Stellungnahme Transparenzgesetz

Ministerium des Innern, für Sport und
Infrastruktur
Schillerplatz 3 – 5
55116 Mainz
14. April 2015
Stellungnahme zum Entwurf eines Transparenzgesetzes Rheinland-Pfalz
Ihr Aktenzeichen: 12 007- 0:314 0 Band 2
Sehr geehrte Damen und Herren,
haben Sie vielen Dank für den mit Schreiben vom 18. Februar 2015 an die vier rheinland-pfälzischen
Industrie- und Handelskammern übermittelten Gesetzentwurf für ein Transparenzgesetz RheinlandPfalz und die Gelegenheit, zu dem Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen. Gerne nehmen wir nach
Auswertung der Gesetzesmaterialien als Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern
Rheinland-Pfalz zu dem Entwurf Stellung:
1. Vorbemerkung
Lassen Sie uns eingangs unterstreichen, dass wir die grundsätzliche Haltung der Landesregierung,
dass eine demokratische Gesellschaft mündige und gut informierte Bürgerinnen und Bürger braucht,
grundsätzlich teilen und diesen Grundgedanken ausdrücklich unterstützen. Wir begrüßen auch die
daraus resultierende Schlussfolgerung, dass die Landesregierung dem Bürger und damit am Ende
auch den Unternehmen das Recht gewähren will, ohne Darlegung eines Interesses und außerhalb
eines laufenden Verwaltungsverfahrens Zugang zu amtlichen Informationen und Umweltinformationen zu erhalten und dabei eventuell bestehende Hürden abzubauen.
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Das Gesetzesvorhaben verfolgt eine Reihe von Zwecken, die über den Zugang zu amtlichen Informationen und Umweltinformationen erreicht werden sollen. Es soll zunächst über den Informationszugang die Transparenz und Offenheit der Verwaltung vergrößert werden. Damit verbunden sind die
Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft und die Verbesserung der Möglichkeit der Kontrolle staatlichen Handelns durch die Bürgerinnen und Bürger. Politische Entscheidungen sollten mit dem Informationszugang nachvollziehbarer und die Möglichkeiten
der demokratischen Teilhabe gefördert werden. Darüber hinaus möchte man die Möglichkeiten des
Internets für einen Dialog zwischen Staat und Gesellschaft nutzen. Alle diese Aspekte des Gesetzeszwecks sind aus Sicht der rheinland-pfälzischen Wirtschaft uneingeschränkt unterstützungswürdig.
Die Wirtschaft stellt einen wesentlichen Bestandteil unserer Gesellschaft dar, so dass auch Unternehmerinnen und Unternehmer über die Möglichkeit der Information über Behördenvorgänge von
diesen gewünschten Effekten möglicherweise profitieren.
Dass sich die Landesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf dabei zuvorderst einmal selbst in
die Pflicht nimmt, verdient unseren Respekt. Bedenken haben wir lediglich hinsichtlich der beabsichtigten Mittel, die man zur Erreichung dieses Zwecks einsetzen möchte. Ob es dafür nämlich eines
Paradigmenwechsels dergestalt bedarf, dass Information nicht mehr eine Holschuld des Bürgers oder
Unternehmens, sondern eine Bringschuld der Verwaltung wird, begegnet durchaus Zweifeln in der
Wirtschaft. Wir halten diesen Gedanken angesichts der vollkommen unzureichend geklärten Kostenfolgen (siehe unten) für die Einführung und Umsetzung des Transparenzgesetzes für nicht vertretbar.
2. Kosten
Für die Umsetzung des beabsichtigten Transparenzgesetzes wurden Kosten in Höhe von 3,9 Mio.
EUR bis 2018 genannt. Davon ausgehend, dass der dargestellte Haushaltsansatz von je 2 Mio. EUR
für die Doppelhaushalte 2014/2015 sowie 2016/2017 auf diese kalkulierten Kosten Bezug nimmt,
wären dazu noch einmal Kosten in Höhe von 8,1 Mio. EUR für die Einführung der elektronischen
Akte zu addieren. Insgesamt wurde also eine Investitionssumme von 12 Mio. EUR ermittelt. Diese
Kostenschätzung erscheint uns allerdings vollkommen unvollständig. Sie berücksichtigt nicht diejenigen Kosten, die über die reine Implementierung der Transparenzplattform hinausgehen. Über die
Systemkosten über das Jahr 2018 hinaus findet sich keine Aussage, obgleich diese zwingend anfallen würden.
Ein weiterer Punkt sind Personalkosten. Das Befüllen der Plattform kann aus unserer Sicht nur von
sehr qualifiziertem Personal vorgenommen werden, da jeder Vorgang nicht nur daraufhin zu über-
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prüfen ist, ob er der Transparenzpflicht unterliegt, sondern auch daraufhin, ob schützenswerte Interessen Dritter dem entgegenstehen, wie zum Beispiel Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder aber
Belange nach dem Landesdatenschutzgesetz. Diese Personalkosten finden in der Betrachtung keine
Berücksichtigung. Hinzu kommen Personalkosten, die dadurch entstehen, dass vorgesehen ist, an
jeder transparenzpflichtigen Stelle Auskunftspersonen oder Informationsstellen bereit zu halten. Die
geplante Rückmeldefunktion, die der Bewertung von vorhandenen Informationen durch Nutzer dienen soll und über die auch weitere Informationswünsche artikuliert werden können, ist ebenfalls an
jeder transparenzpflichtigen Stelle personell abzubilden und löst weitere Personalkosten aus. Der
größte bislang nicht berücksichtigte Kostenblock ergibt sich aber vermutlich aus der Tatsache, dass
im zweiten Schritt auch alle nachgeordneten Stellen (Kommunen etc.) transparenzpflichtig werden
sollen. Da dort ausdrücklich keine zusätzlichen Kosten anfallen sollen, bedeutet dies zwangsläufig,
dass das Land plant, auch diese Kosten zu übernehmen.
Ebenfalls nicht eingerechnet bzw. erkennbar sind Kosten, die für die Beschaffung von Nutzungsrechten (z.B. Lizenzgebühren) bei den transparenzpflichtigen Stellen anfallen. Schließlich fallen zu einem
späteren Zeitpunkt weitere Personalkosten dadurch an, dass Daten jeweils nach 10 Jahren wieder zu
löschen sind. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind Marketingkosten. Denn wenn die Transparenzplattform vom Bürger genutzt werden soll, dann muss sie auch bekannt gemacht und dauerhaft beworben werden. Auch hierzu finden sich in der Kostenschätzung keine Aussagen.
Insgesamt dürften sich die Kosten für die Schaffung und den laufenden Betrieb der Transparenzplattform bis zum Betrachtungsjahr 2018 daher deutlich oberhalb der veranschlagten 12 Mio. EUR
bewegen. Dass auch das Land diese Summe für deutlich zu niedrig erachtet, lässt sich schon daraus
ablesen, dass in dem zwischenzeitlich durchgeführten Workshop zum Transparenzgesetz von einer
Summe von 20 Mio. EUR die Rede war. Der Landesrechnungshof spricht in seinem aktuellen Jahresbericht 2015 sogar von 26 Mio. EUR zu erwarteten Kosten alleine für die Einführung der elektronischen Akte. Addiert man zu diesem Betrag die im Gesetzentwurf genannten Kosten von 3,9 Mio. EUR
hinzu, so ist eine Gesamtinvestition von rund 30 Mio. EUR eher realistisch.
Allein die aufgezeigten Widersprüche und Lücken in der Kostenberechnung müssen aus unserer Sicht
zwangsläufig dazu führen, die Diskussion über das Kosten–Nutzen–Verhältnis und den Sinn und
Zweck des Gesetzes neu zu führen.
3. Positive Effekte eines Transparenzgesetzes für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz
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Es soll keinesfalls verkannt werden, dass bei einer Investitionssumme in derartigen Größenordnungen auch die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz positive Effekte verzeichnen könnte. Auch wenn sich
diese nicht quantifizieren lassen, könnten doch der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz Aufträge gerade
im Bereich der Schaffung der IT-Infrastruktur zufließen. Hiervon könnten einzelne Dienstleister profitieren. Wir sehen durchaus auch die Grundidee der Landesregierung, dass Daten und Informationen
im digitalen Zeitalter ein (volks-)wirtschaftliches Nutzenpotenzial entfalten können. Dieses zu messen ist schlechterdings unmöglich und hängt zudem maßgeblich von der Qualität der Daten ab. Studien, die diesen Nutzen untersuchen, liegen kaum vor. Für Rheinland-Pfalz existiert keine derartige
Untersuchung. Es dürfte aber klar auf der Hand liegen, dass ein Nutzen nur dann generiert werden
kann, wenn es auch eine Nachfrage nach den bereitgestellten Daten gibt.
4. Haushaltssituation des Landes
Da den nur punktuellen positiven Effekten dieser Investition durch das Land eine hohe Investitionssumme gegenübersteht, sehen die rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern die Schaffung einer solchen Transparenzplattform, auch angesichts der aktuellen Haushaltssituation des Landes kritisch. Wir erlauben uns daran zu erinnern, dass die rheinland-pfälzischen Unternehmen in
ihren Forderungen an die Landesregierung für die laufende Legislaturperiode die Haushaltspolitik des
Landes lediglich mit der Schulnote 3,7 bewertet haben („Markenartikel Rheinland-Pfalz 2011-2016,
Forderungen der Wirtschaft“, S. 9). Dabei ist zu betonen, dass sogar fast 22% der fast 1.000 befragten Unternehmen die gegenwärtige Haushaltspolitik mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bewertet
haben. Es wurde eine dringende Konsolidierung des öffentlichen Haushalts angemahnt. Unter der
Überschrift „Aufgaben überdenken“ findet sich angesichts des hohen Verschuldungsstandes des Landes die klare Forderung, kritisch zu hinterfragen, „welche Aufgaben tatsächlich erforderlich sind…“.
Bei Investitionen fordert die Wirtschaft, die Folgekosten zu berücksichtigen und zu klären, welche
Finanzquellen über den gesamten Lebenszyklus zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist die
Schaffung einer Transparenzplattform derzeit nicht im Sinne der rheinland-pfälzischen Wirtschaft.
Misst man die geplante Investition am Maßstab der Erforderlichkeit, so wird man sagen müssen,
dass ein Transparenzportal eindeutig nicht erforderlich ist – wohl aber eine Fülle anderer Investitionen, die dem Wirtschaftsstandort nicht nur nutzen, sondern für den Erhalt seiner Leistungsfähigkeit
sogar existenziell wichtig sind, jedoch aus Kostengründen nicht getätigt werden können (Bsp.: Erhaltungsinvestitionen in wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte, Ausbau Breitbandinfrastruktur).
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5. Gefahr der Preisgabe schützenswerter Informationen
Sorge bereitet den Unternehmen die Tatsache, dass die - möglichst zeitnahe – Einspeisung aller
nach dem Gesetz zu veröffentlichenden Daten für die betroffenen Behörden eine Mammutaufgabe
darstellt, für die aber nach der Kostenkalkulation im Gesetzentwurf keine Personalressourcen quantifiziert sind. Muss dies also im laufenden Behördenbetrieb bewältigt werden, so besteht bei der
Masse der Vorgänge die Gefahr einer Fehleranfälligkeit, da die sorgfältige Prüfung schützenswerter
Belange unter großem Zeitdruck abgewickelt werden muss. Unternehmen befürchten hier vor allem
die unbeabsichtigte Preisgabe von Informationen zu Forschungsvorhaben, die mit öffentlichen Fördermitteln realisiert und damit transparenzpflichtig werden. Sollte sich eine derartige Gefahr realisieren, können Unternehmen ihren Forschungsvorsprung verlieren. Gefährdet sieht die Wirtschaft
auch ihre Kooperationen mit Hochschulen, was dazu führen könnte, dass Firmen weniger bereit
wären, Drittmittel oder mit Firmengeldern finanzierte Forschungsprojekte in die Hochschulen zu
geben. Dadurch kann unserer Wirtschaft auch Innovationskraft verloren gehen. Zudem würden viele
begrüßenswerte Maßnahmen, gerade die Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen zu
fördern, ins Leere laufen. Darüber hinaus führt ein solches Vorgehen mit großer Wahrscheinlichkeit
dazu, dass die Effizienz der Verwaltung über einen längeren Zeitraum leidet, was mittelbar auch zu
Lasten der Unternehmen und deren Anträgen und Anliegen geht. Eine schnelle Bearbeitung von
Vorgängen scheint unter solchen Umständen nur schwer sichergestellt werden zu können. Das gilt
insbesondere dann, wenn auch die nachgeordneten Genehmigungsbehörden mit in den Geltungsbereich des Transparenzgesetzes einbezogen werden.
6. Bürokratie
Die Schaffung eines Transparenzportals ist mit einer Fülle von neuer und zusätzlicher Bürokratie
verbunden. Der mit der Einspeisung der Daten in das Transparenzportal einhergehende bürokratische
Aufwand trifft in ihrem Schwerpunkt die Verwaltung. Aus
§ 3 des Gesetzentwurfs geht aber hervor, dass auch die Wirtschaft mit diesem bürokratischen Aufwand belastet wird, denn eine juristische Person des Privatrechts steht dann einer Behörde gleich,
wenn diese sich einer Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient oder ihr die
Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben übertragen wurde oder bei Umweltinformationen der Kontrolle des Landes, der Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer sonstigen der Aufsicht des
Landes unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegt.
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Auch hier vertritt die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz eine klare Position: Das Land muss seine Verwaltung systematisch weiter straffen, dabei den Bürokratieaufwand reduzieren und bestehende Strukturen kritisch hinterfragen, um die Wirtschaft zu entlasten. Die Entlastung erfolgt hier durch die
Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und damit einhergehenden niedrigeren Steuern, Abgaben
und Gebühren für die Gewerbetreibenden. Bereits in unserem oben zitierten Forderungspapier „Markenartikel Rheinland-Pfalz“ hat die Wirtschaft die Einberufung eines Normenkontrollrats gefordert.
Die dabei durchzuführende transparente Kosten-Nutzen-Analyse würde auch in diesem Falle im
Ergebnis zwingend dazu führen, dass das Vorhaben abgeändert oder eingestellt werden müsste.
7. Erfahrungen mit dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG)
Die Wirtschaft bezweifelt, dass dem umfangreichen Datenangebot der beabsichtigten Transparenzplattform eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht – dies aus folgendem Grund: In den Jahren
2009 bis 2011 gab es lediglich 896 Anfragen nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG).
Von 2012 bis heute liegen zwar keine offiziellen Zahlen vor, doch werden nur weitere 1.000 Anfragen seitens des Ministeriums geschätzt. Diese Anfragen wurden im Hinblick auf die konkrete Fragestellung jeweils beantwortet. Aus der Diskussion im Workshop am 4. März 2015 in der Staatskanzlei
ergab sich, dass die gewünschten Informationen ganz mehrheitlich individuell zusammengestellt
werden mussten. Eine 1:1-Weitergabe von vorhandenen Daten scheint also eher die Ausnahme darzustellen. Auf eine Nachfrage nach dem Grund für das weitere Bestehen des Antragsverfahrens im
Rahmen des Transparenzgesetzes wurde neben der Übergangszeit und der nicht vollständigen Verpflichtung der Kommunen genau dieser Umstand als Grund genannt. Man ist sich also sehr wohl
bewusst, dass ein reiner Datenabruf von der Transparenzplattform auch in Zukunft den meisten Informationswünschen vermutlich nicht gerecht werden wird. Die Frage nach der künftig zu erwartenden Nachfrage nach den bereitgestellten Daten auf der Transparenzplattform konnte jedoch nicht
beantwortet werden. Hier hat man lediglich auf die Erfahrung mit dem Hamburgischen Transparenzgesetz verweisen können, dass nun verwaltungsintern Informationen besser auffindbar seien.
Es gibt keinerlei Beleg dafür, dass das LIFG dem Interesse des Bürgers und der Wirtschaft nach
transparentem Verwaltungshandeln nicht bereits ausreichend gerecht würde. Es spricht, wie oben
dargestellt, sogar vieles dafür, dass eine Behördenanfrage, wie sie derzeit im LIFG geregelt ist, dem
Bürger gezielter Informationen liefert als eine reine Internetrecherche. Viele Menschen, auch zahlreiche Gewerbetreibende, verfügen zwar über einen Internetzugang, sind aber mit den Herausforde-
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rungen einer gezielten und gründlichen Internetrecherche insbesondere auch zu rechtlichen Zusammenhängen, die das Verwaltungshandeln dominieren, nur wenig vertraut. Sind Begrifflichkeiten oder
Zuständigkeiten nicht bekannt, wird ein klärendes Gespräch mit der Behörde dem Informationssuchenden eher weiterhelfen als eine Suche mit einer Suchmaschine, die unter Umständen eine untaugliche oder gar keine Trefferliste liefert. Je höher die hinterlegte Datenmenge, umso größer werden die Anforderungen an einen Recherchevorgang. Hinzu kommt, dass eine hohe Datenmenge eher
Verwirrung schaffen kann als Transparenz und so die Gefahr besteht, dass sich der Gesetzeszweck
damit in sein Gegenteil verkehrt.
Die Anfrage nach dem bereits geltenden Informationsfreiheitsgesetz ist ein sehr effizienter Weg, die
gewünschte Transparenz herzustellen, da nur die nachgefragte Information bereitgestellt wird und
der Anfragende den direkten Behördenkontakt hat, um sein konkretes Informationsanliegen zu klären. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Transparenzgesetz selbst davon ausgeht, dass tatsächlich bestimmte Informationen nicht oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht veröffentlicht werden. Es entsteht tatsächlich nur eine „Scheintransparenz“. Der Informationssuchende
wird sich zwangsläufig unmittelbar an die Behörden wenden, wenn er bestimmte Inhalte nicht findet, was wiederum die Notwendigkeit der Transparenzplattform in Frage stellt.
8. Evaluation des LIFG
Wertvolle Hinweise bietet auch hier der Bericht über die Evaluation des LIFG des Instituts für Gesetzesfolgensabschätzung und Evaluation. Eines der dort ermittelten Ergebnisse ist die Tatsache, dass
es seit Einführung des Gesetzes im Jahre 2009 bis zur Evaluierung im Jahre 2012 zu 15 Widerspruchs- und 10 Klageverfahren gekommen ist, was nach Aussage der Autoren den Schluss zulässt,
dass es in Rheinland-Pfalz deutlich weniger Konfliktfälle bei der Gewährung von Informationszugängen als im Bund gibt. Mehr als 85 % der Anträge sind schriftlich, mündlich und fernmündlich
gestellt worden. Nur knapp 13 % der Anträge wurden auf elektronischem Wege gestellt. Eine abschließende Bewertung, auf welchen Ursachen diese Verteilung beruht, ist kaum möglich, da die
elektronische Erreichbarkeit der Behörden nicht Gegenstand der Untersuchung war. Dennoch spricht
vieles dafür, dass die Anfragenden auch eine gewisse Präferenz für die „klassischen“ Wege haben,
also nicht zwingend den elektronischen Weg bevorzugen würden, wie dies im Transparenzgesetz bei
der Recherche auf der Transparenzplattform vorgesehen ist.
Wir plädieren dafür, das LIFG konsequent daraufhin zu untersuchen, wo es vermeidbare Hürden aufbaut. So könnte die Tatsache, dass für Auskünfte derzeit Gebühren anfallen oder auch nur anfallen
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könnten, abschreckend wirken. Da in den meisten Fällen ohnehin keine Gebühren anfallen oder keine
solchen erhoben werden, sollte das Land über eine generelle Gebührenbefreiung nachdenken, wie
dies auch im Evaluationsbericht zum Ausdruck kommt. Die dadurch entstehenden Mindereinnahmen
wären im Vergleich zu den Kosten einer Transparenzplattform marginal.
Begrüßen wir die vorgeschlagene Verpflichtung aller Behörden, auf den Einstiegswebsites deutlich
auf das Recht auf Informationszugang hinzuweisen. Schließlich erscheint es auch sinnvoll, bei jeder
Behörde einen behördlichen Informationsfreiheitsbeauftragten als „Kümmerer“ zu installieren, der
dann auch bei der Antragsformulierung und als Lotse behilflich sein könnte. Er kann aufgrund der
persönlicheren Kommunikation die seitens der Landesregierung mit dem Transparenzgesetz angestrebte Dolmetscherfunktion der Verwaltung für den Bürger wahrnehmen. Diese Funktion des Kümmerers könnte aus unserer Sicht ohne weiteres mit dem Datenschutzbeauftragen zusammenfallen,
so dass auch diese Mehrkosten ebenfalls überschaubar blieben.
9. Integration des Landesumweltinformationsgesetzes:
Problematisch erscheint aus Sicht der Wirtschaft auch, dass man mit dem Transparenzgesetz versucht, das Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) und das Landesumweltinformationsgesetz (LUIG)
zusammenzufassen. Ein derartiges Vorgehen wurde schon auf Bundesebene (UIG, IFG) als nicht zielführend erachtet, da die Zugangshürden verschieden hoch sind.
Umweltinformationen auf einer Transparenzplattform erscheinen uns auch unter dem Sicherheitsaspekt äußerst bedenklich: Es gibt in Rheinland-Pfalz Unternehmen, die in hohem Umfang Gefahrstoffe erzeugen. Die Umweltinformationen hierzu wären dann auf der Transparenzplattform öffentlich
zu machen. Zwar wären alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dabei zu schwärzen, doch ist es für
bestimmte Personengruppen jederzeit möglich, aus Art und Menge der Stoffangaben Rückschlüsse
auf das produzierende Unternehmen bzw. den Transportweg oder den Lagerungsort der Stoffe zu
ziehen. Unter dem Gesichtspunkt der Terrorismusgefahr dürfen solche Informationen nach Überzeugung der betroffenen Unternehmen nicht frei und damit anonym zugänglich sein, sondern müssen,
wie heute üblich, zumindest so weit geschützt sein, dass eine Behörde sie nur auf eine konkrete
Anfrage hin herausgibt. Nur dann ist gewährleistet, dass der Sicherheitsaspekt vor der Herausgabe
mit aller Sorgfalt geprüft wird. Das Befüllen einer Transparenzplattform hingegen ist ein „Massengeschäft“, bei dem schon aufgrund der personellen Ausstattung der Behörden nicht immer die Gewähr
besteht, dass jede Information mit der größtmöglichen Akribie vor einer Veröffentlichung auf solche
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Sicherheitsaspekte überprüft werden kann – gerade wenn weder Datenschutzbelange noch Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse berührt sind.
Auch gibt es bei Umweltinformationen aus der Umsetzung der europäischen Umweltinformations-RL
2003/4/EG ein Abwägungspostulat zwischen Geheimhaltungsinteressen und dem Interesse an einer
Veröffentlichung. Überwiegt das öffentliche Interesse, ist der Informationszugang zu gewähren. Über
das Transparenzgesetz würde dieser Mechanismus dann für alle Informationen auf der Transparenzplattform eingeführt. Besonders kritisch sehen wir dabei Folgendes: Gelingt es nicht, eine für die
transparenzpflichtige Stelle akzeptable Begründung für die Verletzung geistigen Eigentums oder
eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses zu liefern, ist der Informationsschutz brüchig und die
Freigabe der Information wahrscheinlich. Im Kontext freiwillig an die Behörden übermittelter Informationen kann dies problematisch werden, weil auch dort ein überwiegendes öffentliches Interesse
zu einer Veröffentlichung führt, obwohl negative Konsequenzen für die Unternehmen erwachsen
können.
10. Anmerkungen zu einigen ausgewählten Regelungen:
§ 7 – Inhalte, Veröffentlichungspflicht
Abs. 1 Ziff. 4:
Unklar und damit schwierig in der Beurteilung ist die Regelung, dass „die wesentlichen Inhalte“ von
Verträgen „von allgemeinem öffentlichem Interesse“ veröffentlicht werden sollen. Hier würde es zu
höchst unterschiedlichen Beurteilungen kommen, so dass die eine Behörde eine Vielzahl, die andere
hingegen nur wenige Vertragsinhalte veröffentlichen würde, also keine Verlässlichkeit für die Nutzer
der Datenbank bestünde.
Abs. 1 Ziff. 11:
Hier verbirgt sich das Risiko, dass Forschungsvorhaben bekannt und Forschungsvorsprünge eingebüßt werden (siehe oben).
Abs. 1 Ziff. 13:
Die Veröffentlichung von wesentlichen Unternehmensdaten, an denen das Land beteiligt ist, greift
stark in die Rechte der Unternehmen und ihrer Geschäftsführer ein. Hier würde eine Übersicht der
Beteiligungen der Landes oder der Kommunen ausreichen. Die Unternehmensdaten selbst wären in
aller Regel ohnehin über die Pflichtveröffentlichungen im elektronischen Handelsregister zu erfahren. Eine Veröffentlichung der Vergütungen der Leitungsebene sollte aus Sicht der Wirtschaft unter-
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bleiben. Hier besteht ohnehin ein Konflikt mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen
Personen, sofern Rückschlüsse auf konkrete Einkommensverhältnisse möglich sind.
§ 10 – Nutzung
Soweit hier geregelt ist, dass sich die transparenzpflichtigen Stellen Nutzungsrechte nur einräumen
lassen „sollen“, besteht die Gefahr für die Nutzer, gerade auch Firmen, dass diese Nutzungsrechte
z.B. aus Kostengründen nicht erworben werden und die Weiterverwendung der Daten dann einen
Urheberrechtsverstoß darstellen kann, für den die transparenzpflichtige Stelle wegen der Haftungsfreistellung nicht einstehen muss.
§§ 11, 12 – Antrag /Verfahren
Das Recht auf Informationszugang besteht nach der Regelung auch auf mündlichen Antrag. Gleichzeitig muss bei einer Ablehnung eine Rechtsbehelfsbelehrung erfolgen. Hier stellen sich ganz praktische Fragen: Wie soll bei einer nur mündlichen Antragstellung, bei der gerade keine Dokumentationspflicht über Inhalt und Umfang der Anfrage besteht, ein juristisch einwandfreies Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet werden? Ein mündlicher Antrag kann auch ohne Nennung von vollständigem Namen und Anschrift wirksam erfolgen. Wie kann in einem solchen Fall eine schriftliche
Rechtsbehelfsbelehrung erfolgen?
§ 14 – Entgegenstehende öffentliche Belange
Abs. 1 S. 1
Unklar ist hier, was unter dem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ zu verstehen ist. Wenn
eine gewünschte Information als diesem Bereich zugehörig eingestuft wird, hat eine Veröffentlichung ebenso wie eine Auskunft zu unterbleiben. Hier sind Rechtsunsicherheiten und gerichtliche
Verfahren vorprogrammiert. Es bedürfte daher dringend einer Klarstellung.
Abs. 1 S. 2 Ziff. 7:
Unklar ist, wann das Bekanntwerden einer Information „den wirtschaftlichen Interessen“ des Landes
oder einer seiner Aufsicht unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts oder …“ schaden könnte. Welche wirtschaftlichen Interessen sollen hier geschützt werden? Wegen der begrifflichen Unschärfe sehen wir hier große Rechtsunsicherheiten. Es wird zumindest im Hinblick auf die
Beispiele in Nr. 1 bis 10 empfohlen, diese Beispiele als abschließend durch das Einfügen des Wortes
„ausschließlich“ in Satz 2 zu kennzeichnen, damit die gelisteten Gründe der öffentlichen Sicherheit,
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der Schutz laufender Verfahren, IT-Sicherheit etc. nicht ausgedehnt werden können und damit ein
Teil der Rechtsunsicherheit wegfallen würde.
§ 17 – Abwägung
Die größte Unsicherheit des geplanten Gesetzes sieht die Wirtschaft in dem hier verankerten Abwägungspostulat, das eine wesentliche Änderung gegenüber dem LIFG darstellt. Die Beurteilung, ob im
Einzelfall das Recht auf Informationszugang bzw. das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen
über den entgegenstehenden Belangen nach den §§ 14 Abs. 1 S. 2 bis 16 überwiegt, unterliegt einer
Wertung, die nur schwer justitiabel sein wird. Hier sehen wir große Gefahren, dass Behörden Entscheidungen zugunsten des Informationsinteresses treffen, die dann im Nachhinein gerichtlich überprüft und für unzulässig erklärt werden. Dies führt aber nicht zu einer Heilung, weil die Information
dann bereits öffentlich ist und nicht mehr „zurückgeholt“ werden kann. Der Schaden für möglicherweise betroffene Einrichtungen und Unternehmen ist dann bereits entstanden.
11. Fazit:
Aus unseren Ausführungen wollen Sie bitte entnehmen, dass sich unsere Einwände nicht grundsätzlich gegen ein modernes Demokratieverständnis, mehr Bürgerbeteiligung oder aber die Einführung
der elektronischen Akte richten. Deutlich unzureichend ist aus unserer Sicht jedoch die Gesetzesfolgenabschätzung, die sowohl Bürokratielast als auch große Teile der Folgekosten außer Acht lässt. In
den weiteren Beratungen würden wir uns daher wünschen, dass eine transparente Aufstellung der
Kosten für die grundlegende Einführung der elektronischen Akte einerseits und den weiteren Projektkosten wie etwa die Transparenzplattform andererseits erfolgen könnte. Unsere vorsichtigen
Schätzungen liegen derzeit wie gesagt bei mindestens 30 Millionen Euro.
Deutlich mehr Transparenz zu schaffen ist aus unserer Sicht auch ohne die Einrichtung einer Transparenzplattform möglich. Will man allerdings in der Bevölkerung im Land einen echten Wandel hin
zu mehr Wissen über Behördenvorgänge erreichen, bedarf es eines höheren Informationsgrades als
dies mit den überschaubaren Auskunftszahlen bislang erreicht worden ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass das bestehende LIFG genau dies leisten kann, wenn man durch geringfügige Modifikationen die Bekanntheit dieses Informationsweges erhöht, eventuell bestehende Hürden konsequent
abbaut und ein echtes „Marketing“ für die Informationsfreiheit betreibt, wie dies in der Wirtschaft
bei der Einführung neuer Produkte selbstverständlich ist. In diesem Zusammenhang kann selbstverständlich auch der vom Land geplante Kulturwandel in der Verwaltung durch die Aufhebung des
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Grundsatzes vom Amtsgeheimnis gefördert und vorangetrieben werden. Dabei sollte das Landesumweltinformationsgesetz daneben in seiner derzeitigen Form bestehen bleiben.
Ein Transparenzgesetz des Zuschnittes wie es derzeit angedacht ist, mag in einigen Jahren, wenn
auch die Verwaltung voll digitalisiert und die Akzeptanz des Internet auch im Behördenkontext voll
erreicht ist, möglicherweise sinnvoll und der digitalen Gesellschaft geschuldet sein. Derzeit jedoch
lehnen wir aus den dargestellten Gründen die Einführung des Transparenzgesetzes ab.
Mit freundlichen Grüßen
Arne Rössel
Hauptgeschäftsführer