Armin Nassehi
Institut für Soziologie
Vorlesung
Soziologische Theorie
SoSe 2015
Mo 1015-1145 Uhr, AudiMax
27. April 2015
Max Weber
Soziologie ohne Gesellschaft
Prof. Dr. Armin Nassehi
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Armin Nassehi:
Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen
2. Aufl.
Wiesbaden: VS-Verlag 2011.
Hans Joas/Wolfgang Knöbl:
Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen
Aktualisierte Auflage
Frankfurt/M./Berlin: Suhrkamp 2004.
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Gerade erschienen:
Armin Nassehi
Die letzte Stunde der Wahrheit.
Warum rechts und links keine Alternativen mehr sind
und Gesellschaft ganz anders beschrieben werden
muss.
Hamburg: Murmann-Verlag 2015
20,- € (Hörerpreis 11,90 €)
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Programm
13.04.
Die Vorgeschichte: Rousseau, Hobbes, Hegel und Marx
Die Erfindung der bürgerlichen Gesellschaft und ihre Kritik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Band 7, Frankfurt/M. 1970, §§ 182-188,
S. 339-346; Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Band 1,
Berlin (DDR) 1969, S. 378-391.
20.04.
Emile Durkheim:
Gesellschaft als integrierte Einheit/Soziologie als Moralwissenschaft
Emile Durkheim: Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt/M. 1977, S. 152-173 und 437-450. Emile Durkheim:
Regeln der soziologischen Methode, Neuwied 1961, S. 115-128.
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27.04.
Max Weber:
Soziologie ohne Gesellschaft
Max Weber: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: ders.: Schriften 1894-1922, ausgew. v. Dirk Käsler,
Stuttgart 2002, S. 275-313.
04.05.
George Herbert Mead:
Gesellschaft als universe of discourse/Soziologie als Verhaltenswissenschaft
George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Hrsg. von Charles W. Morris. Frankfurt/M. 1992, S. 194-221 und
230-265.
11.05.
Talcott Parsons:
Gesellschaft als politische Einheit/Soziologie als Theorie sozialer Systeme
Talcott Parsons: Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 12-42.
18.05.
Alfred Schütz/Peter Berger/Thomas Luckmann:
Gesellschaft als Lebenswelt/Soziologie als Phänomenologie und Anthropologie
Alfred Schütz/Thomas Luckmann: Die Lebenswelt des Alltags und die natürliche Einstellung, in: dies.: Strukturen der
Lebenswelt. Band 1, Frankfurt/M. 2003, S. 29-50.
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25.05. - Pfingstmontag
01.06.
Theodor W. Adorno/Max Horkheimer
Gesellschaft als das unwahre Ganze/Soziologie als kritische Theorie
Theodor W. Adorno: Gesellschaft, in: Soziologische Schriften I, Ges. Schriften Bd. 8, Frankfurt/M. 1997, S. 9-19.
08.06.
Gary S. Becker/James Coleman
Gesellschaft als Situation/Soziologie als Theorie rationaler Wahl
Gary S. Becker: The Economic Way of Looking at Life, Nobel Lecture, Oslo 1992.
15.06.
Jürgen Habermas:
Gesellschaft als System und Lebenswelt/Soziologie als Aufklärungsprojekt
Jürgen Habermas: Der normative Gehalt der Moderne, in: ders.: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf
Vorlesungen, Frankfurt/M. 1985, S. 390-425.
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22.06.
Niklas Luhmann:
Gesellschaft ohne Zentrum und Spitze/Soziologie als Aufklärung
Niklas Luhmann: Das Moderne der modernen Gesellschaft, in: ders.: Beobachtungen der Moderne, Opladen 1992, S.
11-49.
29.06.
Pierre Bourdieu:
Gesellschaft als Distinktionsraum/Soziologie als (Selbst-)Aufklärung
Pierre Bourdieu: Leçon sur la leçon, in: ders.: Sozialer Raum und ‘Klassen’. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen,
Frankfurt/M. 1985, S. 49-81.
06.07.
Bruno Latour:
Gesellschaft posthumaner Kollektive/Soziologie als Theorie hybrider Akteure
Bruno Latour: Kleine Soziologie alltäglicher Gegenstände, in: ders.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers
der Wissenschaften, Berlin, S. 15-84.
13.07.
Klausur
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Weitere Informationen:
Die Texte werden in den Tutorien bearbeitet und sollen von allen sonstigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der
Vorlesung mitgelesen werden.
Die Anmeldeformalitäten für die Klausur werden im Laufe der Vorlesung erläutert.
Sonntags ab spätestens 23.00 Uhr (meist früher) lassen sich die Folien des darauf folgenden Montags von der Homepage
des Lehrstuhls herunterladen (www.nassehi.de).
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Max Weber (1864-1920)
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft
(J.C.B. Mohr, Tübingen 1972)
S.111: S.1: §1. Soziologie (im hier verstandenen
Sinn dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes)
soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales
Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem
Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“
soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder
innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und
insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven
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Sinn verbinden. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln
heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten
Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in
seinem Ablauf orientiert ist.
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S.12: §2. Wie jedes Handeln kann auch das soziale Handeln
bestimmt sein 1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens
von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und
unter Benutzung dieser Erwartungen als „Bedingungen“ oder als
„Mittel“ für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigne
Zwecke, - 2. wertrational: durch bewussten Glauben an den –
ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu
deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten
Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg, - 3.
affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und
Gefühlslagen, - 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit.
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S.13: 5. Sehr selten ist Handeln, insbesondere soziales Handeln,
nur in der einen oder der andren Art orientiert. Ebenso sind diese
Arten der Orientierung natürlich in gar keiner Weise erschöpfende
Klassifikationen der Arten der Orientierung des Handelns, sondern
für soziologische Zwecke geschaffene, begrifflich reine Typen,
denen sich das reale Handeln mehr oder minder annähert oder aus
denen es – noch häufiger – gemischt ist. Ihre Zweckmäßigkeit für
uns kann nur der Erfolg ergeben.
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Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre
(Zweite Auflage, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen, 1951)
S.191: Er [der Idealtypus] wird gewonnen durch einseitige
Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch
Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr,
dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen
Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen
Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen
Gedankenbilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist diese
Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es
ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die
Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie
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fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht, inwieweit also der
ökonomische Charakter der Verhältnisse einer bestimmten Stadt als
„stadtwirtschaftlich“ im begrifflichen Sinn anzusprechen ist. Für
den Zweck der Erforschung und Veranschaulichung aber leistet
jener Begriff, vorsichtig angewendet seine spezifischen Dienste.
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S.149:... denn wir sind der Meinung, dass es niemals Aufgabe einer
Erfahrungswissenschaft sein kann, bindende Normen und Ideen zu
ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können.
Was folgt aber aus diesem Satze? Keineswegs, dass Werturteile
deshalb, weil sie in letzter Instanz auf bestimmten Idealen fußen
und daher „subjektiven“ Ursprungs sind, der wissenschaftlichen
Diskussion überhaupt entzogen seien. Die Praxis und der Zweck
unserer Zeitschrift würde einen solchen Satz ja immer wieder
desavouieren. Die Kritik macht vor den Werturteilen nicht Halt.
Die Frage ist vielmehr: Was bedeutet und bezweckt
wissenschaftliche Kritik von Idealen und Werturteilen?
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S.151 f.: Eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu
lehren, was er soll, sondern nur was er kann und – unter Umständen
– was er will. Richtig ist, dass die persönlichen Weltanschauungen
auf dem Gebiet unserer Wissenschaften unausgesetzt hineinzuspielen pflegen auch in die wissenschaftliche Argumentation, sie
immer wieder trüben, das Gewicht wissenschaftlicher Argumente
auch auf dem Gebiet der Ermittlung einfacher kausaler Zusammenhänge von Tatsachen verschieden einschätzen lassen, je nachdem
das Resultat die Chancen der persönlichen Ideale: die Möglichkeit,
etwas Bestimmtes zu wollen, mindert oder steigert. Auch die Herausgeber und Mitarbeiter unserer Zeitschrift werden in dieser Hinsicht sicherlich „nichts Menschliches von sich fern glauben“. Aber
von diesem Bekenntnis menschlicher Schwäche ist es ein weiter
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Weg bis zu dem Glauben an eine „ethische“ Wissenschaft der Nationalökonomie, welche aus ihrem Stoff Ideale oder durch Anwendung allgemeiner ethischer Imperative auf ihren Stoff konkrete
Normen zu produzieren hätte. – Richtig ist noch etwas weiteres:
gerade jene innersten Elemente der „Persönlichkeit“, die höchsten
und letzten Werturteile, die unser Handeln bestimmen und unserem
Leben Sinn und Bedeutung geben, werden von uns als etwas „objektiv“ Wertvolles empfunden. Wir können sie ja nur vertreten,
wenn sie uns als geltend, als aus unseren höchsten Lebenswerten
fließend, sich darstellen und so, im Kampfe gegen die Widerstände
des Lebens, entwickelt werden. Und sicherlich liegt die Würde der
„Persönlichkeit“ darin beschlossen, dass es für sie Werte gibt, auf
die sie ihr eigenes Leben bezieht.
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S.152: Nur unter der Voraussetzung des Glaubens an Werte
jedenfalls hat der Versuch Sinn, Werturteile nach außen zu
vertreten. Aber: Die Geltung solcher Werte zu beurteilen, ist Sache
des Glaubens, daneben vielleicht eine Aufgabe spekulativer
Betrachtung und Deutung des Lebens und der Welt auf ihren Sinn
hin, sicherlich aber nicht Gegenstand einer Erfahrungswissenschaft
in dem Sinne, in welchem sie an dieser Stelle gepflegt werden soll.
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Max Weber: Wissenschaft als Beruf (in: Studienausgabe der
Max-Weber-Gesamtausgabe, Band I/17, Tübingen: Mohr 1994)
S. 7f.: Verehrte Anwesende! „Persönlichkeit“ auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient. Und nicht nur
auf wissenschaftlichem Gebiet ist es so. Wir kennen keinen großen
Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner Sache und nur
ihr zu dienen. Es hat sich, soweit seine Kunst in Betracht kommt,
selbst bei einer Persönlichkeit vom Range Goethes gerächt, dass er
sich die Freiheit nahm: sein „Leben“ zum Kunstwerk machen zu
wollen. ... Auf dem Gebiet der Wissenschaft aber ist derjenige ganz
gewiß keine „Persönlichkeit“, der als Impresario der Sache, der er
sich hingeben sollte, mit auf die Bühne tritt.
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S. 17: Je nach der letzten Stellungnahme ist für den einzelnen das
eine der Teufel und das andere der Gott, und der einzelne hat sich
zu entscheiden, welches für ihn der Gott und welches der Teufel
ist. Und so geht es durch alle Ordnungen des Lebens hindurch. ...
Die alten vielen Götter, entzaubert und daher in Gestalt unpersönlicher Mächte, entsteigen ihren Gräbern, streben nach Gewalt
über unser Leben und beginnen untereinander wieder ihren ewigen
Kampf. Das aber, was gerade dem modernen Menschen so schwer
wird, und der jungen Generation am schwersten, ist: einem solchen
Alltag gewachsen zu sein. Alles Jagen nach dem „Erlebnis“ stammt
aus dieser Schwäche. Denn Schwäche ist es: dem Schicksal der
Zeit nicht in sein ernstes Antlitz blicken zu können.
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M.W.: Wirtschaft und Gesellschaft, a.a.O.
S.28: §16. Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen
Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben
durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.
Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten
Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; Disziplin
soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen
Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei
einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden.
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Max. Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I
(UTB, Tübingen1988)
S.36: In der Tat: jener eigentümliche, uns heute so geläufige und in
Wahrheit doch so wenig selbstverständliche Gedanke der Berufspflicht: einer Verpflichtung, die der Einzelne empfinden soll und
empfindet gegenüber dem Inhalt seiner „beruflichen“ Tätigkeit,
gleichviel worin sie besteht, gleichviel insbesondere ob sie dem
unbefangenen Empfinden als reine Verwertung seiner Arbeitskraft
oder gar nur seines Sachgüterbesitzes (als „Kapital“) erscheinen
muss: - dieser Gedanke ist es, welcher der „Sozialethik“ der kapitalistischen Kultur charakteristisch, ja in gewissem Sinne für sie
von konstitutiver Bedeutung ist.
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M.W.: Wirtschaft und Gesellschaft, a.a.O.
S. 339: [Die Diskrepanz zwischen der gottgewollten Ordnung und
der unvollkommenen Welt wird dadurch aufgelöst, dass der ] Sündigende ... von allen Sünden immer wieder durch relgiöses Gelegenheitshandeln Absolution erhalten kann. ... Nicht der gesamte,
durch Askese oder Kontemplation oder beständig wache Selbstkontrolle und Bewährung stets neu festzustellende habitus der Persönlichkeit, sondern das konkrete einzelne Tun wird gewertet. Es
fehlt daher die Nötigung, die certitudo salutis selbst, aus eigener
Kraft zu erringen und diese ganze ethisch so wirksame Kategorie
tritt überhaupt an Bedeutung zurück.
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M.W.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, a.a.O.
S. 74: Die Leistung der Reformation war es zunächst, dass, im
Kontrast gegen die katholische Auffassung, der sittliche Akzent
und die religiöse Prämie für die innerweltliche, beruflich geordnete
Arbeit mächtig schwoll.
S.252: Interessen (materielle und ideelle), nicht: Ideen, beherrschen
unmittelbar das Handeln der Menschen. Aber: die „Weltbilder“,
welche durch „Ideen“ geschaffen wurden, haben sehr oft als Wiechensteller die Bahnen bestimmt, in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegte. Nach dem Weltbild richtete es sich
ja: „wovon“ und „wozu“ man „erlöst“ sein wollte und – nicht zu
vergessen: - konnte.
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S.93: Denn alle Kreatur ist durch eine unüberbrückbare Kluft von
Gott geschieden und verdient vor ihm, soweit er nicht zur
Verherrlichung seiner Majestät ein anderes beschlossen hat,
lediglich den ewigen Tod. Was wir wissen, ist nur: dass ein Teil der
Menschen selig wird, ein anderer verdammt bleibt....
Gottes Gnade ist, da seine Ratschlüsse unwandelbar feststehen,
ebenso unverlierbar für die, welchen er sie zuwendet, wie
unerreichbar für die, welchen er sie versagt....
S.93 f: In der für die Menschen der Reformationszeit entscheidendsten Angelegenheit des Lebens: der ewigen Seligkeit, war der
Mensch darauf verwiesen, seine Straße einsam zu ziehen, einem
von Ewigkeit her feststehenden Schicksal entgegen. Niemand
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konnte ihm helfen. Kein Prediger: - denn nur der Erwählte kann das
Gotteswort spiritualiter verstehen. Kein Sakrament: - denn die Sakramente sind zwar von Gott zur Mehrung seines Ruhms verordnet
und deshalb unverbrüchlich zu halten, aber kein Mittel, Gottes
Gnade zu erlangen, sondern subjektiv nur „externa subsidia“ des
Glaubens. Keine Kirche: - denn es gilt zwar der Satz „extra ecclesiam nulla salus“ in dem Sinne, dass, wer sich von der wahren Kirche fernhält, nimmermehr zu den von Gott Erwählten gehören
kann; aber zur (äußeren) Kirche gehören auch die Reprobierten, ja
sie sollen dazu gehören und ihren Zuchtmitteln unterworfen werden, nicht um dadurch zur Seligkeit zu gelangen, - das ist unmöglich, - sondern weil auch sie zu Gottes Ruhm zur Innehaltung seiner
Gebote gezwungen werden müssen. Endlich auch: - kein Gott:
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S.195: Soweit die Macht puritanischer Lebensauffassung reichte,
kam sie unter allen Umständen – und dies ist natürlich weit wichtiger als die bloße Begünstigung der Kapitalbildung – der Tendenz
zu bürgerlicher, ökonomisch rationaler Lebensführung zugute; sie
war ihr wesentlichster und vor allem: ihr einzig konsequenter Träger. Sie stand an der Wiege des modernen „Wirtschaftsmenschen.“
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S.204: Niemand weiß noch, wer künftig in jenem Gehäuse wohnen
wird und ob am Ende dieser ungeheuren Entwicklung ganz neue
Propheten oder eine mächtige Wiedergeburt alter Gedanken und
Ideale stehen werden, oder aber – wenn keins von beiden –
mechanisierte Versteinerung, mit einer Art von krampfhaftem Sichwichtig-nehmen verbrämt. Dann allerdings könnte für die „letzten
Menschen“ dieser Kulturentwicklung das Wort zur Wahrheit
werden: „Fachmenschen ohne Geist, Genussmenschen ohne Herz:
dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des
Menschentums erstiegen zu haben.“
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