MANFRED HENNINGER - Stadt Kornwestheim

MANFRED HENNINGER
1894 geboren in Backnang
1916 Kunstunterricht bei Heinrich Seufferheld an der Universität
Tübingen
1919 Beginn des Studiums an der Akademie der Bildenden Künste
Stuttgart bei Christian Landenberger und Oskar Kokoschka
1922 ein Wintersemester an der Kunstakademie Dresden bei
Karl Albiker und Oskar Kokoschka
1924 und 1925 Reisen nach Griechenland und Italien
1929 Mitbegründer der Stuttgarter Neuen Sezession
1933 Flucht aus Nazideutschland. Nach einem kurzen Aufenthalt
in Locarno über Bern und Genf nach Chens am französischen Ufer
des Genfer Sees
1934 bis 1936 Aufenthalt auf Ibiza. Flucht vor dem Bürgerkrieg im
Oktober 1936
Anfang Oktober 1936 Ankunft im Tessin und Trennung von der
Fami­lie, die zurück nach Deutschland geht. Nach kurzem Aufenthalt in
Locarno-Minusio bezieht Henninger die Mulino del Brumo, genauer
die untere der beiden Mühlen dieses Namens – Mulino sott’al Brumo.
Henninger selbst verwendet konsequent die mundartliche Bezeichnung Molino di Brumo.
Manfred Henninger beim Malen.
„Molino di Brumo“, Ronco sopra Ascona, vor 1940
„Als ich nach einer gefährlichen Reise den Schweizerboden [1936]
wieder betrat, atmete ich auf und glaubte neu an die Möglichkeit einer
Existenz. Es zog mich an den Langensee [Lago Maggiore]. […]
1937 Besuch der Familie und des Freundes Paul Laporte.
1938 Teilnahme an der Ausstellung „Maler im Tessin“ im Kunst­
museum Luzern.
1939 Atelier in Losone. Die Ehefrau besucht Henninger in den Oster­
ferien, die zwei älteren Söhne, Arnold und Hans, bleiben ab den
Sommerferien beim Vater in der Mühle.
Juni 1939 Besuch bei Frau Berend-Corinth in Hertenstein. Besuch der
im Luzerner Kunstmuseum ausgestellten „entarteten“, aus deutschen
Museen entfernten Kunstwerke.
Herbst 1939 Manfred Henninger erkrankt lebensgefährlich. Sein
Freund, der Maler und Bildhauer Werner Müller, nimmt ihn samt
Kindern bei sich in Ascona auf. Es folgen Monate der Genesung in der
Casa Verena, einem anthroposophischen Erholungsheim oberhalb
von Ascona.
1940 Die Ehefrau Maria darf zur Pflege ihres schwerkranken
Mannes Deutschland verlassen. Die Familie lebt vereint in der Mulino
bei Ronco.
1946 Teilnahme an mehreren Ausstellungen, darunter an der in
Zürich, Genf und Basel gezeigten Schau „Kunst im Exil.“ Mit dem
Circolo Verbano stellt er in Interlaken aus.
1947 Umzug in die Villa Cavalli nach Verscio. Freundschaft mit dem
Philosophen Karl Kerény. Mit Hans Schürch gewinnt Henninger einen
guten Freund und Sammler, der ihn auf vielfältige Weise unterstützt.
1949 Berufung an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste
Stuttgart
1986 stirbt am 5. Oktober 1986 in Stuttgart.
Die schwarzen Felsen schimmern nach dem Regen in rötlichen,
bläulichen Tönen. Die Hintergründe, da die Berge hoch und nah sind und
die Atmosphäre wenig mit Wasserdunst gesättigt ist, zeigen oft tiefes
Blau. […]
Die Pflanzen, dies empfand ich besonders als ich von Spanien kam,
wuchern in den niederen Gebieten tropisch und wirr durcheinander.
Nirgends habe ich deutlicher das Gefühl gehabt der Weltschöpfung
beizuwohnen als hier, wo alle Weltgegenden und alle Klimaten sich
zusammengedrängt zeigen. Ich konnte diese Landschaft nie lieblich
finden, dagegen ist sie voller Eigenwilligkeit, bizarr, voller Schöpfungsenergien in sichtbarer, aufregender Verwandlung. […]
Die Natur spricht hier ihre Worte deutlich, eindrucksvoll und lesbar
für den, der ihr noch zuhören kann.“
Manfred Henninger, Ein Bekenntnis zur Malerei. Zürich (1947).
oben: Landschaft im Tessin
Aquarell, 49 x 67 cm,
um 1942, Privatbesitz Stuttgart
MANFRED HENNINGER
unten: „Molino di Brumo“
Öl / Leinwand, 49 x 74 cm
1941, Privatbesitz
links: Porträt Harbax Sikh
Öl / Leinwand, 74 x 49 cm
Museum im Kleihues-Bau
Titelbild (Ausschnitt):
Felsen beim „Molino di Brumo“
Öl / Leinwand, 64 x 80 cm
Museum im Kleihues-Bau
Foto rechts: Die Kinder der
Familie Henninger mit einer
Gruppe in Ronco internierter
indischer Soldaten 1943 / 44.
Exiljahre im Tessin
17. Mai bis 15. November 2015
Freitag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr
links:
Holzlagerplatz in Losone
Öl / Nessel, 74 x 100 cm,
1945, Museum im Kleihues-Bau
Mitte oben:
Badende am Wasser
Öl / Leinwand, 74 x 93 cm, 1938,
Nachlass Arnold Henninger
Mitte unten:
Rötelzeichnung
31 x 42 cm, um 1940,
Museum im Kleihues-Bau
rechts (Ausschnitt):
Blick auf den Lago Maggiore
Öl / Leinwand, 73 x 100 cm,
1937, Museum im Kleihues-Bau
Rückseite:
Haus mit Torbogen in Losone
Öl / Leinwand, 66 x 81 cm,
um 1944
MANFRED HENNINGER
Exiljahre im Tessin
17. Mai bis 15. November 2015
Freitag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr
Publikation erscheint im September.
Überwältigt von den Energien mediterraner Naturentfaltung, wie
sie der Mensch Manfred Henninger in der Abgeschiedenheit seiner
Malerklause in der „Nebelmühle“ (Mulino del Brumo) zwischen
Arcegno und Ronco sopra Ascona unmittelbar erlebt, huldigt ihr der
Maler Henninger mit geradezu schöpferischer Besessenheit. Seine
Naturverehrung erfährt zudem, begünstigt durch die von den äuße­
ren Umständen auferzwungene materielle Selbstbeschränkung, eine
bis ins Religiös-Schwärmerische übergehende Steigerung.
Ein Besuch bei Charlotte Berend-Corinth 1939 am Vierwaldstätter See
verstärkt die Resonanzbereitschaft Henningers für die kompositorischen Elemente der Malerei von Lovis Corinth. Zudem beginnt sich
der Maler in den frühen 1940er Jahren mit der Malweise Paul Cézannes
auseinanderzusetzen. In diesem Sinne erscheinen Pinselaufträge kon­
trollierter, Farbaufträge homogener, das Erzählerische konkreter. Die
späten Tessiner Gemälde, vor allem jene nach dem Umzug 1947 in die
Villa Cavalli in Verscio entstandenen, belegen diesen ansatzweisen Wan­
del bei aller Kontinuität in Henningers Œuvre aus den Tessiner Jahren.
Henningers Gemälde entstehen im Freien, um im Atelier weiter aus­
gearbeitet zu werden. Die vielen Baum-, Felsen- und Bachlandschaften,
die Lago Maggiore-Aussichten und die in üppiger Landschaft ein­ge­
betteten, oft nur andeutungsweise wahrnehmbaren Architekturen
und Ortssilhouetten, verkünden über den Bewegungsfluss des Farbauftrags, über die vom deutschen Impressionismus kultivierte Tradi­
tion des Malerischen, von einem ungebrochenen Lebensoptimismus,
den sich der deutsche Exilant auch in der prekären Lebenssitua­tion im
Tessin bewahrt hat.
Bei aller Zurückgezogenheit hat Henninger in seiner Tessiner Zeit
nicht außerhalb der Kunstszene in der Region gelebt. Die räumliche
Nähe zu den Lebensreformern am Monte Veritá spielt mit hinein
in Henningers Kult der Körpernacktheit, der sich u. a. im Motiv der
Badenden am Fluss oder unter Bäumen widerspiegelt. Ab 1946 stellt
Henninger mit dem Circolo Verbano-Kreis der in Ronco an­säs­sigen
Maler mehrfach aus. Die Kontakte zu Peter Jordi, dem Sohn des Land­
kommunengründers und Heinrich Vogeler-Schülers in Fontana Martina,
bringen ihm überdies den Werkstoff Keramik nahe.
Die Ausstellung im Kleihues-Bau gibt auf knapp 800 qm Ausstellungs­
fläche einen Einblick in das Schaffen Manfred Henningers im Tessiner
Exil. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der eigenen Sammlung des
Museums. Diese wird ergänzt mit privaten Leihgaben. Das überaus
produktive Schaffen Henningers während der Tessiner Jahre und die
zahlreichen nicht überschaubaren, in Privatbesitz verstreuten Zeugnisse seiner Kunst, erlauben nur einen selektiven Blick über diese Zeit.
Irmgard Sedler
Museen der Stadt Kornwestheim
Museum im Kleihues-Bau
Stuttgarter Straße 93
70806 Kornwestheim
Telefon: 0 7154-202 74 01
E-Mail: [email protected]