157, 166, 171, 177,
189, 195 [3038] 217, 219, 234, 236 [3043] 131, 134, 142 [3044] 286
[3046] 254 [3047] 208, 210, 259, 260 [3054] 124, 240, 269, 270
[3056] 113, 182, 211 [3068] 147 [3071] 153a [3072] 205 [3081] 268
[3087] 264 [3088] 244 [3091] 200, 235, 263 [3094] 145 [3095] 100,
105, 106 [3097] 129 [3098] 289 [3099] 275 [3105] 144 [3106] 170
[3107] 273 [3121] 168, 172, 192, 198, 202 [3123] 213 [3125] 255
[3126] 256, 274, 287 [3131] 214 [3132] 151, 237 [3133] 121
[E] 158, 173, 227 [3140] 126, 130, 186, 191 [3142] 283 [3143] 107,
155, 193, 215, 218 [3144] 239, 246 [3145] 272, 279 [3150] 169
[3157] 258 [3171] 220 [3176] 160, 167 [3189] 238 [3191] 137, 180,
181, 187 [3196] 101, 199 [3199] 114, 115 [3200] 109 [3201] 229
[3204] 118, 120 [3207] 141 [3215] 117, 132, 161, 188 [3221] 197
[3224] 154, 176 [3239] 250 [3240] 190, 228, 230 [3242] 125, 148,
194, 280, 284 [3244] 204 [3245] 108, 207 [3262] 288 [3266] 276,
278, 285 [3269] 174 [3270] 216 [3275] 111, 175, 179, 221
[3283] 163, 164 [3285] 151a, 152, 165, 184, 196, 243 [3287] 159
[3288] 139, 149, 201, 222 [3293] 232 [3337] 123 [3339] 135, 140,
206, 231 [3340] 162 [3342] 248 [3344] 223, 242, 281 [3359] 233
[3362] 277 [3385] 156 [3394] 183, 226 [3398] 252 [3400] 133
[3402] 119 [3404] 247 [3413] 225, 257 [3418] 267 [3420] 251
[3443] 265, 266 [3459] 209 [3490] 128 [3495] 253 [3537] 152a
Herausgegeben von:
Villa Grisebach Auktionen GmbH,
Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin
Geschäftsführer:
Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies,
Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor Stüssel
HRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand Berlin
Katalogbearbeitung:
Florian Illies, Stefan Pucks, Dr. Anna Ahrens
Provenienzrecherche: Dr. Sibylle Ehringhaus
Textbeiträge: Anna Ahrens (AA), Nina Barge (NB),
Ulrich Clewing (UC), Sibylle Ehringhaus (SE), Simon Elson (SIE),
Florian Illies (FI), Michael Mohr (MM), Oliver Sukrow (OS),
Sabine Weisheit (SW), Maria Zinser (MZ)
Photos: © Fotostudio Bartsch, Karen Bartsch, 2015
Photobearbeitung: Ulf Zschommler
© VG Bildkunst, Bonn 2015 (für vertretene Künstler)
Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich,
die Rechteinhaber ausfindig zu machen.
Produktion/DTP: Daniel Lamprecht
Database-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, Berlin
Herstellung & Lithographie: Königsdruck GmbH
Gedruckt auf Maxisatin, 150 g/qm
Schrift: Didot und Corporate S
Abbildungen auf dem Umschlag:
Umschlag vorn:
Adolph von Menzel · Los 247
Doppelseite vorn:
Théodore Gudin · Los 226
(Ausschnitt)
(Ausschnitt)
Doppelseite Seite 2/3: Hermann Daur · Los 256
(Ausschnitt)
Doppelseite hinten: Friedrich Wilhelm Klose · Los 123
Umschlag hinten:
Carl Gustav Carus · Los 112
(Ausschnitt)
(Ausschnitt)
194
Künstlerverzeichnis
Artist Index
Achenbach: 161, 188, 218
Alt: 244
Arnold: 122
Becker: 187
Bellermann: 214
Bendz: 120
Blaschnik: 194
Blechen: 130, 131
Brandes: 114, 115
Brendel: 168
Bürkel: 176
Carus: 107, 112
Corot: 230
Crola: 179
Dänisch, um 1810: 117
Dänisch, um 1850: 151a
Dänisch, um 1840: 182
Daur: 256
Deutsch, 1836: 193
Deutsch, 1853: 203
Deutsch, 1896: 268
Deutsch, um 1800: 111
Deutsch, um 1810: 106
Deutsch, um 1820: 100, 105, 149
Deutsch, um 1825/35: 197
Deutsch, um 1830: 190, 192, 231
Deutsch, um 1860: 223
Deutsch, um 1870: 145
Dresden, um 1820: 138
Dresden, um 1830: 126, 170
Ensor: 225
Faber: 177
Fidus: 274, 277, 287, 289
Französisch, 1825: 155
Französisch, 1832: 165
Französsich, vor 1810: 227
Französisch, um 1820/30: 228
Französisch, um 1835: 229
Friedrich, G.A.: 108
Fries: 158, 171, 173
Gaertner: 121
Gille: 146, 153, 233, 241
Götzloff: 172, 198, 199, 200
Graff: 127
Gudin: 226
Gurlitt: 175, 195, 205
Hackert: 154
Henning: 113
Hensel: 125
Henseler: 263
Hofland: 212
Hofmann: 267, 275, 280, 281, 283, 284
Hoguet: 220
Hummel: 144
Hummel (?): 157
Israëls: 240
Kaaz (Katz): 104
Kanoldt: 211
Kauffmann: 221
Khnopff: 271
Kips: 262
Klein: 243
Klinger: 257, 290
Klose: 180, 181, 215
Klose (seit 1839: Kloss): 123, 129
Kopisch: 242
Kugler: 278
Kummer: 110, 136
Kupka: 253
Kurtz: 272
Leibl: 252, 254
Lenbach: 250, 251
Leypold: 207
Lichtenfels: 135
Lindenschmit d. J.: 264
Linton: 163, 164
Loos: 132
Lucas: 169
Lutteroth: 174
Magnus: 119
Max: 269, 270
Menzel: 237, 238, 239, 246, 247, 248,
249, 255
Metz: 139
Meyer: 118
Moest: 273
Mücke: 189
Müller: 153a
Nerly: 162, 166
Oehme: 109
Oer: 156
Oppenheim: 124
Österreichisch, um 1830: 141
Österreichisch, um 1830/40: 134
Overbeck (Umkreis): 160
Pape: 142, 245
Papperitz: 137, 213
Peipers: 185
Pellar: 279
Pose: 150
Preller d. Ä.: 201
Preyer, E.: 152a
Preyer, J.W.: 151
Quaglio: 147
Rau: 140, 206
Rebell: 159, 184
Reinermann: 202
Reinhold: 178
Rottmann: 216
Roux: 133
Russisch, um 1870: 186
Ruths: 210
Schirmer, A.W.: 208
Schirmer, J.W.: 196
Schuster: 148
Seidel: 183
Selleny: 152, 261
Simm: 258
Skarbina: 235, 265, 266
Stadler: 260
Stuck: 276, 286, 288
Unbekannt, um 1840: 128, 134
Unger: 285
Venus, A.: 143, 191
Venus, L.: 232
Voltz: 222, 259
Wasmann: 167
Werner: 209, 217, 219, 234, 236
Zimmermann: 204
Zingg: 101, 102, 103
Die bibliographischen Angaben
zu den zitierten Werkverzeichnissen
unter www.villa-grisebach.de/de/
kataloge/WVZ_237
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196 Schmuckseite / zur Umschlagseite U3