Porträt Jubiläum Kapelle Schwyzergruess 50 Jahre in sicherer Frauenhand Erika Wyss ist seit einem halben Jahrhundert die treibende Kraft der Kapelle Schwyzergruess aus Wildersil. Trotz fortgeschrittenem Alter hält sie die Fäden in sicherer Hand und sorgt dafür, dass bei den jährlich über 60 Engagements immer alles rund läuft. Stefan Schwarz Gemeinsam mit ihrem Ehemann Erich, Sohn Roland und Bassgeiger Christian Flückiger kann die rürige Kapellmeiste rin heuer eigentlich nicht nur 50 Jahre Kapelle Schweizergruess feiern, son dern ganze 150 Jahre! Die Rechnung ist einfach: Erika und Erich Wyss sind beide seit 50 Jahren dabei. Sohn Roland kam vor 30 Jahren zur Kapelle und seit 20 Jahren sorgt Christian Flückiger aus Thun für das musikalische Fundament. Begonnen hat die Geschichte ein paar Jahre zuvor im Restaurant Heimat in Wilderswil. Die aus dem Luzernischen ins Berner Oberland gezogene Musikan 2/2015 tin sass dort gerne am runden Tisch und half wacker mit, wenn in froher Runde geprahlt, geschwindelt und gejutzt wurde. Nicht selten wurde der «Steini Erich» aufgefordert, seine Handorgel zu holen. Dann wurde es immer etwas spä ter: «Da isch no nid gschleglet worde. Me isch am Runde gsi und isch immer chli witer use grütscht, dass alli hei Platz gha», erinnert sich Erika, als ob es ges tern gewesen wäre. «Steini Erich» war übrigens ein Übername für Erich Wyss, der am Steiniweg in Wilderswil aufge wachsen war. Erst nach gewisser Zeit wurde den Stammtischlern so richtig be wusst, dass die unbekümmerte Luzer nerin nicht nur singen und jodeln kann. Sie spielte schon in frühen Jahren dia tonische Handorgel, sass in der «Young Boy Band» am Schlagzeug und wirkte in einem Luzerner Jodelklub als Vorjod lerin. Eines Tages aber nahm Erika ihr Instrument mit in die Heimat und dann ging es so richtig los. Nicht nur musika lisch. Erich und Erika kamen sich auch persönlich näher. Erika übernimmt das Zepter Durch den späteren Ehemann kam Erika alsbald an ein erstes chromatisches Ak kordeon und kurze Zeit später stiess das Paar zur Kapelle von Willy Munz. Rund ein Jahr später verunfallte der Kapellmeister und die verbliebenen Mu sikanten mussten am 24. Februar 1965 kurzfristig mit einem Ersatzmann zu einem Engagement antreten. Mit von der Partie war der Bläser Kari Feuz, der da mals jedoch erst über ein sehr beschei denes Repertoire verfügte. Weil aber Erika und Erich auch im Duett aufspielen konnten, war der Abend halbwegs geret 37 Porträt Fotos: zv.g Das Ehepaar Erika und Erich Wyss hat sich durch die Musik kennengelernt und integrierte bald auch Sohn Roland. tet. «I ha di Kapäue du überno denn», be richtet Erika Wyss und ergänzt, dass sie dazwischen «mit ere Zöttelichappe uf em Chopf e chli der Löu» gemacht habe, um das Publikum notgedrungen noch zusätz lich in Stimmung zu bringen. Das war der Startschuss für die Kapelle Schwyzer gruess, die mit wachsendem und buntem Repertoire immer bekannter wurde. Ein musikalischer Sohn Als im Jahr 1969 Sohn Roland das Licht der Welt erblickte, stand eine Woche spä ter ein Engagement auf dem Terminplan, bei welchem eigentlich ein Ersatzmann hätte einspringen sollen. Dieser aber lag plötzlich mit Fieber im Bett und die Ka pellmeisterin musste höchstpersönlich ausrücken: «Derzwüsche han i eifach hei müesse ga d Bruscht gä», erinnert sich Erika augenzwinkernd. Vermutlich hat Roland bereits damals den Musikanten virus miteingesogen, denn als fünfjäh riger Knirps versuchte er sich erstmals auf einer diatonischen Handorgel und alsbald jodelte er zwischendurch kräftig mit, wenn er bei einem Auftritt der Ka pelle Schwyzergruess zugegen war. Un vergessen für Roland ist ein Auftritt im Kursaal Interlaken, wo er mit Begleitung seines Vaters vor vollem Haus in kurzen Hosen, mit Hühnern und Leiterwagen im Schlepptau das Lied «Lärmegi Musig» von Adolf Stähli uraufführen durfte. 11-jährig griff Roland Wyss zur Klari nette und besuchte in der Musikgesell schaft Wilderswil einen ersten Jungblä Die Familie Wyss bei einem währschaften Zmittag. 38 serkurs. Er machte schnell Fortschritte, spielte jedoch längere Zeit mehrheitlich nach Gehör, weil er mit den Noten nicht viel anfangen konnte. Dieses Manko konnte er später beheben und bei den damaligen Interlakner Volksmusiktagen liess er sich von Carlo Brunner so richtig für die Innerschweizer Ländlermusik be geistern. Roland spielte damals schon re gelmässig zweite Stimme in der Kapelle, wobei das Repertoire damals noch ver mehrt aus Bündnermusik bestand. Als Kari Feuz aus der Formation austrat, war Roland der einzige Bläser, womit auch der Weg zum Innerschweizer Repertoire eine logische Folge war. Eltern und Sohn erinnern sich gut daran, dass es in jener Zeit familienintern teils hitzige Diskussi onen gab, weil der talentierte Junior mit Eine von vielen Collagen aus 50 Jahren Schwyzergruess. 2/2015 Porträt Die Kapelle Schwyzergruess in der Besetzung mit zwei Klarinetten. Heute musiziert die Familie ab und zu auch im Trio. der Kapelle vermehrt kompliziertere Ti tel hätte spielen wollen. Es brauchte da mals von beiden Seiten Toleranz und Verständnis, woraus eine sinnvolle musi kalische Mischung entstand, die heute für den Erfolg der Kapelle Schwyzergruess mitverantwortlich ist. Vielseitige Unterhaltung Neben ausgewählten Kompositionen mit anspruchsvollen harmonischen Wen dungen besteht das Repertoire grössten teils aus gängiger Ländlermusik, die das breite Publikum auch versteht. Dazwi schen erklingen auch mal bekannte Gas senhauer und besondere Höhepunkte sind stets auch die unerwarteten Jodeleinlagen von Erika und Roland. Begleitet wird das Duett wie in früheren Zeiten von Erich mit der Handorgel. «Mir chöi eifach e Tonart abegä, u när stimmts», lobt Erika ihren Mann. Damit ist die musikalische Vielseitigkeit der Kapelle Schwyzergru ess aber noch lange nicht ausgeschöpft! Bei ausgewählten touristischen Auftritten präsentiert die Formation – ergänzt mit einem Alphornbläser – zum Teil ganze Folkloreprogramme inklusive Glöggele, Talerschwingen, Alphornblasen, Jodeln, Chlefele und Löffele. Nicht selten wird bei solchen Anlässen das interessierte Publikum direkt ins musikalische Ge schehen integriert, was jeweils beidsei tig viel Freude und Frohsinn auslöst. Bei den zahlreichen Folkloreabenden, die in 2/2015 den Sommermonaten von den Gemein den Ringgenberg, Goldswil, Lauterbrun nen, Wengen und Merligen organisiert werden, steht die Gruppe teils mehr mals wöchentlich im Einsatz. Und weil die Kapelle während des Jahres oftmals auch bei Trachtengruppen als Begleitfor mation wirkt, können sich diese bei den sommerlichen Veranstaltungen jeweils auch gleich durch die Kapelle Schwy zergruess begleiten lassen. Insgesamt er geben sich gemeinsam mit anderen Enga gements über 100 Auftritte jährlich, die teilweise jedoch nur in Triobesetzung be stritten werden. Der aktuelle Bassgeiger Christian Flückiger wird dann jeweils von Erika oder Roland ersetzt, die bei Bedarf auch mal ans Klavier sitzen kön nen. So ist auch in der kleineren Forma tion stets ein vielfältiges Programm in klusive Jodeleinlagen garantiert. Musik hat in der Familie Wyss auch ne ben der Kapelle Schwyzergruess einen hohen Stellenwert. Mutter Erika spielte einige Jahre Flügelhorn in der Musikge sellschaft Matten und auch Sohn Roland ist der Blasmusik bis heute treu geblie ben. Nach vielen Jahren bei der Musikge sellschaft Wilderswil musiziert er heute in der Musikgesellschaft Lauterbrunnen. In dieser Gemeinde ist er mittlerweile auch wohnhaft und dirigiert dort zudem den Jodlerklub. Auch beruflich gibt bei Roland die Musik den Takt an. Seit 1997 betreibt er in Matten bei Interlaken ein eigenes Musikgeschäft, das seither für viele Musiker und Blasmusikformatio nen zum wichtigen Ansprechpartner ge worden ist. 50-Jahr-Jubiläum Erika Wyss freut sich, dass die Kapelle Schwyzergruess für ihren Sohn trotz an derer Aktivitäten im Musikbereich bis heute einen hohen Stellenwert hat. Frü her motivierten ihn vorab die regelmäs sigen Auslandengagements, doch mittlerweile bedeutet ihm die Familienforma tion schlichtweg ein Stück musikalische Heimat. Hierfür hat er bereits über 100 Eigenkompositionen beigesteuert. Eine Auswahl davon wird am 30. Mai 2015 auf einer neuen CD veröffentlicht, denn an diesem Abend wird im Aarecafé in Interlaken ein gemütlicher Jubiläums abend mit vielen Erinnerungen an alte Zeiten über die Bühne gehen. Kontakt Erika Wyss Steiniweg 1 3812 Wilderswil Telefon 033 822 68 92 www.facebook.com/Schwyzergruess 39
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