Deutsch lernen mit allen Sinnen: Internationale Klasse am Reckenberg Berufskolleg auf späteres Berufsleben vorbereiten Nedal lernt Deutsch. Das macht er nicht nur, indem er das Verb „messen“ konjugiert. Denn während der Jugendliche, der bis vor kurzem noch im Irak gelebt hat, ganz richtig aufzählt „ich messe, du misst, er misst, wir messen und ihr messt“, steht er an der Werkbank und arbeitet tatsächlich an einem Stück Holz, aus dem später einmal das Gesellschaftsspiel „Mensch ärgere dich nicht“ werden soll. Lernen mit allen Sinnen, nicht nur mit dem Kopf, sondern am besten auch mit der Hand – nach diesem pädagogischen Muster erwerben neben dem 20-jährigen Nedal derzeit insgesamt 19 Jugendliche am Reckenberg Berufskolleg des Kreises Gütersloh in Rheda-Wiedenbrück ihre ersten Kenntnisse in einer für sie völlig fremden Sprache. Ursprünglich kommen die jungen Schülerinnen und Schüler aus aller Welt. Die Gründe zu immigrieren sind so unterschiedlich wie sie selbst. Sie besuchen am Reckenberg Berufskolleg eine spezielle internationale Vorbereitungsklasse, die ganz auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist. In täglich sechs Schulstunden ergänzen sich Theorie und Praxis ideal. Verantwortlich für die bunte Klasse ist Deutschlehrerin Kristina Lüffe. Sie unterrichtet nicht nur das Fach „DAF - Deutsch als Fremdsprache“ sondern ist auch Ansprechpartnerin für Eltern und Schüler bei allen Fragen rund um das Thema Sprache und Schule. Ebenfalls im Team sind Pädagogen aus dem handwerklichen Bereich, unter deren Obhut die Jugendlichen den praktischen Umgang im Holz- und Gestaltungsbereich sowie in der Küche lernen. Kristina Lüffe: „Wir gestalten den Unterricht sehr abwechslungsreich und durch unsere täglichen Ausflüge in die Praxis und nähere Umgebung macht die Gruppe sehr schnell Fortschritte.“ Zehn verschiedene Muttersprachen – von Polnisch oder Armenisch über Arabisch bis hin zu Serbisch oder Nigerianisch - kursieren in der Klasse. Lüffe: „Doch wenn alle gemeinsam in einer unserer Lehrküchen stehen und kochen, klappt die Verständigung schon ganz prima.“ Unterstützt werden die jungen Deutschlerner zusätzlich von Schülerpaten. „In unserem Berufskolleg mit über 2.000 Schülern haben wir in anderen Klassen Jugendliche, die eine der Sprachen in unserer internationalen Klasse sprechen. Sie können nicht nur helfend als Übersetzer zur Verfügung stehen, sondern sich auch zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten treffen“, freut sich die Deutschlehrerin über die Solidarität der Schüler untereinander. Schulleiterin Elke Brost verweist auf den Pilotcharakter des Projektes. „In unserer Schule, die sowohl gewerblich-technisch als auch hauswirtschaftlich und sozialpädagogisch ausgerichtet ist, bietet sich den jungen Lernern ein breites Betätigungsfeld, das im Idealfall schon auf eine spätere Berufsmöglichkeit vorbereiten kann.“ Als einziges Berufskolleg im Kreis Gütersloh werde hier diese umfassende Form der Betreuung für ältere Schülerinnen und Schüler mit Asyl- bzw. Flüchtlingshintergrund angeboten. Dabei sei es egal, ob die jungen Menschen per Amtsentscheidung bereits einen Aufenthaltstitel für Deutschland hätten oder nicht. Brost: „Es geht uns vor allem um eine Zukunftsperspektive. Die Jugendlichen haben durch ihren Schulbesuch einen geregelten Tagesablauf und eine echte Chance, zunächst im geschützten Rahmen der speziellen Vorbereitungsklasse zügig die deutsche Sprache zu erlernen.“ Ziel sei es, dass die Jugendlichen in den Arbeitsmarkt wechseln könnten. Auch Cem Özel, stellvertretender Leiter des kommunalen Integrationszentrums vom Kreis Gütersloh, begleitet das Projekt der internationalen Klasse eng. „Im Kreisgebiet gibt es bereits einige Anlaufstellen und Aktivitäten verschiedener Art für Menschen mit Migrationshintergrund. Es gilt, dieses Engagement sinnvoll zu vernetzen.“ Wie Schulleiterin Brost befürwortet er eine zentrale Kontaktstelle, in der diese Fäden zusammenlaufen und die die Jugendlichen beim Übergang in den Arbeitsprozess langfristig begleitet. „Dass wir auf einem guten Weg sind, sehe ich an den großen Lernfortschritten“, betont Klassenlehrerin Lüffe. Und während in der Holzwerkstatt noch die Späne fliegen, Verben gebeugt und Sätze geübt werden, freut sich Nedal gemeinsam mit dem 16-jährigen Xiu aus Nigeria auf die nächste Stunde. Da steht Kochen und anschließendes Essen auf dem Plan. Und grammatikalisch ganz korrekt informieren die beiden: „Wir kochen heute Kartoffeln.“ Derzeit insgesamt 19 Schülerinnen und Schüler verschiedenster Herkunftsländer umfasst die internationale Vorbereitungsklasse am Reckenberg Berufskolleg. Unterstützt werden sie neben Klassenlehrerin Kristina Lüffe (hintere Reihe 3.v.l.) von Michael Wagner, dem Abteilungsleiter (1.v.l.), Elke Diallo, Fachlehrerin (2.v.l.), Hans Wellerdiek, Werkstattlehrer (2.v.r. stehend) und dem stellv. Leiter des Kommunalen Integrationszentrum Cem Özel (5.v.l. stehend). Beim Deutschlernen in der Holzwerkstatt verbinden sich Praxis und Theorie: Die 19 Schülerinnen und Schüler der internationalen Vorbereitungsklasse am Reckenberg Berufskolleg und das Pädagogenteam um Abteilungsleiter Michael Wagner (stehend 1.v.l.), Hans Wellerdiek (2.v.l.), Integrationsbeauftragter Cem Özel (5.v.l.), Elke Diallo (6.v.l.), Klassenlehrerin Kristina Lüffe (7.v.l.) und Gerlind Höcker (4.v.r.).
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