zum Bericht - 55. Assistententagung Öffentliches Recht

AK TUELL
TAGUNGSBERICHTE
Tagungsberichte
Wiss. Hilfskraft Rechtsreferendar Steffen Hübner, Augsburg
Rechtsfrieden und Friedensrecht – 55. Assistententagung Öffentliches Recht in der Friedensstadt Augsburg
Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 ist ein herausragendes Beispiel, wie durch Recht Frieden geschaffen werden sollte. Folglich überrascht die Wahl des Tagungsthemas
nicht. Unter dem Motto „Rechtsfrieden – Friedensrecht“
fand in Augsburg die 55. Assistententagung Öffentliches
Recht statt. Rund 240 Nachwuchswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz trafen sich vom 3.–6.3.2015 in der bayerischschwäbischen Universitätsstadt, um angesichts aktueller Bedrohungen wie Terror, Krieg und mannigfaltiger Konflikte
die Herausforderungen für das Recht der Gegenwart zu
diskutieren. Denn Konfliktlösung und Friedensstiftung sind
Anspruch und Raison d’Être des Öffentlichen Rechts.
Dies wurde bereits beim festlichen Eröffnungsabend im
prunkvollen Goldenen Saal des Augsburger Rathauses
deutlich. In den Grußworten von Bürgermeister Dr. Stefan
Kiefer, Universitätsvizepräsident Prof. Dr. Henning Rosenau,
Dekan Prof. Dr. Ulrich M. Gassner
und Justizstaatsminister Prof. Dr.
Winfried Bausback, die selbst allesamt Juristen sind, tauchten stets
Bezüge zu dem historischen Religionsfrieden, aber auch zu aktuellen
Ereignissen wie den Anschlägen
auf Charlie Hebdo in Paris auf.
Recht und Frieden, so die Redner
unisono, gingen stets Hand in
Hand und insbesondere sei ersteres
ein Garant für letzteres. Auch der
Vizepräsident des BVerfG Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof wies
als Festredner darauf hin, dass das Grundgesetz als Fundamentalnorm den Frieden betone, sich des Friedens bewusst
sei und diesen durchsetzen wolle. Dem „Frieden der Welt
zu dienen“ heiße es daher bereits in der Präambel.
In zahlreichen Vorträgen mit anschließenden, teils kontrovers geführten Diskussionen ging es in den folgenden Tagen um genau diese Themen. Ein erstes Panel beschäftigte
sich zunächst mit der grundsätzlichen Friedensfunktion des
Rechts und versuchte diese am Beispiel des Völker- und
Verfassungsrechts aufzuzeigen. In seinem Vortrag „Frieden
durch Völkerrecht im Zeitalter der Extreme – Hans Kelsen
und Wilhelm Grewe“ beleuchtete Felix Lange (Berlin) die
konträren Positionen dieser beiden großen Rechtsgelehrten
im von zwei Weltkriegen geprägten 20. Jahrhundert. Anika
Klafki (Hamburg) sprach sodann über „Friedenssicherung
durch Verfassungsrecht. Multi-ethnischer Föderalismus im
Spannungsfeld zwischen Konfliktbewältigung und funktionsgerechter staatlicher Aufgabenteilung“. Am Beispiel
Bosnien und Herzegowinas untersuchte sie, wie die Rechte
verschiedener Bevölkerungsgruppen in Bürgerkriegsnationen verfassungsrechtlich abgesichert werden können, um
so dauerhaften Frieden zu sichern.
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In einem weiteren internationalen Panel widmete sich Dr.
Dr. Armin Steinbach (Bonn) einem in den letzten Jahren
zunehmend bedeutender werdenden Thema: In seinem
Referat „Streitbeilegung durch öffentlich-private Schiedsgerichte – Friedenssicherung oder Unruhestifter?“ hinterfragte er die rechtspolitische Notwendigkeit und die demokratische sowie rechtliche Legitimation dieser Institutionen.
Anschließend sprach Ralph Janik (Wien) über „Humanitäre
Intervention, Schutzverantwortung und demokratische
Regimewechsel“. Ausgehend von den Theorien Kants, Mills
und Rawls‘ exemplifizierte er das Thema anhand aktueller
Fälle wie Haiti, Uganda, Libyen oder Syrien.
Das dritte Panel beschäftigte sich mit dem stets aktuellen
Thema des Datenschutzes und dem immerwährenden
Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit. Dr. Martin
Heidebach (München) arbeitete die NSA-Affäre in Deutschland aus grundrechtlicher Sicht auf und fragte bereits im
Untertitel seines Beitrags: „Stößt der Grundrechtsschutz an
seine Grenzen?“ Matthias Lachenmann (Oldenburg) widmete sich in seinem Vortrag „Das Ende des Rechtsstaates
auf Grund der digitalen Überwachung durch die Geheimdienste und die Auswirkungen auf den Datenschutz“ der
Frage, inwiefern der Rechtsstaat durch die digitale Überwachungstätigkeit der Geheimdienste
an seine Grenzen stößt. Lachenmann mahnte die Zuhörer mit den
Worten aus Schuberts Kunstlied
„Die Forelle“ eindringlich: „Seht
ihr Gefahr, so eilt!“
Das folgende Panel richtete das
Augenmerk verstärkt auf Akteure,
die abseits des Blicks der Öffentlichkeit zur Friedenssicherung beitragen sollen. Gabriel Gertsch (St.
Gallen) berichtete am Beispiel der
Schweiz über die Kontrolle der Nachrichtendienste aus verfassungsrechtlicher Sicht. Auch Dr. Florian Meinel (Berlin)
sprach Verfassungsprobleme an, und zwar solche der Binnenorganisation der Bundesregierung am Beispiel des Bundessicherheitsrats, eines geheim tagenden Kabinettsausschusses. Er zeigte staatsorganisationsrechtliche Bedenken
auf, die sich insbesondere aus dieser Geheimheit ergäben.
Den Blick in einen ganz anderen weitgehend verborgenen
Bereich richtete dagegen Dr. Christian Ernst (Hamburg). In
seinem Referat „Die Bewältigung konfligierender normativer Ordnungen – Die Aushöhlung hoheitlicher Gewalt am
Beispiel muslimischer Friedensrichter“ stellte er zwar zunächst die grundsätzliche Zulässigkeit privater Streitschlichtung als Ausdruck der Selbstbestimmung fest. Er warnte
aber zugleich vor der Entstehung paralleljustizieller Normsysteme und einer damit einhergehenden Erosion verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen.
In einer Stadt wie Augsburg, die mit der Fuggerei die älteste Sozialsiedlung der Welt beherbergt, bot sich außerdem
das Thema des folgenden Panels an: Sicherung sozialen
Friedens durch den Nationalstaat. Das Arbeitsrecht zum
Beispiel soll die klassische Friedensfunktion des Rechts verwirklichen, wie sich schon aus Begriffen wie „Friedens-
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pflicht“ ergibt. In seinem Vortrag „Friedensdienende Freiheit: Die objektiv-rechtliche Auslegung der Koalitionsfreiheit am Beispiel des Streits um die Tarifeinheit“ befasste
sich daher Dr. Christoph Krönke (München) zunächst mit
einer grundrechtsdogmatischen Darstellung des Art. 9 III
GG sowie der Rechtsprechung des BAG und dem Regierungsentwurf zur Tarifeinheit. Aber auch das Sozialrecht ist
konzeptionell Friedensrecht. Darauf wies Jun.-Prof. Dr. Minou Banafsche (Kassel) in ihrem Beitrag „Die Friedensfunktion sozialstaatlicher Gewährleistungen“ hin. Sie zeigte die
Entwicklung des Sozialrechts von seiner Entstehung Ende
des 19. Jahrhunderts unter Bismarck, seine rechtsphilosophischen Grundgedanken sowie seine wesentlichen Prinzipien auf. Hierauf aufbauend ging Sebastian Ehricht (Göttingen) näher auf die Hartz-IV-Entscheidung des BVerfG
und das Grundrecht auf ein sozioökonomisches
Existenzminimum ein, das er insbesondere im Lichte des
Capability Approach des indischen Philosophen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Amartya Sen betrachtete.
Das sechste und letzte Panel beschäftigte sich schließlich
mit einem Phänomen, das in den letzten Jahren unter dem
Begriff „Wutbürger“ bekannt geworden ist, und der Frage,
ob durch die Stärkung der Rechte von Bürgern Frieden
geschaffen werden kann. Dr. Birgit Peters (Münster) sprach
in ihrem Vortrag „Befriedet Beteiligung den Endlagerstreit?
Deutsche und Schweizer Endlagersuche im Vergleich“
daher die Themen Öffentlichkeitsbeteiligung und Herstellung von Akzeptanz an. Außerdem resümierte sie, dass das
deutsche Verfahren sehr kompliziert sei. Auf einer anderen
Ebene untersuchte Dr. Lorin-Johannes Wagner (Bozen) in
seinem Referat „Die Europäische Bürgerinitiative im Bereich
des auswärtigen Handelns der Europäischen Union“ die, so
sein Untertitel, „Spurenelemente direktdemokratischer Einflussmöglichkeiten in der europäischen Außenpolitik“. Im
letzten Vortrag, der passenderweise den Titel „… und es
befriedet doch!“ trug, plädierte Rafael Häcki (Bern) für eine
normative Theorie des demokratischen Verfassungsstaats.
Es sei richtig und wichtig, dass „Herr und Frau Wutbürger“
der political class ihre Meinung sagten. Partizipation befriede und schaffe Akzeptanz.
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Zusätzlich zu den zahlreichen Vorträgen diskutierte ein mit
hochkarätigen Teilnehmern besetztes Podium unter der
Moderation von Dr. Reinhard Müller (FAZ) über den Themenkomplex „Frieden, Freiheit und Sicherheit“. „Freiheit
geht nicht vor allem, aber Freiheit ohne Sicherheit ist illusorisch“, sagte dabei Präsident des BVerfG a. D. Prof. em. Dr.
Dres. h. c. Hans-Jürgen Papier. Bundesjustizministerin a. D.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bekannte, keine Gegnerin eines handlungsfähigen Staates zu sein. Aber nicht
alles, was der Sicherheit diene, sei auch richtig. Generalbundesanwalt Harald Range schließlich verglich sich mit
einem Handwerker: Er wünsche sich einen möglichst vollen
Werkzeugkasten.
Begleitet wurde das anspruchsvolle Fachprogramm schließlich von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Bei
diversen Stadtführungen konnten die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer auf den Spuren der reichen Fugger durchs goldene Augsburg wandeln oder beim „Tatort Augsburg –
Schandtaten im Laufe der Zeit“ Geschichten historischer
Kriminalfälle erfahren. Auch ein Besuch der berühmten
Augsburger Puppenkiste war möglich.
In der Juristischen Fakultät gab es ein Weißwurstfrühstück
und beim bayerisch-schwäbischen Abend im urigen Gewölbekeller eines Brauerei-Gasthauses wurden zünftige
Brotzeit und frisch gezapftes Bier gereicht. Zahlreiche Gäste
kamen passend hierzu in Dirndl oder Lederhosen. Die
Tracht tauschten sie am letzten Abend jedoch in Abendkleid und Smoking, als das Organisationsteam zum festlichen Abschluss mit Gala-Dinner einlud. Nach einem Location-Wechsel wurde noch – getreu dem Tagungsmotto –
friedlich bis in die Morgenstunden getanzt.
„Die ganze Tagung war ein großartiges Erlebnis und wir
danken allen, die daran mitgewirkt haben, dass sie gelungen ist“, resümiert Jennifer Hölzlwimmer stellvertretend für
das Augsburger Team. Sie empfiehlt außerdem jedem
Interessierten, dabei zu sein, wenn 2016 die 56. Assistententagung Öffentliches Recht in Mainz stattfinden wird.
Ź [email protected]
Ź Weitere Informationen im Internet:
www.assistententagung.de/2015
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