JFSG – April 2015

Volume 9 | April 2015
Band 2, Ausgabe 1
Just For Swing Gazette
Swing is the Thing! - Mitteilungsblatt für Freunde swingender Musik in und um Leipzig
THEMEN
 Jazz in Australien
- Teil 2
The Australian Jazz Museum Melbourne
 Posaunist
Klaus Kirst von der
Hot&Blue Jazz Band aus Meerane
im Interview
 Leipziger Jazzgeschichte(n) Teil 3
Jazzlegende Kurt Michaelis von Peter Colev
 Hensen BIGBAND aus Leipzig
von Volker Stiehler
 Erinnerungen an Kurt Widmann
von Winfried Maier
 Zum Tod von George Probert
 Schallplatten und Bücher
 Personalia
© D. Ott
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Mit dieser Ausgabe beginnen wir eine
kleine Serie über den Jazz in den wilden
1950er und 1960er Jahren in und um Jena. Der Posaunist Klaus Kirst stellt in
unserem Gespräch seinen Entwicklungsgang dort dar und hat Freunde animiert,
ihre Erinnerungen aufzuschreiben. In einer der nächsten Ausgaben werden der
Leiter der legendären Jenaer Oldtimers
Klaus Schneider und andere Jazzfreunde
zu Wort kommen und uns mit ihren
Anekdoten beglücken. In der vorangegangenen Ausgabe vermeldeten wir das
Ableben des ältesten Jazzfans Hot-Geyer
mit 101 Jahren. Peter Colev, der auch an
der Beisetzung auf dem Südfriedhof anwesend war, verabschiedet sich in dieser
Ausgabe von seinem langjährigen
Freund in einem ganz persönlichen Artikel. Volker Stiehler wird auch in den
nächsten Ausgaben über die Big Band
Szene Leipzigs berichten. Diese hatte
nach dem 2. Weltkrieg ihren Höhepunkt,
als ca. 20 Big Bands das kulturelle Leben der Stadt prägten. Über die Formation „Die Breves“ hatte Gerhard Conrad
schon geschrieben. Nun sollen auch die
gegenwärtigen Wiederbelebungsversu-
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iese Ausgabe ist ein Kaleidoskop an Erinnerungsarbeit,
aktuellen
Geschehnissen,
Tipps und Hinweisen. Wiederum erreichten uns anregende Zuschriften. Einige Leser warten schon auf
den zweiten Teil unseres australischen
Tagebuches in Sachen Jazz. Diesmal
schreiben wir über das australische
Jazzmuseum in Melbourne, einer Einrichtung zwischen Archiv, Museum und
Begegnungsstätte, die sich nicht nur der
Bewahrung der Geschichte des Jazz verschrieben hat, sondern ebenso die aktuellen Entwicklungen im Auge hat und
zahlreiche Unternehmungen in Sachen
Jazz unterstützt. In diesem Zusammenhang stelle ich ein privates Label vor,
dass vom Enthusiasmus eines Jazzliebhabers lebt, der in der Ferne Australiens
unglaubliche Arbeit leistet, alte Schätze
zu digitalisieren und wieder ins Licht der
Öffentlichkeit zu bringen. Geoff Orr
überreichte uns während unseres Besuchs in seinem Häuschen in St. Kilda
einen Stapel CDs mit den Worten: “Ich
will dafür nichts haben. Es ist manchmal
wichtiger, dass wir unsere Erinnerungen
teilen, statt diese zu verkaufen.“ Damit
teilt er den Gedanken unseres Mitteilungsblättchen, das von unterschiedlichsten freiwilligen Zuarbeiten lebt und
für die ich mich an dieser Stelle ganz
herzlich bei den Autoren bedanken
möchte!
che vorgestellt werden. Dabei schreibt
Volker Stiehler über eine ganz besondere Band.
Apropos Big Bands: Leipzig war immer Anziehungspunkt für renommierte Orchester. Auch der legendäre Orchesterleiter Kurt Widmann spielte in
Leipzig. Über ihn und dessen Einfluss
auf die damalige Swingjugend berichtet Winfried Maier aus Berlin, der die
Tochter Kurt Widmanns ausfindig
machte und mit ihr seit vielen Jahren
befreundet ist. Während eines Besuches bei ihr erzählte sie uns über ihre
Beziehung zu ihrem Vater und wie
dessen Einfluss sie bis heute geprägt
hat.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu
dieser Ausgabe. Auch in dieser werden wir wieder Beiträge in englischer
Sprache abdrucken, da es mittlerweile
auch Leser im englischsprachigen
Raum gibt. Ein sehr persönlicher Beitrag kommt von Eugene Paskudski,
der seit 1996 in den USA lebt und zufällig im Internet auf unser Mitteilungsblatt gestoßen ist, als er seiner
Leidenschaft, dem Sammeln von Schallplatten nachging.
Jane Shoebridge aus Adelaide/ Australien hat ihre Eindrücke über die Zusammenkunft „Australian Jazz Convention“
aufgeschrieben. Somit ist das Internet
nicht nur Fluch sondern manchmal auch
Segen in unserer schnelllebigen und mit
Informationen überfrachteten Zeit.
Ich wünsche vergnügliche Lektüre und
freue mich wie immer auf die ein oder
andere Zuschrift.
keep swingin
Detlef A. Ott
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E r i n n e r u n g e n a n K u r t Wi d m a n n
K
urt Widmann war ein Berliner Original. Er wurde am 2. März 1906 in Berlin geboren. Er spielte
Schlagzeug, Akkordeon, Harmonika, Posaune und trat nicht nur als Bandleader sondern auch als
Komponist populärer Melodien in Erscheinung. Er, der von den Berlinern liebevoll „Kutte“ genannt
wurde, war unter den swingenden Tanzorchestern der 1930er Jahre sehr beliebt. 1933 gründete er sein
erstes Quintett, mit dem er im Berliner Hotel Imperator swingende Tanzmusik spielte. Er wurde sehr
schnell zum Star in Berlin, musste sich aber von den an die Macht gekommenen Nazis verwarnen lassen,
da das Repertoire der Band Kompositionen jüdischer Musiker enthielt, die von den Nazis als „entartet“
eingestuft wurden. Aus dem Quintett wurde bald ein fünfzehnköpfiges Tanzorchester. Mit diesem Orchester machte er 1938 erste Schallplattenaufnahmen bei der in Babelsberg ansässigen Firma Tempo.
Dazu verwendete er auch englisch klingende Pseudonyme wie Billy Blackmoore, John Weepster oder
John Webb, was ihm die Reichsmusikkammer später verbot. Bekannte und gern gehörte Stücke von ihm
waren „Das ist nun mal mein Rhythmus“ oder „Haben sie schon mal im Dunkeln geküsst?“. Nach dem
Krieg gründete er ein neues Orchester und spielte für die amerikanische Besatzungsmacht alte und neue
Arrangements seiner Swing Hits. 1946 zählte er zu den populärsten Big Bands Deutschlands und hatte
auch Titel des amerikanischen Vibrafonisten Lionel Hampton und Boogie Woogies im Repertoire, was
den Nerv der Zeit traf. In jenem Jahr nahm er wieder Schallplatten auf und feierte im Berliner Sportpalast und auf der Berliner Waldbühne vor 7000 Fans grandiose Erfolge. Seine Shows ließen „den Putz von
den Wänden fallen oder die Tapete abrollen“, erzählte er einem Radiomoderator. Während einer solchen erlitt „Kutte“ nach seinem berühmten Grätschsprung einen Herzinfarkt, was zur Folge hatte, dass
er monatelang im West End Krankenhaus lag, wo ihm ein Bein amputiert werden musste. Da seine Versicherung ihm die Anerkennung eines Arbeitsunfalls verweigerte, sah er sich gezwungen, so schnell wie
möglich mit seiner Band wieder aufzutreten. Eigentlich hatte er geplant, sich nach diesem Unfall von der
Bühne zurückzuziehen, um einen Schallplattenladen zu eröffnen. Am 20. November trat er während einer Show im Sportpalast wieder seiner Band auf. Die Anstrengung war zu groß für ihn. Am 27. November 1954 starb er an einem Hirnschlag. Zuvor hatte er noch einen Vertrag über einen Film abgeschlossen. Seine Popularität war zu dieser Zeit so enorm, dass der Regisseure Erik Ode diesen Film über das
Leben Widmanns mit dem Namen „Musik im Blut“ drehte, der am 20. Dezember 1955 Premiere hatte
und auch „Die Kurt Widmann Story“ genannt wurde.
(weiter auf Seite 4)
v.l.n.r.: Werner Müller, Kurt „Kutte“ Widmann, Stan Kenton, Macky Kasper - 1953 (Foto: Archiv Winfried Maier, Berlin)
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Fortsetzung von Seite 3
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ein
erstes
Jazzidol,
welches aus
mir
einen
Swingheini der zweiten Generation machte, war der
für mich unvergessliche
Bandleader Kurt Widmann.
Erste Hörerlebnisse mit
Kurt Widmann kamen für
mich über den AFN. Silvester 1946/47 gab es eine
Live Übertragung des Senders mit dem Orchester
Kurt Widmann aus dem
amerikanischen Soldatenclub „Club 48“. Ich erinnere mich noch an einen wahnsinnig
schnell gespielten „Tiger Rag“. Das
ist mir deshalb bis heute in Erinnerung geblieben, da ich später nie
wieder eine solche Version gehört
habe. Ich versuchte anschließend,
Kurt Widmann ive zu erleben. Das
war wegen Mangels Geld nicht so
einfach. Ich verdiente damals kein
eigenes und war auch noch nicht alt
genug. Trotzdem unternahmen wir
alles Mögliche, um die Band zu hören. Wir sind zu diversen Ausflugslokalen gepilgert. Das bekannteste
war das Ausflugslokal Seeschloss
Pichelsberg, wo am Sonntagnachmittag immer Tanzmusik gespielt
wurde. Dort sind wir öfters hin, auch
um Kurt Widmann zu hören. Allerdings konnten wir das nur von draußen tun, da wir kein Geld für den
Eintritt, geschweige denn zum Verzehr von Kaffee oder Kuchen hatten.
Oftmals reichte das Geld nicht mal
für eine Straßenbahnkarte, so dass
wir kilometerweit zu Fuß gelaufen
sind, am Gartenzaun unsere geliebte
Musik hörten und anschließend wieder zu Fuß nach Hause zurück. Diese Begeisterung, die wir damals aufbrachten, kann man sich heute kaum
noch vorstellen.
Das Ende Kurt Widmanns – der
Beginn der RIAS Big Band
1948 wurde beschlossen, eine Big
Band für den RIAS – den neu gegründeten Rundfunk im Amerikanischen Sektor - zusammenzustellen.
Mit dieser Aufgabe wurde Werner
Müller beauftragt. Müller spielte seit
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Erinnerungen an Kurt Widmann von Winfried Maier, Berlin
1946 in der Band von Kurt Widmann
eine große Rolle. Er hatte auch verschiedene Arrangements geschrieben.
Müller hat natürlich die besten Leute
mit übernommen. Die waren auch besser versorgt dort, hatten einen festen
Job beim RIAS, der gut bezahlt wurde.
Die haben dann auch nebenbei noch ein
bisschen Jazz gemacht. Leute wie der
Saxofonist Helmut Brandt oder der
Trompeter Macky Kasper gingen zum
RIAS Tanzorchester unter Leitung von
Werner Müller. Das war für Kurt Widmann ein schwerer Schlag und hat ihn
sehr bedrückt. Die Band Kurt Widmanns ist zwar immer mal wieder zu
Studioaufnahmen
zusammengekommen, hat aber in der ursprünglichen
Form ab 1948 nicht mehr existiert.
Widmann hat zwar weitergemacht, aber
die Spitzenleute hatte man ihm genommen.
Ich habe ihn auch im alten Berliner
Friedrichstadtpalast hören können. Der
befand sich in der Nähe des Berliner
Ensembles am Spreeufer und wurde
1980 aus bautechnischen Gründen ge-
sperrt. Da fand eine
Showveranstaltung statt,
während der Kurt Widmann mit seinem Orchester auftrat. Der Höhepunkt
war immer sein berühmter
Grätschsprung, wobei er
mit seiner Posaune tolle
Töne beim Hochspringen
entlockte. Das war meistens beim „Tiger Rag“ der
Fall. Dann hat er auch bei
der Bühnenshow immer
mal einen Boogie Woogie
getanzt, was bei uns natürlich Begeisterungsstürme
auslöste. Am Sonnabend,
den 6. September 1953 feierte Kurt
Widmann in der Berliner Waldbühne
sein 25jähriges Bühnenjubiläum. Das
Konzert in der Waldbühne war ausverkauft. Ein großes Staraufgebot ehrte
ihn dort. Macky Kasper, Rolf Kühn,
das Sunshine Quartett, Otto Kernbach
mit großem Orchester. Alle traten zu
seinen Ehren dort auf. Seine kleine
Tochter Regina legte vor der Kapelle
ihres Vaters einen tollen Stepptanz
hin. Das waren unvergessene Momente. Man wollte damals so Kinderstars
auf die Bühne bringen, was bei den
Leuten gut ankam – wie das Conny
Froboess mit ihrem Schlager „Pack die
Badehose ein“ machte.
Zu Himmelfahrt 1954 wurde der berühmte Grätschsprung in der Waldbühne allerdings Kutte zum Verhängnis. Er erlitt einen Herzinfarkt, in dessen Folge man ihm auch noch das
Bein amputieren musste. Er lag anschließend wochenlang im Westend
Hospital.
Das letzte Konzert
Kurt Widmann ist wieder da! So hieß
es in den Schlagzeilen der Presse. Das
erste Konzert nach diesem Ereignis
wurde angekündigt und von den Berlinern sehnsüchtig erwartet. Wir haben
unser letztes Geld zusammengekratzt,
weil wir unbedingt dabei sein wollten,
wenn Kutte das erste Mal nach diesem
schrecklichen Ereignis auf der Waldbühne auftreten sollte. Die Eintrittskarte kostete 2,50 DM. Viele Musiker
und Freunde gaben ihm dort die Ehre.
Keiner ahnte, dass es sein letztes Konzert werden sollte. Zunächst gab es so
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etwas wie ein Vorprogramm mit ande- 1954 ist er dann an den Folgen eines hungert nach Kultur und Unterhaltung. Da
Hirnschlages verstorben.
ren Bands.
gab es keine Angebote in solchem ÜberIm zweiten Teil trat „Kutte“ auf. Es Die Zeitungen hatten gerade noch in fluss wie heute. Da gab es noch kein Fernwar wie in alten Zeiten. Die Menschen großen Aufmachungen über das Kon- sehen und die Vielzahl der Vergnügungstobten und gaben ihm einen jubelnden zert nach seiner Krankheit berichtet, möglichkeiten. Das waren die SternstunEmpfang. Von seiner Beinprothese
den, die uns Älteren Kraft gegeben haben
war im Prinzip nichts zu merken. Den
für den Alltag, weiter zu machen.
Grätschsprung hat er natürlich nicht
Die ganzen Jahre hat mich die Musik von
mehr machen können, aber ein Boogie
Kurt Widmann nie losgelassen. Später kaWoogie Tänzchen legte er noch hin.
men viele Aufnahmen auf CD heraus, die
Der Sportpalast raste. Die Leute waren
sein Schaffen dokumentierten und meist
unersättlich, tobten und wollten Zugadurch private Initiativen das Licht der Öfben haben, was ja auch verständlich
fentlichkeit erblickten.
war. Es war eine unglaubliche AtmoWie beliebt er war, zeigt sich auch daran,
sphäre. Die Stimmung empfinde ich
dass über ihn ein Film gedreht wurde. Der
heute noch. Das war wie eine WiederFilm allerdings war für uns eine große Entgeburt. Das Leben ist wieder da. Die
täuschung. Kurt Widmann war für uns imSwinggemeinde und die Stadt liebten
mer der dicke runde Gummiball und nun
ihn. Es war eine euphorische Stimkam uns im Film als Hauptdarsteller der
mung!
smarte Schauspieler Viktor de Kowa entgeEtwas anderes, was mir dabei auch imgen und trat als der schlanke Gentleman
mer wieder einfällt, ist, dass das Publiauf. Das war ja nun ein Witz und entsprach
kum in diesen Jahren erfreulicherüberhaupt nicht unseren Erinnerungen. Die
weise nicht durch Altersgrenzen geFilme hielten sich ja nie an die Wirklichtrennt war. Auch bei Louis Armstrong
keit, besonders die über Jazzmusiker gewar das später so. Heute gehen ältere
drehten Filme. Aber dass man über Kurt
Leute zu Swingkonzerten und man
Widmann überhaupt einen Film gemacht
sieht nur wenig jüngeres Publikum. als der plötzliche Tod Kurt Widmanns hat, war ja schon mal was Besonderes.
Bei Kurt Widmann waren die Genera- die Öffentlichkeit schockierte. Die Ge- Ich bin immer mit Kurt Widmanns Musik
tionen noch verbunden. Da saßen der schichte hat eine Menge Emotionen verbunden geblieben, habe verschiedene
Opa und der Vater neben dem Sohn aufgewühlt, da ja bekannt war, dass er Sendungen aufgenommen, die im Laufe der
und Enkel. Das ging quer
letzten Jahre ausgestrahlt wurden
durch die Generationen. Ich Bei Konzerten mit Kurt Widmann und praktisch sein Schaffen in
finde das auch heute schöner,
Berlin dokumentiert. Besonders
wenn die Veranstaltungen von waren die Generationen noch ver- fasziniert hat mich auch immer
allen Generationen besucht bunden. Da saßen der Opa und der wieder, dass es darunter Sendunwerden und nicht so separiert
gen gab, in denen die Menschen
Vater neben dem Sohn und Enkel.
sind. Das war eine herzlichere
über Kurt Widmann und ihre ErStimmung bei den Konzerten.
lebnisse mit ihm berichtet haben. Er ist also
Während seines letzten Konzerts gab von seiner Unfallversicherung im immer in den Herzen der Menschen, die
er auch Zugaben. Das war auch schon Stich gelassen wurde. Das hat die Ge- ihn damals erlebt haben, präsent geblieben.
etwas zu viel für ihn. Das merkte man müter sehr bewegt. In der Presse gab
auch als Zuhörer. Als das Konzert dem es große Schlagzeilen. Auch lange Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Frau
Ende entgegen ging, richtete er noch nach seinem Tod ist noch viel über ihn Regina Kutschenbauer, Berlin.
einige Worte an uns, die seine letzten berichtet wurden.
werden sollten. Ich kann mich auch Er ist nie vergesnoch genau an jedes Wort erinnern. Er sen wurden und
war außer Atem und die Leute wollten wurde von den
lange
immer noch mehr hören. Alles hatte er Berlinern
schon gespielt, wie die berühmten noch verehrt. Viele
Nummern „He Ba Ba Re Bop“. Dann können sich das
sagte er in seinem Berliner Dialekt, heute nicht mehr
der bei ihm nur dann durch kam, wenn vorstellen, was ein
dieses
er besonders abgekämpft war :“Ein an- Musiker
der mal mehr, Freunde.“ Das waren Formates für die
seine letzten Worte, die ich von ihm Menschen in diegehört habe. Das war dann sein letztes ser Zeit bedeutete.
Konzert. Offensichtlich hatte er sich In den 1950er Jahren waren wir ja
während des Konzertes übernommen.
Eine Woche später am 27. November immer noch ausge-
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Auf dem Jazz Track in Australien - vol.2
Part 2: The Australian Jazz Museum in Melbourne - Saving our Jazz past for the future
Text und Fotos: K. u. D. Ott
A
ls vor vielen Jahren das Bedürfnis zur Bewahrung von
Sammlungen australischer
Jazzfans und Musiker verbunden mit der Aufarbeitung der australischen Jazzgeschichte immer größer
wurde, fand sich das National Film and
Sound Archive (NFSA) in der Hauptstadt Canberra bereit, Schallplatten,
Publikationen, Fotos, Instrumente, Poster und verschiedene andere Memorablia des Jazz zu archivieren. Bald allerdings wuchs der Ärger darüber, dass
ein Großteil der Sammlungen nicht ihrer eigentlichen Bestimmung
zugeführt, sondern teilweise sogar aus Platzgründen weggeworfen wurde. Unter Sammlern
machte sich Unmut breit, der
zur Folge hatte, dass 1996 sechzig Jazzfreunde beschlossen,
das Victorian Jazz Archive
(VJA) in Melbourne zu gründen. Melbourne ist DAS kulturelle Zentrum Australiens, wird
auch als die Jazzhauptstadt des
Landes bezeichnet und hat Musiker mit großer internationaler
Reputation wie die Brüder Graeme und Roger Bell hervorgebracht. So war dieser rigorose
Schritt nur die logische Folge,
Vertrauen unter Sammlern und
Musikern zurückzugewinnen,
um deren Erinnerungen nicht
nur zu bewahren, sondern auch
einer interessierten breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Man mietete zu günstigen Konditionen
(2 AUD im Monat!) eine leerstehende
Halle an zwei sich kreuzenden
Highways am Rande der Millionenmetropole im Koomba Park an, die bis dahin als Garage und Werkstatt für Traktoren diente. Hier befindet sich bis heute das Archiv. Um den extremen klimatischen Bedingungen dieses Landes gerecht zu werden, wo die Tagestemperaturen nicht selten über 40°C steigen,
aber auch starke Regenfälle und Stürme
unvorstellbare Verwüstungen anrichten
können, wurden im Laufe der Jahre bis
heute insgesamt vier Schiffscontainer
angekauft und im Gebäude der Werk-
statt untergebracht. Somit konnten
Bedingungen geschaffen werden, die
zum einen eine sichere Aufbewahrung der Sammlung garantieren, aber
auch dem schlimmsten Feind einer
solchen, nämlich der vergehenden
Zeit, Paroli bieten können. Nach
schwierigen Anfängen der Organisation eines funktionierenden Archives, was nur durch ehrenamtliche
Mitarbeit zahlreicher Jazzfreunde
und Pensionäre bewältigt werden
konnte, wurde diesem im April 2003
der Status eines Museums zuerkannt,
was nebenbei auch die Möglichkeit
staatlicher finanzieller Zuwendungen, wenn auch nur spärlich, zur Folge hat. Immerhin betragen die laufenden Kosten 32.000 AUD im Jahr
und werden hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Verkäufe von CDs bewältigt. Als wir an einem sonnigen Tag nach einer stressigen Fahrt durch Melbournes enge
und verstopfte Straßen früher Morgenstunden am Museum ankamen
und den schmalen Eingang zur ehemaligen fensterlosen, dunkelgrün angestrichenen Werkhalle passiert hatten, wurden wir im engen Foyer des
Museums freundlich von einem älteren, grauhaarigen Herrn, dem Präsi-
denten der Sammlung Mel Blachford,
begrüßt. Er erzählte uns, dass die Woche davor, der Kornettist Bob Schultz
aus San Francisco das Museum besucht
hatte und wir innerhalb kurzer Zeit die
nächsten ausländischen Gäste wären.
Deswegen habe man diese Woche als
internationale Woche ausgerufen,
schmunzelt er verschmitzt. Der sympathische Mitarbeiter Terry Norman
nimmt uns unter seine Fittiche und
führt uns mit vielen interessanten Erklärungen zur Orientierung durch die
Räumlichkeiten des Archives/ Museums. Wir sind vom ersten Augenblick
an überwältigt, mit welch
selbstverständlicher Gastfreundschaft wir als Mitglieder der Jazzfamilie aufgenommen werden und in
welch unaufdringlicher Art
uns das Archiv, wo mit
großer Geschäftigkeit an
der
Aufarbeitung
der
Sammlungsbestände gearbeitet wird, ans Herz gelegt
wird. Im Mittelpunkt des
Museums befindet sich ein
großer heller Raum mit einem Tisch in der Mitte, in
einer Ecke ein kleiner
Bandstand mit Piano und
Schlagzeug, wo Live Konzerte durchgeführt werden
oder die Hauseigene Band
jazzt, wenn größere Besuchergruppen angemeldet
sind. Jeden Mittwoch probt
hier das 18köpfige Knox Jazz Orchestra. An den Wänden befinden sich
Vitrinen mit wechselnden Ausstellungsstücken. Während unseres Besuchs hatte die Familie des Trompeters
Bob Barnard Notenbücher, Instrumente, Schallplatte und viele Fotos der legendären Brüder Bob und Len Barnard
zur Verfügung gestellt. In einer anderen Vitrine werden die wichtigsten
Schallplatten des australischen Jazz
präsentiert, auch die Supraphon Platte
mit Graeme Bell findet sich hier. Eine
Regalwand enthält ca. 1200 Bücher
zum Thema Jazz für die Öffentlichkeit
bereit, die man hier einsehen aber auch
ausleihen kann. An der gegenüberlie-
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genden Wand wurde ein großer Bildschirm angebracht, auf dem sich Besucher DVDs und seltene Filme des Archives anschauen können. Zwei ältere Herren, die des Öfteren vorbeizukommen
scheinen, genießen hier die Geselligkeit
und tauschen beim Betrachten eines
Films Erinnerungen an längst vergessene
Tage aus. Eine besondere Aufgabe des
Archives ist die Restaurierung alter
Schallplatten und Tonbandaufnahmen des
australischen Jazz, die aus
privaten Spenden stammen.
Im extra dafür konzipierten
„Don Boardman Sound
Room“, den man uns stolz
als das Herzstück des Archivs präsentiert, werden an
verschiedenen Arbeitsplätzen
mit neuester Technik Duplikate angefertigt, die auf spezielle „Archival CDs“ gebracht werden und somit eine hohe Lebensdauer haben.
Mittlerweile wurden 1500
CDs bedeutender australischer
Jazzmusiker,
von
1940er Jahren angefangen,
aufgearbeitet. In Kürze will
man mehrere 100.000 Titel
auch für Nutzer im Internet
zum Anhören auf der Webseite des Archivs zur Verfügung stellen. Im angeschlossenen Archiv-Shop kann man
diese CDs auch käuflich erwerben, was von vielen Besuchern rege genutzt wird,
während wir uns durch die
Räume führen ließen. Im
Zentrum des Gebäudes - in einem weiteren Schiffscontainer - befinden sich mehrere Computerarbeitsplätze, an denen
Mitarbeiter des Archivs die Sammlungen
katalogisieren, und für die Präsentation
im Internet aufarbeiten. 60 Männer und
Frauen gehören zum Stamm der Mitarbeiter, die mehrmals in der Woche mit unterschiedlichsten Aufgaben tätig sind. Einer
von ihnen ist der ehemalige Lehrer Ralph
Powell: „Nach meiner Pensionierung habe ich die Möglichkeit gesucht, ehrenamtlich tätig zu sein. Obwohl ich kein Jazzfan im eigentlichen Sinne des Wortes bin,
hat mich das Angebot hier gereizt. Ich
konnte meine Fähigkeiten für die Arbeit
am Newsletter zur Verfügung stellen.“
Der Geist freiwilliger Arbeit ist in Australien weit verbreitet und unter der Bezeichnung „the grey army“ sind diese
freiwilligen Helfer aus vielen gesell-
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schaftlichen Bereichen nicht mehr wegzudenken, besonders hier wo Erfahrung
zählt und es gilt, Unmengen an Spenden
und Nachlässen zu ordnen und einer
sinnvollen Verwendung zuzuführen. In
großen Archivschränken befinden sich
die Schallplattensammlungen, die in geschlossenen Regalboxen mit einer Gesamtlänge von 400m aufbewahrt werden. Neben diesen sammelt das Archiv
CDs, 78er Schellackplatten, Tonbänder,
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Performing Arts Centre“ oder in Kirchen,
ist Gastgeber für Workshops von Studenten und Schülern, führt „Tage der offenen
Tür“ für Besucher durch und beteiligt
sich an Radioprogrammen. In Zukunft
will man auch ein Büro in der Innenstadt
anmieten, um noch mehr auf sich und das
Anliegen eines lebendigen Archivs an
zentraler Stelle aufmerksam zu machen.
Nach unserem Besuch verabreden wir
uns noch zum Treffen in einem Hotel, wo
sich wöchentlich die Mitarbeiter des Archivs zum Live Jazz treffen. Nach einem
furiosen Auftritt von Stevenson‘s Rockets (siehe CD Rezension in dieser Ausgabe) kommt der Schlagzeuger und
Trompeter Ian Smith an unseren Tisch
und fragt witzelnd:
„Was it okay for you?“, was im allgemeinen Gelächter endet, als Terry hinzufügt: „This is the australian kind of
downshifting“ und wo uns wiederum bewusst wird, wie die Liebe zum Jazz unterschiedlichste Lebenswege verbindet,
Menschen zusammenbringt und wie
wichtig auch die Rückschau auf Traditionen ist, im Sinne Benjamin Franklins:
„Tradition is not about guarding the ashes but keeping the flame alive"
.
(Tradition heißt nicht, Asche zu bewachen, sondern die Glut anzufachen".)
www.vicjazzarchive.com.au
Videos, DVDs, Fotos, Dias, Programmhefte, Poster, Notenbücher, Arrangements von Musikern, Manuskripte, Tagebücher, Briefe usw. Selbst ein von
mir 1999 geschriebener Artikel über
Coco Schumann fand sich zwischen den
Materialien, die uns für unsere Recherchen über den legendären Gitarristen
aus seiner Zeit in Australien zur Einsicht vorbereitet wurden. Ein weiterer
Schiffscontainer beinhaltet nur Materialien, die im Zusammenhang mit dem
jährlich stattfindenden Jazztreffen Australiens stehen, dem „Australian Jazz
Convention“. Viermal im Jahr erscheint
die Zeitschrift des Archivs „VJAZZ“
und berichtet über Aktivitäten und leistet ein Stück Erinnerungsarbeit. Auch in
der Öffentlichkeit ist das Jazz Museum
mit vielfältigen Aktivitäten unterwegs.
Es gestaltet Ausstellungen in „Victorian
(Detlef A. Ott)
I would like to thank:
Don Hopgood, Jane Shoebridge, Mel
Blachford, Ralph Powell, Terry Norman,
Geoff Orr, Joe Stephenson, Ian Smith,
Steve Grant, Chris Ludowyk,
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Impressionen vom Australischen
Jazz Museum / Archiv in Melbourne
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Stevenson‘s Rockets
About Time
Das Label Lyric Records
G
eoff Orr ist Sänger und
hat mit dem Cotton
Club Orchestra auf dem
Warner Bros. Label
zwei Schallplatten eingespielt. Er
lebt in St. Kilda, einem Vorort von
Melbourne und widmet sich seit
einigen Jahren der Wiederbelebung
historischer Aufnahmen, die zum
Teil nur in geringen Auflagen auf
Schellackplatten erschienen sind
und kein Interesse bei großen Plattenfirmen für eine Wiederveröffentlichung hervorrufen. In CharityShops (Opportunity Shops), spürte
er so manche Rarität auf und bringt
sie auf CD, recherchiert die Aufnahmedaten und Besetzungen, versieht die CDs mit einem informativen Booklet. Viele dieser Ausgaben
kann man im Australischen Jazzmuseum erhalten, aber auch direkt
von ihm. Im nachfolgenden stellen
wir drei CDs vor, die besonders für
hiesige Jazzfreunde von Interesse
sein dürften. Zum einen handelt es
sich um die ersten Aufnahmen des
Berliner Gitarristen Coco Schumanns unter eigenem Namen, die er
während seiner Zeit in Australien
machte. Die Aufnahmen sind von
besonderem Interessen, weil sie
eigene Arrangements Schumanns
enthalten, aber auch mit einem der
vielseitigsten Klarinettisten Australiens Geoff Kitchen, eingespielt
wurden. Vier weitere Titel der CD
wurden mit Leo Rosner und seiner
Gypsy Band aufgenommen. in der
Schumann mitwirkte und die seinerzeit auf einem kleinen Label eines
Elektroladens „Homeland Records“
veröffentlicht wurden.
Zwei weitere interessante CDs enthalten Aufnahmen der Berliner Star
Band „Weintraubs Syncopators“,
deren Mitglieder während der Naziherrschaft nach Australien ausgewandert sind. In einer der nächsten
Ausgaben werden wir über die Band
schreiben, dessen Mitglied der Posaunist Kurt „Kay“ Kaiser (John
Kaiser) aus Leipzig stammte. Beziehen kann man diese CDs von Geoff
Orr direkt:
Geoffrey Orr‘s Lyric Private CD‘s
A heritage of sound from Australia‘s past
[email protected]
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ucht man im Internet nach Stephenson‘s Rockets, wird man eine Unmenge an Seiten zum Thema
Dampflokomotiven angeboten bekommen, aber sicher nicht die kleine Swingband, die wie eine Dampfmaschine jeden
Sonntag im Emerald Hotel in Melbourne
Hot Jazz und Swing erster Güte abliefert.
Die vierköpfige Band wird vom Chirurgen
Joe Stevenson geleitet, der neben einer hervorragenden Klarinette, deren Stil oftmals
an den Schweden Putte Wickmann erinnert,
auch Tenorsaxophon und Basssaxophon
spielt. Der singende Schlagzeuger Ian Smith
wechselt zum Bass, wenn seinem Bassisten
Chris Ludowsky gerade danach zumute ist,
die Posaune zu spielen. Manchmal hat man
das Gefühl, „Weintraub‘s Syncopators“
seien wieder auferstanden. Das Repertoire
setzt sich aus unterschiedlichsten bekannten
Standards aber auch weniger bekannten
Nummern zusammen, wobei uns Besucher
versichern, dass jeden Sonntag die Band mit
anderen Stücken zu hören sei. Mit der CD
„About time“ haben sie die entspannte und
familiäre Atmosphäre eines Sonntagabend
eingefangen und zum Nachhören konserviert, was das Live Erlebnis allerdings nicht
ersetzt. Nicht nur als Souvenir ist diese CD
zu empfehlen, sondern für Freunde des Jazz
oder Amateurmusiker, die immer wieder
auch Anregungen für eigene Interpretationen suchen, eine kleine Fundgrube. Nebenbei spielen einige Musiker auch in anderen
Formationen. Den Bassisten kann man auch
in seiner eigenen Band The Syncopators
hören, die im letzten Jahr ihr 30jähriges
Jubiläum feierte und in diesem Jahr in
Deutschland auf Tournee ist.
Kontakt: [email protected]
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I n t e r v i e w m i t d em P o s a u n is t e n K l a u s K i r s t
Klaus Kirst ist Posaunist und Leiter der Hot & Blue Jazz Band aus Meerane, die im vergangenen Jahr den 50. Geburtstag feierte. Seit einigen Jahren kenne ich Klaus als jazzbegeisterten Musiker und freundlichen Menschen, der sich besonders auch eine tiefe Kenntnis der Geschichte des Jazz angeeignet hat und demzufolge mit seiner Band auch Titel zu
Gehör bringt, die nicht zum normalen Repertoire von Bands des traditionellen Jazz mehr gehören. Dabei nutzt er das
theoretische Wissen, um seine Ansagen mit kleinen interessanten Geschichten zu verbinden. Sein Posaunenspiel ist sehr
direkt, hier und da expressiv. Man spürt, dass er nichts vor- und abspielt, sondern mit tiefer Seele die Musik zum Leben
erweckt. Besonders sticht sein markanter Gesang hervor, mit dem er schon oft gehörten Stücken wie beispielsweise
„Careless love“ oder „Black and blue“ eine ganz persönliche Note verleiht. Das Gespräch mit ihm ist auch eine kleine
Zeitreise in die Anfänge der Amateurjazzszene der ehemaligen DDR.
Wie entstand Dein Interesse am Jazz?
Das war eine Initialzündung. Wenn ich
mir das Datum notiert hätte, wüsste ich
sogar noch die Uhrzeit. Ich studierte ab
September 1958 Medizin an der Uni Jena. Da fand ein Physikerball statt. Jemand gab mir eine Karte und meinte,
dass es ganz wichtig ist, dahin zu gehen,
das wäre einer der besten Bälle in Jena.
Das machte mich aber so richtig nicht an,
bis so gegen 22.00 auf einmal für mich
bis dahin ungehörte Töne erklangen. Eine Band marschierte mit traditionellen
Jazzklängen ein, drei Bläser,
Banjo und Sousaphon. In dem
Moment gab es bei mir einen
Stich und ich hing an dieser
Musik. Die Band hatte keinen
Namen. Es waren die Nachfolger der „Klaus Steckels
New Orleans Jazz Band“.
Klaus Steckel war ja nach
dem Westen abgehauen und
der Klarinettist Klaus Schneider hatte dann die Leitung
übernommen. Im Grunde war
das der Kern der späteren Jenaer
Oldtimers. Also, der Virus hatte sich
festgefressen. In der Folge habe ich versucht, mir Material über den Jazz zu besorgen. Bücher gab es damals in der
DDR zum Thema Jazz kaum, allerdings
hatte ich mir gleich „Der Jazz“ von Alfons M. Dauer besorgt. Mein Vater hatte
ein Smaragd Tonband und an den Wochenenden, an denen ich zuhause war,
habe ich nachts Jazzsendungen gehört
und aufgenommen. In Jena habe ich sehr
häufig den AFN Frankfurt gehört. Die
hatten eine spannende Sendung, sie hieß
„Turn back the clock“. Da wurden Kompositionen gespielt, die immer genau 10
Jahre zurücklagen, beispielsweise am 1.
Mai 1957 wurden Stücke gespielt, die am
1. Mai 1947, 1937, 1927 das Ohr der
Welt erblickten. Im Allgemeinen waren
das Jazzaufnahmen, weil da auch die
Aufnahmedaten erhalten waren. Da begann ich mich dafür zu interessieren,
wie das Stück hieß, wer, wann, wo gespielt hat. In der Jenaer Universitätsbibliothek habe ich mich über Jazzliteratur
informiert. Die hatten einiges. Aber am
meisten interessierte mich das Buch, in
dem Aufnahmedaten und Besetzungen
enthalten waren. Das war „Die Deutsche
Jazz-Discographie“ von Horst H. Lange.
Das hatte ich dann studiert und habe das
Buch in meiner Zeit von 1958 bis 1965
fast immer gehabt, weil das kein ande-
Welcher Erinnerungen hast du an das
Konzert mit Louis Armstrong in Erfurt?
Sehr beeindruckend. Ich hab zwar kaum
was gesehen, aber alles gehört. Als Student hatte ich wenig Geld und konnte mir
nur die billigste Karte leisten. Ich saß in
der letzten Reihe, was aber auch den Vorteil hatte, dass ich während des Konzerts
aufstehen konnte. Ich sah dann die Musiker, Jewell Brown, die zarte Schönheit
mit der starken Stimme und natürlich
„Satchmo“, unvergesslich. Das Schöne
war, dass die Musiker aller
Jenaer Bands sich einen Bus
gemietet hatten und gemeinsam dahin fuhren. Hinwärts
und zurück führten wir unsere Gespräche und hatten dabei viel Spaß. Das verband
die Musiker in besonderer
Weise. Ich muss auch erwähnen, dass es zwischen den
Jazzern keine Rivalität gab.
Jede Band hatte ihren Wirkungskreis, wir sind gegenseitig zu Proben gegangen, harer ausleihen wollte. Jedes Mal wenn ich ben uns auch Hinweise, Kritik und Lob
das nach 6 Wochen zurück brachte, gegeben.
konnte ich es wieder mitnehmen. Stilistisch interessierte mich besonders Gra- Wie kam es, dass Du die Posaune zu
eme Bell. Seine Prager Aufnahmen wa- Deinem Instrument erwählt hast? Das
ren hier zugänglich, die konnte ich kau- ist ja nicht nur von der Größe her ein
fen. Die gab es als 78er Schellackplat- schwieriges Instrument, besonders im
ten. Dann habe ich aus dem Radio Jelly höheren Alter, wo man viel Kraft und
Roll Morton und frühe Duke Ellington Luft dafür benötigt.
Aufnahmen, die Dutch Swing College
Band und die Engländer Barber und Bilk Bei mir bestand der Wunsch, obwohl es
für mich entdeckt. Mein großes stilisti- in Jena schon drei Jazzbands gab, eine eisches Vorbild war und ist aber Louis gene Band zu gründen, weil ich eigene
Armstrong. An diesem Mann kommt Ideen verwirklichen wollte. Ich wollte
man einfach nicht vorbei. Der ist sowas nicht nur „When the Saints“ oder „Ice
von stilbildend gewesen, hat auch mo- cream“ spielen. Durch die Jazzsendungen
derne Jazzmusiker beeinflusst. Ich bin im Rundfunk lernte ich interessante seltefroh, dass ich auch in Erfurt ein Konzert ne Titel kennen, die ich reproduzieren
von ihm miterleben durfte.
wollte. Ich hatte vor, eine Band zusam-
B a n d
2 ,
A u s g a b e
1
menzustellen. Das scheiterte aber daran,
dass wir keinen Posaunisten fanden. Ich
spielte damals leidenschaftlich Banjo und
war auch ganz gut. Aber es gab einen anderen Banjospieler. Dann habe ich aus der Not
eine Tugend gemacht und mir ein altes Instrument gekauft von 1900 ungefähr und
habe begonnen, Posaune zu spielen. Ich
wollte auch erreichen, gleich in der Band
mitzuspielen, hatte auch ein oder zwei Unterrichtsstunden bei einem sehr strengen
Lehrer, der mich z.B. mit Posaunenthemen
von Wagner vertraut machen wollte. Das
stieß mich sofort ab, ich habe den Unterricht geschmissen und mich entschieden,
das selbst zu machen. Dann habe ich begonnen, so draufloszuspielen. Ich konnte mich
etwas an Kid Ory orientieren, weil der technisch nicht so schwierig gespielt hat und
das Erdige gefiel mir sehr gut. Kurz und
gut, ich war Autodidakt. Als ich später die
Hot & Blue Jazz Band gegründet hatte, war
ich schon auf Posaune festgelegt. Auch hier
hatten wir übrigens sofort ein Repertoire,
das abseits von den üblichen DixielandKlischees festgelegt war.
Welche Titel waren das?
Also zum Beispiel „Who‘s Sorry Now?“.
War dann gleich unsere Erkennungsmelodie. Das hat in Jena niemand gespielt oder
„St. James Infirmary“, das machten die anderen auch nicht. Den „Beale Street Blues“
hatten wir sehr früh im Programm, war für
uns schon fast zu schwierig. Auch den
„Sobbin‘ Blues“ nach George Lewis haben
wir gespielt und probierten uns an „When
Erastus Plays His Old Kazoo“. Das waren
Titel, die sonst nicht in Jena zu hören
waren.
Übst Du regelmäßig?
Als ich als Landarzt gearbeitet habe, hatte
ich in der Woche kaum Zeit zum Üben. Am
Wochenende ein bisschen, ansonsten spielte ich dann drauf los. Aber 2005 bis 2007
habe ich dann doch noch Unterricht genommen und seitdem bemühe ich mich, regelmäßig zu üben. Vorher habe ich einfach frei
nach den Harmonien gespielt, wobei mir
meine Kenntnisse des Banjospiels zugutekamen. Meine Kollegen waren sehr skeptisch, als sie hörten, dass ich Unterricht
nahm. Sie befürchteten, dass dadurch die
Ursprünglichkeit verloren geht. Aber ich
glaube, ich habe es geschafft, eine Balance
zu finden, mich nicht an das Notenbild zu
klammern.
Dich trifft man auch auf Konzerten des
avantgardistischen Jazz.
S e i t e
Ich bin allgemein an Musik interessiert,
auch an bildender Kunst, Theater, gehe
zu klassischen Konzerten. Natürlich habe ich keinen grenzenlosen Zugang zum
Free Jazz, weil sich da vieles einfach
mir gefühlsmäßig nicht erschließt. Ich
mag Musik, wo man Harmonien erkennt, einen durchgehenden Swing.
Aber ich schätze auch die Bemühungen
der Leute, die sich sehr abstrakt mit
Musik beschäftigen und finde vieles davon sehr interessant. Es ist wichtig, dass
musikalisch was Neues passiert und
man nicht nur an den überkommenen
Dingen
festhält.
Deinen Lebensunterhalt hast Du als
Arzt im Ländlichen bestritten. Auch
da hast Du Dich für den Jazz stark
engagiert. Mir hast Du erzählt, dass
Du Ausstellungen in Deiner Praxis
organisiert hast, wo sogar Musiker
wie Gunter Hampel, die ja mehr dem
freien Spiel zugewandt sind, zur Vernissage als Gast waren. Welche Erinnerungen an diese Zeit sind Dir besonders haften geblieben?
Ich habe 1972 in der Staatlichen Arztpraxis Starkenberg die kleine Galerie
„Äskulap“ gegründet. Dort habe ich
drei bis vier Ausstellungen pro Jahr von
bildenden Künstlern gemacht. Darunter
Mein großes stilistisches
Vorbild war und ist Louis
Armstrong. An diesem
Mann kommt man einfach
nicht vorbei.
waren Mattheuer, Stelzmann, Rink,
Hirsch und viele andere. Ich habe auch
unbekannten Amateuren aus meinem
Patientenkreis die Möglichkeit gegeben,
ihre Werke auszustellen - vielleicht sich
einmal in ihrem Leben in einer Galerie
zu präsentieren. Sie waren sehr glücklich darüber. Mit jeder Ausstellung war
ein Galeriegespräch verbunden. Das habe ich mit unterschiedlichster Musik
ausgestaltet. Wir hatten nicht nur Jazz,
sondern auch klassische Musik. Gunter
Hampel ist mit Vibraphon und Bassklarinette vor vielleicht 20 Leuten aufgetreten. Monty Waters, ein farbiger
Altsaxophonist, kam aus München. Ein
liebenswerter, lustiger Mensch. Während der DDR Zeit hatte ich allerdings
nur Musiker aus der Umgebung. Bei
den Galeriegesprächen ging es haupt-
1 1
sächlich um die ausstellende Person.
Das ist politisch manchmal sehr brisant
gewesen. Die „Ohren“ hatten viel zu
schreiben. Die Galerie bestand 30 Jahre,
von 1972 bis 2002. Sie war eine der ersten kleinen Galerien der DDR in einer
Arztpraxis. 1979 wurde ich gedrängt,
mich dem Kulturbund zu unterstellen.
Ich hätte sonst Schwierigkeiten gehabt.
Aber es ging trotzdem weiter wie bisher.
Ich musste zwar jährlich einen Plan abgeben. Aber Plan war Plan, die Realität
war eine andere. Ich habe ausgestellt
was ich wollte.
Du warst in der Jenaer Jazzszene aktiv, hattest aber auch eine besondere
Verbindung zum Jazzclub in Altenburg. Wie hängt das zusammen?
Ich war Gründungsmitglied des Jazzclub
in Altenburg. Hot & Blue spielte im
Teichhaus, das war das Jugendclubhaus
Rosa Luxemburg. Hinterher kamen ein
paar Leute und fragten, ob wir etwas
Zeit hätten. Da war einer dabei, dem gefiel die Musik, sein Vater hatte eine große Tonbandsammlung und meinte, man
müsste den Jazz viel mehr Leuten zugänglich machen. Sie wollten in Altenburg einen Jazzclub gründen. Das war
1980. Der Jazzclub versuchte, sich anzumelden und wurde dem Kulturbund zugeordnet. Er hat Konzerte und Vorträge
organisiert, hatte aber keinen eigenen
Raum. Der Klub existiert bis heute.
Was mich etwas stört ist, dass er fast
nur noch modernen Spielarten des Jazz
vorbehalten ist. Man kann es mit
Leipzig vergleichen. Es gibt wenig
Raum für traditionellen Jazz und Swing.
Spielstätten haben sie in Altenburg eine
ganze Menge. Es gibt ein lebendiges
Jazzleben, weil sie auch an die Thüringer Jazzmeile angegliedert sind. Das bereichert die Kultur in einer solchen
Kleinstadt enorm.
Nach Deiner Pensionierung bist Du
nach Leipzig gezogen. Welche Unterschiede siehst Du zwischen der hiesigen Szene und der, sagen wir mal, in
Altenburg.
Leipzig hat eine große kulturelle Vielfalt, dass es manchmal schwerfällt, sich
an einem Abend für eine Veranstaltung
zu entscheiden. Was ich hervorheben
muss, sind die Leipziger Jazztage, die
eine super Einrichtung sind, weit über
die Grenzen von D-land und eine Menge
sehr guter Musiker anziehen. Das ist der
Leuchtturm. Sonst ist die Szene sehr
modern ausgerichtet und es ist kompli-
ziert Spielmöglichkeiten für traditionellen Jazz zu finden. Die wenigen Lokalitäten, in denen traditioneller Jazz gespielt wird, werden nach kurzer Zeit
wieder von moderneren Jazzmusikern
überschwemmt, sodass letztlich ein lebendiges traditionelles Jazzleben nicht
zu beobachten ist, leider. Das weite
Spektrum des Jazz ist in Leipzig nicht
erfasst.
Du hast bereits über Deine Band „Hot
& Blue Jazz Band“ aus Meerane in einer der letzten Ausgaben des JFSG
geschrieben. Seit vielen Jahren bist
Du Leiter dieser Band. Was sind die
wichtigsten Erfahrungen dabei, die
Du weitergeben könntest, eine Band
so lange zusammenzuhalten?
Ich glaube, man muss neugierig bleiben
und dafür sorgen, dass das Interesse an
der Entwicklung und Verbesserung nicht
abreißt. Der andere Aspekt ist der, dass
es sehr hilfreich ist, wenn man sich
menschlich versteht und über die Musik
hinaus auch andere Gesprächsthemen
hat. Mit Solostücken kann man die Musiker sehr wirksam fordern und fördern
und der Applaus motiviert sie, sich noch
mehr einzubringen. Das wichtigste ist,
die Truppe so zusammenzuhalten, dass
man sich menschlich und musikalisch
immer interessant findet und nicht auf
festgefahrenen Gleisen fährt, sondern
hin und wieder ein paar Weichen stellt.
So werfen wir immer mal alte, über Jahre eingeschliffene Arrangements über
den Haufen. Das entsprechende Stück
bauen wir dann neu und ganz anders auf.
Das hat natürlich auch zur Folge, dass es
beim Auftritt Schwierigkeiten gibt, da
sich manche Abläufe automatisiert haben und die Gewohnheit ihr Recht fordert, und damit das Neue nicht immer
klappt. Für das Zusammenspiel ist es
aber ungeheurer wichtig, ausgetretene
Pfade zu erlassen.
Als Chef bin ich für die Organisation
verantwortlich, schlage Titel vor, bereite
Arrangements vor und erarbeite Konzepte für unsere Auftritte. Dabei haben
alle ein Mitspracherecht mit Mehrheitsentscheidung. In unserer Band herrscht
ein strenges Probenreglement. Wenn es
ein Stück erfordert, proben wir eine Sequenz bis sie sitzt. Manchmal beißen wir
uns am Abend an nur zwei Stücken fest.
So ist es dann eben. Aber wenn das dann
fertig ist und wir uns zur nächsten Probe
treffen….., dann haben das die meisten
wieder vergessen. (lacht)
Kannst Du Dir eine Pensionierung
von der Musik vorstellen?
Nein. Ich möchte das so lange machen,
wie ich dazu körperlich und geistig in
der Lage bin.
_______________________________
Fotos (im Uhrzeigersinn):
Freiberg 1976; Jena 1964; Meerane
2005; Starkenberg 2000, 60. Geb. von
KK; Foto (Bildmitte): Dresden KZV
2008, 8. Dixieland Night mit der Sängerin Gude Lafrenz.
Archiv Klaus Kirst
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1
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Leipziger Jazzgeschichte(n) Teil 3
Hommage an den Ur-Jazz-Pionier Kurt Michaelis (genannt Hot-Geyer)
von Peter Colev
H
ot-Geyer (Kurt Michaelis) starb
Ende November 2014 im hohen
Alter von 101 Jahren. Als vermutlich ältester Jazz-Fan weltweit (geb. 1913) erlebte er in jungen Jahren
Hot-Musik und Swing in Deutschland. Das
Wort „Jazz“ wurde erst viel später verwendet
und verdeutscht ausgesprochen (sprich: Jatz).
In der Zeit der Weimarer Republik prosperierte die Kunst in ihrer Vielfalt mit einer
bisher nicht dagewesenen Vehemenz und
Direktheit. Der Expressionismus in der Malerei, die Dichtkunst und nicht
zuletzt die Musik selbst machten dabei erheblich Furore.
Zwischenzeitlich wurde in
Deutschland bereits 1919 die
erste Jazz-Schallplatte von der
Firma Homokord in der Kopplung Tiger-Rag/Jazz-One-Step
mit der sogen.
Exzentrik-Band produziert und
veröffentlicht. Dies war die
erste Jazz-Tonkonserve deutscher Produktion, nachfolgend
kamen dann in den folgenden
Jahren die verschiedensten
Schallplatten-Hersteller
auf
den Markt. Wenngleich die
Bands in Deutschland in der
Frühzeit noch nicht den Swing
und Drive der späteren Jahre
erreichten, so hatten doch bereits einige
Klangkörper sehr talentierte Musiker mit
einer guten Hot-Stilistik, vorwiegend im
Trompeten- sowie im Saxophonsatz platziert.
Es darf nicht vergessen werden, dass die
Bands jener Zeit vorrangig zum Tanz aufspielten. In den goldenen 1920er Jahren kamen zugleich eine Vielzahl von Modetänzen
aus Amerika, wie Shimmy, Charleston, Black
-Bottom, Cake-Walk, One-Step, Jitterbug
u.a..
Hot-Geyer, der Ende der 1920er/Anfang der
1930er Jahre viele Bands in Europa in Berlin
und Leipzig erlebt hatte (die Gazette berichtete bereits darüber) war ein begeisterter und
ambitionierter Tänzer. In Leipzig gab es eine
Vielzahl von Tanzsälen und Etablissements,
wo regelmäßig getanzt und geschwoft wurde.
So zum Beispiel im Haus „Drei Linden“ (Lindenauer Markt), im Felsenkeller
(Zschocher),
im
Sächsischen
Hof“ (Schönefeld), im Messehaus „Drei Könige“ (Leipzig-Zentrum, Petersstraße) u. a..
In Leipzig waren außer Paul Whiteman und
Sydney Bechet, die nur im Delphi Palast in
Berlin auftraten, fast alle internationalen
Bands jener Zeit, die einen großen Namen
hatten, so z.B. 1928 – Sam Wooding, 1929 –
Josephine Baker, 1930/31 – das Orchester
Jack Hylton (Krystallpalast) Außerdem waren in Leipzig die Gesangs-Gruppen „Die
Revellers“ und nicht zuletzt die weltbekannten Comedian Harmonists, die in der Kongresshalle bei reduziertem Eintrittspreis ein
Wohltätigkeitskonzert gaben (1931).
auch in Hamburg und Magdeburg ähnliche
Interessen-Gemeinschaften. Der von HotGeyer gegründete Leipziger Club wird in der
Jazz-Historie als einer der ersten in Deutschland genannt. Man traf sich in den Wohnungen der Fans, hörte die neuesten Schallplatten, die erworben wurden und diskutierte
fach- und sachgerecht über Neueinspielungen, Musikstile sowie Musiker und Bands.
Zu gleicher Zeit traten ebenfalls in Leipzig
die berühmten „Weintraubs Synkopators“ im
„3-Linden“ auf, die durch ihre exzellenten
Multiinstrumental-Spielweisen weltweit bekannt wurden, aus Deutschland emigrieren
mussten und sich am Ende in Australien
niederließen. Auch sie hatten erstklassige
Jazz-Solisten, die auf wechselnden Instrumenten musizieren konnten. Der Jazz-Freund
Detlef Ott begegnete anlässlich seiner Australien-Reise noch den Nachfahren dieser
legendären Band.
Die zwischenzeitlich bekannt gewordenen
„News“ der Hot- und Swing-Szene entnahm
Hot-Geyer den aktuellen Ausgaben des englischen Musik-Magazins „MelodyMaker“, dass er seit ca. 1929
abonniert hatte und wöchentlich
erschien. Der Bezug dieses Musik-Journals wurde übrigens bei
Kriegsbeginn 1939 eingestellt.
Der Erwerb von Import-SwingSchallplatten war jedoch in den
1930er Jahren kein „Peanuts“.
Eine Brunswick-Schellack-Platte
25cm kostete Mitte der 1930er
Jahre 2,50 RM. Ein Arbeiter
verdiente vergleichsweise 150,00
RM monatlich, eine Frau hingegen 130,00 RM. Bei der Einschätzung des Freizeitverhaltens
in den 1930er Jahren muss beachtet werden, dass sich die musikalische Kommunikationsvielfalt im wesentlichen auf ein Radio, ein Plattenspieler (Kofferoder Schrankgrammophon) sowie einem
eventuell wöchentlichen Tanzvergnügen
beschränkte. Deshalb hatten Schellacks und
Radio für die meisten Familien Priorität. Hin
und wieder kam dann auch der Besuch eines
Jazz-Swing-Konzertes, meist mit Tanz verbunden, dazu. Erst im Jahr 1936 zur Olympiade wurde das im wesentlichen von Manfred
von Ardenne entwickelte Fernsehen versuchsweise eingeführt und es dauerte noch
ca. 20 Jahre bis die ersten Geräte serienreif in
den Handel kamen.
Anfang bis Mitte der 1930er Jahre konnte
man in einigen Leipziger Schallplattengeschäften ( z.B. Musik-Rank, Am Neumarkt)
deutsche und ausländische Jazz- und SwingSchellack-Platten (ca. 3 Minuten Laufzeit)
käuflich erwerben oder bestellen, denn die
interessierten Leipziger Fans benötigten ja
diese Tonträger für ihre wöchentlichen
Zusammenkünfte
(Bluemonday-Sessions).
Mittlerweile hatte sich ca. 1934 der erste
Leipziger Jazzclub gegründet. Etwa zur gleichen Zeit gründeten sich auch in Berlin und
in Königsberg (Ostpreußen), nicht zuletzt
Im Jahr 1936 trafen sich die Mitglieder des
Leipziger Hot-Clubs auch wochenendlich
zum Schwof. In den großen Sälen der Stadt
spielten überall regionale und über-regionale
Bands, die natürlich den internationalen
Trend folgend meist angloamerikanisches
Repertoire bevorzugten. Ein Treffpunkt besonderer Art war das Messehaus „Drei Könige“, Petersstraße 32, 1. Etage. Hier spielte
1936 (siehe Prospekt) eine Kapelle namens
Karl Ballaban aus Wien. Geyer schreibt dazu
seinen Erinnerungen folgend, Zitat:
„Wir, die Swing-Clique (Sippschaft!) saßen
S e i t e
1 4
an einem großen ovalen TABLE auf einem Großen SWING-Sofa (für 5 Swingers
bequem!) & Stühlen mit Armlehne zwischen BandStand und Eingang! Einmalig! Die Jazzsinfoniker speziell für uns
spielten tanzbaren Tiger Rag & Copenhagen.
Meeting: Dienstag 20.30 – 24.00 –
Swing Fiddlin’ Joe / Geyer / Teddie
Fläz / RohÖler / Rhythm Schütter Salm /
Die verrückte Margot / Gossing FlauschMantel, roter HANSA-CAR mit I A =
Berliner Auto-Nr.! & noch etliche
SWINGBOYS dazu!
Unsäglich! raunzte RhythmSchütter egal
dazwischen!
Abendzeitung -,10 Pfennige i.d. linken
Tweed-Jackentasche! Nicht alle! –
Palavernd (swingbewußt – englisch!) &
tanzend! Maschen aufreißend!
Kennenlerne Geyerin, Nov. 1937 – im 3
KINGS!!“
Vorstehenden Schilderungen ist zu entnehmen, dass die Jazzer nicht etwa dem
Nazi-Trend in „strammer brauner Geschlossenheit“ folgten, sondern entgegen
den Zeitgeist in lässiger anglophiler Art
ihre Jugend nach eigener Fasson auslebte.
Das gebotene Repertoire der BallabanBand war fast ausnahmslos englischamerikanisch (siehe Prospektbeilage).
Auch in der Wohnung von Hot-Geyer,
heute Sass-Str. 34, Leipzig-Gohlis, trafen
sich permanent deutsche, zum Teil auch
ausländische Jazz-Freunde und Musiker,
so zum Beispiel Dr. Schulz-Köhn, der
führende Jazz-Promoter in der Frühzeit
des Jazz, der Musikverleger Froboes
(Vater von Conny Froboes) sowie der
bekannte Pianist Fritz Schulz-Reichel
(Crazy Otto genannt) u. a..
1936 besuchten zwei englische JazzFreunde, Carlo Krahmer (dr, wb, vib.)
und Garry Cane (as) das Quartier von Hot
J u s t
-Geyer und jammten in der großen Dachwohnung ca. 100 qm². Geyer hatte den
halbblinden Carlo Krahmer, einen passionierten Schallplattensammler und Musiker, bei einem seiner London-Besuche
1935 kennengelernt. Krahmer entwickelte
seine Musikalität in einer Blinden-Band,
in der auch damals Georg Shearing (p)
mitwirkte, der später zu großem Ruhm
gelangte. Bedeutsam war, dass Krahmer
neben seiner Mitwirkung in der britischen
Jazz- Szene auch 1947 das englische Platten-Label „Esquire“ gründete und bedeutende Musiker verpflichten konnte. Einzelne Esquire-LPs sind heute sehr wertvoll. In meiner Sammlung habe ich dank
„Ebay“ eine seltene Einspielung von Carlo
Krahmer’s Chicagoans (1945-1949) mit
Jimmy und Marian McPartland sowie
Stephane Grappelli, Jonny Dankworth und
Dick Katz. Grappelli spielt hier u.a. auch
Klavier!
Carlo Krahmer, der deutsche Wurzeln
hatte, starb 1976 in London.
Dies sind nur einige kleine Beispiele für
die vielen Aktivitäten im legendären Geyer-Horst (so nannte er seine Wohnung)
dem Treffpunkt vieler deutscher und europäischer Jazzer.
Geyer pflegte auch dank seiner englischen
Sprachkenntnisse eine umfassende JazzKorrespondenz in alle Welt. So hatte er
u.a. eine gute Liaison zu Ross Russell
(USA), dem späteren Autor der berühmten
Charlie Parker-Biographie. Über viele
Jahre korrespondierten sie und tauschten
außerdem besonders interessante Schellack-Platten.
Seine Korrespondenz tippte Hot-Geyer,
18jährig, auf einer 1931 (!) gekauften
Reiseschreibmaschine, die er seinerzeit
auf Teilzahlung erwarb und lebenslang bis
kurz vor seinem Tod nutzte. In den vergangenen 70 Jahren war sie immer funktionstüchtig. Sie musste lediglich gereinigt
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S w i n g
G a z e t t e
und mit neuen Farbbändern bestückt
werden. Darauf war er sehr stolz (Er
sagte: „Deutsche Wertarbeit!“).
1939 wurde die Lieferung des MelodyMakers nach Deutschland eingestellt.
Teddie Stauffer gab im Felsenkeller zu
Leipzig noch ein letztes Konzert, bevor
er Deutsch-land in Richtung Schweiz
verließ. Die „Zügel“ wurden von den
Nazis um diesen Zeitpunkt herum merklich angezogen. Die Einfuhr von Import
-Schallplatten wurde wegen fehlender
Devisen sowie der beginnenden Kriegsvorbereitungen stark gedrosselt.
Die Aufführung jüdischer Kompositionen, die im Jazz eine große Rolle spielten und spielen (American Songbook)
wurde zwischenzeitlich verboten. Viele
Jazz-Musiker mussten in den Untergrund abtauchen. Im September 1939
begann der von allen gefürchtete 2.
Weltkrieg. Hot-Geyer hatte wieder
Glück, wie so oft in seinem Leben, dank
seiner Englisch-Kenntnisse kam er als
Funker nach Norwegen, wo sich die
Kriegshandlungen - Gottseidank - in
Grenzen hielten. An der norwegischen
Küste wurden die Engländer durch
Funkaufklärung abgehört und es ergab
sich, dass man unter Kopfhörern schon
mal ungestraft Louis Armstrong auf
Kurzwelle hören konnte. Außerdem
hatte man in Skandinavien die Möglichkeit, hier noch erhältliche JazzSchellacks zu kaufen und in den Heimaturlaub mitzubringen. Unversehrt wurde
Hot-Geyer 1946 aus der Gefangenschaft
entlassen und die karge Nachkriegszeit
in Leipzig begann. Aber nicht ohne
Jazz!
Wie es nach dem Krieg jazzmäßig in
Leipzig weiterging soll jedoch in einem
der weiteren Beiträge in der Gazette
erfolgen.
B a n d
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1
S e i t e
1 5
Die HENSEN Bigband BIGBAND
H
ausmusik war schon im 17.
Jahrhundert in den Wohnungen
der Kaufleute ein wichtiger
Teil des Leipziger Musiklebens. Daraus entstand das „Große Concert“, welches das Gewandhausorchester
noch heute Woche für Woche spielt. Wer
heute noch Lust auf Hausmusik hat, findet
sicher Freunde, aber nicht immer die notwendigen Räumlichkeiten/Wohnungen dafür, obgleich die alten Bürgerhäuser geeignet sind, zumindest, wenn es um Kammermusik geht. Aber wer Blasinstrumente oder Schlagzeug spielt, ist erst einmal froh,
wenn er überhaupt allein in seinen vier
Wänden musizieren kann. Ist er/sie dann
auch noch Jazzfan, wird die Angelegenheit
mit Hausmusik kompliziert.
Die Idee zur Gründung einer Jazz-Bigband
hatten 2008 Isabell Hensen, die Querflöte
spielt, und ihr Mann Arndt Berthold, dessen Hobby das Jazzpiano ist. Beide hatten
Lust, mit anderen zusammen Jazzstandards
zu spielen. Aber als „HAUS-Musik"? Im
Juni 2008 annoncierten sie im „Kreuzer“
und suchten nach „Menschen plus/minus
40 mit Freude und Lust an Jazzigem“. Und
von Volker Stiehler
dann ging es sehr schnell. Schon am 1.
September trafen sich 5 Hobbyjazzerinnen
und Hobbyjazzer erstmals zum gemeinsamen Ausprobieren, und Anfang 2009 waren es bereits 14 zufrieden miteinander
musizierende Bandmitglieder. Der Profimusiker Reiko Brockelt stellt seither
Hausmusik war schon im 17. Jahrhundert in den Wohnungen der
Kaufleute ein wichtiger Teil des
Leipziger Musiklebens.
Als es darum ging, einen Bandnamen zu
finden, war man sich schnell einig, die Unternehmung nach der Gründerin Isabell
Hensen zu nennen
– die HENSEN BIGBAND.
Das Repertoire sind Standards des Swing,
Rock und Latin (? das sollte noch konkreter formuliert werden). Wie das bei Hausmusik nicht anders sein kann, steht die
zwischenmenschliche Komponente im
Vordergrund. Wer nach einem oft harten
Arbeitstag am Abend mit seinem Instrument antritt, sucht Freude und Entspannung, trotz intensiver Probenarbeit. So haben sich die Bandmitglieder inzwischen als
Freunde und Freundinnen zusammengefunden und finanzieren dieses Feierabendprojekt gemeinsam. Sie veranstalten Konzerte für ihren Freundeskreis und musizieren bei den unterschiedlichen Anlässen,
immer ohne Kommerz. Ihnen gelingt es,
herrlich miteinander zu feiern und sich
beim jährlichen Probenwochenende in musikalischer Hinsicht nach vorn zu bewegen.
montags die Räumlichkeiten seiner Saxophonschule in der alten Likörfabrik
„HORN“ zur Verfügung und leitet die Proben. Ein Glücksfall für die Amateure im
Alter von 30 bis plus 70. Deren Professionen sind bunt gemischt (ArchitektInnen,
MedizinerInnen, Ingenieure, Pädagogen,
eine Biologin, ein Theaterwissenschaftler,
ein Buchdrucker etc., darunter ProfessorInnen, Promovierte und (noch) sehr rüstige
Rentner. Frauen und Männer halten sich in Viel anders sieht es bei der Hausmusik eietwa die Waage.
nes Amateur-, Streich- oder Bläserquintetts
auch nicht aus.
S e i t e
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G a z e t t e
JAZZNOTES FROM ABROAD
How I collected Jazz Records in Soviet Union
I
Evgeni Paskudski, Cleveland, Ohio, USA, February, 2015
n the fifties I used to live in a
small city Salavat of Bashkir Autonomous Republic of USSR.
That area calls "South Ural" and
is located close to the virtual border
between Europe and Asia. Salavat was
founded in 1948 and had population
about 20,000 with high percentage of
young people. In addition to my general school I attended musical school
(piano class) where we learned not only master class, but also solfedgio,
choir and history / theory of music.
These classes included group of 15-20
pupils (girls and boys). All of us lived
in different parts of the city and were
from different general schools. Most of
the boys were not hard working guys
and sometimes we were just kidding,
telling jokes and playing rough piano.
One day one of the boys Michael (now
he lives in New-York) sat at the piano
and started to play boogie-woogie. It
was fascinating and impressed everybody. That's how I started to be interested in jazz and blues. I think that
happened around 1960. Later Michael
brought shellac Supraphon record with
Gerry Scott singing and Gustav Brom
Orchestra playing "Some Of These
Days" (S.Brooks). That was another
blow. In the beginning of the sixties
you could listen to some jazz music on
the radio performed by soviet orchestras. I particularly remember Alexander Tzfasman Orchestra
"The Fast Dance", Oleg
Lundstrem Orchestra
"Harlem
Nocturn"
and Leonid Utesov
with musical joke
"Where Jazz Was
Born?" (Dixieland
music).
Utesov
"proved"
that
jazz was born in
Odessacity. After Supraphon
"introduction" I started looking for
jazz records and found some of them.
Mostly these were compilation LP's
with couple of jazzy tunes and shellac
items recorded in Soviet Union between 1935 and 1945 when the word
"jazz" was not forbidden. Around
1962 another friend of mine Vladimir
showed me a 12" Supraphon long play
record with music performed by Karel
Vlach Orchestra. It was high class performance. Especially I was impressed
by the tune "Friday Boogie". In October (?) of 1964 in kiosk with newspapers I bought a GDR magazine
"Rhythm und Music" with photo of
Louis Armstrong on cover. Although I
could not read in German (my second
language in school was English) inside I
found useful information
regard-
ing Amiga jazz records. Visiting my city's
dancing hall I heard some nice tunes which
were playing from Amiga 45 EP's during
the performance breaks of local dance orchestra. I remember Manfred Krug singing
"Rosetta! My Rosetta" and traditional jazz
ensemble performance with impressive
clarinet playing (probably "Louisiana"). At
about the same time, in 1964 or 1965, my
parents bought me a used stationary magnetofon. I was happy and started recording jazz music from radio programs and
long play records, which I could borrow
from friends, on tape. I met a very intellectual guy Leon, who later became a friend
of mine. He informed me about jazz programs on soviet radio stations "Majak" and
"Junost" that aired on Weekends. And, of
course, we knew about Willis Conover's
"Jazz of USA" on "Voice of America".
Very often, after school, Leon and I
would discuss those jazz programs, famous
musicians and orchestras. In 1965(?) Leon
graduated from the school and was drafted
to the Army. In 1968 he returned from military service and brought me from Hungary
a souvenir - an under license Supraphon LP
Record "Duke Ellington Orchestra - Indigos (SUA 15827). It was my first record
with American jazz. In 1969 I transferred
my documents from Salavat Petroleum Institute to Ufa Aviation Institute. Ufa is a
big city (now it has more than 1 million
population) and is a capital of Bashkir Republic. The bigger the city - the
bigger the opportunity
for the jazz collector.
Here I met several serious jazz collectors
and musicians. Some
collectors had from 10
to 50 American or western jazz records in their
collections. The most famous of them had (at that
time) about 500 records. In
the sixties, a group of French
engineering specialists were
working in Ufa for several
months. One of them was a jazz
collector and brought from France
his collection of between 50 and 60 records. Mostly it was American jazz records
issued in France. After leaving Ufa, the collector presented all of his records to the local jazz musicians from a restaurant. Over
time, these records were dispersed between
B a n d
2 ,
A u s g a b e
1
jazz record collectors. In 1968 one collector
was visiting London, England with a group of
young scientists from Ufa and brought 8-10
LP's with jazz music. In 1970 one of my
group of co-students brought from GDR a
very nice under license record "Ella Fitzgerald and Louis Armstrong sing Porgy and
Bess" (Amiga 850072).
Realizing that the
easiest way to obtain American jazz records
with American jazz was to find correspondents from GDR, Czechoslovakia, Poland or
Hungary, I started to look for these opportunities. Correspondence with western countries
was risky; you could lose your job and ruin a
career. After couple of years I established
good relations with a serious collector from
the GDR. He was looking mainly for soviet
classical LP’s, especially for archive recordings which were brought from Germany in
1945 as a trophies. After 20 years of silence
Melodija Records started pressing these recordings on long play records for sale only inside of the Soviet Union (no export sales).
Rolf was writing letters in German, I translated them using a dictionary and replied in German too. The method of my writing was simple: some phrases from Rolf's letters plus
some words from the dictionary (with violation of all grammar rules). Successful exchange lasted for about 15 years. I put in my
collection about 60 under license Amiga records with American jazz and a dozen good
jazz records with GDR performers. Another
dream was about Supraphon under license
jazz records. From 1965 to 1980 Supraphon
issued about 30 of them. Some of the records
you could buy at the stores (if you were
lucky) visiting big cities like Kujbyshev,
Gorkjy, Moscow, Leningrad, Kiev, Tashkent
etc. During my business trips I was able to
buy Supraphon records. But mostly it was
Czechoslovak jazz music which was good
quality jazz. The main source of getting Supraphon under license jazz records was exchange with collectors or buying on the
"black market". Finally I acquired about 20
records from the list. Starting in 1975,
Melodija Records began pressing American
under license jazz records for USSR. It was a
big surprise for collectors. From 1975 to 1980
they issued 15 records, some of them were the
same as Supraphon issues. Also you could
find at record stores records with American
jazz on Muza, Balkanton, Qualiton, Amiga,
Electrecord labels. In 1961, during performance of Benny Goodman Orchestra in
USSR, and in 1971 during performance of
Duke Ellington Orchestra, many American
jazz records were distributed like presents for
soviet jazz-fans. In the beginning of sixties,
during British exposition in Moscow, collectors could buy few under license British jazz
records at some Moscow's stores. In about
1974 I started the record exchange with an
enthusiastic collector from Poland. He had
some relatives in the USA and was sending to
S e i t e
me used American jazz records and some
jazz magazines and books from Europe in
exchange for classical and jazz Melodija records. These pleasant relations lasted for
about 10 years. Finally, I can say that for
the period of 1970 to 1990 I collected approximately 100 under license American jazz
records and 70 records issued in the USA or
western countries. In addition, I had more
than 100 records with performances of the
Soviet jazz musicians and musicians from
the Eastern European countries.
Australian Jazz
Convention 2014
I
by Jane Shoebridge
’ve just arrived home from the 69th
Australian Jazz Convention held in
Swan Hill, Victoria between Boxing
Day and New Year. It was a very successful Convention. There were 114 bands
with
192
musicians
+
301
‘delegates’ (listeners or ‘fans’ as you call us)
making a total of 493 persons registered. A
highlight of the Convention was a piano concert with ten jazz pianists each playing solo
for 18 minutes; and each playing variously
with only one repetition - Turk Murphy’s
‘Little Enough’ which was a joy to hear played in two different ways.
The organisers told us at their Annual General Meeting that they have managed to increase the numbers of musicians and delegates attending over the past two Conventions.
This is wonderful news. Also Marina Pollard
1 7
Pictured below is the Victorian Workshop Band marching at the Australian Jazz
Convention held at Swan
Hill between 26th and 31st
December last. The band’s
visit to Swan Hill was
sponsored by the Victorian
Jazz Club, who also supplied each member with VJC
baseball caps which they
wore on occasions.
Photo by Ron Jobe
from the Australian Jazz Museum brought a
contingent of 40 persons being their Youth
Workshop band plus their teachers, parents
and even grandparents. The youngsters played in various forms – big band and smaller
Dixieland groups – and some ‘sat in’ with
the professionals. So it seems jazz continues
to thrive – how nourishing is that!
The 70th Australian Jazz Convention will be
held in Ballarat, Victoria from 26th to 31st
December 2015. It will be a very special celebration. You can let your readers know?
Maybe a group of Leipziger jazz musos will
register and bring their fans with them! Ballarat is a lovely city with gracefully designed
19th Century buildings built during the ‘gold
rush’. It is very proud of its ‘gold rush’ history which underpinned the comparative
wealth of Victorians in the late 19th and
early 20th centuries (along with the wool industry of course). It is also proud of its political history with the gold miners’ rebellion in 1854 we call the ‘Eureka
Stockade’. It led to the introduction of voting rights for white men for the lower
house of the Victorian parliament.
S e i t e
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J u s t
F o r
S w i n g
G a z e t t e
Ti pp s & Ne u e r s c h e i n u n g e n
dieses Fotoalbum für all die interessant sein, die sich an die Karbol Dandies noch erinnern können und an
kleinen Geschichten erfreuen, aus
denen bekanntlich Geschichte gemacht wird.
Kontakt:
Claus Biedermann, Lindenpark 8,
04178 Leipzig/Rückmarsdorf, Tel.
0314 94 11 441
[email protected]
Claus Biedermann
KARBOL DANDIES of Jazz
Privatdruck
20 Seiten, Hochglanz
Fester Einband (Leinen),
Ringbindung
Claus Biedermann war Bassist und
Gründungsmitglied bei den Karbol
Dandies, einer Formation des traditionellen Jazz, deren Mitglieder ausschließlich als Amateure 1959 in
Leipzig begannen, Freude am Jazz zu
verbreiten. Er ist der Einzige, der noch
über die Band und deren Geschichte
berichten kann. Nun hat er ein schmales Erinnerungsalbum zusammengestellt, welches an diese flüchtige Zeit
erinnert. Darin beschreibt er kurz die
Gründungsphase, Namensgebung, Besetzung und erzählt ausgewählte Anekdoten einiger Auftritte. Mit Kopien von
Dokumenten, wie dem einer Tageszulassung für einen Oldtimer zum jazzigen Ausflug auf den Leipziger Augustusplatz, seltenen Fotos aus privaten
Archiven, wie beispielsweise des Fotografen F. O. Bernstein (* 1929 in
Leipzig; † 1999), zeichnet er das Flair
jener Zeit nach. Auf einigen Fotos ist
auch der junge Joachim Kühn in Aktion zu sehen, der während dieser Jahre
in Leipzig erste Erfahrungen als Pianist
sammelte, bevor er der provinziellen
Enge entfloh und ein Weltstar wurde.
Natürlich dürfen auch Aufnahmen vom
Besuch Armstrongs in Leipzig 1965
nicht fehlen, der von den Mannen der
Karbol Dandies auf dem Mockauer
Flughafen mit einem Ständchen empfangen wurde. Alles in allem dürfte
Klaus Neumeister
Das Leben ist kein Budenzauber
Jazzfreunden in den Jahren der Naziherrschaft und der Nachkriegszeit gelebt wurde.
Angeregt
durch
das
Buch
„BEGEGNUNGEN - wie der Jazz unsere
Herzen gewann“, in dem unterschiedlichste Menschen über ihre Liebe zum Jazz
erzählen, hat er eine Erzählung gegen das
Vergessen geschrieben, die auch so manchen autobiografischen Stoff enthält. Der
Protagonist des Buches wird im Jahr 1942
zur Wehrmacht eingezogen, verwundet
und schließlich entlassen. Er ist begeisterter Swingfan. Der Krieg hat Wunden bis
in dessen eigene Familie geschlagen. Aber
die Musik und gleichgesinnte Freunde
geben ihm Halt, auch wenn es für Swingfreunde unter Androhung von KZ Strafen
gefährlich ist, ihrer Leidenschaft zu frönen. Erzählt wird das schwere Überleben
in der Nachkriegszeit, die Suche nach
einem selbstbestimmten Leben als Musiker später, das man nur so erzählen kann,
wenn man - wie Neumeister selbst - als
solcher tätig war. Diese Leidenschaft verschlägt den Trompete spielenden Protagonisten schließlich in die Geburtsstadt des
Jazz nach New Orleans, wo er dem Spirit
dieser Musik nachspürt und sich einen
lang gehegten Traum erfüllt: mit lokalen
Musikern zu spielen und Anerkennung
durch die Musik zu erhalten. Ein, trotz des
ernsten Stoffes, unterhaltsames und berührendes Buch, verfasst von einem wahren
Jazzfreund und dem man trotz der Fiktion
die Authentizität anmerkt, welche auf
eine ganz spezielle Weise diese Zeit erlebbar macht.
Kontakt:
Klaus Neumeister, Euroallee 8, 27389
Finteln, [email protected],
www.klausneumeister.de
Swingtime, Liebe und Synkopen
Sonrrie Verlag, 2012
184 Seiten, Paperback
Klaus Neumeister (Jg. 1942) ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied von
SWINGING
HAMBURG
e.V.
(Gesellschaft zur Förderung des traditionellen Jazz e.V.) und seit 2002 Redaktionsmitglied im “Swinging Hamburg Journal“. 1998 hat er ein Buch
über die Jazzgeschichte Hamburgs
verfasst. Mit vorliegendem erzählt er
eine fiktive Geschichte, angereichert
mit Selbsterlebtem und Gehörtem, wie
sie wohl von vielen Musikern und
Foto: D. Ott | Dover; UK 2015
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Pe r s o n a l i a
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m 24. Januar 2015 feierte unser Mitarbeiter und Jazzfreund Winfried Maier aus Berlin zum achten Mal seinen 10.
Geburtstag im Berliner Rathaus Schöneberg. Wir gratulieren noch herzlich. Lesern ist Winnie Maier durch seine Beiträge über Louis Armstrong bekannt, war er doch mit Satchmo bis zu dessen Tod persönlich befreundet. Ehrengast
des Abends war die Tochter des legendären Berliner Big Band Leiters Kurt Widmann, Regina Kutschenbauer mit
Gatten (Foto rechts). Für die musikalische Umrahmung mit traditionellem Jazz erster Güte sorgte die Magnolia Jazz Band, die
in folgender Besetzung spielte:
Burkard „Kwasi“ Kwasigroch (cl, ts), Raimer Lösche (tp), „Sir Gusche“ (cl), Tim Mohn (tb), Siggi Damm (bj)
© K. Ott
v.l.n.r.: Tom Buhé, D. Ott, K. Kirst, G. Mucke, B. Schumann, H. Thurm, F. Stöbe
N
ach einem Vierteljahr trafen sich am 10. Januar 2015 die Musiker von Just For Swing
das erste Mal wieder, um im „Zills Tunnel“
in der Leipziger Innenstadt traditionsgemäß
das neue Jahr einzuswingen. Auch zahlreiche Jazzfreunde waren unserer Einladung gefolgt und verbrachten gemeinsam mit uns einen unterhaltsamen Abend.
Klaus Kirst von der Hot & Blue Jazz Band verstärkte
mit Posaune und Gesang die Gruppe. Unser Freund
Wolfgang Müller ließ es sich nehmen, am späten
Abend die Mandoline zu zupfen. Besonderer Höhepunkt waren „Stardust“ und „When I take my sugar to
tea“, bei denen unser Freund, Gitarrenlegende Tom
Buhé, dem es schon den ganzen Abend in seinen Fingern kribbelte, mit einstieg und für seine Meisterschaft
gebührend gefeiert und beklatscht wurde.
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E mpe ror of Ja z z - Ge orge Probe rt †
George Probert war der letzte noch lebende Musiker der legendären „Firehouse Five + Two“, der im
März seinen 88. Geburtstag gefeiert hätte. Er verstarb nach langer Krankheit am 10. Januar 2015
N
© D. Ott
ach dem 2. Weltkrieg kamen ein paar
Animateure, Grafiker und Techniker,
die Dixieland liebten, regelmäßig in einem
Büro der Walt Disney Studios von Ward
Kimball zusammen, um in der Mittagspause
zu den neuesten Schallplatten auf einem
Grammophon mitzuspielen. Als das Grammophon eines Tages kaputt ging, spielten sie ihre
Musik ohne diesem weiter. Schließlich begannen sie, sich wöchentlich in Wohnungen zu
treffen, um zu proben und traten auf Partys für
Freunde und auf Tanzveranstaltungen auf. Die
Band wurde in den 1940er Jahren zur nationalen Institution, weil deren Mitglieder farbenprächtige Feuerwehruniformen trugen, antike
Lederhelme und einen
American La France
Feuerwehr Truck fuhren.
Die Band nannte sich
„Firehouse 5+2“. Der
Rest ist Geschichte und
kann auf der Webseite
Robert Butlers nachgelesen werden: http://
rbistudio.com/firehouse5plus2.html.
George Probert trat der Band offiziell 1955
bei. Harper Goo, der Banjospieler begrüßte ihn
mit den Worten: “Ich mag das Sopransaxophone nicht.“ George dachte erst an einen
Scherz und erwiderte: “That‘s Hollywood“,
was zu seiner beliebtesten Erwiderung in urkomischen Situationen werden sollte.
Arrangements drauflos spielt und improvisiert. Erst kürzlich hätte er sich sämtliche
Aufnahmen von Charlie Parker gekauft
und ihn intensiv studiert. Er bedauerte,
dass er selten Zeit gehabt hatte, diese Improvisationstechniken zu studieren. Als
ihm ein paar Jahre später aufgrund einer
Diabetes die Zehen amputiert werden
mussten, reagierte er in seiner typischen
Art darauf, indem er bemerkte, dass dies
die Strafe dafür sei, dass er nie in seinem
Leben ernsthaft sein Instrument geprobt
hätte. Trotzdem hat er einen ganz persönlichen Ton entwickelt. Seine Spielweise ist
von Klarheit, tiefer Emotionalität und
Einfallsreichtum geprägt. Nicht nur als
Musiker wird „Papa George“ eine große
Lücke hinterlassen.
Auswahldiskografie:
Probert, George
and the Virginians
Fat Cat's Records
Probert, George
Papa George And His Double D Stompers
Razor Clam Records
Probert, George
Blues My Naughty Sweetie Gives To Me
Firehouse Five Plus Two
Goes To Sea
Good Time Jazz S10028
Firehouse Five Plus Two
Around The World
Good Time Jazz S10044
Firehouse Five Plus Two
At Disneyland
Good Time Jazz 10049-1
Firehouse Five Plus Two
Goes To A Fire!
Good Time Jazz Record GTJ S 10052
Firehouse Five Plus Two
The Story
Good Time Jazz 6635 001
Benkö Dixieland Band
Jubileum
feat George Probert and Wild Bill Davison
Pepita SLPX 17 545
Foto: D. Ott | Santa Monica, 2008
Viele Jahre blieb er der FH 5+2 verbunden,
spielte auch als Freelance Musician in unzähligen Bands als Gast mit, wirkte sogar auf
einer Schallplatte der ungarischen Benkö Dixieland Band mit, wurde zum Emperor des
traditionellen Jazzfestes in Sacramento ernannt
und trat in der ganzen Welt auf. Besonders
beliebt war er in Japan. Sein eigentliches Steckenpferd allerdings war seine eigene Band,
die Monrovia Old Style Jazz Band. George
lebte in Monrovia, nördlich von Los Angeles
und spielte dort wöchentlich in einem kleinen
Pub . Als wir uns 2008 in Santa Monica trafen,
erzählte er mir, dass dies sein größter Traum
sei: eine eigene Band, die ohne komplizierte
A
uf dem Coverfoto des britischen
Jazz Journal vom Juni 1980 sieht
man den Saxophonisten Harry Gold, dessen Schallplatte „Live in Leipzig“ wir in
einer der letzten Ausgaben vorgestellt
hatten. Dieses großartige Instrument
stammte von Adrian Rollini, der
1928/1929 bei Fred Elizalde, einem der
renommiertesten
Bandleader in der
Frühzeit des Jazz, gastierte. Das Basssaxophon faszinierte Gold derartig, dass er
Rollini dazu überreden konnte, es ihm zu
verkaufen! Der Italo-Amerikaner Rollini
war (m.E.) der beste Basssaxophonist des
frühen Jazz überhaupt. Dass er am Ende
seiner Karriere zum Vibraphon überging
u.a. in Small-Groups spielte, wissen sicher die wenigsten. Seine Komposition
VIBRAPHONIA hat er mit Joe Venuti &
his Blue Five am 8.5.1933 in New York
eingespielt. Hören kann man das Stück
auf der LP Venuti-Rollini-Lang (MfP
MFP 1161). Er war ein großes Talent!
(Peter M. Colev)
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LOST TAPES
Tony Scott – The lost Tapes
Treffpunkt Jazz: Stuttgart & Hong Kong
Arthaus Musik 101 744
Wiederveröffentlichungen von Aufnahmen des Klarinettisten Tony Scott sind
immer wieder eine Offenbarung über das
unter die Haut gehende Spiel eines der
wohl größten Klarinettisten des Jazz, der
Zeit seines Lebens nie die ihm zustehende Reputation erhielt, wie er sie verdient
hätte. Er entwickelte einen so eigenwilligen Stil, dass er von japanischen Jazzfreunden auf seine Frage, warum diese
immer nur Benny Goodman und Artie
Shaw aber niemals ihn kopieren würden,
zur Antwort bekam, dass man ihn einfach
nicht kopieren könne. Der Amerikaner
Scott betrat die Bühne, als die Klarinette
ihre, mit der Swingmusik erreichte Popularität durch die Entwicklung des Bebops
eingebüßt hatte. Ende der 1950er Jahre
kehrte er den USA und damit einer kommerziellen Ausnutzung der Musik den
Rücken, auch weil die Klarinette dort im
Sterben lag und er ungern bei Beerdigungen zusähe. Anfang der 1960er Jahre
ging er, der auf Billie Holidays letzten
Aufnahmen zu hören ist, von den Saxophonisten Ben Webster und Benny Carter
stark beeinflusst war und Charlie Parker
so verehrte, dass er sein Leben lang seine
eigene Komposition „Blues for Charlie
Parker“ spielte, als würde er dies zum
ersten Mal tun, nach Asien. Hier ließ er
sich von der Vielfalt asiatischer Musik
inspirieren, was zu seinen wohl größten
Erfolgen „Music for Zen Meditation“ oder „Music For Yoga Meditation“ führte;
Platten die Kultstatus erlangten. Das Label Arthaus Musik hat mit dieser LP/CD
wahrlich großartige Aufnahmen aus dem
Dunkel des SWR Archives ans Licht der
Welt geholt, die im Studio Villa Berg in
Stuttgart und beim Treffpunkt Stuttgart
1957 entstanden sind und einen Tony
Scott in Hochform zeigen, dessen Spiel
noch vom Swing beeinflusst aber schon
eine individuelle Form entwickelt hat,
wofür das für ihn typische, über mehrere
Oktaven aufschwingenden, sanften Legato-Spiel bezeichnend ist. Mit großem
Einfühlungsvermögen demonstriert er
mit „Moonlight in Vermont“, “Lover come back to me“, „You got to my head“
eine glühende Meisterschaft, deren exzessiven Ausflügen sich Pianist Horst
Jankowski, Peter Witte am Bass und der
Schlagzeuger Hermann Mutschler einfühlsam, als bescheidene, kongenial Begleiter zur Seite stellen. Drei Titel der
LP wurden 1962 von Joachim-Ernst
Behrendt mit einem portablen Aufnahmegerät während einer Süd-Ost Asien
Tour in Hong Kong und in Singapur aufgenommen, wo Scott von italienischen
Musikern begleitet wird und auch das
schon erwähnte Stück „Blues for Charlie
Parker“ zelebrierte. Eine lobenswerte
Wiederveröffentlichung, die einen ganz
Großen des Jazz, einen Weltreisenden in
Sachen improvisierter Musik in Erinnerung ruft, der am 28. März 2008 in Rom
seine letzte Reise antrat.
Jutta Hipp - The Lost Tapes |
1952 - 1955
LP - ARTHAUS MUSIK #101 721
Jutta Hipp galt als Ausnahmepianistin,
die nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland begann - an amerikanischen Vorbildern orientiert - Jazz zu spielen und diesen eigenständig weiterzuentwickeln.
1946 spielte sie noch swingende Jazzstandards im Lime City Swing Club in
Leipzig, dem u.a. der damals junge Rolf
Kühn angehörte. Mit einigen Musikern
dieses Kreises ging sie später über die
grüne Grenze und tingelte in der amerikanischen Besatzungszone von Auftritt
zu Auftritt. In München verließ sie die
Band gen Frankfurt/Main, wo sie mit
Musikern wie Joki Freund, Emil Mangelsdorff und Hans Koller zusammentraf. Ihr damaliger Weggefährte, der
heute 92jährige Gitarrist Thomas Buhé
sagte darüber: „Sie war ihrer Zeit weit
voraus und uns weit überlegen, was ihr
musikalisches Können anbelangte. Da
gab es kein Halten mehr.“ Während ihrer Frankfurter Zeit entstanden unterschiedlichste Aufnahmen, von denen
die meisten in den Archiven verschwanden.
Vor dem ersten Konzert der Berliner
Jazztage 2012 am 2. November, welches mit „Remembering Jutta Hipp“ der
2003 in New York verstorbenen Leipziger Pianistin gewidmet war, präsentierte
ARTHAUS MUSIK die jüngste Veröffentlichung der Serie von Raritäten aus
dem SWR Archiv. Die vorliegende LP
enthält unveröffentlichtes Material aus
den Jahren 1952 bis 1955, die in BadenBaden, Koblenz und Stuttgart aufgenommen wurden. Mit Jazzern wie Joki
Freund, Hans Koller, Attila Zoller und
Albert Mangelsdorff entstanden dabei
großartige Stücke, die das Talent der
Ausnahmepianistin Jutta Hipp zur
Schau stellen und die Frage provozieren, warum die Aufnahmen im Archiv
verschwanden. Auch nach so vielen
Jahren klingen sie berührend wie
BLUES AFTER HOURS oder visionär
wie EVERYTHING HAPPENS TO
ME, auf jeden Fall zeitlos frisch und
dokumentieren wie nebenbei Anfänge
einer Entwicklung des modernen Jazz
europäischer Prägung in Deutschland
nach dem Krieg. Man kann erahnen,
welchen Weg die Pianistin hätte nehmen können, wenn ihr Leben weiterhin
in musikalischen Bahnen verlaufen wäre und sich Jutta Hipp nicht durch unterschiedlichste Gründe aus dem Musikgeschäft zurückgezogen hätte.
Ein Gutschein zum kostenlosen Herunterladen der Stücke von der Internetseite des Labels liegt jeder LP bei.
Detlef A. Ott
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WWW.JUST-FOR-SWING.DE.VU
DIVERSE AUFTRITTSTERMINE
JUST FOR SWING (Leipzig)
http://www.jazzfan24.de/JFS/Aktuell.htm
HOT & BLUE JAZZ BAND (Meerane)
http://hot-and-blue-jazz-band-meerane.de/
JAZZ IM HOPFENSPEICHER
IMPRESSUM
http://www.hopfenspeicher.de/Veranstaltung.html
Herausgeber
JUST FOR SWING
Just For Swing ist eine Non-Profit Organisation zur
Verbreitung des Swing Virus
JAMSESSION IM KULTUR-CAFÉ RUMPELKAMMER
Jeden 2. Freitag im Monat, Dresdner Straße 25, 04103 Leipzig
Redaktion: Detlef A. Ott (Herausgeber)
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Peter M. Colev, Volker
Stiehler, Klaus Kirst, Kerstin Ott, (Leipzig)
Winfried Maier (Berlin), Evgeni Paskudski (Cleveland,
Ohio), Jane Shoebridge (Adelaide, Australien),
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E-Mail: [email protected]
Web: www.jazzfan24.de/JFS/ kostenloser Download
Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und wird
durch ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet. Für
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© D. Ott
Die nächste Ausgabe erscheint
im Juli 2015
Machen Sie Musik oder spielen Sie Jazz?
Schild am Eingang zum SPIZZ, Markt Leipzig, 2. Februar 2015
45. INTERNATIONALES
DIXIELAND
FESTIVAL DRESDEN
10. bis 17. MAI 2015
If a person really has the right kind of music in their mind,
heart & body, they are likely to think and act right, <…> be
happy, love everyone and hate no one. <…> If all this sounds like a religion I‘m sorry, but until these ideas can be proven
wrong I‘ll go on believing.
(Bill Russell (1905-1992) Komponist, Sammler, Jazzplatten Produzent,
setzte sich für die Anerkennung des traditionellen Jazz aus New Orleans
ein und entdeckte den Kornettisten Bunk Johnson wieder, um ihn in dessen letzten Lebensjahren nochmals auf Schallplatten aufzunehmen.
W as i st S ti l? - S ti l ha t d er j en i ge, d er Ak k o rd eo n sp iel e n ka n n, e s ab er n i ch t t ut.